Parzival Von Wolfram Von Eschenbach1 Dermatological Peculiarities in Wolfram Von Eschenbach’S Romance on Parzival
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186 Von den Wurzeln unseres Fachs Dermatologische Besonderheiten im höfischen Roman: Parzival von Wolfram von Eschenbach1 Dermatological Peculiarities in Wolfram von Eschenbach’s Romance on Parzival Autor E. G. Jung Bibliografie Einleitung DOI 10.1055/s-0028-1119559 ! Akt Dermatol 2009; 35: „Parzival“ ist ein höfischer Roman von Wolfram 186–189 Georg Thieme von Eschenbach (vermutlich 1170–1220), wel- Verlag KG Stuttgart · New York chen er, wahrscheinlich in zwei Abschnitten, ISSN 0340-2541 zwischen 1203 und 1210 verfasste, teilweise Korrespondenzadresse wohl auf der Wartburg. Als Quelle diente der un- Prof. Ernst G. Jung vollendete Text „Perceval“ von ChrØtien de Troyes Maulbeerweg 20 (1150–1190), den dieser nach 1181 in Flandern 69120 Heidelberg schrieb. [email protected] In der Parzivalgeschichte [1] spielen zwei eigen- ständige Figuren mit unterschiedlichen dermato- logischen Besonderheiten eine einflussreiche Rol- Abb. 1 Die Elster, Symbol der schwarz-weiß ge- le. Es sind dies „Feirefiz“, der von Wolfram von scheckten Haut als Elsterngleichnis im Prolog zum „Parzival“. Eschenbach neu eingeführt wurde, und „Cun- drie“, die schon bei ChrØtien de Troyes erscheint. Sie sollen hier dargestellt werden. Es stellt sich Parzival aber wird Artusritter, heiratet Condwira- die Frage, inwieweit die Besonderheiten der Haut murs und trifft auf der Suche nach der inzwi- in bedeutsamer Beziehung zur Hauptfigur Parzi- schen verstorbenen Mutter zufällig auf die Grals- val und dessen Entwicklung stehen. burg. Dort wird er vom schwerkranken König Feirefiz (vaire fiz, gescheckter Sohn) ist der Halb- Amfortas empfangen, versäumt aber die „Mit- bruder Parzivals. Beider Vater ist der unstete Rit- leidsfrage“ und kommt verstört an den Artushof ter Gahmuret, der auf seiner ersten Orientfahrt zurück. Nun tritt die Gralsbotin Cundrie auf, die heidnische Mohrenkönigin Belakane befreite schildert Parzivals Herkunft, sein Fehlverhalten und heiratete. Mit ihr zeugte er Feirefiz. Wieder bei Amfortas und verflucht ihn. Sie kündigt auch zurück, heiratete er Herzeloyde, die Schwester vom Halbbruder Feirefiz „wahrlich er ist schwarz des Gralkönigs Amfortas. Bevor der Sohn Parzival und weiß, der Sohn der Königin von Zazamanc, geboren wurde, zog Gahmuret wieder in den Ori- weiß und schwarz ist er zugleich, Feirefiz von An- ent, wo er zu Tode kam. Im ersten Buch wird über jou“ (317,8–10; 328,17). Parzival weiß nun Be- die Geburt von Feirefiz erzählt: „zur rechten Zeit scheid. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. gebar die Edle (Morenkönigin Belakane) einen Parzival geht auf Wanderschaft, besteht manche zweigefärbten Sohn. Er war schwarz und weiß Gefahren und Prüfungen, hadert mit Gott und zugleich! Sie nannte ihn Feirefiz von Anjou. Die wird vom Einsiedler Trevrizent wieder bekehrt. ganze Haut und seine Haare waren scheckig wie Nach Jahren trifft er im Feld den Artushof und be- die Elster“ (57,15–28). Bezug wird hier wohl auf gegnet dort dem unbekannten Ritter aus dem das Elsterngleichnis im Prolog genommen Morgenland. Es kommt zum Zweikampf. Beide (l" Abb. 1). sieggewohnten Ritter erfahren erstmals in ihrem Soviel zur Einführung von Feirefiz. Leben einen gleichwertigen Gegner, gleich gut gerüstet, gleich kraftvoll, mutig und geschickt. 1 Herrn Prof. Dr. Fritz Peter Knapp, Ordinarius der Älteren Der Kampf bleibt unentschieden, bis das Schwert Deutschen Philologie (Mediävistik) der Universität l" Heidelberg zu seinem 65. Geburtstag am 6. Juli 2009 in von Parzival bricht ( Abb. 2). herzlicher Zuneigung gewidmet. Jung EG. Dermatologische Besonderheiten im höfischen Roman… Akt Dermatol 2009; 35: 186–189 Von den Wurzeln unseres Fachs 187 metrie und Astrologie (312,19–26) und ist vortrefflich höfisch Abb. 2 Duell der gekleidet. Sie ritt auf einem Maulesel und wirkte nicht sehr da- Halbbrüder Parzival (mit zerfetztem Schild) menhaft. Doch ihr Benehmen: Raserei! (312,4). So viel zum Ver- und Feirefiz mit halb- halten von Cundrie. seitig schwarzem Ihr Äußeres war erschreckend und so beschrieben: Gesicht, aus [3]. Behaarung: die Kopfhaare als Zopf, schwarz, starr und hässlich, „weich“ wie Schweine-Rückenborsten, die Brauen verzopft, bis an das Haarband hoch, das Gesicht ganz behaart, Hände wie Af- fenfell; sie brauchte keinen Hut, die Sonne hätte ihr nichts getan, sie konnte die behaarte Haut mit ihren Strahlen nicht mehr bräunen (313, 314,1–9; 780,25–28). Die Fingernägel wuchsen wild, wie Löwenkrallen. Das Gesicht ist entstellt, die Ohren wie ein Bär, Hundeschnauze, lange Zähne, Eberzähne, und die Lippen bläulich wie ein Veil- chen. Die Augen leuchten gelb wie Topase. Cundries Bruder Malcreatiure war genau ihr Ebenbild, grauslich anzusehen. Eckzähne wie ein wilder Eber, sein Haar war nicht ganz so lang wie bei Cundrie, doch stachlig kurz, wie Igelfell (517,21–27)! Feirefiz legt das seine ebenfalls weg, er kämpfe nicht gegen ei- Fazit: Angeborene Hypertrichose und Onychogryphose bei zwei nen unbewaffneten Ritter. Mit Respekt und Neugier nähern und Geschwistern, vergesellschaftet mit einem Gesicht, das an Akro- erkennen sie sich. Nachdem sie die Helme absetzten, erkennt megalie erinnert, wohl autosomal-rezessiv vererbt. Es könnte Parzival die Erkennungs-Charakteristik „wie beschriebenes Per- sich um das sehr seltene Syndrom „Akromegaloides Gesicht mit gament, wechselweise schwarz und weiß“ (747,25–27) und auf- Hypertrichose“ handeln, dem allerdings die Onychogryphose grund des elsternartig gescheckten Gesichtes (748,7) den Feire- fehlt. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass retrograde fiz als seinen Halbbruder. Zum Fest der Verbrüderung tritt die Diagnostik immer hypothetisch bleiben muss. Gralsbotin Cundrie wieder auf und beruft Parzival mit Frau Condwiramurs und den Söhnen Kardeiz und Lohengrin zum Gralkönig. Dieser wählt den Halbbruder Feirefiz zu seinem Be- Besprechung gleiter bei der Inthronisation. Feirefiz aber, der gefleckt-ge- ! scheckte Heide (810,10), vermag den Gral nicht zu sehen. Er Feirefiz trägt einen angeborenen Pigmentdefekt, wahrscheinlich wird bekehrt, getauft und heiratet die Gralsträgerin Repanse de das homogene Braun des Mischlings, durchsetzt mit weißen Schoye, Schwester von Amfortas und von Herzeloyde, und sie Arealen am ganzen Körper, was vordringlich und nicht zu über- verabschieden sich nach Osten. sehen im Gesicht hervorsticht. Dies ist so bedeutsam, dass es zur Fazit: Feirefiz als Mischling der schwarzen Mutter mit einem Charakterisierung der Person dient. Er wird wiederholt darauf keltischen Ritter ist nicht homogen braun pigmentiert, sondern angesprochen und in Gesprächen regelmäßig damit charakteri- zeigt ab der Geburt die mehr oder weniger schwarze Grundfarbe siert. Der weiß und schwarz gescheckte Feirefiz wird also durch der Mutter mit einem Muster von mosaikartig angeordneten, sein Mal charakterisiert sowie durch sein Heidentum. Der weißen Arealen, was den gescheckten Aspekt ergibt, schwarz Pigmentdefekt dient aber auch der Erkennung. Schon bei der Ge- und weiß. Die Mutter küsste bei der Geburt schon die weißen burt küsst ihn seine Mutter liebevoll, anerkennt ihn mit dem Mal Stellen liebevoll (57,15–22) und benannte ihn „Feirefiz“. Feirefiz und benennt ihn dementsprechend als „gescheckten Sohn“ ist also kein normaler Mischling, sondern Einzelkind mit einer (57,15–22). Die zweite Erkennung erfolgt durch den Halbbruder angeborenen und persistenten Pigmentstörung ohne assoziierte Parzival nach dem Zweikampf, wiederum durch die Pigmentauf- Symptome, wie sie beim Piebaldismus vorkommt. Eine erworbe- fälligkeit im Gesicht, die Parzival von Cundrie vorausgesagt be- ne Pigmentstörung Vitiligo kommt demnach nicht in Frage. kommen hat. Parzival und Feirefiz als Halbbrüder sind ver- Allenfalls kommt noch eine nävoide, postzygotische somatische gleichbar tapfer, edel und höfisch gewandt. Im Kampf sind sie Mutation in Betracht, wobei die mutierten Areale entweder dun- annähernd gleich stark und erfahren, wenn auch Parzival nach kelrot (Feuermal), mit bräunlichen Verhornungsstörungen der Erkennung dem Feirefiz das Erstgeburtsrecht zuerkennt (ichthyosiform oder Darier-artig), pigmentiert oder eben weiß und damit eine familieninterne Reihung vornimmt. Auch in al- erscheinen. Ein Solitärfall also von einer autosomal-rezessiven len anderen Bereichen, inklusive in der Gunst der Frauen sind Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Pigmentanomalie (Piebaldismus) oder eine nävoide, somatische beide gleich erfolgreich. Unterschiede bestehen nur in der Reli- Mutation ohne Vererbbarkeit [2,3]. gion und dem Pigmentmal von Feirfefiz. Eine kleine Einschrän- Die Gralbotin Cundrie ist dem Artushof zusammen mit ihrem kung ist erkennbar, als der Knabe Lohengrin den Onkel bei der gleichgestalten Bruder Malcreatiure von der indischen Königin Begrüßung nicht küssen will. Feirefiz lacht darüber nur und der Secundille geschenkt worden. Dort in Indien gebe es zahlreiche Erzähler meint dazu, dass noch heute edle Kinder ängstlich sind missgebildete Menschen, offenbar Nachkommen der ungehor- (805,28–806,3). Der Pigmentdefekt von Feirefiz gilt eindeutig samen Töchter von Adam (518,519): Cundrie tritt zweimal als als Mal und nicht als Makel. Er dient der Charakterisierung und Gralbotin in Szene, einmal bei der Verfluchung von Parzival und der Erkennung, beeinträchtigt den Helden aber sonst in keiner dann wieder bei dessen Berufung zum Gralkönig. Weise [4–6]. Cundrie, „la surziere“ (Hexe, Zauberin), wird nachdrücklich