Wissenschaft

Österreichs Fischerei Jahrgang 62/2009 Seite 283–336

150 Jahre Fischforschung in Österreich Das 150-Jahr-Jubiläum der Erstauflage eines der grundlegendsten Werke der österreichischen Fischforschung, »Die Süsswasserfische der öst- reichischen Monarchie mit Rücksicht auf die angränzenden Länder« von und Rudolf Kner, wurde im Oktober 2008 durch ein Symposium gewürdigt. Unter dem Titel »150 Jahre Fischforschung in Österreich – Rückblick, Standortbestimmung und Ausblick« luden Sabine und Josef Wanzenböck vom Institut für Limnologie der Öster- reichischen Akademie der Wissenschaften und Ernst Mikschi vom Natur- historischen Museum Wien Repräsentanten der verschiedenen Institu- tionen ein, die sich mit Fischforschung beschäftigen. Die finanzielle Unterstützung des BM für Wissenschaft und Forschung ermöglichte Prä- sentationen aus ganz Österreich und dem benachbarten Ausland. Schon während der Veranstaltung war allen Beteiligten klar: Dieser exzellente Überblick über die vielfältigen Arbeiten in diesem speziellen For- schungszweig sollte nicht im Vortragssaal des Naturhistorischen Museums verhallen, sondern festgehalten und einem breiteren Kreis ver- mittelt werden. Österreich als vergleichsweise winziges Binnenland bietet eine er- staunliche Fülle und Diversität theoretischer und angewandter fische- reibiologischer Forschung, deren Grundstein durch die Forschergene- ration des 19. Jahrhunderts gelegt wurde, als Österreich noch zu den Weltmächten zählte. Spontan entstand der Gedanke, die Vorträge in Österreichs Fischerei zu publizieren. Dazu wurden wir auch von zahlreichen Repräsentanten des Österreichischen Fischereiverbandes und anderer Fischereiorganisa- tionen ermutigt. Die Idee war zwar spontan, die Verwirklichung dauerte nun doch ein ganzes Jahr! Wir danken allen Autoren, dass sie sich die Zeit genommen haben, die Präsentationen im Nachhinein in schriftlicher Form herauszubringen. So ist es uns gelungen, fast alle Vorträge in diesem umfangreichen Heft herauszubringen. Sabine und Josef Wanzenböck Ernst Mikschi Albert Jagsch

283 23. und 24. Oktober 2008 150 Jahre Fischforschung in Österreich Rückblick, Standortbestimmung und Ausblick Naturhistorisches Museum, Burgring 7, 1010 Wien Programm: Begrüßung: Hunger, H., Österreichische Akademie der Wissenschaften, Obmann der Kommission für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Medizin Abriss zur Biographie von Johann Jakob Heckel: Svojtka, M., Salvini-Plawen, L., Department für Evolutionsbiologie, Universität Wien & Mikschi, E., Natur- historisches Museum Wien Vorstellung der Biographie von Rudolf Kner (Buch-Präsentation): Salvini-Plawen, L., Svojtka, M. & Aubrecht, G.,OÖ Landesmuseum Linz, Biologiezentrum Das Naturhistorische Museum Wien und seine Rolle in der Fischforschung: Mikschi, E. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften und ihre Rolle in der Fischforschung: Wanzenböck, J., ÖAW Institut für Limnologie, Mondsee Fischforschung innerhalb der Universität Wien: Keckeis, H., Department für Limnologie und Hydrobotanik, Universität Wien Bedeutung fischökologischer Forschung an der Universität für Bodenkultur zum Erhalt und zur Wiederherstellung intakter Fließgewässer: Schmutz, St., Jungwirth, M., Muhar, S., Unfer, G. & Waidbacher, H., Department für Wasser,Atmosphäre und Umwelt, Universität für Bodenkultur Wien Überblick über die aktuelle und historische Fischforschung an der Karl-Franzens-Universität, Graz: Weiss, St., Institut für Zoologie, Karl-Franzens-Universität Graz Beiträge des Instituts für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde zur angewandten Fischforschung: Jagsch, A., Bundesamt für Wasserwirtschaft, Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seen- kunde, Scharfling Fischforschung an der Universität Innsbruck: Pelster, B., G. Lackner, R. & N. Medgyesi, Fakultät für Biologie, Universität Innsbruck Angewandte Fischforschung in Kärnten von Vinzenz Hartmann (1898) bis heute: Honsig Erlenburg, W., T. Friedl, G. Kerschbaumer, E. Lorenz & N. Schulz, Amt der Kärntner Landesregierung Fischforschung der Biologischen Station Illmitz zwischen Fertö und Lapincs: Wolfram, G., A. Herzig & E. Mikschi, Biologische Station Neusiedler See 40 Jahre Fischforschung an der Universität Salzburg: Patzner, R., Organismische Biologie, Universität Salzburg Fischforschung im Bodenseeraum: Eckmann, R., Limnologisches Institut, Universität Konstanz Fischforschung im tschechischen Raum: Matˇena, J., Institut für Hydrobiologie Tschechische Akademie der Wissenschaften Fischforschung an der Veterinärmedizinischen Universität Wien: Grillitsch, B., T. Czerny, M. Schabuss, O. Schachner, D. Lexer, C. Schmied, D. Suppin & F. Smulders, Vete- rinärmedizinische Universität Wien. Podiumsdiskussion »Zukunftsperspektiven der Fischforschung aus Sicht der Anwender«

284 Biographischer Abriss zu Johann Jakob Heckel (1790 –1857)

MATTHIAS SVOJTKA, LUITFRIED SALVINI-PLAWEN Universität Wien, Fakultät für Lebenswissenschaften, Althanstraße 14, A-1090 Wien ERNST MIKSCHI Naturhistorisches Museum, Burgring 7, A-1010 Wien Johann Jakob Heckel (Abb. 1) wurde am 23. Jän- ner 1790 in Mannheim (Deutschland) geboren. Die Familie Heckel stammte ursprünglich aus der Steiermark, im 16. Jahrhundert erfolgte eine Über- siedlung in die Umgebung von Bayreuth. Heckels Vater Johann Jakob Heckel d. Ä. (1763–1811) wirkte als geachteter Musiklehrer und Kapellmeis- ter in Mannheim und Wien. Seiner Ehe mit Sophia (geb. Reinhard) entstammten zumindest drei Söhne: Johann Jakob Heckel sowie seine beiden jüngeren Brüder Johann Christoph (1792–1858) und Karl Ferdinand Heckel (1800–1870). Johann Christoph war Maler und Klavierbauer in Mann- heim und erlangte durch ein Beethoven-Portrait aus dem Jahr 1815, für das der Meister selbst Modell saß, eine gewisse Bedeutung. Karl Ferdi- nand schließlich machte sich als Musikverleger und Musikinstrumenten-Händler in Mannheim einen Namen, daneben widmete er sich der Bo- tanik und gab eine nach Herbar-Belegen fotogra- fierte »Alpenflora« im Visitkartenformat heraus (Blume, 1957). Auf Grund von Verbindungen zum schöngeistigen Bürgertum und französischen Adel musste die Abb. 1: Johann Jakob Heckel (1790–1857), Familie Heckel in den Jahren der französischen Porträt nach einer unbekannten Vorlage von Theodor Mayerhofer (1855–1941), aus Stein- Revolutionskriege 1793 Mannheim fluchtartig ver- dachner (1901). lassen, und in Folge sollten Johann Jakobs Jugend- jahre von dieser Flucht geprägt sein: Über Schloss Wartegg (Rorschacherberg, St. Gal- len/Schweiz) und Regensburg gelangte die Familie schon 1799 nach Wien, wo sie sich bis 1805 niederließ. 1806 erfolgte eine neuerliche Flucht nach Pressburg (Bratislava/Slowakei) und Pest (Ungarn). Heckels Ausbildung erfolgte innerhalb der Familie (Privatunterricht) sowie 1799– 1801 in Mannheim; von 1806 bis 1809 besuchte er dann das Georgicon (Keszthely am Bala- ton/Ungarn), eine landwirtschaftliche Fachschule, die dreijährige Kurse in »allen Fächern der rationellen Landwirtschaft« anbot. Hier muss hervorgehoben werden, dass dieser landwirt- schaftliche Kursus Heckels einzige »höhere Ausbildung« darstellte, später war er fach-natur- wissenschaftlich ein reiner Autodidakt, der allerdings in seiner Disziplin weitreichende Aner- kennung erlangte. Im Jahr 1809 erwarb Heckels Vater ein kleines Landgut in Gumpoldskir- chen bei Wien, den Benediktinerhof, und widmete sich gemeinsam mit seiner Familie der Land- wirtschaft. Nach dem frühen Tod des Vaters (16. 12. 1811) führte Johann Jakob Heckel d. J. selbst mit seiner Mutter diese Landwirtschaft weiter; daneben galt sein Hauptaugenmerk der Botanik und der Ornithologie. Um das Jahr 1818 soll Heckel eine »ziemlich vollständige Samm- lung getrockneter Pflanzen des österreichischen Kaiserstaates« besessen haben; er erlegte Vögel, erlernte selbständig das Stopfen und Präparieren der Bälge und drechselte die Posta- mente für seine Präparate (Kner, 1857; Schrötter & Fitzinger, 1858; ÖBL, 1959).

285 Über seine Vogelsammlung kam Heckel bald mit Joseph Natterer (1786–1852), Kustos an den »Vereinigten k.k. Naturalien-Cabineten« am Josefsplatz in Wien, in Kontakt. Dieser ermög- lichte dem jungen Mann am Naturalien-Kabinett eine unentgeltliche Anstellung als Präpara- tor. Heckel übersiedelte mithin im Jahr 1818 nach Wien; privat betrieb er Handel mit Vogel- bälgen, um seinen Unterhalt zu sichern. Im Frühjahr 1819 unternahm er dann eine naturhisto- rische Reise durch Deutschland und die Schweiz, später weiter nach Italien (Toskana, Neapel, Sizilien), von der er erst im August 1820 mit reichhaltiger botanischer und zoologischer Aus- beute zurückkehrte. Unmittelbar nach dieser Rückkehr wurde Heckel nun entlohnter Präpara- tor am Naturalien-Kabinett (1820–1832) und erhielt ein Diurnum von monatlich 28 Gulden (somit 336 fl. jährlich). In den folgenden Jahren (1820–1824) beschäftigte sich der junge Auto- didakt mit Land- und Süßwasser-Conchylien, Ornithologie (besonders Greifvögel und Sänger/ Muscicapidae) und Ichthyologie. Zahlreiche internationale Naturforscher erlernten in Folge bei Heckel in Wien die Präparation von Vogelbälgen und Fischen. Im Sommer 1824 wurde ein mehrmonatiger Ausflug nach Oberösterreich, Salzburg und Berchtesgaden unternommen, um Material für eine ichthyologische Fauna Oberösterreichs zu sammeln. Diesen Nachforschun- gen folgten Untersuchungen an Donaufischen, dann an jenen des Neusiedler- und Plattensees und später an Fischen der oberösterreichischen Seen. Systematische Untersuchungen führte Heckel zumeist gemeinsam mit Leopold Joseph Fitzinger (1802–1884) durch, der die Amphi- bien- und Fischsammlung am Naturalien-Kabinett verwaltete (dies offiziell als »freiwilliger Praktikant«; Fitzinger wurde erst 1844 Kustos-Adjunkt). Während seiner Tätigkeit am Natu- ralien-Kabinett knüpfte Heckel auch zahlreiche internationale Kontakte, so beispielsweise zu Louis Jean Rudolphe Agassiz (1807–1873), dem nachmalig berühmten Harvard-Professor, der sich 1830 für längere Zeit in Wien aufhielt. Am 26. Februar 1832 wurde Heckel am Naturalien-Kabinett zum Aufseher-Assistenten der Fischsammlung befördert; dieser Posten war mit 460 Gulden dotiert (400 fl. Gehalt und 60 fl. Quartiergeld), zusätzlich erhielt er eine Naturalwohnung im Erdgeschoß des Brasilianischen Museums (Palais Corbelli, ehemals Stadt 972, heute Wien I, Johannesgasse 7). Im Jahre 1833 erschien dann auch Heckels erste wissenschaftliche Arbeit im Druck; sie behandelte zwei Ver- treter aus der Vogelfamilie der Sänger (Muscicapidae) und erschien in Lorenz Okens »Isis«. Schon im Mai des Jahres 1835 wurde Heckel infolge der Beförderung von Paul Partsch (1791– 1856) zum Kustos am Mineralien-Kabinett der nun vakante Titel des 2. Aufsehers verliehen (als Aufseher-Assistent rückte Johann Emhard nach); für seine Tätigkeit im »Thier-Cabinet« erhielt Heckel nun in Folge 600 Gulden Gehalt und 80 Gulden Quartiergeld. Mit dieser Beför- derung übernahm er von Leopold Joseph Fitzinger nun auch offiziell die Verwaltung der Fisch- sammlung, die er schon bisher maßgeblich vergrößert und systematisiert hatte. Am 6. Mai 1836 rückte Heckel in die Position des 1. Aufsehers vor (700 fl. Gehalt und 80 fl. Quartiergeld), auch wurden in diesem Jahr vier systemisierte Praktikantenstellen bewilligt, die der Direktor der Naturalien-Kabinette Carl Franz Anton von Schreibers (1775–1852) schon 1835 beantragt hatte. In Folge wurden Rudolf Kner (1810–1869), Carl Rumler, Franz Tiller und Alois Put- terlick (1810–1845) als Praktikanten aufgenommen. Kner wurde als Praktikant im Thier-Cabi- net angestellt und der Fischsammlung zugeteilt, mithin auch Heckel unterstellt (Salvini-Pla- wen & Svojtka, 2008). Im Jahr 1839 leitete Heckel eine Sammelreise der Naturalien-Kabinette nach Südungarn und Kroatien. Reiseteilnehmer waren Josef Franz Natterer (1819–1862), Johann August Natterer (1821–1900), Karel Johan Gustav Hartlaub (1814–1900) und Salomon Johann Petényi (1799– 1855). Schon Mitte August 1840 erfolgte die nächste große Sammlungsfahrt: Heckel reiste mit Rudolf Kner nach Dalmatien, blieb allerdings erkrankt in Spalato (Split/Kroatien) zurück. Dennoch war die Reise, hauptsächlich als Verdienst Kners, ein wissenschaftlicher Erfolg; sie erbrachte zahlreiche neue Fischarten, darunter auch den bekannten schuppenlosen Karpfen- fisch Aulopyge huegelii Heckel, 1842. In Folge besuchte Heckel zusammen mit Josef Franz Natterer die »Theissgegenden in Ungarn« (1843) und nahm an der neunten Versammlung ita- lienischer Wissenschafter in Venedig teil (1847). Mit Unterstützung der Akademie der Wis- senschaften unternahm Heckel 1850 eine größere paläontologische und ichthyologische Stu-

286 dienreise. Der dreiteilige, detaillierte Reisebericht hierzu erschien dann gedruckt in den Sit- zungsberichten der Akademie der Wissenschaften in Wien. Im Zuge der Reorganisation der »Vereinigten k.k. Naturalien-Cabinete« im Jahr 1851 in drei voneinander unabhängige Hof- Kabinette (für Zoologie, Botanik, Mineralogie) wurde Heckel zum (5.) Kustos-Adjunkten befördert (allerdings ohne entsprechende Gehaltsvorrückung) und mit der Verwaltung der ornithologischen Sammlung betraut. Im Jahr 1852 hielt Heckel in den Räumen des Naturalien-Kabinetts außerordentliche Vorlesun- gen über Ichthyologie für Lehramtskandidaten; seine Vorträge gewannen durch Objektdemons- trationen aus dem mittlerweile reichen und wohlgeordneten Material der Fischsammlung an Lebendigkeit. Als am 15. August 1853 in Cittànova/Dalmatien (Novigrad/Kroatien) ein Pott- wal strandete, reiste Heckel mit Unterstützung des Oberst-Kämmerer-Amtes unverzüglich an, um den Säuger zu untersuchen. Im Laufe dieser Untersuchungen dürfte sich Heckel am Ka- daver infiziert haben und so den Keim für eine längere, schmerzhafte Erkrankung gelegt haben. Noch im Sommer 1854 führte er eine Studienreise nach Deutschland, Holland, Belgien und Frankreich durch, um die dortigen Museen kennenzulernen und Tauschverbindungen anzu- knüpfen. Bereits bei der Rückkehr im Herbst zeigte sich allerdings der angeschlagene Gesund- heitszustand Heckels; Aufenthalte im Kaiser-Franz-Josefs-Bad in Tüffer (Laˇsko/Slowenien) in den Jahren 1855 und 1856 brachten nicht den erhofften Erfolg; Heckel litt offenbar unter heftigen Schmerzen und konnte sich kaum noch aufrecht halten. Im Jahr 1856 bereits fuhr er mit dem Rollstuhl durch die Räume der ihm vertrauten ichthyologischen Sammlung. Am 1. März 1857 starb Johann Jakob Heckel im 68. Lebensjahr und wurde am 3. März am Fried- hof St. Marx (Wien III) begraben. Das Erscheinen der großen Monographie über »Die Süss- wasserfische der östreichischen Monarchie mit Rücksicht auf die angränzenden Länder« im Spätherbst 1857 (jedoch 1858 datiert), die zahlreiche Erkenntnisse aus dem wissenschaftli- chen Lebenswerk Heckels zusammenfasste und von seinem Schüler Rudolf Kner herausgege- ben wurde, erlebte er somit um wenige Monate nicht mehr (Steindachner, 1901). Mit seiner ersten Frau Barbara Baumgartner (1789–1829) aus Gumpoldskirchen hatte Heckel eine Toch- ter. Später lebte er mit Anna Maria Stein aus Bad Dürkheim/Rheinland-Pfalz, sie starb im Jahr 1866, in »wilder Ehe« und hatte zumindest 4 Kinder. Die wissenschaftliche Bedeutung von Johann Jakob Heckel ist natürlich in erster Linie auf dem Gebiet der Ichthyologie begründet: 65 ichthyologische Publikationen aus seiner Feder sind der- zeit nachweisbar, darunter zwei Monographien. In der ersten monographischen Arbeit »Fische aus Caschmir« (1838), welche die ichthyologische Ausbeute der Asien-Expedition (1830– 1836) des Carl Alexander Freiherr von Hügel (1795–1870) beschrieb (Abb. 2), ist auch die »Beschreibung zweier Instrumente zur mathematischen Bestimmung des Fisch- Profiles« enthalten. Gemeint sind Gony- ometer (Abb. 3) und Zirkel (zusammen dann als »Ichthyometer« bezeichnet), mithilfe derer über die Punktiermethode (Abstecken markanter Punkte an der Außenseite eines Fisches mit Nadeln) eine reproduzierbare, äußerst naturge- treue Abbildung der Umrisse des Fisch- körpers möglich war. Heckels zweite Monographie ist das bereits erwähnte Werk über die »Süsswasserfische der östreichischen Monarchie«. Acht Buch- Abb. 2: Schizothorax huegelii Heckel, 1838, ein Cypri- nidae aus Indien und Pakistan. Tafel VII, verändert aus beiträge beschrieben unter anderem das J. J. Heckel, »Fische aus Caschmir« (1838). ichthyologische Material aus den Reisen des Josef von Russegger (1802–1863) und Theodor Kotschy (1813–1866) in den Taurus, Liba- non, nach Ägypten, Syrien und Griechenland (1836–1838). Größte Bedeutung haben auch einige der 55 Arbeiten in Zeitschriften und Versammlungsberichten, die Heckel verfasste. So

287 beispielsweise die Arbeit »Johann Natte- rer’s neue Flußfische Brasilien’s nach den Beobachtungen und Mittheilungen des Entdeckers beschrieben« in den »Annalen des Wiener Museums der Naturgeschichte« (2. Bd., 3. Abt., 1840). Heckel beschrieb hierin einen der wohl berühmtesten Aquarienfische: den Ech- ten Diskus (Symphysodon discus), da- neben auch die Gattung Pterophyllum für den Skalar (Pteroph yllum scalare). Heckels Wirken für die Ichthyologie ist mannigfaltig, was seinen weltweiten Ruf in diesem Bereich maßgeblich begrün- dete. Er war stets bemüht, eine streng systematische Arbeitsweise in die Fisch- Abb. 3: Gonyometer zur »mathematischen Bestimmung kunde einzuführen, erarbeitete klare des Fisch-Profiles«, aus J. J. Heckel, »Fische aus Caschmir« (1838). Definitionen von Gattungen und Arten und betonte stets systematisch wertvolle Merkmale (beispielsweise die Schlundzähne der ). Durch massiven Einbezug von Fossilmaterial in die systematischen Untersuchungen – diese Vorgehensweise wurde später von seinem Schüler Rudolf Kner weitergeführt – wurde das Gesichtsfeld der Ichthyologie durch Heckel doch erheblich erweitert. Heckel war jedoch nicht »nur« Ichthyologe, sondern der gesamten Naturgeschichte in einem sehr »biedermeierlichen Sinn« zugetan: Zeitlebens galt seine Leidenschaft auch der Ornitho- logie; sieben vogelkundliche Publikationen sind derzeit auch nachweisbar. Heckel unterhielt eine Stopfpräparate-Sammlung europäischer Vögel, eine weitere Spezialsammlung betraf europäische Grasmücken (Sylviidae). Im Jahr 1833 hielt er am Dach des Naturalien-Kabinetts ein Paar zahmer Anden-Kondore (Vultur gryphus), die an einer langen Leine frei flogen. In sei- ner Jugend der Botanik sehr zugetan, besaß er ein reichhaltiges Herbar. Aus dem botanischen Material seiner Sizilienreise (1820) beschrieb Leopold Trattinnick (1764–1849) eine süd- europäische Rose, Rosa heckeliana Trattinnick, 1823. Seit der »ersten Stunde« quasi war Johann Jakob Heckel auch Mitglied der »Freunde der Naturwissenschaften in Wien«, einem von Wilhelm Karl Haidinger (1795–1871) begründeten Verein naturwissenschaftlicher Ent- husiasten und Fachmänner. Die neu gegründete Akademie der Wissenschaften in Wien wählte Heckel am 1. Februar 1848 zum korrespondierenden, am 17. Juli 1848 dann zum wirklichen Mitglied. Eine ausführliche Biographie über Johann Jakob Heckel mit einem vollständigen Werke- verzeichnis ist für die Annalen des Naturhistorischen Museums Wien (B) in Vorbereitung (Svojtka, Salvini-Plawen & Mikschi).

LITERATUR Blume, F. (Hrsg.) (1957): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Band 6 (Head – Jenny). X + 1883 S., Kassel / Basel / London (Bärenreiter). Kner, R. (1857): † Jacob Heckel. Oesterreichisch Kaiserliche Wiener Zeitung, Nr. 63 (18. 3. 1857): 774– 75, Wien. ÖBL (1959): Heckel Johann Jakob. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 2: 234–235, Wien. Salvini-Plawen, L. & Svojtka, M. (2008): Fische, Petrefakten und Gedichte: Rudolf Kner (1810–1869) – ein Streif- zug durch sein Leben und Werk. Denisia, 24: 1–132, Linz. Schrötter, A. & Fitzinger, L. J. (1858): Johann Jakob Heckel [Nachruf]. Almanach der kaiserlichen Akademie der Wis- senschaften [in Wien], 8: 142–168, Wien. Steindachner, F. (1901): Geschichte der Zoologie in Oesterreich von 1850–1900. I. Morphologisch-systematische Richtung, V. Vertebraten. A. Fische. 407–443, in: A. Handlirsch & R. Wettstein, Botanik und Zoologie in Öster- reich in den Jahren 1850 bis 1900. Festschrift, k.k. Zoologisch-Botanische Gesellschaft in Wien, Wien (A. Hölder).

288 Buchvorstellung: »Fische, Petrefakten und Gedichte: Rudolf Kner (1810–1869) – ein Streifzug durch sein Leben und Werk«

L. SALVINI-PLAWEN UND M. SVOJTKA Universität Wien, Fakultät für Lebenswissenschaften, Althanstraße 14, 1090 Wien

Am 16. Oktober 2008, erschien in »Denisia« als Band 24 dieser Buchreihe (Redaktion Dr. Ger- hard Aubrecht, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen Linz) eine Biogra- phie über den prominenten Ichthyologen Rudolf Kner (Abb. 1), dem monarchieweit ersten Lehrkanzelinhaber für Zoologie (Universität Wien). Das 132 Seiten umfassende Werk bringt eine Darstellung von R. Kner im priva- ten und beruflichen Umfeld, begleitet von 74 Abbildungen und einer familiären Genealogie. Neben einem chronologischen Verzeichnis der Veröffentlichungen und einer systematischen Auflistung der auf Kner bezogenen Taxa sind zudem auch alle greifbaren – gedruckten wie unveröffentlichten – Gedichte aus Kners Feder enthalten. Ein alphabetisches Personenver- zeichnis mit Seitenverweisen rundet den bio- graphischen Streifzug ab. Der Erstautor führte mit seinem Vortrag hierzu in die Biographie ein und brachte als Buch- vorstellung einen inhaltlichen Abriss (beglei- tet von beispielhaften Bildern): Rudolf Ignaz Kner wurde am 24. August 1810 in Linz (Österreich ob der Enns) geboren. Sein Vater Johann Evangelist Georg Kner (1763–1845) war Landesbeamter (zuletzt ständischer Ober- einnehmer), welcher 1808 Barbara v. Adlers- burg (1770–1825), verwitwete Gulielmo, ge- Abb. 1: Biographie-Front heiratet hatte. Rudolf und sein einziges Geschwister aus dieser Ehe, Pauline (1809– 1843), welche dann 1834 den Buchhaltungsbeamten und Heimatdichter Carl Adam Kalten- brunner geheiratet hatte, erhielten zunächst Unterricht im Elternhaus. Während der Zeit in der k.k. Normalhauptschule und im Gymnasium in Linz (1818–1822) wurde durch Verwandte und Bekannte des Vaters das naturwissenschaftliche Interesse des Schülers geweckt und gefördert. Ab 1823 in Kremsmünster, besuchte R. Kner nach dem Gymnasium auch das Lyzeum (1827– 1828) für die sog. Philosophischen Studien (Voraussetzung für die Aufnahme an einer Uni- versität). Auf Anraten seines Taufpaten, des Arztes I. R. Bischoff, inskribierte sich dann Rudolf Kner 1828 für das Medizinstudium an der Universität in Wien, welches er 1835 als Doktor der Medizin und zudem als Doktor der Chirurgie beendete. Bei der Suche nach einer Anstellung bevorzugte R. Kner (gegenüber einer Stelle als Sekun- dararzt) dann eine halbtägige Anstellung als Praktikant in den Vereinigten k.k.Naturalien-Cabi- neten. So wurde er am 1. Mai 1836 in der Fischsammlung des Thier-Cabinetes unter der Lei- tung von Johann Jakob Heckel (1790–1857) aufgenommen. Er hatte dort an der Neuaufstel- lung der Sammlung mitzuwirken und verfasste in diesem Rahmen eine »Schrift über die Fische Östreichs«, welche er dann im Juli 1840 seiner Bewerbung um die Lehrkanzel am Lyzeum in

289 Linz beilegte. In dem letztlich prägenden Zeitraum dieser Anstellung bis Ende Juli 1841 fal- len auch seine erhaltenen Aufzeichnungen in drei Tagebüchern, wodurch wir über seine Tätig- keiten und seine Eigenheiten genauere Kenntnis erlangen. Vormittags arbeitete Kner mit wech- selndem Eifer »im Cabinete«, wobei sich das Verhalten von J. J. Heckel bezüglich wissen- schaftlicher Veröffentlichungen als recht aufschlussreich erwies. Ansonst war R. Kner sehr viel unterwegs, sei es um Kontakte zu pflegen oder sei es auch, um seinen Verpflichtungen als Arzt nachzugehen. Abendliche Wirtshausbesuche mit Freunden und literarische oder musikalische Hausgesellschaften sind ebenso nachzuvollziehen wie seine Vor- liebe für Opern. Der Freundes- und Bekanntenkreis umfasste hierbei – ganz im biedermeier- lichen Rahmen – bekannte Schriftsteller wie Adalbert Stifter und Nikolaus Lenau oder Maler wie Friedrich Gauermann und Rudolf Alt, ebenso wie den Chirurgen Franz Schuh und den spä- teren Fürsten Josef v. Colloredo-Mansfeld. 1838 und 1843 erschienen auch die einzig gedruck- ten Gedichte als Spiegel seiner lyrischen Begabung (Abb. 2). Im Gegensatz zum nachmalig sehr zielstrebigen und wissenschaftlich geprägten Professor lernen wir aus den Tagebüchern aber auch einen innerlich sehr unruhigen, von Unsicherheit, Unentschlossenheit und Selbst- zweifeln behafteten Mann kennen, welcher mit seinen Schwächen wie mit dem Umfeld allge- mein haderte und hinsichtlich des Lebenszieles zwischen Naturwissenschaft und Medizin schwankte. Auch das Verhältnis zu befreundeten Mädchen unterlag dieser Zwiespältigkeit, bis es dann 1842 zur Heirat von Rudolf Kner mit Mathilde (1822–1911), der Tochter des Indus- triellen und Fabrikanten Matthäus v. Rosthorn, kam; diese überraschend schnelle Ehe- schließung wird in der Biographie ebenso hinterfragt und gesellschaftlich analysiert. Die Bewerbung um die Lehrkanzel für Naturgeschichte am Lyzeum in Linz (1840) brachte Rudolf Kner zwar nicht diese Professur, hingegen aber die Berufung an die Universität Lem- berg ein (20. April 1841). Ab Mitte August 1841 bis Ende 1848 hatte er nun diese Lehrkanzel inne und übte hier seine Lehrpflichten mit Vorlesungen in Naturgeschichte und Landwirt-

Abb. 2: Gedicht »Nach Westen« (R. Kner, 1843) Abb. 3: Portrait von R. Kner (K. Glinski, 1860)

290 schaftslehre aus. Zudem verfasste er ein Lehrbuch der Zoologie (Erstauflage 1849), um die diesbezüglich bisher unzulängliche Wissensvermittlung zu verbessern. Kners Forschungstätig- keiten konzentrierten sich in Lemberg jedoch auf »Petrefakten« (Fossilien) und auf den erd- wissenschaftlichen Bereich allgemein, worüber er auch seine ersten Publikationen heraus- brachte und zudem allgemein verständliche Lehrveranstaltungen anbot. Familiär führte er in diesen Jahren eine Saison-Ehe, denn seine Frau weilte samt den ersten drei in Lemberg gebo- renen Kindern die Sommer über in Österreich bei der Familie ihres Vaters. Im Dezember 1848 erfolgte dann jedoch die Umsiedlung nach Wien, deren ungewöhnliche Umstände sich dank einiger Unterlagen darlegen lassen. Im Rahmen der großen Hochschulreform 1848/1849 war Rudolf Kner zur rechten Zeit am richtigen Ort. Zunächst provisorisch als Supplent für Mineralogie an der Lehrkanzel für Spezielle Naturgeschichte in Wien bestellt (Jänner bis November 1849), erfolgte dann mit 16. November 1849 die Berufung an der Universität Wien zum Professor für die (neue) Lehr- kanzel für Zoologie an der (neu organisierten) Philosophischen Fakultät. Lehrtätigkeit und Stu- dentenbetreuung, Verwaltung und Ausbau der zoologischen Sammlung sowie Kommissionen (u.a. mit dem Prüfungsmisserfolg von G. J. Mendel) und weitere Aufgaben entsprachen hier- bei den universitären Belangen. In der Forschung griff Kner nun aber auf seine im »Thier-Cabi- net« unter J. J. Heckel erworbenen Kenntnisse zurück und widmete sich wieder vornehmlich der Ichthyologie, zunächst anhand der im Kabinett eingeordneten brasilianischen Aufsamm- lungen (1817–1835) von Josef Natterer. Im Spätherbst 1857 erschien dann auch die große Monographie über »Die Süsswasserfische der östreichischen Monarchie« von J. Heckel und R. Kner mit offiziellem Druckdatum 1858. Diese und die weitere Entfaltung ichthyologischer Untersuchungen (u.a. Novara-Expedition) führten zum weltweiten Bekanntheitsgrad von Ru- dolf Kner (Ab. 3), wie es auch in der reichhaltigen Korrespondenz zum Ausdruck kommt. Die Industriellen-Familie von Rosthorn hatte 1816–1822 ihre Metallknopf-Fabrik nach Oed in Waldegg (Piestingtal/Niederösterreich) verlegt, und Rudolf Kners Schwiegervater Matthäus d. J. v. Rosthorn war 1843–1855 der Leiter dieses Fabrikszentrums. Die familiäre Bindung von Kners Frau Mathilde brachte es mit sich, dass sich ab 1849 auch das Privatleben von R. Kner weitgehend im Rahmen der Rosthorn-Familie (in Waldegg-Oed oder in der Stadtwohnung in Wien-Landstraße) bewegte; seine eigenen, häufig gewechselten Wiener Adressen dienten hier- bei für seine Wochenend- und Ferien-Ehe (mit nunmehr fünf Kindern) wohl nur als Arbeits- wohnungen. Diese Situation vertiefte sich, als nach des Vaters Tod Mathilde Kner und ihre Schwester Auguste Wickerhauser 1855/1856 in Oed ein Haus bauen ließen (Waldegg-Oed Nr. 5), welches nunmehr für beide Familien zum Haushalts- und Gesellschaftsmittelpunkt wurde. Mitten in seinem arbeitserfüllten Leben erlitt Rudolf Kner jedoch im November 1868 einen Schlaganfall, wovon er sich letztlich nicht mehr erholte und am 27. Oktober 1869 in Oed starb.

291 Geschichte der Fischforschung am Natur historischen Museum

ERNST MIKSCHI Naturhistorisches Museum, Burgring 7, A-1010 Wien

Die Anfänge Der Ursprung der heutigen wissenschaftlichen Sammlungen des Naturhistorischen Museums Wien liegt – wie bei allen entsprechenden Einrichtungen Europas – in den Kunst- und Wun- derkammern der Fürstenhöfe des 16. und 17. Jahrhunderts. Auch Wien verfügte über ein ent- sprechendes »Raritätenkabinett«, das zur Unterhaltung des Kaisers und aus repräsentativen Gründen eingerichtet wurde. Von Forschung konnte zu jener Zeit – ganz besonders im Zusam- menhang mit Fischen – noch nicht die Rede sein. Ein Glücksfall für die Wiener Sammlungen war die Begeisterung Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen, des Gemahls Maria Theresias. für die Naturwissenschaften. Er kaufte um 1750 die damals größte und berühmteste Naturalien- sammlung der Welt von dem Florentiner Gelehrten Johann Ritter von Baillou. Diese rund 30.000 Objekte stellen noch heute den Grundstock der heutigen Sammlungen dar. Aus dem Raritätenkabinett, das Wertvolles, Skurriles oder einfach Teures beinhaltete, wurde das Natu- ralienkabinett mit dem Ansatz, naturwissenschaftliche Studien zu betreiben. Allein: Aus kon- servatorischen Gründen spielten Fische in dieser frühen Phase eines naturwissenschaftlichen Museums keine Rolle. Das änderte sich erst im Zuge einer kaiserlichen Hochzeit: Anlässlich der anstehenden Heirat der österreichischen Prinzessin Leopoldine mit dem Kronprinzen Don Pedro von Brasilien im Jahr 1817 wurde die österreichische Brasilienexpedition ausgerichtet. Ihre Aufgabe: die naturwissenschaftliche Erforschung Brasiliens. Ein an sich hoffnungsloses Unterfangen für eine auf zwei Jahre befristete Expedition, das jedoch von einem Mitglied des Forscherteams auf außergewöhnliche Weise erfüllt wurde: , Präparator, Zeich- ner und Naturkundler dehnte seinen Aufenthalt in Brasilien auf insgesamt 18 Jahre aus. Er unternahm in dieser Zeit – weitgehend auf sich allein gestellt – insgesamt zehn Reisen durch ganz Brasilien und sammelte alles, was er finden konnte, insgesamt über 55.000 Objekte, dar- unter auch 1671 Fische. Sammler und Forschungsreisende Johann Natterer war weniger »Forscher« im heutigen Sinn; er hat eine einzige ichthyologische Publikation verfasst, eine Beschreibung des südamerikanischen Lungenfisches (Lepidosiren paradoxa). Er war in erster Linie Forschungsreisender und akribisch dokumentierender Samm- ler. Und das Prinzip des Sammelns wurde in weiterer Folge von einer Reihe bemerkenswerter Reisender hoch gehalten. Etwa vom Geologen Josef Ritter von Russegger, der zwischen 1836 und 1838 Aufsammlungen in Syrien, Ägyptern und im Sudan vornahm. Zum Teil in Beglei- tung von Karl Georg Theodor Kotschy, einem österreichischen Botaniker, der zwischen 1839 und 1852 unter anderem auch Zypern, Persien und weite Teile Kleinasiens bereiste. Carl Alex- ander Anselm Freiherr von Hügel, Diplomat und Naturreisender, sammelte auf einer sechs- jährigen Reise durch Asien und Ozeanien (1830–1836) neben ethnografischen Objekten auch Pflanzen und Fische, Karl Bartholomäus Heller, Gymnasiallehrer am Wiener Theresianum, bereiste zwischen 1845 und 1848 Mexiko und sammelte eine Fülle von Material für die Fisch- sammlung des Naturalienkabinetts. All diese Reisenden haben wichtige Beiträge zum Aufbau der wissenschaftlichen Sammlung des Naturalienkabinetts geleistet, Fischkundler waren sie allerdings nicht. Die Wiener Schule der Ichthyologie Als erster Ichthyologe in der Geschichte der Fischsammlung ist Leopold Fitzinger (1802–1884) zu bezeichnen. Fitzinger kam bereits im Alter von 15 Jahren als »freiwilliger Zögling« an das Naturalienkabinett, was nichts anderes als die Funktion eines unbezahlten Mitarbeiters bedeu-

292 tet. Ihm wurde die Betreuung der ichthyologischen und herpetologischen Sammlungen über- tragen. Nebenberuflich, wohlgemerkt, denn eigentlich war Fitzinger als Sekretär der Land- stände Niederösterreichs beschäftigt. Nur gelegentlich konnte er sich von dieser Aufgabe frei- stellen lassen, um seine Sammlungen zu betreuen. Zu Fitzingers bekanntesten Arbeiten zählt das 1832 erschienene »systematische Verzeichnis der im Erzherzogthum Österreich vorkommenden Säugethiere, Reptilien und Fische« sowie eine Monographie über Acipenseriden (1836), die er gemeinsam mit seinem späteren Nach- folger, Johann Jakob Heckel, verfasste. Johann Jakob Heckel (1790–1857), Absolvent einer Landwirtschaftsschule und im heutigen Sinn gelernter Diplomlandwirt, aber auch Hobby-Botaniker und -Ornithologe, kam im Zuge der Bestimmung einiger seltener Vogelbälge seiner Sammlung in Kontakt mit dem Hof- und Naturalienkabinett. Begeistert von den Schätzen der kaiserlichen Sammlungen gab Heckel die Bewirtschaftung seiner in Gumpoldskirchen bei Baden gelegenen Landwirtschaft auf und wid- mete sich – zunächst als Präparator – ausschließlich den Naturwissenschaften. Da Fische in den kaiserlichen Sammlungen unterrepräsentiert waren, fiel dem botanisch und ornithologisch interessierten Heckel die Fischkunde als Arbeitsgebiet zu. Heckel eignete sich in erstaunlich kurzer Zeit alles Wissenswerte über Fische an, bald wusste die Fachwelt, dass in Wien ein erstaunlicher Ichthyologe saß. Heckel hielt engen Kontakt zu den bedeutendsten Fachleuten seiner Zeit, etwa zu Cuvier, Valenciennes, Troschel oder Agassiz. Heckel unternahm relativ wenige eigene Sammelreisen, die interessantesten Objekte landeten aber ohnehin auf seinem Schreibtisch. Er studierte unter anderem Material aus den Auf- sammlungen von Russegger und Kotschy und bearbeitete die brasilianischen Cichliden, die Johann Natterer nach Wien gebracht hatte. Allein in dieser Arbeit (Neue Flußfische Brasiliens, 1840) beschreibt Heckel über 70 neue Arten. Zu den herausragenden Publikationen zählt auch die 1843 veröffentlichten »Abbildungen und Beschreibungen der Fische Syriens nebst einer neuen Classification und Charakteristik sämtlicher Gattungen der Cypriniden«. In der Einlei- tung zu dieser Arbeit findet sich eine »Dispositio systematica familiae Cyprinorum«, ein erster Versuch, die große Familie der Cypriniden systematisch zu bearbeiten. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Heckel hier erstmals die Bedeutung der Schlundzähne zur Gattungsunter- scheidung aufzeigt, gilt diese Arbeit als Grundlage für alle späteren Bearbeitungen dieser Gruppe. Als »Anhänge« sind dem Werk darüber hinaus Bearbeitungen der Fische Persiens und Ägyptens beigefügt. Über zwei Jahrzehnte lang hat Heckel an seinem Lieblingswerk »Die Süßwasserfische der Österreichischen Donaumonarchie« gearbeitet. Die Fertigstellung dieser Monographie konnte Heckel allerdings nicht mehr erleben. Er starb 1857 vermutlich an den Folgen einer Infektion, die er sich bei der Bergung eines Wal-Kadavers zugezogen hatte. Es blieb seinem Kollegen Rudolf Kner überlassen, dieses Standwerk der heimischen Fischkunde abzuschließen. Rudolf Kner (1810–1869) studierte auf väterlichen Wunsch zwar Medizin, kam aber dank sei- ner Begeisterung für Geologie und Zoologie schon während des Studiums mit dem Naturalien- kabinett, insbesondere mit Heckel, in Kontakt. Nach seiner Promotion 1835 nahm Kner ein Angebot Heckels zur Mitarbeit an. Die Tätigkeit am Naturalienkabinett blieb allerdings ein kurzes Intermezzo. 1841 übernahm Kner eine Professur für Naturgeschichte und Landwirt- schaftslehre in Lemberg, erst 1849 wechselte er als Professor für Zoologie an die Universität Wien. Dem Wiener Naturalienkabinett ist Kner aber zeitlebens treu geblieben. Kner, der in sei- ner Lemberger Zeit ein »Lehrbuch der Zoologie« (1849) verfasste, beschäftigte sich vor allem mit den von Natterer gesammelten Panzerwelsen. Als grundlegende Arbeiten sind etwa »Die Panzerwelse des k.k. Hof-Naturalien-Cabinetes zu Wien« (1853) und »Die Hypostomiden – Zweite Hauptgruppe der Familie der Panzerfische« (1854) zu nennen, Werke, die bis heute Grundlage für alle Bearbeitungen dieser Gruppe sind. Ab 1856 arbeitete Kner gemeinsam mit dem inzwischen schwer kranken Heckel an der Fertigstellung der »Süßwasserfische der Donau- monarchie« und sorgte nach Heckels Tod für die Veröffentlichung des Werks. 1859 endete die Expedition der Fregatte Novara , der letzten klassischen Weltumsegelung. Ein gut zwei Jahre dauerndes österreichisches Prestigeprojekt fand nach einer Wegstrecke von

293 10.600 Seemeilen am 26. August 1859 in Triest einen gelungenen Abschluss. Die Reise der Novara hatte viele Gründe: neben repräsentativen Aspekten vor allem wirtschaftliche Inter- essen, militärische Interessen, aber auch einen wissenschaftlichen Hintergrund. Was die wis- senschaftliche Ausbeute der Expedition anlangte, war diese in Sachen Fische überschaubar. 1600 Exemplare gelangten mit dem Vermerk »coll. Novara« in das Naturalienkabinett. Aber das öffentliche Interesse an allem, was mit der Expedition der Novara zu tun hatte, war enorm. So gelang es Kner, der mit der ehrenvollen Aufgabe der Bearbeitung der Fische betraut wurde, einen jungen, viel versprechenden Zoologen zu seiner Unterstützung zu engagieren. Er hieß . Franz Steindachner (1834–1919) hatte, als er von Kner zur Bearbeitung des Novara-Materials zugegzogen wurde, bereits ein Jusstudium absolviert und sich den Naturwissenschaften zuge- wandt. Er studierte in Wien unter anderem beim berühmten Anatomen Carl Joseph Hyrtl und bei Rudolf Kner, der damals noch als Gastdozent tätig war. 1857 wurde Steindachner die Betreuung der Fischsammlung übertragen. In den folgenden zehn Jahren unternahm er aus- gedehnte Sammelreisen, unter anderem nach Dalmatien, Südfrankreich, Spanien, Portugal, auf die Kanarischen Inseln, in die Schweiz und nach Westafrika. Immer kehrte er mit einer Fülle von wissenschaftlichem Material heim. Dabei investierte er innerhalb von 10 Jahren rund 20.000 Gulden seines Privatvermögens für Reisekosten und Ankäufe! Ein Engagement, das ihm 1867 mit der Verleihung des Komturkreuzes des Franz-Joseph-Ordens mit dem Stern »abgegolten« wurde. 1868 ging Steindachner auf Einladung des bekannten amerikanischen Ichthyologen nach Cam- bridge, um Material aufzuarbeiten, dass im Zuge der Thayer-Expedition (1865–1866) gesam- melt worden war. Steindachner galt inzwischen als weltweit bester Fischkenner. Er nahm von 1871 bis 1872 an der von Agassiz ausgerichteten Expediton der Hassler teil, einer Umrundung Südamerikas. Allein auf dieser Fahrt sammelte Steindachner über 100.000 Fische, von denen er einen Gutteil nach Wien senden durfte. Das Angebot, eine Professur in Cambridge zu über- nehmen, lehnte Steindachner ab und kehrte 1874 nach Wien zurück. 1876 wurde Steindach- ner zum Direktor des Zoologischen Hofkabinetts ernannt. Seine wichtigste Aufgabe war die Koordination der Übersiedlung der Sammlungen von der Hofburg in das neu errichtete Natur- historische Museum. Zwischen 1891 und 1898 nahm Steindachner an sechs Expeditionen ins Rote Meer und Mittelmeer teil. Die letzte dieser Reisen musste er vorzeitig abbrechen, um sich in Wien zum Intendanten des Naturhistorischen Hofmuseums ernennen zu lassen. In diesen Jahren regnet es Orden, Ehrungen und Ernennungen auf den schüchternen Ichthyologen, unter anderem wird Steindachner Hofrat, was ihm auch umgehend den Spitznamen »Fischhofrat« einbringt. 1903, also im Alter von 69 Jahren, »gönnte« sich Steindachner eine Reise nach Brasilien und war sozusagen auf den Spuren Johann Natterers als Sammler unterwegs. Danach arbeitete er nur noch in seiner Fischsammlung, die zugleich auch seine Dienstwohnung war. Am 15. De- zember 1919 trat Steindachner – nach fast 60 Dienstjahren – in den Ruhestand. Nur 10 Wochen später, am 10. Dezember 1919 starb der Fischhofrat an einer Lungenentzündung. Steindachners wissenschaftliches Œuvre aufzulisten würden den Rahmen einer kurzen histo- rischen Übersicht sprengen. Es gibt fast keine Gruppe, die er nicht bearbeitet hätte. Sein Nach- lass umfasst über 200 Publikationen, über 1000 Arten hat Steindachner beschrieben, in seine Ära fallen rund 400.000 Neuzugänge für die Fischsammlung.

Die neue Zeit Heckel – Kner – Steindachner, dieses Dreigestirn steht für die goldene Zeit der Wiener Ichthyo- logie, eine Phase, die rund 100 Jahre andauerte. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges änder- ten sich die Rahmenbedingungen für die Fischforschung natürlich radikal. Der Wegfall eines eigenen Zugangs zum Meer, damit verbunden das Fehlen einer Marine, die Beschränkung der finanziellen Ressourcen im kleinen, nachkriegsgeschüttelten Österreich machten systematisch- taxonomische Fischforschung nicht einfacher. Steindachner war der letzte rein systematisch- taxonomisch arbeitende Fischkundler der Wiener Schule.

294 Sein Nachfolger, Victor Pietschmann (1881–1956), kam 1905 als Assistent Steindachners an die Fischsammlung, deren Leitung er nach dem Tod des Fischhofrates übernahm. Pietschmanns Interesse umfasste neben der Systematik vor allem Fragestellungen der Fischerei. So unter- nahm er etwa eine Studienreise nach Rumänien, um sich über die dortigen Fischereiverhält- nisse zu informieren. Die wichtigsten Sammelexpeditonen Pietschmanns fallen noch in die Ära Steindachners: 1910 bereiste er Armenien, 1914 Mesopotamien und konnte eine Fülle interessanten Materials für die Fischsammlung gewinnen. 1927 verbrachte Pietschmann ein Studienjahr auf Hawaii mit Aufsammlungen, 1930 fuhr er mit einem Fischdampfer zur Bären- insel ins Nordmeer – wieder eine eher angewandte Studienreise in Sachen Fischerei. Rund 50 Publikationen hat Pietschmann hinterlassen, darunter auch mehrere populärwissenschaftliche Werke und Reiseberichte. Nach der Pensionierung Pietschmanns 1946 übernahm Paul Kähsbauer (1912–1988) die Lei- tung der Fischsammlung. Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeiten waren die Syngna- thiformes, also die Seenadelverwandten. Auch an der Überarbeitung des Catalogus Faunae Austriae (1961) war Kähsbauer beteiligt. Wenngleich die Bestände der Fischsammlung den 2. Weltkrieg fast völlig unbeschadet über- standen hatten, setzte der Ressourcenmangel nach 1945 der Sammlung mehr und mehr zu. Der Zustand der Sammlung, insbesondere die Zugänglichkeit für Besucher, war außerordentlich schlecht. Die Lösung dieses Problems nahm Rainer Hacker (1942–1983) in Angriff. Hacker war ein moderner Biologe im besten Sinn, vielseitig interessiert und auch abseits von Syste- matik und Taxonomie in vielen Forschungsfeldern engagiert. Fischbiologie und -ökologie etwa beschäftigten Hacker schon während seines Studiums, etwa bei seinen Arbeiten im Rahmen des Man-and-Biosphere-Programms im Lauf der 1970er Jahre. 1978 als Nachfolger Kähs- bauers an die Fischsammlung gekommen, unternahm er unter anderem Anfang der 1980er Jahre zwei Sammelreisen nach Sri Lanka, ehe er sich wieder der Sisyphosarbeit der Reorga- nisation seiner Sammlung widmete. Völlig unerwartet wurde Rainer Hacker 1983 aus diesem Vorhaben gerissen. Seine letzte wissenschaftliche Arbeit war die Behandlung der heimischen Fischfauna im Zuge der Erstellung der Roten Liste der gefährdeten Tiere Österreichs (1983). Hackers ehrgeiziges Ziel, die Wiener Fischsammlung in einem ihrer internationalen Bedeu- tung entsprechenden Zustand wiederherzustellen, wurde von seiner Nachfolgerin, Barbara Her- zig umgesetzt. Fischforschung heute Heute sind die knapp eine Million Exemplare der Fischsammlung für jedermann zugänglich. Taxonomen aus aller Welt nutzen die Möglichkeit, das reiche Vergleichsmaterial zu bearbei- ten. Im weltweiten Vergleich zählt Wien zu den drei wichtigsten ichthyologischen Sammlun- gen. Dank der geografischen Schwerpunkte, neben Europa vor allem (Süd-)Amerika, Nord- afrika und Asien, ist Wien das Mekka für Studenten und Fischforscher aus den entsprechen- den Regionen. Eine systematisch-taxonomische Bearbeitung von z.B. südamerikanischen Süß- wasserfischen ist angesichts der Fülle der hier aufbewahrten Typusbelege ohne einen Wienbesuch praktisch nicht möglich. Jährlich arbeiten durchschnittlich 10 Gastforscher an der Sammlung, teils im Rahmen von wenigen Tagen, teils bei mehrwöchentlichen Aufent- halten. Auch hinsichtlich ihrer Bibliothek fungiert die Fischsammlung als Servicestelle. Sie umfasst rund 3000 Monografien, über 400 Zeitschriftenreihen und weit über 10.000 Separaten. Die fachliche Beratung von Studierenden und Kollegen, verschiedenster Medien und Bundes- bzw. Landeseinrichtungen sind ein weiterer Teil des Aufgabenfeldes. Neben taxonomischen und systematischen Fragestellungen werden seit Jahrzehnten zuneh- mend Aspekte der regionalen Faunistik sowie des Arten- und Naturschutzes bearbeitet. So wird die von Hacker erstmals durchgeführte Bearbeitung der heimischen Fische im Rahmen der Roten Liste bis heute fortgesetzt. Das Sammeln, einst zentrales Anliegen des Naturhistorischen Museums, ist aus mehreren Gründen in den Hintergrund gerückt. Zum einen, weil ein zeitgemäßer Artenschutz dem

295 »Sammeln auf Vollständigkeit« des 19. Jahrhunderts widerspricht, zum anderen, weil heute einfach die finanziellen Mittel fehlen, um entsprechende Aufsammlungen durchführen zu kön- nen. Und wie sehr sich die Fischsammlung des Naturhistorischen von anderen Forschungs- einrichtungen unseres Landes unterscheiden mag, jedenfalls im letztgenannten Punkt ist sie ihnen sehr ähnlich.

Abb. 1: Porträt Johann Natterer (1787–1843) Abb. 2: Franz Steindachner in seiner Fischsamm- lung (um 1910)

Abb. 3: Paratypus eines Pfauenaugenbuntbarschs Abb. 4: Blick in einen der Typenkeller der heutigen (Acara crassipinnis), von Natterer gesammelt, von Fischsammlung Heckel 1840 beschrieben

296 Die Österreichische Akademie der Wissenschaften und ihre Rolle in der Fischforschung

JOSEF WANZENBÖCK Institut für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Mondseestraße 9, A-5310 Mondsee

1. Rückblick Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist eine selbständige Körperschaft, die vom Bund bzw. aus Stiftungen und Subventionen finanziert wird. Sie ist einerseits Gelehr- tengesellschaft und andererseits eine Forschungsorganisation (http://www.oeaw.ac.at/). Sie gilt als ranghöchste wissenschaftliche Institution in Österreich. Ihr Gründungspatent stammt vom 14. 5. 1847. Die damals »Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien« verstand sich hauptsächlich als Gelehrtengesellschaft und Hort wissenschaftlicher Freiheit. Auch in der Republik wurde die Akademie der Wissenschaften durch Bundesgesetz 1921 als »Akademie der Wissenschaften in Wien« und 1947 als »Österreichische Akademie der Wissenschaften« rechtlich und finanziell abgesichert. Zugleich wurde ihre Aufgabe bestätigt, nämlich die Wis- senschaft »in jeder Hinsicht zu fördern«. Seit Beginn gliedert sich die Akademie der Wissenschaften in eine mathematisch-naturwis- senschaftliche Klasse (Mathematik, Naturwissenschaften, Medizin, Technische Wissenschaf- ten) und eine philosophisch-historische Klasse (Geistes-, Rechts-, Staats-, Wirtschaftswissen- schaften). Die Forschungsschwerpunkte der Akademie der Wissenschaften in der mathe- matisch-naturwissenschaftlichen Klasse lagen im 20. Jahrhundert verstärkt bei den physi- kalischen, biologischen, medizinischen und umweltbezogenen Wissenschaften (http:// www.aeiou.at/aeiou.encyclop.a/a190883.htm). Ein frühes Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien war Johann Jacob Heckel, einer der Gründerväter der Ichthyologie (Fischforschung) in Österreich und Leiter der Fischsammlung im k.u.k. Hofnaturalienkabinett, dem Vorläufer des heutigen Naturhistorischen Museums (Mikschi, dieser Band). Er wurde kurz nach Gründung der Akademie, im Jahr 1848, zuerst zum korrespondierenden Mitglied und im Juli 1848 zum wirklichen Mitglied der Aka- demie gewählt (Svojtka et al., dieser Band). Zahlreiche Aktivitäten, vor allem Forschungs- reisen, wurden von der Akademie auch finanziell unterstützt, und daher finden sich viele wich- tige Veröffentlichungen Heckels in den »Sitzungsberichten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien«, z. B. 1851/52: »Bericht einer auf Kosten der Kaiserlichen Akade- mie der Wissenschaften durch Oberösterreich nach Salzburg, München, Innsbruck, Botzen, Verona, Padua, Venedig und Triest unternommenen Reise … behufs ichthyologischer For- schung«. In diesen Berichten wurden viele Originalbeiträge Heckels erstmals publiziert (z.T. in den Anhängen zu diesen Berichten) und später im berühmten Buch von Heckel & Kner »Die Fische der östreichischen Monarchie« (1858) zusammengefasst. Auch Leopold Fitzinger, der bis zur Übernahme durch Heckel 1835 die Fischsammlung im Hof- kabinett führte und eng mit Heckel zusammenarbeitete (Mikschi, dieser Band und Svojtka, dieser Band), war ab 1848 Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Von ihm finden sich ebenfalls mehrere Arbeiten in den Sitzungsberichten der Kaiserlichen Akademie (Wien), allerdings relativ wenige mit ichthyologischem Inhalt. Der zweite Autor des Buches, dessen Erscheinungsjahr Anlass für den vorliegenden Jubiläums- band ist, Rudolf Kner, war erst korrespondierendes (1849) und später (1860) wirkliches Mit- glied der Kaiserlichen Akademie (Salvini-Plawen & Svojtka, 2008). Von Rudolf Kner gelang- ten wiederum viele wichtige Arbeiten in den »Sitzungsberichten der Kaiserlichen Akademie (Wien)« zur Veröffentlichung bzw. auch in den »Denkschriften der Kaiserlichen Akademie (Wien)« – siehe Werkverzeichnis von R. Kner in Salvini-Plawen & Svojtka (2008). Auch Kner war am k.u.k. Hofnaturalienkabinett aktiv und erster Professor für Zoologie in Wien. Kurz nach dem Tod Heckels (1857) brachte R. Kner den jungen Franz Steindachner an das Naturalien-

297 kabinett. Dieser übernahm später die Leitung der Fischsammlung, koordinierte die Übersied- lung in das neu gebaute Naturhistorische Museum und wurde auch Intendant des Museums. Er starb 1919 kurz nach seiner Pensionierung (Mikschi, dieser Band). Franz Steindachner war ebenfalls eng mit der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien verbunden; er wurde 1867 zum korrespondierenden Mitglied und 1875 zum wirklichen Mitglied gewählt. Daher erschienen auch Steindachners Arbeiten hauptsächlich in den Sitzungsberichten der Kaiser- lichen Akademie (Wien), daneben auch in den »Annalen« des Naturhistorischen Hofmuseums. Das Ende des 1. Weltkrieges brachte eine starke Zäsur, natürlich auch für die österreichische Wissenschaft und besonders für die Fischforschung: Steindachner verstarb 1919 und wurde von Victor Pietschmann, seinem Schüler, in der Funktion als Leiter der Fischsammlung im Museum abgelöst (Mikschi, dieser Band). Mit dem personellen Wechsel fand auch ein deut- licher Wechsel in der Ausrichtung der Forschung statt, indem sich Victor Pietschmann nicht mehr nur für taxonomisch-systematische Fragen interessierte, sondern zunehmend fischerei- biologische Fragen bearbeitete. Pietschmann war mit der Österreichischen Akademie der Wis- senschaften nicht mehr durch Mitgliedschaft verbunden, ebenso seine Nachfolger am Museum (Paul Kähsbauer, Rainer Hacker, Barbara Herzig-Straschil, Ernst Mikschi). Noch stärker wird der Wechsel in der Forschungsausrichtung durch Oskar Haempel verkör- pert. Er war schon ab 1908 an der landwirtschaftlich-chemischen Versuchsanstalt Wien als Fischereibiologe tätig. Ab 1910 war er Dozent für Landwirtschaft an der Wiener Hochschule für Bodenkultur und leitete ab 1920 die neu eingerichtete Lehrkanzel für Hydrobiologie und Fischereiwirtschaftslehre (http://de.wikipedia.org). 1928 übernahm er die von ihm gegründete Fischereibiologische Bundesanstalt in Weißenbach am Attersee (Stundl, 1955), die später an den Mondsee übersiedelte und zum heutigen Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde wurde (Jagsch, dieser Band). Mit dem angesprochenen Wechsel von der syste- matisch-taxonomischen Forschungsrichtung zu fischereibiologischen Fragen kann eine Ent- koppelung der Fischforschung und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften fest- gestellt werden: So wie Pietschmann war auch Oskar Haempel kein Mitglied der Akademie, ebenso seine Nachfolger an der Universität für Bodenkultur (Reinhard Liepold, Matthias Jung- wirth) und am Institut in Scharfling (Wilhelm Einsele, Erich Bruschek, Jens Hemsen, Albert Jagsch). Fast zeitgleich mit den frühen Aktivitäten Oskar Haempels entwickelte sich auch die Biologi- sche Station Lunz (gegründet 1905, http://www.bsl.oeaw.ac.at/institut.htm#Zeittafel), die als Geburtsort des Wissenschaftszweiges Limnologie (Ökologie der Binnengewässer) in Öster- reich gilt. Die Limnologie ist eng mit Franz Ruttner verknüpft, der 1908 administrativer Lei- ter der Station Lunz wurde. Kriegsbedingt war die Station geschlossen, und ab 1924 wurde sie durch den »Verein Biologische Station Lunz« getragen und von Franz Ruttner geleitet. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften war Mitglied in diesem Verein und unterstützte damit die Limnologie in ihrer frühen Phase. Ruttner schrieb ein grundlegendes Buch, den »Grundriss der Limnologie« (1940), in dem die Fische als wichtige Organismengruppe der Gewässer jedoch kaum erwähnt werden. Ruttner wurde 1952 zum korrespondierenden Mit- glied der ÖAW gewählt. Nach der Pensionierung Ruttners (1957) übernahm Ingo Findenegg die Biologische Station Lunz, und nach dessen Pensionierung (1967) wurde die Station von Heinz Löffler geleitet. Dieser wurde 1972 zum korrespondierenden Mitglied der ÖAW gewählt; und im selben Jahr wurde das Institut für Limnologie der ÖAW gegründet, mit Lunz als Abtei- lung (http://www.bsl.oeaw.ac.at/institut.htm#Zeittafel; http://www.oeaw.ac.at/limno/). Das Institut für Limnologie war zunächst in Wien (Berggasse) angesiedelt und wurde 1981 in das neu errichtete Gebäude in Mondsee überführt. Im gleichen Jahr wurde Heinz Löffler, der geschäftsführende Direktor des Instituts für Limnologie der ÖAW, zum wirklichen Mitglied der Akademie gewählt. Heinz Löffler war gleichzeitig auch Professor für Limnologie an der Universität Wien, und mit seinen Forschungsprojekten, den dort eingebundenen Studenten und nachfolgenden Universitätsprofessoren (Fritz Schiemer, Hubert Keckeis) sowie seinen Nach- folgern als Direktoren des Instituts für Limnologie der ÖAW (Arnold Nauwerck, Thomas Weisse) gewann die ökologisch orientierte Forschung an Fischen innerhalb der Limnologie

298 zunehmend an Bedeutung (Keckeis et al., dieser Band). Aber auch die zeitgleiche Entwick- lung der Limnologie an der Universität Innsbruck durch Roland Pechlaner und in Kärnten durch Hans Sampl berücksichtigte die Fische in gebührendem Maße (Pelster, dieser Band; Honsig-Erlenburg, dieser Band). Nach dem 1. Weltkrieg entwickelte sich, fast parallel zur Limnologie, der Wissenschaftszweig der Verhaltensforschung (Ethologie), welche in Österreich eng mit Konrad Lorenz verbunden ist. In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts veröffentlichte Lorenz einige richtungs- weisende Arbeiten zum Verhalten von Vögeln, während sein holländischer Kollege Nikolaas Tinbergen am Verhalten von Fischen, nämlich von Stichlingen, forschte. Nach dem 2. Welt- krieg kam Lorenz 1948 nach Österreich zurück und gründete 1949 die Station für Verglei- chende Verhaltensforschung (in Altenberg, nicht auf dem Wilhelminenberg!) unter dem Pro- tektorat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Angetter, 2003). Ab 1950 wirkte Lorenz im Ausland, hauptsächlich in Deutschland, und kehrte nach seiner Emeritierung 1973 nach Österreich zurück. Im selben Jahr wurde er zum Ehrenmitglied der ÖAW gewählt. In Altenberg bzw. in Grünau im Almtal gründete er die Abteilung Tiersoziologie des Institutes für Vergleichende Verhaltensforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Deren Hauptsitz ging aus der von Otto König (der von den Arbeiten von Konrad Lorenz inspi- riert war) ab 1945 aufgebauten Biologischen Station am Wiener Wilheminenberg hervor und wurde ab 1967 als ÖAW Institut unter der Leitung von Otto König geführt. Im Haus von Kon- rad Lorenz in Altenberg wurde mit Geld aus dem Nobelpreis ein großes Aquarium errichtet, in dem Lorenz das Verhalten von Korallenfischen studierte. Ab 1981 wurden die Abteilungen Altenberg und Grünau als eigenständiges Konrad-Lorenz-Institut der Österreichischen Aka- demie der Wissenschaften geführt (Angetter, 2003). Nach seinem Tod 1989 beendete die ÖAW ihre Trägerschaft an den Standorten Altenberg und Grünau bzw. wurden diese Institute in andere Organisationen eingebunden. Das Institut am Wilheminenberg wurde in »Konrad Lorenz Insti- tut für Vergleichende Verhaltensforschung« umbenannt und wird bis heute als ÖAW-Institut weitergeführt. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde ein österreichisches Schwerpunkt-Forschungs- projekt zur Ökologie der Karpfenfisch-Verwandten (Cypriniden) gestartet. Unter der Leitung von Wolfgang Wieser, einem Tierphysiologen an der Universität Innsbruck und Mitglied der ÖAW (1976 korrespondierendes Mitglied, 1991 wirkliches Mitglied), schlossen sich Fisch- forscher der Universitäten Innsbruck, Salzburg und Wien bzw. der ÖAW-Institute für Limno- logie in Mondsee und des Konrad-Lorenz-Institutes für Vergleichende Verhaltensforschung in Wien zusammen, um diese wichtige Gruppe von Fischen an heimischen Arten aus verschie- denen Blickwinkeln zu bearbeiten (Wieser et al., 1992). Dieses Projekt lieferte entscheidende Anstöße für die Fischforschung in Österreich, welche bis heute nachwirken. 1996 wurde von der ÖAW die Kommission für Interdisziplinäre Ökologische Studien gegrün- det. Bei den von dieser Kommission finanzierten bzw. bearbeiteten Projekten werden auch immer wieder Forschungsarbeiten an Fischen mit unterschiedlichsten Fragestellungen be- arbeitet (http://www.oeaw.ac.at/kioes/). 2. Standortbestimmung Auch heute ist die Österreichische Akademie der Wissenschaften durch ihre Mitarbeiter/-innen in vielfältigen fischbiologischen und ichthyologischen Arbeitsbereichen aktiv http:// www.oeaw.ac.at/deutsch/forschung/einrichtungen/fachbereiche.html. Dabei hat sich das The- menfeld, von den Anfängen der Akademie weg, weitgehend von systematisch-taxonomischen Fragen hin zu ökologischen und verhaltensbiologischen Schwerpunkten entwickelt. In jün- gerer Zeit erfährt die Erforschung der Verwandtschaftsbeziehungen von Fischpopulationen durch die Entwicklung molekulargenetischer Methoden wieder einen Aufschwung. Die Ver- bindung solcher systematisch-evolutionsbiologischen mit ökologischen Fragestellungen bzw. mit verhaltensökologischen Fragen gehören heute zu den Schwerpunkten der Fisch- forschung. Nachfolgend wird auf die Arbeiten am Institut für Limnologie (= Ökologie der Binnengewäs-

299 ser) eingegangen (siehe auch: http://www.oeaw.ac.at/limno) und besonders auf die Arbeits- gruppe Fischökologie (http://www.oeaw.ac.at/limno/personnel/wanzenboeck/wanzenboeck. htm): Wie alle Einrichtungen der ÖAW ist diese Forschergruppe in erster Linie der Grundlagenfor- schung verpflichtet, was bedeutet, dass alle offenen Fragen der Fischökologie behandelt wer- den können, ohne Rücksicht darauf, ob die Forschungsergebnisse später praktische Anwendung finden, etwa in der fischereilichen Bewirtschaftung der Gewässer oder in der kommerziellen Fischzucht. Dies ist in erster Linie als Wegfall jeglicher Einschränkung zu sehen und nicht als eine Spezialisierung auf »nutzlose« Forschung, denn viele der Forschungsergebnisse sind in der Folge sehr wohl anwendbar und beeinflussen fischereiliche Belange in vielfacher Hinsicht, von ökonomischen Aspekten über Naturschutzfragen bis hin zu Fischzuchtaspekten. Der Schwerpunkt der Forschung in der Arbeitsgruppe liegt auf fischökologischen Fragestel- lungen in Seen und angrenzenden Flüssen und Bächen. Innerhalb dieses Rahmens sind die Themen sehr weit gestreut. Sie reichen von Verhaltenstudien an Larven und Jungfischen über Populationsuntersuchungen bis zu Studien ganzer Fischgemeinschaften. An Larven und Jung- fischen von Barschen und Karpfenartigen wurde etwa erforscht, wieviel Plankton (und wel- che Menge von welcher Planktonart) von allen Jungfischen eines Sees weggefressen wird. Damit wurde die Frage geklärt, wie stark die ganz kleinen Fische im Vergleich zu den größeren Fischen am Stofffluss in einem See beteiligt sind. Es zeigte sich, dass die kleinen Fische zeit- weilig viel mehr Plankton umsetzen als die großen Fische und hauptsächlich die Entwicklung der wichtigsten Zooplanktonarten beeinflussen. Wenn die Jungbarsche etwas größer werden, wechseln sie von einer Lebensweise im Freiwasser zu Aufenthaltsorten in Ufernähe und suchen sich dort bestimmte Plätze (Habitate). Diese Auswahl von Habitaten und auch ihr anschließen- des Sozial- und Fressverhalten wird stark von der Anwesenheit von Raubfischen bestimmt. Auch dazu laufen Untersuchungen der Arbeitsgruppe in Kooperation mit Kollegen aus der Russischen Akademie der Wissenschaften (Wanzenböck et al., 2006; Mikheev et al., 2006). Die Larven und Jungfische einer Art gelten auch als besonders empfindlich, und ihre Sterb- lichkeit ist relativ hoch, daher werden die Jahrgangsstärken (d. h. wie viele Fische erwachsen werden und später fischereilich genutzt werden können) hauptsächlich während dieser frühen Phasen bestimmt. In der Arbeitsgruppe wird versucht, die Entwicklung von Fischpopulatio- nen in Rechenmodellen und Computersimulationen vorherzusagen, indem die wichtigsten Ein- flussfaktoren auf die Wachstums- und Vermehrungsprozesse aller Lebensstadien berücksich- tigt werden. Sind solche Modelle erarbeitet, können verschiedene Einflussgrößen, wie etwa die fischereiliche Entnahme, die Wirkung von Schonmaßnahmen oder die Einschränkung des Lebensraumes, simuliert werden und mit den tatsächlichen Entwicklungen verglichen werden. So können etwa auch Aussterbenswahrscheinlichkeiten unter bestimmten Voraussetzungen berechnet und damit das Gefährdungspotenzial einzelner Arten bestimmt werden, wie dies für den Hundsfisch (Umbra krameri), eine gefährdete Kleinfischart, geschehen ist (Wanzenböck, 2004). Aber auch an anderen gefährdeten Fischarten, wie etwa am Perlfisch (Rutilus meidin- geri) und an seiner Habitatwahl, wurde geforscht. Seit der wissenschaftlichen Beschreibung durch Heckel gilt der Perlfisch als Tiefwasserbewohner, was in Analogie zu anderen Karpfen- fischen sehr ungewöhnlich scheint. Systematische Befischungen am Mondsee haben nun gezeigt, dass der Perlfisch im Sommer und Herbst hauptsächlich im Uferbereich vorkommt (Mayer & Wanzenböck, 2006), und somit konnte eine alte Lehrmeinung revidiert werden. In den letzten Jahren wurde auch die Frage bearbeitet, wie die Fischgemeinschaften von Seen als Indikator für den ökologischen Zustand dieser Systeme herangezogen werden können. Diese Ergebnisse werden nun für die Überwachung der Seen im Rahmen der Europäischen Wasser- rahmenrichtlinie angewandt (Gassner et al., 2005; Zick et al., 2006). Zur Zeit liegt der Schwer- punkt der Arbeitsgruppe in der Bearbeitung verschiedener Bestände von Reinanken (Renken, Felchen) in den österreichischen Seen (siehe Abb. 1 und 2). In Zusammenarbeit mit Fischgene- tikern der Karl-Franzens-Universität in Graz (Steven Weiss, Kathrin Winkler) wird untersucht, ob ursprüngliche Renken in den Seen noch vorhanden sind und inwieweit sie durch Besatz mit standortfremden Maränen vermischt wurden. Dabei werden genetische Unterschiede in Bezie-

300 Abb. 1: Ein Schwerpunkt aktueller Forschung liegt bei den Core- Abb. 2: Fischlarvenfang mit einem vom gonen (Reinanken, Renken, Felchen, Maränen), die in allen Le- Boot hergeschobenen Netz am Traun- bensstadien (Ei-, Larven- und Adultstadium) untersucht werden. see hung zu ökologischen Unterschieden (etwa verschiedene Laichzeiten oder verschiedene Laichorte) gesetzt und durch diese Verknüpfung entscheidende Fortschritte erzielt (Pammin- ger-Lahnsteiner et al., 2009). Da das Institut für Limnologie der Grundlagenforschung auf internationalem Niveau ver- pflichtet ist, werden die Forschungsergebnisse hauptsächlich in internationalen und daher eng- lischsprachigen Fachzeitschriften veröffentlicht. Nur gelegentlich können Arbeiten auch auf Deutsch, etwa in »Österreichs Fischerei«, publiziert werden. Seit 2007 besteht am Institut für Limnologie eine weitere Arbeitsgruppe, die sich mit der asexuellen Vermehrung von Süßwasserorganismen, unter anderem auch von Fischen beschäf- tigt. Für nähere Informationen siehe: http://www.oeaw.ac.at/limno/personnel/lamatsch/ lamatsch.htm. Die Aktivitäten im Bereich Fischforschung an anderen ÖAW-Einrichtungen können hier nicht weiter ausgeführt werden. Hier muss auf http://www.oeaw.ac.at/deutsch/forschungseinrich- tungen/fachbereich.html verwiesen werden.

3. Ausblick Ein Ausblick über künftige Forschungsaktivitäten im Bereich der Fischbiologie kann nur für die Arbeitsgruppe Fischökologie im Institut für Limnologie der ÖAW gegeben werden. In absehbarer Zukunft werden Untersuchungen zum Einfluss des Klimawandels auf Fischge- meinschaften und Populationen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dabei sind nicht nur direkte Einflüsse über Temperaturerhöhungen von Interesse, sondern auch indirekte Verände- rungen über verstärkte Hochwasserereignisse, damit verbundene höhere Trübe- und Nähr- stoffeinschwemmungen und nachfolgende Algenblüten. Besonders die Auswirkungen toxi- scher Blaualgenblüten (Cyanobakterien) auf Coregonenpopulationen sollen in naher Zukunft erforscht werden. Aber auch die Auswirkungen der Klimaveränderungen über andere Bakte- rien auf Fische und Menschen entwickeln sich zu neuen Forschungsinhalten: Mycobakterien des Mycobacterium marinum-Artenkreises (hauptsächlich M. marinum, M. ulcerans und M. pseudoshottsii) sind opportunistische, fischpathogene Erreger (z.B. Fischtuberkulose), die beim Menschen schwer behandelbare Hautinfektionen (z.B. »Schwimmbadgranulom«) her- vorrufen können. Diese Erreger, die auch als freilebende aquatische Stadien vorkommen, wer- den traditionell als Warmwassererreger aufgefasst, die vor allem Infektionen bei Warmwas- serfischen (Meeres- und Süßwasser) verursachen und daher in Österreich vor allem ein Infek- tionsrisiko für Personenkreise darstellen, die vor allem im Bereich der Aquaristik in Kontakt

301 mit infizierten Warmwasserfischen kommen. Jüngere Untersuchungen ziehen jedoch die Abhängigkeit der Erreger von Warmwasserbedingungen in Zweifel, und verschiedene wis- senschaftliche Studien dokumentierten Infektionen bei Kaltwasserfischen (z.B. in gewerb- lichen Fischzuchtanlagen). Offensichtlich besteht hinsichtlich der Erfassung der derzeitigen Erregerbestände in natürlichen und künstlichen Systemen in Österreich Handlungsbedarf. Wei- terhin gilt es abzuschätzen, ob im Zuge der Klimaerwärmung und der damit einhergehenden Seenerwärmung mit einer Zunahme der Mykobakteriosen bei Fischen in den Seen des Salz- kammergutes zu rechnen ist, wodurch das Infektionsrisiko für betroffene Personengruppen steigen würde. Zusätzlich gilt es abzuklären, ob infolge der Klimaerwärmung mit einer Inva- sion von wärmeangepassten Mycobakterien, die mit Zierfischen aus wärmeren Klimaten importiert werden und aus Warmwasseraquarien über die Abwassersysteme in natürliche Gewässer gelangen können, zu rechnen ist. Auf jeden Fall soll am Institut für Limnologie der ÖAW auch in Zukunft fischökologische Grundlagenforschung betrieben werden, um ein noch tieferes Verständnis dieser wichtigen Organismengruppe unserer Gewässer und ihre vielfältigen Beziehungen zu anderen Lebe- wesen, zu uns Menschen und damit ein besseres Verständnis unserer Gewässer-Ökosysteme zu erlangen.

LITERATUR Angetter, D. (2003): Konrad Lorenz. In: Die Österreichischen Medizinnobelpreisträger. Österreichisches Biographi- sches Lexikon – Schriftenreihe, Band 8: 58–70. Gassner, H, Wanzenböck, J., Zick, D., Tischler, G. & Pamminger-Lahnsteiner, B. (2005): Development of a based lake typology for natural Austrian Lakes >50 ha based on the reconstructed historical fish communities. Interna- tional Review of Hydrobiology 90: 422–432. Honsig-Erlenburg, W. (dieser Band): Angewandte Fischforschung in Kärnten von Vincenz Hartmann (1898) bis heute. Jagsch, A. (dieser Band): Beiträge des Instituts für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde zur ange- wandten Fischforschung. Keckeis, H., Ahnelt, H., Ladich, F. & Metscher, B. (dieser Band): Forschungsbereiche aus Biologie, Ökologie und Systematik von Fischen an der Universität Wien. Mayr, S. & Wanzenböck, J. (2006): Der Perlfisch (Rutilus meidingeri (Heckel, 1851)), ein Tiefwasserbewohner unse- rer Seen: Mythos oder Wahrheit? Seine Habitatnutzung und Nahrungswahl im Mondsee. Österreichs Fischerei 59: 262–272. Mikheev, V. N., Wanzenböck, J. & Pasternak, A. F. (2006): Effects of predator-induced visual and olfactory cues on 0+ perch (Perca fluviatilis L.) foraging behaviour. Ecology of Freshwater Fish 15: 111–117. Mikschi, E.(dieser Band): Geschichte der Fischforschung am Naturhistorischen Museum. Pamminger-Lahnsteiner, B., Weiss, S., Winkler, K. & Wanzenböck, J., ( 2009): Composition of native and introduced mtDNA lineages in Coregonus sp. in two Austrian lakes: evidence for spatio-temporal segregation of larvae? Hydrobiologia 632: 167–175. Pelster, B. (dieser Band): Fischforschung an der Universität Innsbruck. Salvini-Plawen, L. & Svojtka, M. (2008): Fische, Petrefakten und Gedichte: Rudolf Kner (1810–1869) – ein Streif- zug durch sein Leben und Werk. Denisia, 24: 1–132, Linz. Svojtka, M., Salvini-Plawen, L. & Mikschi, E. (dieser Band): Biographischer Abriss zu Johann Jakob Heckel (1790– 1857). Wanzenböck, J. (2004): European mudminnow (Umbra krameri) in the Austrian floodplain of the River Danube – Conservation of an indicator for endangered wetland ecosystems in Europe, pp 200–207, in: Akcakaya, H. R., Burgman, M. A., Kindvall, O., Wood, C. C., Sjögren-Gulve, P., Hatfield, J. S., McCarthy, M. A. (eds.) Spe- cies Conservation and Management. Oxford University Press, New York, 533 pp. Wanzenböck, J., Mikheev, V. N. & Pasternak, A.F. (2006): Modification of 0+ perch foraging behaviour by indirect cues of predation risk. Ecology of Freshwater Fish 15: 118–124. Wieser, W., Schiemer, F., Goldschmidt, A. & Kotrschal, K. (eds). (1992): Environmental Biology of European Cypri- nids. Kluwer, Dordrecht, The Netherlands, pp. 233 (identical to Volume 33 [no 1–2] of the journal »Environmental Biology of «). Zick, D., Gassner, H., Filzmoser, P., Wanzenböck, J., Pamminger-Lahnsteiner, B. & Tischler, G. (2006): Changes in the fish species composition of all Austrian lakes >50 ha during the last 150 years. Fisheries Management and Eco- logy 13: 103–111.

302 Forschungsbereiche aus Biologie, Ökologie und Systematik von Fischen an der Universität Wien

HUBERT KECKEIS1, HARALD AHNELT2, FRIEDRICH LADICH3, BRIAN METSCHER2 Universität Wien, Fakultät für Lebenswissenschaften, Althanstraße 14, A-1090 Wien 1) Department für Limnologie und Hydrobotanik (www.univie.ac.at/fresh) 2) Department für Theoretische Biologie (www.univie.ac.at/theoretical) 3) Department für Verhaltensbiologie (www.behaviour.univie.ac.at)

Einleitung Die Universität Wien wurde im Jahre 1365 gegründet und ist die älteste Universität im deut- schen Sprach- und Kulturraum. Mit über 6200 Wissenschaftern/-innen, ist die Universität Wien die größte Lehr- und Forschungseinrichtung in Österreich. Oberstes Ziel und Aufgabe der Uni- versiät ist es, Forschung und Lehre in höchster Qualität zu schaffen und zu erhalten, wobei die beiden Elemente Forschung und Lehre als untrennbare Einheit verstanden (»forschungsgelei- tete Lehre«) werden. Eine hohe Forschungsorientierung wird durch eine Kombination von Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung verdeutlicht (siehe www.uni- vie.ac.at). Arbeitsgruppe Fischökologie des Departments Limnologie und Hydrobotanik Leitung: Hubert Keckeis Im Zuge der öffentlichen Diskussionen um die geplante Errichtung des Donaukraftwerkes Hainburg entwickelte sich im Jahr 1984 eine Forschungsgruppe in der Abteilung Limnologie der Universität Wien unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Fritz Schiemer, die erste wissen- schaftliche Untersuchungen über das Vorkommen und die Ökologie von Fischen in der frei- fließenden Donau unterhalb Wiens initiierte und durchführte und einen Statusbericht über die Fischfauna der Donau erstellte (Die Fische der Donau – Gefährdung und Schutz. Grüne Reihe des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie, Band 5, 1994). Eine wesentliche Basis dieser Untersuchungen war das Schwerpunktprojekt S-35 des Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung in Österreich, in dessen Rahmen Forschende der Universitäten Wien, Innsbruck, Salzburg und des Instituts für Limnologie der Öster- reichischen Akademie der Wissenschaften die größte Gruppe der heimischen Fische, die Karp- fenfische (Cyprinidae), aus unterschiedlichen fachlichen Blickwinkeln (Biologie, Ökologie, Physiologie, Anatomie, Ethologie) und unter Einbeziehung der verschiedenen fachspezifischen Methoden sowohl unter natürlichen Bedingungen als auch mittels Experimenten im Labor genauer beleuchteten. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse dieses Schwer- punktprojektes ist im Rahmen eines Sonderbandes der Zeitschrift »Environmental Biology of Fishes« mit dem Titel »Environmental Biology of European Cyprinids« (1992, Band 33 [1– 2]) erschienen. Aufbauend auf diese Studien, haben sich mehrere fachliche Schwerpunkte entwickelt; die Untersuchungen orientieren sich räumlich primär auf die Donau und ihre Zuflüsse im Raum Wien und Niederösterreich. Fachlich beinhalten die Forschungen Aspekte der Reproduktions- biologie, der Ökophysiologie von Embryonen, Larven und juvenilen Stadien und die Unter- suchung der Biodiversität von Fischzönosen sowie die Habitatwahl und Habitatnutzung von Fischen. Im Rahmen der Untersuchung der Reproduktionsbiologie erfolgen Analysen der Alters- und Größenstruktur, der Laichmigration und des Laichverhaltens sowie der speziellen abiotischen Eigenschaften von Laichhabitaten. In den letzten Jahren erfolgte eine sehr erfolgreiche Adap- tation hydroakustischer Untersuchungsmethoden zur quantitativen Erfassung von Fischbe- ständen und einer Neuentwicklung der Datenanalyse zur Größenbestimmung von Fischen in Fließgewässern. Somit können Laichpopulationen quantifiziert und die Migrationsmuster genau analysiert werden. Im Schwerpunkt Ökophysiologie werden die temperaturabhängige

303 Abb. 1: Das linke Bild zeigt schlüpfende Zander Larven (Sander lucioperca, Größe ca. 3–4 Millimeter); das rechte Bild zeigt Probennahmen (»point abundance sampling«) in der Donau zur Untersuchung der Mikro- habitate von Jungfischen entlang eines neu geschaffenen natürlichen Uferbereiches in Hainburg.

Entwicklung (Schlüpfereignisse, exogene Nahrungsaufnahme, osteologische Entwicklung), die Bionergetik, das Wachstum, die Respiration, die Mortalität sowie die Nahrung und Ernährung von Embryonen, Larven und juvenilen Stadien analysiert (Abb. 1). Die Ergebnisse kommen sowohl in Aquakulturprogrammen als auch in der Interpretation von Freilandbefun- den zur Anwendung. Untersuchungen zur Biodiversität behandeln Fragestellungen möglicher Effekte von Umweltfaktoren und der Gewässerbeschaffenheit (Morphologie) auf das Arten- vorkommen und die Artengemeinschaften (Artenzahl, Artenzusammensetzung). Räumlich- zeitliche Verteilungs- und Besiedelungsmuster neuer Habitate (Sukzession) stellen einen wei- teren wichtigen Schwerpunkt des Fachbereiches Fischökologie dar. Steuernde und limitierende Faktoren für die Habitatwahl unterschiedlicher Entwicklungs- und Altersstadien (von Fisch- larven bis hin zu Adulten) stehen im Mittelpunkt des Interesses. Dieses Wissen kommt in Moni- toringprogrammen und Gewässerrestaurierungsprogrammen zur Anwendung. In den letzten Jahren erfolgte die Entwicklung und Adaptation von Habitatmodellen für unterschiedliche Fischgemeinschaften (Jungfische, Uferzönose, sublittorale Zönose, benthische Zönose) in der Donau. Das Ziel dieser Untersuchungen besteht darin, die Auswirkungen von Umweltverän- derungen (bauliche Maßnahmen, Restaurierungsmaßnahmen, Klimawandel) auf die Entwick- lung der Fischgemeinschaft zu simulieren und zu analysieren. Eine wichtige dynamische Kom- ponente zu Beginn des Lebenszyklus von Fischen stellen die Drift und das »Dispersal« dar. Diese Verhaltenseigenschaften stellen fundamentale Mechanismen für den Bestand und die Entwicklung dar, die zukünftig verstärkt untersucht werden. Nähere Angaben sind unter der Adresse http://homepage.univie.ac.at/Hubert.Keckeis/ ver- fügbar. Arbeitsgruppe Morphologie, Phylogenie und Systematik der Fische des Departments Theoretische Biologie Leitung: Harald Ahnelt In meiner Arbeitsgruppe beschäftigen wir uns mit morphologischen Veränderungen und mit der Populationsdynamik von Fischen in Zusammenhang mit der Wahl des Lebensraumes und der Nahrungsauf- nahme. Wir konzentrieren uns dabei auf nah verwandte Arten, z. B. der Meergrun- deln (Gobioidei) und der karpfenartigen Fische (), bzw. auf Arten mit hoch spezialisierten morphologischen Strukturen wie die Stichlinge (Gasteros- teidae) (Abb. 2). Dabei interessiert uns vor Abb. 2: Dreistachliger Stichling (Gasterosteus aculea- allem das Skelett und das Seitenlinien- tus), ein Exemplar der vollständig beschilderten Form

304 system. Beide Strukturen sind in ihrer Entwicklung und Ausbildung stark von ökologischen Faktoren abhängig. Andererseits beeinflusst die Entwicklung z. B. trophischer Skelettstruktu- ren (Kiefer – Kiemendeckelserie) entscheidend das Wachstum und die Mortalität bestimmter Larvenstadien des Zanders (Sander lucioperca). Die Verteilung der Kanäle und der freien Sin- nesrezeptoren des Seitenliniensystems wiederum ist bei jeder Fischart dem Lebensraum und den dort vorherrschenden Strömungsbedingungen angepasst. Eine besondere Stellung nehmen dabei blinde Fischarten ein. Typischerweise ist bei diesen Fischen das Seitenliniensystem sehr gut entwickelt. Wie wir zeigen konnten, gibt es aber eine blinde Meergrundel (Typhlogobius californiensis), bei der das Seitenliniensystem auf grund der besonderen Lebensweise stark reduziert ist. Beide Organsysteme geben auch Einblick in die verwandtschaftlichen Beziehungen und die Systematik. Hier liegt ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeitsgruppe. Wirtschaftlich unbe- deutende, seltene oder kleine Fischgruppen sind noch unzureichend erforscht. Daher finden sich besonders innerhalb dieser Gruppen wiederholt unbeschriebene Arten. Zugleich ergibt sich die Notwendigkeit von Neu- und Umbenennungen bereits bekannter Taxa. Seit einigen Jahren wird die europäische Süßwasserfischfauna systematisch und taxonomisch neu über- arbeitet. Ein Beitrag dazu ist ein Bestimmungsschlüssel heimischer Fische, der von meiner Homepage http://homepage.univie.ac.at/harald.ahnelt/ (Überschrift »Publications«) frei her- untergeladen werden kann. Auf dieser Homepage finden Sie weitere Informationen zu unse- rer Forschung. Arbeitsgruppe Akustische Kommunikation bei Fischen des Departments fürVerhaltensbiologie Leitung: Friedrich Ladich Fische haben eine große Zahl von Lautbildungsorganen entwickelt und verständigen sich unter- einander mit Lautäußerungen. Meine Arbeitsgruppe konzentriert sich auf die verschiedenen Aspekte der akustischen Kommunikation bei Fischen. Dieses Gebiet umfasst die Untersuchung der Anatomie, Physiologie und neuronalen Steuerung der Lautbildungsorgane, die Struktur akustischer Signale, Lautäußerungen während aggressiven und reproduktiven Verhaltens, die funktionelle Bedeutung von Lauten und die Wahrnehmung (Hören) von Schall. Letzteres inklu- diert die Anatomie der Innenohren und der akzessorischen Hörstrukturen, wie z. B. der Weber- schen Knöchelchen, sowie die Messung des Hörvermögens. Seit geraumer Zeit untersuchen wir nunmehr den Einfluss von natürlichem Hintergrundlärm sowie von anthropogenem (von Menschen verursachtem) Lärm auf das Hören sowie die Stressreaktion bei Fischen. Dies bein- haltet den Lärm, der unter verschiedenen Haltungsbedingungen entsteht, sowie die Beein- trächtigung des Hörens und der akustischen Kommunikation durch die Schifffahrt. Für die Untersuchungen werden sowohl heimische als auch tropische Süßwasserfische (Abb. 3) her- angezogen sowie Fische aus europäischen Küstengewässern. Weitere Informationen über unsere Arbeit und Tonbeispiele können auf meiner Homepage nachgelesen bzw. gehört werden: http://homepage.univie.ac.at/friedrich.ladich/. Arbeitsgruppe MicroCT and EvoDevo des Departments für Theoretische Biologie Leitung: Brian Metscher; Department Head: Prof. Gerd Müller Um die Anatomie, die Entwicklung und die Evolution von Fischen und anderen Tieren zu ver- stehen, sind hochqualitative dreidimensionale Bilder ihrer inneren Strukturen erforderlich. Als Basis unserer Entwicklungs-, Evolutions- und theoretischen Forschungsprojekten verwenden wir hiezu Röntgen-Mikrotomographie (MicroCT) unterschiedlicher Arten und unterschied- licher Entwicklungsstadien (Abb. 4). MicroCT ist das gleiche Verfahren wie die Computertomographie, die in der Medizin breite Anwendung findet; der Unterschied besteht in der Bearbeitung sehr kleiner Individuen. Zur Kontrastverstärkung werden die Proben für gewöhnlich mit Jod oder Wolfram gefärbt, um die Strukturen in den Röntgenbildern besser sichtbar zu machen. Der MicroCT Scanner erstellt eine Serie von Röntgenbildern der rotierenden Proben aus einer Vielzahl unterschiedlicher

305 Winkel; aus dieser gewonnenen Serie erfolgt die Rekonstruktion eines Gesamtbildes sowohl von der Oberfläche des Tieres als auch der inneren Strukturen. Diese Bildanalysetechniken wer- den gegenwärtig im Rahmen ver- schiedener Untersuchungen ange- wendet. Ein Projekt beschäftigt sich mit der ursprünglichen Evolu- tion von Flossen; hier werden Bil- der von unterschiedlichen Arten während der Frühentwicklung ver- wendet. Im Rahmen eines auf die- sen Ergebnissen aufbauendes Pro- jektes soll ein theoretisches Modell der Muster der Flossenskelettent- wicklung entwickelt werden, wei- Abb. 3: Zwei Männchen der südostasiatischen Knurrenden Gu- ters wird untersucht, welche Ände- ramis (Trichopsis vittata) während einer aggressiven territorialen Auseinandersetzung. Die Inserts oben und unten zeigen Oszillo- rungen dieser Entwicklungspro- gramme der Knurrlaute, die von den Männchen erzeugt werden. zesse zur Evolution neuer Flossen- morphologien geführt hat. Im Rahmen zahlreicher Forschungsprojekte von Studenten werden MicroCTs von Fischen und anderen Tieren verwendet. Eine Untersuchung beschäftigt sich mit einem Vergleich der Schä- del- und Kiemenmorphologie von verwandten Fischarten, die an verschiedene Wassertempe- ratur- und Sauerstoffkonzentrationen adaptiert sind, um die Rolle der Entwicklung der adap- tiven Evolution in diesem Zusammenhang besser zu verstehen.

Abb. 4: MicroCT-Bilder eines Hechtes (Esox lucius) vom Mondsee. Dargestellt sind Volums-Rekons- truktionen der inneren Organe mit den Kiemen, den Muskeln und den Nervenbahnen. Das Bild rechts un- ten zeigt ein rekonstruiertes, virtuelles Schnittbild der gescannten Kopf-Brust-Region.

306 Beiträge des Instituts für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde zur angewandten Fischforschung

ALBERT JAGSCH BAW-Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde, Scharfling 18, A-5310 Mondsee Geschichte Als das heutige Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde des Bundes- amts für Wasserwirtschaft (kurz: BAW-IGF) am 9. März 1953 als Fischereibiologisches Insti- tut des Bundes mit der angeschlossenen Fischereischule samt Internat eröffnet wurde, hatte diese Institution bereits eine 25-jährige wechselvolle Vorgeschichte an einem anderen, nicht sehr weit davon entfernten Ort – in Weißenbach am Attersee. Dort war schon am 1. April 1928 die Fischereibiologische Bundesanstalt als eine Außenstelle der Lehrkanzel für Hydrobiolo- gie und Fischereiwirtschaft (Vorstand: Univ.-Prof. Dr. Oskar Haempel) der Hochschule für Bodenkultur, Wien, gegründet worden (Lechler, 1929). In weiterer Folge hatte das Institut ver- schiedene strukturelle Veränderungen und Zuordnungen sowie Namensänderungen erfahren: 1928 –1944 Fischereibiologisches Institut Weißenbach am Attersee (Außenstelle der Uni- versität für Bodenkultur) 1944 – 1945 Reichsanstalt für Fischerei, Abteilung Fischerei in den Gebirgswässern 1945 – 1953 Fischereibiologische Anstalt Weißenbach 1948 Errichtung der Fischzuchtanlage Kreuzstein 1951 Errichtung der Fischzuchtanlage Neumarkt/Wallersee 1953 – 1983 Bundesinstitut für Gewässerforschung und Fischereiwirtschaft (BMLF Sektion III) 1983 – 1995 Bundesanstalt für Fischereiwirtschaft (BMLF Sektion II) 1995 – Bundesamt für Wasserwirtschaft – Institut für Gewässerökologie, Fischerei- biologie und Seenkunde (BMLFUW Sektion VII) Aufgaben Schon bei der Eröffnung der Fischereibiologischen Anstalt sagte der damalige Landeshaupt- mann von Oberösterreich, Dr. Schagel, dass diese nicht nur der Wissenschaft dienen, sondern in Zusammenführung von Theorie und Praxis zur Förderung der Fischereiwirtschaft der Alpen- seen beitragen solle. Angewandte Forschung, Beratung, Erstellung von Gutachten, Aus- und Fortbildung und Produktion von Besatzfischen waren von Anfang an die wichtigsten Aufgaben dieser Institution. Dazu kamen Information, koordinative Aufgaben und beratende Tätigkeit für das zuständige Ministerium. Und auch damals waren die Wissenschafter der Station schon gefragte Gutachter, etwa bei der Errichtung des Traunstaues Siebenbrunn, bei Fischsterben (z.B. Zuckerfabrik Enns), bei Kom- missionierung der Laich- und Schonstätten für den Attersee und bei Bewirtschaftungsfragen. Nicht zuletzt war die Ausbildung in der Fischerei eine wichtige Aufgabe dieser Institution, und schon im November 1929 fand der erste Kurs für Seenwirtschaft statt, der zu einer regelmäßigen Einrichtung wurde. An der Fischereibiologischen Bundesanstalt wurde praxisorientierte limnologische und fische- reiliche Forschung betrieben und Beratung für die Fischerei durchgeführt. Fachliche Schwerpunkte im Wandel der Zeit In den Anfangsjahren standen vor allem Untersuchungen über die fischereibiologischen Ver- hältnisse der umliegenden Seen durch Prof. Oskar Haempel (v.a. Fischereibiologie der Alpen- seen, 1930) und Dr. Hermann Lechler (z.B. Renken des Mondsees, des Attersees, Fischerträge der Salzkammergutseen, 1930, 1932). Nahrung, Wachstum und Reproduktion der wichtigsten

307 Wirtschaftsfische wurden untersucht. Bald wurden aber auch Arbeiten über Boden- und Ufer- fauna sowie über das Plankton der Salzkammergutseen durchgeführt, z.B. Dumitriu (1932) über den Irrsee, und vor allem Dr. Reinhart Liepolt (Boden- und Uferfauna des Mondsees, 1935). Schon sehr früh wurden Arbeiten über die künstliche Erbrütung wichtiger Wirtschaftsfisch- arten der Alpenseen durchgeführt (Lechler, 1930). Renken, Seeforellen, Seesaiblinge und Hechte wurden im Bruthaus Weißenbach erbrütet – 1929 schon über 2,5 Millionen Brütlinge. Es wurden Grundlagen für die Erbrütung dieser Fischarten geschaffen und Grundsätze für eine ordentliche fischereiliche Bewirtschaftung postuliert, mit dem Ziel, die Produktion von Fischen zu erhöhen (z.B. Haempel, 1931). Wesentliche Impulse für die limnologische und fischereibiologische Forschung und für die Fischereiwirtschaft Österreichs wurden durch die Arbeiten von Prof. Dr. Wilhelm Einsele gesetzt. Die unter ihm geschaffene Symbiose zwischen Wirtschaftsbetrieb und Forschung ermöglichte in idealer Weise die Koordinierung zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und praktischer Erfahrung und deren breite Wirkung in der Öffentlichkeit durch die diversen Kurse und die Übernahme der Redaktion von Österreichs Fischerei. Dem Chemiker Wilhelm Einsele verdanken wir sowohl grundlegende limnologische als auch fischereibiologische Erkenntnisse. Er widmete sich ursprünglich dem Mangan- und Eisen- kreislauf und anderen limnochemischen Problemen (z.B. Einsele, 1937, 1938; Einsele & Grim, 1938), er machte die ersten Versuche zur künstlichen Belüftung von Seen (Danecker, 1971). Besonders hervorzuheben sind seine Studien über die Strömungsgeschwindigkeit und ihre öko- logische Bedeutung, die er im Zuge des intensiven Kraftwerksausbaues an unseren Flüssen durchführte (Einsele, 1959). Es erschienen zahlreiche Arbeiten zu wasserwirtschaftlichen The- men, insbesondere zu Fragen des Wasserbaues und seiner Auswirkungen auf Flussbiologie und Fischerei (z.B. Einsele, 1949, 1954, 1957). Der spätere Institutsleiter Dr. Erich Bruschek wid- mete sich in dieser Zeit der Frage der Fischwanderungen und der Funktionalität von Fischtrep- pen (Bruschek, 1953, 1954). Es war auch Erich Bruschek, der grundlegende Entwicklungs- arbeiten zur Elektrofischerei durchführte (Bruschek, 1961, 1967) und erste Geräte in Zusam- menarbeit mit ELIN entwickelte (Abb. 1). Auf dem Gebiet der Fischereiwirtschaft war es Einsele ein besonderes Anliegen, die Produk- tion zu heben und die heimische Fischereiwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg nach Kräften zu fördern. Durch seinen unermüdlichen Einsatz, seine Überzeugungs- und Durchsetzungskraft gelang es ihm auch, die Neuerrichtung des Instituts in Scharfling und Einbindung der Fischauf- zuchtstationen in Kreuzstein und am Wallersee zu erreichen. Neben den klassischen Themen Ernährung, Wachstum und Reproduktion der Fische in den Seen (Einsele, 1943), wurden Unter- suchungen zum Sauerstoffbedarf von Fischen (z.B. Einsele, 1950, 1957), über den Konditions- faktor (Einsele, 1948), über Fischkrankheiten und deren Bekämpfung, z.B. das pH-10-Bad (Einsele, 1964), und den Einsatz von Kochsalz (Einsele, 1965). Einen Schwerpunkt bildeten aber zweifellos die grundlegenden Arbeiten zur Auf- zucht von Jungfischen mit lebendem Plankton (Einsele, 1949) und die Ver- suche zur Erbrütung von Forellenei- ern (Einsele, 1956). Viele der heute gängigen Praktiken und auch Geräte wurden damals entwickelt, besonders zu erwähnen der Scharflinger Futter- automat. Die Aufzucht von Jungfi- schen mit Zooplankton ist bis heute eine Spezialität unseres Institutes. Geleitet vom Gedanken, den Fisch- Abb. 1: 1-kW-Elektrofischerei-Aggregat, Typ Elin, aus dem ertrag der freien Gewässer zu heben, Jahr 1960

308 gab es in den Nachkriegsjahren durchaus Ideen, die Produktivität der Gewässer durch künst- liche Düngung zu steigern (Hasler & Einsele, 1948). Auch der Besatz mit Fischen, die in den Alpenseen bisher nicht vorkamen, wie Aal (Einsele, 1961) und Maräne, wurden zur Ertrags- steigerung propagiert. Die negativen Auswirkungen solcher Maßnahmen konnte man sich damals nicht vorstellen. Doch zu Ende der 1960iger Jahre traten bereits die ersten deutlichen Zeichen der Eutrophie- rung unserer Seen auf (Danecker, 1968; Schulz, 1971) – ganz ohne die noch vor einigen Jah- ren angedachte künstliche Düngung. Fortan war die ständige Untersuchung der Salzkammer- gutseen und der Seen des Flachgaues und Darstellung des Trophiezustandes ein Schwer- punktthema des Institutes (z.B. Jagsch, 1979; Danecker, 1980; Moog & Jagsch, 1980; Jagsch, 1983; Schwarz & Jagsch, 1998; Gassner et al., 2006). In der Fließgewässerforschung standen zunächst Fragen des Produktionsvermögens der Flüsse und Bäche im Vordergrund; das Interesse galt den »Fischnährtieren« und der fischereilichen Produktion (Schulz, 1962; Danecker, 1961; Hemsen, 1956, 1967, 1976; Butz, 1970, 1979). Natürlich wurden Untersuchungen des Benthos auch im Zusammenhang mit Gewässergüte- fragen durchgeführt (Butz, 1985; Kainz & Moog, 1985). Im Zuge des energiewirtschaftlichen Ausbaues der Gewässer standen Fragen der Auswirkun- gen auf die Fischerei weiter im Vordergrund und hatten den Hauptanteil an der Sachverstän- digentätigkeit des Institutes (Jagsch, 1984; Kainz, 1984, 1991; Kainz & Laudert, 1993). Es wurde jedoch bald die Funktion der Fische als Indikator für Auswirkungen wasserbaulicher Maßnahmen erkannt und hat heute zentrale Bedeutung im Rahmen der Bewertung der Gewäs- ser gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie. Dies ergibt eines der momentan wichtigsten Arbeits- felder des Instituts (Haunschmid et al., 2006) (Abb. 2).

Abb. 2: Elektrofischen im Reichraminger Hintergebirge

309 Abb. 3: Blick auf die Fischzucht Kreuzstein

Seit jeher hat der Aspekt der Fischgesundheit einen hohen Stellenwert im BAW-IGF. Wie erwähnt, hatte sich bereits Einsele mit Fragen der Therapie befasst. In späterer Folge wurden Fragen der Fischgesundheit von speziell dafür eingestellten Fachleuten behandelt, die sich einerseits den Parasitosen (z.B. Rydlo, 1971, 1979, 1984, 1998), andererseits mit bakteriellen und viralen Erkrankungen der Fische und damit zusammenhängenden rechtlichen Belangen beschäftigen (z.B. Weismann, 1977, 2001). Das Institut ist auch Ansprechpartner für alle Zweige der Aquakultur. Neben der traditionel- len Beratungs- und Schulungstätigkeit wurden Fragen der Karpfenteichwirtschaft und der Forellenproduktion ständig auch wissenschaftlich untersucht, sei es die Frage des Sauerstoff- bedarfs in der Fischproduktion (Danecker, 1973), seien es Fütterungsfragen (z.B. Kainz & Weismann, 1977; Kainz, 1979), Fragen der Produktion in Karpfenteichen (z.B. Kainz, 1980; Kainz & Schwarz, 1986). Auch dem Problemkreis Fischproduktion und Umwelt wurde großes Augenmerk geschenkt. Insbesondere sind hier die Arbeiten von Ilse Butz zu erwähnen, die auch in der Erlassung einer Spartenverordnung über die Abwasseremissionen aus der Aqua- kultur eingingen (Butz & Vens-Capell, 1982; Butz, 1991; Butz et al., 1993). Das BAW-IGF ist seit Jahrzehnten auch der Ansprechpartner in Fragen der österreichischen Fischereistatistik. Die entsprechenden Meldungen für die FAO erfolgen von hier aus. In Zusammenarbeit mit dem Institut wurde die derzeit gültige Aquakulturerhebung der Statistik entwickelt und darüber regelmäßig berichtet (Butz, 2003). Für die Aquakultur, aber auch hinsichtlich der Erhaltung der Biodiversität sind die vielen Ver- suche zur Kryokonservierung von Fischspermien von Bedeutung. Sie wurden in Kooperation mit dem Zoologischen Institut der Universität Salzburg und dem Bundesamt für Agrarbiolo- gie durchgeführt (z.B. Lahnsteiner, Weismann & Patzner, 1994; Lahnsteiner et al., 1996). Im Zusammenhang mit der Biodiversität sind auch zahlreiche Versuche zur Aufzucht von Fisch- arten zu erwähnen, die für die kommerzielle Fischerei von geringer Bedeutung sind, wie Aal- rutte, Perlfisch, Strömer (z.B. Kainz & Gollmann, 1998). Die Aufzucht von typspezifischen Leit- und Begleitfischarten ist auch eine der künftigen Aufgaben der Fischzucht Kreuzstein (Abb. 3).

310 In diesem Zusammenhang wird auf die vielfältige Zusammenarbeit mit den Universitäten und der Akademie der Wissenschaften hingewiesen, die sich auch in zahlreichen gemeinsamen Publikationen widerspiegelt. Einsele, der die enorme Wichtigkeit und Wirkung eines Fach- organs für die Fischerei erkannte, holte 1954 die Redaktion der Zeitschrift Österreichs Fische- rei (herausgegeben vom Österreichischen Fischereiverband) ans Institut, wo sie bis heute gestal- tet wird. Internationale Aufgaben wurden vor allem in der Europäischen Binnenfischereikommission (EIFAC), in der Vereinigung der europäischen Fischpathologen (EAFP) und in der internatio- nalen Limnologenvereinigung (SIL) wahrgenommen. Seit Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist vor allem die Mitwirkung bei der Erstellung des Strukturprogrammes zur Förderung der Fischerei im Rahmen des Europäischen Fischereifonds EFF von Bedeutung. Die seit den Anfängen der Institution bestehende Lehrtätigkeit wurde stets ausgeweitet. Einer- seits wurde dem Institut die Berufsausbildung im land- und forstwirtschaftlichen Berufszweig Fischereiwirtschaft in Form der Abhaltung berufsschulähnlicher Kurse übertragen, anderer- seits finden jährlich zahlreiche Fortbildungskurse, Tagungen und Seminare statt. Derzeitige Schwerpunkte unserer Arbeit stehen im Zusammenhang mit der EU-Wasserrahmen- richtlinie: Aufbau einer österreichischen Fischdatenbank (Haunschmid et al., 2003); fischöko- logische Bewertungssysteme für Fließgewässer und Seen (Gassner et al., 2003, Haunschmid et al., 2006). Weiters arbeiten wir an Problemen der Populationsdynamik von Fischen in Fließ- gewässern (Haunschmid, 2004, 2006) und an der echografischen Erfassung von Fischpopula- tionen in Seen (Gassner & Wanzenböck, 2005) und an der Problematik der Temperaturverän- derungen in Gewässern im Zuge des Klimawandels (Dokulil et al., 2006). Jüngst beteiligten wir uns auch am 2. Internationalen Joint Danube Survey (Schotzko & Wiesner, 2008).

LITERATUR Zitierte Literatur bis 2002 ist in Jagsch (2003) enthalten und wird aus Platzgründen hier nicht wiedergegeben. Dokulil, M. T., Jagsch, A., George, G. D., Anneville, O., Jankowski, T., Wahl, B., Lenhart, B., Blenckner, T. & K. Teub- ner, 2006: Twenty years of spatially coherent deepwater warming lakes across Europe related to the North Atlan- tic Oscillation. Limnol. Oceanogr. 51 (6), 2787–2793. Gassner, H., Zick, D., Wanzenböck, J., Lahnsteiner, B. & G. Tischler, 2003: Die Fischartengemeinschaften der großen österreichischen Seen. Schriftenreihe des BAW, Band 18, Wien, 169 Seiten. Gassner, H., A. Jagsch, D. Zick, G. Bruschek, I. Frey & K. Mayrhofer, 2006: Die Wassergüte ausgewählter Seen des oberösterreichischen und steirischen Salzkammergutes 2001–2005. Schriftenreihe des BAW, Band 24, Wien, 139 Seiten. Gassner, H. & Wanzenböck, J. (2005): Wissenschaftliche Echographie – Eine Standardmethode für die Untersuchung von Fischbeständen in Seen. Österreichs Fischerei, 58, 84–91. Haunschmid, R., Venier, R. und R. Lindner, 2003: ATFIBASE – Entwicklung und Etablierung eines Systems zur Erfas- sung und Analyse fischökologischer Zustandsparameter. Angewandte geografische Informationsverarbeitung XV./ Beiträge zum AGIT-Symposium Salzburg 2003. Hrsg.: Strobl, Blaschke, Griesebner. Herbert Wichmann Vlg., Hei- delberg, 130–134. Haunschmid, R., Wolfram, G., Spindler, T., Honsig-Erlenburg, W., Wimmer, R., Jagsch, A., Kainz, E., Hehenwarter, K., Wagner, B., Konecny, R., Riedmüller, R., Ibel, G., Sasano, B. & N. Schotzko, 2006. Erstellung einer fischba- sierten Typologie österreichischer Fließgewässer und Bewertungsmethode des fischökologischen Zustandes gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie. Schriftenreihe des BAW, Band 23, Wien. 104 Seiten. Haunschmid, R., 2004: Dynamik des Bachforellenbestandes an drei Untersuchungsstrecken der Kleinen Mühl (Ober- österreich). Dissertation an der Paris-Lodron-Universität Salzburg. 130 Seiten. Jagsch, A., 2003: 1953–2003 – 50 Jahre Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde in Scharf- ling am Mondsee. Österr. Fischerei, 56, 250–258. Schotzko, N. & Wiesner, C., 2008: Joint Danube Survey 2 – Fachbereich Fische, Ergebnisbericht von der großen Donaumessfahrt 2007, BAW-Band 32.

311 Fischforschung an der Universität Innsbruck

BERND PELSTER Institut für Zoologie, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Technikerstraße 25, A-6020 Innsbruck Gebirgsbäche und Seen üben nicht zu Unrecht eine gewisse Faszination aus. Hierbei geht es einerseits um die Landschaft, das Landschaftsbild, das je nach Jahres- und Tageszeit in einem anderen Licht erscheint. Andererseits erwecken aber auch die Bewohner der Gewässer das Interesse der Menschen. Insbesondere die Fische finden immer wieder Beachtung, mit gewand- ten Bewegungen im Strom oder aber still auf der Stelle harrend. Die Fischerei spielt sicher auch eine große Rolle, eventuell als Nah- rungserwerb, in Tirol vor allem aber wohl als Sportfischerei im Bereich der Naherholung oder des Tourismus. Das Angeln jedoch ist keineswegs eine Erfindung des neueren Tou- rismus. Bereits vor mehr als 500 Jahren haben die Fürsten diesem Sport gefrönt. Dies belegt eine Gravur aus dem Buch »Weisskunig«, die vermutlich um 1500 durch einen Sekretär von Kaiser Maximilian entstanden ist (Abb. 1). Die Fischereibiologie in Tirol kann bereits auf eine langjährige Geschichte zurückblicken, wie einige Publikationen aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert belegen. In dieser Zeit wurde z.B. auch die Fischereibiologische Anstalt am Attersee gegründet. Es ist sicher nicht auszuschließen, dass auch an der Universität Innsbruck zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits Arbeiten im Bereich der Fischereibiologie und Fischforschung stattgefunden haben, aber der nachhaltige Auf- schwung setzte erst in der zweiten Hälfte des Abb. 1: Gravur aus dem Buch »Weisskunig«, um 1500 geschrieben von einem Sekretär von Kaiser 20. Jahrhunderts ein. Maximilian. Otto Steinböck wurde vor allem durch seine Arbeiten zur Phylogenie niederer Wirbelloser bekannt. Er hat nachhaltig die limnologische Arbeit im Bereich der Biologie beeinflusst, unter anderem auch durch die Gründung der Sta- tion Kühtai im Jahre 1959. Diese Station, die inzwischen, bedingt durch den Bau von Tal- sperren, übersiedeln musste, ist für limnologische Forschungsarbeiten auch im Zusammen- hang mit ökologischen Langzeitstudien zu einer überaus wichtigen Einrichtung der Fakultät für Biologie geworden. Sie hat ebenfalls im Zusammenhang mit der Fischforschung der Uni- versität Innsbruck Berühmtheit erlangt. So wurde im Gossenköllesee, an dem die Station nun lokalisiert ist, eine Bachforellenpopulation (Salmo trutta L.) entdeckt. Eine genetische Ana- lyse dieser Tiere ergab, dass es sich um eine reine Population der so genannten Donaulinie han- delt (Bernatchez et al., 2001; Duftner et al., 2003). Nach der letzten Eiszeit haben sich die Bachforellen Europas entsprechend den großen Abflussgebieten in verschiedene, genetisch klar definierte Linien aufgegliedert. Die in Nordtirol ursprünglich heimischen Bachforellen werden demnach der Donaulinie zugeordnet, da die Gewässer durchwegs in die Donau ent- wässern. Die Frage, wie die Fische nach der Eiszeit in den auf über 2200 m Seehöhe gelegenen Gos- senköllesee gelangt sind, hat unter anderem Prof. Dr. Roland Pechlaner beschäftigt, der von 1956 bis 1992 als Limnologe am Institut für Zoologie und Limnologie – so der offizielle Name des Instituts am Ende seiner Dienstzeit – sehr erfolgreich gearbeitet hat. Roland Pechlaner

312 konnte überzeugend darlegen, dass die Besiedlung der Hochgebirgsseen durch Besatzmaß- nahmen mittelalterlicher Fürsten, vermutlich von Sigismund dem Münzreichen, Kaiser Maxi- milian I. oder auch Ferdinand II., zu erklären sind (Pechlaner, 1984a). Diese Beobachtungen und Untersuchungen haben in jüngster Zeit zu einem Forschungsprojekt geführt, in dem in Tirol und auch in angrenzenden Regionen gezielt nach Reliktpopulationen der Bachforelle gesucht wurde. Hierbei konnten mehrere reine Populationen der Donaulinie aufgespürt wer- den (Baric et al., 2008). Über Zuchtversuche und gezielte Besatzmaßnahmen mit diesen Fischen sollen die Populationen gestützt werden. In ökophysiologischen Studien erwiesen sich die Fische dieser Donaulinie als besonders widerstandsfähig bei extremen Hochwassersituationen, und sie scheinen besonders standorttreu zu sein. Auch das Wachstum der Fische bei niedrigen Temperaturen ist bemerkenswert, so dass sie offenbar für die Besiedlung von Hochgebirgs- bächen prädestiniert sind (Baric et al., 2008). Der Seesaibling (Salvelinus alpinus) ist eine weitere Art, die das Interesse von Roland Pech- laner geweckt hat. Immer wieder werden besonders kleine, häufig sehr dunkel gefärbte Exem- plare des Seesaiblings in Hochgebirgsseen gefunden, die man als »Schwarzreuter« bezeich- net. Auch hier wurde die Frage der möglichen genetischen Differenzierung sehr intensiv dis- kutiert. Mit recht aufwendigen Freilandstudien konnte Roland Pechlaner zeigen, dass es sich bei dem Schwarzreuter um Morphen des Seesaiblings handelt und nicht um genetisch diffe- renzierte Unterarten. Bei einem Experiment mit Besatzfischen und hoher Nahrungskonkur- renz wurden innerhalb weniger Jahre nur noch kleinwüchsige Saiblinge gefangen, so dass offenbar Nahrungsmangel und Nahrungskonkurrenz die Ursachen für die kleine Wuchsform darstellen (Pechlaner, 1984b). Zur Reduzierung des Nahrungsstresses wurden ein kontrollier- ter Fischfang sowie der Besatz mit der Aalrutte (Lota lota), einem heimischem Laich- und Fischräuber, diskutiert. Genetische Probleme, die aus der Isolation der Populationen z.B. durch Inzucht auftreten können, wurden ebenfalls in Betracht gezogen. Diese Studien leiten über zu generellen Untersuchungen zur Bewirtschaftung von Gewässern und zum Gewässerschutz, wobei der Fischfang sicherlich den bedeutendsten Wirtschaftsfak- tor darstellt. In einer großen Zahl von Arbeiten hat Roland Pechlaner sich diesem Thema gewid- met, wobei auch die Beeinflussung der Gewässer durch die Errichtung von Wasserkraftwer- ken eine große Rolle gespielt hat. Roland Pechlaner hat hier immer die Position der »Nach- haltigkeit« vertreten. In Tirol sollte die Wasserkraft genützt werden, aber der Gewässerverbau darf nur mit Augenmaß geschehen, unter Berücksichtigung des Naturschutzes und unter Berücksichtigung des natürlichen Fischbestandes. Er hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Fische die Endkonsumenten in unseren aquatischen Ökosystemen sind, und eine Gefähr- dung des Fischbestandes beeinträchtigt somit das gesamte Ökosystem. Die Komplexität die- ser Studien lässt sich leicht an den bearbeiteten und diskutierten Themen ablesen: Auswir- kungen von Lauf- und Speicherkraftwerken auf die Ökologie und den Fischertrag von Gebirgs- gewässern, der Einfluss von Überstauung, von Änderungen des Flusskontinuums, die daraus resultierende Beeinflussung des Geschiebehaushaltes, der Schwallbetrieb und die kurzfristige Veränderung der Strömungsgeschwindigkeiten und auch die Einrichtung von Fischleitern als Aufstiegshilfe für wandernde Fische. Ein weiterer Schwerpunkt der Fischforschung an der Universität Innsbruck ist sicher mit der Arbeit von Prof. Dr. Wolfgang Wieser verbunden. Wolfgang Wieser war von 1967 bis 1994 Professor für Zoologie an der Universität Innsbruck und unter anderem Leiter der Tierphysio- logie bzw. Ökophysiologie. Ihm gelang es, eine sehr aktive Arbeitsgruppe aufzubauen, die sich mit dem Schwimmverhalten von Larvenstadien und von adulten Fischen beschäftigte, das Wachstumsverhalten studierte und den Energiehaushalt der Fische und die Energieallokation detailliert untersuchte (Abb. 2). Mitarbeiter dieser Gruppe waren unter anderen Hellmuth Forst- ner, Rudolf Hofer, Erich Gnaiger, Rüdiger Kaufmann, Manfred Krotthammer und Nikolaus Medgyesy. Mit häufig selbst konstruierten und gebauten Geräten wurde der Energieverbrauch unter verschiedenen Umweltbedingungen anhand des Sauerstoffverbrauches der Tiere oder aber auch anhand des Wärmeumsatzes (direkte Kalorimetrie) bestimmt. Es wurde hinterfragt, wieviel Energie die Schwimmaktivität in Anspruch nimmt, wieviel Energie für das Fressen

313 Abb. 2: O2-Verbrauch von kleinen Rotaugen im Fütterungs- respirometer. F = Fütte- rungsphase, NF = keine Fütterung. In den Phasen ohne Futter herrschte Dunkelheit, Fütterungs- phasen er- folgten am Tag (Med- gyesy und Wieser, 1991). oder die Reproduktion aufgewendet werden muss und ob Verschiebungen im Energieaufwand zwischen den verschiedenen Funktionen möglich sind. Diese zum Teil sehr aufwendigen Stu- dien begannen auf dem Niveau des Organismus, aber sie wurden fortgeführt bis auf die Ebene der einzelnen Zelle. Der Energieaufwand, den die einzelne Zelle für Syntheseleistungen oder auch für die Aufrechterhaltung der internen Homöostase des Wasserhaushaltes bzw. des Ionen- haushaltes benötigt, wurde mit enormer Präzision bestimmt. Als ein Beispiel dieser vielfäl- tigen Versuche sei erwähnt, dass durch einen Vergleich von Leberzellen der Forelle, die auf eine gute Sauerstoffversorgung angewiesen ist, mit den Leberzellen des Goldfisches, der sich durch eine große Resistenz gegenüber Sauerstoffmangel auszeichnet, diese Sauerstoffresistenz auch auf der Ebene der einzelnen Zelle nachgewiesen werden konnte. Die Arbeiten dieser Gruppe erlangten große internationale Beachtung und führten zu einer Serie von Publikatio- nen in internationalen Fachzeitschriften (siehe z.B. Wieser, 1994). Neben den energetischen Betrachtungen sind auch verschiedene Studien zur Aufrechterhal- tung des inneren Milieus von Leber- und Kiemenzellen durchgeführt worden. Für die Süß- wasserfische ist die Konstanz der Ionenkonzentration in den Zellen ein echtes Problem. Die im Vergleich zum Süßwasser hohe Ionenkonzentration der Körperflüssigkeiten bewirkt einen konstanten Wassereinstrom, der kompensiert werden muss. Welche Transportmechanismen hierzu beitragen und wie sie durch sogenannte Cytoskelettelemente (= Strukturproteine der Zelle) beeinflusst oder gar kontrolliert werden, wurde insbesondere an Forellen analysiert (Ebner et al., 2005). Die Laborarbeiten wurden immer wieder ergänzt durch Freilandstudien, die im Bereich der Ökophysiologie angesiedelt sind. Saisonale Schadstoffakkumulation in heimischen Fischen, Reproduktion, Einnischung in verschiedene Biotope, Laichgründe, Lebenszyklen und Funk- tion der Blutzellen sowie die Nahrungsaufnahme wurden analysiert. Fischzuchtversuche und auch die Hälterung von Fischen erfolgten immer wieder in enger Zusammenarbeit mit dem Alpenzoo und der Fischzucht in Thaur. Diese Arbeiten gingen und gehen auch über Tirol hin- aus; so wurden alpine und arktische Lebensräume in die Untersuchungen miteinbezogen (Köck et al., 1998; Köck et al., 2006). Die aktuelle Fischforschung an der Universität Innsbruck konzentriert sich auf den zellulären Bereich und auf entwicklungsbiologische Fragestellungen. Hierbei hat neben den heimischen Fischen auch der Zebrafisch, ein inzwischen klassisches Modelltier der molekularen und bio- medizinischen Forschungsrichtungen, seinen Einzug gehalten. Aus dem Blickwinkel der Phy- siologie und auch aus entwicklungsbiologischer Sicht geht es in der aktuellen Forschung um die Organentstehung und die funktionelle Entwicklung der Organe. Wie entstehen aus der

314 befruchteten Eizelle durch Zellteilung und nachfolgende schrittweise Differenzierung einzelne Organe wie z.B. die Bauchspeicheldrüse? Wie entwickelt sich das Herz-Kreislaufsystem, wie entstehen die erforderlichen Kontrollsysteme? Das Herzkreislaufsystem ist eines der ersten funktionierenden Organe. Es unterliegt jedoch – im Gegensatz zur Situation bei den adulten Tieren – zunächst nicht der Kontrolle des Nervensystems; es wird offenbar in den frühen Ent- wicklungsstadien vorwiegend durch Hormone kontrolliert (Pelster, 2002; Schwerte, 2009). Auch die Bedeutung des Sauerstoffs für die frühe Entwicklung wird analysiert. Hierbei geht es um das An- und Abschalten von Genen aufgrund eines unterschiedlichen Sauerstoffange- botes und auch um die Vernetzung von Zellfunktionen. Auch Fische unterliegen einem »Bio- rhythmus«, auch Fische haben eine innere Uhr, die auf einem rhythmischen An- und Abschal- ten von verschiedenen Genen beruht. Neueste Ergebnisse zeigen, dass die Gene dieser ver- schiedenen Zellfunktionen miteinander in Verbindung stehen und sich gegenseitig beeinflus- sen. Diese Vernetzung aufzuschlüsseln erweist sich als sehr spannend und ist notwendig, um zu verstehen, wie die Tiere sich in ihrer jeweiligen Umgebung durchsetzen und überleben können. Dieser kurze Überblick über die Fischforschung an der Universität Innsbruck erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist sicherlich subjektiv eingefärbt. Er zeigt aber, denke ich, sehr schön, dass über Jahrzehnte an der Universität Innsbruck international sehr renommierte Forschung betrieben wurde und wird. Die Arbeiten sind mit der internationalen Entwicklung der Forschung mitgegangen, aber sie haben nie den Bezug zum Alpenraum verloren. Öko- physiologische Fragestellungen ebenso wie die Betrachtung der heimischen Populationen haben immer ein großes Gewicht gehabt und werden auch in Zukunft ihren berechtigten Platz in der Forschung an der Universität Innsbruck haben.

LITERATURVERZEICHNIS Baric, S., DallaVia, J., Eisank, K., Honsig-Erlenburg, W., Jurgeit, F., Lackner, R., Lainer, F., Medgyesy, N., Meraner, A., Pelster, B., Riedl, A., Steiner, P., 2008: TroutExamInvest: Autochthone Bachforelle, die »Urforelle«. Hrsg.: Nationalpark Hohe Tauern, Matrei, Osttirol. Bernatchez, L., 2001: The evolutionary history of Brown trout (Salmo trutta L.) inferred from phylogeographic, nested clade, and mismatch analyses of mitochondrial DNA variation. Evolution 55, 351–379. Duftner, N., Weiss, S., Medgyesy, N., and Sturmbauer, C., 2003: Enhanced phylogeographic information about Aus- trian brown trout populations derived from complete mitochondrial control region sequences. J. Fish Biol. 62, 427– 435. Ebner, H. L., Cordas, A., Pafundo, D. E., Schwarzbaum, P. J., Pelster, B., and Krumschnabel, G., 2005: Importance of cytoskeletal elements in volume regulatory responses of trout hepatocytes. Am. J. Physiol. Regul. Integr. Comp. Physiol. 289, R877–R890. Köck, G., Triendl, M., and Hofer, R., 1998: Lead (Pb) in Arctic charr (Salvelinus alpinus) from oligotrophic Alpine lakes: Gills versus digestive tract. Water, Air, and Soil Pollution 102, 303–312. Köck, G., Niederstätter, H., Muir, D., Talbot, C., Doblander, C., Berger, B., Miesbauer, H., Bright, D., Reist, J., Baba- luk, J., Kalra, Y., Flannigan, M., 2006: Fish from sensitive ecosystems as bioindicators of global climate change (High-Arctic 1997–2004). In: The Alps of the next generation. Proceedings of the AlpWeek 2004, Kranjska Gora/Slovenia. Eds.: Brancelj A., Köck G., Muri G.; , Austrian Academy of Sciences Press. Medgyesy, N. und Wieser, W. 1991: Respirometer für Ernährungs- und Wachstumsstudien. In: Alpin Biologische Stu- dien XX. Hrsg. Wieser, W. und Cernusca, A. Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 181. Pechlaner, R., 1984a: Historical evidence for the introduction of Arctic charr into high-mountain lakes of the Alps by man. P. 549–557. In: Biology of the Arctic Charr: Proceedings of the International Symposium on Arctic Charr. Eds.: Johnson,L., Burns, B. University of Manitoba Press. Pechlaner, R., 1984b: Dwarf populations of Arctic charr in high-mountain lakes of the Alps resulting from under- exploitation. P. 319–327. In: Biology of the Arctic Charr: Proceedings of the International Symposium on Arctic Charr. Eds.: Johnson, L., Burns, B. University of Manitoba Press. Pelster, B., 2002: Developmental plasticity in the cardiovascular system of fish, with special reference to the zebra fish. Comp. Biochem. Physiol. 133A, 547–553. Schwerte, T., 2009: Cardio-respiratory control during early development in the model zebrafish. Acta histo- chem. In press. Wieser, W., 1994: Cost of growth in cells and organisms: general rules and comparative aspects. Biol. Rev. 68, 1–33.

Kontakt: Prof. Dr. Bernd Pelster, Institut für Zoologie, Universität Innsbruck, Technikerstraße 25, A-6020 Innsbruck, Austria, Tel. ++43-512/5076180, Fax ++43-512/5072930, E-Mail: [email protected]

315 Angewandte Fischforschung in Kärnten von Vincenz Hartmann (1898) bis heute

WOLFGANG HONSIG-ERLENBURG Amt der Kärntner Landesregierung, U.-Abt. Ökologie und Umweltdaten, Flatschacher Straße 70, A-9020 Klagenfurt

1. Rückblick Zur Beurteilung fischökologischer Leitbilder sind Aufzeichnungen über das Vorkommen von Fischarten in Kärntner Gewässern aus früherer Zeit sehr wichtig. So gibt es diesbezüglich Hin- weise aus dem 15. Jahrhundert, zwar nicht wissenschaftlicher Natur, aber dennoch ein bedeu- tendes Dokument. Paolo Santonino war der Reisebegleiter des Bischofs von Caorle, welcher in den Jahren 1485–1487 die südlichen Landesteile von Kärnten, welche damals zum Bistum Aquileia gehörten, bereiste (Abb. 1). Dabei wurden verschiedene Fische und der Edelkrebs anlässlich von üppigen Mahlzeiten erwähnt (Egger, 1947). Für die Obere Drau und die Gail waren demnach Äschen, Bachforellen, Huchen und Aalrutten von großer Bedeutung. Auch wird das Vorkommen der Seeforelle im Weißensee dokumentiert. Ein bedeutendes Zeugnis der autochthonen Fischarten Kärntens sind auch die Aufzeichnun- gen des Botanikers Franz Xaver Freiherr von Wulfen (1728–1805). In den Beständen der Bota- nischen Abteilung des Joanneum Graz fand sich erst kürzlich ein Manuskript zur Fischfauna Kärntens (Honsig-Erlenburg und Mildner, 1996). In diesem, hauptsächlich in lateinischer Spra- che verfassten Werk werden Salmoniden in den Seen Kärntens und den umgebenen Regionen

Abb. 1: Drau bei Hollenburg (Rosental) im 19. Jh. (aus Rohsmann, A. und M. Pernhart »Die Aneignung von Landschaft und Geschichte«, Klagenfurt, Verlag Johannes Heyn, 1992)

316 behandelt. So wurde von Wulfen die Seeforelle für den Weißensee, Millstätter See und den Ossiacher See angegeben, der Seesaibling wird unter anderem für die Gebirgsseen im Möll- tal, den Stappitzer See bei Mallnitz, den Weißensee, den Friesacher Stadtgraben sowie den Lago di Predil bei Tarvis erwähnt. Weiters gibt es eine Beschreibung der marmorierten Forelle (Salmo marmoratus) für Friaul und das Soˇcatal. Auch das Vorkommen von Coregonen in Kärnt- ner Seen, wie dem Wörthersee, dem Faaker See und dem Ossiacher See, wird dokumentiert. Das erste umfassende Werk über die in Kärnten zur damaligen Zeit vorkommenden Fischarten verfasste Vincenz Hartmann (1826–1899) im Jahre 1898. Von ihm werden 32 einheimische Fischarten sowie eine Neunaugenart angegeben, weiters werden 5 zur damaligen Zeit einge- führte Fischarten beschrieben. In seinem Vorwort schreibt Hartmann »von allen Zweigen naturgeschichtlicher Forschung haben wohl nur wenige mit mehr und größeren Hindernissen zu kämpfen, als der ichthyologi- sche und keiner hängt in höherem Grade von dem Wohlwollen und der Intelligenz jener Bevöl- kerungskreise ab, in deren Besitz – oder Wirkungssphäre das Material für das Studium gesucht werden muss, als dieser«. Gemeint ist das von manchen Fischereiberechtigten vorhandene Misstrauen gegenüber der Ent- nahme von Fischen. Außerdem werden der beträchtliche Zeitaufwand und die Notwendigkeit von »kostspieligem Geräthen« erwähnt. Hartmann betont extra, dass er die Liste der in vor- liegender Arbeit angeführten Fischarten und ihre Fundorte als für nicht abgeschlossen hält, das heißt, dass noch weitere Fischarten zur damaligen Zeit vorhanden gewesen sind. Hartmann wurde in Teplitz in Böhmen geboren und war promovierter Pharmazeut und Che- miker und absolvierte auch das Lehramt für Naturgeschichte in Prag (Dürnwirth, 1899). 1855 wurde er Lehrer der Naturgeschichte an der k. k. Oberrealschule in Klagenfurt. Von ihm stam- men zahlreiche naturwissenschaftliche Publikationen. So arbeitete er auch an dem Werk »Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild« mit. Seit Ende 1879 widmete er sich vermehrt der ichthyologischen Forschung (z. B. »Der Waller« oder »Amerikanische Edelfi- sche in den Gewässern Kärntens«) und publizierte auch Seen-Monografien wie z. B. »Das Thal des Weißensees in Kärnten«. Als korrespondierendes Mitglied des Österreichischen Fischereivereines publizierte er auch in der Österreichischen Fischereizeitung. Ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts verfasste Hawlicek (1892) ein Buch über die Angelfische- rei in Kärntner Seen. Im 20. Jahrhundert haben sich unter anderem Tschauko (1923), Findenegg (1948, 1953), Reisin- ger (1952), Findenegg und Reisinger (1950), Strouhal (1934), Wagner (1947, 1948) sowie Sampl (1976a, 1976b) mit den Fischen in Kärnten beschäftigt. Zu erwähnen sind außerdem noch die Publikationen von Glowacki (1885), A. von Mojsisovics (1893) und Krauss (1930, 1932, 1933, 1968) über die Fische der unteren Drau im Grenzgebiet zum heutigen Slowenien. Die wissenschaftliche Bearbeitung der Kärntner Seen begann in den 1930er Jahren durch Ingo Findenegg. Er begründete den Begriff der Meromixis – ein Phänomen, welches er insbeson- dere in den Kärntner Seen beobachtete (Sampl et al., 1992). Wie bereits oben erwähnt, wurde von ihm auch einiges über die Fische in Kärnten publiziert. Durch die Anregung von Findenegg gelang es, Anfang der 1970er Jahre ein kleines limnologi- sches Labor am Landesmuseum in Kärnten zu errichten, welches in weiterer Folge zum Kärnt- ner Institut für Seenforschung aufgewertet und zunehmend ausgebaut worden ist. Im Jahre 1980 gliederte man es der Unterabteilung »Gewässerschutz« in der Abteilung Wasserbau des Amtes der Kärntner Landesregierung ein. Mit zunehmender Aufgabenvermehrung, vor allem im Bereich des Umweltschutzes, wurde die Unterabteilung im Jahre 1985 in eine selbständige Abteilung Umweltschutz übergeführt. Seit 1997 ist das Institut als mehr oder weniger selb- ständige Institution vom Amt ausgegliedert, wobei es neben dem Verein des Kärntner Institu- tes für Seenforschung (KIS) seit 2006 auch eine Ges.m.b.H des KIS gibt, welche Aufträge von außen übernimmt. Seit den 1970er Jahren gibt es regionale Untersuchungen von Fischbeständen in einzelnen Gewässern, die von der Unterabteilung Gewässerökologie des Amtes der Kärntner Landes- regierung und vom Kärntner Institut für Seenforschung durchgeführt worden sind.

317 Abb. 2: Semling (Barbus balcanicus) Foto: W. Hauer

Eine wichtige Rolle für die Förderung der naturwissenschaftlichen Forschung spielt der Natur- wissenschaftliche Verein für Kärnten. In Ermangelung einer naturwissenschaftlichen Fakultät bzw. für lange Zeit überhaupt einer Universität für Kärnten, übernahm der Verein schon sehr früh die naturwissenschaftliche Forschung für dieses Bundesland. Der Naturwissenschaftliche Verein für Kärnten ist einer der ältesten Vereine dieser Art und wurde bereits im Jahre 1848 gegründet. Als Publikationsorgan dient die Zeitschrift Carinthia II, die in diesem Bereich die älteste Zeitschrift Österreichs ist. In den Jahren 1947/48 erfolgte eine Aufgliederung in sogenannte Fachgruppen, unter anderem entstand auch die Fachgruppe Zoologie. Innerhalb dieser Fachgruppe wurden auch fischöko- logische Aspekte zunehmend bearbeitet. Etwa 100 Jahre nach der Publikation der Fische Kärntens von Vincenz Hartmann wurde im Jahre 1989 vom naturwissenschaftlichen Verein eine zusammenfassende Arbeit über alle in Kärnten vorkommenden Fischarten herausgegeben (Honsig-Erlenburg und Schulz, 1989). In dieser Arbeit werden 35 heimische Fischarten, eine Neunaugenart und 13 eingeschleppte bzw. eingebürgerte allochthone Fischarten beschrieben. In der Zwischenzeit gelangen die Erst- nachweise von mehreren, bisher in Kärnten nicht bekannten, heimischen Fischarten wie z.B. die des Zingels (Honsig-Erlenburg und Schulz, 1990), des Steingresslings (Honsig-Erlenburg und Friedl, 1995), des Weißflossengründlings (Honsig-Erlenburg et al., 1997) oder des Kess- lergründlings (Kerschbaumer und Prochinig, 1999). Weiters wurden in Kärnten bisher nicht- heimische Arten eingesetzt bzw. eingeschleppt (z.B. Moderlieschen, Rapfen). Erst kürzlich wurde auch der Semling (Abb. 2), welcher über 50 Jahre lang in Kärnten als verschollen galt, wieder entdeckt (Honsig-Erlenburg, 2001). Eine Neubearbeitung der Fischfauna in Kärntens Gewässern erfolgte im Jahre 2002. Das Buch über Fische, Neunaugen, Flusskrebse, Groß- muscheln in Kärnten wurde im Verlag des Naturwissenschaftlichen Vereines publiziert (Hon- sig-Erlenburg und Petutschnig, 2002). Demnach sind heute aus Kärntens Gewässern 55 Fisch- arten, eine Neunaugenart sowie 5 nicht reproduzierende Fischarten bekannt. 39 Arten gelten als heimisch, 6 Arten wurden Ende des 19. Jahrhunderts eingebürgert, 11 Arten nach dem Jahre 1970 eingeschleppt. Die Fischforschung beim Kärntner Institut für Seenforschung hat vor allem Norbert Schulz (1943–1994) intensiviert, wobei insbesondere die Forschungen über den Kärntner Huchen (Schulz, 1989, 1991; Schulz und Piery, 1982), die Flussstauräume der Drau (Schulz et al., 1986) sowie die Erhebung der Fischfauna in Hochgebirgsseen (Schulz et al., 1988; Schulz und Wieser, 1991; Schulz et al., 1996) hervorzuheben sind.

318 Der Huchen war in Kärnten früher weit verbreitet (Abb. 3), intakte Bestände gibt es heute nur mehr in der Gail und zum Teil in der Oberen Drau. 2. Auswahl derzeitige Aktivitäten Aufgrund des alpinen Charakters vieler Fließgewässer in Kärnten ist die Bachforelle die am weitesten verbreitete Fischart in Kärnten. Diese Tatsache wird auch durch die Rhitralisierung von Fließgewässern durch Begradigung und Ufersicherung im Bereich von ehemaligen Äschen- und Barbenregionen verstärkt. Wie sonst überall in Österreich wurden auch in Kärn- ten autochthone Bachforellenbestände, die über Generationen durch Selektionsprozesse und spezifische Verhältnisse eines Gewässers angepasst wurden, durch Besatzfische, insbesondere mit dem atlantischen Stamm, zu einem erheblichen Teil ersetzt oder mit ihnen durchmischt. Trotz intensiver Bewirtschaftung mit nicht-autochthonen Bachforellen während der vergan- genen Jahrzehnte existieren aber dennoch einige wenige »donaustämmige« Populationen von Bachforellen in kleinen, meist isolierten Gewässern, die fischereiwirtschaftlich wenig inter- essant sind. Im Rahmen eines Interreg-III-Projektes gemeinsam mit dem land- und forstwirtschaftlichen Versuchszentrum Laimburg in Südtirol, dem Institut für Zoologie und Limnologie in Inns- bruck, dem Alpenzoo Innsbruck, den Nationalparkverwaltungen von Kärnten, Tirol und Salz- burg sowie Fischereiberechtigten wurde ein Bachforellen-Genetik-Projekt »trout exam invest« sowie die Einbürgerung autochthoner Forellenbestände in ausgewählten Gewässern des Natio- nalparks Hohe Tauern durchgeführt. Im Nationalpark hat sich eine Bachforellenpopulation aus dem Dösenbach für eine Weitervermehrung als interessant erwiesen. So findet in einem vom Unterlauf durch einen natürlichen Katarakt getrennten Abschnitt im Rahmen eines Projektes derzeit eine Verminderung der ca. 20% vorhandenen atlantikstämmigen Bachforellen durch wiederholtes Abfischen statt, wobei der donaustämmige Bachforellenbestand in einem klei- nen Fischzuchtbetrieb in der Nähe weiter vermehrt wird. Ziel ist es, in diesem Abschnitt einen zu 100% donaustämmigen Bachforellenbestand zu erreichen und das Wachstum und die Über- lebensrate zu dokumentieren. Auch von Seiten des Österreichischen Naturschutzbundes Kärnten (Klaus Kugi) wurde im Jahre 2003 damit begonnen, ein Naturschutzprojekt zur Bewahrung von noch vorhandenen autochthonen Bachforellenpopulationen in Kärnten in die Wege zu leiten. Dieses Projekt wird gemeinsam mit der Unterabteilung Ökologie und Umweltdaten des Amtes der Kärntner Lan-

Abb. 3: Verbreitung des Huchens in Kärnten früher und heute

319 Untersuchte Bachforellenpopulationen Zu 100% donaustämmige Bachforellenpopulationen

Abb. 4: Vorkommen von donaustämmigen Bachforellenpopulationen in Kärnten desregierung, der Fischzucht Payr in Sirnitz, dem Zoologischen Institut der Universität Graz (Steven Weiss) sowie dem Naturwissenschaftlichen Verein durchgeführt. Bislang konnten 6 zu 100% donaustämmige Bachforellenpopulationen nachgewiesen werden (Abb. 4, Honsig-Erlen- burg und Kugi, 2006), wobei insbesondere 3 Bäche im oberen Görtschitztal einen sehr ursprünglichen Forellenbestand aufweisen. Der Fischereiberechtigte hat in seinen Fischrevie- ren im oberen Görtschitztal nie Fische besetzt, in diesen Gewässern zeigen sich jedoch die besten Bachforellenbestände in ganz Kärnten. Ziel des Fischereirevierverbandes St. Veit/Glan ist es, für das gesamte Gebiet der Görtschitz einen autochthonen Bachforellenstamm aus die- sen ursprünglichen Forellen nachzuzüchten und Besatzmaßnahmen nur mehr mit diesen durch- zuführen. Durch die starke Konkurrenz verdrängt die Regenbogenforelle natürliche Bachforellen- und Äschenpopulationen (Uiblein et al., 2001; Schmutz und Zauner, 1999; Honsig-Erlenburg, 2003). Aus diesem Grunde ist der Besatz von Regenbogenforellen in Kärnten, mit Ausnahme von aufgestauten Fließgewässern und künstlichen Gerinnen sowie künstlichen Wasseran- sammlungen, verboten bzw. bewilligungspflichtig. Das Kärntner Fischereigesetz wird derzeit auch dahingehend novelliert, dass zukünftig Fische, so auch Bachforellen, nur mehr aus Nach- kommen desselben Einzugsgebietes zumindest mit gleichem genetischen Hintergrund besetzt werden dürfen. Mit der Verbreitung des Ukrainischen Bachneunauges (Eudontomyzon mariae) in Kärnten beschäftigt sich vor allem Thomas Friedl (1995, 1996). Vom Kärntner Institut für Seenforschung (KIS) wurden und werden im Auftrag des Amtes der Landesregierung fischökologische Untersuchungen von regionalen Einzugsgebieten inklusive der Bewertung nach der WRRL durchgeführt, z.B. Görtschitz (Kerschbaumer et. al., 2005), Gurk (Konar et al., 2008) oder Waidischbach (Lorenz et al., 2007), aber auch stehende Gewäs- ser werden fischökologisch untersucht (z.B. Turnersee (Prochinig et al., 2007). Fischökologi- sche Untersuchungen im Rahmen der GZÜV für Fliessgewässer erfolgen derzeit vom KIS und für stehende Gewässer vom BAW Scharfling (Gassner et al., 2007). Zahlreiche fischökologische Untersuchungen werden im Zusammenhang mit der Errichtung von Wasserkraftwerken, Umweltbeeinflussungen und Fischsterben durchgeführt. Im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen und des Monitorings von Europaschutzgebieten werden fisch- ökologische Daten sowohl vom KIS als auch etwa von der Universität für Bodenkultur (z.B. Life-Projekt Obere Drau, Unfer et al., 2004) erarbeitet. In der Abbildung 5 wird die Entwick-

320 lung der Fischartenzusammenstellung im Bereich des ersten Restrukturierungsprojektes in Kärnten im Jahre 1989 an der Lavant dargestellt. Zunehmend gewinnen auch Untersuchungen im Zusammenhang mit der fischereilichen Bewirtschaftung von Gewässern und der Erarbeitung von fischereilichen Managementplänen (z.B. für die Obere Drau, Uiblein et al., 2002) an Bedeutung. Zu erwähnen wäre hier auch das Äschen-Cocooning-Projekt an der unteren Möll (Holzer et al., 2008). Kürzlich wurde auch ein Interreg-IIIA-Projekt zur Untersuchung des gemeinsamen Wasser- körpers der Drau mit Slowenien sowie zur Erarbeitung eines fischereilichen Bewertungssche- mas für Österreich und Slowenien »FIBEWAS« abgeschlossen, an dem auch das BAW Scharf- ling (N. Schotzko u.a.) und das Umweltbundesamt (R. Konecny) mitgearbeitet haben (Hon- sig-Erlenburg et al., 2008). Unter Anwendung verschiedener Befischungsmethoden wurde der Stauraum Dravograd in den Jahren 2006 und 2007 zu drei Terminen befischt. Insgesamt konnten 32 Fischarten nachge- wiesen werden. Von den 32 nachgewiesenen Arten gelten nur 22 als gewässertypspezifisch, die übrigen 10 Arten sind allochthon. Im Stauraum dominiert derzeit mit Abstand der Aitel (Squalius cephalus), gefolgt von Schnei- der (Alburnoides bipunctatus), Laube (Alburnus alburnus) und Nase (Chondrostoma nasus), weiters Rotauge (Rutilus rutilus), Barbe (Barbus barbus) und Weißflossengründling (Roma- nogobio vladykovii). Bitterling (Rhodeus amarus), Frauennerfling (Rutilus virgo), Hecht (Esox lucius), Rotfeder (Scardinius erythropthalmus) und Flussbarsch (Perca fluviatilis) sind regel- mäßig anzutreffen, die übrigen Fischarten nur selten bzw. vereinzelt. Unter den bedrohten Arten ist der Frauennerfling in der unteren Drau noch vergleichsweise häufig. Eine Bewertung mit den vorhandenen Daten aufgrund der österreichischen fischökologischen Bewertungsmethode (FIA) ergab, dass derzeit der gute ökologische Zustand nicht mehr ge- geben ist, insbesondere aufgrund der relativ geringen Fischbiomassen. Im Zusammenhang mit diesen Ergebnissen wird derzeit im Rahmen der Österreichisch-Slowenischen Draukommis- sion über eine Verbesserung des erheblich veränderten Wasserkörpers diskutiert, wobei im Zuge des nationalen Gewässerbewirtschaftungsplanes bereits Vorschläge erarbeitet wurden. Darüber hinaus wurden anhand von Daten von 4 Fließgewässern in unterschiedlichen Öko- regionen in Slowenien das österreichische (FIA) und europäische (EFI) Bewertungsschema

Abb. 5: Veränderung der Fischartenzusammensetzung in der Lavant vor und nach Restrukturierung

321 getestet, wobei die entsprechenden Leitbilder in Bezug auf die spezifische Artengemeinschaft dieser Gewässer (z.B. Vorkommen der marmorierten Forelle [Salmo marmoratus]) adaptiert wurden. Der FIA erweist sich insbesondere im Zusammenhang mit morphologischen Beein- trächtigungen zur fischökologischen Bewertung auch für slowenische Gewässer als geeignet. 3. Ausblick Um den derzeitigen Anforderungen gerecht zu werden, werden zukünftige Projekte und Unter- suchungen vor allem der Umsetzung der WRRL dienen, aber auch im Zusammenhang mit der fischereilichen Bewirtschaftung der Gewässer Fragen zu klären haben. Eine große Heraus- forderung auch für die angewandte Fischforschung stellen die Auswirkungen des Klimawan- dels dar. 4. Ausgewählte Literatur Egger, R., 1947: Die Reisetagebücher des Paolo Santonino (1485–1487). Aus dem Lateinischen übertragen, Verlag Ferd. Kleinmayr, Klagenfurt: 190 pp. Friedl, T., 1995: Zur Verbreitung von Neunaugen in Kärntner Fließgewässern – ein Zwischenbericht. Fischökologie 8: 31–42. Hartmann, V., 1898: Die Fische Kärntens. Separatabdruck aus dem XXV. Jahrbuch des naturhistor. Landesmuseums von Kärnten, Verlag Ferd. Kleinmayr, Klagenfurt: 48 pp. Honsig-Erlenburg, W. und P. Mildner, 1996: Franz Xaver Freiherr von Wulfen als Ichthyologe. Carinthia II 186/106: 349–360. Honsig-Erlenburg,W. und N. Schulz, 1989: Die Fische Kärntens. Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Kla- genfurt: 112 pp. Honsig-Erlenburg, W. und W. Petutschnig (Red.), 2002: Fische, Neunaugen, Flusskrebse, Großmuscheln. Natur Kärn- ten 1, Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, Klagenfurt: 256 pp. Honsig-Erlenburg, W., J. Lorber, N. Schotzko, M. Konar, E. Lorenz, S. Sumer,ˇ M. Povˇz, G. Urbaniˇc, R. Konecny, H. Gassner, D. Achleitner, W. Hauer, U. Prochinig, A. Rauter, G. Winkler & S. Bauer, 2008: Erarbeitung eines fischökologischen Bewertungsschemas für Österreich und Slowenien für die Umsetzung der WRRL (FIBEWAS). Amt der Kärntner Landesregierung, KIS, Klagenfurt: 158 pp. Schulz, N., 1989: Der Huchen – eine gefährdete Fischart. Carinthia II 179/99: 131–139. Unfer, G., C. Wiesner & M. Jungwirth, 2004: Fischökologisches Monitoring im Rahmen des LIFE-Projekts »Auen- verbund Obere Drau« – Endbericht. Studie im Auftrag des Amts der Kärntner Landesregierung, Abt. 18 – Was- serwirtschaft: 94 pp. Weitere Literatur befindet sich beim Autor.

Kontaktadresse: Dr. Wolfgang Honsig-Erlenburg, Amt der Kärntner Landesregierung, Abt. 15 – Umwelt, Flatschacher Straße 70, 9020 Klagenfurt, E-Mail: [email protected]

322 40 Jahre Fischforschung an der Universität Salzburg

ROBERT A. PATZNER Organismische Biologie, Universität Salzburg, Hellbrunner Straße 34, A-5020 Salzburg

1968 wurde an der Philosophischen Fakultät der Universität Salzburg das »Zoologische Insti- tut« gegründet, Inhaber der ersten Professur war Hans Adam, der von der Hochschule für Bodenkultur in Wien kam. Von dort brachte er sein »Haustier«, den Schleimaal Myxine gluti- nosa, mit. Die Mitarbeiterinnen Ingrid Graebner und Inge Vogel setzten ihre noch in Wien begonnenen Forschungen an dieser Art fort. Somit gab es Fischforschung – so man die Myxi- noiden und Agnatha zu den Fischen zählt – an der Universität Salzburg von Beginn an (Adam, 1993); zunächst vorwiegend an zytologischen und histologischen Problemen, vor allem des Gehirn-Hypophysenkomplexes dieser basalen Cranioten. Die 70er Jahre In diesem Jahrzehnt wurde die Forschung an den Schleimaalen intensiviert. Schwerpunkte des Institutes waren morphologische und histologische Untersuchungen. Einerseits an Myxine glu- tinosa – in Norwegen an der Marinbiologischen Station von Drøbak (Universität Oslo) (H. Adam, R. Patzner, A. Lametschwandtner und Ch. Koutnik) und an der Universität Bergen (I. Alvestad-Graebner), andererseits an Eptatretus burgeri, in Japan an der Marinbiologischen Station in Misaki (Universität Tokio) (Forschungsaufenthalt R. Patzner, 1975/76). Folgende Themen wurden bearbeitet: • Hirnforschung (H. Adam, I. Vogel, R. Bösel, J. Schultz, G. Erhart, G. Jirikowski, C. Kout- nik und R. Patzner) • Fortpflanzung (I. Alvestad-Graebner, R. Patzner und I. Kosmath) • Endokrinologie (H. Adam, I. Vogel, S. Schützinger und R. Patzner) • Haut (H. Adam, V. Georgieva und R. Patzner) • Vaskularistation (A. Lametschwandtner, H. Adam, H. Pohla, U. Albrecht und R. Patzner). Gegen Ende dieses Jahrzehntes begannen die Untersuchungen an Teleosteern: • Haut-Feinstruktur an Regenbogenforellen (G. Pohla-Gubo und H. Pohla) Die 80er Jahre Die meisten Arbeiten an den Schleimaalen waren abgeschlossen, neue Fischgruppen wurden erschlossen. In diesem Jahrzehnt begann eine intensive Fischforschung an Schleimfischen (Blenniidae) als Modellgruppe. Erstmals wurden auch ökologische und evolutionsbiologische Aspekte in die Untersuchung dieser Litoralfische einbezogen und ihre Morphologie als Öko- morphologie verstanden. Die angewandte Methodik reichte von der makroskopischen Analyse über Histologie und Histochemie bis zu TEM (Transmissions-Elektronenmikroskopie) und REM (Raster-Elektronenmikroskopie), neben der notwendigen ökologischen Freilandarbeit: • Nahrungsaufnahmeapparat, Nahrung und Darmtrakt (A. Goldschmid, K. Kotrschal und W.-D. Krautgartner) • Ökologie und Verhalten (K. Kotrschal, I. Illich; H. Moosleitner und R. Patzner) • Fortpflanzung (R. Patzner, M. Papitsch/Seiwald, F. Lahnsteiner, U. Richtarski, B. Nuss- baumer, M. Adlgasser, G. Kaurin und S. Podroschko) • Sexualdimorphe Drüsen der Körperdecke (A. Goldschmid, K. Kotrschal und H. Weisl) • Gehirn und Augen (A. Goldschmid, K. Kotrschal, M. Zaunreiter, R. Brandstätter und R. Patzner) • Vaskularisation (A. Lametschwandtner, F. Lahnsteiner und R. Patzner) • Zoogeographie (R. Patzner) Weitere Untersuchungen im Bereich der Ökomorphologie wurden an den Chaenopsiden, einer Gruppe der Blennioidei mit zahlreichen Konvergenzen zu den mediterranen Blenniidae, im Golf von Kalifornien durchgeführt (Forschungsaufenthalt K. Kotrschal). Angeregt von Untersuchungen am Ependym und dem Reißnerschen Faden von Säugetieren,

323 wurden die Hirnventrikel verschiedener Knochenfische untersucht, wobei der Sterlet (Acipen- ser ruthenus) als rezente basale Form im Zentrum stand (K. Kotrschal, W.-D. Krautgartner, H. Pohla und H. Adam); ergänzend wurde stets auch die Vaskularisation mittels Kunstharz- ausgüssen und morphologischer REM-Analyse studiert (A. Lametschwandtner, K. Kotrschal, T. Weiger und W.-D. Krautgartner). An Gaidropsarus mediterraneus und Ciliata mustela, kleine kryptisch lebende Gadidae des Felslitorals, wurden Bau und Funktion der undulierenden vor- deren Dorsalflosse im Bezug zu externen Chemorezeptoren studiert (K. Kotrschal, W.-D. Kraut- gartner und A. Goldschmid). An Regenbogenforellen wurden Röntgenstrahlen-Mikroanalysen durchgeführt (H. Pohla und P. Simonsberger). Ein Meilenstein der Salzburger Fischforschung war das Schwerpunkt-Forschungsprojekt S-35 des »Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung« an heimischen Karpfenfischen (Cyprinidae). Dieses Projekt lief 5 Jahre lang gemeinsam mit den Universitäten Innsbruck (Gesamtleitung W. Wieser) und Wien (Leitung F. Schiemer) sowie mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (H. Winkler). In Salzburg wurde schwerpunktmäßig an folgenden Fragen geforscht: • Gehirn und Sinnesorgane: Die primären sensorischen Hirnzentren im Bezug zur Ökologie der Arten (K. Kotrschal, A. Goldschmid, H. Junger, M. Palzenberger, R. Brandstätter und A. Gohmar) • Ontogenetische Differenzierung des Gehirns und der sensorischen Zentren (K. Kotr- schal, A. Goldschmid, A. Gohmar, M. Zaunreiter, R. Brandstätter, H. Junger und M. Pal- zenberger) • Oberflächenstrukturen des Darmtraktes (K. Kotrschal, A. Goldschmid und H. Junger) • Plastizität, histochemische und feinstrukturelle Differenzierung der Muskulatur (A. Sänger und W. Stoiber) • Kiemenapparat im Bezug zur Ernährung (H. Pohla und A. Goldschmid) • Quantifizierung der respiratorischen Kiemenflächen (H. Pohla und M. Palzenberger) Im September 1989 wurde dieses Projekt mit einer Tagung an der Universität Salzburg abge- schlossen: »The Environmental Biology of Cyprinids; Ecology – Physiology – Morphology – Behaviour – Development«. Organisatoren waren A. Goldschmid, K. Kotrschal, M. Zaunreiter und A. Sänger (Wieser et al., 1992). Aus den Ergebnissen und Erfahrungen des Cypriniden-Projektes entstand ein mehrjähriges Forschungsprogramm über endogene Vorgänge und deren Steuerung in der Fisch-Retina am Modell der Regenbogenforelle (A. Goldschmid, M. Zaunreiter und R. Brandstätter) und eine bis heute sehr erfolgreich arbeitende Gruppe um Alexandra Sänger über Muskeldifferenzie- rung (A. Sänger und W. Stoiber). Die 90er Jahre Nach dem oben genannten Fonds-Projekt wurden weitere Untersuchungen an heimischen Fischen durchgeführt. Immer mehr trat die Ökologie und die praktische Fischforschung in den Vordergrund. Zu dieser Zeit begann eine bis heute andauernde Zusammenarbeit mit dem Bun- desamt für Wasserwirtschaft, Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde in Scharfling sowie mit dem Institut für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wis- senschaften in Mondsee: • Fische in Seen (H. Gassner, R. Riedlsberger, G. Fischer, H. Weiss, B. Lahnsteiner und R. Patzner) • Fische in Fließgewässern (R. Glechner, R. Patzner, F. Uiblein, S. Fischer und G. Kößner) • Fische in alpinen Gewässern (R. Schabetsberger, C. Jersabek, S. Brotzek, H. Gassner und R. Glechner) • Fortpflanzung: Feinstruktur von Spermien (F. Lahnsteiner und R. Patzner) • Fortpflanzung: Cryopreservation von Spermien (F. Lahnsteiner und R. Patzner) • Fortpflanzung: Physiologie und Biochemie von Spermien und Eiern (F. Lahnsteiner und R. Patzner) • Fortpflanzung von Coregonen (M. Tinzl und R. Patzner) • Oberflächenstrukturen von Eiern (R. Patzner, R. Glechner und S. Fischer). Dieses Pro-

324 jekt läuft heute noch in Zusammenarbeit mit der Universität Düsseldorf; es wurden bisher 28 heimische Arten untersucht. • Muskulatur, Entwicklung und Plastizität (A. Sänger, W. Stoiber, U. Pötscher, R. Wenk, S. Kim und M. Schachner) • Einfluss von Wassertrübe (R. Glechner und R. Patzner) • Vaskularisation des Gehirns (B. Moser, A. Lametschwandtner) • Verhalten (K. Kotrschal, H. Essler und S. Fischer) Der große Boom der Schleimfischforschung war zwar vorüber, trotzdem wurden weitere Klein- fische im Mittelmeer untersucht: • Ökologie/Taxonomie von Schildfischen (Gobiesocidae) (R. Hofrichter und R. Patzner) • Ökologie von Meeresgrundeln (R. Patzner, W. Pölzer und J. Herler) • Fortpflanzung von Meeresgrundeln und Schleimfischen (R. Patzner, B. Loidl, F. Lahn- steiner und U. Richtarski) Durch diese Aktivitäten konnten 2 neue Fischarten im Mittelmeer beschrieben werden: Dido- gobius splechtnai – Ahnelt & Patzner, 1995, und Apletodon incognitus – Hofrichter & Patz- ner, 1997. Aufgrund längerer Auslandsaufenthalte konnte die Fischforschung von Salzburg auch in anderen marinen Bereichen Fuß fassen: • Ernährung und Fortpflanzung im Pazifik (R. Schabetsberger) • Tiefseefische und pelagische Fische im Atlantik (F. Uiblein) Im Februar 1996 wurde an der Universität Salzburg das »3. Symposium Ökologie, Ethologie und Systematik der Fische« abgehalten. Dies war ein Vorläufer der späteren »Tagungen der Gesellschaft für Ichthyologie«. Organisatoren waren R. Patzner, R. Hofrichter und R. Glech- ner (Patzner et al., 1996). Die 2000er Jahre Im Jahr 2004 wurde das »Zoologische Institut« aufgelöst und der »Fachbereich Organismische Biologie« gegründet (Leitung Alois Lametschwandtner). Auch in diesem beginnenden Jahr- tausend lag und liegt der Schwerpunkt der Salzburger Fischforschung auf dem Gebiet der hei- mischen Fische. Es geht um Ökologie, theoretische und angewandte Fischereiforschung, Phy- siologie und Genetik. Die Morphologie spielt nur mehr eine untergeordnete Rolle. • Fische in Seen (H. Gassner, D. Zick, R. Patzner, M. Rinnerthaler, K. Zimmermann, M. Kuhn, B. Lahnsteiner, S. Mayr, M. Steyskal, G. Fischer, F. Uiblein, G. Tischler, J. Hassan, C. Kroiss, S. Hartl, P. Schöttel und G. Hauseder). Einige dieser Arbeiten sind als Diplomarbeiten der Universität Salzburg unter der Betreuung von Josef Wanzenböck (Akademie der Wissen- schaften, Mondsee) gelaufen. • Fische in Fließgewässern (R. Petz-Glechner, F. Uiblein, B. Schmall, V. Gfrerer, B. Grabherr und R. Patzner) • Oberflächenstrukturen von Eiern (R. Patzner, R. Petz-Glechner, C. Weidinger, M. Roth und E. Oberbauer) • Fortpflanzung: Physiologie und Biochemie (F. Lahnsteiner, N. Mansour und M. Radner) • Fortpflanzung: Cryopreservation von Spermien (F. Lahnsteiner und N. Mansour) • Fortpflanzung: Feinstruktur von Spermien (F. Lahnsteiner, S. Fürböck und R. Patzner) • Fischkrankheiten und -parasiten (F. Lahnsteiner, N. Mansour, R. Schabetsberger, G. Schaufler und C. Stögner) • Muskulatur, Entwicklung und Plastizität (A. Sänger, W. Stoiber, P. Steinbacher, A. Ober- mayer, J. Marschallinger und M. Freimüller) • Populationsgenetik/Artenschutz (F. Uiblein, F. Lahnsteiner, P. Heymans und R. Schrempf) • Vaskularisation (A. Lametschwandtner, M. Klein, B. Stöttinger, B. Minnich und W.-D. Krautgartner) • Ökotoxikologie (F. Lahnsteiner und N. Mansour) • Digitaler Fischartenatlas von Deutschland und Österreich, Redaktion Österreich (R. Patzner) Weiters wurde die Fortpflanzungsbiologie eines afrikanischen Welses (Clarias gariepinus) untersucht (N. Mansour und F. Lahnsteiner).

325 Die Forschungen an marinen Fischen wurden nicht nur im Mittelmeer, sondern auch im Roten Meer, in der Karibik, im Atlantik und im Pazifik betrieben. • Ökologie von Meeresgrundeln (R. Patzner, J. Herler, A. Kramer, A. Kramer und J. Frein- schlag) • Ökologie und Verhalten von Litoralfischen (R. Patzner, M. Prötsch, H. Moosleitner, F. Schachinger, A. Götzl und A. Goldschmid) • Ökologie von Knorpelfischen (S. Achleitner, B. Trattner, A. Kramer und A. Goldschmid) • Aquakultur und Fortpflanzung (F. Lahnsteiner und B. Zecevic) • Tiefsee-/Pelagialfische (F. Uiblein, R. Wienerroither und M. Bachler) • Ernährung (R. Schabetsberger) • Artenschutz und Fischerei (F. Uiblein und A. Hein) Folgende Forschungsprojekte sind zu Ende des Jahres 2008 an der Universität Salzburg zum Thema Fischforschung im Laufen: Nach § 26 Universitätsgesetz: • Projekt des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung P20430: »Thermale Prä- gung des Muskelwachstums in Fischen« (P. Steinbacher) • Projekt des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung P20008: »Biochemische Regulation der Spermienfunktion bei Fischen« (F. Lahnsteiner) • Projekt des Österreichischer Akademischen Austauschdienstes 18/2006: »Ökologie und Biodiversität von Adriatischen Grundeln (Pisces: Gobiidae)« (R. Patzner) Nach § 27 Universitätsgesetz: • Projekt des Bundesamtes für Wasserwirtschaft, Scharfling, Mondsee: »Untersuchungen der Auslöser des Krankheitsbildes ›Schwarze‹ Bachforelle (Proliferative Darkening Syndrom)« (F. Lahnsteiner) • Projekt der Österreichische Akademie der Wissenschaften: »Investigations of a cestod (Triaenophorus crassus) epedemic in Arctic Charr (Salvelinus alpinus) II« (R. Schabets- berger)

DANKSAGUNG Es würde zu weit führen, hier sämtliche Forschungspartner aufzulisten. Deshalb beschränke ich mich auf die Institu- tionen in Österreich, mit denen gemeinsam geforscht wurde. Reihenfolge in geografischer Entfernung von der Uni- versität Salzburg: Amt der Salzburger Landesregierung, Institut für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Mondsee, Bundesamt für Wasserwirtschaft, Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde in Scharfling, Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau, Universität Innsbruck, Kärntner Institut für Seenforschung, Universität Graz, Naturhistorisches Museum in Wien, Universität Wien, Akademie der Wissenschaf- ten in Wien. Meinem Kollegen Alfred Goldschmid danke ich für wertvolle Hinweise.

LITERATUR Viele hundert wissenschaftliche Publikationen in Zeitschriften oder als Buchbeiträge sind in den letzten 40 Jahren von den Mitarbeitern der Universität Salzburg zum Thema Fische verfasst worden. An die 50 Diplom- oder Masterarbei- ten und 25 Dissertationen über Fische (inkl. Agnatha) sind erschienen, des weiteren eine Reihe von Gutachten von meist öffentlichen Auftraggebern. Im Text erwähnte Literatur: Adam, H., 1993: Zoologie in Salzburg. Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft 86: 21–29. Ahnelt, H. & R. A. Patzner, 1995: A new species of Didogobius (Teleostei: Gobiidae) from the western Mediterranean. Cybium 19: 95–102. Hofrichter, R. & R. A. Patzner, 1997: A new species of Apletodon from the Mediterranean Sea and the eastern Atlan- tic with notes on the differentiation between Apletodon- and Diplecogaster-species (Pisces: Teleostei: Gobiesoci- formes: Gobiesocidae). Senckenbergiana biologica 77: 15–22. Patzner. R. A., R. Glechner und R. Hofrichter, 1996: III. Symposium Ökologie, Ethologie und Systematik der Fische, 14.–16. Februar 1996 in Salzburg. Verlag Natur & Wissenschaft, Solingen. Wieser, W., F. Schiemer, A. Goldschmid und K. Kotrschal, 1992: Environmental biology of European cyprinids. Papers from the workshop on “The Environmental Biology of Cyprinids” held at the University of Salzburg, Austria, in September 1989. Kluwer Academic Publishers, Dodrecht, Boston, London. Seit dem Jahr 1993 sind vom Zoologischen Institut bzw. ab dem Jahr 2004 vom Fachbereich Organismische Biologie regelmäßig »Jahresberichte« erschienen. Nähere Informationen: [email protected] Kontakt: Univ.-Prof. Dr. Robert A. Patzner, Organismische Biologie, Universität Salzburg, Hellbrunner Straße 34, 5020 Salzburg, E-Mail: [email protected]

326 Fischforschung am Bodensee

REINER ECKMANN Limnologisches Institut der Universität Konstanz, D-78457 Konstanz Im Rahmen des Symposiums zur Geschichte der Fischforschung in Österreich stellt der vor- liegende Beitrag zur Fischforschung am Bodensee sicherlich einen Sonderfall dar, da sowohl bei der fischereilichen Bewirtschaftung als auch bei der Fischforschung am Bodensee stets mehrere Anrainer mitreden: das Bundesland Vorarlberg, die schweizerischen Kantone St. Gal- len und Thurgau, der Freistaat Bayern und das Land Baden-Württemberg. Nimmt man noch den Alpenrhein hinzu, so sind das Fürstentum Liechtenstein und der schweizerische Kanton Graubünden weitere Anlieger des Bodensees in weiterem Sinne. Auch wenn es nicht immer einfach war, die unterschiedlichen Interessen der Anlieger unter einen Hut zu bringen, so war doch gerade die Notwendigkeit zur internationalen Zusammenarbeit eine wesentliche Trieb- feder für die erfolgreiche Entwicklung des Fischereimanagements und der Fischforschung am Bodensee. In diesem Beitrag soll die Entwicklung der Fischforschung am Bodensee von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute zusammengefasst werden, und es sollen einige der heute aktuellen Forschungsthemen sowie die zukünftigen Herausforderungen für die Fischforschung am Bodensee skizziert werden. Die Zeit des Beobachtens und Beschreibens Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch eine Reihe von Veröffent- lichungen, in denen Artenlisten für den Bodensee zusammengestellt wurden. Die erste Publi- kation »Die Fische des Bodensees« von W. von Rapp erschien 1854 sogar noch vor der klas- sischen Arbeit von Heckel und Kner »Die Süßwasserfische der östreichischen Monarchie«, in der u.a. auch das Vorkommen von Fischarten im Bodensee berücksichtigt wurde. Es folgte im Jahr 1892 die Monografie »Bodenseefische« von Klunzinger und schließlich 1926 das Buch »Fische und Fischerei im Bodensee« von Scheffelt und Schweizer. Der Schwerpunkt all die- ser Abhandlungen lag auf dem Gebiet der Systematik, die mit einigen Angaben zur Autöko- logie der Arten und auch zur fischereilichen Nutzung angereichert wurden. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass gerade die Felchen mit ihren geringen morphologischen Unterschieden bei gleichzeitig hoher phänotypischer Plastizität den Systematikern besondere Schwierigkei- ten bereiteten. Beispielhaft sei hier nur die heftige, mehrere Jahre andauernde Auseinander- setzung zwischen Klunzinger und Nüßlin genannt, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts heftig über die Frage stritten, ob Gangfisch und Blaufelchen des Bodensees eine oder zwei verschiedene Arten darstellen, wobei ihr Streit über die fachliche Ebene hinaus bis zu persön- lichen Angriffen führte. Die Bregenzer Übereinkunft von 1893 Schon lange bevor sich eine Fischforschung am Bodensee etablieren konnte, gab es eine inten- sive und zunächst nur wenig regulierte Fischerei. Die unterschiedlichen Interessen der ver- schiedenen Anrainer führten dabei immer wieder zu Konflikten, bis in der Bregenzer Überein- kunft von 1893 allgemein akzeptierte Regeln festgelegt wurden. Als Vorläufer der Konferenz von Bregenz kann die Internationale Fischereikonferenz 1885 in Wien angesehen werden, gefolgt von einer Konferenz in Konstanz im Jahr 1892. Vom 3. bis zum 5. Juli 1893 schließ- lich tagten Vertreter aller Anrainer in Bregenz und trafen dort die »Übereinkunft der Boden- seeuferstaaten über die Anwendung gleichartiger Bestimmungen über die Fischerei im Boden- see«. Das im Rahmen dieser Übereinkunft eingerichtete Gremium, die Internationale Bevoll- mächtigtenkonferenz (IBKF), beschließt alle Maßnahmen »zur Förderung der Fischerei« und wird dabei von einem Sachverständigenausschuss beraten. Die Übereinkunft von Bregenz ist damit eines der ältesten internationalen Fischereiabkommen; der Internationale Rat für Mee- resforschung z.B. wurde erst 1902 gegründet. Die Bregenzer Übereinkunft zielte nicht unmit- telbar auf die Förderung der Fischforschung am Bodensee, die IBKF hat aber immer wieder

327 Anstöße für die Fischforschung geliefert oder auch eigene Projekte durchgeführt, insbeson- dere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein Ergebnis der Bregenzer Übereinkunft, das man kaum hoch genug bewerten kann, ist die kontinuierliche Erfassung der Fischerträge am Bodensee auf i.d.R. monatlicher Basis seit etwa 1910. Dieser Datensatz ist weltweit fast ein- malig und stellt heute, im Zeichen globaler Veränderungen, eine wichtige Grundlage dar, um mögliche zukünftige Entwicklungen der Fischbestände und des Fischereiertrags abschätzen zu können. Institutionen der Fischforschung am Bodensee Die Stadt Konstanz gründete 1919 die »Anstalt für Bodenseeforschung«. Ihre Aufgabe war die limnologische Beschreibung des Bodensee-Obersees. Der unmittelbare Anlass für diese Grün- dung war die Befürchtung der Stadtväter, dass durch die beginnende Industrialisierung des Bodenseeraumes das Bevölkerungswachstum sowie die zunehmende Schifffahrt die Wasser- qualität des Bodensees leiden könnte, aus dem das Trinkwasser für die Stadt Konstanz gewon- nen wurde. Ein Jahr später wurde in Langenargen der »Verein für Seenforschung und Seen- bewirtschaftung« gegründet. Er befasste sich mit den Fischen und ihrer Bewirtschaftung im Bodensee-Obersees und stellt somit die erste Institution dar, die sich gezielt mit Fischforschung am Bodensee beschäftigte. Der Verein wurde 1936 in die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur För- derung der Wissenschaften aufgenommen und war damit auch finanziell besser abgesichert. Die Institute in Konstanz und Langenargen wurden 1970 zum »Staatlichen Institut für Seen- forschung und Seenbewirtschaftung« mit Sitz in Langenargen zusammengelegt. 1975 erfolgte die Eingliederung in die neu gegründete Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU) unter dem Namen »Institut für Seenforschung und Fischereiwesen«. Im Zuge einer Neu- organisation der LfU 1990 wurde das Institut umgetauft in »Institut für Seenforschung (ISF)«, und gleichzeitig wurde der größte Teil der fischereifachlichen Arbeit vom Umwelt- zum Land- wirtschaftsministerium überführt und wird seitdem von der neu gegründeten Fischereifor- schungsstelle des Landes Baden-Württemberg (FFS) wahrgenommen. Auf eine weniger lange, aber dennoch bewegte Geschichte kann auch das Limnologische Insti- tut der Universität Konstanz zurückblicken. 1946 als private hydrobiologische Station für den Schwarzwald gegründet, wurde es 1961 als limnologisches Institut in die Universität Freiburg integriert, wo 1962 der erste Lehrstuhl für Limnologie in Deutschland von Prof. Dr. H.-J. Elster übernommen wurde. Als das in verschiedenen Schwarzwaldhäusern untergebrachte Institut später aus allen Nähten platzte, wurde es 1971 nach Konstanz an den Bodensee verlegt und 1980 schließlich von der noch jungen Universität Konstanz übernommen. Schwerpunkte der Fischforschung im 20. Jahrhundert Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag ein Schwerpunkt der Fischforschung nach wie vor auf der Systematik und Biologie der Felchen, wozu bis zum Jahr 1950 insgesamt rund 110 Publika- tionen erschienen sind. Zur fischereilichen Bewirtschaftung des Sees und zu Fangmethoden gab es im selben Zeitraum etwa 130 Publikationen, zur Erbrütung und Aufzucht 32 sowie zur generellen Limnologie des Bodensees rund 90 Publikationen (Auerbach, 1952). Generelles Ziel aller Arbeiten war es, einen möglichst großen Anteil der biogenen Produktion den Men- schen als Fischereiprodukt nutzbar zu machen. Beispielhaft kann hier die klassische Arbeit von Elster (1944) genannt werden. Auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts blieben die Felchen als die wirtschaftlich bedeutendste Fischart im Bodensee im Zentrum der Forschung. Jetzt wurden aber auch zuneh- mend andere Themen bearbeitet, z.B. die Autökologie von Fischarten wie Aal, Saibling, See- forelle, Trüsche oder Brachse. Der Fischartenschutz wurde ein wichtiges Thema in den 1970er Jahren, und es wurde unter Federführung des ISF bzw. der FFS die Rote Liste der bedrohten Fische Baden-Württembergs erstellt bzw. aktualisiert (Dußling und Berg, 2001), in der selbst- verständlich auch die Fische des Bodensees aufgeführt sind. Das zentrale Thema der Fisch- forschung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war aber zweifellos der Einfluss der zunehmenden Eutrophierung auf Wachstum und Populationsdynamik von Felchen.

328 Das Wachstum der Blaufelchen beschleunigte sich in den 1960er Jahren so stark, dass die Tiere schon nach zwei Jahren 30 cm Länge erreichten, wofür sie in den 1930er Jahren noch vier Jahre gebraucht hatten. Ursache war die steigende Phosphatkonzentration im Bodensee, die zu einem besseren Nahrungsangebot für die zooplanktivoren Felchen führte. Ohne die von der Bregenzer Übereinkunft angestoßene regelmäßige Überwachung der Felchenbestände hätte man diese Wachstumsbeschleunigung eventuell gar nicht oder erst zu spät entdeckt, was dra- matische Auswirkungen für den Felchenbestand gehabt hätte. So aber bemerkte man recht- zeitig, dass die Gefahr einer Rekrutierungsüberfischung drohte, d.h. die Tiere geerntet wur- den, bevor sie auch nur einmal abgelaicht hatten. Durch Erhöhung der Mindestmaschenweite und Heraufsetzung des Schonmaßes konnte diese Gefahr abgewendet werden, und obwohl die anthropogene Eutrophierung bis zum Ende der 1970er Jahre weiterging, war der Blaufelchen- bestand nicht mehr akut gefährdet. In diesem Zusammenhang muss auch die große Bedeutung der Fischereiforschung bzw. von Fischereiorganisationen für den Gewässerschutz am Bodensee erwähnt werden. Der Interna- tionale Bodenseefischereiverein (IBF) war 1909 in Meersburg gegründet worden »… zur Wah- rung der Interessen des Fischerstandes und zur Hebung der Fischerei im Bodensee«. Unter dem Eindruck der zunehmenden Abwasserbelastung des Sees gründete der IBF 1950 eine Abwasserkommission, die 1951 der IBKF angegliedert wurde. Dies war nun der Anstoß zur Gründung der »Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee« (IGKB), die 1959 in St. Gallen erfolgte. Die IGKB, in der alle Anrainer des Bodensees und des Alpenrheins vertreten sind, soll den Bodensee überwachen, Belastungsursachen feststellen und vorbeugende sowie abhelfende Maßnahmen empfehlen. Im Rahmen dieser beispielhaften internationalen Zusammenarbeit im Umweltschutz sind bis zum heutigen Tag von den Anrainern des Boden- sees rund 4 Milliarden Euro in Abwassersammlung und -reinigung investiert worden. Der Erfolg ist für jedermann sichtbar, der den Bodensee heute besucht: Der Phosphatgehalt ist wie- der auf Werte wie in den 1950er Jahren zurückgegangen, es treten keine Algenblüten mehr auf, die Sauerstoffkonzentration im Hypolimnion hat sich soweit verbessert, dass sich der Fel- chenlaich dort wieder gut entwickeln kann, kurz gesagt, der Bodensee ist wieder ein nähr- stoffarmer Voralpensee geworden. Heutige Forschungsinstitute und aktuelle Forschungsthemen Die anthropogene Eutrophierung war zweifellos das herausragende Thema des Gewässer- schutzes in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur am Bodensee, sondern darüber hinaus an nahezu sämtlichen Gewässern Mitteleuropas. Nachdem dieses Thema am Bodensee »abgearbeitet« ist, konzentriert sich die Fischforschung heute auf neue Themen. So werden z.B. von der schweizerischen EAWAG in Kastanienbaum Untersuchungen zur adaptiven Radia- tion der Felchen in Alpenrandseen durchgeführt, wobei natürlich auch der Bodensee bearbei- tet wird. Die Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg arbeitet im Rahmen der IBKF an der Bestandsüberwachung und dem Management der Bodenseefischerei mit, sie berät Fisch- züchter und ist mit der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Baden-Württemberg betraut. Die Forschung ist überwiegend praxisorientiert und beschäftigt sich z.B. in Zusammenarbeit mit Futtermittelherstellern mit der Optimierung von Forellenfutter. Durch Zugabe eines spe- ziellen Binders konnte die Festigkeit des Forellenkots erhöht werden, so dass er durch Mikro- siebung besser zurückgehalten werden kann, was dem Produzenten erlaubt, seine Produktion zu erhöhen ohne gegen die wasserrechtlichen Auflagen für seinen Betrieb zu verstoßen (Brin- ker et al., 2005). Die Internationale Bevollmächtigtenkonferenz, die den fischereilichen Sachverstand aller Anrainerstaaten zusammenfasst, entscheidet über das Fischereimanagement am Bodensee, sie plant und vergibt aber auch Forschungsaufträge, die sich mit dem Schutz und der Förderung von Fischarten des Bodensees und seiner Zuflüsse beschäftigen. So wurde z.B. ein For- schungsprogramm aufgelegt, um die Ursachen für den dramatischen Bestandsrückgang der Seeforellenbestände zu erforschen (Ruhlé et al., 2005). Gleichzeitig wurden Maßnahmen ange-

329 regt bzw. in die Wege geleitet, um die offensichtlichsten Probleme für den Lebenszyklus der Bodenseeforelle zu beseitigen. Der Rückbau von Querverbauungen in Fließgewässern und die Anlage von Fischpässen haben neben der Stützung des Bestandes durch künstliche Erbrütung zweifellos einen wesentlichen Anteil an der in den letzten Jahren zu beobachtenden Erholung der Bestände. Das Institut für Seenforschung in Langenargen ist sowohl direkt als auch indirekt an der Fisch- forschung am Bodensee beteiligt. Im Rahmen einer bodenseeweiten Erhebung des Zustands der Uferzone wurden Vorschläge zur Umgestaltung und Revitalisierung bestimmter Abschnitte des Bodenseeufers gemacht, die Zug um Zug umgesetzt werden und die zweifellos auch posi- tive Auswirkungen auf die Fischzönose haben werden. Ein Forschungsvorhaben, das die fische- reiliche Nutzung des Bodensees unmittelbar betrifft, ist die hydroakustische Bestandsab- schätzung von Felchen. Am Limnologischen Institut der Universität Konstanz wird vorwiegend Grundlagenforschung ohne direkten Anwendungsbezug betrieben. Diese Arbeiten liefern dennoch oft sehr praxis- relevante Ergebnisse. Als Beispiel soll hier eine Untersuchung geschildert werden, in der noch einmal rückblickend der Einfluss der anthropogenen Eutrophierung auf die Felchenbestände des Bodensees untersucht wurde (Thomas & Eckmann, 2007). Anhand eines Datensatzes, der fast fünf Jahrzehnte umfasst, wurde das Längenwachstum der Blaufelchen mit ihrer Bestands- biomasse sowie dem Phosphorgehalt des Bodensees verglichen. Dabei zeigte sich entgegen der bisherigen Lehrmeinung, dass nicht etwa der Phosphorgehalt den stärksten Einfluss auf das Wachstum der Fische hatte, sondern die Bestandsbiomasse. Zusätzlich zeigte die statis- tische Analyse, dass die Wachstumsgeschwindigkeit der Felchen unabhängig von Phosphor- konzentration und Bestandsbiomasse im Laufe der Jahre immer mehr abnahm. Dieses Ergeb- nis kann als erster Hinweis gewertet werden, dass im Bodensee eine fischereilich induzierte Evolution hin zu Langsamwüchsigkeit stattfinden könnte. Fischereiinduzierte Evolution ist ja ein Thema, das in der marinen Fischforschung schon seit Jahren intensiv diskutiert wird (z.B. Jørgensen et al., 2007), das im Süßwasserbereich bisher aber nur wenig Beachtung gefunden hat. Der Mechanismus, der hinter der Selektion auf lang- sames Wachstum steht, ist folgender (Abb. 1): Die Fische einer Altersklasse sind nicht alle gleich groß, und so werden die größten (d. h. die am schnellsten gewachsenen) zuerst durch die Kiemennetze gefangen. Übrig bleiben die kleineren, d. h. die langsamer gewachsenen, die nun mehr zum Genpool der nächsten Generation beitragen als die schnell gewachsenen, die ja

Abb. 1: Schematische Darstellung von fischereiinduzierter Evolution durch größenselektive Fischerei

330 nur noch in geringerer Zahl im Laicherbestand vorhanden sind. Unter der Voraussetzung, dass die Wüchsigkeit der Felchen zumindest teilweise genetisch bestimmt wird, kann es durch die ständige Wiederholung dieses Prozesses zu einer Anreicherung von Genen für langsames Wachstum in der Population kommen (Abb. 1). Auch die Veränderung der Fekundität während der letzten Jahrzehnte, also der Anzahl der von einem weiblichen Tier pro Gewichtseinheit produzierten Eier, deutet auf eine fischereiindu- zierte Evolution hin (Thomas et al., 2008). Die Fekundität der Blaufelchen nimmt seit dem Höhepunkt der Eutrophierung zwar wieder ab, allerdings nicht so stark, wie man es anhand des Rückgangs der Phosphatkonzentration erwarten würde. Da ein Organismus die nach Abzug aller Stoffwechselkosten noch verfügbare Energie entweder in Wachstum oder in Reproduk- tion investieren kann, wobei eines nur auf Kosten des anderen möglich ist, würde eine höhere Investition in Reproduktion zu einem geringeren Wachstum führen. Damit wäre hier ein zwei- ter Mechanismus gegeben, wie durch die jahrzehntelange streng größenselektive Fischerei auf Blaufelchen eine Selektion auf langsames Wachstum stattgefunden haben könnte und auch weiterhin stattfindet. Zukünftige Forschungsthemen Das Fischereimanagement wird auch in Zukunft eines der zentralen Themen der Fischfor- schung am Bodensee sein. Einerseits ist selbst nach Jahrzehnten intensiver Forschung die Popu- lationsdynamik der Bodenseefelchen noch immer nicht vollständig verstanden. Andererseits kommen am Beginn des 21. Jahrhunderts neue Fragestellungen hinzu, so z. B. ob Besatzmaß- nahmen im wieder oligotrophen Bodensee noch nötig sind sowie insbesondere die Frage, in welchem Ausmaß fischereiinduzierte Evolution im Bodensee stattfindet und ob es geeignete Gegenmaßnahmen gibt. Ein übergeordnetes Thema betrifft auch den Einfluss anthropogener Stressoren auf Fischzönosen. Hierzu gehört die in den letzten Jahren rasant zunehmende Besiedlung des Bodensees durch Neozoen, die bisher noch weitgehend unbekannte Auswir- kungen auf Fischbestände haben können. Auch der Klimawandel wird sich auf die Lebensge- meinschaften des Bodensees auswirken. Aus der Analyse von Langzeitdatensätzen zum Ein- fluss des Wetters auf die Populationsdynamik der Bodenseefelchen können wir schon heute viel lernen über mögliche Auswirkungen des Klimawandels (Straile et al., 2007), und wir können Prognosen aufstellen, wie sich die Fischbestände dann möglicherweise entwickeln werden.

LITERATUR Auerbach, M. (1952): Das Schrifttum der naturwissenschaftlichen Bodensee-Forschung. Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 71: 161–218. Brinker, A., Koppe, W., Rösch, R. (2005): Optimised effluent treatment by stabilised trout faeces. Aquaculture, 249: 125–144. Dußling, U. und R. Berg (2001): Fische in Baden-Württemberg. Ministerium for Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg, Stuttgart, 176 S. Elster, H.-J. (1944): Über das Verhältnis von Produktion, Bestand, Befischung und Ertrag sowie über die Möglich- keiten zur Steigerung der Erträge, untersucht am Beispiel der Blaufelchenfischerei des Bodensees. Zeitschrift für Fischerei und deren Hilfswissenschaften, 42: 169–357. Jørgensen and 16 coauthors (2007): Managing evolving fish stocks. Science, 318: 1247–1248. Ruhlé, Ch., Ackermann, G., Berg, R., Kindle, T., Kistler, R., Klein, M., Konrad, M., Löffler, H., Michel, M. und B. Wag- ner (2005): Die Seeforelle im Bodensee und seinen Zuflüssen: Biologie und Management. Österreichs Fischerei, 58: 230–262. Straile, D., Eckmann, R., Jüngling, T., Thomas, G. and H. Löffler (2007): Influence of climate variability on white- fish (Coregonus lavaretus) year-class strength in a deep, warm monomictic lake. Oecologia, 151: 521–529. Thomas, G. and R. Eckmann (2007): The influence of eutrophication and population biomass on common whitefish (Coregonus lavaretus) growth – the Lake Constance example revisited. Canadian Journal of Fisheries and Aqua- tic Sciences, 64: 402–410. Thomas, G., Quoß, H., Hartmann, J. and R. Eckmann (2008): Human-induced changes in the reproductive traits of Lake Constance common whitefish (Coregonus lavaretus). Journal of Evolutionary Biology, (doi: 10.1111/j. 1420– 9101.2008.01622.x).

Kontakt: Prof. Dr. Reiner Eckmann, Limnologisches Institut, Universität Konstanz, D-78457 Konstanz, Tel. +49- 7531/882828, Fax: +49-7531/883533, E-Mail: [email protected]

331 Fischforschung an der Veterinärmedizinischen Universität Wien

BRITTA GRILLITSCH, THOMAS CZERNY, MICHAEL SCHABUSS Department für Biomedizinische Wissenschaften OSKAR SCHACHNER, DANIELA LEXER, CLAUDIA SCHMIED, DAGMAR SUPPIN, FRANCISCUS SMULDERS Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin Veterinärmedizinische Universität Wien, Veterinärplatz 1, A-1210 Wien 1. Rückblick Die Geschichte der Veterinärmedizinischen Universität Wien (vet med uni Vienna) reicht rund 250 Jahre bis in das 18. Jahrhundert zurück. Nach Anordnung von Kaiserin Maria Theresia nahm im Jahr 1767 die Veterinärschule in Wien als dem Militär zugeordnete »K.K. Pferde- Curen- und Operationsschule«, dritte derartige Einrichtung weltweit und erste im deutsch- sprachigen Raum, ihren Betrieb auf. Namen und Zuordnung der Wiener Veterinärschule waren wechselvoll (seit 1975 Veterinärmedizinische Universität Wien). Unverändert blieb dagegen ab 1777 ihr Standort im dritten Wiener Gemeindebezirk, bis schließlich 1996 der neue Cam- pus am Donaufeld im 21. Wiener Gemeindebezirk bezogen wurde (Textquelle: vet med uni, 2009). Vor etwa 100 Jahren begann mit der Einrichtung des Institutes für Biologie und Pathologie der Fische im Jahr 1904 die eigenständige Entwicklung der Fischmedizin an der Wiener Vete- rinärschule. Standortbestimmung Aktuell kann die an der vet med uni durchgeführte Forschung an Fischen fünf Themenberei- chen zugeordnet werden, von denen zwei (»Fisch – Ökotoxikologie« und »Fisch – Genom und Entwicklungsbiologie«) dem Department für Biomedizinische Wissenschaften und drei (»Fisch – Krankheiten«, »Fisch – Lebensmittel« und »Fisch – Tierschutz«) dem Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin angehören. In den folgenden Abschnitten sollen diese mit Fischen befassten Bereiche in der chronologischen Rei- henfolge ihres Arbeitsbeginnes an der vet med uni vorgestellt werden. »Fisch-Krankheiten« Verfasst von Oskar Schachner Die offizielle Beschäftigung mit Fischen an der Wiener Veterinärschule begann im Jahr 1904. Der erste Vorstand des damaligen Institutes für Biologie und Pathologie der Fische, Josef Fie- biger, veröffentlichte zahlreiche Artikel, die grundlegende Kenntnisse der Fischanatomie und Physiologie sowie der Fischparasitologie vermitteln. In der Folge standen am Institut für Fisch- kunde unter der Leitung von Elmar Otte mikrobielle Krankheitserreger parasitärer Natur, wie Myxo- und Mikrosporidien, sowie Bakteriosen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Aus- einandersetzung. Durch den histologischen Aspekt als fixen Bestandteil der Untersuchung rich- tet Otte in den 60iger und 70iger Jahren besonderes Augenmerk auf die fischspezifische Kom- ponente der Pathologie. Sein Nachfolger, der Histopathologe Walter Grünberg, übernahm diese Gepflogenheit und schuf darüber hinaus als letzter Ordinarius des eigenständigen Institutes durch besondere Gewichtung der Virusdiagnostik das Fundament eines nationalen Referenz- labors für Fischkrankheiten, wie es für jedes Land innerhalb der EU vorgesehen ist. Er begeg- nete damit der weltweit ansteigenden wirtschaftlichen Bedeutung ansteckender Viruskrank- heiten der Fische in der Aquakultur. Darüber hinaus waren ihm die Haltungsbedingungen von Fischen in menschlicher Obhut ein besonderes Anliegen, dem er auch mit der Einrichtung des Wasserlabors am Institut für Fischkunde Rechnung trug.

332 An der neuen Klinik für Geflügel, Reptilien und Fische (Department/Universitätsklinik für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin der vet med uni) werden unter der Leitung von Michael Hess seit 2003 verstärkt molekulare Methoden in der Fisch- virusdiagnostik eingebracht. Entsprechend der steigenden Bedeutung der Aquakultur hat schließlich am 1. März 2009 Mansour El-Matbouli die Professur für Fischmedizin und - bestandsbetreuung an der vet med uni übernommen. Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Einheit im Verlauf der vergangenen Dekade weisen im Bereich »Fischforschung« zwei Schwerpunkte auf: a) Anwenderorientierte Arbei- ten zu Fischkrankheiten und Aquakultur (z.B. Licek et al., 2003; Braun et al., 2008); b) Grund- lagenorientierte Beschäftigung mit erregerbedingten Fischkrankheiten und innovativer Diag- nostik (z.B. Schachner und Holzer, 2001; Kolodziejek et al., 2008). An derzeit laufenden Projekten soll das mit Unterstützung des Bundesministeriums für Gesund- heit, Familie, Jugend durchgeführte Monitoring des »Fisch-Gesundheitsstatus Österreichischer Aquakulturbetriebe« angeführt werden. Zu den Aufgaben des Projektes zählen Nachweis und Typisierung der viralen Erreger bedeutender Fischkrankheiten, wie Virale Hämorrhagische Septikämie und Infektiöse Hämatopoetische Nekrose der Forellen sowie Koiherpesinfektion und Frühlingsvirämie der Karpfen (Basic et al. 2009, in press). »Fisch-Ökotoxikologie« Verfasst von Britta Grillitsch und Michael Schabuss Der Forschungsbereich »Fisch-Ökotoxikologie« nahm mit der Einrichtung des Labors für Öko- toxikologie an der vet med uni durch Walter Gruenberg im Jahr 1988 seinen Anfang. Seit 1990 ist Britta Grillitsch mit Aufbau und Leitung dieses Labors, seit 2008 der Abteilung für Aqua- tische Ökotoxikologie am Department für Biomedizinische Wissenschaften betraut. Dieser Forschungsbereich entwickelte sich an der vet med uni weitgehend parallel mit der inter- nationalen Anerkennung der Gefährdung der Gesundheit von Tier, Mensch und Umwelt durch Schadstoffe und der Etablierung des Arbeitsgebietes Ökotoxikologie (z.B. erste Definition des Arbeitsgebietes Ökotoxikologie, Truhaut, 1969; OECD-Verfahrensrichtlinien zur Prüfung von chemischen Substanzen seit ca. 1980; Konzept der Ökologischen Risikoabschätzung seit ca. 1990; Global Assessment of the State-of-the-Science of Endocrine Disruptors, WHO, ILO, UNEP, 2002). Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Einheit im Verlauf der vergangenen Dekade konzentrierten sich im Bereich »Fischforschung« auf jene Wirkungen von Umweltschadstof- fen, welche bereits in niedrigen Konzentrationen subletale Fitness-relevante Wirkungen an Fischen verursachen können, und weisen zwei Schwerpunkte auf: a) Verhaltensänderungen unter Einwirkung von Metallen und Detergentien und b) Veränderungen in der Ausprägung struktureller sekundärerer Geschlechtsmerkmale unter Einwirkung östrogener und androgener Disruptoren in enger Zusammenarbeit mit den vet med uni-Einheiten Biochemie und Mikro- anatomie sowie dem Umweltbundesamt Wien (z.B. Grillitsch et al., 1999; Grillitsch et al., 2003; Bursch et al., 2005; Schabuss et al., 2005). Unter den derzeit laufenden Projekten sollen die im Rahmen des PhD Initiativ-Doktoratskol- legs BIOREC (Biological Responses to Environmental Challenges – Carry Over Life History Phases and Generations) der vet med uni durchgeführten Untersuchungen zu endokrinen Wir- kungen von Umweltbelastungen an Fischen hervorgehoben werden. »Fisch – Genom und Entwicklungsbiologie« Verfasst von Thomas Czerny Beeindruckende Fortschritte hat die Wissenschaft in »Entwicklungsgenetik« und »Functional Genomics« gemacht. Im Verlauf der vergangenen Dekade entwickelte sich der Forschungsbe- reich »Fisch – Genom und Entwicklungsbiologie« unter Leitung von Thomas Czerny inner- halb des Institutes für Tierzucht und Genetik am Department für Biomedizinische Wissen- schaften der vet med uni gemeinsam mit Kollegen/-innen in Forschungskooperation mit der Fachhochschule FH Campus Wien.

333 Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Bereiches konzentrierten sich auf die Analyse der embryonalen Genregulation im Medaka-Fischmodell (Oryzias latipes). Hervorgehoben sollen dabei die Entwicklung eines neuartigen Hitzeschock-induzierbaren Genexpressions- systems sowie Sichtbarmachung der Genaktivität im Embryo durch »in situ Hybridisierung« werden (z.B. Bajoghli et al., 2004; Heimbucher et al., 2006; Bajoghli et al., 2007; Aghaallaei et al., 2007). Derzeit laufen Untersuchungen zur Genregulation von Otx2, einem Transkriptionsfaktor mit äußerst wichtigen Funktionen in der frühen Hirnentwicklung. Die Förderung dieser For- schungsprojekte erfolgt durch den FWF und das österreichische Genomprojekt GEN-AU. »Fisch – Lebensmittel« Verfasst von Dagmar Suppin und Franciscus Smulders Am Institut für Fleischhygiene (Department/Universitätsklinik für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin der vet med uni) hat sich die Forschung im Bereich »Fisch – Lebensmittel« mit allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebens- mitteln befasst (Food Safety Assurance and Veterinary Public Health, Smulders und Collins, 2002–2006). Im Verlauf der vergangenen Dekade konzentrierten sich die wissenschaftlichen Veröffentlichun- gen des Bereiches auf den Frische- und Hygienestatus von Fischprodukten, u.a. Sushi in Abhän- gigkeit von relevanten Produktions- und Verarbeitungsparametern (z.B. Paulsen et al., 2000; Hagen et al., 2004; Suppin et al., 2006; Suppin et al., 2007) und auf Schwermetallbelastungen von Seefischen (Suppin et al., 2005). »Fisch – Tierschutz« Verfasst von Daniela Lexer und Claudia Schmied Die Einrichtung des Institutes für Tierhaltung und Tierschutz (Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin der vet med uni) erfolgte 1996 unter Leitung von Josef Troxler. Die Forschung der Einheit fand primär im Bereich Nutztierhaltung und Mensch-Tier-Beziehung statt. Seit einigen Jahren gibt es vermehrte Forschungsaktivität im Bereich der Heimtierhaltung. Bisher führte das Institut, mit Ausnahme des folgenden Pro- jektes, keinerlei fischbezogene Tierschutzforschung durch. Mit 1. Jänner 2005 sind das neue Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (BGBl. I Nr. 118/ 2004) und die darauf gegründeten Verordnungen in Kraft getreten, welche Neuerungen auch für den Zoofachhandel in Österreich gebracht haben. Das Institut für Tierhaltung und Tier- schutz der Veterinärmedizinischen Universität Wien führte mit Unterstützung der Wirt- schaftskammer Österreich – allgemeines Gremium – Berufsgruppe Zoofachhandel und Finan- zierung durch das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend das Projekt »Pro- Zoo« durch. Im Rahmen dieses Projektes wurden unter anderem die Tierhaltung im Zoofach- handel und der Wissensstand des Personals untersucht sowie Schwachstellen aufgezeigt. Darüber hinaus wurden der Status-Quo im österreichischen Zoofachhandel in Bezug auf die geltende Tierschutzrechtslage analysiert, Schwierigkeiten in der Umsetzung bzw. Lücken in den Regelungen diskutiert und mögliche Lösungswege aufgezeigt. Im Projekt »ProZoo« wurde nicht nur der Kleinsäuger-, Vogel- und Terraristikbereich analy- siert, sondern auch der Zustand der Fischhaltung erhoben. Nach zweijähriger Laufzeit fand das Projekt mit Ende 2008 seinen Abschluss; die Ergebnisse sind unter www.prozoo.at abrufbar (Schmied et al., 2008). Ausblick Fischforschung an der Veterinärmedizinischen Universität Wien wird sich auch weiterhin ak- tuellen Fragen der Gesundheit von Tier, Mensch und Umwelt in der Veterinärmedizin widmen. Die bisher durchgeführten und aktuellen Projekte orientieren sich an den Profillinien der vet med uni: Profillinie 1: Steuerung physiologischer und pathophysiologischer Vorgänge (Schwer- punkt: Einfluss exogener Faktoren auf die Physiologie und Pathophysiologie tierischer Orga-

334 nismen. Weitere Themen: Reproduktion, Signalübertragung und Geriontologie); Profillinie 2: Infektion. Prävention und innovative Diagnostik (Schwerpunkt: Bearbeitung der Wechselbe- ziehungen von Wirten, Pathogenen, dem Menschen und der Umwelt sowie Präventiv- und Infektionsmedizin und -forschung unter besonderer Berücksichtigung von Zoonosen); Profil- linie 3: Biomedizin und Biotechnologie (Schwerpunkte: Entwicklung innovativer Therapie- konzepte in der Medizin sowie neuer biotechnologischer Verfahren für die Tierzucht und Gesundheit); Profillinie 4: Lebensmittelsicherheit und Risikoanalyse (Schwerpunkt: Konsu- menten- und risikobezogene Epidemiologie, Lebensmittelsicherheit und Zoonosen) (Text- quelle: vet med uni 2008).

LITERATURVERZEICHNIS Aghaallaei, N., Bajoghli, B., Czerny, T., 2007. Distinct roles of Fgf8, Foxi1, Dlx3b and Pax8/2 during otic vesicle induction and maintenance in medaka. Developmental Biology 307: 408–420. Bajoghli, B., Aghaallaei, N., Heimbucher, T. and Czerny, T., 2004. An artificial promoter construct for heat-inducible misexpression during fish embryogenesis. Developmental Biology 271: 416–430. Bajoghli, B., Aghaallaei, N., Soroldoni, D. and Czerny, T., 2007. The Role of Groucho/Tle in Left-Right Asymmetry and Kupffer’s Vesicle Organogenesis. Developmental Biology 303: 347–361. Basic, A., Schachner, O., Bilic, I., Hess, M., 2009. Phylogenetic analysis of spring viraemia of carp virus isolates from Austria indicates the existence of at least two subgroups within genogroup Id. Diseases of Aquatic Organisms (in press). Braun, E., Hochwartner, O., Tichy, A., Joachim, A., Licek, E., 2008. Prüfung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von in der Lachszucht gebräuchlichen Antiparasitika beim Zuchtkarpfen. Wiener Tierärztliche Monatsschrift 95: 210– 218. Bursch, W., Fuerhacker, M., Gemeiner, M., Grillitsch, B., Jungbauer, A., Kreuzinger, N., Moestl, E., Scharf, S., Schmid, E., Skutan, S., Walter, I. 2004. Endocrine disrupters in the aquatic environment: the Austrian approach – ARCEM. Water Science Technology 50: 293–300. Grillitsch, B., Gemeiner, M., Gleiß, A., Kuchar, A., Leitner, M., Miller, I., Möstl, E., Schabuss, M., Schober, U., Tschu- lenk, W., Walter, I., 2003. Bioindikation. Untersuchungen an Fischen. 1–132 in: Umweltbundesamt (Hrsg.) Hor- monwirksame Stoffe in Österreichs Gewässern – ein Risiko? Umweltbundesamt, Wien. Grillitsch, B., Vogl, C., Wytek, R., 1999. Qualification of spontaneous undirected locomotor behavior of fish for sub- lethal toxicity testing. Variability of measurement parameters under toxicant-induced stress. Environmental Toxi- cology and Chemistry 18: 2743–2750. Hagen, U., Paulsen, P., Bauer, F., 2004. Studies on management of the histamine risk in fish for human nutrition and pet food based on temperature control. Pp. 292–294 in: Smulders, F. J. M. und Collins, J. D. Food safety assurance and veterinary public health, Vol. 3: Risk management strategies: monitoring and surveillance Wageningen Aca- demic Publishers. Heimbucher, T., Murko, C., Bajoghli, B., Aghaallaei, N., Huber, A., Stebegg R., Eberhard, D., Fink, M., Simeone, A., and Czerny, T., 2006. Gbx2 and Otx2 interact with the WD40 domain of Groucho/Tle corepressors. Molecular and Cellular Biology 27: 340–351. Kolodziejek, J., Schachner, O., Dürrwald, R., Latif, M., Nowotny, N., 2008. »Mid-G« region sequences of the glyco- protein gene of Austrian infectious hematopoietic necrosis virus isolates form two lineages within European iso- lates and are distinct from American and Asian lineages. Jounal of Clinical Microbiology 46: 22–30. Licek, E., Dichtl, J., Hochwartner, O., Weismann, Th., 2003. Therapie bakteriell bedingter Nutzfischkrankheiten. Wie- ner Tierärztliche Monatsschrift 90: 146–154. Paulsen, P., Hagen, U., Bauer, F., 2000. Gehalte an biogenen Aminen in im österreichischen Handel befindlichen Fischereierzeugnisse (Fischkonserven und Fischen). Ernährung/Nutrition. 24: 259–262. Schabuss, M., Gemeiner, M. Gleiss, A., Lewis, J. W., Miller, I., Möstl, E., Schober, U., Tschulenk, W., Walter, I., Gril- litsch, B., 2005. Ligula intestinalis infection as a potential source of bias in the bioindication of endocrine dis- ruption in the European chub Leuciscus cephalus. Journal of Helminthology 79: 91–94. Schabuss, M., Kennedy, C. R., Konecny, R., Grillitsch, B., Reckendorfer, W., Schiemer, F., Herzig, A., 2005. Dyna- mics and predicted decline of Anguillicola crassus infection in European eels, Anguilla anguilla, in Neusiedler See, Austria. Journal of Helminthology 79: 159–167. Schabuss, M., Kennedy, C. R., Konecny, R., Grillitsch, B., Schiemer, F., Herzig, A., 2005. Long-term investigation of the composition and richness of intestinal helminth communities in the stocked population of eel, Anguilla anguilla, in Neusiedler See, Austria. Parasitology 130: 185–194. Schachner, O., Holzer, A., 2001. Gram staining and lectin binding properties of Myxosporea and Sporozoea. Bio- technic and Histochemistry 76: 15–22. Schmied, C., Lexer, D., Troxler, J., 2008. ProZoo – Evaluierung des österreichischen Zoofachhandels im Hinblick auf das neue Tierschutzgesetz. Endbericht zum Forschungsprojekt BMGF-70420/0280-I/15/2006. Eigenverlag Insti- tut für Tierhaltung und Tierschutz, Wien. 131 Seiten. Smulders, F. J. M. und Collins, J. D., Hrsg., 2002–2006. Food Safety Assurance and Veterinary Public Health. Wagenin- gen Academic Publishers. The Netherlands. Vol. 1: Food Safety Assurance in the pre-harvest phase. Vol. 2: Safety

335 Assurance During Food Processing. Vol. 3: Risk management strategies: monitoring and surveillance. Vol. 4: Towards a risk-based chain control. Suppin, D., Zahlbruckner, R., Krapfenbauer-Cermak, Ch., Hassan-Hauser, Ch., Smulders, F. J. M., 2005. Mercury, lead and cadmium content of fresh and canned fish collected from Austrian retail operations. Ernährung/Nutrition 29: 456–460. Suppin, D., Safer, M., Dabbass, A., Smulders, F. J. M., 2006: On the prevalence of Listeria monocytogenes in cold smoked fish: an overview. Wiener Tierärztliche Monatsschrift 93: 145–149. Suppin, D., Rippel-Rachlé, B., Smulders, F. J. M., 2007. Zum Hygienestatus von Sushi aus Wiener Restaurants. Wie- ner Tierärztliche Monatsschrift 94: 40–47. VUW, Veterinärmedizinische Universität Wien, 2008. Forschungsschwerpunktsetzung an der VUW – Profillinien. Stand: 5. 5. 2008, http://intra.vu-wien.ac.at/, 15. April 2009. VUW, Veterinärmedizinische Universität Wien, 2009, http://www.vu-wien.ac.at/de/universitaet/allgemeines/geschichte/, 15. April 2009.

Kontaktadresse des Erstautors: Ao. Univ.-Prof. Univ.-Doz. Dr. phil. Britta Grillitsch, Department für Biomedizinische Wissenschaften, Veterinärme- dizinische Universität Wien, Veterinärplatz 1, A-1210 Wien, [email protected]

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