Sammlungsverluste Der Museen Im Zweiten Weltkrieg
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Dezember 2020 37 Museumsblätter Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg Sammlungsverluste der Museen im Zweiten Weltkrieg Auslagerung, Plünderung und Zerstörung Bergung, Rettung und Rückführung Perspektiven: Die Suche geht weiter Impressum Museumsblätter – Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg Herausgegeben vom Museumsverband des Landes Brandenburg e. V. Am Bassin 3, 14467 Potsdam Telefon: (0331) 2 32 79 11 [email protected] www.museen-brandenburg.de Redaktion Alexander Sachse, Susanne Köstering, Lisa Gösel, Arne Lindemann Layout und Satz Dörte Nielandt Titelbild Fassade des zerstörten Stadtmuseums Cottbus, aufgenommen ca. 1945/46. Das Museum war erst 1935 in das Gebäude des alten Gymnasiums am Oberkirchplatz gezogen. Das Gebäude wurde nicht wieder aufgebaut, das Museum zog 1947 in das Pückler-Schloss im Park Branitz um. Druck Druckerei Rüss, Potsdam Auflage 800 ISSN 1611-0684 Gefördert mit Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg Editorial 3 Editorial Diese Ausgabe der Museumsblätter dokumentiert die Kunst- und Kulturgut beschäftigen sich Patrick Neuhaus Fachtagung des brandenburgischen Museumsverbandes für die Berliner Nationalgalerie und Alexander Hänel im September 2020 in der Stadtpfarrkirche in Münche- für Schloss Weesenstein als Auslagerungsort Dresdener berg über „Sammlungsverluste der Museen im Zweiten Museen. Anschließend wirft Frank Grelka einen Blick Weltkrieg. Perspektiven aktueller Forschung“. auf die Beutekunstpraxis der sowjetischen Besatzer. Florian Voß berichtet über den Verlust der Spiel karten- Die von 60 Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland sammlung, der mit der Demontage der Spielkartenfabrik und Polen besuchte Tagung nahm das wachsende in Altenburg einherging. Jürgen Vollbrecht und Ophelia Interesse am Thema der Kriegsverluste von Museen auf. Rehor zeichnen die Wege der wertvollen Museums- Sie markierte zugleich den Beginn eines von der sammlung in Bautzen über verschiedene Auslagerungs- Bundesbeauftragten für Kultur und Medien geförderten orte nach. Agnieszka Dębska berichtet von der Zer- Rechercheprojekts des brandenburgischen Museums- störung des alten Landsberger Museums und dem verbandes. Mit der Dokumentation der Tagungsbeiträge Neuanfang in Gorzów Wlkp. 1945. Die folgenden Beiträge in den Museumsblättern wollen wir Interessierte, die richten den Fokus auf das Suchen und Wiederfinden. an der Tagung nicht persönlich teilnehmen konnten, auf Petra Winter stellt die Suchaktionen des Mitarbeiters laufende Forschungen aufmerksam machen. des Berliner Senats Kurt Reutti nach Kunstgut aus Berliner Museen in brandenburgischen Gutshäusern Bereits im Jahr 1926 hatte der brandenburgische vor, in deren Zuge auch vermeintlich „herrenloses“ Museumsverband zu einer Tagung nach Müncheberg Kulturgut aus Brandenburg nach Berlin gelangte und eingeladen. Sein damaliger Geschäftsführer und Leiter heute dort als „Fremdbesitz“ klassifiziert wird. Schlag- des Lebuser Kreismuseums Georg Mirow stellte eine lichter auf brandenburgische Museen in Prenzlau Idee in den Raum: einen Gesamtkatalog der Sammlun- (Katrin Frey) und Cottbus-Branitz (Simone Neuhäuser) gen aller märkischen Museen zusammenzustellen. folgen, bevor Claudia Maria Müller, Katja Lindenau Während des Zweiten Weltkriegs bekam diese Idee und Carina Merseburger die Suche nach Kriegsverlusten neue Relevanz. Mirow setzte alles daran, so viele der Dresdener Kunstsammlungen schildern. Andrea Sammlungsobjekte wie möglich fotografieren zu lassen Rudolph und Christina Ludwig stellen die proaktive und weitere fotografische Dokumentationen von Suche des Dresdener Stadtmuseums nach Kriegsver- brandenburgischen Kulturgütern zu erwerben. Der lusten vor und zeigen exemplarisch, dass manches „Gesamtkatalog“ wurde zwar nie fertig, aber die nicht verloren ist, was lange Zeit als verschollen galt. erhaltenen Karteikarten mit Fotos – bis heute wurden etwa 4000 gefunden – helfen uns, Sammlungsverluste Auch 75 Jahre nach Kriegsende sind diese Vorgänge von brandenburgischen Museen zu identifizieren. noch virulent. Uns als Museumsverband geht es Uns ist nicht bekannt, dass eine solche Dokumentation zunächst nicht vordergründig darum, Restitutionen in in anderen Bundesländern existieren würde. Verschol- die Wege zu leiten. Wir wollen Transparenz und Auf- lene Kunst- und Kulturgegenstände tauchen derzeit klärung. Vielfach fehlt es heute an einem Verlust- vermehrt wieder auf – zum Beispiel im Kunsthandel bewusstsein. Museen, die weitreichende Verluste erlitten oder im Zuge von Erbschaften. In solchen Momenten ist haben, sind wie abgeschnitten von einem Teil ihrer es von zentraler Bedeutung, die Dinge präzise identi- Geschichte. Aber wenn wir unseren Auftrag, nachhaltig fizieren zu können. Fotodokumentationen wie der Kulturerbe zu bewahren, ernst nehmen, gilt das nicht „Gesamtkatalog Märkischer Heimatmuseen“, aber auch nur in die Zukunft hinein, sondern auch in der Rück- publizierte Fotos von Sammlungsobjekten bieten schau. Wir stehen als aktive Generation nicht nur in der dafür das nötige Vergleichsmaterial. Verantwortung gegenüber den uns Folgenden, sondern auch gegenüber denen, die uns vorangingen. Eingangs umreißt Christian Hirte als Projektleiter die Kulturgutverluste brandenburgischer Museen im und Susanne Köstering nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit der Sicherung von 4 Forum Auslagerung, Plünderung und Zerstörung Inhalt 5 Inhalt Forum Sammlungsverluste der Museen Bergung, Rettung und Rückführung im Zweiten Weltkrieg 36 „Aber die Berliner Polizei hatte kein Auto Kriegsverluste brandenburgischer Museen für die Zone.“ Kurt Reutti und der Fremdbesitz 6 Verluste der Museen in der ehemaligen Provinz in den Berliner Museen Mark Brandenburg im Zweiten Weltkrieg Petra Winter Ein Projektbericht 40 Eine Geschichte von Rettung und Rückführung Christian Hirte Die Sammlung des Kulturhistorischen Museums Prenzlau Auslagerung, Plünderung und Zerstörung Katrin Frey 14 Die Nationalgalerie im Luftkrieg 1939–1945 42 Comeback in Cottbus Schutz und Bergung moderner Kunst Die Rückkehr von zwei Werken Carl Blechens auf der Berliner Museumsinsel nach 75 Jahren Patrick Neuhaus Stefan Körner und Simone Neuhäuser 20 Schloss Weesenstein als Kunstversteck im Zweiten Weltkrieg Perspektiven: Die Suche geht weiter Einblicke in die Organisation und Praxis eines 46 Spur aufgenommen Auslagerungsortes in Sachsen Das Heiligengraber Heimatmuseum 1909–1947 Alexander Hänel und die Rekonstruktion seiner Sammlungen 24 „Winner takes all“ Sarah Romeyke Sowjetische Beutekunstpraxis in der SBZ 48 Späte Rückkehrer Frank Grelka Aktuelle Beispiele aus den Staatlichen Kunst- 28 Chronologie eines Totalverlusts sammlungen Dresden Der Raub des ersten Deutschen Spielkarten- Katja Lindenau, Carina Merseburger, museums in Altenburg Claudia Maria Müller Florian Voß 52 Dislokation beforschen 30 Tragödien mit und ohne Happy End Das Stadtmuseum Dresden und Die Sammlungsobjekte des Museums Bautzen seine Kriegsverluste im Zweiten Weltkrieg Christina Ludwig und Andrea Rudolph Ophelia Rehor und Jürgen Vollbrecht 34 Das Museum in Landsberg an der Warthe und Fundus seine Artefakte in der Sammlung des Museums in Gorzów Wielkopolski 56 Portrait Agnieszka Dębska 64 Arena 6 Forum Kriegsverluste brandenburgischer Museen Verluste der Museen in der ehemaligen Provinz Mark Brandenburg im Zweiten Weltkrieg Ein Projektbericht Christian Hirte Das „Haus der Heimat“ in Woltersdorf gehörte zu den wenigen brandenburgischen Museen, die durch Fliegerbomben zerstört wurden. Die Aufnahme zeigt das ausgebrannte Museumsgebäude am Tag nach dem Luftangriff am 23. Dezember 1943. Dass sich die Rote Armee zur Einnahme der Reichs- Kennzeichnend waren teils massive Verluste an Samm- hauptstadt durch deren märkisches Umland kämpfen lungsbeständen, Inventaren, oft auch den Museums- musste und dabei oft auf verbissenen Widerstand gebäuden. Aus amtlichen Erhebungen der unmittel- stieß, hat in Brandenburg bis heute sichtbare Narben baren Nachkriegszeit war dieses Lagebild zwar bekannt, hinterlassen. So ergab sich bei den Recherchen seither aber waren die Kriegsverluste brandenbur- zu NS-Raubgut in ausgewählten brandenburgischen gischer Museen kein Thema mehr gewesen. Und nicht Museen ein Befund, der eigentlich nicht Gegenstand nur hier: Aus keinem einzigen deutschen Flächenland der Untersuchungen gewesen war: Fast überall liegen Untersuchungen dazu vor. zog sich das Jahr 1945 als eine Art „museographischer Katastrophenhorizont“ durch die Hausgeschichte. Kriegsverluste brandenburgischer Museen Forum 7 Es war dann die Wiederauffindung eines während des Museumspolitik der NS-Administration Zweiten Weltkriegs angelegten regionalen Bildarchivs von Museumsobjekten, die den Brandenburgischen Unter der NS-Provinzialverwaltung wurde der seit 1912 Museumsverband veranlasste, das Thema musealer bestehende Brandenburgische Museumsverband Kriegsverluste auf seine Agenda zu setzen. Die Beauf- aufgelöst. 1936 übernahm Oskar Karpa (1899–1963), tragte der Bundesregierung für Kultur und Medien promovierter Kunsthistoriker und Mitglied der NSDAP, (BKM) nahm das Projekt „Verlustsache: Märkische die neugeschaffene Funktion des Museumspflegers. Sammlungen“ schließlich in ihr Förderprogramm Als Leiter des Museumsamtes war Karpa dem Landes- 2020/22 auf. Nach einem halben Jahr Laufzeit sind hauptmann der Provinz, Dietloff von Arnim, direkt Ergebnisse noch nicht zu erwarten. Vielmehr soll hier unterstellt. Seine museumspolitischen Direktiven die Szenerie umrissen werden, innerhalb derer das empfing er jedoch vom Reichsministerium