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Naturschätze Die Lebensräume der Küstenlandschaft

Schatz Lotse Hier sind Schätze zu entdecken Sehen, staunen & genießen

Rund um den liegt zwischen Rostock und Rügen ein Zentrum der Artenvielfalt in Deutschland. Urige Ufer, wilde Wälder und einsame Flusstäler locken mit beeindru- ckenden Landschaften. Es sind Lebensräume, wie es sie in Mitteleuropa nur noch selten gibt – unser Schatz an der Küste.

Nicht wenige dieser Lebensräume sind Die folgenden Seiten verraten einige der in der Region zwar durchaus verbreitet, Geheimnisse der besonderen Lebens­ anderswo aber sehr selten. Nicht zu­ räume zwischen Rostock und Rügen. letzt deswegen hat das Bundesamt für Verborgenes Leben im Röh­ Dranske

Naturschutz die Region als Hotspot der richt, geheimnisvolle Unter­ Dornbusch

Biologischen Vielfalt ausgewählt. Es wasserwelten und erstaun­ Vitte fördert das Projekt Schatz an der Küste, lich lebendiges totes Insel das mit zahlreichen Partnern aus der Holz ... es gibt Trent Re ­gion diese Naturschätze viel zu entdecken. Schaprode rügener pflegt und entwickelt. est Ostsee W Darß- Insel Ummanz Prerow Gingst Zingst Osterwald Insel Pramort Insel Rügen Darßwald Kirr B r odde Bo ste n dden Born ing Z

Fischland - Barth Wustrow ß ar Barther Altenpleen Samtens Ostsee D Stadtholz

Saal Stralsund

Großes Moor Velgast Graal-Müritz Rostocker Heide Ribnitz-Damgarten

Hütelmoor

Goldlaufkäfer Rostock- Schatz an der Küste Funkelnd wie ein Edelstein jagt er durchs Gras Markgrafenheide Zwischen Rostock und Rügen liegen die Rövershagen 2 feuchter Wiesen – streng geschützt und wasserreiche Vorpommersche Boddenlandschaft 3 trotzdem selten geworden. Rostock und das alte Waldgebiet der Rostocker Heide. Immer wieder hin und weg Mobilität als Markenzeichen

Für Tiere ist die Schatzküste Hauptbahnhof, Hafen und internationaler Flughafen zu- gleich. Ein stetiges Kommen und Gehen zu Lande, zu Wasser und in der Luft bestimmt das Geschehen in diesem europaweit bedeutsamen Drehkreuz. Für den Vogelzug ist die Region zwischen Rostock und Rügen ein unverzichtbares Rastgebiet. Doch die wahre Bedeutung ist noch viel größer.

Riesige Fischschwärme ziehen alljähr­ ihren Brutgebieten. Die nahrungsreichen lich zum Laichen in die Boddengewäs­ Lebensräume der Schatzküste verschaf­ ser. Hunderte von Kilometern legen fen ihnen auf dem anstrengenden Zug­ Hering oder Hornhecht dabei zurück, weg eine überlebenswichtige Stärkung. um ihrem Nachwuchs die bestmög­ Für manche der gefiederten Gäste ist die liche Kinderstube bieten zu können. Region jedoch nicht nur Durchgangsstati­ Die an Wasserpflanzen reichen Bod­ on. Sie schwelgen über das gesamte Win­ den ­gewässer liefern den Jungfischen terhalbjahr in den nahrungsreichen fla­ Nahrung und Versteckmöglichkeiten chen Gewässern. Die vielen unterschied­ im Überfluss. So spielt die Region eine lichen Wattflächen und Flachgewässer Schlüsselrolle, um die riesigen Fisch­ bieten bei jeder Wetterlage und bei jedem schwärme der Ostsee auf Dauer zu erhalten und außerdem die Erträge der Fischerei zu sichern. Schon nach we­ nigen Wochen entschwinden die weit gereisten Gäste wieder in die Weiten der Meere. Doch bereits nach einem knap­ pen Jahr werden sich viele von ihnen erneut in ihrem Mekka einfinden.

Unersetzbar für Zugvögel Die durchziehenden Vögel statten der Region sogar zweimal jährlich einen Be­ such ab: auf dem Hin- und Rückzug von

Der Nahrung hinterher Weit-Wanderer Ein Trupp Kormorane auf dem Weg vom Hornhechte schwimmen viele Hundert 4 Bodden zu den Jagdgründen der Ostsee. Kilometer, um zu ihren Laichplätzen 5 an der Schatzküste zu gelangen. Wasserstand geeignete Nahrungsflächen. Genau dies tut ein beträchtlicher Teil der in den immer noch stark belasteten Einigen Wanderern traut man schon Die Vögel können immer gerade dorthin Tiere des Meeres und der Bodden. Boddengewässern. wegen ihres filigranen Körperbaus das wechseln, wo Wind und Wetter aktuell Wandern nicht wirklich zu. Erst recht die Nahrungssuche zulassen. Diese Viel­ Plankton werden diese mit der Strömung Kegelrobben sind massige Tiere. Im keine Reisen durch halb Europa. Aber falt auf engem Raum ist das Geheimnis trei ­benden Organismen genannt. Durch Wasser sind sie jedoch so behände un­ es passiert tatsächlich: Der Nektar der der besonderen Bedeutung der Region die Verdriftung können diese Arten neue terwegs, dass sie an einem Tag mühe­ Küstenblüten an der Ostsee ist so ver­ als Rast- und Überwinterungsgebiet. Des­ Lebensräume besiedeln. Selbst die Folgen los bis zu hundert Kilometer Strecke lockend, dass alljährlich Insekten aus halb ist sie für viele Tiere so wichtig und der Gewässerverschmutzung werden zurücklegen können. Vor allem junge dem Mittelmeerraum über die Alpen unverzichtbar. durch diese praktische Verbreitungs­ Rob ­ben wandern in der Ostsee weit um­ fliegen, um diesen Reichtum abzu­ methode gemildert: Wo durch Sauer­ her und sind dann auch in den fischrei­ weiden. Die eingewanderten Insekten Wasserwandern und Weitwandern stoffmangel fast alles Leben ausgelöscht chen Gewässern zwischen Rostock und pflanzen sich hier erfolgreich fort und Wo Meeresströmungen das Wasser täg­ wurde, können mit der Strömung ankom­ Rügen zu sehen. Zahlreiche Kegelrob­ ziehen im Herbst zum Teil zurück nach lich über weite Strecken bewegen, muss mende Arten wieder Fuß fassen, sobald ben verweilen viele Monate in der Regi­ Süden. Wer würde vermuten, dass man sich eigentlich nur treiben lassen, sich die Bedingungen gebessert haben. on, manche mehrere Jahre, und einige Schmetterlinge oder Schwebfliegen zu um weite Wanderungen zu vollführen. Eine vorteilhafte Taktik zum Überleben werden wohl bleiben. solchen Höchstleistungen fähig sind?

Hallo Schatzküste! Winterschwebfliege Zwei junge Kegelrobben inspizieren den Strand: Kaum zu glauben, dass dieses 6 Kann man hier wohl ungestört rasten? filigrane Insekt alljährlich aus dem 7 Mittelmeerraum zu uns fliegt. Die Boddengewässer Lagunen der Ostsee

Gewässer wie die Bodden heißen anderswo Lagunen. Doch weil Schätze oft ver- steckt sind, verschweigt der Lokalname, dass es sich um das vorpommersche Pendant verträumter Südseeziele handelt. Eingeweihte wissen natürlich, dass die Bodden eine große Besonderheit von europaweiter Bedeutung sind. Ebenso, dass sich der Name grundehrlich auf eine der wesentlichen Eigenschaften bezieht: der Boden des Gewäs- sers ist nie weit entfernt. Als Flachgewässer sind die Bodden lichtdurchflutet. Zu allen Jahreszeiten pulsiert hier das Leben in einer Artenvielfalt, die es mit anderen Lagunen der Welt locker aufnehmen kann.

8 9 Salz bestimmt das Leben Die besonders vielfältige Tier- und Pflanzenwelt der Bodden beruht auf den unterschiedlichen Salzgehalten des Wassers. Während an den Verbindun­ gen zur offenen Ostsee ein hoher Salzge­ halt vorherrscht, sind Gewässerteile wie der stark vom Süßwasser der einmündenden Flüsse und Bäche geprägt. So handelt es sich bei den Bod­ den weder um Meeresgebiete, noch um Süßgewässer. Tatsächlich liegen sie irgendwo dazwischen, aber wo genau, lässt sich kaum sagen. Denn bei hohem Wasserstand der Ostsee strömt von dort Salzwasser in die Bodden, während nach Regenfällen die Flüsse besonders reichhaltige Süßwassermengen in diese wandlungsfähigen Gewässer ergießen.

Nicht nur der Salzgehalt wechselt unauf­ hörlich. Weil die Bodden so flach sind, schwankt ihre Temperatur von tropisch warm im Sommer bis zu gnadenlos eis­ kalt im Winter. Weite Bereiche können in harten Wintern bis zum Boden durch­ frieren. Ein Bodden ist daher ein Le­ bensraum der Extreme, und seine Tiere und Pflanzen sind Meister im Ertragen der harten Bedingungen.

Algen mit Anspruch Typische pflanzliche Besiedler des Bod­ dens sind die filigranen Armleuchteral­ gen. Sie kommen in großer Artenvielfalt vor. Über weite Bereiche sind sie zwar heute wegen der Wasserverschmutzung selten geworden, aber noch immer gedeiht ein Großteil des mitteleuropä­ ischen Artenspektrums in den Bod­ dengewässern. Alle Armleuchteralgen bilden feingliedrige Blätter und Triebe,

Nur zu Gast? Die Bergente brütet in Sibirien, doch 10 mehr als die Hälfte des Jahres taucht sie 11 in den Boddengewässern nach Nahrung. die Kleintieren und Fischbrut eine her­ zen, wie Laichkraut und Meer-Salde, vorragende Deckung bieten. Ein Teil der verdrängen sie. Weil ein Übermaß an Arten ist zudem wintergrün und liefert Nährstoffen im Boddenwasser zu einer auch in der kalten Jahreszeit Sauerstoff Massenentwicklung von kleinen einzel­ und Versteckplätze. ligen Algen führt, ist das Gewässer im Sommer oft intensiv grün gefärbt. An Auch aus einem anderen Grund sind tieferen Stellen dringt dann kaum noch Armleuchteralgen für die Wasserqua­ Licht in die Bodenregion – zu wenig für lität wahre Wunderwesen. Mit ihrem die Rasen aus Unterwasserpflanzen. dichten, feingliedrigen Blattwerk filtern Aus vielen Tiefenzonen sind sie daher sie Wassertrübungen und reduzieren verschwunden. die Nährstofffracht des Gewässers. Ihre Effizienz stellt dabei andere Un­ Lebendiges Dickicht terwasserpflanzen in den Schatten. Trotz dieser gravierenden Veränderun­ Nur das Übermaß an Nährstoffen, das gen ist der Bodden ein Füllhorn von die industrielle Landwirtschaft in die Nahrung und ökologischen Nischen. Die Bodden spült, ist für die Armleuchter­ üppigen Wälder aus Unterwasserpflan­ algen zu viel. Andere Unterwasserpflan­ zen bieten Myriaden von Organismen einen Lebensraum. Einige nagen den dünnen Algen- und Bakterienaufwuchs von den Pflanzen, andere tun sich an ihren reichlich sprießenden Blättern gütlich und manche suchen lediglich Schutz zwischen dem Geäst.

Hechte lauern in diesen Pflanzendi­ Wo eine Halslänge zum Erreichen der Während es Enten bevorzugt auf Klein­ ckichten auf Beute. Heringe finden dort Vegetation nicht mehr ausreicht, fin­ getier abgesehen haben, sind Säger einen unersetzbaren Laichplatz. An den die Tauchenten ein geeignetes passionierte Fischjäger. Damit ihnen die flachen Stellen gründeln Enten kopf­ Jagdrevier. Sie können jede Tiefe des glitschige Nahrung nicht entgleitet, ist über im Wasser. Ihre Schnäbel reichen Bod ­dens mit Tauchgängen erreichen. ihr Schnabel an den Seiten mit feinen dann mitten ins Meer der Unterwas­ Minutenlang können die Enten dafür Sägezähnen gespickt, daher ihr Name. serpflanzen, um saftige Blätter, Was­ die Luft anhalten. Auch Taucher, Säger, serschnecken und anderes Getier zu Meeresenten und Seetaucher tauchen Fische in Groß und Klein erbeuten. Die Stock­ente ist die häufigste zur Nahrungssuche, manche eher mit An Fischen herrscht im Bodden wahr­ dieser Gründelenten. Löffelente, Pfeif­ den Füßen paddelnd, andere aktiv die lich kein Mangel. Fischerei war über ente, Schnatterente und einige weitere Flügel zu Hilfe nehmend. Jede Art hat Jahrhunderte die wichtigste Existenz­ suchen auf die gleiche Weise nach Nah­ ihre eigene Jagdstrategie und Tauchtie­ grundlage der Bevölkerung in weiten rung, jede mit einer eigenen Jagdstrate­ fe. Tafelenten und Bergenten schaffen Teilen der Region. Wo arme Sandböden gie. Auch Schwäne erbeuten gründelnd bis zu fünf Meter Wassertiefe. Eisenten vorherrschen, gibt die Landwirtschaft ihre Nahrung. Dank ihrer längeren könnten locker das zehnfache davon nicht viel her. Doch die Boddengewässer Hälse können sie die etwas tiefer gelege­ erreichen – wenn der Bodden denn so haben seit jeher nicht nur die Einwoh­ nen Zonen abweiden. tief wäre. nerinnen und Einwohner der Küstenre­

Baltische Armleuchteralge Schwänzchen in die Höh‘ Mit ihrem filigranen Blattwerk Hungrige Stockenten erinnern an kleine Bojen 12 säubert dieses unscheinbare im Flachwasser – vorne ist das Weibchen 13 Gewächs das Boddenwasser. zu sehen, hinten das Männchen. gion verlässlich ernährt, sondern liefer­ von Algen trübe Boddenwasser beein­ ckungsmöglichkeiten vor allem das ten mit dem Fisch auch das wichtigste trächtigt ihren Jagderfolg. Stattdessen Nahrungsangebot wichtig. Hier können Exportgut. profitieren Zander und Kormorane von die Bodden auf ganzer Linie punkten. den veränderten Bedingungen. Winzige Rädertierchen und Kleinkreb­ Natürlich hat sich auch die Natur auf se sind allgegenwärtig und haben eine den Fischreichtum bestens eingestellt. Neben den großen Raubfischen Zander für Baby-Fische mundgerechte Größe. Neben fischfressenden Vögeln besu­ und Hecht lebt eine Vielzahl kleinerer Älteren Fischen bieten Borstenwürmer chen Kegelrobben die Bodden und ge­ Fische im Bodden. Stichlinge sind sehr und Zuckmückenlarven ein scheinbar nießen die in allen Größen vorhandene häufig, ebenso Flussbarsche und mehre­ unerschöpfliches Nahrungsreservoir. Fischauswahl. Fischotter jagen während re Grundelarten. Bleie und Plötzen sind Sie leben auf oder im Gewässerboden. der Nacht heimlich in den Uferzonen. typische Süßwasserfische, die jedoch Zuckmücken gehören zu den häufigsten Einen zu Gesicht zu bekommen ist gro­ auch in salzigeren Boddenbereichen gut Lebewesen des . ßes Glück, denn kaum ein heimisches gedeihen können. Heringe und Horn­ Tier ist schwieriger zu beobachten. Ab­ hechte sind dagegen Meeresfische. Ihre Die erwachsenen Zuckmücken schwe­ gefressene Fischskelette am Ufer verra­ Laichgebiete liegen in den Wasserpflan­ ben im Sommer in gigantischen Schwär­ Uferregion erfüllt. Keine Angst: Als ten aber die Anwesenheit des scheuen zendickichten der Bodden. men über den Boddenufern. Zuweilen Mensch muss man vor diesem einzig­ Jägers. Fischadler sind durch die Ge­ mutet es aus der Ferne an, als würden artigen Naturschauspiel nicht Reißaus wässerverschmutzung verschwunden Mücken-Myriaden ohne Stiche Wald oder Röhricht brennen, wenn sich nehmen. Denn keine der zahlreichen und Hechte im Bodden ziemlich selten Für einen guten Aufwuchs der Fisch­ der Himmel mückengrau färbt und ein Zuckmückenarten sticht. geworden. Beide sind Sichtjäger. Das brut ist neben ausreichenden De­ allgegenwärtiges Summen die ganze

Umschlungen und geschützt vom Land Säger mit Punkerfrisur sind alle Boddengewässer, Mittelsäger – vorne sie, hinten er – tragen 14 wie hier um Bug und Bessin. nicht nur ein exquisites Federkleid, 15 sondern sind auch exzellente Fischjäger. Die Röhrichte an den Boddengewässern Der Salzgehalt des Wassers, die Strö­ und im Mündungsbereich der Warnow mung und das Bodensubstrat bestim­ Röhrichte wachsen im Brackwasser. Das Wasser men darüber, welche der großen Röh­ der Ostsee wäre ihnen zu salzig. Doch richtpflanzen zum Zuge kommt. In hier im Übergang zwischen Salz- und den meisten Brackwasserröhrichten am Süßwasser finden sie ihren eng be­ ist das Schilf bestandsbildend. Es ist Bodden grenzten Lebensraum. Die Tier- und unser höchstes heimisches Gras. Schilf­ Pflanzenwelt dieser Brackwasserröh­ halme können über vier Meter Länge richte unterscheidet sich beträchtlich erreichen, oft zu einem Drittel unter Eine Wildnis mit Seltenheitswert von den Röhrichten an Süßgewässern. Wasser verborgen. Durch Halme und Wurzelstock zieht sich ein ausgeklügel­ Röhrichte haben zuweilen etwas Unnahbares. Man kann nicht hineinsehen, sie sind Strand -Astern und an Salzstandorte an­ tes Belüftungssystem. Mit seiner Hilfe unwegsam und manche Sagen verorten dort gar böse Geister. Selbst versierte Natur- gepasste Seggen gehören zur typischen überleben die Pflanzen im sauerstoffar­ kundige gehen an den Boddenröhrichten oft achtlos vorüber. Dabei sind sie eine der Vegetation der Brackwasserröhrichte. men Bodengrund. Nebenbei belüften größten Besonderheiten der Region. Und sie beherbergen eine ganz erstaunliche Tier- Schilf, Seebinsen und Strandsimsen sie den Boden und ermöglichen da­ und Pflanzenwelt. überschirmen diese kleinwüchsigen mit auch anderen Organismen ihr Pflanzen mit meterlangen Halmen. Überleben.

Geheimnisvolle Schilfbewohner: Brackwasserröhricht-Halmeule­ (l), 16 Bartmeise (m) und 17 Salz-Glanzflachläufer (r). Verborgen von Halmen schutz gegen Beute­greifer. Rohrsänger Wenn die Röhrichthalme im Frühjahr und Rohrammern weben ihre Nester förmlich emporschießen, sind viele Be­ hingegen kunstvoll ins Halmgeflecht. siedler schon da. Insekten überwintern In luftiger Höhe ist die Brut vor Hoch­ im Innern der Halme des Vorjahres und wässern gut geschützt. Eine Etage tiefer kriechen mit den stärker werdenden hängen die Nester der farbenprächti­ Sonnenstrahlen hervor. In den schein­ gen Bartmeisen, gerade noch über dem bar toten Halmen entwickeln sich Eier, Wasserspiegel. Larven spezialisierter Röhrichtbienen, und inmitten des schützenden Halm­ Die Röhrichtvögel sind oft nur durch gewirrs schreiten Vögel zum Nestbau, ihren Gesang auszumachen, so gut sind lange bevor das neue Grün erscheint. sie im Halmgewirr verborgen. Jede Haubentaucher, Blässhühner oder Vogelart hat ihre eigenen charakteristi­ Enten nisten am Boden und nutzen schen Lieder. Der Gesang des verbreite­ die hoch aufragenden Halme als Sicht­ ten Feldschwirls erinnert an das schwir­

Haubentaucher Blässhuhn-Nachwuchs Das Nest liegt gut verborgen Trotz ihrer Signalfarben sind junge Blässhühner 18 tief im Röhrichtgürtel. im dichten Halmgewirr kaum zu sehen, 19 dafür aber umso deutlicher zu hören. rende Zirpen von Zikaden, Haubentau­ – wo kein brackiges Röhricht, da auch cher krächzen wie Aras und Rohrsänger keine Brackwasserröhricht-Halmeule.­ können mit ihrer Stimmenvielfalt fast Schon in den riesigen Röhrichtflächen einer Nachtigall Paroli bieten. Junge der unteren ist sie nicht zu Blässhühner hören sich hingegen wie finden. quiekende Gummienten an. Ähnliches gilt für die noch seltenere Seltene Kleintiere Seebinsen-Schwebfliege und einige Die typischen Insektenarten der Brack­ weitere urig aussehende Insekten. Der wasserröhrichte sind wegen ihrer hoch­ Salz -Glanzflachläufer ist eine beson­ gradigen Seltenheit nur Experten be­ dere Rarität. Dieser Laufkäfer lebt in kannt. Entsprechend sperrig sind ihre Röhrichten der Warnowmündung. Bis Namen, zum Beispiel »Brackwasser­ kurz vor die ungarische und spanische röhricht-Halmeule«. Dieser kleine Grenze müsste man reisen, um die Nachtfalter ist schilfhalmbraun, nächstgelegenen seiner wenigen Vor­ bestens getarnt und in den Brackwas­ kommen aufzusuchen. Überall sonst in serröhrichten von Vorpommerscher Mitteleuropa ist der hochbedrohte Käfer Boddenlandschaft und Rostocker Heide verschwunden. durchaus häufig. Aber eben nur dort

Seltenheit in edlem schwarz Teichrohrsänger Die Seebinsen-Schwebfliege sieht Wie viele Schilfbewohner ist er 20 kaum nach etwas Besonderem beige-braun und gut getarnt, aber 21 aus, ist aber extrem selten. sein Gesang ist unüberhörbar. nach Stralsund die endlos erscheinen­ re. Trotzdem sind Windwatten keine de Wattfläche. Kleinere Wattbereiche toten Zonen, in denen weder Wasser- Die liegen außerdem verstreut in den we­ noch Landorganismen existieren könn­ Windwatten strügenschen Bodden und im Breitling ten. Im Gegenteil: Eine ausgesuchte an der Warnowmündung. 95% aller Gruppe besonderer Überlebenskünst­ Wattflächen der deutschen Ostseeküs­ ler hat hier ihre Heimat und macht die Nicht Wasser, nicht Land te befinden sich zwischen Rostock und Watten zu biologisch hochproduktiven Rügen. Die Region ist also nicht nur eine Zonen. Gerade die Windwatten sind für Wattflächen erscheinen tot und wüstenhaft – kein Baum, kein Strauch, nur . Und Boddenlandschaft, sondern auch eine viele Zugvögel der Grund, in der Region doch gedeiht das Leben hier im Überfluss. Wer gräbt, wird fündig und kann staunen, Wattlandschaft. zwischen Rostock und Rügen Station zu was für sonderbare Kreaturen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft wachsen und machen, denn hier gibt es Nahrung im gedeihen. Extreme ohne Überfluss. An Ostsee und Bodden gibt es fast keinen Tideeinfluss, so dass die Was­ Watvögel als Wattvögel Windwatten entwickeln sich vorwie­ serstände maßgeblich von den Wind­ Viele dieser Gäste sind Watvögel. Be­ gend an Stellen mit intensiven Sand­ab­ richtungen abhängen. Ein Windwatt sonders lange Beine ermöglichen ihnen lagerungen, also an wachsenden Land­ fällt trocken, wenn starke Südwestwin­ das Durchwaten der flach überfluteten zungen wie dem Darßer Ort, dem Bessin de das Wasser der Ostsee in Richtung Wattflächen. Langgezogene Schnäbel oder dem auf Hiddensee. Das Baltikum drücken. Bei Ostwetterlagen erlauben ihnen, in Sand und Schlick größte Windwatt der Region zieht sich hingegen steigt in der Regel der Wasser­ herumzustochern. Muscheln, Wür­ von Pramort an der Ostspitze des Zingst spiegel. Der Name Windwatt nimmt auf mer und andere Kleintiere werden so vierzehn Kilometer weit bis in die Bod­ diese Abhängigkeit von Wind­richtung erbeutet. Jede Watvogelart hat dabei dengewässer um den Hiddenseer Gel­ und -stärke Bezug. ihre eigene spezifische Jagdstrategie, len. Bei Niedrigwasser durchschneidet bestimmt durch Schnabellänge und lediglich die ausgebaggerte Fahrrinne Die Lebensbedingungen in einem Wind­ Schnabelform. watt sind viel ex­tremer als in Watten von Nordsee und Atlantik. Oft liegt ein In den Windwatten zwischen Rostock Windwatt wochenlang trocken, nur um und Rügen stochern vor allem die zier­ danach wieder lange Zeit überflutet zu lichen Alpenstrandläufer. Blitzschnell sein. Die Wechsel sind unregelmäßig, laufen sie entlang der Wasserkante völlig anders als die verlässlich auf- und und erspähen auf fast magische Weise ablaufende Tideströmung der Weltmee­ ihre im Sand oder unter angespültem

Windwatt an den Werder-Inseln Eng verzahnt sind hier Wasser und 22 Land, die Buchten und Tümpel sind ein 23 Eldorado für Watvögel. Seetang verborgene Nahrung. Dunk­ ein Haushuhn und mit wuchtigem, sä­ Bürstig oder kammartig angeordnete ler Wasserläufer und Grünschenkel belförmig nach unten gebogenen Schna­ Borsten sind ihr Erkennungszeichen. sind etwas größere Vögel mit extra­ bel ist er unverwechselbar. Ebenfalls Sie gehören zur in fast allen Mee­ langen Schnäbeln. Sie können daher säbelförmig, aber nach oben gebogen, ren der Welt verbreiteten Gruppe der tiefer stochern. Ihre Beute orten sie mit weist der Schnabel des Säbelschnäblers Borstenwürmer. einem hochempfindlichen Tastsinn, auf eine andere Ernährungsweise hin. der auf winzige Druckveränderungen Wie mit einer Sense durchpflügen diese Borstenwürmer sind Fisch­nahrung, im Bodenwasser reagiert. Mit einem schwarz-weiß gemusterten Watvögel Gesundheitspolizei, Gärtner und Recy­ 15 Zentimeter langen Schnabel ist der flaches Wasser und Schlamm. Dabei clinghof in Einem. Sie durchpflügen den Große Brachvogel der Tiefenkönig unter wirbeln sie allerlei Wirbellose auf, die Boden und filtern alles Fressbare her­ den stochernden Watvögeln. Groß wie sodann verspeist werden. aus. Nur einige wenige Arten sind den harten Lebensbedingungen im Wind­ Für alle diese Vögel muss der Wasser­ watt gewachsen. Diese haben den Le­ stand knapp über oder unter Boden­ bensraum dafür fast für sich alleine und niveau sein. Steht das Wasser zu hoch, die meisten sind extrem häufig. Da fällt reichen Schnabel und Beine nicht bis es kaum auf, wenn die Vogelschwärme zum Boden. Fällt das Wasser zu tief, ein paar Borstenwürmer als Wegzeh­ wird der Sand hart und die begehrte rung nutzen. Nahrung kriecht in zu große Tiefen. Kraniche im Flachwasser Je nach Wasserstand wechseln die Vögel Die berühmtesten Tiere des zwischen den unterschiedlichen Wind­ sind sicherlich die Kraniche. Sie be­ watten hin und her. Das Windwatt am suchen das Watt während der Zugzeit liegt fast immer teilweise trocken, und lediglich als Übernachtungsplatz. die Watten am Gellen schon seltener, In der späten Dämmerung fallen große und die großen Wattflächen am Alten Schwärme der stattlichen Vögel in die Bessin kommen nur bei besonderem flach überstauten Wattbereiche ein, um Niedrigwasser zum Vorschein. Es ist dort ein ruhiges Plätzchen für die Nacht dieses Nebeneinander verschieden zu finden. Im flachen Wasser können hoher Windwatten, das die Region als sich keine Fressfeinde anschleichen, Lebensraum für brütende und ziehende und Menschen stören an diesen abge­ Watvögel so herausragend macht. Nur legenen Stellen auch nicht. Wer genau wenige Gebiete bieten diese Vielfalt, die hinschaut, entdeckt dicht nebenan oft für die Vögel überlebenswichtig ist. auch schlafende Watvögel. Wassersei­ tig gondeln rastende Enten und Gänse Borstenwurm: Der Ironman im Windwatt in den Wellen, die ebenfalls ein Auge Die Vogelschwärme mögen besonders zumachen. So gewährleisten die Wind­ gut sichtbar sein, aber der Großteil des watten den Zugvögeln Skandinaviens Lebens im Windwatt spielt sich im Bo­ und Sibiriens die überlebensnotwendige den ab. Die oberen Dezimeter sind dicht Rast auf ihrem anstrengenden Zug in an dicht von merkwürdig aussehenden die Brut- und Überwinterungsgebiete. wurmartigen Geschöpfen besiedelt.

Seeringelwurm Kothaufen des Wattwurms Watvögel im Windwatt Die kammartigen Darunter frisst und Alpenstrandläufer (o), Großer Brachvogel (m) 24 Borstenreihen verraten: gräbt ein Borstenwurm, und Säbelschnäbler (u) haben speziell an 25 Er ist ein Borstenwurm. wissen erfahrene Watvögel. ihre Nahrung angepasste Schnäbel. Gewässerausbau und -beräumung zerstö­ raum ist eine der großen Besonderhei­ ren diese Vielfalt. Sie schaffen eintönige ten der Region. Ein Gewirr aus Weiden­ Wirtschaftsgewässer, die für die Land­ gebüschen, Röhrichtstreifen und Moor­ Flusstäler schaft Mitteleuropas heute typisch sind. wiesen bedeckt dieses Feuchtgebiet. Ein großer Teil der Tiere und Pflan­ zen der Gewässerlebensräume ist dort Ribnitz -Damgarten dürfte die einzige und verschwunden, sie sind artenarm. Am Stadt Deutschlands sein, die sich einer Flüsse Rande der Gewässer sieht es nicht besser solchen Wildnis mitten im Stadtgebiet aus: Auwälder und Moore sind entwäs­ rühmen kann. Aus der Stadt hinaus er­ Wasserlandschaft in sumpfigen Tälern serten Ackerflächen und Baugebieten streckt sich der imposante Talraum der gewichen. Recknitz über 20 Kilometer weit nach Wer auf Barthe oder Recknitz entlang paddelt wird kaum merken, dass diese Flüsse Südosten. Dort teilt sich die Niederung eine intensiv genutzte Kulturlandschaft durchqueren. Röhrichte und Bruchwälder be- Barthe und Recknitz sind über weite in zwei Äste, von denen der eine bis zum gleiten die Flüsse, funkelnde Eisvögel lauern auf Ästen und majestätische Großseggen Strecken noch in einem naturnahen Oderhaff, der andere bis ins westliche neigen sich über das Wasser. Die Flusstäler sind Streifen einer urwüchsigen Landschaft Zustand. Eine umfangreiche Renaturie­ reicht. mit einer ganz eigenen Pflanzen- und Tierwelt. Mit den benachbarten Bodden hat rung hat dem Recknitztal viel von seiner diese nur wenig gemein. einstigen Vielfalt und Schönheit zurück­ Eisvögel und Edelkrebse gegeben. Träge schlängelt sich der Fluss Schillernde Eisvögel spähen am Rande Im Gegensatz zu den Bodden ist das durch das breite, vermoorte Urstromtal, der Flussläufe von Weidenzweigen aus Wasser der Flüsse nicht salzhaltig. Es das während der letzten Eiszeit einen nach Fischbeute. See- und Teichrosen ist dauerhaft in Bewegung, fließt mal der Mündungsarme der Oder bildete. wagen sich mit ihren Schwimmblättern schneller, mal träge der Mün­ Der in seiner Gesamtheit erhaltene Tal­ bis in die Flussmitte, umringt von Libel­ dung entgegen.

Ein naturnahes Fließ­ gewässer hat eng benach­ bart ganz unterschiedliche Strömungsgeschwin­ digkeiten. Wurzeln, Steine, unterschied­ liche Uferformen und ein immer wechselnder Stromstrich in den Win­ dungen des Gewässers schaffen ruhige Stillwasserzonen und spru­ delnde Stromschnellen.

Eisvogel Der »Fliegende Edelstein« 26 lauert in den Flusstälern 27 auf fischige Beute. len und Fröschen. Zwischen Steinen und Wurzeln im sauberen Wasser der Barthe tummeln sich der vom Aussterben be­ drohte Flusskrebs und die in Vorpom­ mern ansonsten verschwundene Bach­ muschel. Solche Besonderheiten unter­ streichen die bundesweite Bedeutung dieser Flussläufe für die Erhaltung der Biologischen Vielfalt.

Paarungsrad der Mosaikjungfer Flusskrebs Flutende Blüte der Seerose Diese farbenprächtigen Libellen 20 cm Länge und ein Alter von 20 Blätter und Blüten der Seerosen sind schwim- 28 und zahlreiche verwandte Arten Jahren kann der in ganz Europa heute mende Inselchen auf dem Wasser, bevölkert 29 siedeln an den Fließgewässern. hochgradig seltene Krebs erreichen. von Kleintieren und sogar von Vögeln. Die Kühe in unserer Küstenlandschaft haben es gut. Anders als viele ihrer Artgenossen dürfen sie noch draußen auf der Salzgrasland Weide grasen. Auf dem Salzgrasland der Boddenufer und dem nassen Grünland der Moore werden urig aussehende Rinderrassen aufgetrieben, angepasst an ein Leben in der und Feuchtgrünland Natur. Die artenreichen Weiden mit würzigen Kräutern sind nicht nur für Weidetiere ein Genuss. Die Pflanzenvielfalt ihres Lebensraums bürgt auch für Gourmet-Qualität bei Steaks Das Wasser erweckt es zum Leben und Roastbeef. Die Rinder sind außerdem perfekte Land- schaftspfleger. Die Beweidung erhält die traditionelle Kultur- landschaft der Küste und das wichtigste Brutgebiet von Wat- und Wiesenvögeln.

30 31 Salz bestimmt das Leben Traditionell ist ein großer Teil der Grün­ Außerdem sinkt das Geländeniveau landflächen der Region bei winterlichen vieler eingedeichter Flächen von Jahr zu Hochwässern überschwemmt worden. Jahr. Als Überflutungsstandorte bestan­ Die Flut aus Ostsee und Bodden bringt den sie aus dicken Torfauflagen, die sich Nährstoffe und durchweicht den Boden, bei Entwässerung jedoch zersetzen. so dass er vor Beginn der Vegetations­ Weite Flächen liegen daher heute un­ periode gut mit Wasser gesättigt ist. terhalb des Meeresspiegels und sinken Weil Ostsee- und Boddenwasser salzig immer weiter. Ohne teures Leerpumpen sind, schaffen die Fluten einen salzhal­ saufen sie förmlich ab und sind kaum tigen Standort. zu bewirtschaften.

Nicht jede Pflanze kann unter solchen Neues Denken schafft Grünland Bedingungen gedeihen. Daher wird Seit einigen Jahren setzt daher ein dieses sogenannte Salzgrasland von Umdenken ein. Neu entstehender Torf bestimmten Gräsern und Kräutern könnte die Flächen wieder aufhöhen. bewachsen, die an die salzigen Verhält­ Und Torfwachstum lässt sich durch nisse angepasst sind. Einige von ihnen Überflutungen fördern. Daher werden kommen nur an salzhaltigen Standorten heute Deiche wieder entfernt. Salzgras­ vor, andere findet man auch auf sons­ land kann neu entstehen und die Torf­ tigem Grünland. Das Salzgrasland ist polster wieder wachsen. aufgrund der guten Wasser- und Nähr­ stoffversorgung hochproduktiv und war Wenn Deiche bestehen bleiben müs­ in der gesamten Region traditionell als sen, weil sie beispielsweise Häuser vor hochwertiges Weideland sehr begehrt. Fluten schützen, kann oft zumindest der Graben- und Grundwasserstand Melioration verändert die Landschaft angehoben werden. Es entsteht dann Deiche verhindern heute den Zutritt des Nass- oder Feuchtgrünland. Auch unter Wassers zu den meisten natürlichen diesen Bedingungen kann es zur Torf­ Überflutungsbereichen. Umfangreiche bildung kommen. Allerdings fehlt der Meliorationsmaßnahmen veränderten fördernde Eintrag von Nährsalzen und vor einem halben Jahrhundert die Land­ Schwebstoffen aus Überflutungen. Und schaft der Region tiefgreifend. Das Grün­ natürlich sind es keine Lebensräume land wurde dabei fast komplett einge­ mit salzigem Milieu. deicht. Die Standorte wurden ackerfähig und ermöglichten industrielle Landbe­ Watvogelparadies wirtschaftung. Die Erwartungen haben Salzgrasland ist ein wichtiger Vogelle­ sich rückblickend jedoch nicht erfüllt. bensraum. Schon vor mehr als hundert Eine wirtschaftlich tragfähige Landwirt­ Jahren reisten Vogelfreunde aus ganz schaft ist auf vielen dieser Flächen nicht Deutschland in die Vorpommersche möglich. Die Böden sind zu schlecht und Boddenlandschaft, um die auf den Über­ die Entwässerungskosten zu hoch. flutungsflächen nistenden Wat­vögel zu

Salzgrünland am Prerowstrom Ein Wasserstand nur wenige Dezimeter unter 32 der Bodenoberfläche garantiert artenreiche 33 Lebensräume mit würzigem Weidegras. rung ihres Reviers. Die schnepfenartige Wehrhafte Seeschwalben Bekassine hat es dabei zu einer beson­ Nicht nur Watvögel leben auf dem Grün­ deren Perfektion gebracht. Sie lässt land, sondern ebenso zahlreiche ande­ sogar ihre Federn in den Gesang ein­ re Vögel. Die auffälligsten davon sind stimmen und produziert damit auffäl­ Seeschwalben und Möwen, nicht zuletzt lige meckernde Laute, die an eine Ziege weil sie in Kolonien brüten. Über dem erinnern. Das passiert während eines Koloniestandort flattert oft ein dichter halsbrecherischen Sturzflugs. Aufmerk­ und weithin sichtbarer Pulk von Vögeln. samkeit ist da garantiert – nicht nur von Vor allem zur Zeit der Jungenfütterung Artgenossen, sondern auch der Mensch herrscht ein ständiges Kommen und kann dieses Schauspiel selbst aus Hun­ Gehen. derten Metern Entfernung noch gut verfolgen. Während die einzeln brütenden Watvö­ gel an ihrem Nest auf Heimlichkeit und Der Kiebitz beherrscht ähnliche Kunst­ Unauffälligkeit bedacht sind, ist das bei stücke. Er untermalt seine weit hörba­ den Koloniebrütern kein Thema. Hier ren Rufe mit einem Stakkato aus wum­ herrscht die Regel »gemeinsam sind mernden Federlauten. Die charakteris­ wir stark«, und ungebetene Besucher tischen Rufe haben dem Vogel mit dem bekommen das alsbald zu spüren. See­ markanten Federschopf am Hinterkopf schwalben sind kleine und friedliche zu seinem Namen verholfen. »Kiwit« Gesellen, aber wenn dem Nest ver­ heißt er traditionell in der Region, so meintlich Gefahr droht, werden sie zu wie seine Rufe sich anhören. furchtlosen Angreifern. Aus elegantem Flug heraus wird dem Kopf des Ein­ Andere Brutvögel der Salzwiesen fallen dringlings ein gezieltes Schnabelhacken eher durch ihre auffällige Färbung auf. verpasst. Wird der ungebetene Gast Der Austernfischer hat einen grell oran­ dadurch nicht in die Flucht geschlagen, gefarbenen Schnabel und ist dadurch lautet die Alternative, ihn durch treff­ unverkennbar. Er ist ein Meister im sicheres Bespritzen mit Kot zu vertrei­ Öffnen von Muscheln, frisst aber auch ben. Und wenn das nicht fruchtet, bleibt bestaunen. Einigen Vogelarten hat die andere Kleintiere. Über 40 Jahre kann oft noch die Hilfe durch den »großen als Gegenleistung aber auch besonders Melioration zwischenzeitlich den Garaus ein Austernfischer alt werden. Bruder«. Häufig nisten Seeschwalben wirksame Waffen. gemacht, aber noch immer gibt es eine gemeinsam mit Möwen, und die sind beeindruckende Artenvielfalt, vor allem Auch viele andere Watvögel sind sehr dank ihrer Größe noch um einiges Wasser schützt auf einigen Boddeninseln. Die Vorpom­ langlebig. Ihrem Brutplatz bleiben sie wehrhafter. Trotz der Abwehrmaßnahmen ist der mersche Boddenlandschaft ist das wich­ oft ein Leben lang treu. Auch nach der Fraß von Gelegen durch Wildschweine tigste Brutgebiet für diese Vögel in ganz Zerstörung ihres Lebensraumes nisten Allerdings hat diese enge Nachbar­ und andere Säugetiere häufig Ursache Mecklenburg-Vorpommern und an der sie manchmal noch jahrelang in Gebie­ schaft ihren Preis. Die Möwen stibitzen von Brutverlusten. Nachts funktioniert deutschen Ostseeküste. ten, die eigentlich gar nicht mehr für hin und wieder ein unbeaufsichtigtes die Verteidigungsstrategie nur noch die Brut geeignet sind und in denen die Seeschwalbenei oder -junges. Vor allem bedingt, und ein ausgehungertes Wild­ Viele Watvögel vollführen auffällige Jungen versterben. die großen Sturmmöwen lieben diese schwein lässt sich von Schnabelhieben Kunstflüge für die Balz und zur Markie­ Bereicherung ihres Speisezettels, sind auch nicht unbedingt vertreiben.

Vogelvielfalt ...... auf Salzgrasland Bekassine (o) und Kiebitz (o) und 34 Austernfischer (u). Flussseeschwalbe (u). 35 Vor den großen Meliorationen konnten Blubbern und Glucksen der Entfernung kaum auf. Doch mit dem die Gelege fressenden Säugetiere in Natürlich gibt es auf Salzgrasland und Gehör sind die blauen Frösche einfach den riesigen Überschwemmungszonen Feuchtgrünland nicht nur Vögel. Am­ zu orten. Kein Froschquaken verrät sie, kaum existieren. Die nach dem Zurück­ phibienlaich kann salzige Bedingungen sondern ein Blubbern und Glucksen. weichen des Hochwassers verbleiben­ nur schwer überstehen, so dass Frösche Es ist wohl einer der ungewöhnlichsten den Pfützen und die verästelten Priele und Kröten eher in Bereichen mit gerin­ Paarungsrufe unserer Amphibien. in boddennahem Grünland boten den gerem Salzeinfluss vorkommen. Nasses, Brutvögeln einen zusätzlichen Schutz. teilweise mit Wasser überstautes Grün­ Das Wasser auf dem flach überstauten Umbruch, Einebnung und Eindeichung land ist der bevorzugte Lebensraum für Grünland erwärmt sich zu Beginn des haben davon nichts übrig gelassen. Die den knallblau gefärbten Moorfrosch. Frühjahrs, der Laichzeit der Moorfrö­ verbliebenen schmalen Grünlandstrei­ Er nimmt nur zur Laichzeit diese Far­ sche, besonders schnell. Deswegen fen vor den Deichen sind für hungrige be an, und auch nur die Männchen. Im ist es so ein guter Laichplatz. Wenn es Säugetiere ein leichtes Ziel. Daher lie­ übrigen Jahr sind die Frösche bräunlich nichts Besseres gibt, nutzt der Moor­ gen die wichtigsten Brutplätze für Grün­ gefärbt. frosch zum Laichen auch flache Grä­ landvögel heute auf den Inseln. Aber Trotz der leuchtenden Laichfärbung ben, hat dann aber weniger Fortpflan­ Renaturierungen können auch anders­ sind Moorfrösche mit dem Auge gar zungserfolg. Andere Tierarten sind wo neue Vogellebensräume erfolgreich nicht so leicht zu entdecken. In der spie­ nicht so anpassungsfähig, beispielswei­ flieder, Salz-Hasenohr oder Keilmelde (wieder -)entstehen lassen. gelnden Wasseroberfläche fallen sie aus se die Rotbauchunke. sind einige Raritäten dieser Gebiete.

Pflegende Beweidung Eine weniger intensive Beweidung be­ Ohne Beweidung würden die meisten deutet allgemein eine größere Vielfalt Grünlandflächen früher oder später von an Pflanzenarten. Gewächse wie der Röhricht oder Wald bewachsen werden. silbrig schimmernde Strand-Wermut Der Hunger der Rinder verhindert das oder die leuchtend violett blühende und erhält die Lebensgemeinschaften Knabenkraut-Orchidee werden von Rin­ von Salz- oder Feuchtgrünland. Auf nas­ dern bevorzugt gefressen. Bei stärkerer sem Grünland – salzig oder nicht – wird Beweidung verschwinden sie. Für man­ die Beweidung am besten mit spezi­ che Brutvögel ist hingegen eine kurz ell angepassten Rinderrassen durch­ abgefressene Grasnarbe vorteilhaft. geführt. Sogar Wasserbüffel werden Das Nebeneinander von unterschied­ inzwischen in der Region aufgetrieben. lich bewirtschafteten Grünlandflächen Diese Weidetiere sind wetterfest und bewahrt die ganze Vielfalt. den Besonderheiten ihres Lebensrau­ mes angepasst. Salzgrasland und nasses Grünland gehören zu den Küstenlebensräumen Die Pflanzenwelt des Grünlandes hängt mit dem größten Reichtum an Pflan­ vom Feuchtegrad des Bodens und von zenarten. Bei Entwässerung sinkt die der Intensität der Beweidung ab, außer­ Artenzahl drastisch und Orchideen oder dem vom Salzgehalt. Salzige Lebensräu­ Sumpfdotterblumen verschwinden. me beherbergen besonders viele seltene und gefährdete Pflanzenarten. Strand­

Himmelblaue Moorfrosch-Männchen Breitblättriges Knabenkraut bereit zum Blubber-Wettbewerb im flachen, Diese selten gewordene Orchidee gedeiht auf nas- 36 sonnenbeschienenen Laichgewässer. sem Grünland, das gerne auch mal von salzigem 37 Boddenwasser überschwemmt werden darf . Üppige Wälle aus Seegras und Muscheln türmen sich auf den Ostseestränden. Sie berichten vom verborgenen Leben unter Strände Wasser, vermitteln einen Eindruck von den artenreichen Riffen, Muschelbän­ ken und Tangwäldern vor der Küste. Na­ der Ostsee türlich ist es nicht die wahre Pracht und Vielfalt dieser Lebensräume, die da am Strand liegt. Denn an die Küste werden Fenster ins Meer und bewegtes Land vorwiegend die abgestorbenen Organis­ men gespült. Die abgerissenen Blätter der Tang- und Seegraswälder haben am Klar, bei Strand denkt man an Sommer, Sonne und Badewetter. Die Region zwi- Strand keine Überlebenschance. schen Rostock und Rügen kann mit einigen der schönsten Strände Deutschlands aufwarten. Sie sind ein Garant für Lebensqualität und – das ist bei weitem nicht so Ein Friedhof ist der Spülsaum aber bekannt – auch für Artenvielfalt. Die dort lebenden Tiere und Pflanzen haben ganz keineswegs, denn er ist quicklebendig. spezielle Anpassungen. Er ist das Lebenselixier des Strandes und bringt die wichtigen Nährstof­ fe, die im blanken Sand fehlen. Ohne Spülsaum gä­be es am Strand nur wenig Lebendiges.

Zahlreiche Insekten und kleine Krebs­ tiere wie der behände springende und für den Menschen absolut ungefährli­ che Strandfloh besiedeln diesen über­ reich mit Nahrung beschenkten Lebens­ raum. Watvögel wie Alpenstrandläufer und Sandregenpfeifer haben es wie­ derum auf diese kleinen Wirbellosen abgesehen und laufen kilometerweit am Spülsaum entlang, um im rechten Mo­ ment blitzschnell mit ihrem Schnabel zuzustoßen.

Wiege der Dünen Der Wind trägt das sich zersetzende Tangmaterial den Strand hinauf und winterliche Fluten lagern dort auch die eine oder andere Muschelschale ab. So bilden sich Strandwälle und Dünen – eng mit dem Strand verzahnt, und doch

Strandleben dank Spülsaum Ein völlig ungefährlicher Strandfloh (o), 38 im Spülsaum grünt die Strandflora (m), 39 und ein Meersenf fängt Sand (u). schon Heimstatt für eine ganz andere Lebensgemeinschaft.

Eine Schlüsselrolle spielen dabei hel­ denhafte Gewächse, die im blanken, trockenen Sand des oberen Strandes wurzeln. Sie sind schutzlos der salzigen Meerwassergischt und den im Sturm heranfliegenden messerscharfen Sand­ körnern ausgesetzt. Der mit lila Blüten gespickte Meersenf gehört zu diesen be­ wundernswerten Pionieren, ebenso die nur 10 Zentimeter hohe Salzmiere. Die mit Sandkörnern beladene Luft kommt an ihren Blättchen und Ästen zur Ruhe und der Sand fällt hinab. Um die Ge­ wächse bilden sich auf diese Weise rasch kleine Sandhäufchen, die gemein­ sam mit der Pflanze immer weiter in die Höhe wachsen. Auch das eine oder andere Teil aus dem Spülsaum bleibt hängen und liefert den nötigen Dünger. Wenn alles glatt geht und kein Strand­ besucher das standhafte Gewächs acht­ los zertritt, kann hier bald eine neue Düne entstehen.

Die Zone dieser Mini-Dünen ist ein wichtiges Brutgebiet für Sandregenpfei­ fer und Zwergseeschwalben. Allerdings wird exakt dieser Strandbereich auch von Strandgästen zum Lagern, Sonnen und für Sport und Spiel genutzt. Als Vogelbrutplatz ist er dann nicht mehr zu gebrauchen, allein schon weil die gut getarnten Eier alsbald zertreten wür­ den. Der Sandregenpfeifer kann zur Not auch in Dünen oder gar Kiesgruben brü­ ten. Die Zwergseeschwalbe ist jedoch eng an ihren Lebensraum am Meeres­ ufer gebunden. Der einstmals verbrei­ tete Vogel ist mangels Brutplätzen bei uns fast ausgestorben. Im Nationalpark

Sandregenpfeifer zwischen Sand-Seggen Blitzschnell läuft der kleine Watvogel 40 über den Strand und findet im 41 Spülsaum seine Nahrung. Vorpommersche Boddenlandschaft Massige Robben mer wieder Kegelrobben auf. Manchmal haben im Umfeld der Robben nichts zu sind daher einige Strandabschnitte in Am unteren Strand sorgen andere Gäste berichten sogar die Zeitungen darüber. suchen. der Kernzone für den Besucherverkehr für Aufmerksamkeit. Kegelrobben gal­ In Zukunft werden wir solche Ereignisse gesperrt. Es sind wenige Kilometer ten an unserer Küste einstmals als eine häufiger erleben. Streicheltiere sind Robben schon gar unserer annähernd 2.000 Kilometer normale Erscheinung. Doch durch Jagd nicht. Mit ihren kräftigen Zähnen kön­ langen Küste in Mecklenburg-Vorpom­ und Wasserverschmutzung wurden sie Kegelrobben sind bis 300 Kilogramm nen sie beherzt zubeißen und in schlim­ mern. Einige Brutpaare der Zwergsee­ an der deutschen Ostsee ausgerottet. schwere massige Raubtiere. Dem Men­ men Fällen ernsthafte Verletzungen schwalbe finden hier eine Zuflucht. Auf Nun kehren sie langsam zurück. Es ist schen gegenüber sind sie friedlich, aber hervorrufen. Manche der rastenden ihren Jagdflügen tauchen sie auch an ein gutes Zeichen, dass sich ihre Le­ wenn sie am Strand bedrängt werden, Robben sind krank oder geschwächt den frei zugänglichen Stränden auf. Die bensbedingungen gebessert haben. könnte es zu Abwehrreaktionen kom­ und brauchen dringend Ruhe. Beson­ blitzschnellen Sturzflüge der 20 Zen­ men. Daher sollten Strandgäste immer ders bei Hunden besteht die Gefahr der timeter kleinen Seeschwalben sorgen Jede Robbe braucht auch mal eine einen gehörigen Abstand halten, am Übertragung von Krankheiten in beide bei Strandbesuchern immer wieder für ausgiebige Rast am Strand. Schon jetzt besten mehr als 100 Meter. Auch Hunde Richtungen. Bewunderung. tauchen an den Küsten der Region im­

Zwergseeschwalbe Rastende Kegelrobben Fischübergaben finden bei mit vollwertigem 42 der Zwergseeschwalbe nur an Raubtiergebiss. 43 Stränden ohne Zuschauer statt . Die großen Dünenfelder Am Darßer Ort, am Pramort an der und Ostspitze des Zingst und in der Dünen­ Dünen heide auf Hiddensee liegen die größten Dünenfelder Mecklenburg-Vorpom­ merns. Auch die westlich der Warnow Magerrasen liegenden Dünen von Warnemünde sind ein bedeutendes Dünengebiet, das allerdings durch jährliches Abschieben Trockenheit bringt Farbenpracht des Sandes schwer geschädigt und sei­ ner imposanten Dünen fast vollständig beraubt ist.

Natürliche Dünenfelder sind an der südlichen Ostsee eine ziemlich seltene Erscheinung. Hinter vielen Stränden ist eine künst­ Zwischen Rostock und Rügen gibt es gleich mehrere davon. Ständige Sandzufuhr aus liche »Küstenschutzdüne« aufgespült dem Meer ist ihr Lebenselixier. Zwar wird bei auflebendem Wind der lose Dünensand Eine natürliche Düne ist immer in Be­ worden. Sie dient dem Hochwasser­ ein Raub der Böen. Aber die Düne braucht das, denn sowohl Wachsen wie Vergehen sind wegung. Getrieben vom Wind, manch­ schutz und ist in ihrem Erscheinungs­ Voraussetzung für die Entstehung dieses seltenen Lebensraums. mal von stürmischen Fluten angenagt bild den natürlichen Dünen durchaus und immer im Griff der rauen Meeres­ ähnlich. Allerdings beherbergt sie nur witterung. Strandhafer und Strandrog­ einen Bruchteil der Tier- und Pflanzen­ gen krallen ihre Wurzeln in den losen arten, denn ihr fehlt die natürliche Dy­ Sand und halten ihn fest – so gut es geht. namik und Standortvielfalt. Oft werden Dezimeterdicke Übersandung, salzige diese natürlichen Dünen als umwelt­ Gischt und gnadenlose Trockenheit sind verträgliche Küstenschutzmaßnahme für diese vorzüglich angepassten Gräser bezeichnet, aber das ist nur bedingt kein Problem. Hitze von 60 Grad und richtig. Denn der für ihre Aufspülun­ mehr müssen Dünenbewohner im Som­ gen verwendete Sand stammt aus den mer ertragen, messerscharfe Sandkör­ Flachwasserzonen vor der Küste. Riesi­ ner bei Winterstürmen. ge Flächen werden dort mitsamt allen Lebens abgebaggert. Zurück bleibt ein Eine ganze Reihe von Tieren und Pflan­ zerfurchter toter Meeresboden, der sich zen trotzen diesen extremen Bedin­ selbst nach Jahrzehnten oft nicht voll­ gungen und haben oft bemerkenswerte ständig regenerieren kann. Anpassungen an ihren speziellen Le­ bensraum entwickelt. Steinharte Blatt­ In natürlichen Dünenfeldern entstehen oberflächen oder metertiefes Wurzel­ am Strand laufend neue Dünen. Strand­ werk machen Pflanzen dünengeeignet. hafer und andere Pflanzen wirken als Die rauen Lebensbedingungen sind ihre Sandfänger und gewährleisten so natür­ Überlebensgarantie. Sie sind exzellent liche Landgewinnung und Lebensraum­ an die Dünen angepasst, aber woanders schutz zugleich. Landeinwärts liegen könnten diese spezialisierten Arten die älteren Dünen, auf denen der Sand nicht existieren. stärker zur Ruhe kommt. Die Lebens­

Schillernde Blätter, leuchtende Falter Die silbrig-blaue Stranddistel (l) trotzt Wind und 44 Wetter in den Dünen, der Schwalbenschwanz (r) 45 labt sich an Blütenteppichen der Magerrasen. bedingungen auf diesen sogenannten Graudünen sind nicht ganz so rau, der Meereseinfluss geringer. Die Vegetation wächst dichter und die Pflanzen sind fi­ ligraner als die mit dem Sand kämpfen­ den Gewächse an vorderster Front.

Während der Sommermonate sind Graudünen mit bunten Blüten gespickt. Rosafarbene Grasnelken, blaue Sand­ glöckchen und die gelben Blüten des Habichtskrauts bieten Schmetterlingen und Bienen Nektar im Überfluss. Bienen sind in Dünen mit einer ungeheuren Artenvielfalt vertreten. Sandbienen graben mehrere Dezimeter tiefe Höhlen in den Sand. Dort kann sich ihre Brut gut geschützt vor den Widrigkeiten des Wetters entwickeln.

Bunte Magerrasen Ähnlich wie die Graudünen sind auch Magerrasen trockene und nährstoffar­ me Lebensräume. Ein guter Teil der Tie­ re und Pflanzen ist auch in den Graudü­ nen verbreitet. Magerrasen sind meist als Weideland auf armen Sandböden entstanden. Heute sind solche Flächen überwiegend in Acker umgewandelt oder zu nährstoffreichem Grünland aufgedüngt. Viele ihrer typischen Tier- und Pflanzenarten sind daher in der Vorpommerschen Boddenlandschaft und Rostocker Heide verschwunden. Der Verbreitungsschwerpunkt der Ma­ gerrasen liegt heute auf Dornbusch und Bessin der Insel Hiddensee. Anderswo gibt es noch einzelne Reste, die aber allesamt nur eine geringe Ausdehnung haben.

Graudünenblüten Sandbienenbergbau Augenschmaus der Natur Grasnelke (o) und Dünen- Zwischen Strandhaferhalmen Bunte Magerrasen wie hier auf Hidden- 46 Platterbse (m) färben die beginnt eine Sandbiene mit see sind durch Düngung und Intensiv- 47 Küste im Sommer rosapurpur. dem Bau ihrer Nisthöhle. landwirtschaft sehr selten geworden. Falterparadies Sonnenhungrige Echsen gedüngter, dichtwüchsiger Vegetation Im Sommer liegt über den Magerrasen Eidechsen sind als sonnenliebende Tie­ könnte die Sonne nicht bis zum Boden ein unaufhörliches Summen und Zirpen. re sowohl in Magerrasen als auch in Dü­ vordringen. Der trockene und sonnige Lebensraum nen zu Hause. Leuchtend grün sind die ist für Insekten ein Paradies. Bunte Männchen der Zauneidechse, unserer Auch die erwachsenen Eidechsen sind Falter sind allgegenwärtig, darunter auffälligsten und seltensten Eidechsen­ auf ungedüngte Flächen angewiesen. mehrere Arten von Bläulingen. Das art. Ihre Eier gräbt sie an südexponier­ Für ihren fast sechsmonatigen Winter­ sind eher kleinere Falter, deren Flü­ ten, kurzrasigen Hängen in den Boden schlaf brauchen sie ausreichende Ener­ geloberseite oft himmelblau, zuweilen ein. Die Sonnenstrahlen bringen die giereserven. Magerrasen und Dünen aber auch rostrot, braun, orange oder zum Schlüpfen notwendige Wärme. Nur mit ihrem Insektenreichtum liefern gar anthrazit gefärbt ist. Oft haben im schütteren Gras funk­tioniert das. In dafür genügend Nahrung. die Flügel einen metallischen Glanz, der die Farben ganz besonders leuch­ tend erscheinen lässt – das Vorbild der Metallic -Lackierung.

Jeder Schmetterling ist zunächst einmal Raupe. Fast alle Schmetterlinge sind in diesem Lebensstadium sehr wählerisch, was die Nahrung betrifft. Manchmal ist nur eine einzige Pflanzenart ge­ eignet, die Raupe zu ernähren. Einige Bläulingsraupen brauchen zusätzlich bestimmte Ameisenarten. Bevor der fertige Schmetterling schlüpft, leben die Raupen einige Monate lang unterir­ disch in deren Bauen. In artenreichen Magerrasen gibt es sowohl die richtigen Pflanzen wie die geeigneten Ameisen. Im Sommer sind diese Lebensräume dann voll mit leuchtenden Bläulingen. Die Pracht ist jedoch dahin, sobald einer der Partner verschwindet.

Viele unserer Bläulingsarten sind wegen ihrer starken Spezialisierung heute sehr selten. In der Vorpommerschen Bod­ denlandschaft und Rostocker Heide lebt im Moment noch eine große Artenviel­ falt, einige davon allerdings in winzigen Restvorkommen.

Lebensraum für Bläulinge Zauneidechse Zahlreiche Bläulingsarten (o) legen ihre Eier (m) nur in Eidechsen sind wie 48 der Nähe von Ameisenbauten ab; der Hornklee (u) ist Urlaubsgäste: Sie sonnen 49 eine wichtige Futterpflanze für Raupen und Falter. sich wann und wo immer es geht. Wilde Wälder und uralte Bäume Lebendiges Erbe mit langer Geschichte

Von Natur aus wäre Mitteleuropa größtenteils bewaldet. Doch jahrhundertelang hat der Mensch gerodet und Flächen zu Kulturland umgewandelt – so lange, bis fast keine Wälder mehr da waren. Nahezu alle heutigen Waldbestände sind Aufforstungen, die als Inseln in waldfreien Kulturflächen entstanden sind. Zwischen Rostock und Rügen gibt es jedoch Wälder, die sich seit dem Ende der Eiszeit durchgehend erhalten haben: die Rostocker Heide und den Darßwald. Sie sind Refugien für Tierarten, die anderswo längst verschwunden sind.

Zahlreiche Tiere des Waldes sind weder müssten sie bei dieser Geschwindigkeit gut zu Fuß, noch können sie gut fliegen allein für die Durchquerung der Rosto­ oder schwimmen. Sie sind angepasst an cker Heide aufwenden. einen Lebensraum, in dem der nächste Baum nie weit entfernt ist. Als Inseln Auch zahlreiche Pflanzen und Pilze sind isoliert in der Kulturlandschaft entstan­ typische Besiedler alter Waldstandorte, dene Waldstücke sind für diese Tiere zum Beispiel die markante Einbeere unerreichbar. Selbst in aufgeforsteten oder der Bärlauch. Einige Pilze solcher Wäldern beachtlicher Größe kommen Wälder können älter sein als die ältes­ sie oft nicht vor, wenn diese nie Kontakt ten Baumriesen – unter Umständen zu alten Urwäldern hatten. Tausende von Jahren. Sie vermehren sich nur vegetativ durch das Wachstum Rostocker Heide und Darßwald haben ihrer wurzelstockartigen Myzele und gute Teile der Urwaldfauna bis heute markieren verlässlich die Standorte der bewahrt. Im Holz lebende Käfer oder ältesten Wälder. Daneben dürften diese millimetergroße Schnecken gehören Pilze die ältesten Lebewesen unserer zu dieser seltenen Lebewelt. Langsam­ Region sein. keit und Ortstreue sind ihre gemeinsa­ men Merkmale. Am Ende ihres Lebens Tiere als Spiegel der Geschichte trennen die winzigen Schnecken übli­ Obwohl der Darßwald heute ebenso urig cherweise nur wenige Meter von ihrem aussieht wie die Rostocker Heide, war Geburtsort. Mehr als ein Jahrtausend sein Baumbestand in der Vergangenheit

50 51 viel stärker zurückgedrängt. In der Dieses Landwachstum findet am Darßer diesen manchmal bis in den Sommer zen. Auch für Fledermäuse des Waldes Rostocker Heide haben daher weitaus Ort auch heute noch statt. Auf den neu hinein wasserbedeckten Bruchwäldern sind solche Höhlen unverzichtbar. Dort mehr der typischen Urwald-Spezies entstehenden Strandwällen entwickeln die Esche hinzu. Auf dem Neudarß oder verbringen sie den Tag. Diese Höhlen überlebt. Der Darßwald kann dafür mit sich Dünenkiefernwälder. Wacholder­ im Barther Stadtholz sind Erlenwälder haben außerdem ihre ganz eigene In­ einem einzigartigen System bewaldeter büsche und ein überreicher Unterwuchs recht verbreitet. sektenwelt, die von diversen Hinterlas­ Strandwälle aufwarten. Sie erzählen aus Flechten kennzeichnen diesen senschaften der höhlenbewohnenden die Geschichte der immer weiter nach auf besonders nährstoffarmem Bo­ Die Domäne der Eiche sind die Rän­ Vögel und Säugetiere lebt. Norden vorrückenden Meeresküste. den wachsenden Waldtyp, der in ganz der des Waldes zu Salzgrasland und Deutschland hochgradig selten und be­ Brackwasserröhrichten. Dort wird droht ist. Die Vorkommen im Darßwald es bei hohen Wasserständen durch­ sind auf winzige, stark gefährdete Reste aus etwas salzhaltig, und die Eiche ist reduziert, weil Bebauung und Camping­ diesen besonderen Bedingungen recht nutzung den größten Teil in Beschlag gut gewachsen. Birke und Zitter-Pappel genommen haben. leisten ihr oft Gesellschaft. Wird es bei besonders hohen oder lang anhalten­ Unsere Waldbäume den Fluten zu salzig, sterben aber auch Die wichtigsten Waldbäume der Schatz­ Eichen teilweise oder gar vollständig ab. küste sind Buchen, Kiefern, Erlen und Sie stehen dann als imposante Baumge­ Eichen. Jeder dieser Bäume hat den na­ rippe am Waldrand. türlichen Verbreitungsschwerpunkt in anderen Lebensräumen und prägt dort Toter Baum quicklebendig die Wälder. Obwohl diese Bäume tot sind, stecken sie voller Leben. Spechte zimmern sich Am weitesten verbreitet ist die Buche. dort eine Bleibe und Unmengen von In­ Sie wächst auf allen weder besonders sektenarten besiedeln das warme, son­ trockenen noch feuchten Standorten. nenbeschienene Holz. Langsam wird Nicht selten kommen in diesen Wäldern es von diesen Bewohnern verzehrt und zusätzlich andere Bäume wie Eiche, zersetzt. Oft dauert es über ein Jahr­ Ahorn oder Linde in wechselnder Häu­ zehnt, bis ein Baum bis zur Unkennt­ figkeit vor lichkeit zernagt am Boden liegt, wo inzwischen schon der Jungwuchs seine Kiefern besiedeln bevorzugt das jung Blätter in den Himmel schiebt. Das entstandene Land, wie in den Dünenkie­ tote und absterbende Holz ist einer der fernwäldern. Auch aufgeforstet kom­ wichtigsten Lebensräume im Wald, mit men sie auf großen Flächen vor. Doch Hunderten von Arten. Auch an leben­ verrät dort der aufkeimende üppige den und vitalen Bäumen ist totes Holz Unterwuchs, dass dies eigentlich Laub­ ganz natürlich vorhanden, im Stamme­ waldstandorte sind, auf denen die Kie­ sinneren oder an vom Sturm geknickten fer nur angepflanzt wurde. Ästen zum Beispiel. Spechte schaffen in diesen Bereichen große Hohlräume, Wo es richtig nass wird, wachsen Erlen­ die auch andere Vogelarten wie die brüche. Auf besseren Böden kommt in versteckt lebende Hohltaube gerne nut­

Mini-Hirschkäfer im Holzmehl Minischnecke mit Anspruch Häuslebauer und Nachmieter In Mecklenburg-Vorpommern Das nur zwei Millimeter kleine Bie- Abendsegler (o) finden in den 52 krabbelt der Kurzschröter nur im nenkörbchen ist eng an uralte Wälder vom Schwarzspecht (u) gezim- 53 alten Holz der Rostocker Heide . wie die Rostocker Heide gebunden. merten Höhlen eine Heimat. Große Tiere bestaunen Natürlich sind die Wälder auch die Hei­ mat von Hirschen, Wildschweinen oder Dachsen. Der Wald bietet den großen Säugetieren Schutz und Nahrung. Natür­ licherweise würden sie auch das Offen­ land zur Nahrungssuche nutzen, doch die Jagd lässt sie zumindest tagsüber in der sicheren Deckung bleiben. Wo keine Jagd stattfindet – wie beispielsweise am Darßer Ort – sind Hirsche und Wild­ schweine auch am Tage außerhalb des Waldes zu sehen. Die imposanten Tiere sind für Einheimische und Gäste eine

Totes Holz – quicklebendig! Säugetiere des Waldes Ohne solche toten Stämme wäre Zur Brunftzeit kann man Rothirsche nach 54 der Wald einen Großteil seiner Tier- Gehör orten (o), die heimlichen Dachse (u) 55 arten und natürlichen Stabilität los. lassen sich nur mit Geduld und Ausdauer finden. besondere Attraktion. Nicht nur wegen denen die Überstauung mögliche Eier­ ihrer beachtlichen Größe, sondern weil diebe fern hält. Zwischen Seggenbülten man sie wegen ihrer Heimlichkeit an­ und Erlenstämmen stehen die Nester di­ derswo so selten zu Gesicht bekommt. rekt am Boden. In mühevoller Kleinar­ beit schichten die Kraniche Röhricht- Die ausgedehnten, nur wenig durch und Seggenhalme bis einige Dezimeter Straßen zerschnittenen Waldflächen der über dem Wasserspiegel auf. Region sind für Waldsäugetiere ideale Lebensräume. Gerade für besonders Seeadler sind ebenfalls Waldbrüter. Die häufig als Verkehrsopfer endende Tiere großen Greifvögel errichten ihre gewal­ wie den Dachs ist die Großräumigkeit tigen, bis zu anderthalb Meter breiten wichtig. Sie gewährleistet, dass die Tie­ Horste in den Baumkronen. Dafür re ungehindert zwischen unterschiedli­ eignen sich ausschließlich die ältesten chen Waldbereichen wandern können. und mächtigsten Bäume mit ausladen­ den Ästen. Auf ihren ausgedehnten Vögel am Boden und in den Kronen Flügen zur Nahrungssuche sind Seead­ Kraniche brauchen – wie im Windwatt – ler auch weitab ihrer Horste unter­ auch an ihrem Brutplatz immer etwas wegs, vor allem entlang der Küsten und Wasser an den Füßen. Ihre Nester bau­ Wasserläufe. en sie daher in nassen Bruchwäldern, in Andere Greifvögel nisten ebenfalls auf alten Waldbäumen. Der Rotmilan ist eine dieser Arten. Auch er ist in der gesamten Region zu beobachten, in den letzten Jahren allerdings sehr viel selte­ ner. Der Nahrungsmangel in der inten­ siv genutzten Agrarlandschaft setzt ihm zu. Auch kollidieren viele Rotmilane mit Windkraftanlagen. Die unterhalb der Windräder gelegenen Brachflächen lo­ cken die Vögel an. Sie erhoffen sich eine reiche Mäusebeute und werden bei der Jagd dann selbst zu Opfern.

Breite Waldsäume können den Rot­ milanen alternative Nahrungsflächen verschaffen und so indirekt den Tod an Windkraftanlagen vermindern. An solchen Waldrändern sind die Milane auch heute noch regelmäßig zu sehen. Doch nicht alle Wälder haben derartige Übergangsbereiche.

Rotmilan mit Adlerblick Seeadler Mäuse haben schlechte Karten: erreichen 6 kg Gewicht 56 Scharfe Augen und ein scharfer und eine Flügelspann- 57 Schnabel im Einsatz. weite über 2 Metern. des weltweiten Mosaiks von National­ parks. Nationalparks sind Reste der Naturlandschaft unseres Planeten. Hier Grünes Band finden möglichst geringe Eingriffe des Menschen statt, so dass sich die Natur weitestgehend unbeeinflusst entwickeln und Nationalpark und entfalten kann. Die Natura 2000-Gebiete umfassen Die Küstenlandschaft im weltweiten demgegenüber auch vom Menschen über Jahrhunderte geformte Kultur­ Netz natürlicher Vielfalt landschaften. Magerrasen, Feucht- und Nasswiesen gehören dazu und natürlich Am Rande von Rostocker Heide und Vorpommerscher Boddenlandschaft lag vor drei Netzwerke der Welt-Natur die wichtigen Kranich-Äsungs­plätze am Jahrzehnten die Staatsgrenze der DDR mit ausgedehnten Sperrgebieten. Große Teile Große Teile von Rostocker Heide und südlichen Boddenufer. Für Zugvögel ist von Rostocker Heide, Darß, Zingst und weiteren Flächen waren damals dem Militär Vorpommerscher Boddenlandschaft ein europaweites Schutzgebiets-Netz­ oder der sogenannten Staatsjagd vorbehalten. Es ist aus heutiger Sicht kaum vorstell- sind Teil des europaweiten Natura werk wie Natura 2000 unverzichtbar. bar, dass diese heute so wichtigen Tourismus- und Erholungsgebiete weder Einhei- 2000 -Netzwerkes wertvoller Lebens­ Nicht weniger wichtig ist es aber für die mischen noch Gästen zugänglich waren. So blieben sie weitgehend unbebaut und oft räume. Mit dem Nationalpark Vorpom­ dauerhaft in der Region lebenden Tiere wenig genutzt. Die ehemalige Grenzsituation des »Eisernen Vorhangs« ist ein Grund, mersche Boddenlandschaft beherbergt und Pflanzen, denn auch diese brau­ warum im Küstenstreifen der Region so viel Natur erhalten geblieben ist. die Region außerdem einen Baustein chen naturnahe Rückzugsräume.

Statt des Eisernen Vorhangs zieht sich heute das »Grüne Band« quer durch den Kontinent. Es bewahrt in ganz Europa die im Schatten der Grenze entstandene Na­ tur. Rostocker Heide und Vorpommersche Boddenlandschaft sind hierin besondere Perlen. Rostocker Heide & Vorpommersche Engagierte Menschen in ganz Europa set­ Boddenlandschaft zen sich für die Erhaltung dieses natürli­ chen Erbes ein. Auch die Region zwischen Rostock und Rügen kann auf solche Volks­ initiativen zurück blicken. Bereits vor dem Ende der DDR wurden diese aktiv. Ohne ihr Wirken würden viele der für den Tourismus und den hohen Freizeitwert der Region wichtigen Naturflächen und Schutzgebiete heute nicht existieren.

Das Grüne Band Europa Wald-Kinderstube auf Nationalpark-Art Quer durch den Kontinent zieht sich Im Nationalpark wird der Wald sich selbst über- 58 die grüne Lebenslinie, in der lassen, die jungen Buchen wachsen hier ohne 59 auch unsere Region liegt. Herbizideinsatz und andere forstliche Pflege. Unsere Natur erhalten Den Schatz der Region nutzen und bewahren

Tausende von Gästen kommen jedes Jahr in die Region zwischen Rostock und Rügen, um die großartige Natur zu genießen und zu entdecken. Doch auch hier geht die Ver- nichtung von Biologischer Vielfalt und seltener Lebensräume nicht spurlos vorüber. Weil einige typische Lebensräume bereits nicht mehr da sind, ist diese Broschüre etwas dünner ausgefallen, als es die Natur eigentlich gewollt hätte. Es ist Zeit zu handeln, da- mit unsere Region nicht noch mehr von ihrer natürlichen Vielfalt verliert.

Mit dem Nationalpark Vorpommersche abhebt. Diese typischen Produkte der Boddenlandschaft steht ein guter Teil Region sind zum Beispiel auf Wochen­ der Landschaft unter Schutz. Doch groß­ märkten und in Hofläden erhältlich. räumige Auswirkungen wie Luft- und Wegen ihres besonderen Geschmacks Wasserverschmutzung führen selbst werden einige auch deutschlandweit im dort zu einem Verschwinden von Arten Feinschmeckerhandel vertrieben. und Lebensräumen. Ein verantwor­ tungsvoller Umgang mit natürlichen Gemeinsam mit diesen Betrieben wer­ Ressourcen und die entschlossene Ver­ den Überflutungsflächen wiederherge­ minderung der Emissionen von indus­ stellt und überflüssige, kostenintensive trieller Landwirtschaft und Straßenver­ Meliorationsanlagen entfernt. Das nützt kehr sind ein Schlüssel für die Erhal­ Mensch, Wirtschaft und Natur gleicher­ tung unserer Biologischen Velfalt. Alle maßen und verbessert den Landschafts­ können dazu beitragen – in der Region, zustand auf Flächen, auf denen die Bio­ aber auch fernab der Küste. logische Vielfalt schon verloren schien.

Zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe Beim Tourismus, der Fischerei oder der der Region engagieren sich bereits. Mit Verkehrsentwicklung bieten sich derzeit ökologischem Landbau erfahren viele noch große Chancen, wirtschaftliches Lebensräume eine sachgerechte und Handeln und den Schutz der Natur mit­ Gewinn bringende Pflege. Die Flächen einander zu verknüpfen. Es ist an uns, bringen Lebensmittel hervor, deren diese Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen, Qualität sich wohltuend von den Er­ um einen weiteren Verlust von Arten zeugnissen industrieller Landwirtschaft und Lebensräumen zu stoppen.

Kuhschellen-Meer auf Kuhschellen-Wiese Es war einmal: Mit ihren Lebensräumen verschwanden 60 alle drei großblütigen Kuhschellen-Arten der Region – 61 naturschutzgerechte Nutzung könnte solche Schätze erhalten. Naturschätze erleben Wo und wie Natur entdecken? Quellenverzeichnis / Urheberrecht / Impressum

In einer so reich mit verschiedensten Lebensräumen gesegneten Region ist eigent- Abbildungsnachweis: lich überall etwas zu entdecken. Wir haben trotzdem ein paar Hinweise für besonders Edwyn Anderson (CCYC -B -N -ND 2.0): 16 rechts / Roy Anderson (CCY -B -NC-ND 3.0): 52 lohnenswerte Ziele. Aber diese Liste kann keinesfalls vollständig sein. Finden Sie Ihren unten / Anne Bartels ©: 28 unten / Rainer Borcherding (CCY -B -SA 3.0): 24 oben / Kev persönlichen Geheimtipp zwischen Rostock und Rügen? Chapman (CC -BY 2.0): 25 oben & unten / Tony Court (CCY -B -SA 2.0): 21 / Steven Falk ©: 20 / Patrizia Franco (CC 0): 7 / Hans Hillewaert (CCYC -B -N -ND 2.0): 27, 35 oben / Donald Erhöht stehende Beobachtungsplattfor­ Wer es lieber trockener mag, findet auf Hobern (CC -BY 2.0): 16 links / Ron Knight (CC -BY 2.0): 35 unten / Elke Körner ©: 28 men gibt es in der Rostocker Heide und der Hohen Düne in Prerow einen tollen oben, 39 unten / Michele Lamberti (CC -BY 2.0): 25 Mitte / Sally Longstaff (CCYC -B -N - an mehreren Orten im Nationalpark Aussichtspunkt, an dem sich zudem ND 2.0): 55 unten / Kyrill Makarow ©: 17 / Volker Miske ©: 36 / Tamás Nemeth ©: Vorpommersche Boddenlandschaft. Tiere und Pflanzen von Dünen und Ma­ 52 oben / Arnold Paul (CC BY-SA 2.0 DE): 39 oben / Attila Pellinger (CC -BY 3.0): 53 oben / Von dort sind eindrucksvolle Beobach­ gerrasen entdecken lassen. Dornbusch Agustín Povedano (CCYC -B -N -SA 2.0): 42 / Alastair Rae (CC -BY 2.0): 53 unten / Paul Ro- tungen von Vögeln und großen Säugetie­ und Alter Bessin auf Hiddensee bieten berts (CCY -B -NC 2.0): 19 / Jan Rose (CCYC -B -N -SA 2.0): 55 oben, 56 / Christian Rosenbaum ren wie z.B. Wildschweinen und Rothir­ im Frühsommer wahre Blütenmeere (CCY -B -SA 3.0): 43 / Jörg Schmiedel ©: Titel, 2, 4, 5, 6, 10, 13, 14, 15, 18, 22, 23, 29, 33, 34 schen möglich. bunter Magerrasenpflanzen. unten, 37, 39 Mitte, 40, 44, 45, 46 oben, Mitte & unten, 47, 48 oben, Mitte & unten, 49, 54, 57, 59, 61, Rücktitel / Dirk Schories ©: 12, 24 unten / Óskar Elías Sigurðsson (CC- Von Pramort, Barhöft und der Südspitze Führer für Entdeckungen BY 2.0): 34 oben des Hiddenseer Alten Bessins streifen Der SchatzLotse beschreibt Wander- die Blicke weit über Windwatten und und Radwandertouren durch sehens­ Text, Konzeption und Gestaltung: Dipl. -Ing. Jörg Schmiedel, Büro für Landschafts­ Bodden. Rastende Seeadler und flin­ werte Gebiete. Die Touren-Faltblätter planung und Umweltberatung, Rostock ke Meeresvögel sind dort regelmäßig können Sie als Gebietsführer mit ins auszumachen. Seltene Vögel lassen sich Gelände nehmen oder alternativ von Text und Fotos sind urheberrechtlich geschützt, alle Rechte liegen bei den Urhe­ auch vom Zingster Boddendeich gut der Webseite www.schatzlotse.de aufs bern. Sofern im obigen Abbildungsnachweis eine Creative Commons-Lizenz ange­ entdecken. Smartphone laden. geben ist, gelten deren Bedingungen. Die für die jeweilige Abbildung gültige CC- Lizenz ist in Klammern genannt. Erläuterungen der Abkürzungen und der Lizenz­ Einen kurzen Weg durchs Moor mit Darüber hinaus bieten das National­ inhalte sind auf creativecommons.org und creativecommons.de zu finden. Blicken auf seltene Libellen und Moor­ parkamt Vorpommern und das Projekt pflanzen bietet ein Steg westlich von Schatz an der Küste geführte Exkur­ Druck: Altstadt-Druck, Rostock Neuhaus. Eine weitere Tour mit zahlrei­ sionen an. Hier können Sie die Natur chen Informationstafeln führt auf gut mit fachkundiger Anleitung entdecken Herausgeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), ausgebauten Wegen durch das direkt und erfahren so manchen Geheimtipp. Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. benachbarte Ribnitzer Große Moor zwi­ Lehrpfade in der Rostocker Heide und BUND -Regionalgeschäftsstelle Rostock: Waldemarstr. 20a, 18057 Rostock schen Dierhagen und Graal-Müritz. auf Hiddensee bieten ebenfalls viele Tel. 03 81 – 29 06 55 25 / Email: [email protected] interessante Informationen.

62 63 Das Projekt Schatz an der Küste wird gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher- heit im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt, die Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung aus Mitteln der Umweltlotterie BINGO, durch das Land Mecklenburg-Vorpommern sowie durch die OSTSEESTIFTUNG. Diese Broschüre gibt die Auffassung und Meinung des Zuwendungsempfängers wieder und muss nicht mit der Auffassung der Zuwendungsgeber übereinstimmen. Der SchatzLotse wird herausgegeben vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutsch- land (BUND), Landesverband Mecklenburg-Vorpommern. BUND Regionalgeschäftsstelle Rostock, Waldemarstr. 20a, 18057 Rostock / © 2016

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