Band 6, Ausgabe 1 März 2018

Swing is the Thing! - Mitteilungsblatt aus Leipzig für Freunde swingender Musik in aller Welt

Vor 80 Jahren spielte

ein legendäres Konzert in der Carnegie Hall

S e i t e 2 Just For Swing GazetTE

Liebe Jazzfreunde, INHALT Diese Ausgabe war fast fertig, da erfuhren wir vom Ableben unseres Freundes Coco  Vor 80. Jahren spielte Benny Schumann. Wir haben uns deswegen ent- Goodman das legendäre schlossen, diese Ausgabe um mehrere Sei- Carnegie Hall Konzert ten zu erweitern und einen Sonderteil hin-

zuzufügen, mit dem wir unseren Freund EDITORIAL von Freddy Schauwecker würdigen möchten. Der Verlust wiegt schwer, denn Coco war für uns nicht nur  —zum 100. Ge- ein außergewöhnlicher Mensch und Musi- burtstag des „wild man on ker oder wie sein Saxophonist Kalle Böhm, tenor sax“ der mit ihm über 50 Jahre eng befreundet von Detlef A. Ott war, sagte: ein SYMPATH. Er war uns viele Jahre immer auch ein großartiger  Peter Glessing—a Tribute to Freund und Vertrauter, der uns in vieler- Arnett Cobb lei Hinsicht das Leben unter anderem von Detlef A. Ott Blickwinkel betrachten ließ. Über seine herzlichen Begegnungen mit uns Leipzi-  Die Ostberliner Dixie Szene gern sagte er einmal: „Ick bin in meinem Teil 1 Leben vielen Leuten begegnet. In Leipzig von Rolf Wachowius, Berlin habe ick Menschen kennengelernt.“ Wir werden das immer in unseren Herzen  Jazztitel und ihre Geheimnisse tragen, lieber Coco. Du bist unvergessen! Teil 10 von Gerhard Klußmeier Als Titelblatt bilden wir zukünftig berühmte dass wir die „Opa Hirchleitner Story“ wieder Spielstätten des Jazz ab. Die Carnegie Hall in aufleben lassen. Wer kennt heute noch die satiri-  Die Dizzy Birds aus Berlin New York ist nicht nur ein Musiktempel für sche Geschichte um den „Nestor des deutschen von Bodo Buchholz Liebhaber der Klassik sondern auch für Jazz- Jazz“? Der Sohn des 2013 verstorbenen Autors freunde. Vor 80 Jahren fand zwar nicht das Werner Wunderlich gab uns freundlicher-  „Take it easy, boys“ - Louis erste, aber eines der spektakulärsten Konzerte weise die Rechte zum Abdruck. Sigi Schmidt- Armstrong in Leipzig des Swing ebenda statt, über das uns Freddy Joos schickte mir selbstlos einen Stapel feh- von Volker Stiehler Schauwecker informiert. Andere Großer- lender Hefte des „schlagzeug“, in denen die Sto- eignisse an Jazzkonzerten organisierte der ry erstmals erschien, und Hendrik Ott-  Till Brönner meets „Baby“ charismatische Impresario Norman Granz mit Loffhagen zeichnet ergänzend neue Grafiken Sommer „Jazz at the Philharmonic“. 2011 erschien für jede der in den nächsten Ausgaben insgesamt von Detlef A. Ott eine Biografie über Granz von Tad Hershon, zwölf Folgen. die bis zum heutigen Tage nicht ins Deutsche Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen, die  Heiße Ware aus dem Wes- übersetzt wurde. Peter Colev hat sich mit dem Leben von Granz beschäftigt und bringt uns finanziell unterstützt haben, was die Wert- ten—Das Jazz Magazin schätzung für unsere Arbeit ausdrückt. Eine „schlagzeug“ uns den von ihm verehrten Mann nahe, des- sen Einsatz für den Jazz als Mittel gegen kleine Story am Rande: Während wir von vielen von Detlef A. Ott Rassentrennung, Intoleranz und kleinkarierte Seiten Unterstützung erfahren, was die Geneh- Denkmuster viele Jahre vor der Bürgerrechts- migung für Fotos und Grafiken betrifft, stellt  Die Opa Hirchleitner Story bewegung in den USA besonders heutzutage sich ausgerechnet die LVZ auf die Hinterbeine. Teil 1 einiges Nachdenkenswertes liefert. Granz Für ein Foto mit Satchmo auf dem Mockauer von Werner Wunderlich wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Flughafen wurden uns die Rechte zum Abdruck Der Tenorsaxophonist Arnett Cobb war eben- nicht erteilt. Das Wort Jazz scheint sowieso aus  Neues Altes vom collegium falls Jahrgang 1918. An ihn erinnert der dem Sprachgebrauch dieser Zeitung gestrichen. musicale Frankfurter Peter Glessing mit einer Tribute- Da kann selbst ein Weltstar wie Till Brönner von Michael Oettel CD und wir tun das, indem wir Biografisches nach Leipzig kommen, er wird erfolgreich igno- über Cobb beisteuern. Unser Mitarbeiter riert!  Jazz aus Belgien Klaus Kirst konnte Rolf Wachowius aus Berlin überreden, seine persönlichen Erinne- Nun aber viel Vergnügen wieder bei der Lek-  Bücher und Schallplatten rungen an die Ostberliner Dixieland-Szene türe. Wir freuen uns über jeden Kommentar. mit uns zu teilen. Ich bin mir sicher, dass die- Keep swingin‘

se Beiträge, deren Fortsetzung in den nächs- Yours ten Heften erscheinen, auf großes Interesse stoßen. Selten passiert es, dass Leserbriefe vor Erscheinen einer Zeitschrift eintreffen. SONDERBEILAGE So geschehen, als sich herumgesprochen hat, Detlef A. Ott IMPRESSUM

Zum Tode von Herausgeber: JUST FOR SWING Just For Swing ist eine Non-Profit Organisation zur Verbreitung des Swing-Virus

COCO SCHUMANN Redaktion: Detlef A. Ott (Herausgeber)

Mitarbeit an dieser Ausgabe: Karl-Heinz Böhm, Bodo Buchholz, Peter J. Colev, Phil J. Crumley, Gerhard Evertz, Hans-Jürgen Herold, Klaus Schmutzer, (1924-2018) Gerhard Klußmeier, Klaus Kirst, Prof. Dr. Michael Oettel, Harald Krause, Kerstin Ott, Winfried Maier, Freddy Schauwe- cker, Thomas Schinköth, Sigi Schmidt-Joos, Dirk Steglich, Volker Stiehler, Rolf Wachowius.

Telefon: +49 (0)341 5 61 43 62 E-Mail: [email protected] Web: www.jazzfan24.de/JFS/ (kostenloser Download) Die Gazette erscheint einmal vierteljährlich und wird durch ehrenamtliche Mitarbeiter gestaltet. Für unaufgefordert einge- Titelbild: Carnegie Hall New York im sandtes Material besteht keine Rückgabepflicht. Alle Beiträge sowie das Bildmaterial sind urheberrechtlich geschützt. Na- Herbst 2007| © by D. Ott mentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors und nicht die Meinung der Redaktion wieder.

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Vor 80 Jahren machte Benny Goodman in New York den Jazz gesellschaftsfähig

n all den Jahren dieser Mu- nisator für Konzerte aller Art, sik gab es etliche Jazz- Musikagent und Betreuer von Veranstaltungen, bei denen Benny Goodman. Der hatte gera- das begeisterte Publikum oft de seine ersten, größeren Erfolge I gefeiert. Bejubelte Auftritte u. a. mit großer Ausgelassenheit rea- gierte. Plötzlich war eine neue im New Yorker „Pennsylvania- Qualität der Freizeitgestaltung Hotel“ und im „Congress Hotel“ und Orientierung da. in der Stadt, in der Goodman am 30. Mai 1909 als Sohn jüdischer Begeisterte Musiker dieser Szene Immigranten geboren wurde, in setzten mit ihren individuellen Chicago. Vorstellungen, Besessenheit, mu- sikalischem Können und ihrer Das Telefonat wurde bald zu ei- Persönlichkeit schon vor Jahren ner lebhaften Unterhaltung mitt- wichtige Akzente. In den USA lerer Lautstärke und nicht zu und in Europa. Klar, dass Mana- überhörender Dynamik. Plötz- ger und Musikagenturen die Situ- Benny Goodman and His Swing Orchestra 1938 in der überfüllten lich wandte sich Goode an Ko- ation schon bald erkannt hatten Carnegie Hall. Auch auf der Bühne saß begeistertes Publikum. lodin mit der Frage: ,,Was hältst und Einsatz zeigten. In ihrer Kre- Du von einem Konzert Good- ativität ließen sie sich auch zu Konzepti- Musik eröffnen. Auch heute noch ist ihre mans in der Carnegie Hall?“ Der Gedan- onen für Veranstaltungen hinreißen, die Akustik weltweit legendär. Über Jahr- ke jedenfalls war nicht so abwegig, denn oft neu, risikoreich, bedingt erfolgreich, zehnte hatten hier die New Yorker Phil- schließlich hatte hier das Paul Whiteman aber auch oft lukrativ waren. Auch zu harmoniker ihr zu Hause. Orchestra mit seinem „Symphonic Jazz“ Veranstaltungen, die in die Musikge- Der Kritiker und Musikhistoriker Irving vorher schon einen erfolgreichen Auftritt schichte eingingen. Kolodin nahm im Dezember 1937 an ei- abgeliefert. Einige dieser legendären Events leben ner Pressekonferenz in New York teil. Bald stand der Vertrag für dieses für die immer noch. Sie sind seit Jahrzehnten Der Leiter dieser Konferenz, Gerald USA „denkwürdige Ereignis“, wie‘s pu- nicht in Vergessenheit geraten. An ver- Goode, Manager in Sachen Musik, be- bliziert wurde. Irgendwie ein Schnell- schiedenen Orten der Welt werden sie kam plötzlich einen Anruf von Wynn schuss. Es dauerte nur wenige Tage und heute noch gewürdigt. Memorial- Nathanson, einem Veranstalter und Orga- überall hingen die Plakate, die auf diese Veranstaltungen erinnern und rütteln die außergewöhnliche, vielleicht auch mutige alten Zeiten wieder wach. Veranstaltung aufmerksam machten. Das Programmheft ging auch bald in Druck. Der Düsseldorfer Ed. Lintz Verlag bei- Präsentiert wurde das Konzert von “Sol“ spielsweise erinnerte mit einem Artikel Hurok, einem russischen Immigranten, an das legendäre „Carnegie Hall Kon- der verschiedene Künstler managte. zert“ von Benny Goodman in New York. Der Bericht stand auf Seite 1 der Zeit- Und alle waren gekommen. Mehr als in schrift „Der Artist“, dem Fachblatt für der ehrwürdigen Halle untergebracht Unterhaltungsmusik und Artistik, wie es werden konnten. Die Eintrittspreise lagen sich damals bezeichnete. Diese Ausgabe zwischen 85 Cent und 2,75 Dollar. erschien am 9. Januar 1968. Das war da- Jazzmusik wurde gesellschafts- bzw. sa- mals fast auf den Tag genau 30 Jahre lonfähig. Die Musiker um Goodman und nach der unvergessenen und immer wie- die zu diesem Auftritt eingeladenen Kol- der erwähnten Veranstaltung am Sonntag legen aus der obersten Jazzliga fieberten dem 16. Januar 1938 mit den Ausnahme- dem Beginn der Veranstaltung entgegen. Jazzmusikern im Herzen von Manhattan. Duke Ellington allerdings hatte die Einla- In diesen Tagen vor achtzig Jahren. dung Goodmans ignoriert. Er wollte auf keinen Fall dabei sein, weil er neben Die aufwendige, vornehme und, wie es Goodman nicht die zweite Geige spielen auch hieß, ehrwürdige Carnegie Hall ließ wollte. Die Medien hatten diese Veran- der vermögende Stahlbaron Andrew Car- staltung sehr hochgejubelt und Goodman negie an der Ecke 57th Street und 7th zu einer Attraktion gemacht. Avenue bauen und 1891 offiziell als Konzerthalle für klassische Unübersehbare Poster kündigten das große Ereignis an. Bedingt durch die einfacheren,

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simplen Lokalitäten, in denen um 1917/18 den Jazz in New zuvor über Jahre Jazz gespielt York ein. wurde, bezeichneten Viele Die New York Times berichte- diese Musik als anrüchig und te einen Tag nach Goodmans irgendwie roh. Auch ein Teil Konzert in einem größeren Ar- der Musiker empfand das so. tikel über diese gelungene Ver- Beispielsweise sagte der anstaltung, die als das berühm- Trompeter Harry James un- teste Konzert in der Geschichte mittelbar vor dem Auftritt in des Jazz angesehen wird. Ihr der Carnegie Hall: „Ich fühle Aufmacher lautete: „Goodman mich wie eine Hure in der wurde beim Swing-Konzert ge- Kirche“. hört - Überfüllte Carnegie Hall Die New York Times be- mit Darbietung der neuen Art schrieb die letzten Minuten von Musik“. Das seit 1934 in vor dem Beginn der Veran- den USA monatlich erschei- staltung so: „Aufregung lag nende Jazzmagazin Down Beat in der Luft, eine fast elektri- widmete dem Konzert eine Ti- sche Spannung.“ Dann war es Hinten links die Carnegie Hall Mitte der 1930er Jahre. Aufgenommen an telgeschichte. der Station der New York City Subway auf der 7th Avenue. Heute bietet endlich soweit. 8:30 pm. Halb der große Saal auf fünf Ebenen Sitzplätze für 2.600 Besucher. Auch zu dieser Veranstaltung neun abends. Der Eisbrecher hatten Kritiker naturgemäß das „Don‘t Be That Way“ öffne- Eine oder Andere zu beanstanden. Den- Gespielt wurden viele gängige Num- te schon gleich zu Anfang die Herzen noch waren sich alle einig, dass dieser mern unterschiedlicher Stilrichtungen des Publikums. Das Konzert dauerte Event einen unschätzbaren Werbewert wie „Shine“, „Honeysuckle Rose“, zweieinhalb Stunden und mit zuneh- hatte. Für die Interpreten, in erster Linie „The man I love“, „China Boy“ usw. mender Dauer steigerte sich die Be- aber für diese damals neue Musik. geisterung. Irgendwie marketing-strategisch konzi- piert und umgesetzt, wenn man so will. Mit diesem Erfolg war natürlich auch Alle waren gekommen. Restlos aus- „I‘m Comming Virginia“ sollte den Neid aufgekommen. Einige der Musiker verkauft. Auch auf der Bühne saß be- Geist des im Sommer 1931 mit 28 Jah- hatten durch diesen legendären Auftritt geistertes Publikum. Benny im Frack. ren verstorbenen, besessenen, oft ko- vielleicht auch zu viel Anerkennung be- Mit 28 Jahren. Wenige Monate vorher pierten Bix Beiderbecke wiederaufle- kommen. Dadurch wurde auch deren als „King of Swing“ geadelt. Ein mu- ben lassen. Popularität gesteigert. Goodman bekam sikalischer Höhepunkt folgte dem an- von allen Seiten Lob. Auch Bewunde- Schon beim zweiten Titel dieses Kon- deren. rung wurde ausgesprochen. Beispiels- zerts geriet das Publikum ins Schwär- Mit zu den herausragenden, unverges- weise berichtet er von einer Begegnung men. Es war der „One O“ Clock senen Titeln dieser Veranstaltung mit dem fünf Jahre älteren Glenn Miller, Jump“, der Swingtitel mit den heißen, zählt, wie bekannt, „Sing, Sing, Sing der zu ihm kam, als er noch keine eige- treibenden Bläser-Sätzen am Ende der (With a Swing)“, die 1937 vom 1910 ne Band hatte. Er fragte: „Wie machst Nummer, die kurz vorher in New Orleans geborenen Entertai- du das, wie hast du angefangen? Es ist in Kansas City geschrieben hatte. Un- ner, Trompeter und Sänger so schwer, so schwierig“. Da- Louis Prima gemachte Kom- rauf antwortete Goodman: „So position. Die Spieldauer die- „Aber was ich weiß ist, dass für mich genau weiß ich das auch nicht. ses Titels waren lange 12:08 Aber was ich weiß ist, dass für min. Hierbei zeichneten sich wichtig ist, dass ich immer an dem mich wichtig ist, dass ich im- vor allem der Schlagzeuger mer an dem dranbleibe, womit Gene Krupa, der Pianist Jess dranbleibe, womit ich einmal ange- ich einmal angefangen habe. Stacy und der Trompeter fangen habe. Und zwar so lange, bis Und zwar so lange, bis ich es Harry James durch hervorra- zu Ende gebracht habe“. gende Solos aus, die teilwei- ich es zu Ende gebracht habe.“ (Benny Goodman zu Glenn Miller) Wohl wichtigster Sideman des se auch heute noch Anerken- Klarinettisten, Arrangeurs und nung genießen. Bandleaders Goodman war der Bei dieser Veranstaltung traten mit mittelbar nach einem seiner dortigen geniale Schlagzeuger Gene Krupa. Der Goodman insgesamt 28 Musiker auf. Auftritte. Um ein Uhr nachts. große Erfolg durch seine hervorragende Jam Sessions ohne Ende. Teilweise zu Musikalität und Technik, beispielsweise Der als Nummer 3 gespielte lang, wie einige meinten. Neben Ben- bei dem am Ende der Veranstaltung ge- „Dixieland One Step“ erinnerte an die ny Goodman and his Swing Orchestra spielten Titel „Sing, Sing, Sing“, bewog fünf jungen, weißen Musiker aus New war auch das Goodman Trio und ihn, schon bald eine eigene Formation Orleans, die als „Original Dixie- Quartett zu sehen und zu hören. Mit zu gründen. Auch Harry James, der land ,Jass‘ Band“ fast genau zwanzig dabei war der unverwüstliche, dyna- Trompeter mit dem satten Strahl, verließ Jahre vorher, am 26. Februar 1917, in mische mit seinem bald „Benny Goodman and his Swing New York den ersten Tonträger, eine Vibraphon. Den Gesang hatte die Orchestra“ und im März 1939 gründete Schellackplatte, mit Jazz aufgenom- sympathische 23-jährige Martha Til- der Pianist Teddy Wilson eine eigene men hatten. Ein wichtiger Meilenstein ton übernommen. Beispielsweise mit Gruppe. Er spielte zuvor etliche Auftrit- in der Geschichte dieser Musik. Auch „Bei mir bist Du schön“, dem gerade te in Goodmans Trio und Quartett. durch ihre Auftritte im noblen populären Song der Andrew Sisters. „Reisenweber‘s“ am südwestlichen Von diesem Konzert war weder eine Sie hatte vor ihrer Zeit bei Goodman Rand des Central Park, unmittelbar am Rundfunkübertragung noch eine Auf- auch in der Band von Jimmy Dorsey Columbus Circle, führten diese Fünf nahme des Veranstalters geplant. Am Erfahrungen gesammelt.

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von 1 h 56 min in die Kinos. Der Film Text von Udo Lindenberg in seiner zeigt wichtige Lebensstationen des Komposition „Andrea Doria“ 1973 „King of Swing“. Neben vielen allge- rüber. Darin singt er von leicht exzessi- mein bekannten Interpreten dieser Sze- ven Abenden im einstigen Hamburger ne sind auch Musiker zu sehen, die Jazzlokal „Onkel Pö“, das als „Onkel 1938 bei „The Famous Carnegie Hall Pö‘s Carnegie Hall“ Geschichte machte. Concert“ mit dabei waren. Auch die …“da spielt ‘ne Rentnerband seit 20 Sängerin Martha Tilton, wenn auch Jahren Dixieland…“, so heißt es im nur kurz. Text. Seit Anfang 1900 ist, wie erwähnt, die Die verschiedenen Betreiber des Onkel Carnegie Hall weltweit der Begriff für Pö verpflichteten im Laufe der Jahre Am Tag danach: Veranstaltungen der gehobenen Klas- auch zahlreiche, namhafte und hervorra- Die New York Times berichtet über das be- se, für bemerkenswerte musikalische gende Jazzmusiker verschiedener Stil- rühmteste Konzert in der Geschichte des Jazz Darbietungen. In den Anfangsjahren richtungen für ihre Carnegie Hall. Zu hauptsächlich von Musik des klassi- Silvester 1985 wurde diese beliebte Sze- Tag nach diesem Event sagte jemand: schen Bereichs. Dargeboten von welt- nekneipe, der Treff von Nachtschwär- „Zu schade, dass niemand dieses High bekannten, außergewöhnlichen Or- mern, Kulturjournalisten, Musikern Light aufgenommen hat“. Goodman lä- chestern, Solisten, Dirigenten usw. usw. nach einigen erfolgreichen Jahren chelte und erwiderte: „Doch, es hat je- bedauerlicher Weise geschlossen. mand eine Aufnahme gemacht“. Einen Der Begriff dieser Außergewöhnlich- Mitschnitt mit der Technik der Carnegie keit dieses Veranstaltungsorts in New Freddy Schauwecker ist Posaunist und Autor verschiedener Jazzbücher: Hall und dem Columbia Broadcasting York kommt irgendwie auch durch den System (CBS). Dabei waren 28 Azetat- Platten rausgekommen. Am 13. November 1950 erschien in den USA dieses Konzert bei Columbia Re- cords als Doppel-LP mit 23 Titeln. Nach mehr als 12 Jahren. Die mitreißende Stimmung in der vollbesetzten Halle und die Qualität der gespielten Titel kamen gut rüber. Zwei Jahre später brachte Phi- lips diese Veranstaltung in Deutschland auf Schallplatte heraus. Das Movie „The Benny Goodman Sto- ry“ kam Anfang 1956 mit einer Laufzeit

m in das Allerheiligste der Carnegie Hall 5 Mio USD aufbrachte, von Gene Krupa, die Klarinette Benny Carnegie Hall auch ohne um das Gebäude zu sanieren. In den Goodmans oder die Brille Ella Fitz- Karte für eines der Konzerte Vitrinen befinden sich auch Ausstel- geralds zu finden. (DO) U zu gelangen, kann man an lungsstücke berühmter Jazzmusiker, einer einstündigen geführten Stage Tour die die Geschichte des Hauses mitbe- teilnehmen. Dabei erhält man neben stimmt haben. Darunter sind diverse einem Blick hinter die Kulissen und Memorablia wie die Schlagzeugsticks vielen Insider-Informationen auch die Möglichkeit, die einzigartige Akustik des Saales zu erleben. Bevor es am En- de der Tour durch das obligatorische Souvenirgeschäft geht, gelangt man in ein kleines Refugium, in dem eine Aus- stellung über die Geschichte des Hauses informiert, das 1961 eigentlich schon für den Abriss freigegeben war, bevor der russische Geiger Isaac Stern einen Verein gründete, der zur Rettung der

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Leidenschaftlich, virtuos, unvergessen — „The wild man from “ Der Tenorsaxophonist Arnett Cobb (1918 — 1989) eine Erinnerung zum 100. Geburtstag einer Legende

rnett Cobb (Arnette Cleophus chung der Ehefrauen beider Musiker Zwischen 1950 und 1956 gelangen Cobb eine Cobb) wurde am 10. August 1918 zustande gekommen sein, die die Band Reihe von Hits wie "Jumpin' the Blues", "Lil in Houston, Texas geboren. Im managten, während die Mutter Cobbs die Sonny", "The Shy One" und "Smooth Sailing" A Alter von 13 Jahren erhielt er von Anzüge für die Musiker nähte. Zweifel, für Columbia, "Night", "Light Like That" und seiner Großmutter Klavier- ob Cobb nach dem Erfolg von "Flying Home Mambo" auf dem Label Atlan- stunden. Später wechselte Jacquets „Flying Home“ über- tic Records und andere populäre Melodien für er zur Violine und zum haupt in dessen Fußstapfen kleinere Labels. Seine Bands waren eine Platt- Tenorsaxophon. Mit 15 treten könne, zerstreuten sich form für die Karriere des Pianisten Red Gar- Jahren war er bereits so- nach einer weiteren fabelhaf- land, der später mit spielte, Geor- weit, dass er seine professi- ten Aufnahme von „Flying ge Rhodes (Musikdirektor von Sammy Davis onelle Karriere in einer Home No. 2“ bald. Cobb wur- Jr.), Dinah Washington und viele andere. Cobb lokalen Band unter der de als „the wild man on the entdeckte auch den Sänger James Brown. Leitung von Frank Davis tenor sax“ bekannt. Bis 1947 Nach einem fatalen Autounfall 1956 in beginnen konnte. Ein Jahr blieb er Mitglied der Hampton Connecticut, bei dem Cobb mit seinem Wagen später ging er zu einer Band, mit der er auch Schall- gegen einen Baum prallte und sich beide Beine Band des Trompeters Ches- plattenaufnahmen machte. brach, sah es danach aus, als ob seine Karriere ter Boone, wo er zwei wei- Nach fünf erfolgreichen Jah- beendet wäre. Die Ärzte zweifelten daran, dass tere Jahre Erfahrungen sammelte, bevor er ren bei Hamp gründete Cobb seine eigene Cobb jemals wieder spielen könne. Gegen 1936 als Gründungsmitglied dem Orchester Band. Diese wurde eine Attraktion. Cobb ärztliche Ratschläge trat er ein Jahr später von Milton Larkin beitrat, einer Band, die im nutzte die Zirkularatmung auf dem Tenor wieder auf und tourte von Küste zu Küste, Stile Jimmie Luncefords spielte und sehr und bestach durch professionelles Enter- obwohl er von nun an nicht mehr ohne Krü- erfolgreich war. Mit Musikern wie Eddie tainment. Mit der Band nahm er für Co- cken gehen konnte. Cobb lebte zu jener Zeit in „Cleanhead“ Vinson, Cedric Haywood, Wild lumbia und Okeh Schallplatten auf. Die New Jersey. Der lange, kalte, nordöstliche Bill Davis und war dies eine Arrangements schrieb der Bassist George Winter bewog ihn 1959 zurück nach Houston der erfolgreichsten Territory Bands dieser Duvivier, den Cobb aus dessen Zeit mit zu ziehen. Hier leitete er den Club „Ebony“, Zeit. Cobb blieb sechs Jahre und tourte mit Jimmie Lunceford schätzten gelernt hatte. verschaffte regionalen Bands lukrative Auftrit- Larkin durch das ganze Land. Während die- te und arrangierte für R & B-, Soul- und Jazz- ser Zeit entwickelte er einen kraftvollen Musiker. Cobb beschränkte seine Touren von Sound, den man als “open prairie” and 1959 bis 1973 auf Texas. Danach begann er “southern preacher” Stil bezeichnete. Das wieder - mit seiner Tochter als Managerin – Orchester Larkins spielte im Apollo Theatre auf Tournee zu gehen. In New York trat er in Harlem und hatte ein längeres Engage- zusammen mit Illinois Jacquet auf und ging ment im „Rhumboogie“ in Chicago, einem von da nach Frankreich, wo er alte Freunde Café, das von 1942 bis 1947 existierte und wie Buster Cooper, Wallace Davenport, Milt dem Boxer Joe Louis gehörte, bevor es Buckner wiedertraf. In den folgenden Jahren durch ein Feuer am Silvesterabend nieder- pendelte er regelmäßig zwischen den Konti- brannte. Cobb verdiente so gut, dass er ein nenten, war u.a. 1977 auf dem renommierten Angebot des Bandleaders Count Basie aus- Jazzfest in Nizza zu hören und machte Auf- schlug, dessen Band beizutreten, um Her- Die Platte enthält den von ihm kompo- nahmen auf verschiedenen europäischen La- schel Evans zu ersetzen. 1942 bot ihm Lio- nierten Hit gleichen Namens, den er in bels. 1978 trat er mit Hamptons Band auf, um nel Hampton den Platz des Saxophonisten den 1950er Jahren für Columbia aufnahm dessen 50. Jubiläum auf dem Newport Jazz Illinois Jacquet an. Dass Cobb das Angebot und der so populär wurde, dass Ella Fitz- Festival zu feiern. Er tourte mit ihm in den annahm, soll angeblich durch eine Abma- gerald Cobbs Solo davon später scattete. USA, Europa und Japan, sowie als Mitglied

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der renom- mierten Texas- In the spirit of Arnett Cobb Tenors. Von 1985 bis 1989 Eine Hommage vom Saxophonisten Peter Glessing leitete er sein eigenes En- semble, Texas Jazz and Blues, der die Sängerin Je- wel Brown angehörte, die als Sängerin der All Stars von Louis Arm- strong bekannt war. 1979 erhielt Cobb eine Grammy- Nominierung in der Kategorie "Best Jazz Instrumental Performance" für die Platte „Live at Sandy's“ (Muse Records) und teilte sich 1984 mit B. B. King einen Grammy in der Kategorie „Best Traditional Blues Per- formance“ für „Blues n 'Jazz“ (MCA). 1986 Band, gründete er die Jazz Heritage Society of die auch später in Texas, die das Texas Jazz Archiv in der keinem seiner Houston Public Library betreibt. Cobb starb Konzerte mit am 24. März 1989 in Houston. Er hinterließ eigener Big Band fehlen eine Tochter und Enkel. durfte. „Just a closer walk with thee“ gehörte zu jenen Standards, die Arnett Cobb immer wieder mit großer Inbrunst spielte. Wer ihn „live“ © by P. Glessing/ Pressefoto erleben konnte, wird wissen, dass man nach seinem Konzert noch lange danach euphori- äufig hört man im Gespräch mit siert war. Glessings Version ist keine Kopie, Jazzern, dass ein bestimmter Musi- sondern in jedem vibrierenden Ton ist der ker oder bestimmte Musikerin der Spirit von Cobb spürbar. Bei „Lady be Grund dafür waren, dass man dem H good“, im Trio dargeboten, greift Glessing Jazz verfallen ist. Bei dem 1960 in Frankfurt zur Klarinette, mit der er genauso einfalls- geborenen Peter Glessing waren es die Tenor- reich improvisiert. Eine wunderbare Stunde saxophonisten der „Texasschule“ Eddie vitaler Jazz in der Tradition ganz großer „Lockjaw“ Davis, Illinois Jacquet und vor allen amerikanischer Saxophonisten, der unglaub- Dingen Arnett Cobb, der in diesem Jahr 100 lich swingt, die Zeitlosigkeit dieser Stan- Jahre alt geworden wäre. Sie animierten ihn dards trotz aller Unkenrufe zum Trotz unter schon als Zwölfjährigen dazu, zunächst autodi- Beweis stellt, Vitalität versprüht, auch ruhi- daktisch das Spielen der Klarinette, zwei Jahre ge Momente aufweist und was das Wich- später auch das des Tenorsaxophons zu lernen. tigste ist: großen Spaß beim Zuhören macht! „Der kleine Mann mit dem großen Sound gas- Und weil’s so schön war, gibt es einen Kurz vor seinem Tod 1989 konnten Leipzi- tiert mit nie versiegendem Enthusiasmus seit 40 zweiten Take von „Body and soul“ als Zu- ger Jazzfreunde Arnett Cobb noch live erle- Jahren—sowohl mit eigenen Swing- und Dixie- gabe. Mit dieser sehr empfehlenswerten ben, als er ein bewegendes Konzert im Zelt landformationen als auch als Gast - in zahlrei- CD, die man über die Internetseite des Ma- des Zirkus Busch, wohin die Leipziger Jazz- chen Clubs und Locations, sowie den beliebten nagements beziehen kann, ist eine gelunge- tage nach Sperrung der eigentlichen Spiel- Festivals in Idstein, Erfurt, Quedlinburg, Burg- ne Hommage an einen ganz großen Tenor- stätte in der Kongresshalle am Zoo auswei- hausen, Kandersteg (CH)“, heißt es auf seiner saxophonisten des Jazz, der ohne Enthusias- chen mussten, zelebrierte. Unser Mitarbeiter Webseite über Glessing, der auf seiner neuen ten wie Peter Glessing in Vergessenheit Peter Colev erinnert sich daran, dass er nach CD durch die Art und Weise, wie er spielt, geraten würde, gelungen. Glessing wird mit dem Konzert einen einsamen Arnett Cobb würdig an Arnett Cobb erinnert, indem er mit seinem Trio auch im Juni 2018 während des antraf, der verlassen und abgekämpft am dessen berühmtesten Stück „Smooth Sailing“ Festivals „Quedlinburg swingt“ zu hören Ausgang des Zeltes stand und von ihm gebe- enorm kraftvoll, bodenständig, schnörkellos sein. (DO) ten wurde, ihm eine Flasche Bier zu besor- mit klarem Ton und vor allen Dingen mit spür- gen. Sein Auftritt wird uns unvergessen blei- barer Leidenschaft eine Tour de Force einleitet, http://www.peter-glessing.de ben. die wie bei „Body and soul“ oder einer un- Zwischen 1957 und 1988 nahm er Schall- glaublich energetischen Improvisation platten für diverse Labels wie VeeJay, Pres- über das häufig verhalten und cool tige, Muse, Black & Blue aus Frankreich, gespielte „The girl from Ipanema“ zu BeeHive, Progressive, Soul Note, MCA und Gänsehaut-Feeling führt. Ihm zur Seite Fantasy auf. Einige findet man im Internet stehen der kongeniale Pianist Philipp zu unterschiedlichsten Preisen. Einen unvoll- Wibbing, sowie der Bassist Jann Meyer ständigen diskografischen Überblick auf der mit tollen Soli. Exakt wie ein Metro- Sammlerplattform www.discogs.com. nom begleitet Peter Fahrenholz am Die letzte mit Arnett Cobb aufgenommene Schlagzeug, sehr einfühlsam und vor- Session findet man auf Youtube unter: wärtstreibend, wobei er hin und wieder https://www.youtube.com/watch? wie im Stück “Satin Doll“ vom Sohn v=GmsRo63QYHg Benjamin Glessing an den Congas (Detlef A. Ott) unterstützt wird. „Bags Groove“ swingt

Einige Informationen stammen von der Webseite der enorm, genial die gelungene Retro- „Texas State Historical Society“ : spektive von „Flying Home“, einer Screenshot vom Youtube Video aus dem https://tshaonline.org/handbook/online/articles/fcobs Glanznummer des anderen Texaners PINK PIANO, Oktober 1989 in Osnabrück. Illinois Jacquet in Lionel Hamptons Angeblich die letzte aufegnommene Session Ausführlicher Beitrag im JAZZPODIUM 03/2018

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Norman Granz (1918—2001) prominentester Nichtmusiker im Jazz (Impresario, Produzent, Manager, Unternehmer) von Peter Colev, Leipzig

ie Entstehung des Jazz dem Mauerbau ostdeutsche Jazz- und der ein Vorkämpfer für Gleichbe- kann man nicht auf ein Freunde, um die Veranstaltungen zu rechtigung und gegen Rassismus war? erleben, nur noch nach Prag bzw. bestimmtes Datum zu- Der am 6. August 1918 in Los Ange- rückführen. Vielmehr Warschau reisen. Ein Jazzfreund D aus Leipzig, der Leiter des Jazz- les geborene Norman Granz, Sohn ei- muss man diese Entwicklung und ner jüdischen Einwanderer-Familie deren Erscheinungsformen eher als Klubs Süd, Götz Wagner, fuhr einst nach Prag. Es gelang ihm, in die aus Tiraspol in Moldawien, das da- evolutionär bezeichnen. Im Jahr mals noch zum Russischen Kaiser- Garderobe von Norman Granz ein- 1912 erschien zum ersten Mal das reich gehörte, wurde in den folgenden treten zu dürfen und mit ihm ins Wort „Jazz“ in einer gedruckten Dekaden des zwanzigsten Jahrhun- Gespräch zu kommen. Angesichts Veröffentlichung und im Jahr 1914 derts zur „Lichtgestalt“, ja zu einer der des bedeutenden Konzertes mit Os- komponierte W. C. Handy den St. einflussreichsten Persönlichkeiten der car Peterson und Count Basie an je- Louis-Blues, eines der am meisten Jazz-Entwicklung, zunächst in den nem Abend fragte er Granz, warum gespielten Stücke des Jazz. Drei USA, später weltweit. Jahre später, im Jahr 1917, erschien solche Konzerte nicht auch in der dann die erste Jazz-Schallplatte mit DDR stattfinden könnten. Granz be- Inspiriert durch eine Schallplattenauf- dem „Livery Stable Blues“ der Ori- gründete dies damit, dass zwischen nahme „Body & Soul“ mit dem Saxo- ginal Dixieland Jazz Band. Etwa der DDR und den USA keine diplo- phonisten Coleman Hawkins aus dem von diesem Zeitpunkt an sorgte die matischen Beziehungen bestünden Jahr 1939 , verliebte er sich in diese Jazz-Schallplatte in Amerika, später und somit leider kein Kulturaus- Musik. Sie ließ ihn lebenslang nicht weltweit, für die Popularisierung tausch möglich wäre. Er ließ sich mehr los. Aufgewachsen in Los Ange- dieser neuen Musik, deren Existenz ausführlich über die Leipziger Jazz- les in eher bescheidenen Verhältnissen zu Recht als bedeutendster musikali- Szene unterrichten und bekundete (sein Vater war Schneider) besuchte er scher und kultureller Beitrag Ameri- großes Interesse an den Jazz- zunächst die Roosevelt-Highschool. kas in der Weltmusik-Kultur ange- Aktivitäten in der DDR. Nach ersten Erfahrungen als sehen wird. Wer war dieser außergewöhnliche ‚Boardmarker‘ an der Börse jobbte er Mensch, der sich für den Jazz nicht zeitweilig auch als Mitarbeiter in der Allerdings waren an der Verbreitung Filmbranche. Besonders wichtig war nur aus musikalischer, sondern auch des Jazz neben Schallplatten von der Besuch der Universität of Califor- aus politischer Sicht interessierte Beginn an Menschen beteiligt, die nia in Los Angeles, einer zwischen- von dieser Musik, die durch zeitlich bedeutenden universitä- Toleranz, Menschlichkeit und ren Einrichtung, wo er Philoso- Individualität geprägt ist, be- phie, Ökonomie und Soziologie sessen waren. Zu ihnen zäh- studierte. Er trat kurzzeitig in die len besonders auch Nicht- US-Armee ein und arbeitete hier Musiker wie der Gründer des in der Kulturabteilung. Durch ältesten, heute noch existie- sein Studium an der Universität renden Jazzclubs Village verfestigte sich seine ihm eigene Vanguard in New York Max Begabung und Interesse für all- Gordon, der Radio-Moderator seitig Probleme in Kultur, Poli- von „Voice of America“ Wil- tik, Ökonomie und Soziologie, lis Conover, der Impresario nicht zuletzt auch im Jazz. John Hammond und in ganz besonderer Weise „the one Für ihn hatte das menschliche and only“ Norman Granz, der Miteinander von Latinos, Men- den meisten als Begründer schen jüdischer Herkunft und der Konzerte „Jazz at the besonders von weißen und farbi- Philharmonic“ bekannt sein gen US-Bürgern höchste Priori- dürfte. tät. Sein soziologisches und poli- tisches Interesse im Sinne einer Da aufgrund des Kalten Krie- besseren Welt führten auch zu ges die JAPT-Konzerte im einer kurzen Mitgliedschaft in Deutschland der fünfziger der kommunistischen Partei der Jahre lediglich im westlichen USA, wo er in der Kulturabtei- Teil Berlins stattfanden, lung auch den Sänger Paul Ro- konnten insbesondere nach beson kennenlernte. Einige Jahre

Band 6, Ausgabe 1 S e i t e 9 später wurde er deshalb vom FBI den klassischen Konzerten, wie sie in Während der Konzerte durfte nicht über seine Motivation befragt, sei- Konzertsälen und Philharmonien zur getanzt oder gejohlt werden. nerzeit in dieser Partei tätig gewesen Aufführung kamen, motivierte Nor- zu sein. Inzwischen war Granz je- man Granz dazu, seine spezielle Ver- Die Verträge zu Veranstaltungen doch zu einem erfolgreichen Ge- anstaltung mit Jazz-Musik aufgrund einschließlich der Übernachtungen schäftsmann avanciert. Damit war seines großen Erfolges auch in ande- wurden vor Beginn der Auftrittster- die Angelegenheit abgeschlossen. ren Städten Nordamerikas durchzu- mine geschlossen. führen. Die Veranstaltungen hießen Seine Bekanntschaft mit dem Pianis- Veranstalter, die sich nicht an die nun offiziell Jazz At The Philharmo- Vereinbarungen der Verträge hielten, ten und späteren Sänger Nat King nic (JATP). Die Prämissen waren: Cole, dessen Bruder Lee Cole, dem wurden mit Konditionalstrafe belegt Saxophonisten , dem Keine Trennung des Publikums nach bzw. die Veranstaltung fand nicht Bassisten Red Callender, der Sänge- schwarzen und weißen Zuhörern. statt. rin Billie Holiday u. a. führte Granz war hier gnadenlos, ja sogar schließlich dazu, Überlegungen an- Die Konzerte mussten vorher ange- kündigt werden. gefürchtet. Er wollte unbedingt eine zustellen, wie man den Jazz veredeln Separierung schwarzer und weißer könnte und dabei gleichzeitig auch Die Musiker mussten eine auskömm- Besucher unterbinden. schwarze und weiße Musiker ge- liche Gage erhalten. meinsam auf der Bühne auftreten zu und andere Musiker lassen, berichteten, dass Granz gute Gagen gleichberech- zahlte, sehr ge- tigt ohne jed- nerös war. Die wede rassisti- Musiker selbst sche Diskri- wohnten, wenn minierung. möglich, in gu- Die Idee ten und besten schloss ein, Hotels, fuhren dem Jazz ein in Bussen und Podium au- Bahnen sowie ßerhalb von im Flugzeug Tingeltangel, stets erster verräucherten Klasse. Dancing- Granz sorgte Clubs zu bie- zudem dafür, ten, ohne dass seine Kon- Tanz und zerte, wenn Klamauk. technisch Granz orien- möglich, von tierte sich da- Anfang an bei an den auf Tonband Normen der mitgeschnitten Auditorien wurden. Ein- bei Veran- zelne Aufnah- staltungen men erschienen klassisch – zunächst auf den von ihm gegründe- konzertanter Philharmonie. Im Vor- ten Labels Clef und NorGran zum dergrund stand dabei das kultivierte Teil noch als 78er Schallplatten, spä- Zuhören. ter ab ca. 1948 auf 12“ LP mit einer Ein am 2. Juli 1944 durchgeführtes Umdrehung von 33rpm. Hier war die Jazz-Konzert in Los Angeles zur Un- Erfindung der Langspiel-Vinyl- terstützung von verurteilten spani- Platte durch Peter Goldmark, später schen Einwanderern mit einer auch ein Freund von Granz, für die Equipe von befreundeten überwie- weitere Popularisierung des Jazz un- gend schwarzen Musikern bei unge- verzichtbar geworden. Warum? teilter Sitzordnung im Saal war somit Durch die LP konnten die längeren die Geburtsstunde von Jazz At The Parts der Titel, sowie die Improvisa- Philharmonic sowohl in den USA als tionen, die Solo- und Satzarbeit wäh- auch später weltweit. Das vorge- rend der Aufnahme von ca. 3 auf 20 nannte Konzert war unerwartet ein Minuten Länge ausgedehnt und sehr großer Erfolg. konserviert werden. Die LP hat so- mit die künstlerische Dimension des Die Idee, solche Hörkonzerte ähnlich

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Jazz erweitert. Umgekehrt war es bands. Das Repertoire und die Pro- Granz sehr geschätzt. Übrigens un- nun möglich geworden, durch das gramme waren weitestgehend swing- terstützte Granz später auch die von beliebige Abhören von Schallplatten orientiert, beinhalteten aber auch ak- Gillespie angestrebte Präsidentschaft Begehrlichkeiten und Interessen zu tuelle Welthits sowie Standards aus zum Präsidenten der Vereinigten wecken, um neue Veranstaltungen dem amerikanischen Songbook. Staaten von Amerika (1964). bzw. Konzerte zu besuchen. Ein Kreislauf von hoher Kontinuität. Li- Der in den fünfziger Jahren zwi- Insgesamt hatten sich die von Granz ve-Konzerte und Schallplattenpro- schenzeitlich entstandene Be-Bop produzierten JATP-Konzerte auf die duktionen bedingten und aktivierten war ebenfalls präsent. Sein Hauptak- Hauptströmungen im Jazz, den soge- sich einander und es war seinerzeit teur, Dizzy Gillespie, wurde von nannten Mainstream, konzentriert noch nicht abzusehen, dass die Ver- und spezialisiert. Die Konzerttätig- kaufserfolge zusätzlich auch mit ei- keit und ihre umfangreichen Vorbe- ner guten Rendite verbunden waren. reitungen waren eine Sisyphusarbeit. Sowohl die Organisation als auch Zwischen 1950 und 1957 veranstal- Verträge, Transport, Übernachtun- tete Norman Granz jährlich ca. 150 gen, Technik usw. waren eine enor- Konzerte, zunächst in den USA, spä- me Herausforderung für Norman ter dann auch in Europa und auf an- Granz. Durch seine zupackende un- deren Kontinenten. Das sind in die- ermüdliche konsequente, manchmal sen Jahren über 1000 Veranstaltun- auch spontane und brüske Arbeits- gen. Von ihm wurden die besten US- weise bewältigte er dennoch diese Musiker ausgewählt und entspre- für ihn und seine Musiker notwendi- chende Formationen zusammenge- Das Label der im Intershop verkauften Pablo-LP gen Aktivitäten. stellt. Die Skala reichte hier von „Ella in London“ mit dem AWA-Zeichen. Kleinbesetzungen bis hin zu Big- Das Logo wurde von Pablo Picasso für seinen Fortsetzung folgt im Juni 2018 >> Freund Norman Granz entworfen.

Die verschiedenen Plattenlabel von Norman Granz

CLEF und NORGRAN — der Name des letzteren weist schon auf den Gründer hin. Norman Granz gründete seine erste Plat- tenfirma 1951. Sie zählt zu den ersten unabhängigen Labels, auf dem Granz von ihm betreute Musiker aufnahm und veröffent- lichte. Die Aufnahmen wurden von MERCURY vertrieben. VERVE wurde 1957 gegründet, nachdem Ella Fitzgerald von ihrer langjährigen Plattenfirma DECCA aus ihrem Ver- trag entlassen wurde. Granz übernahm zusätzlich alle Aufnahmen, die bis dato auf seinem Label NORGRAN und CLEF erschie- nen waren. Zu den Top Künstlern des Labels zählten , Dizzy Gillespie, , Oscar Peterson und Count Basie. Innerhalb von 4 Jahren wurde es das führende Label in den USA. 1961 verkaufte Granz das Label an MGM (Metro- Goldwyn-Mayer) für 2,5 Mio USD (andere Quellen nennen die Summe von 3 Mio USD) MGM nahm weitere Künstler wie Stan Getz und Jimmy Smith unter Vertrag bevor das Label sich auf die Folk- und Rock-Szene zu verlagern begann. Als MGM 1968 in Schwierigkeiten geriet, wurde der gesamte Bestand (350 Alben) an die holländische PolyGram veräußert. PABLO RECORDS wurde von Norman Granz 1973 gegründet. Er nahm viele betagte Musiker aus VERVE -Zeiten unter Vertrag, die zum Teil vom Verve Nachfolger PolyGram keinen Vertrag mehr erhielten. Zu den wichtigsten Künstlern zählten Ella Fitzgerald, Oscar Peterson, Ray Brown, Duke Ellington, Roy Eldridge, Dizzy Gillespie, Coleman Hawkins, Milt Jackson, Joe Pass, Zoot Sims. PABLO war zwar kommerziell nicht so erfolgreich wie die anderen Labels von Granz, hat aber durch die Dokumentation älterer Jazzmusiker einen beachtlichen Stellenwert. Besonders die Aufnahmen mit dem Pianisten Art Tatum sind von besonderer musikgeschichtlicher Bedeutung. Der Name ist eine Hommage an Pablo Picasso, mit dem Granz sehr befreundet war. Das Logo des Labels wurde von Picasso gezeichnet. Sogenannte Sublabel waren PABLO TODAY und PABLO LIVE. Auf ihnen erschienen Mitschnitte vom Montreux Jazz Festival. Der gesamte Pablo Katalog wurde 1987 an Fantasy Records verkauft.

Quellen: Wonneberg, Frank | Das Vinyl-Lexikon | Lexikon Imprint Verlag | Berlin 2000 | ISBN 3-89602-226-1 Southall, Brian | The A-Z Of record Labels| Sanctuary| ISBN 1-86074-492-3| 2. Auflage 2003

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Dixieland in Ostberlin – die späten 50er und die 60er Jahre

Persönliche Erinnerungen von Rolf Wachowius, Berlin Teil 1

Berolina Jazzband

m Herbst 1959 kündigte der Ju- stieß gegen die Tradition und kam Klemp (cl), Alfredo Cocozza (b,) Kal- gendclub in der Hosemannstraße gar nicht in Frage, wurde andererseits le Bläser (bj), Walter Bartel (p), und im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer auch als Anbiederung an den DDR- ein Schlagzeuger, dessen Name mir I Berg eine Veranstaltung mit den Kulturbetrieb gewertet. - Aber nach entfallen ist. Und sie spielten die Titel “Jazzsymphonikern“ an. Das Plakat, den ersten Tönen war dieser Einwand im Twobeat der 20er Jahre, die ich handgemalt mit farbiger Tusche, hing in schon vergessen. von der Schellackplatten-Sammlung unserer Schule. Ich war damals 14 Jahre Und da standen (und saßen) auf der meines Vaters her kannte, von King alt und durfte, mit Erlaubnis meiner kleinen Bühne, eigentlich mehr ei- Oliver, Louis Armstrongs Hot Five/ Eltern, erstmals alleine zu einem Jazz- nem Podest, direkt vor mir: Meinhard Hot Seven, Bix Beiderbecke u.a. konzert. Lüning (tp), Norbert Kliche (tb), Deutlich erinnere ich mich noch an Ich setzte mich nach vorne in den knapp Wolfram Titel wie “Blue Turning Gray Over zur Hälfte gefüllten Raum, als die Klub- You“, das selten gespielte hausleiterin kam und sich ent- “Copenhagen“ und “Alabama Jubi- schuldigte: Ihr sei ein Fehler lee“. Für mich war es ein unbe- bei der Übermittlung passiert, schreibliches Gefühl, dort zu sitzen, die Jazzkapelle, die nun gleich vielleicht zwei Meter weg von den spielen würde, seien nicht die Musikern, also mittendrin, und die- “Jazzsymphoniker“, sondern es ser wunderbaren Musik zuzuhören, sei vielmehr die bis vor kurzem ganz beseelt von den Klängen. noch unter dem Namen “Blue Ein paar Monate später, im Früh- Music Brothers“ bekannte Grup- jahr 1960, nahm ich dann zwei pe, die sich gerade in meiner Klassenkameraden, mit “Jazzoptimisten“ umbenannt habe. denen ich gerade dabei war, eine Dies sei heute das e r s t e Konzert Skifflegruppe an unserer Schule unter d i e s e m Namen. zu gründen, zu einem weiteren Mir fiel dazu nur ein: “Ach!!! - Und Konzert der “Jazzoptimisten“ kein englischer Name???“ Denn mit in diesen Jugendklub. Die Jazzbands mussten (!) damals, unse- Band hatte inzwischen drei rer festen Überzeugung nach, engli- neue Musiker: an der Klarinet- sche Namen tragen. Alles andere ver- te Konrad Körner, am Bass Hans

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Schätzke und am Schlagzeug, glau- len Wortbeiträge von Manfred 121 und 347, und alle Musiker wühlten be ich, Hans Lemke. Krug, Eberhard Esche und Gerd E. in ihren Unterlagen und spielten die Im Herbst 1960, so erinnere ich Schäfer... etwas schwerfälligen Bigbandsätze vom mich, wurde dann das Programm Im Schatten der “Jazzoptimisten“ Blatt - wie aus der Zeit gefallen - Die “Negerlyrik – Negermusik“ im The- gründeten sich in Ostberlin dann wei- ganze “Section“, Holz oder Blech, ater im 3. Stock der Volksbühne tere Jazzbands mit längerer oder kür- stand, bierernst, abwechselnd auf. – It’s aufgeführt – eine unübertroffene zerer Lebensdauer, auch mit Fusio- showtime! - … Na ja, der Swingaufguss Veranstaltung mit hochkarätigen nen oder “Übernahmen“. Bei den der 30er und 40er Jahre - für uns damals Schauspielern, die Texte lasen: Ar- Auftritten kamen schon mal Musiker ziemlich angestaubt. - Nee, so’ne Musik min Müller-Stahl, Susanne Wisten, konkurrierender Bands und versuch- wollten wir nicht, und die schnulzigen Harry Hindemith, Gerry Wolff als ten, den einen oder anderen abzuwer- Schlager aus dem Radio erst recht nicht! Sänger und der Musik von den ben. Wir wollten die schöne alte Hot-Jazz- “Jazzoptimisten“. Die Studiovarian- Als wichtige Band direkt nach den Musik hören (und irgendwann auch te dieser Vorstellung kam dann spä- “Jazzoptimisten“ etablierte sich, mei- selbst machen), die inzwischen im Re- ter beim Plattenlabel ETERNA her- ner Erinnerung nach, die “Berolina vival der 40er und 50er Jahre auflebte. aus und war natürlich lange nicht so Jazzband“ mit dem ehemaligen Und die gabs selten oder gar nicht auf lebendig wie die Theaterfassung. Thomaner Rolf Zenker am Piano den Ostberliner Tanzböden und Büh- Bei den “Jazzoptimisten“ gab es sowie Ernstgeorg Hering (tp), Micha- nen. abermalige Personalwechsel: u.a. el Heß (cl), Norbert Kliche (tb) Und diese Hot-Jazzplatten gab es auch Hartmut Behrsing (tb) an Stelle von (vordem bei den “Jazzoptimisten“), nicht im Ostberliner Handel. Mit einer Norbert Kliche. Von da ab spielten Bernd “Pollux“ Pollack (b), Günther kleinen Ausnahme: Gelegentlich erstan- die “Jazzoptimisten“ ohne Banjo, Krabiel (dm), als Vertreter eines mo- den wir Schellackplatten vom Australier sehr zu meinem Leidwesen, Graeme Bell und seiner Band, denn dieses Instrument hatte dessen Aufnahmen während der es mir besonders angetan, Weltfestspiele 1947 in Prag ent- bis auf den heutigen Tag. standen und beim tschechischen 1962 kam der DEFA- Label SUPRAPHON herausge- Spielfilm “Auf der Sonnen- kommen waren. Sie konnten im seite“ mit den tschechischen Pavillon, Nähe “Jazzoptimisten“ heraus, in Bahnhof Friedrichstraße, für ca. dem sich Manfred Krug mit 4,50 Mark käuflich erworben seiner autobiografischen werden. Filmstory in die Herzen der Die Schellacks der Hot Five, Bix Filmzuschauer-Gemeinde Beiderbeckes, der New Orleans spielte und sang. Die Rhythm Kings u.a., aber auch “Jazzoptimisten“ waren, schon EPs, konnten allerdings meiner Erinnerung nach, nur nur auf Plattenmärkten in West- ganz kurz im Film zu sehen, berlin, z.B. am Gesundbrunnen aber es konnte schon als im Wedding, gekauft oder einge- kleiner Durchbruch angese- tauscht werden. Man musste sie hen werden, der auf eine nur heil in den Osten schmug- gewisse Akzeptanz des Jazz geln, aber das war mit der S- seitens der Kulturpolitik Bahn relativ ungefährlich. Jazz- hindeutete. vorträge in Ostberlin, selten, Für die erfolgreiche Reihe “Jazz & derneren, mehr swingorientierten aber es gab sie und es sprach sich Lyrik“ (später auch “Jazz, Lyrik & Jazz, also ohne Twobeat und ohne schnell herum, wer, wann und wo: z.B. Prosa“), die von Josh Sellhorn und Banjo. Stephan Schnitzler in einem kleinen dem Verlag Volk und Welt gemein- Gleichfalls um diese Zeit herum wur- Klub in der Lewaldstraße im Prenzlauer sam mit den “Jazzoptimisten“ ins de das ebenfalls swingorientierte Berg mit amerikanischen LPs, Karl- Leben gerufen worden war, diente “Weißensee-Sextett“ gegründet, mit heinz Drechsel in einem Raum im Ober- das Format “Negerlyrik – Negermu- dem damals bereits u.a. die Jazzvoka- geschoss der Berliner Sporthalle in der sik“ als Anstoß. listin Ruth Homann auftrat, mit Stalinallee mit, soweit ich mich erinne- Der Mitschnitt einer legendären Heinz Lippold (tb), Wolfgang re, Aufnahmen aus dem Schallarchiv Aufführung dieser Veranstaltungs- “Bongo“ Müller (tp) und anderen. des Rundfunks und Werner Sellhorn im reihe (“Jazz & Lyrik“) in der Ost- In Ostberlin gab es zu dieser Zeit Prater mit Aufnahmen aus seiner um- berliner Kongresshalle im Oktober eine Reihe von Tanzkapellen, Or- fangreichen Privatsammlung. 1965 dann, in den Jahren zur Kult- chestern, mehr Bigbands mit swing- Jazz hören ging auch gut über die West- Langspielplatte geworden, brachte artiger Musik: Musiker mit einheitli- berliner Radiostationen. Die sendeten die “Jazzoptimisten“ (wieder etwas chen Glitzer-Jackets, dunkler Hose, auf Mittelwelle. RIAS, AFN, BBC wa- umbesetzt) und Manfred Krug als Schlips oder Fliege, weißem Hemd ren mit ihren wöchentlichen Jazzsen- Jazzsänger zu Gehör und ist wohl und Notenpult. In den Spielpausen dungen: Club 18 (Rias), Jazz mit Joe allen alten Jazzern noch gut in Erin- wurden die nächsten Titel-Nummern (BBC), Frolic at five (AFN) (sogar wo- nerung, auch wegen der humorvol- fürs Orchester aufgerufen, z.B. 37, chentäglich) “on air“. Da hörten wir

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ten in der evangelischen Kirche in Wetterlage, auch Erkner und in der Elias-Kirche im mal in Ostberlin Prenzlauer Berg. Und wir spielten im “Alt-Bayern“ dazu jazzige Spirituals, teils mit deut- und im “Haus Ber- schen Texten. lin“ am Strausber- Nach mehreren Umbesetzungen ger Platz, wo z.B. (durch Einberufung zum Wehrdienst, die “Salty Antritt von Berufsausbildung und Stu- Dogs“ (West) ge- dium) spielten wir ab etwa 1963 in meinsam mit Wer- neuer Besetzung mit Wolfgang ner “Josh“ Sell- Schmahl (cl), Wilfried Gensel (dm), horn als Ansager und nannten uns “Salty Dogs“, wie die auftraten. Westberliner Band, in der die Im Herbst 1961, “Jazzverwandtschaft“ meines Vaters Churchhouse Jazzmen die Mauer stand spielte. In dieser Besetzung bestritten schon einige Wo- wir Konzertreihen im Prenzlauer Berg chen und öffentli- und in Weißensee. Beim Deutschland- natürlich auch alles rauf und runter chen Jazz auf Bühnen gab es in Ost- treffen 1964 war dann musikalisch von Jelly Roll Morton, Fletcher berlin nicht mehr, außer, wie ich mich fast alles möglich. Jazz und die inzwi- Henderson, Louis Armstrong etc. aus erinnere, mal das relativ unbekannte schen durchgeschlagene Beatmusik den 20ern…bis hin zum englischen “Alfons Wonneberg Oktett“. Da grün- (wie damals die Rockmusik noch Revival der 50er von Ken Colyer und dete ich mit einigen Enthusiasten eine hieß) gab es allerorten. Wobei der Chris Barber. Gelegentlich gab es da- Dixieland-Band in der katholischen Jazz inzwischen auch bei den mals sogar im Ostberliner Rundfunk Kirche “Heilige Familie“, bei mir ne- “Hardlinern“ unter den Kulturfunktio- Jazzmusik, aber nur im politischen benan. Es waren: Bodo Katzer (tp), nären das “kleinere Übel“ neben der Kontext. Wenn z.B. über Rassenunru- Jürgen Klinkmann (tb), Peter “Goofy“ Beatmusik war. Nach dem Deutsch- hen in den USA berichtet wurde, dann Hofmann (cl, viol), Bernhard “Omme“ landtreffen wurden dann die kulturpo- liefen dort auch schon einige gute fea- Behrend (b), Laurenz Demps (wb) und litischen Zügel wieder angezogen, was tureartige Funkproduktionen. Aber Rolf Wachowius (bj). Wir nannten uns besonders die Beatmusiker zu spüren das war selten und blieb die bekamen. Ausnahme. Im März 1965 kam ziemlich Unser ungehinderter Zugang Louis Armstrong in Ostberlin überraschend für uns Louis Arm- einerseits zu den Livekonzer- strong, der “King of Jazz“, nach ten in Westberlin vor August Ostberlin in den (alten) Fried- 1961, im Sportpalast und in Es war für uns ein überwältigendes Er- richstadt-Palast und anschließend der Deutschlandhalle (mit lebnis, und so richtig geglaubt hatten auch auf DDR-Tournee. Es war Louis Armstrong, Dutch für uns ein überwältigendes Er- Swing College Band, Ma- wir es erst, als er dann mit seinen All- lebnis, und so richtig geglaubt halia Jackson etc.), wo für stars auf der Bühne stand, spielte und hatten wir es erst, als er dann mit “Ostler“ erschwinglich Kar- seinen Allstars auf der Bühne ten für Ostmark angeboten sang. Herrlich!!! - dieser einzigartige stand, spielte und sang. Herr- wurden (der übliche Wech- Trompetensound und diese wunderbare lich!!! - dieser einzigartige Trom- selkurs war 1:4 oder 1:5 und urwüchsige Stimme, <…>! petensound und diese wunderbare mehr) und andererseits natür- urwüchsige Stimme, wie ich sie lich die Westberliner seit Jahren zuhause von den Plat- Jazzszene, konnte den Bedarf ten meines Vaters gehört hatte, und an Jazz für die West- und Ostberliner “Churchhouse Jazzmen“ und spielten jetzt live! Auch wenn einige der alten gleichermaßen befriedigen. So war bei Feiern der katholischen Kirche mit Jazzer in unserem Freundeskreis auch die Situation anders als in ande- Unterstützung des Kaplans Joachim Satchmo, den für mich damals größten ren Großstädten der DDR, wo eine Pfitzner. Auch der damalige Kardinal Jazzmusiker, als zu wenig innovativ solche Szene nicht existierte und häu- Alfred Bengsch lobte uns und klopfte und wegen seiner Bühnenshow kriti- fig kulturpolitisch alles unternommen uns nach einem Konzert wohlwollend sierten, für uns egal, wir waren be- wurde, dass es so blieb - im Dornrös- auf die Schulter. Bei der evangelischen geistert. >>>> (Teil 2 im Juni/2018) chenschlaf. Kirche spielten wir bei Damals in den Hoch-Zeiten des Dixie- Rüsten und Jazzgottes- land und des Skiffle, Ende der 50er, diensten. Jürgen Klink- Salty Dogs gab es in Westberlin etwa 80 (!) Ama- mann und ich waren teur-Dixielandbands (wie John Hen- evangelisch, die übrigen drik vom Rias einmal bemerkte), von katholisch - ein Stück denen die besten in den Etablisse- gelebter Ökumene, viel- ments wie der “Badewanne“, im leicht (?), damals. Ich “Riverboat“, im “Landhaus Dahlem“ erinnere mich noch an und in der “Eierschale“ zu hören wa- Pfarrer Johannes Kutsch- ren, aber zeitweise, je nach politischer bachs mitreißende Predig-

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„Irgendwann landet man bei Louis Armstrong in New Orleans und ist dann da.“ Die DIZZY BIRDS aus Berlin - kein Geheimtipp mehr

vorgestellt von Bodo Buchholz

with a golden chain golden with a

Foto: CD Cover von Cover CD Foto:

September 2014 September

„ I lay her downher lay I

Dizzy Birds (v.l.n.r.): nicht im Bild ist Mike Ellison (bj), Laurent Humeau (cl), Carlos St. Ana (tb),

Francois Peridriau (cnt), Jonas Müller (cnt), Paul Voit (g) und Flocko Motion (b).

hre Leidenschaft ist die Jazzmusik doof, da wir auch keine Fans vom tradi- einer russischen Musikerfamilie. im traditionellen New Orleans Stil, tionellen Dixieland sind. Da aber nun Carlos St. Ana (tb, p, voc, g, kaz), ein also nicht Dixieland, laut Aussage schon 500 CDs mit diesem Namen im musikalisches Multitalent aus Spanien, I des Bandleaders. Die Band orien- Umlauf waren, haben wir ihn nur leicht und François Perdriau (dr, perc, cymbal, tiert sich an den Wurzeln des traditionel- abgeändert. Eine Anlehnung an den aus Frankreich, der in Mali von einem len Jazz. Die sechs Musiker aus Europa Bebop war nicht beabsichtigt.“ Meistertrommler ausgebildet wurde, sind und Afrika arrangieren und interpretie- Für mich ist der Name Programm, da seit dem Gründungsjahr 2013 dabei. ren die Songs von Jelly Roll Morton, die Musiker das Publikum mitnehmen François Perdriau ist momentan nicht in King Oliver, Louis Armstrongs Hot Se- und im wahrsten Sinne des Wortes der Band. Ihn vertritt Ugo Alunni (perc) ven und weiteren Musikern des Jazz und schwindelig spielen können. Konzerte aus Italien. Swing. Alles sind Standards der Jazzge- in Berlin, Dresden, Quedlinburg oder Flocko – Bewegung — Motion (b, sous, schichte vor 1920, so gehört z.B. der St. Wolfsburg, die ich erlebte, bewiesen voc) aus Deutschland ist Autodidakt am Louis Blues zu ihrem Repertoire. Dabei das. Das ältere traditionelle Dixie- Kontrabass und der Tuba. In seiner Vita hat die Band den Anspruch, diesen Titel Publikum mag anfänglich skeptisch ist zu lesen, dass er in den Straßen von so wie das Original von 1914 zu spielen sein, wenn „junge Kerle“ die Songs Istanbul und Moskau überlebte. Er lebt und zu covern, also Songs, die nicht so ihrer Jugend intonieren und Liedmateri- jetzt in Berlin und spielt auf den Bühnen geläufig sind. Die Dizzy Birds geben al der alten Musiker neu arrangiert prä- Europas sowie auf den Straßen in New diesen Stücken einen unverwechselba- sentieren. Orleans während des French Quarter ren, mitreißenden, rauen, durch Bläser, Aber schon bald weicht Skepsis der Festivals im April 2017 und Jahre zuvor. Chorusse und Soli geprägten Stil. Ein- Begeisterung. Nach den ersten Titeln Ihr Bandleader, Paul Voit, aus Deutsch- fach: Performed by the Dizzy Birds, ertönen „Yeah Rufe“ und langanhalten- land, fing als Jugendlicher mit Gitarre in groovend, stampfend, swingend und der Applaus. einer Punkband an. Damals war sein jazzend zu sein, als Zeichen großer Mu- Die Dizzy Birds sind in der Club- und Vorbild Marilyn Manson. Er hinterfrag- sikalität. Jedes Konzert, das Freunde Swing-Szene Berlins, Deutschlands und te, welche Einflüsse und Vorbilder der oder ich erlebten, scheint besser als das Europas sowie in New Orleans eine der Punk hatte. So wurde er auf Jimmy Hen- vorige, da die Musiker hohe Ansprüche heißesten Bands. Eine Textpassage auf drix aufmerksam, dann auf die Blues an sich und ihre Kunst stellen und immer ihrer eigenen Homepage drückt es so Heros und weiter zurück auf Django ihr Bestes geben! Auf Anfrage zum aus: “… one oft he hottest jazz bands in Reinhardt und kam zu Louis Armstrong. Bandnamen erklärte mir der Bandleader, the scene….“. (https://dizzybirds.com/) Zitat Paul Voit: „Dann landet man bei Paul Voit: „Anfänglich brauchten wir Der musikalische Hintergrund der Mu- Louis Armstrong in New Orleans und einen Namen, den wir auf die selbstge- siker, von klassischer Ausbildung, Stra- irgendwann ist man dann da!“ brannten CDs schreiben konnten, weil ßenmusik bis zum Punk, ist genauso Sie waren schon oft in New Orleans, um wir jedes Wochenende 100 davon auf bunt, wie ihre Heimatländer. sich musikalisch fortzubilden, von den der Straße verkauft haben. Weil uns Laurent Humeau (cl, ss) kommt von der Alten zu lernen und mit den Besten der nichts einfiel, hat jemand Dixie Birds Elfenbeinküste. Seit Jahren ist sein Le- jungen Jazzszene zusammen zu spielen, draufgeschrieben. Nach mehreren Wo- bensmittelpunkt Paris und Berlin. ob als Begleitband von Meschiya Lake, chen fanden wir diesen Namen viel zu Eldar Tsalikov (cl, as, voc) stammt aus mit Russel Welch oder mit Tuba Skinny

JUST FOR SWING GAZETTE

ZUM TOD VON COCO SCHUMANN

Coco Schumann 1924 - 2018

„Wer den Swing in sich hat, kann nicht mehr im Gleichschritt marschieren“ Lebensspuren einer Jazzlegende – der Gitarrist Coco Schumann

Thomas Schinköth und Detlef A. Ott

ls Zwölfjähriger war er oft sprach sich herum. Zu den Sternstun- runter international bekannte Künstler Zaungast der legendären Ber- den jener Jahre gehörte die Begegnung und Intellektuelle, wurden vor allem als liner Unterhaltungspaläste. mit Hans Korseck. Der Gitarrist, der in „Statisten“ gebraucht. Sie sollten die Öf- A Fasziniert beobachtete er von Amerika u.a. mit Benny Goodman ge- fentlichkeit, namentlich ausländische draußen die Gäste, die über die Tanzflä- spielt hatte, wurde sein Lehrer. Beobachter, täuschen. Die Musik half che hotteten. Einmal durfte er in Beglei- Zugleich waren die Jahre in den Unter- Schumann, die Vorhölle des Todes mit tung eines älteren Freundes sogar mitten haltungs-Etablissements und Szene- überfüllten Massenunterkünften, Hun- ins Geschehen. Das war 1936. Der Na- Klubs eine Schule „des Versteckens ger, Seuchen und der täglichen Angst me des Jungen: Heinz Jakob Schumann. und Sich-Behauptens“ (Kalle Laar). Es vor unberechenbaren Transporten zu Eine französische Freundin nannte ihn wurde immer gefährlicher, Jazz und überleben. Er wurde Schlagzeuger in den später Coco, weil sie „Heinz“ nicht Swing zu spielen. Doch auch in den 1943 gegründeten Ghetto-Swingers, die recht aussprechen konnte. Coco wurde Kriegsjahren wollten die Musiker nicht zunächst von Bedrich („Fricek“) Weiss dann auch sein Künstlername. auf verpönte ausländische Titel ver- und später von Martin Roman, dem ehe- Durch die Swingjugend lernte er in den zichten. Deshalb mussten an den Ein- maligen Pianisten der berühmten Wein- 30er Jahren das Neueste von Duke gängen verlässliche Jazzbegeisterte traub Syncopators geleitet wurden. „Das Ellington, Ella Fitzgerald, Nat Gonella, Schmiere stehen und beim Nahen von Lagerleben verschwand unter einem gro- Horst Winter, Kurt Hohenberger und Uniformierten laut pfeifen. Die Musi- ßen, nach Rosen duftenden Leichenman- den Goldenen Sieben kennen. Während ker waren darauf eingestellt und wech- tel“, beschrieb Schumann später die sich die meisten Jugendlichen damals selten innerhalb eines Taktes vom Tiger Gratwanderung. „Wir spielten für und durch Kino die neuesten Schlager um unser Leben […], für ein aneigneten, erlebte Coco den Jazz absurdes soziales Leben und durch transportable Grammopho- „Ich bin Musiker. Ein Musiker, der im ein skurril selbstverwaltetes ne, auf denen Jugendliche an sei- KZ gesessen hat, kein KZler, der auch Überleben in der Warteschlei- ner geliebten Eisbar in Berlin die fe vor den Öfen des Dritten neuesten Scheiben aus den USA ein bisschen Musik macht. Die Lager Reiches.“ Den Gipfelpunkt der abspielten. „Ella Fitzgeralds „A und die Angst veränderten mein Leben Inszenierung im Lager bildete Tisket, A Tasket“ war sein grundsätzlich, aber die Musik hat es ge- ein Propagandafilm, der 1944 „Einstieg“ in den Jazz. Nicht zu gedreht wurde. Nach Ab- vergessen ist Teddy Stauffer, der führt, und sie hat es gut gemacht.“ schluss der Dreharbeiten kam 1936 mit seinen Original Teddies es zu massiven Transporten – nach Berlin kam und im Delphi Palast Rag zu Rosamunde. Auch tarnten sie AUSCHWITZ. auftrat. Die Musik ließ Schumann nicht etliche Stücke durch deutsche Titel. So mehr los. Sie sollte ihn künftig über alle wurde der St. Louis Blues zum Lied Wieder wurde die Musik zur Hoffnung, Klippen des Lebens hinweghelfen. An vom blauen Ludwig, der Tiger Rag von Stunde zu Stunde überleben zu kön- seiner Schule wurde ihm dagegen sehr zum Schwarzen Panther und Glenn nen: in einer neugegründeten Kapelle. bald klar gemacht, dass er eine jüdische Millers In the Mood zu In guter Stim- „Die Bilder, die ich in jenen Tagen sah, Mutter hatte und nun nach NS- mung. Jahrelang konnte Schumann ver- waren nicht auszuhalten, und doch hiel- Kategorien als „Halbarier“ galt. Auch bergen, keine Mitgliedskarte der ten wir sie aus“, äußerte Schumann spä- ließen ihn einige Mitschüler spüren, die Reichsmusikkammer zu besitzen. Trotz ter. „Wir spielten Musik dazu, ums nack- sich bislang seine Freunde nannten, fehlender Berufserlaubnis nahm er so- te Überleben.“ Musik machen musste die welche Kluft nunmehr zwischen ihnen gar an Schallplatten- und Rundfunkpro- Kapelle, wann immer es die SS befahl. bestand. Dennoch lag Politik außerhalb duktionen teil, darunter mit dem Geiger Dabei hatte sie auch das Lieblingslied seines Blickwinkels. Selbst nach der Helmut Zacharias, mit dem er bis zu der Lagerleitung zu spielen – La Paloma. Pogromnacht 1938 und den zahllosen dessen Tode im Jahre 2002 eng be- Sehnsucht nach der ‚großen Freiheit‘“. Verordnungen gegen Juden konnte er freundet war. Zynische Kulisse für Häftlinge, die ihren nicht glauben, was geschah. Er über- 1943 wurde Schumann denunziert und letzten Weg gehen mussten. In die Gas- spielte den Alltag mit Gitarre und ins „Ghetto“ Theresienstadt deportiert, kammern.Diese Momente waren Coco Schlagzeug. das die Nazis als „Vorzugslager“ pro- Schumann bis ins hohe Alter präsent: Ab Frühjahr 1940 nahm er jede Gele- pagierten. Dahinter verbarg sich ein ge- „Die Kinder, die an uns vorübergingen, genheit wahr, in Kapellen fährliches Trugbild. Die Häftlinge, da- schauten mir direkt in die Augen, ich „einzusteigen“, die in den Berliner schaute nicht weg. Sie wußten genau, Klubs, Bars und Kellern das Publi- wohin sie gingen. Diese Bilder sind kum unterhielten. Als einen Höhe- auf meiner Netzhaut eingebrannt. Ich punkt bezeichnete er die Möglich- kann noch so oft blinzeln. Manchmal keit, mit der Big Band des Nieder- hilft mir, daß die Tränen kommen, länders Ernst van’t Hoff, der sein aber kaum öffne ich die Augen, ist das Freund werden sollte, spielen zu dür- Bild wieder da. Mit ihnen ist in mir fen. endgültig etwas zerbrochen, das nicht Durch seine gute Kondition und gro- zu reparieren ist.“ Im Januar 1945 kam ße Begabung erlernte er schnell das der Gitarrist nebst anderen Mithäftlin- Repertoire und lauschte sich bei er- gen noch nach Kaufering, einem Ne- fahrenen Mitspielern viele Kniffe ab. benlager von Dachau. Auf dem Todes- Namentlich sein Swing-Feeling marsch wurden sie befreit. Für Schu- Die Ghetto-Swingers in Theresienstadt

ter nach Australien. Dort spielte er in Leo Rosners Gypsy Band, nahm am Downbeat in Melbourne teil, kompo- nierte und arrangierte. Mit seinem eige- nen Quintett produzierte er die erste Langspielplatte unter eigenem Namen auf dem Melbourner Label „Spotlight Varieties“ in moderner Microgroove- Technik, was für australische Verhält- nisse eine Sensation war. Die Sehn- sucht nach seinen Eltern und seinem Bruder veranlasste ihn allerdings, mit seiner Familie nach 4 Jahren in Austra- lien nach Deutschland zurückzukehren. Schumann spielte wieder in Tanzsälen und Bars, wurde für zahllose Galas en- gagiert, nahm Schallplatten auf und war im Rundfunk zu hören. Schließlich reiste er als Musiker auf Kreuzschiffen mit. Dass er bei seinen Konzerten den besten in folgendem jüdischen Witz aus: Auschwitz 1989 Geschmack des Publikums berücksich- Zwei Väter sprechen über ihre Söhne. tigte, sah er nicht als Manko an. Jedoch Der eine erzählt voller Stolz: „Mein mann wurde es „eine Befreiung mit gab es Grenzen. Als er 1985 zum vier- Sohn spielt Fagott.“ Da antwortet der Hindernissen“. Flecktyphus. Er überleb- ten Mal hintereinander den „Ententanz“ andere etwas verwundert. „Wieso spielt te und bestieg zum letzten Mal in sei- vorführen sollte, entschied er, nur noch er fa Gott un nett fa de Leit.“ nem Leben einen Güterzug. Zurück Jazz zu spielen. So ist es bis zu seinem nach Berlin. Zurück? Bücher: Über die Geschehnisse der ver- Coco Schumann: Der Ghetto- gangenen Jahre konnte Coco „‚Heimat’ ist für mich eine Swinger. Eine Jazzlegende erzählt. Schumann Jahrzehnte lang nicht Deutscher Taschenbuch Verlag zwiespältige Angelegenheit. […] München 1997, ISBN 3-423-24107-1 sprechen. Einerseits waren sie für ihn selbst so unbegreifbar, Ich bin nirgendwo mehr zu Hause.“ andererseits hatte er – wie er be- kannte – „Angst vor der Betrof- Platten: fenheit“. Er wollte als Musiker wahrge- Tode geblieben. Auch noch mit über 80 Eine Diskografie seiner Aufnahmen kann nommen werden, nicht als KZ-Häftling. genoss Coco Schumann, der mit Louis man der Autobiografie ab S. 225 ff. entneh- So suchte er im zerstörten Berlin gleich Armstrong, Dizzie Gillespie, Paul men. Nicht aufgelistet ist dort die CD wieder Anschluss an Ensembles, darun- Kuhn, Helmut Zacharias, Toots Thiel- „COCO NOW“ – Das Coco Schumann ter „alte Bekannte“. Helmut Zacharias manns und vielen anderen Jazzgrößen Quartett live 1999, welches auf dem Label Trikont US-0266 veröffentlicht wurde. 2007 versicherte sich als einer der ersten sei- gespielt hat, mit seinem Quartett die erschien eine CD unter gleichem Label mit ner Mitwirkung. Damals hörte Schu- unmittelbare Zwiesprache mit dem Aufnahmen aus dem Privatarchiv Coco mann Aufnahmen mit Charlie Christian. Publikum. Dabei tobte einerseits das Schumanns. Dessen außergewöhnlicher Instrumen- Leben, „andererseits“ waren „da die Filme: Coco, der Ghetto-Swinger (1986), tenklang faszinierte ihn. Roger Roßmei- großen stillen Momente“. Swing under the swastika (1989, auch als ßel, der Sohn eines bekannten Gitarren- Dem Coco Schumann Quartett gehör- deutschsprachige Fassung) und La paloma bauers, lüftete das Geheimnis: Die Sai- ten sein langjähriger adé (1997). ten wurden elektronisch beeinflusst. Freund Karl-Heinz Schumann ließ sich daraufhin sein Böhm am Saxo- Fotos: eigenes Instrument umbauen, mit phon, Sven Ka- alle Fotos stammen aus dem Privatarchiv Teilen von Wehrmachtskopfhö- lis am Schlag- von Coco Schumann: rern. Eine E-Gitarre, das war in zeug und der Ghetto Swingers Therersienstadt Deutschland seinerzeit eine No- Bass spielen- Coco Schumann in Auschwitz 1989 vität. Auf seinen ersten Aufnah- de Thomas men nach dem Krieg zusammen Koch an. Label der Amiga Einspielung mit Helmut mit dem deutschen Geiger Hel- Letzterer kam Zacharias AMIGA 1150 mut Zacharias ist er als erster für den uner- Cover der australischen Platte auf dem Label Musiker in Deutschland mit einer wartet verstorbe- „Spotlight Varieties“ elektrisch verstärk- nen langjährigen Mit Toots Thielmanns im November 1989 ten Gitarre zu hö- Bassisten Hans Schätz- Mit Helmut Zacharias ca. 1999 ren. Eine Sensation, ke, der zu den herausra- die viele in die Kon- gendsten Bassisten Ber- zerte strömen ließ. lins zählte, in das Ensem- ble. Die Musik, die Coco Aufgrund vieler As- Schumann auf seiner pekte der Entwick- 1948 gebauten Gibson lung im Nachkriegs- Gitarre spielte, berührte deutschland ging noch bei seinen letzten Coco Schumann Auftritten Menschen aller Ende 1950 mit sei- Alterstufen. Seine Hal- ner Frau Gertraude tung gegenüber seinem und deren Sohn Pe- Publikum drückt sich am

Stille Grüße

Foto: Achim Kröpsch

m Umkreis von vielen hundert Vor 40 Jahren haben wir — rund um Am 14.05. 2018 hättest Du die 94 er- Kilometern gibt's mit Sicher- die Welt — auf der "MS Hanseatic" reicht, und diese Jahre waren mit viel heit keinen, der eine derart gespielt. Leben gefüllt. I spannende und aufregende Biografie hatte wie Du! Man muss Die letzten 30 Jahre spielten wir zu- Viele Hunderte Tourneen, Konzerte, einfach Dein Buch gelesen, die Fil- sammen und das mit großer Freude. Funk und TV-Sendungen haben wir me oder das Musical "Der Ghet- Jedesmal wenn ich Dich anrief und zusammen gemeistert und viele haben toswinger" gesehen haben. meinen Satz begann mit: viel von Dir gelernt. Dann versteht man Deinen Positi- „Entschuldige, dass ich Dich beim vismus trotz unsäglicher Erfahrun- Üben störe", war Deine Antwort: So auch ich, und dafür ein riesiges gen: "Ick bin keen KZ'ler der Musik "Wer übt hat's nötig"! Du warst DANKE! macht, ick bin Musiker, der im mein Berliner König des Flachsens:

KZ war". Und: "Ick jammere "Wenn ick mal alt werde hör ick da- R.i.p. Shalom. nich, dass ick da drinn war, ick ju- mit uff". Ein Verbreiter der guten bele, dass ick da rausjekommen Laune. Kalle Böhm bin!" (Saxophonist und Freund von Coco Schumann)

er große Swing-Gitarrist Coco Schumann ist gestorben. Er war einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nicht nur sein musikalisches Können, auch sein Humor und seine menschliche Wärme haben D sein Publikum immer wieder mitgerissen und begeistert. Wir sind froh und stolz, dass wir diesen wunderbaren Menschen Coco Schumann seit 1997 begleiten durf- ten. Wir verabschieden uns in großer Trauer von einem großartigen Musiker und Menschen, und einem lang- jährigen Freund. Eva Mair-Holmes und Achim Bergmann Trikont-Verlag https://trikont.de/themen/music-from-the-jew-box-judische-musik/ wir-trauern-um-coco-schumann/ (29.01.2018)

Lieber Coco, wartete und fragtest lächelnd, ob sie „Autumn leaves“, in das Du heim- noch gut entsinne ich mich, wie ich Dich einmal ziehen lässt … Sie ge- lich den Beginn von „Schinki Bells“ 2003 zum ersten Mal vor Deiner stand mir später, das sei wie ein Kuss hineinschmuggeltest. Oder an den Türe stand. Schnell legte sich mein gewesen. Und Du gingst mit den jun- „Stripper Blues“, den Du vor dem Lampenfieber, denn von der ersten gen Menschen auch hinterher noch in Altar spieltest. Du hast an diesem Minute an strahltest Du eine große die Kneipe. Der Gesprächsstoff ging Abend so viele Brücken gebaut und Herzenswärme aus. Ich nahm nicht uns nie aus – selbst wenn wir mal einmal mehr vermittelt, wie wichtig nur tiefe Eindrücke aus Deinem schwiegen. es für einen Musiker ist, mit Seele Leben mit, das sich oftmals am Ab- Höhepunkt war zweifellos ein ge- zu spielen. Für Dich war das Publi- grund bewegte, sondern auch die meinsames Projekt der 65. Mittel- kum ein Geschenk, so wie Du Dein Zusage, zu „meinen“ Studenten schule und der Musikstudenten der ganzes Leben lang nie gegen, son- nach Leipzig zu kommen (damals Uni. Es entstand eine Ausstellung dern für die Zuhörer Musik gemacht unterrichtete ich an der Universität über „Kunst als Überlebenshilfe“, mit hast. Den beiden Schülern Sebastian Musikgeschichte und Gehörbil- Zeichnungen, Lyrik, Sachtexten und Schindler und Martin Uhlemann, dung). Nur eine Bedingung knüpf- einem Theaterstück. Und Du wolltest die Dich in der Konzertpause öf- test Du an das Treffen, nämlich dass zur Eröffnung kommen, an die Schule fentlich interviewt haben (vor den wir über Deine gesamte Entwick- in Mockau (Du sagtest immer beiden habe ich noch heute den lung sprechen und nicht nur über schmunzelnd „Moskau“ und freutest größten Respekt für ihren Mut), den „Ghetto-Swinger“. Du wolltest Dich, dass dorthin sogar die Straßen- warst Du ein so wunderbarer Ge- nicht in Schubladen eingesperrt bahn fährt). Alle Beteiligten freuten sprächspartner. Zwei Fragen sind werden, wie Du ja auch niemals in sich darauf und waren auch ein wenig mir heute noch gegenwärtig, die Kategorien dachtest und fühltest. Es aufgeregt. Doch dann, es war Hoch- eine: Herr Schumann, wie entspan- war Dir gleich, woher jemand sommer, musstest Du kurzfristig ab- nen Sie sich? Antwort: Verrat stammte oder welcher Religi- ich nicht! Die andere Frage: on er anhing, Du warst offen Wieso konnten Sie nach al- für Musik unterschiedlichster lem, was Sie in Auschwitz Stile. Und Du überspieltest erlebt haben, noch das Lied mit Deiner Gitarre, Deinem „La Paloma“ spielen? Ant- Humor und Deiner Gabe, wort: Aber das Lied kann Hände zu reichen, Grenzen. doch nichts dafür … Grenzen in den Köpfen und Nach dem Konzert haben wir, Grenzen in den Herzen. Welt- gemeinsam mit Kerstin und weit hattest Du Freunde. Und Detlef Ott, Brüderschaft ge- weltweit fandest Du Inspirati- trunken und Du sprühtest trotz on für Deine Musik. Du konn- des langen Tages noch vor test und vor allem wolltest Leben. Und Du warst ge- Dich einfühlen in unterschied- spannt auf die Begegnungen lichste Kulturen, in jüdische mit Schülern und Studenten wie in amerikanische, in euro- am nächsten Tag. Als wir uns päische wie asiatische oder dann von Dir verabschiedet südamerikanische. hatten, meintest Du – und das berührt mich noch heute: Es Viel durften wir von der lernen: sagen. Du hattest Fieber bekommen. gibt so viele Leute, in Leipzig habe über Musikgeschichte und über das Noch gut entsinne ich mich an jenen ich viele Menschen kennengelernt. (zwischenmenschliche) Gehör. Da- Freitag, an dem später in Leipzigs Bei vielen, die Dich in Leipzig erle- bei berührten wir auch die tra- Süden noch ein gewaltiger Hagel- ben durften, hast Du Spuren hinter- gischsten Augenblicke, etwa wenn sturm niederprasseln sollte, als Du lassen. Du wirst uns fehlen. Einen Du von den Kindern berichtetest, anriefst und wir als „Ersatz“ be- von vielen hochaktuellen Gedanken die an Dir vorübergezogen sind, als schlossen, dass Du im Herbst ein aus Deiner Autobiografie habe ich Du im KZ Auschwitz um Dein Le- Konzert in Leipzig gibst, gemeinsam mir dieser Tage herausgeschrieben, ben spieltest. Meist zeigten wir an mit Deinem Quartett. nämlich dass Du Krieg niemals be- dieser Stelle Filmaufnahmen. Und Du hast die Vorbereitungen so groß- griffen hast und begreifen wolltest. wir bemerkten, wie gegenwärtig zügig und herzlich unterstützt. Schü- Hätten Menschen wie Du das Sagen diese Szenen in Dir verankert waren ler durften Dich fürs Programmheft in der Politik, dann sähe die Welt und die Tränen kamen. Und trotz interviewen. Und zur Illustration mit Gewissheit anders aus. allem, das hat uns tief beeindruckt, gabst Du einfach einen Karton voller hast Du immer wieder das Gute im Bilder und Materialien mit. Selten Karl-Heinz Böhms Gruß „Shalom“ Menschen gesucht und gefunden. habe ich seitdem wieder ein Konzert schließe ich mich von Herzen an. Du wolltest es einfach. Noch etliche erlebt, das mir so tief unter die Haut Male kamst Du nach Leipzig und gegangen ist. Am 14. November war Peace! Frieden! warst schon ein vertrauter Gast. Es es soweit, in der Michaeliskirche. musste nicht erst Eis aufgetaut wer- Noch manchmal, wenn ich die Augen Thomas (Schinköth), den. Du gingst einfach auf eine Stu- schließe, fühle ich mich mittendrin, 5. Februar 2018 dentin zu, die am Hörsaal rauchend höre noch Dein gefühlvolles

„Als Jazz- und Swingmusiker hatte ich den unglaublichen Vorteil, in der Musik ein Zuhause und weltweit eine Familie zu haben.“

Coco spricht vor Schülern in Leipzig 2006

Coco Schumann (rechts) mit Thomas Schinköth, Leipzig 2006 Coco Schumann und Kerstin u. Detlef A. Ott, Berlin 2007: „Komm mal ‘n Stück runter zu mir.“ „Solange ich Musik mache, habe ich keine Zeit, alt zu werden.“ (chinesisches Sprichwort von Coco)

Zwei legendäre Gitarristen: Coco Schumann und Tom Buhé , 2012

Coco Schumann und Kalle Böhm im Badenschen Hof, Berlin, 2010

Coco Schumann und Trompeter Till Brönner, Berlin 2006 Coco Schumann, Harald Krause, Larry Coryell in Chemnitz 2002

„Ich bin Musiker. Ein Musiker, der im KZ gesessen hat, kein KZler, der auch ein bisschen Musik macht. Die Lager und die Angst veränderten mein Leben grundsätzlich, aber die Musik hat es geführt, und sie hat es gut gemacht.“

„Das Feeling, dieses unbestimmte Etwas, hatte mich zu dem gemacht, was ich war. Das konnte nur bedingt durch Schulbildung ergänzt werden. Es muß sich ständig aus sich selbst heraus weiterentwickeln – bis heute.“

„Noten sind nur schwarze Punkte auf Papier. Man kann sie abspielen oder sie zum Leben erwecken.“

The Ghetto Swinger: A Berlin Jazz-Legend Remembers By Coco Schumann With Max Christian Graeff and Michaela Haas Translated by John Howard Afterword by Michael H. Kater 2016. Hardcover. 192 pages with 55 illustrations and an indx. 2018. Paperback. Ebook also available. $24.95 | 9780983254041 (hc)$16.95 | 9780998777061 (pb)

SHORTLISTED FOR THE 2017 AWARD FOR EXCELLENCE IN HIS- TORICAL RECORDED SOUND RESEARCH, JAZZ CATEGORY https://doppelhouse.com/the-ghetto-swinger-by-coco-schumann/

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Die Gazette erscheint einmal vierteljährlich und wird durch ehrenamtliche Mitarbeiter gestaltet. Für unaufgefordert eingesandtes Material besteht keine Rückgabepflicht. Alle Beiträge sowie das Bildmaterial sind urheberrechtlich geschützt.

Band 6, Ausgabe 1 S e i t e 1 5 zu jammen. Geist und Sound dieser Stadt Vielleicht ist es eine Chance und einer haben die Musiker aufgesogen und geben meiner Wünsche für 2018, dass junge die musikalische Seele dem Publikum in Leute die „alten“ Vereine und Festivals Deutschland weiter, ob in den Soli der besuchen, dass Generationen tanzend, Bläser bzw. der Rhythmusgruppe oder im swingend, stampfend, mit den Fingern dynamischen, sehr sauberen Kollektiv- schnippend oder hörend über die Musik spiel. Es macht schwindelig und ist ein- wieder zueinander finden. fach toll anzuhören und zu erleben! Die Im April dieses Jahres werden die Dizzy Musiker überzeugen instrumental und Birds in Wolfenbüttel und Wolfsburg gesanglich und geben dem Zuhörer ein spielen und die Kulturelle Interessenge- jazziges Klangerlebnis. meinschaft Dresden (KIG) hat die For- Meschiya Lake, eine fabelhafte Sängerin, mation im Mai eingeladen. Nach 2016 gehört in New Orleans mit ihrer Band werden die Musiker wieder in den Box- The Little Big Horns zur ersten Garde der ring (Jazz im Boxring, Samstag Jazzmusiker. Auf Deutschlandtourneen 19.05.2018 um 20:00 Uhr, Neustädter Die Dizzy Birds nahmen mit Meschiya wird sie von den Dizzy Birds begleitet. Markthalle, Metzer Str. 1) steigen und Lake und Russel Welch noch eine CD Paul Voit, Bandleader und Meschiya La- sicherlich nach Noten die Gäste musika- und eine EP auf. (September 2016) ke in der Music Factory an der French- lisch schwindelig spielen und siegen! man Street Live erlebte ich die Dizzy Weitere Termine, liebe Leser, finden Birds mit Meschiya Lake in der Louisiana Sie auf der Internetseite: Music Factory, 421 Frenchmen St. In https://dizzybirds.com. New Orleans im April 2017. (Foto unten) Ein fester Termin im Konzertkalender Zwischen ihren Konzerten während des der Band ist seit Jahren das Swing French Quarter Festivals nahm sich die Camp Balboa Festival in Besenstedt bei Halle/ Sachsen-Anhalt. Viele große internationale Konzerte zusammen mit Meschiya Lake und eine neue CD sind geplant. Ein besonderes Highlight der sechs Musiker wird die Teilnah- me am Ascona Jazzfestival En- de Juni 2018 sein.

In Ascona werde ich nicht dabei Die EP wurde 2017 eingespielt. Auf der sein können, doch dafür einige A-Seite ist „Swing it, brother swing!“ Konzerte der Dizzy Birds mit Auf der B-Seite wurde „I get the blues und ohne Meschiya Lake in when it rains“ aufgenommen…. Sängerin die Zeit und sang den Song von Deutschland besuchen. Irving Berlin „Marie“, der auf dem fünf- ten Album der Dizzy Birds, „Because we Vielleicht treffen wir uns, werte Leser, can“ mit Meschiya Lake zu hören ist. auf einem der Dizzy Birds Konzerte. Früher präsentierten die Musiker sich auf der Straße, in Fußgängerzonen und bei Keep Swinging! Undergroundparties in Berlin und anderen Bodo Buchholz Städten. Im Oktober 2017 traten sie erst- malig im Konzerthaus am Gendarmen- CD-Hinweise: markt in der Reihe „Rush Hour Konzert“ „Because we can“, Mai 2017 auf. „Vor fünf Jahren spielten wir vor dem Haus, nun im Haus“, sagte der Band- leader. Die Band erspielte sich beim Megève Jazz Contest 2016 den ersten Platz. Sie wurde 2017 mit dem Förderpreis des Di- xielandfestivals Dresden ausgezeichnet. Popularität und Anerkennung des musika- „I'm gonna pick you up in a red dress, lischen Schaffens der Band entwickelten baby!“ vom Januar 2016. Diese CD sich stetig weiter, so dass auch die Tradi- wurde zum besten Swing Album 2016 tionalisten unter den Dixie- und Jazzfans von Vintage Swing Review, Portland, in den Clubs und Vereinen die Band nun USA, gekürt. wahrnehmen und einladen. Eine gute Ent- wicklung, um diese Musik am Leben und Siehe Rezension: die „alten“ Jazzclubs, Vereine sowie Initi- http://www.vintageswingreview.com/ ativen am Leben zu erhalten. dizzy-birds-red-dress-baby Der musikalische Ansatz der Band, den Paul Voit erklärt, ist, die Jazz- und Swingmusik der 1920er und 1930er Jahre „Es gibt zwar eine andere Welt. Aber sie ist in dieser.“ so zu spielen, dass sie für junge Leute wieder interessant wird. (John Burnside)

S e i t e 1 6 Just For Swing GazetTE Till Brönner meets Günter „Baby“ Sommer Live in Leipzig | 20. Januar 2018

Foto: D. Ott

ie Kombination Schlagzeug Fach für Till Brönner und eins für Baby das menschliche Gehirn sich alle Instru- und Trompete kommt in der Sommer. Wir aber wollen einfach eine mente, die auf der Bühne stehen müssten Geschichte des Jazz nicht Brücke zwischen diesen Fächern oder und ist ganz froh, dass sie nicht da sind. D allzu häufig vor. Man denkt sogenannten Jazzstilistiken bauen. Un- Der einzige, der das auch ganze alleine dabei unwillkürlich an legendäre Duos sere Brücke ist einfach nur gute Mu- kann, ist Baby Sommer.“ wie die von Clifford Brown mit Max sik.“ Als Opener des Abends erklang, wie als Roach, Lester Bowie mit Phillip Wil- Am 20. Januar 2018 trafen die beiden eine Fortsetzung des Konzerts von 2010 son, Ed Blackwell mit Don Cherry oder Ausnahmemusiker nach ihrem ersten gedacht, das irische Lied „Danny Boy“, das Günter Sommer mit Wadada Leo öffentlichen Auftritt vor acht Jahren im Brönner während des ersten gemeinsamen Smith. Ein weiteres Duo von Günter Mediencampus der Sparkasse Leipzig Konzerts unter dem Eindruck der am selben „Baby“ Sommer gibt es seit acht Jahren nach einer langen und immer wieder Tag stattgefundenen Beerdigung seinem mit dem begnadeten Trompeter Till unterbrochenen gemeinsamen Wegstre- verstorbenen Mentor Peter Herbolzheimer Brönner. Jeder konnte auf seine Weise cke wieder aufeinander. Von Beginn gewidmet hatte. Das weitere Material hat eine beachtliche Karriere in den unter- des Konzertes an war klar, dass ein sich im Laufe der gemeinsamen Jahre erge- schiedlichsten stilistischen Strömungen solch intensives Duo-Konzert ein gehö- ben. Dazu Sommer: „Wir haben uns für des Jazz aufweisen, als sie sich im das Konzert zwar einige Arbeitsmate- Rahmen der Übernahme der Pro- rialien zusammengestellt, der größte fessur durch Till Brönner an der Unsere Brücke ist einfach Teil ist allerdings frei improvisiert. Musikhochschule in Dresden erst- nur gute Musik. Wir haben einige Dinge abgespro- malig zu einem 20minütigen Re- Günter Sommer chen, vieles entsteht während des ferenz-Konzert musikalisch be- Spiels, wo wir erst hinterher wissen, gegneten und daraufhin beschlossen, riges Maß an Einfühlungsvermögen, was da passiert ist.“ auch zukünftig auszutesten, wie man, Kreativität und Erfahrung erfordert, um Sommer, der im August dieses Jahres sei- aus zwei unterschiedlichen musikali- auf Stimmungen und Schwingungen im nen 75. Geburtstag begehen wird, nutzte schen Richtungen kommend, eine ge- Prozess des Spiels des anderen zu rea- alle Facetten seines lebenslangen Erfah- meinsame Sprache entwickeln kann. gieren und dabei die Spannung aufrecht rungsschatzes im Umgang mit perkussiven Günter Sommer lobt die Zusammenar- zu erhalten. Sommer und Brönner stei- Elementen, vom Gong, diversen Trom- beit mit Brönner: “Für mich ist Till gerten sich im Laufe des Abends zu meln, Maultrommel, Klanghölzer, Klang- eine wahrhaftige Entdeckung, weil er einer klanglichen Symbiose ohneglei- boxen und schuf kraftvoll beeindruckende wie ein Fisch im Wasser in hundert chen. Till Brönner: „Wenn ich andere Klangwelten mit viel Verve, Leidenschaft, Jahren Jazz-Geschichte schwimmen Konzerte spiele, kann ich das Blech Witz und Tiefsinn. Mit weichen und sanf- kann, ohne dass man irgendwelche auch mal von den Lippen nehmen und ten Tönen des Flügelhorns oder der Trom- Übergänge merkt. Er ist jemand, der mir Ruhephasen verschaffen. Das geht pete setzte Brönner wohltuende Akzente, sich in allen Genres des Jazz auskennt. im Duo nicht. Es macht allerdings un- die sich immer an Melodielinien orientieren Es ist mir eine besondere Freude in wahrscheinlich Spaß, in dieser Konstel- und sich dem Spiel Sommers einfügten und dieser Kombination spielen zu dürfen. lation - wahrscheinlich der kleinstmög- es beflügelten. Als gleichberechtigte Part- Till und ich versuchen ja von zwei ver- lichen Band überhaupt zu spielen. Mit ner stimulierten sie sich durch intensives schiedenen Seiten zu kommen. Wie die Baby Sommer macht es besonders Aufeinander hören, trieben sich an oder Jazzkritiker sagen, der eine macht dies, Spaß. Ein Zwei-Stunden-Konzert ohne schufen verhaltene Momente voller Nach- der andere das oder wie mancher Zu- Gitarre oder andere Instrumente mag denklichkeit, die unter die Haut gingen, hörer sagt, das eine höre ich lieber, das eine Zumutung sein. Es ist etwa so, was ein begeistertes Publikum hinterließ. andere weniger, das ist spannender als wenn einem ein Zahn gezogen wird und Detlef A. Ott dies usw. So gibt es Felder und Fächer, man hinterher das Gefühl hat, der (Zitate der Musiker stammen vom Konzertabend am 20.01.2018 im Mediencampus Leipzig) wo die Jazzpolizei nicht mehr weiß, wo müsste doch noch da sein, eine Art sie uns einordnen soll. Da gibt es ein Phantomschmerz. Irgendwann denkt Erscheint im JAZZPODIUM 03/2018

Band 6, Ausgabe 1 S e i t e 1 7

Gerhard Klußmeier, Rosengarten Was ist damit eigentlich gemeint? Von „Geheimnissen“ hinter Jazz-Titeln (Teil 10)

Marilyn (Drake-Shirl) Mills (1895-1927; Foto), der populären Ray Anthony & His Orchestra 1952 Sängerin und Tänzerin der 1920er Jahre, widmete. Der Duke selber sagte, dass 1952 entstand der US-Spielfilm seine „Lady“ den „Typ der Lehrerin por- „Niagara“ (Regie: Henry Hathaway) trätiert, die weitgereist und gebildet ist mit Joseph Cotten und Marilyn Monroe. und ihren Urlaub in Europa verbringt.“ Vor der Erstaufführung (in den USA: Und er sagte einst über den Text, den 21. Januar 1953) schrieben (Text und Mitchell Parish dazu schrieb: „Er war Musik) Jimmy Shirl (Come To The einfach wunderbar“, um milde lächelnd Mardi Gras) und Ervin Drake (It Was A hinzuzufügen: „Allerdings nicht ganz Very Good Year) auf Anregung des das, was ich mir ursprünglich dabei ge- Trompeters dacht hatte.“ und Bandlea- ders Ray Steppinʼ Pretty (Mary Lou Williams) Anthony die- Andy Kirk 1936 se Hymne auf King Porter Stomp (Morton) den Star Ma- Die Kirk-Band war am Anfang ihrer Jelly Roll Morton, Piano Solo 1923 rilyn Monroe. Laufbahn dafür bekannt, dass sie Stomps „Wir hatten und Blues mit dem für Kansas City und Um 1902 begann Jelly Roll Morton seine für sie am 3. den Südwesten. typischen Drive spielte. musikalische Laufbahn als Pianist in August 1952 Nach ihrem Erfolg 1936 mit Until the „Lokalen“ von Storyville in New Orleans. eine Party in Real Thing Comes Along wusste man, Im Mai und Juli 1938 machte die Library meinem Haus dass sie auch Balladen spielen konnte. of Congress in Washington mit Morton in Sherman ,,Der Titel des Stücks“, erklärte Mary sozusagen autobiografische Aufnahmen. Oaks anläss- Lou Williams, Pianistin der Band und Über den King Porter Stomp sagte er da- lich ihres Komponistin des Titels, ,ist ein Slang- bei: ,,Ich hatte immer so eine Inspiration, Films, Niagaraʼ veranstaltet, und dann Ausdruck, den die Band benutzte. Wenn ein Stück zu schreiben, ganz egal, wo ich vergrößerte Fotos davon machen lassen, die Musiker ein schönes Mädchen sahen, gerade gelandet war. Als ich 1905 in Mo- die wir zusammen mit den Noten hinter sagten sie, ,she is steppin' pretty' (sie hat bile auftauchte, hab' ich Alabama Bound der Band platzierten.“ So wurden auch einen hübschen Gang). Ich glaube, der geschrieben, und alle meine Freunde fan- die Notenblätter (Sheets) von diesem Ausdruck bedeutete auch, dass jemand den es sehr gut. Es gab da Porter King, ein Titel mit dem Foto von Ray Anthony gut betucht war, Geld hatte.“ sehr guter Freund von mir und ein phan- und Marilyn Monroe versehen, das tastischer Pianist, der jetzt unter der kal- dann auch auf das Titelblatt der Musik- Piggly Wiggly (Junie Cobb) ten, kalten Erde liegt. Porter King war ein zeitschrift „Down Beat“ vom 10. Sep- Beale Street / Rampart Street Washboard gebildeter Gentleman mit einer viel besse- tember 1952 kam. Der Titel war nur Band mit u.a. Johnny Dodds, Chicago ren musikalischen Ausbildung als ich. Er durch Ray Anthony in den Charts, wei- 1929. schien was übrig zu haben für meinen Stil, tere Aufnahmen sind in den Jazz- obwohl wir sehr verschieden spielten. Ei- Discographien der Zeit nicht vermerkt. „Piggly Wiggly“ (frei übersetzt: Wackel- ne Nummer gefiel ihm ganz besonders, Eine große Bildstrecke von dem Party- iges Schweinchen) entspricht im deshalb habe ich sie nach ihm benannt. Ereignis ist unter http://wonderful- Deutschen der Bezeichnung „Tante- Ich habe nur den Namen herumgedreht marilynmonroe.skyrock.com/ Emma-Laden“, was allerdings genau das und sie King Porter Stomp genannt. tags/5XwzFyRs27n-Ray-ANTHONY- Gegenteil von dem ist, mit dem 1916 in party.html zu sehen. Memphis (Tennessee) der Kaufmann Fortsetzung folgt ... Clarence Saunders (1881-1953) sein Sophisticated Lady (Ellington) Geschäft bezeichnete: den von ihm in Duke Ellington and his Orchestra 1932 dem Jahr erfundenen Supermarkt, den ersten Selbstbedienungsladen der Welt, Die Bedeutung des Titels erschließt sich eben „Piggly Wiggly“. 1922 gab es eigentlich von davon bereits 1.200 in den USA, alle ge- selbst: eine an- staltet nach dem bis heute üblichen Prin- spruchsvolle oder zip, mit Selbstwahl aus Regalen sowie elegante Dame. Bedienung an „Frische-Stationen“ – und Es gibt einige wi- schon 1916 mit firmeneigenen Ein- derstreitende Mei- kaufswagen für die ausgesuchten Waren. nungen dazu, wen Das Unternehmen betreibt heute mehr Ellington mit die- als 600 Filialen in 17 US-Bundesstaaten. sem Stück be- In Deutschland eröffnet 1938 in Osna- dacht haben mag. brück am Jürgensort 6/8 der Drogist Eine Legende will Herbert Eklöh (1905-1978) den eu- es, dass der Duke ropaweit ersten Selbstbedienungs- das Lied Florence Lebensmittelmarkt.

S e i t e 1 8 Just For Swing GazetTE Neues Altes vom collegium musicale Michael Oettel, Jena

ber die Geschichte des Leipziger Diese stilistische Besonderheit war sicherlich collegium musicale - als Quartett der Grund für spezielle Aufträge und Konzerte (p, as, b, dr) 1960 in Leipzig ge- in den 1960er und 1970er Jahren. Beispielhaft Ü gründet – haben wir in diese Gazet- sollen genannt werden: Ein Auftritt in der te bereits mehrmals berichtet. Im September Thomaskirche und mehrere Konzerte in der 2017 fand das letzte Treffen der Musiker Nikolaikirche (Kantor Wolfgang Hofmann). und ihrer treuen Fangemeinde in Wolfers- Ein Höhepunkt bildete die Aufführung einer dorf bei Stadtroda statt (30 Freundinnen und Jazz-Motette von Eberhard Geiger mit Mit- Freunde). Dort wollen wir uns auch vom 25. gliedern des Günter-Oppenheimer-Chores. bis 27. September 2018 zum Jazzen und Dabei mussten wir den Umgang mit einer zum vielfältigen Gedankenaustausch finden. Orgel mit pneumatischer Traktur lernen, bei Die Regelmäßigkeit der fast jährlichen Tref- der der Ton nach Tastendruck mit zeitlicher fen seit 1973 (bisher 40 mal!) ist schon be- Verzögerung zu hören ist. Die Lösung bestand merkenswert. Inzwischen haben sich aller- darin, dass sich Eberhard (nun an der Orgel) dings die Reihen die Ohren verstopfte, stark gelichtet und um nicht die drei ande- konnten nur teilweise ren Mitspieler (as, b, dr) wieder aufgefüllt zu hören und damit aber werden. Zu den Jaz- einen einheitlichen zern, die uns für im- Swing ermöglichte. mer verließen, gehö- In Erinnerung bleiben ren: Thomas Buhé auch die Mitwirkung bei (g), Wolfgang Hirsch Theatermusiken unter (p), Richard Kiese- Leitung von Siegfried wetter (vb), Lutz Tiefensee (erinnerlich Lippold (dr), Ronald auch eine Premierenfei- Mooshammer (dr), er im Schauspielhaus, Eberhard Stiehl (b), bei der wir Manfred Krug begleiteten und er Ralph Stolle (p), Götz Wagner (p), Franz mit einer Einlage am Piano (!) glänzte), Jazz Winkler und Günther Wolf (dr). & Lyrik-Veranstaltungen u.a. mit der Spiel- Vom ursprünglichen Quartett sind der musi- schaar der Leipziger Studentengemeinde und kalische Leiter und Spiritus Rector, der in Kirchen beiderlei Konfessionen, viele Kon- Musikwissenschaftler und Musikregisseur zerte in Leipziger Uni-Hörsälen, in verschie- Eberhard Geiger (p) und der Tierarzt und denen Klubhäusern, im Erdgeschoss der Stu- Pharmakologe Michael Oettel (as, ts, cl) dentenmensa „Kalinin“ (dort wöchentlich), im übrig geblieben. Eine verlässliche Stütze Gutenberg-Keller und einmal im Kino und unermüdlicher Ideengeber bleibt über „Babylon“ in Berlin. Sehr gewagt war ein die vielen Jahre der ehemalige Verwaltungs- DEFA-Projekt, d.h. ein Dokumentarfilm über wir uns manchmal (sicher überheblich) wie direktor des Gewandhauses, Volker Stiehler den Leipziger Hauptbahnhof, bei dem das die Einäugigen unter den Blinden. Es wurden (tp). Wir lernten uns bereits 1962 kennen collegium in Babelsberg vor der Projektions- gleichzeitig auch Freiräume für besondere und bis auf den heutigen Tag schätzen. Vol- wand des stummen Filmteils stehend und Diskussionen und interessante Begegnungen ker kam ursprünglich von der Leipziger spontan improvisierend die Filmmusik zu geschaffen. Die Konzerte und Sessions waren Bauhochschulband. Zur aktuellen Formati- liefern hatte. sehr gut besucht und interessante Mädchen on gehört auch der zuverlässige und schauten nach interessanten intonationssichere Bassist Bernhard „Typen“ (und umgekehrt). Unsere musi- Krüger. kalische Qualität konnte sich natürlich Eigentlich bedarf die Geschichte des An vielen Stellen und in ver- nicht mit der der Professionals messen. collegium keiner sonderlichen Beto- schiedenen Orten waren die Aber wir bedienten im gewissen Sinn nung. Ähnliche Berichte über Amateur- eine Sehnsucht nach besonderer Indivi- Jazzformationen gibt es sicherlich in Amateur-Jazzer damals die ein- dualität – abseits vom regulierten, öffent- Hülle und Fülle und belegen einfach lichen Kulturbetrieb. Schließlich soll die hohe „Infektiosität“ des aktiven zigen Vermittler der unterschied- erwähnt werden, dass spätere Größen des Jazzens. Interessant wäre die Beant- Jazz wie Joachim Kühn und Manfred wortung der Frage, ob die damalige lichen Stilrichtungen des Jazz. Hering im und mit dem Collegium musi- hohe „Ansteckungsrate“ heute noch in zierten. diesem Ausmaß besteht? Kann aber Zurück zum 40. Treffen 2017 in Wolfersdorf. auch sein, dass ich persönlich in dieser Hin- Über die abenteuerlichen Plattenbeschaffun- Mit großer Freude und für uns mit großem sicht die Vergangenheit überbewerte…. gen aus dem Westen haben wir bereits berich- tet. musikalischen Gewinn trat wieder Peter „Pit“ Eberhard drückte mit seinen Kompositionen Kroneberger mit uns auf. Er ist am Schlag- den besonderen musikalischen Stempel auf, Einen Punkt möchte ich hier erwähnen, der zeug ein Urgestein des DDR-Jazz („Jenaer der entfernt an das Modern Jazz Quartet, die mit der besonderen Rolle des Amateur-Jazz in Oldtimers“). Verstärkt wurden wir durch die Quartette von Dave Brubeck und Gerry der DDR zusammenhängt. An vielen Stellen jüngeren Leipziger Anne Mettke (as) und Mulligan sowie an Erroll Garner erinnert. und in verschiedenen Orten waren die Ama- Hans-W. Lapschies (tb). Mal sehen, wer sich Doch war und ist sein unverwechselbarer teur-Jazzer damals die einzigen Vermittler der 2018 in Wolfersdorf zusammenfindet. Personalstil mit der Betonung eines lyri- unterschiedlichen Stilrichtungen. Die Jazz- Michael Oettel/Jena schen Kammerjazz das Kennzeichen des Ausbildung an den Musikhochschulen war collegium. begrenzt bzw. erst am Anfang und so fühlten Plakate Volker Stiehler/ Archiv D. Ott

S e i t e 1 9 Just For Swing GazetTE Nachruf Sanitätsrat Klaus Emil Scheffel 13.12.1935 – 28.12.2017

gen. Nach bestandenem Abitur begann er das W ir nannten ihn immer nur Studium der Humanmedizin in Jena und grün- Emil. dete mit Peter Ohl und Klaus Kirst 1963 die Er war langjähriger Bassist und Studentenband „JAZZ babies“, die bis zum Bass-Saxophonist der „hot & blue Examen 1965 aktiv war. Nach anschließender jazz band“. 1935 wurde er in eine Facharztausbildung arbeitete er als Chirurg in Geraer Arbeiterfamilie hineinge- der Wismut-Poliklinik Ronneburg, und später boren als Zweiter von vier Söhnen, ließ er sich in Gera nieder. 1973 war er an der sein Zwillingsbruder war etwas Gründung der „hot & blue jazz band“ beteiligt. älter. In der Kriegs- und Nach- Als er in den 1980er Jahren das Bass-Saxophon kriegszeit trieben sich die Brüder für sich entdeckte, verlieh er der Band einen auf der Straße herum und außergewöhnlichen Klang, einzigartig damals „besorgten“, was die Familie zum im traditionellen Jazz der DDR und auch wei- Überleben brauchte. Als der Vater terhin. Er begleitete uns 33 Jahre lang durch alle aus Kriegsdienst und Gefangen- Höhen und Tiefen als stabiles Fundament der schaft zurückkehrte, beendete er Rhythmusgruppe, zuverlässig, mit sachlichen deren Treiben und steckte die Kommentaren und feinem Humor, Jungs in ein Mandolinen- e i n F r e u n d. Orchester. Emil lernte Mandola Inzwischen in Woltersdorf bei Berlin ansässig, spielen. Mit dem Abschluss einer machte uns 2006 sein gesundheitlich bedingter Tischler-lehre unzufrieden, wurde Rückzug vom aktiven Bandgeschehen betrübt, er Krankenpfleger. Seine damalige über den endgültigen Abschied sind wir sehr Freundin und spätere Ehefrau Wal- traurig. traud unterstützte seinen Wunsch, noch das Abitur an der Arbeiter- Lieber Emil, Du bist bei uns. und Bauernfakultät Leipzig zu erlangen. Dort gab es ein Kultur- Die „hot & blue jazz band“ Meerane mit: ensemble und er gehörte dem Or- Klaus Kirst tb, voc, ld; Peter Ohl bj; chester als Kontrabassist an. Dane- Götz Methfessel ss, cl; Volkmar Hesse cl, as; ben verdiente er sich auch noch Wolfgang Schmidt tuba und Henry Richter dr. etwas Geld mit Tanzmusikmug-

ie schon bei den Büchern Schallplattenhinweise sowie Nachhö- über Louis Armstrong ren, wodurch dieser Jazzgigant aus und Charlie Parker – bei- Washington D.C. zu einer so herausra- W de vom Chef des Jazzin- genden und erfolgreichen Persönlich- stituts Darmstadt, Wolfram Knauer, ge- keit des Jazz wurde und was sein Werk schrieben, stellt sich dem Jazzfreund ausmacht. Das geschieht bei Knauer, auch vor Kauf seines neuen Buches, wie schon besonders deutlich im Arm- knapp betitelt mit „Duke Ellington“, zu- strong-Buch, auch hier wiederum nicht erst die Frage: „Was könnte ich nun durch musiktheoretische Satzbaustei- noch Neues erfahren nach etlichen ne, auch nicht durch einen rein doku- durchaus informativen Büchern und Ar- mentarisch dargestellten Lebenslauf, tikeln über den Duke?“. Bei mir sind es sondern mit der Schilderung von warm- im Regal sieben Buchausgaben ein- herzig erkennendem Hineinhören und - schließlich Ellingtons Autobiografie denken in die Biografie und die Musik und einer Tag-für-Tag Dokumentation. Ellingtons. Knauers besondere, ja fast Doch wie bei den eingangs genannten swingende Fachprosa nimmt den Leser Knauer Monographien ging es mir auch gefangen, packt ihn und führt ihn hin bei diesem Buch über Edward Kennedy zu einem Künstler, der in Musik lebte Ellington (1899-1974): Zur Rezensions- und von sich sagte, er spiele nicht Kla- Grundlage schnell mal durchgeblättert, vier sondern Orchester. Fazit: Endlich in interessant erscheinende Parts reinge- wieder ein überraschend spannendes, lesen, man ist ja versiert genug, um zudem vergnügliches Jazzbuch, das auch danach einige beschreibende, lo- keine umfassende Nur-Biografie ent- bende oder kritische Sätze für eine Be- hält, wohl aber ein Künstlerleben aus sprechung zu formulieren… doch dann seinem prägenden historischen Umfeld „Duke Ellington“, Reclam- Verlag stürzt man ab und vertieft und verliert mit der vielfach ja allbekannten Musik sich in einer brillant und wie musika- anschaulich schildert. Stuttgart, 2017, lisch dargestellten Lebensbeschreibung In diesem Buch wird ein Musiker einer Jazzgröße, von der man meinte, „sichtbar“, der wie wohl kaum ein an- 328 Seiten, 56 Abb. alles zu wissen und die man ohnehin derer, Entertainment mit perfekter ISBN: 978-3-15-011127-7; schon der allerersten Riege der Klassik Kunst zu verbinden verstand – eben des 20. Jahrhunderts zugeordnet hatte. „der Duke“. Preis: 29,00 € Und mit einem Mal versteht, begreift Gerhard Klußmeier man mehr, auch mit Hilfe einiger Wolfram Knauer

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m September 1957 erschien in Westberlin die erste Nummer eines Faltblattes zum Thema Jazz mit dem Titel „schlagzeug“, das sich nach sieben weiteren Ausgaben zu einer Zeitschrift im DIN A5 Format mausern sollte. Herausge- ber war der Äquator Verlag am Kurfürstendamm 136. Während der Recherchen zu seinem Buch „Die Stasi swingt nicht“ I erfuhr Schmidt-Joos aus den Stasiunterlagen, dass dieses Blatt, an dem er mitgearbeitet hatte, angeblich von der CIA fi- nanziert wurde und dafür die stattliche Summe von 50.000 US-Dollar pro Quartal zur Verfügung stand. Als im April 1958 die erste Ausgabe mit neuem Layout als 20seitiges Magazin erschien (Abb. mit Dizzy Gillespie oben links), war es schon so be- kannt, dass die Auflagenhöhe 10.000 betrug. Die Zeitschrift konnte man in Schallplattengeschäften, am Kiosk und zu Jazz- Konzerten für 1.-DM kaufen. Die meisten Exemplare allerdings wurden an Adressen von vermeintlich jazzinteressierten Men- schen in die DDR verschickt. Der inhaltliche Anspruch bestand darin, die westliche Lebensweise anhand Amerikas populärs- tem Exportartikel, dem Jazz zu propagieren. Dafür wurden Autoren wie Horst H. Lange, Werner Burkhardt, Heinz Lukasz, Joachim Ernst Berendt uvm. gewonnen, Artikel über den Jazz zu verfassen. Diese wandten sich oft ganz speziell an die Leser im Osten Deutschlands. Ab Nummer 8, April 1958, wird Siegfried Schmidt (damals noch ohne Namenszusatz Joos) als Mitarbeiter angekündigt (siehe Faksimile rechts) Der 22jährige (nicht wie vermerkt 25jährige) war gerade aus der DDR geflüchtet und bezeichnete später die Zeit seiner Mitarbeit am „schlagzeug“ als einen Crash-Kurs in Zeitschriften-Publizistik, bevor er das Innen- leben des Musikgeschäftes kennenlernen sollte. All das und die Turbulenzen jener Zeit während der Arbeit am „schlagzeug“ kann man im Buch „Die Stasi swingt nicht“ im Kapitel 16 „Das Jazz-Magazin ‘schlagzeug‘: Heiße Ware aus dem Berliner Äquator-Verlag“ detailreich und anschaulich nachlesen. Die letzte Nummer des Magazins erschien im Februar 1960. Humor in Jazz-Magazinen - Die Opa Hirchleitner Story

ach der Veröffentlichung die man noch antiquarisch erhalten ten.“1 Besonders in der Frankfurter des Beitrages „Der Jazz Fa- kann, enthält die Geschichte in einem Jazzszene schlugen die Geschichten ein, natiker“ von Gerhard Kluss- grafisch neugestalteten Booklet, das in gab es unzählige Fans, die nach den neu- N meier in der letzten Ausgabe Zusammenarbeit mit dem Bayerischen esten Heften lechzten, in denen die Fort- unserer Zeitschrift stellten wir an den Jazzinstitut entstand, und 20 vom Po- setzungen erschienen. Reaktionen einiger begeisterter Leser saunisten Albert Mangelsdorff produ- Der Sohn des 2013 verstorbenen Werner fest, dass Humor im Jazz und speziell in zierte Stücke aus dem Jahr 1958 mit drei Wunderlich, Stefan Wunderlich, gab uns Jazz-Magazinen rar geworden ist, wenn unterschiedlichen Bands, zu denen er auf Anfrage die Rechte zum Abdruck der dieser überhaupt noch vorhanden ist. durch die Opa Hirchleitner Story inspi- Story, wofür wir uns ganz herzlich be- Alles sei so ernst geworden, lautete das riert wurde. Ursprünglich wurde die danken! Sie werden in dieser und in den Fazit. Sigi Schmidt-Joos äußerte darauf- Story, welche als Folge einer Rumblö- nächsten Ausgaben in Folgen erscheinen. hin die Idee, die Opa Hirchleitner Story delei über vorherrschenden Fanatismus Die damals übliche Rechtschreibung doch mal wieder neu aufzulegen. Die unter Jazzfans entstand, in zwölf Folgen haben wir beibehalten. An einigen Stel- anregende Story des Jazzjournalisten im Jazz-Magazin „schlagzeug“ von Sep- len haben wir die Abbildungen wie in und Sekretärs der Deutschen Jazz Föde- tember 1958 bis August 1959 abge- den Originalausgaben verwendet. An ration Werner Wunderlich (1926 - 2013) druckt. Schmidt-Joos schreibt dazu: anderen wurden neue Grafiken von Hen- über Georg Hirchleitner, den „Nestor „Der DJF-Sekretär Wunderlich wuchs drik Ott-Loffhagen angefertigt. des deutschen Jazz“ erlangte in den spä- in dieser Geschichte, <…>, als liebe- Wir hoffen, dass auch die jüngere Ge- ten fünfziger Jahren Kultstatus. Sie ist voller Satiriker und einfühlsamer Ge- neration von Jazzfreunden an dieser heute nur noch wenigen Insidern be- schichtenerzähler über sich selbst hin- wundervollen Geschichte Gefallen kannt. Selbst nachdem Bear Family aus. Er schuf einen ganzen Kosmos aus findet, die auf subtile Weise aufzeigt, Records diese 2002 neuaufbereitet in biedermeierlich-deutschen Provinz- wie man dem akademischen Ernst einem aufwendig gestalteten Digipack Charakteren voller Herz-Schmerz- mancher Menschen mit Witz und Au- nochmals vollständig veröffentlichte, Beziehungen untereinander und pitto- genzwinkern Paroli bieten kann. schütteln auch heute noch Jazzfreunde, resken Musikerfiguren im New Orleans 1(Schmidt-Joos, Siegfried | Die Stasi swingt nicht- auf die Frage, ob Ihnen die Story be- vor dem Ersten Weltkrieg, die einander ein Jazzfan im Kalten Krieg | Ausgabe der Bundes- kannt ist, verneinend den Kopf. Die CD, auf süchtig machende Weise ergänz- zentrale für politische Bildung, S.532)

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o weitgehend heutzutage auch die Allgemein- heit über Entstehung und Entwicklung der Jazzmusik informiert sein mag, so muß doch S immer wieder festgestellt werden, daß gerade in Bezug auf den Mann, der schon in allerfrühester Zeit dem Jazz in Deutschland zu dem ihm gebühren- den Platz in der Aufmerksamkeit des Publikums zu verhelfen trachtete, nur äußerst spärliche Kenntnis zu verzeichnen ist. Wer beschreibt das Entsetzen des Verfassers, als er erfahren mußte, daß selbst namhafte und versierte Kenner der Materie über die wichtigsten Ereignisse im Leben Georg Hirchleitners, ja, schlecht- hin über seine Existenz selbst im Unklaren waren! BIOGRAPH H. WERNER Gewiß, man sollte sich über der Erforschung von Be- gleitumständen und Hintergründen nicht erbrechen, der Musik als solcher die nötige Beachtung zu versagen, doch wie innig greifen Theorie und Praxis gerade im Leben jenes Mannes, dem von Einsichtigen mit Recht der Ehren-Name „Nestor des deutschen Jazz” dediziert wurde, ineinander! Der Schreiber dieses schickt sich an, eine oft wahrhaft schmerzlich empfundene Lücke zu schließen und dem dringenden Bedürfnis nach Auskunft über jene Per- sönlichkeit, die so schätzbar wichtige Pionierdienste für den deutschen Jazz leis- tete, nachzukommen.

udwig Max Georg Hirchleit- verschwand und durch das Comptoir ner, geboren den 16. Juli auf die Tür der Wochenstube zuhas- 1873 zu Bollhausen an der tete durch die vor einer dreiviertel Donau, als Sohn des Baltha- Stunde der Kopf der weisen Frau L gelugt hatte, um dem ängstlich har- sar Hirchleitner, Kurzwaren-Händler dortselbst, und seiner Ehefrau renden Vater und Gesinde mitzutei- Dorothea aus dem Hause Daubinger. len: 's ist ein Knabe! Mutter und Hierorts den heutigen, beurkundet: Kind sind wohlauf, sank im schatti- Brosius, Amtspfarrer… gen Pfarrbureau der Menschenhirte „So, Meister Balthasar“, der brave in den weichen Fauteuil zurück. Ein Gottesstreiter blies den Streusand von verstehendes Lächeln huschte über der soeben beschriebenen Seite der Pfarrer Brosius' Züge, und er be- dickleibigen Bollhausener Chronik, schloß, ein Gläschen Trabertsberger „nun laßt Euch nochmals von Herzen auf das Wohl des neuen Schäfchens gratulieren, und dann marsch heim zu in der Schar der Gemeinde zu leeren. Eurem Weibe, gewiß wird die Gute Freilich ein ganz kleines nur, weil's schon mit Ungeduld auf Euch warten, ja doch der gute Doktor Mertens ei- um auf Eurem Antlitz die Freude über gentlich gar nicht erlaubt . . . den langersehnten Stammhalter zu Jene Eintragung in das Pfarramtsre- lesen.“ gister von Bollhausen ist „Ja, Herr Pfarrer, ja, ich das erste Dokument, das eile schon, ich wollt's doch über die Existenz Georg aber gleich anmelden, da- Hirchleitners Auskunft gibt. mit auch alles seine Rich- Doch wieviel sollte er noch tigkeit hat. Also ich dank von sich reden machen in schön und auf Wiedersehen den knapp acht Jahrzehnten auch, Herr Pfarrer.“ seines Lebens! Vorerst ein- „Gott befohlen, Meister mal erweist er sich als ein Balthasar, und einen Gruß Knäblein wie andere auch, an die wackere Frau schläft, lacht, weint, nimmt Dorothee!" Nahrung zu sich oder ver- Während der untersetzte, weigert sie gelegentlich und aufgeregte Mann mit flie- ist mit sich und der Welt genden Rockschößen über doch eigentlich recht zu- den Marktplatz eilte, in frieden. Der geneigte Leser, seinem Kurzwarengeschäft Der Marktplatz in Bollhagen am 20. Juli 1873 der begierig ist, das Leben

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Georg Hirchleitners von der musi- Weit davon entfernt, Schrecken oder kalischen Seite aus beleuchtet zu gar Reue ob dieser Untat zu empfin- sehen, wird es dem Autor gewiß den, freute sich Georg über den hellen gern verzeihen, wenn er die ersten Klang des platzenden Glases, das sei- Kindheitsjahre dieses bedeutenden nen Ohren ungemein wohltuend er- Menschen unter Bezeigung allen schien, ja, er ruhte nicht eher, bis einem wandernden Zirkus die große Respektes übergeht und dort fort- sämtliche Scheiben es waren die teu- Trommel bedient, als nämlich der auf fährt, wo sich zum ersten Male ein ersten, die Glaser Wendi führte mit diesem Instrument geschulte Künstler wenn auch noch nicht allzu klar Hilfe des väterlichen Stockes zer- infolge übermäßigen Genusses des erkennbares musikalisches Talent schellt waren, einen jeden Schlag mit vorzüglichen Trabertsberger hierzu im kleinen Georg offenbarte. lautem Jauchzen begleitend. Gleich- außerstande war. Dergestalt also dop- wohl hier mit der Freude am Klang pelt begnadet mit ererbten Talenten, An einem warmen Sommertage im vergnügte sich der Sohn Balthasar Jahre 1877 war's, als dem Knäblein die Liebe zu wenigstens einem Ele- ment der Musik zutage trat, verwun- Hirchleitners munter auf Großmutters ein arges Mißgeschick widerfuhr. Hörrohr. Im Begriff, mit dem Spazierstock dert es doch wohl niemanden, daß die des Vaters eine grünschillernde eilends von solchem Lärm herbeige- Einer der ersten, die diese vielverspre- Schmeißfliege zu jagen, die sich in rufene Mutter nicht mit dem musika- chende Musikalität in rechte Bahnen die Wohnstube der Hirchleitners lisch-ästhetischen Empfinden ihres zu lenken vermochte, war Kantor verirrt hatte, stieß er mit der Spitze Söhnchens einverstanden war. Das Schilch. Jener biedere Mann spielte eben jenes Instrumentes so heftig folgende Wehgeschrei Georgs, her- des Sonntags recht lieblich die Orgel gegen die Fensterscheibe, daß diese vorgerufen durch Mutters strafende und mühte sich unter der Woche, den mit lautem Klirren zerbrach. Rute, war auch zwar durchaus nicht Schulklassen der Jahreszeit entspre- unmelodisch, kann indessen hier noch chend Frühlings-‚ Sommer-, Herbst- nicht eigentlich als eine erste echte oder Winterlieder zu entlocken, frei- und eigene musikalische Aussage ge- lich mit wechselndem Erfolg. Kantor wertet werden. Schilch also erfuhr von den merkwür- Diese erfolgte vielmehr 16 Monate digen musikalischen Übungen später, als im Herbst 1878 der aufge- Georgs, bestellte ihn zu sich und be- weckte Knabe das Hörrohr der zu Be- gann, ihn im Notenlesen und in Har- such weilenden Großmutter entdeck- monielehre zu unterrichten. Zudem te. Den eigentlichen Zweck jener Vor- entlieh er sich vom Trompeter der richtung nicht achtend, setzte Klein- freiwilligen Feuerwehr des Ortes, Georg im Alter von fünf Jahren das Herrn Schärbler, das Horn und unter- Hörrohr an die Lippen und sang aus wies Georg im Gebrauche desselben. voller Kehle hinein, anfangs mißbil- Auf diesem Instrumente nun entfaltete ligt, doch später wohlwollend gedul- der Knabe eine derartige Fähigkeit, det von der gütigen Großmutter daß er schon im Alter von zehn Jahren Daubinger, deren Gebresten sie aller- seinen Lehrer überflügelt hatte, dem dings hinderte, die musikalischen darob der Atem stockte. Ein solches Darbietungen des geliebten Enkelkin- Talent kannte man in Bollhausen des in vollem Umfange zu genießen. wahrlich noch nicht! Georg vermoch- Wohl kaum einen der geneigten Leser te nicht nur eine einmal gehörte Melo- nimmt dies wunder, wenn er erfährt, die fehlerlos nachzuspielen, sondern daß schon der Urgroßvater des Jungen verstand es auch, sie so geschickt und auf Taufen und Hochzeiten fleißig ideenreich zu variieren, als ob es und leidlich die Flöte blies und gar schon damals gegolten hätte, Jazz zu einige Male beim Fürsten Baul im spielen. Allein, es sollte noch schöner nahen Schlosse zum Tanze aufzuspie- kommen . … len genötigt wurde; zudem hatte ein (Fortsetzung im nächsten Heft) Der kleine Georg im Alter Onkel mütterlicherseits einmal bei von acht Jahren (1881) Sein Chorus war der letzte, und als die Musik aufhörte, begann das Publikum geschlossen zu toben. Sie klatschten, pfiffen, trampelten, und als Arthur Hazard, um sie zu beruhigen, noch einmal auf- stand und den letzten Chorus wiederholte, gerieten sie völlig aus dem Häuschen. Rick klatschte nicht; er spürte, wie ihm eine Welle von Hitze in den Kopf stieg, und er trank seinen zweiten Gin in einem Zug, wie ein Glas Wasser, in der Hoffnung, die Hitze werde mit hinuntergespült. Jetzt fühlte er sich wohl, zugehörig, heimisch, ja, er war heimgekehrt. Diese Sorte Musik war das einzige Zuhau- se, das er je gehabt hatte, und hier war es, bleibend und beständig, ein solider Bau mit einem Licht im Fenster. Dorothy Baker, Ich mag mich irren, aber ich finde dich fabelhaft, dtv verlag, 2017, S. 170

Band 6, Ausgabe 1 S e i t e 2 3 Leipziger Jazzgeschichte(n) Take it easy, boys - Satchmo in Leipzig, März 1965

von Volker Stiehler

Foto: Ernst Höhne, Schwerin am 8. April 1965 am8. Schwerin Ernst Höhne, Foto:

as waren "Satchmo" Arm- warm angezogen. Besonders leiden war, erschien mit Verspätung, dafür mit strongs Worte, als er am 23. musste unser "Langer", Großmann am einem offiziellen Blumenstrauß, die März 1965 am späten Vormit- Banjo. Mit kalten Fingern entlockte er Direktorin der Konzert und Gastspieldi- tag auf dem Mockauer Flug- seinem Instrument das Mögliche. Als rektion Leipzig. Neben mir hielt einer, D Student der Grafikhochschule war sein für mich unfassbar, einen Hundert- hafen aus einer IL 14 die Gangway her- abstieg. Ob er damit die alles andere als Outfit für uns nicht alltäglich. Nicht etwa markschein hin, und der "Alte" machte luxuriöse zweimotorige IL 14 meinte, die diesen mit seinem Autogramm zum ihn und seine Allstars von Berlin nach Wertpapier. Leipzig durch die Luft geschaukelt hatte, Der Weg zum Flughafengebäude war oder ob er hörte und sah, wie angespannt leider nur kurz. Götz Wagner, unser 8 Leipziger Amateure ihm einen musika- Pianist, musste zwar auf seine instru- lischen Empfang zu bereiten versuchten, mentale Mitwirkung verzichten, hatte bleibt verborgen. Aber die Freude, die aber wegen fundierter englischer ihm anzumerken war, ließ das Zittern Sprachkenntnisse in den wenigen Mi- unserer Knie weniger werden. Ich hatte nuten der Kommunikation mit Satchmo das Glück, bei der musikalischen Zitter- die Nase vorn. partie dabei zu sein. Die Markranstädter Jazzärzte, die "Carbol Dandies", mit Den Weg von Mockau bis zum Hotel Freunden verstärkt, wollten den Berliner "Deutschland" am Karl-Marx-Platz "Jazzoptimisten" nicht nachstehen. Diese hatten wir schnell zurückgelegt und hatten den "Alten" in Berlin am Flugha- erwarteten in der Hotelhalle erneut die fen empfangen. Sie konnten allerdings Allstars. Dort gab der Oberbürgermeis- nicht wie wir bis zur Gangway vordrin- die lange sehr schlanke Figur, sondern ter einen Empfang. Wir durften in gen. Schließlich war damals im Gegen- seine schulterlangen fettigen Haare lie- Sichtweite bleiben. Das haben wir ge- satz zum Berliner Flughafengelände das ßen Satchmo laut lachend auf ihn zuge- nossen. Louis Armstrong und seine Mockauer Gelände kein gesperrtes hen. Dann blieb er vor "Igel" Hoffmann, Musiker fühlten sich in unserer Nähe Grenzgebiet. So konnten wir demonstrie- stehen, dem Chirurgen aus Markranstädt, offensichtlich ganz wohl. Wie sonst ren, dass im Leipzig der DDR nach wie der das Kornett blies, und sagte einen wäre es gelungen, auf Plattenhüllen, vor lebendiger Jazz existierte. Satz, den wir alle nicht vergessen wer- Programmheften, Eintrittskarten und den: "Your horn take me back to New zwei Plakaten von allen Allstars Auto- Der 23. März 1965 war ein sonniger kal- Orleans.“ gramme zu erhaschen. Als ich Satchmo ter Donnerstag. Die Schneemassen vom das Konzertplakat vorlegte und er sein Als unsere inoffizielle, aber für Arm- Monatsanfang waren weggeräumt oder Foto mit der schweißtriefenden Stirn strong angenehme Begrüßung zu Ende zu großen Teilen getaut. Wir hatten uns sah lachte er und sagte: "I write on my

S e i t e 2 4 Just For Swing GazetTE head ". Ich war in dem Moment bestimmt einer der glücklichsten Menschen. Etwa 20 Jahre später schenkte ich den "Elb Meadow Ramblers" eines dieser Plakate zum 25-jährigen Bandjubiläum. Das zweite Exemplar schmückte den "Blauen Salon" in der Gottschedstrasse 1, wo Donnerstagabend bis 2007 ab 21 Uhr Jazz auf der Tagesordnung stand. Heute ziert das Plakat meine Wohnung. Das Louis Armstrong 1965 in die DDR kam, galt in Ost-Berlin als Aushänge- schild für eine "weltoffene" DDR- Hauptstadt, in Leipzig als ein besonderer Beitrag zur 800-Jahrfeier der Stadt. Für die Jazzfans und viele darüber hinaus war es die einmalige Chance, ein Stück echtes New Orleans zu erleben. Letzteres zu vermitteln, ist Armstrong auf unvergesse- ne Art und Weise gelungen. Die Lebens- freude und Heiterkeit, die er auf der Büh- ne durch seine Musik ausstrahlte, konnte ich hautnah bei einer Begegnung mit dem bescheidenen Weltstar „backstage“ per- sönlich erleben. Seine warmherzige, väterlich- freundschaftliche kollegiale Art, fern jeder Starallüren, hat für mich Maßstäbe gesetzt, die ich danach in der Musik- und Kunstszene selten noch einmal anderswo so wiedergefunden habe. Take it easy! Diese von allen Mitgliedern der All Stars signierte Platte stammt aus der Sammlung des Autors. Das Kapitel schrieb er für das Buch „What a wonderful world – als Satchmo durch den Osten tourte.“

dem Nachlass des Trompeters und Sän- Satchmo spielt in bestechender Form, gers wurden in Zusammenarbeit mit dem sein Ton kraftvoll bis in höchste Höhen Louis Armstrong House Museum 16 all und ebenso sind all seine Mitstreiter time classics von guter Tonqualität aus- solistisch überragend. Die CD wird auch gewählt, die im Club Hangover in San als teurere, limitierte, mit ausführliche- Francisco, in den New Yorker Clubs ren und reich bebilderten Linernotes „Bop City“ und „Basin Street“, dem ausgestattete Sammlerversion über die „Storyville“ in Boston und dem „Brant Webseite von Dot Time Records ange- Inn“ im kanadischen Burlington vom boten. Ein Muss für jeden Armstrong Rundfunk mitgeschnitten wurden und Aficionado! Detlef A. Ott unveröffentlicht sind. Die zeitliche Span- ne reicht von 1950 bis 1958. Somit sind auch die Bands von Armstrong personell unterschiedlich besetzt. Anfangs der 1950er Jahre agierte die exzellente For- mation mit Jack Teagarden, Earl Hines, Louis Armstrong Barney Bigard, Arvell Shaw und Cozy The Nightclubs Cole. In späteren Jahren erfolgten diverse Dot Time Records DT8008 Umbesetzungen mit u.a. Trummy Young, Barrett Deems, Billy Kyle, Louis Armstrong spielte überall da, wo- Edmond Hall, Mort Herbert. Mit der hin ihn sein Manager Joe Glaser schick- Sängerin Velma Middleton sorgte Arm- te. Weil Tourneen mit häufigem Orts- strong in einzelnen Stücken vor gut ge- wechsel mit viel Stress verbunden waren, stimmten Zuhörern, unter denen sich im genossen die Musiker besonders jene Club Hangover auch Billie Holiday be- Tage, an denen sie länger an einem Ort fand, für erfrischenden Humor. Eins ha- spielen konnten. Dazu zählten Nightclub- ben alle Aufnahmen gemeinsam. Die Gigs. Das New Yorker Label DTR stellt Musiker sind hörbar entspannt, swingen Stephan Schulz / Detlef A. Ott nach den „Standard Oil Sessions“ nun enorm, sprühen vor Spielfreude vor ei- What a wonderful world Als Louis Armstrong durch den Osten tourte Sternstunden von Auftritten in diversen nem begeisterten, mitgehenden Publi- (248 Seiten) Hardcover Nachtclubs aus dem privaten Archiv kum, was maßgeblich für eine besonders ISBN 978-3-74505-244-2 Armstrongs vor. Von Tonbändern aus hohe musikalische Qualität sorgte. Über AMAZON und EPUBLI erhältlich

Band 6, Ausgabe 1 S e i t e 2 5 Schallplatten-Raritäten mit Jazz aus Belgien The complete recordings of Jack Sels & Modern Jazz in Belgium 1950-1970

(Bongos). Er verbrachte Various Artists als Musiker einer Armed Let's Get Swinging Force Band einige Zeit Modern Jazz In Belgium auf See. 1948 kehrte er 1950 — 1970 nach Antwerpen zurück. SDBANLP07 Von 1951 bis 1954 tourte Was fällt einem ein, wenn es um er in GI-Clubs auch in Jazz in Belgien geht? Den meisten Deutschland. Ab 1958 sofort der Mundharmonikaspieler arbeitete er für das belgi- Toots Thielmanns, wenigen sche Radio. Dort hatte er Francy Boland oder Philip Cathe- eine wöchentliche Sen- rine, um nur ein paar Beispiele zu dung „Levende Jazz“. Mit nennen. Der Grund mag darin Lester Young trat er in einer Show kurz vor liegen, dass die meisten belgischen Musi- dessen Tod in Belgien auf. Diese Bänder ker im Ausland tätig waren, als Belgier oft scheinen allerdings nicht mehr zu existieren. gar nicht und die kleine Jazzszene in Bel- Von 1963 an nahm der Saxophonist seine gien außerhalb ihres eigenen Environments eigene Musik im flämischen Radio auf. Die wenig wahrgenommen wurde. Eine exzel- Gruppen, die er dazu zusammenstellte, hatten lente Retrospektive über moderne, belgi- unterschiedliche Namen. Der Band sche Jazz-Szene der 1950er bis 1970er uf der Leipziger Plattenbörse, die „Saxorama“ gehörten Mitglieder des Radio- seit kurzem im neueröffneten Haus Jahren schafft dem jetzt Abhilfe und prä- tanzorchesters an. Für ein Radioprogramm sentiert auf einer Doppel-LP eine Art „The Leipzig in der Elsterstraße stattfin- „Jazz Panorama“ stellte er Formationen zu- det, fand ich neulich in einer Kiste Best of“ von längst verschollenen und nur A sammen, die „The Clouds“ und „Al Jones noch schwer zu findenden Schallplatten. mit Sonderangeboten eine besondere Rarität. Trio“ hießen. Aus dieser Zeit stammen jene Mit Aufnahmen des jungen Gitarristen Zwar sieht die Platte, auf der das Porträt und Aufnahmen der Schallplatte „The complete der Name Jack Sels aufgedruckt ist, nicht sehr Philip Catherine, der erst kürzlich ein wun- Jack Sels“. Die Auswahl der hier versammel- derbares Konzert in Chemnitz spielte, des ansprechend aus. Dem Händler muss die Rari- ten Titel reicht von Kompositionen von Bud tät allerdings nicht aufgefallen sein. Man sah im nebenstehenden Beitrag schon erwähn- Powell bis Sonny Stitt sowie einer Reihe von ten Saxophonisten Jack Sels, des Multi- es am Preis. Aufnahmen mit dem belgischen Eigenkompositionen Jack Sels‘. Saxofonisten Sels sind sehr rar. Bisher war instrumentalisten Jacques Pelzer und des Sels verstarb am 21 März 1970. Der Tatsache, mir nur ein Titel mit dem belgischen Saxo- Vibrafonisten, Percussionisten und Voka- dass er nur auf lokaler Szene vertreten war listen Fats Sadi Lallemand liefert diese phonisten Jack Sels auf der LP „Cool Europe“ und wenige Platten machte, ist sein geringer auf dem Berliner Label Sonorama bekannt. Veröffentlichung neben gesuchten akusti- Bekanntheitsgrad geschuldet. Sein Saxophon- schen Raritäten wie den Aufnahmen von Auf dem Plattencover erfährt man, dass Sels spiel dagegen war grandios und ist ein Beweis vornehmlich in Antwerpen auftrat und die Jack Sels mit dem amerikanischen Saxo- für die Zeitlosigkeit von Jazzaufnahmen und phonisten Lucky Thompson oder dem Stadt so sehr liebte, dass er sie nur für kurze dass es sich immer wieder lohnt, die Augen Zeit verließ. Geboren wurde er am 29. Januar jungen Francy Boland, der später gemein- auf Plattenbörsen offen zu halten. sam mit die gleichnamige 1922. Als Junge soll er ein paar Stunden Kla- You‘ll never know! (DO) vierunterricht gehabt haben und war als Saxo- Bigband in Köln gründete, auch ausgiebige Linernotes über Geschichtliches, die betei- phonist, Komponist und Sänger Autodidakt. Aufnahmen mit Sels auf Youtube: Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ligten Musiker und die ausgewählten Stü- https://youtu.be/U4WhFI7YTS8 cken samt Abbildungen der Cover der eröffnete er eine Eisdiele und arbeitete auf https://youtu.be/6G14L46QZPQ Booten. Am Ende des Zweiten Weltkriegs verwendeten Platten. Das Titelbild Einen ausführlichen Lebenslauf kann man „Hommage to Eric Dolphy“ (1975) stammt erlaubten es ihm seine guten Englischkennt- auf der belgischen Internetseite nachlesen: nisse, mit den in Antwerpen stationierten US- vom Grafiker Luc Hoenraet, der selbst http://www.jazzinbelgium.com/person/ zwei Jazzmagazine herausbrachte: „Hot Soldaten in Kontakt zu treten. Seine Vorbilder jack.sels waren die Saxophonisten Illinois Jacquet, And Cool“ und „Jazzspiegel“. (DO) Lester Young, Sonny Stitt und Wardell Gray. Später begann er mit Musikern der neuen belgischen Generation zu spielen: Saxofonis- ten Bobby JASPAR und Jacques PELZER, Gitarrist René THOMAS, Bassisten Benoît QUERSIN, Jean WARLAND und René GOLD-STEIN, Posaunist Christian KEL- LENS, Pianist Francis COOPIETERS , SADI, Toots THIELEMANS. Beeindruckt von der

Dizzy GILLESPIE Big Band, die 1948 nach

Antwerpen kam, beschließt Jack SELS, eine Fotoby Steglich, Dirk Lichtenstein Big Band zu gründen, für die er Musik schreibt. Die Band macht ein beeindruckendes Debüt mit einigen der besten Musiker im Jahr 1949: Trompeten: Paul HEYNDRICKX, Charlie KNEGTEL, Theo MERTENS, Her- man SANDY und Nick FISSETTE; Posau- nen: Nat PECK, Frans VAN DIJK, Jan MER- TENS und Christian KELLENS; Saxophone: Jay CAMERON, Marcel PEETERS, Gene VERSTREPEN, Bobby JASPAR und Roger ASSELBERGHS, Jean WARLAND (b),

Francis COPPIETERS (p), John WARD (dr), Rudy FRANKEL (Congas) und Bill VILEZ Philip Catherine (links) mit Paul Morello (g) und Sven Faller (b) in Chemnitz am 30.9.2017

S e i t e 2 6 Just For Swing GazetTE Neuerscheinungen auf dem Platten– und Büchermarkt

Pete York len im Geiste des Swing kleine Weihnachts- chen, denn die CD ist nicht im Handel erhält- And the Susie Who Swing Revue stücke, die durch ihre Leichtigkeit dem Fest lich, sondern exklusiv bei Dukies-Konzerten. das Schwülstige entziehen und mit Frohsinn Stückpreis 15 Euro. Leider hatte eingängig swingende Popmusik und subtilem Witz für wohltemperierte Selig- Gerhard Klußmeier nach amerikanischen Vorbildern, nice and keit sorgen. Die CD ist ein wohltuender Ge- easy, in Deutschland noch nie einen Mas- gensatz zu den üblichen Interpretationen von Herman Schoonderwalt senmarkt. Dass auch diese Scheibe als Christmas-Songs. Der Band gehören die The Winner handfeste CD schon wieder vergriffen ist, Brüder Guillaume Bertrand (b), Benjamin Treasures of Dutch Jazz – Dutch Jazz Archive muss man beklagen. Pete York, als Drum- Bertrand (g, perc) und Valentin Bertrand (g) Amsterdam, The Netherlands mer und Vokalist in München ansässig, ge- an. 2010 begannen sie ihre Leidenschaft zum NJA 1702 hört als Teil des Rock-Duos Hardin & York Beruf zu machen und hatten nach der Veröf- www.jazzarchief.nl längst zur Pop History, aber wer ist Susie fentlichung ihres ersten Albums „Primo“ im Who? Ihr fein abgestimmter Wechselgesang März 2014 schon über 150 Konzerte gespielt, In der Jazzliteratur ist zu lesen, dass die Klari- swingt, strahlt Optimismus und Lebensfreu- wobei sie immer auch anderen talentierten nette nach ihrer Zeit in der Swing-Ära im de aus und bezaubert durch umwerfenden jungen Musikern ein Podium boten. 2015 ist Jazz ein Schattendasein führte und im moder- Charme. Erfahrene Studio-Cracks wie der es ein Zusammentreffen mit Matthias Hulot, nen Jazz schwer Fuß fassen konnte. Hier und unlängst verstorbene Tastenkünstler Kristi- das dem Trio die Möglichkeit gab, seine da gab es immer mal den Hauch einer Renais- an Schultze (Doldingers "Passport") ver- Klangpalette zu erweitern. Indem die Ber- sance des schwierigen Instruments, wenn Mu- edeln die Produktion. Das Stück "Angels trand-Brüder diesen jungen Klarinettisten auf siker wie Tony Scott, Jimmy Giuffre, Buddy Only Live In Heaven" begleitet Barbara die Bühne einluden, skizzierten sie ein neues, DeFranco, Eddie Daniels oder Rolf Kühn das Dennerlein hinreißend auf der Orgel, zu originelles und ehrgeiziges Projekt, das vom Instrument auf stilistische Nebenwege führten "Loop De Loop" steuert Torsten Goods ei- Geist Django Reinhardts und seinem Jazz und jeder auf seine Weise den Klang des In- nen beseelten Gitarrenchorus bei. Neben französischer Lebensart animiert ist. Auf der struments in modernere Spielformen des Jazz den Standards "Someone To Watch Over neuen CD, die mit einer berührenden Version transferierte. In Holland war der Gralshüter Me" (George Gershwin), "Misty" (Erroll des Klassikers „Si tu vois ma mère“ endet, der Klarinette Herman Schoonderwalt (1931- Garner) und "I Fall In Love Too Ea- ist das Trio nun kongenial als Quartett erwei- 1997) der mit stoischer Gelassenheit ihren sily" (Jule Styne) stammen so gut wie alle tert und mit Matthias Hulot (cl) als Gast zu Platz im Jazz sicherte. Das Niederländische Songs vom Münchner Komponisten Diet- hören. Ihr Motto ist simpel: drei Brüder, Jazzarchiv veröffentlicht nun mit „The Win- mar Kawohl, der auch als Produzent für die Jazz ... und Swing! ner“ von 1964 einen Meilenstein des hollän- ganze Angelegenheit verantwortlich war. [email protected] dischen Jazz mit diesem wunderbaren Klari- Kawohl ist ein Profi. Er hat neben zahllosen Detlef A. Ott nettisten, Altsaxophonist, Bandleader und Fernsehmusiken Songs für fast alle deut- Komponisten in sechs verschiedenen Konstel- schen und viele internationale Schlager- Duke & Dukies lationen. Von der in Mono produzierten LP Stars von Peter Alexander bis Roger Django Holics gab es seinerzeit einige hundert Exemplare, Whittaker (und immer wieder Boney M) die bald für viel Geld gehandelt wurden. Als komponiert. Mit dieser CD hat er sich wohl Am 21. Oktober wurde die erste CD der der erste Preisträger des holländischen Wessel selber einen Wunsch erfüllt. Im Brill Buil- Hamburger Swing Combo der Öffentlichkeit Ilcken Jazz Awards Anfang der sechziger ding am New Yorker Broadway, wo Auto- präsentiert, einer relativ jungen Band, sowohl Jahre erhielt Schoonderwalt die Chance, mit ren wie Paul Anka, Carole King oder Paul hinsichtlich des Bandlebens, als auch dem von ihm bevorzugten Musikern diese Platte Simon in den fünfziger bis siebziger Jahren Alter ihrer Bandmitglieder nach. Und wer zu machen. Neben eigenen Kompositionen einen Gutteil von Amerikas Pop-Hits konzi- nun meint, ohnehin schon genug „Gipsy- wählte er Stücke von Porter, Gershwin, Weill pierten, hätten Dietmar Kawohl und sein Swing“ auf LPs und/oder CDs zu besitzen, und Miles Davis aus. Sie machen uns ob ihrer Textpartner Peter Bischoff damals jeden- dem sei gesagt, dass die Band hier zwar den Zeitlosigkeit sprachlos, aber auch der Konge- falls eine gute Figur gemacht. Spuren des Django Reinhardt folgt, doch ihm nialität vieler Mitwirkender wie des Pianisten Siegfried Schmidt-Joos nicht sklavisch nacheifert. Die Band zeigt Rob Madna, des Bassisten Ruud Jacobs oder hier (bewies es schon beim „Swinging Ham- des Schlagzeugers Cees See wegen. Schoon- Just For Swing burg City Jazzwalk 2015“ und auch im derwalts Ton klingt sanft, entspannt und für Noël en Jazz (JFS003) Jazzclub Bergedorf), dass sie ein eigenständi- sein damaliges Alter erstaunlich ausgereift. ges Profil hat, welches das Publikum (und das Mit flinken Fingern formt er rasante und Unsere Namensvetter aus Frankreich ent- gilt es zu erwähnen) musikalisch mitzureißen scheinbar leicht fließende Melodielinien mit deckten wir durch Zufall im Internet. Auch vermag und nicht mit Show-Effekten. Das technischer Brillanz über mehrere Oktaven wenn Weihnachten mit all den neu-kreierten wird auf dieser CD hörbar, und die gelunge- springend, das mittlere und hohe Register be- Versionen der Werbebranche für eine ver- nen Arrangements beweisen Vielseitigkeit vorzugend. Auch in Balladen klingt sein Spiel blödete Shopping-Generation mit „Ihr und sorgen so dafür, dass man die Scheibe kräftig und gehaltvoll. Die Stücke werden Shopperlein kommet“ oder „Lasst uns gut (45 Minuten Spieldauer) nicht nach wenigen erstmals in Stereo präsentiert, mit einem aus- und günstig sein“ überstanden ist, steht das Stücken abbbricht, denn es kommt deutlich führlichen und informativen Begleittext, in neue Fest schon quasi vor der Tür. Dafür mit jedem Stück – ob langsam oder schnell – dem die Entstehung zeitgeschichtlich einord- kann man nicht langfristig genug vorsorgen. immer wieder etwas Neues, mit bekannten net wird. Die originalen Linernotes und selte- Hier ein Tipp aus dem Fundus einer kleinen und weniger bekannten Themen. Ein gelun- ne Fotos runden die auf 500 Kopien limitierte Zuwendung, die uns verspätet für die De- genes CD-Debüt, jedem Musikfreund wärms- CD ab. Neben acht Stücken von der LP fan- zember Ausgabe des letzten Jahres erreich- tens ans Herz gelegt und Anstoß, im Jazz- den noch fünf weitere Platz, die als Sound- te. Vier sympathische junge Franzosen spie- Kalender nach Auftritten der „Dukies“ zu su- track für den Dokumentarfilm „Mensen van

Band 6, Ausgabe 1 S e i t e 2 7 morgen“ aufgenommen wurden. Hier begeg- CDs im Jahr 1988, hat ein untrügliches Ge- dieses umfang- nen wir dem deutschen Musiker Peter spür für die musikalischen Bedürfnisse seiner reiche und Trunk, der zu den besten Bassisten Europas Kundschaft. Für ihn ist Musik ein Heilmittel schwergewich- zählte und durch seinen viel zu frühen tragi- in allen Lebenssituationen, und wie ein tige Lebens- schen Tod mit 37 Jahren eine große Lücke Sangoma hat er die Gabe, intuitiv die Bedürf- werk (von dem in der Jazzwelt hinterließ. Seine enorme Re- nisse seiner Kunden aufzuspüren. Ob der es, wie man putation auf der Jazzszene (Mitwirkung u.a. Buchtitel im Deutschen deswegen unbedingt hört, sogar bei der Aufnahme Ben Webster meets Don treffender ist als im Original, bei dem es noch einen Byas auf MPS 15 159), sein künstlerisches schlicht und einfach „The Music Shop“ zweiten Band Interesse und permanente Neugier, sich im heißt, muss jeder selbst entscheiden. Der olle geben soll) sich Zusammengehen mit unterschiedlichsten Zausel, dessen Bewegungsradius - ohne in einmal zu einer Musikern stets weiterzuentwickeln, führten Analyse der ge- ihn auch nach Holland, wo er den Schlag- samten afro- zeuger Cees See für sich „entdeckte“, mit „Gerade unsere Unterschiede amerikanischen dem er und das legendäre machen uns reicher.“ Musik des 20. New Jazz Trio gründete. Diese sechs Bonus Jahrhunderts Tracks sind so etwas wie das Sahnehäub- auswachsen würde, konnte niemand ahnen. chen der CD und für Fans von Trunk ein Atemnot zu geraten - vom Plattenspieler zum Das rhythmische Phänomen swing zwischen wichtiges Mosaik im Schaffen des kongeni- Plattenregal reicht, ist der Sympath des Ro- Afrika und Europa zu deuten, hatten Musiko- alen Bassisten, über den Behrendt einst mans, in dem nicht in Kapiteln, sondern von logen wie Alfred Baresel, Jan Slawe, Alfons schrieb, dass kein anderer europäischer Bas- Seite A bis D einer Doppel-LP plus Hidden M. Dauer, Carlo Bohländer, André Asriel sist die Kraft und Expressivität schwarzer Track und einer Playlist aller im Laufe der und auch Joachim-Ernst Berendt, letzterer in Musik besäße wie er. Geschichte erwähnten Musikstücke so eini- seinem berühmten "Jazzbuch", vor Jahren er- Detlef A. Ott ges Interessante über die Wirkung von Musik gebnislos versucht. Manfred Miller setzt hin- erzählt wird. Der Soundtrack reicht von Bach ter ihre Erklärungsversuche einen definitiven Rachel Joyce über Miles Davis bis zurück zu Händel. Die Punkt. Die Erlebnisform swing, die er hier Mister Franks fabelhaftes Talent für Har- Story ist ansonsten banal, handelt von skurri- erweiternd groove nennt, hat nichts mit monie len Menschen mit dem Hang zum Außensei- Synkopen zu tun und ist in unserer Noten- ter, die die moderne Welt eines angepassten schrift nicht notierbar. Die Blue Notes sind FISCHER Krüger, 2017 | 384 Seiten konsumsüchtigen Schleimscheißertums skep- nicht das Ergebnis einer harmonischen Unsi- ISBN-10: 3810510823 tisch und mit Widerwillen betrachten. Uns cherheit afrikanischer Sklaven (und deren ISBN-13: 978-3810510822 begegnet ein auf die sich im Verfall befin- amerikanischer Abkömmlinge) im Gebrauch denden Grundstücke spekulierendes Bauun- der europäischen Dur-Tonleiter, sondern sie Eine Bestseller ternehmen, das für reichlich Wirbel sorgt, ei- dienen der textlich-musikalischen Akzentuie- Autorin wie die ne junge mysteriöse Deutsche, die sich in rung. Der Autor verdankt seine Erkenntnisse Britin Rachel Frank verknallt und deren schwierige sich neben seinem akademischen Studium und der Joyce fühlt den dahinziehende Liaison bis zum etwas zu jazzmusikalischen Praxis an der Trompete Zeitgeist, kennt „grandiosen“ Finale von viel Musik begleitet vor allem einer lebenslangen Recherche. Er ihre Leser- wird. Eine hübsche Story über Musik, Liebe, scheint jede einzelne 78er Schellack-Platte schaft. Zielsi- Harmonien, Konflikte einer immer aus- mit afroamerikanischer Musik abgehört zu cher entwickelt tauschbareren Welt und deren kulturelle Ge- haben, die zwischen den zwanziger und fünf- sie in ihrem genparts für harmoniesüchtige Leser, die ziger Jahren des 20. Jahrhunderts aufgenom- jüngsten Roman man zum Ausgleich und zum puren Vergnü- men worden ist und zitiert daraus mit allen mit philoso- gen wärmstens empfehlen kann. Bestellnummern und Daten. Damit dürfte er phisch musika- musikalische und jazzhistorische Laien unter lischen Ingredi- Detlef A. Ott seinen Lesern streckenweise überfordern. enzien eine rüh- Aber er schreibt persönlich, dialogisiert mit rende Liebesge- Manfred Miller seinen Lesern und würzt seinen Text immer schichte, for- Um Blues und Groove wieder mit frischen Anekdoten. Einzelne muliert kurz- Passagen über Künstler wie Sammy Davis jr., weilig, flüssig und leicht verständlich und Heupferd Musik; Aretha Franklin, Frank Sinatra, Tony Ben- landet damit auf der SPIEGEL Bestsellerlis- Originalauflage (1. September 2017) nett, Nina Simone oder auch über die Jazzpo- te. Das ganze wäre für unsere LeserInnen ISBN-10: 3923445180 lizei sind zum Niederknien. weniger interessant, wenn es sich dabei ISBN-13:978-3923445189 nicht auch um die Liebe zur Musik und im "Um Blues und Groove" - vielleicht das Besonderen zur Schallplatte handeln würde. Jahrzehntelang habe ich gehofft, dass Man- wichtigste Jazzbuch in deutscher Sprache Der Vinyl-Boom macht’s möglich! Denn fred Miller seine einmalige, einst für den seit dem Berendt. Frank, der Besitzer des Plattenladens in ei- Rundfunk entwickelte Fähigkeit, amerikani- Siegfried Schmidt-Joos ner alten heruntergekommenen Einkaufs- sche Blues-Texte nicht nur akkurat, sondern straße irgendwo in England mit strikter kongenial einzudeutschen, auch einmal in ei- Aversion gegenüber den aufkommenden nem Buch dokumentieren würde. Dass aber

„Im Jazz geht es um den Raum zwischen den Tönen. Darum, was passiert, wenn du in dich hinein- hörst. Den Lücken und den Rissen zuhörst. Denn dort spielt sich das wirkliche Leben ab, wenn du mutig genug bist, dich auf den freien Fall einzulassen.“ (Joyce, Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie, S. 121)

„Bach war ein Genie“, sagte sie, während sie großzügig Kleister an die Schlafzimmerwand klatsch- te. „Er war einfach der Wahnsinn. Was der mit einem simplen kleinen Liedchen anstellen konnte, wenn er darüber improvisierte. Er hat es gedreht und gewendet, mal von hinten nach vorn gekehrt, mal von oben nach unten, und schon war’s ein Hit. Er brauchte das Zeug nicht mal hinzuschreiben, hat sich alles im Kopf ausgedacht. Jazz pur, Frank. Der Kerl war Jazz pur, mitten im verdammten Barock, mitten in Deutschland.“ (Franks Mutter Peg, S. 100, ff)

Zum 80. Jubiläum des legendären Carnegie Hall Konzerts von Benny Goodman 1938

Swing, Swing, Swing – A Tribute to Benny Goodman

NDR Bigband Leitung: Jörg Achim Keller www.jazzfan24.de/JFS/ www.hotandbluejazz.de Rolf Kühn Klarinette Émile Parisien Saxofon Christopher Dell Vibrafon Iiro Rantala Klavier Lars Danielsson Kontrabass Jeff Hamilton Schlagzeug

Fr, 16.03.2018 | 20 Uhr Berlin, Philharmonie Sa. 17.03.2018 | 20 Uhr Hannover, Großer Sendesaal des NDR So, 18.03.2018 | 20 Uhr Hotel Chemnitzer Hof Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio 16.3. 2018 um 21:00 Reggie Moore (p), Michael Kersting (dr), Martin Lillich (b)

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