Walter, Dietmar & Pfeifer, Robert:© EinOrnithologische Sprosser-Fängling Gesellschaft Luscinin Bayern, download [luscinia] unter luscinia www.biologiezentrum.at im Oberallgäu 41

Ornithol. Anz., 47: 41-50

Ein Sprosser-FänglingLuscinia [luscinia] luscinia im Oberallgäu - mit Anmerkungen zum Auftreten der Art in Bayern

Dietmar Walter und Robert Pfeifer

A Thrush NightingaleLuscinia [l.] luscinia caught near , Oberallgäu, and comments on the occurence of the species in On 14"’ August 2007 a first year Thrush Nightingale was caught and ringed in the moors near the village of (47° 44' N; 10° 23' E; 710 m NN, , Bavaria). This lies within the seasonal distribution of 13 other records documented from Bavaria since 1900. The seasonal pattern of occurence in Bavaria, Austria and Switzerland shows two clear-cut periods of migration (middle to end of May and mid-August to early September). 1t appears that the few records do not reflect the real occurence of this secretive and - especially when not singing - inconspicuous species outside its breeding ränge. Field ornithologists should take greater care. The character- istics of the Thrush Nightingale and the Common Nightingale are both complex and variable. Hybrids between the species occur. Nevertheless, the two species can be distinguished with a high degree of confidence in most cases. All records should be documented exactly and submitted to the Bavarian Records Committee. Key words: Thrush Nightingale, Common Nightingale,Luscinia luscinia, Luscinia megarhynchos, Bavaria, Swabia, migration, field characters. Dietmar Walter, An der Gasse 18, D-87490 Börwang, E-Mail: [email protected] Robert Pfeifer, Dilchertstr.8, D-95444 Bayreuth, E-Mail: [email protected]

Der Status des Sprossers in Mitteleuropa

Die artliche Unterscheidung des Sprossers Luscinia [luscinia] luscinia (L., 1758) von seiner Zwillingsart, der Nachtigall Luscinia [luscinia] megarhynchos C. L. Brehm, 1831, erfolgte erst im 19. Jahrhundert. Wie die eckige Klammer hinter dem Gattungsnamen zum Ausdruck bringt, gehören die beiden eng verwandten Taxa einer Superspezies an. Die früher bei den Drosseln (Turdidae) eingeordnete Gattung Luscinia (Barthel 1993a) ist jetzt aufgrund neuer Erkennt­ nisse über Verwandtschaftsbeziehungen durch molekularbiologische Methoden zumeist der Familie der Schnäpperverwandten (Musci- capidae) zugeordnet worden (Barthel & Helbig 2005, s. aber Collar in del Hoyo et al. 2005). Das Brutgebiet des Sprossers erstreckt sich Abb. 1. Butverbreitung von NachtigallLuscinia 11.] megarhynchos (dunkelgrau) und SprosserL. [I.] luscinia nordöstlich von dem der Nachtigall, etwa von (hellgrau) sowie die Kontaktzone der beiden Arten einer Linie Südnorwegen, Dänemark, Nord­ (schwarz) in Europa (nach Hagemeijer & Blair 1997). ostdeutschland, Polen und Rumänien über den Breeding areas of Common Nightingale (dark grey), Ural bis nach Zentralasien (Beaman & Madge Thrush Nightingale (light grey) and overlap zone (black) of 1998, Hagemeijer & Blair 1997). the two species in Europe (after Hagemeijer & Blair 1997). 42 © Ornithologische Gesellschaft Bayern, download unter www.biologiezentrum.at Ornithol. Anz., 47, 2008

In den letzten Jahrzehnten konnte eine Fang eines diesjährigen Arealausweitung am West- und Nordrand sei­ Sprossers bei Kempten ner Verbreitung festgestellt werden (Bauer & Berthold 1997). Im östlichen Mitteleuropa über­ Am 14. August 2007 konnte D. W. gegen 12.30 lappt sich das Areal des Sprossers mit dem der Uhr einen diesjährigen Sprosser aus einem Nachtigall in einer unterschiedlich breiten Japannetz befreien und beringen (Ring-Nr. CC Kontaktzone von Schleswig-Holstein bis zum 58780 Radolfzell). Die Fanganlage, die aus 10 Schwarzen Meer (Abb. 1). Die beiden parapatri- Netzen besteht, wird seit 1996 jährlich von schen Taxa sind innerhalb dieser Kontaktzone Anfang August bis Anfang November betrieben interspezifisch territorial, d.h. sie verhalten sich (durchschnittlich 13 Fangtage pro Jahr mit ca. 95 ökologisch zueinander wie Vertreter einer Art Fangstunden). Sie befindet sich in dem Feucht­ (Haffer 1989). Im europäischen Überlappungs­ gebiet Betzigauer Moos, 5 km nordöstlich von bereich der Areale kommt es, wenn auch selten, Kempten (47° 44' N; 10° 23' E; 710 m NN - Lkr. so doch regelmäßig zu Mischverpaarungen und Oberallgäu, Schwaben, Bayern). daraus resultierenden Hybriden sowie Rück­ Schon beim Herausnehmen des Vogels aus kreuzungen mit beiden Elternarten bei vermut­ dem Netz fiel auf, dass die Oberseite nicht so lich eingeschlechtlicher Hybridsterilität (Becker warm getönt war wie bei der Nachtigall, son­ 1995, Extrembeispiel s. J. Becker in Fiedler, dern eher erdbraun und die Schwanzfedern viel Koppen & Geiter 2006). Westlich der Verbrei­ dunkler, dumpfer rostbraun waren (Beaman & tungsgrenze nimmt die Nachweisdichte des Madge 1998, Jonsson 1992). Dazu kam eine Sprossers rasch ab, sodass die Art zumeist als deutlich bräunlich-graue, leicht gefleckte Brust seltener, zum Teil aber regelmäßiger Durch­ (Abb. 2a). Der Sprosser besaß eine Flügellänge zügler eingestuft wird (Bauer, Bezzel & Fiedler von 87,5 mm (nach Svensson 1992, Mess­ 2005). In Bayern war und ist der Sprosser (noch) genauigkeit 0,5 mm) und ein Gewicht von 24,6 kein Brutvogel, die nächsten Brutplätze befin­ g (digitale Messgenauigkeit 0,1 g). Die äußerste den sich seit Mitte der 1990er Jahre ca. 190 km Handschwinge (HS) lag 7 mm unter den nordöstlich der Landesgrenze bei Bautzen in Großen Handdeckenspitzen und die Silhouette Sachsen, woran sich auch aktuell nichts geän­ am geöffneten Handflügel (Abb. 3) zeigte, dass dert hat (Steffens, Saemann & Grössler 1998, die 8. HS deutlich über die 7. HS ragte, während T. Hallfarth, briefl.). diese gegenüber der 9. HS etwas kürzer war Selbst gut belegte Sprosser-Nachweise sind (wie bei Svensson [1992] abgebildet). Die ocker­ in Bayern spärlich gesät. In der „Avifauna farbenen Spitzen der Großen Oberen Bavariae" werden aus dem 20. Jahrhundert nur Armdecken wiesen den Vogel als diesjährig aus vier Fälle angeführt (Wüst 1986). Inzwischen (Abb. 2b). Anzeichen einer Hybridisierung mit liegen insgesamt 14 mehr oder weniger gut der Nachtigall konnten nicht entdeckt werden. gesicherte Nachweise des Sprossers aus Bayern Die Meldung wurde von der Bayerischen vor (Tab. 1, vgl. auch Bezzel 1990), von denen Avifaunistischen Kommission (BAK) anerkannt bei zweien (Nr. 2 und 7 in Tab. 1) keine näheren (K. Krätzel, briefl.). Angaben vorliegen, die Artbestimmung jedoch In dieser Fanganlage wurden in dem oben anhand von Fänglingen erfolgte und daher angegebenen Zeitraum vom Verfasser als weite­ wohl als gesichert zu betrachten ist. Hinzu kom­ re Vertreter aus der Gattung Luscinia bisher eine men einige weitere Meldungen, die keiner Nachtigall L. [L] megarhynchos und 16 Blau­ Kommission Vorlagen oder bei denen hinsicht­ kehlchen L. svecica gefangen. lich der Artbestimmung Restzweifel blieben Nachdem der Sprosser aus verschiedenen (z. B. Jung 1990, s. auch Bezzel 1990, 1994). Die Positionen fotografiert worden war, wurde er Art ist allerdings erst seit 1988 den zuständigen mit guten Wünschen für ein langes Leben auf Kommissionen zu melden. seine weitere, sicher gefährliche Reise entlassen. Walter, Dietmar & Pfeifer, Robert:© Ornithologische Ein Sprosser-Fängling Gesellschaft LusciniaBayern, download [luscinia] unter luscinia www.biologiezentrum.at im Oberallgäu 43

Abb. 2. Diesjähriger Sprosser Luscinia [Z.] luscinia, Betzigauer Moos, Lkr. Oberallgäu, 14. August 2007. -Thrush Nightingale, Ist calendar year, Betzigauer Moos, August 14, 2007. Fotos: Dietmar Walter.

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Abb. 3. Flügel des diesjährigen Sprossers L. [I.] luscinia, derselbe Vogel wie Abb. 2, vgl. Merkmale zum Flügelschnitt in Tab. 2. - Wing of Thrush Nightingale, Ist calendar year, the same bird as fig. 2, see also Tab. 2. Foto: Dietmar Walter 44 © Ornithologische Gesellschaft Bayern, download Ornithol.unter www.biologiezentrum.at Anz., 47, 2008

Tab. 1. Belegte Nachweise des Sprossers in Bayern seit 1900.Accepted - records of Thrush Nightingales in Bavaria since 1900.

Datum / Nachweis / date record Ort / location Quelle /source Bemerkungen /comments 1. 16.08.19491 Ind., gefangen, Kempten im Allgäu Hoser 1950, vmtl. Hybrid Nachtigall gekäfigt Wüst 1986 x Sprosser

2. 11.05.1963 1 ad. Ind., Fang, Hahnbach, Lkr. H. Konofskyin mit hoher Beringung Amberg-Sulzbach Wüst 1986 Wahrscheinlichkeit richtig bestimmt, dennoch nur mit Vorbehalt (vgl. Bezzel 1990)

3. 24.08.1966 1 Ind., Fang, Altm ain bei E. Schnabel in Beringung Staffelstein, Lkr. Barnickel et al. Lichtenfels 1978

4. 01.09.1979 1 Ind., Fang, Ismaninger Teichgebiet, A. Bernecker in Beringung Lkr. München Wüst 1986

5. 16.08.1979 1 Ind., TotfundTeisendorf K. Robel in Beleg in Zoologischer Wüst 1986 Staatssammlung München

6. 16.05.19871 sing. (J Aigen am Inn, Lkr. Reichholf 1988 Passau

7. 06.09.1988 1 dj. Ind., FangHilpoltstein, Lkr. Roth Limicola 2: keine näheren Angaben 243

8. 22.05.- Isin g . (J Rötelseeweihergebiet, P. Zach et al. in 13.06.1995 Lkr. Cham D S K 1997

9. 22.05.- 1 sing. $ Alterlangen, Stadt T. Sacher et al. 27.05.1995 Erlangen in DSK 1997

10. 18.08.1996 1 Ind., Fang, Hochstadt am Main, D. Franz et al. Beringung Lkr. Lichtenfels in DSK 1998

1 1 . 26.05.- 1 sing. $ Grettstädter Ried, Lkr. DSK 2005 03.06.1999 Schweinfurt

12 . 0 3.09.2002 1 dj. Ind., Fang, V ogelschutz w a r te BAK, J. Beringung G arm isch- Fünfstück, G.v. Partenkirchen Lossow

13. 12.05.20051 sing. $ Altmühlsee, Vogelinsel, BAK, Wagner Lkr. Weißenburg- et al. Gunzenhausen

14. 14.08.20071 dj. Ind., Fang, Betzigauer Moos, Lkr. D. W alter, Beringung Oberallgäu diese Arbeit

(15) Am 18. April 2008 wurde im Betzigauer Moos ein Sprosser gut beobachtet (D.W.). Eine Anerken­ nung durch die BAK steht noch aus. Walter, Dietmar & Pfeifer, Robert:© Ornithologische Ein Sprosser-Fängling Gesellschaft LitsciniaBayern, download [lnscinin] unter luscinin www.biologiezentrum.at im Oberallgäu 45

Merkmale von Sprosser und Nachtigall (Wagner 2008). In der Schweiz, ca. 600 km süd­ westlich des westlichen Randes des Sprosser- Wenngleich sich typische Individuen der beiden Areals, liegt der Median des Wegzuges etwas Arten anhand von Körperproportionen, Fär­ später. bung, Verhalten und/oder Gesang in der Regel Die räumliche Verteilung der Sprosser- leicht bestimmen lassen, lässt die Variations­ Nachweise in Bayern lässt kein geografisches breite der Einzelmerkmale von Nachtigall und Muster erkennen, sondern deckt sich mit regel­ Sprosser eine nur auf einem Merkmal beruhen­ mäßig kontrollierten Beobachtungsgebieten, de Bestimmung nicht zu, sodass stets mehrere längerfristig betriebenen Beringungsstationen Unterscheidungskriterien zur Erhärtung der und den Wohnorten fachkundiger Feldorni­ Artbestimmung herangezogen werden sollten. thologen. Insgesamt stehen vom Wegzug 7 Einen Überblick über einige wichtige Merkmale Fänge und ein Totfund gegenüber 5 Nach­ zur Unterscheidung der beiden Zwillingsarten weisen und einem Fang vom Heimzug. Kein gibt Tab. 2. Für weitere Detailinformation sei einziger Herbstnachweis in Bayern konnte mit auf die ausführlichen Beschreibungen in Glutz herkömmlichen feldornithologischen Methoden & Bauer (1988) sowie auf die Arbeit von Barthel erbracht werden. (1993b) verwiesen. Die typischen Gesänge von Es ist daher davon auszugehen, dass die Nachtigall und Sprosser sind mit etwas Übung Daten das tatsächliche Auftreten der Art in leicht zu unterscheiden. Es sei jedoch auf die Bayern nur unzureichend widerspiegeln, was Möglichkeit des Auftretens von Mischsängern schon von Wüst (1986) vermutet wurde. In („Zweischaller") und Hybriden hingewiesen April , Mai , Juni , Juli , A u g u st, Sept. (vgl. hierzu auch Busching 2005 und Schönfeld b -| 2006). Die Mischsänger sind zumeist Sprosser, 24.08. Bayern T ihr Anteil kann in lokalen Sprosserpopulationen 4 - n = 14 bis zu 50% betragen. Eine detaillierte Dar­

stellung der Unterschiede in den Laut­ 2 - äußerungen von Nachtigall und Sprosser liefer­ te Mundry (1993), Sonagramme und Ton­ 0 - i i i i i m rrvi beispiele finden sich z. B. bei Bergmann et al. R -| d) (2008). CA Schweiz a> 4 - 1.08. £ n = 15 .e o (0 9 - Diskussion z

In der Artenliste der Vögel Bayerns (Bezzel 0 - I I I I I I I' "I I I |< I I I I 1994) ist der Sprosser als Ausnahmeerscheinung 15 1 1 Österreich 7 .0 8 ^1 geführt. Diese Einstufung entspricht der Daten­ 1 10 - n = 38 1 lage. Das Auftreten ist jedoch nicht unregelmä­ l1 1 ßig, sondern die 14 Beobachtungen aus Tab. 1 1 5 - 1 zeigen ein klares Muster des zeitlichen 1

Auftretens mit Frühjahrszug von Mitte bis Ende n,,, njlltl [|I|H 0 - jn J W , Mai und deutlich ausgeprägterem Wegzug von 19 21 23 25 271 3329 3537 39 413 454 47 19 51 53 Mitte August bis Anfang September (Abb. 7). Pentaden Im benachbarten Österreich, in dem der Sprosser bis 1830 Brutvogel war und Melde­ Abb. 7. Phänologie des SprossersL. [L] luscinia in pflicht bei der Avifaunistischen Kommission Bayern (seit 1900), Österreich (seit 1991) und der erst seit 1991 besteht, ist er, besonders im östli­ Schweiz (seit 1977). Pentadensummen und Mediane des Wegzugs. Seasonal distribution of Thrush chen Teil, ein regelmäßiger Durchzügler Nightingale in Bavaria, Austria and Switzerland. Totals of (Dvorak et al. 1993, Abb. 7). Dies bestätigen five-day-periods and median dates ofautumn migration. auch jüngste Meldungen aus der Steiermark, so Quellen/sources: Bayern: Tab. 1, Schweiz: Maumary et z. B. sechs gefangene Individuen im September al. (2007), Österreich: http://www.birdlife-afk.at/, 2007 im Hartberger Gmoos (Barthel 2007) sowie Ranner (http://www.khil.net/AFK/), Ranner, Laber das Durchzugsmuster der Art in Kärnten & Berg (1995), Laber & Ranner (1997). 46 © Ornithologische Gesellschaft Bayern, download unter www.biologiezentrum.at Ornithol. Anz., 47, 2008

Abb. 4. Nachtigall (A, Betzigauer Moos, Lkr. Oberallgäu, 11. August 2003) und Sprosser (B, Betzigauer Moos, 14. August 2007). Beachte die Länge von HS10 (Pfeile) und die Färbung von Oberseite und Schwanz (vgl. Tab. 2) - Common Nightingale (A, Betzigauer Moos, August 11, 2003) and Thrush Nightingale (B, Betzigauer Moos, August 14, 2007). Note the length of lOth primary (arroius) and the colour of upper parts and tail feathers (see also Tab. 2). Fotos: Dietmar Walter

Abb. 5. Am teilweise verdeckten Vogel kann die Zahl der sichtbaren Handschwingen am zusammenge­ legten Flügel (hier: 7, Sprosser: 8) ein wichtiges Bestimmungsmerk­ mal sein. Singende Nachtigall Luscinia [l.] megarhynchos, Ochsenfurt, 29. April 2002. - An important diagnostic feature is the number of equally spaced primary tips on folded wing (here: seven, Thrush Nightingale: eight), especially zohen the bird is partly concealed by twigs. Singing Common Nightingale, Ochsenfurt, April 29, 2002. Foto: Rainer Jahn

Abb. 6. Unterschwanzdecken der Nachtigall (Betzigauer Moos, 11. August 2003), vgl. Tab. 2 - Under tail coverts of Common Nightingale (August 11, 2003), see also Tab. 2. Foto: Dietmar Walter Walter, Dietmar & Pfeifer, Robert:© Ornithologische Ein Sprosser-Fängling Gesellschaft LusciniaBayern, download [lusciiiin] unter luscinia www.biologiezentrum.at im Oberallgäu 47

Tab. 2. Wichtigste Bestimmungsmerkmale zur Unterscheidung von Nachtigall und SprosserSome -important dia- gnostic features for the identification of Common and Thrush Nightingale. Quellen/sources: Barthel 1993b, Glutz & Bauer 1988.

Nachtigall Sprosser

Common Nightingale______Thrush Nightingale Flügel Flügellänge S 86-94 mm, M=89,2 mm S 85-98 mm, M=89,6 mm

Wing length ? 82-91 mm, M=86,3 mm $ 81-91 mm, M=87,3 mm

Flügelschnitt HS 7 1-2 mm kürzer als HS 8 HS 7 2-5 mm kürzer als HS 8 7th primary 1-2 mm shorter than 8th (Abb. 3) 7th primary 2-5 mm shorter than 8th HS 10 länger als äußerste HS 10 deutlich kürzer als Handdecken (Abb. 4a) äußerste Handdecken (Abb.4b) lOth primary longer than the lOth primary clearly shorter than outermost primary covert outermost p. covert Außenfahne von HS 7 und 8 Außenfahne nur bei HS 8 gekerbt gekerbt (Abb. 3) Outer edge of7th and 8th primaries Outer edge of8th primary only emarginated emarginated Handschwingen am zusammengelegten Flügel am zusammengelegten Flügel Primary feathers meist 7 sichtbar (Abb. 5) meist 8 sichtbar Usually 7 visible in closed toing Usually 8 visible

Schw anz Färbung Steuerfedem leuchtend rotbraun Steuerfedern dumpf (Abb. 4a) kastanienbraun (Abb. 4b) Outer tail feathers bright reddish- Outer tail feathers dull chestnut- broum brcrwn Unterschwanzdecken weißlich bis hell rostfarben, ohne verwaschen grau-bräunlich Under tail coverts Muster (Abb. 6) quergebändert whitish to pale rusty with diffuse grey-brown transverse bands K opf Schnabellänge S 16,5-18,2 mm <$ 16,6-18,5 mm

Bill length ? 16,7-17,7 mm 9 17,0-18,9 mm

Kopfzeichnung Zügel hell, deutlicher Augenring, Zügel dunkler, Überaugenstreif Head pattem hinter das Auge reichender kurz und unauffällig, Überaugenstreif, Kinnstreif selten Kopfseiten meist düsterer, Pale bridle, clear eye-ring, supercilium verwaschener Kinnstreif (Abb. extends behind the eye, moustachial 2a) stripe rarely evident Bridle darker, supercilium short and indistinct, sides ofhead usually more dusky, indistinct moustachial stripe. Färbung Oberseite lebhaft rotbraun (Abb. 4a) düsterer erd- oder olivbraun Upper parts L ively reddish-brown (Abb. 4b) More dush/, earth- or olive-brown Brust hell graubraun, besonders seitlich Brust und Flanken mit + stark Breast Pale grey-bronun, especially to the sides ausgeprägter bräunlichgrauer Wölkung und Sprenkelung (Abb. 2a) Breast andßanks with ±_clearly defined broiunish-grey mottling and speckling V erhalten Schwanzbewegung auf- und abwärts würgerähnlich zur Seite Tail movements Up and down drehend Shrike-like sideivays movement 48 © Ornithologische Gesellschaft Bayern, download unter www.biologiezentrum.at Ornithol. Anz., 47, 2008

Thüringen wird die Art in den letzten Jahren Deutschlands. J. Ornithol. 134: 113-135. fast alljährlich nachgewiesen (Rost & Grimm Barthel, P. H. (1993b): Bemerkungen zur 2004). Unterscheidung von Nachtigall Luscinia Mit vereinzelten Mischbruten mit der megarhynchos und Sprosser L. luscinia. Nachtigall ist prinzipiell zu rechnen. Gebiete Limicola 7: 57-76. mit im Frühjahr singenden Sprossern im Barthel, P. H. (2007): Bemerkenswerte Verbreitungsgebiet der Nachtigall sollten daher Beobachtungen - September bis November später dahingehend kontrolliert werden. Eine 2007. Limicola 21: 323. unkontrollierte Beschallung mit Klangattrappen Bauer, H.-G. & P Berthold (1997): Die Brutvögel ist zu unterlassen (s. Barthel 1993b). Sämtliche Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung. Sprosser - insbesondere Fänglinge - sind auf Aula, Wiesbaden. mögliche Hybriden mit der Nachtigall zu prü­ Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): fen, sorgfältig zu dokumentieren, wenn möglich Kompendium der Vögel Mitteleuropas. zu fotografieren und der BAK zu melden. Aula-Verlag, Wiebelsheim. Totfunde sollten sichergestellt und einer wis­ Beaman, M. & S. Madge (1998): Handbuch der senschaftlichen Sammlung zugeführt werden. Vogelbestimmung. Europa und Westpaläarktis. Ulmer, Stuttgart. Becker, J. (1995): Sympatrisches Vorkommen Zusammenfassung und Hybridisierung von Sprosser Luscinia luscinia und Nachtigall Luscinia megarhyn­ Am 14. August 2007 wurde im Betzigauer Moos chos bei Frankfurt (Oder), Brandenburg. (47° 44' N; 10° 23' E; 710 m NN, Lkr. Oberallgäu, Vogel weit 116: 109-118. Schwaben, Bayern) ein diesjähriger Sprosser Bergmann, H.-H., H.-W. Helb & S. Baumann gefangen und beringt. Der neue Fund fügt sich (2008): Die Stimmen der Vögel Europas. in das zeitliche Muster der bisherigen bayeri­ Aula-Verlag, Wiebelsheim. schen Nachweise (Heimzug Mitte - Ende Mai, Bezzel, E. (1990): Seltene Singvögel in Bayern: Wegzug Mitte August - Anfang September, Kritische Durchsicht publizierter Einzel­ Median 24.08.), deren phänologische Verteilung daten. Garmischer vogelkdl. Ber. 19: 1-27. auch im Wesentlichen der der österreichischen Bezzel, E. (1994): Artenliste der Vögel Bayerns. und Schweizer Nachweise entspricht. Garmischer vogelkdl. Ber. 23: 1-65. Sehr wahrscheinlich spiegeln die wenigen Busching, W.-D. (2005): Gedanken zu einem Daten das tatsächliche Auftreten der insbeson­ Sprosser-Nachtigallen-Hybriden Luscinia dere im Herbst heimlichen und unauffälligen luscinia x L. megarhynchos. Ornithol. Mitt. 57: Art nur unzureichend wider. Die Art verdient 384-387. vermehrte Aufmerksamkeit, alle Beobach­ Del Hoyo, ]., A. Elliott & D. Christie (2005): tungen sind genau zu dokumentieren, wobei Handbook of the Birds of the World. Vol. 10: ein Komplex von Merkmalen zur Artbestim­ Cuckoo-shrikes to Thrushes. Lynx Edicions, mung herangezogen werden muss und mit Barcelona. Hybriden mit der Nachtigall zu rechnen ist. Deutsche Seltenheitenkommission (1997): Seltene Vogelarten in Deutschland 1995. Dank. Herrn Kilian Weixler, , dan­ Limicola 11: 153-208. ken wir für die Übermittlung der Daten aus Deutsche Seltenheitenkommission (1998): dem Archiv der BAK, Rainer Jahn, Zell am Seltene Vogelarten in Deutschland 1996. Main, für die Bereitstellung zusätzlicher Fotos. Limicola 12: 161-227. Eine kritische Durchsicht des Manuskriptes Deutsche Seltenheitenkommission (2005): besorgte Werner Krauß, Schwaig, die Ver­ Seltene Vogelarten in Deutschland 1999. besserung der englischen Textteile Jonathan Limicola 19: 1-63. Guest, Kronach. Ihnen allen herzlichen Dank! Dvorak, M., Ranner, A. & H.-M. Berg (1993): Atlas der Brutvögel Österreichs. Wien, Literatur Bundesministerium für Umwelt, Jugend Barthel, R H. & A. Helbig (2005): Artenliste der und Familie. Vögel Deutschlands. Limicola 19: 89-111. Fiedler, W., U. Koppen & O. Geiter (2006): Barthel, P. H. (1993a): Artenliste der Vögel Meldungen aus den Beringungszentralen. Walter, Dietmar & Pfeifer, Robert:© Ein Ornithologische Sprosser-Fängling Gesellschaft Lnscinin Bayern, download[luscinia] unter luscinia www.biologiezentrum.at im Oberallgäu 49

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Dietmar Walter, Jg. 1944, Gymnasiallehrer, seit 30 Jahren ornithologi­ sche Erfassung des Oberallgäus, Alpenornithologie (Höhenverbreitung, Abundanzen), Populationsstudien.

Robert Pfeifer, Jg. 1963, Dipl.-Ing. (FH) Landespflege, Generalsekretär der OG, ornithologische Interessensschwerpunkte: Avifaunistik, Biogeografie und Ökologie der Vögel, insbesondere der Singvögel Mitteleuropas und der Paläarktis.