Siedlungs- und Hofgeschichte .

von Karl Schnieringer, Ottenbeuren. 1937

Wappen der Welfen von Wolvoldiewendin.

Im Auftrag des Herrn Bürgermeisters Sinner zu Wolfertschwenden, erforscht, aufgeschrieben und gezeichnet von Karl Schnieringer, im fünften Jahr der national-sozialistischen Regierung. [Georg Sinner war von 1929 - 45 und von 1952 - 70 Bürgermeister.] https://www.wolfertschwenden.de/rathaus-neu/buergermeistergalerie/ 1. Teil.

Vorgeschichte.

In unserem einst so waldreichen Gebiete lebten schon tausend Jahre v. Chr. auf den Höhenzügen die Kelten. Wo wir heute bauen und hausen, da haben auch sie einst gelebt, gerodet, gejagt und den Acker bestellt. Dann aber sind im 15. Jahre v. Chr. die Römer ins Land gefallen, haben die Estionen erschlagen und ihr Heimatstätten verbrannt. Bald deckte Wurzelgewirr und Waldesschatten den Jammer zu. Nur einzelne Funde aus Bronze, Kupfer und Eisen oder da und dort eine Gruppe runder Grabhügel im Walde erinnern an die längst vergessenen Urwaldbauern. Solche Gräber sind noch sichtbar erhalten in der „Sonnwiese“, östlich von Albishofen. Sie enthalten Urnen mit angebrannten Menschenknochen und Frauenschmuck. Auch auf dem „Hohen-Rain“ bei fand man bei der Grabung 1936 Urnenscherben und Reste einer uralten Feuerstelle.

Die Römer haben sich 300 Jahre lang ins Land gesetzt. Sie bauten Straßen, Bauernhöfe, Kastelle und Wachttürme. Solche wurden festgestellt in Memmingen (Martinskirche), in Dickenreis, auf dem Hohen-Rain und bei Hörensberg. Doch auch die Römer mussten weichen. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts stürmten die Allemannen [Alemannen], die man Schwaben nennt, vom Norden kommend, gegen die römischen Grenzwälle und Legionen. Nach langen harten Kämpfen war das Land für die Schwaben gewonnen. Sie gründeten die „Ingen- und Hofen-Orte“, wie Memmingen, Beningen [], Buseningen (= Ittelsburg), , Herbishofen, Hetzinshofen, Goßmannshofen. Ihre Rechte vertraten im Krieg und im Frieden die allemannischen Herzoge, die sich lange den fränkischen Machtgelüsten zu widersetzen vermochten. Im Jahre 748 wurde Schwaben dem Fränkischen Reiche eingegliedert. Die Franken teilten unter Karl dem Großen ihr Reich in Gaue ein und setzten an die Spitze die Gaugrafen. Diese waren Beauftragte des Königs und hatten auch das Recht, Güter und Gebiete rebellischer Allemannen zu enteignen und den hinzuströmenden Franken anzubieten. Solch ein allemannischer

1 [Seitenzahl jeweils am Ende der Seite] ------

Ort war auch Ittelsburg, mit der großen Volks- oder Fliehburg auf dem Bußenberg, den wir jetzt „Falken“ nennen. Die etwa 500 m südlich des abgebrochenen Falkenschlosses gelegene Burgstelle gehörte einst den Herren von Ittelsburg. Die alte Höhensiedlung hieß „Bussen“, wie die erhaltenen Flurnamen und der Hausname „Bußenwirt“ bestätigen. Im 8. Jh. schenkte Hildegardis, die Gemahlin Karls des Großen, ihre ererbten allemannischen Güter an die eben gegründeten Klöster Kempten und Ottenbeuren []. Dazu zählten aber nicht die um Ittelsburg und Wolfertschwenden gelegenen Gebiete. Die genannten Klöster erwarben diese erst um das Jahr Tausend von den frommen Welfen, die nach 876 in unserem Gebiete auftreten. In diese Zeit fällt auch die Entstehung von Wolfertschwenden.

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Nach dem Tode Ludwigs des Deutschen († 876) fielen die kaiserlichen Waldgebiete und Ödungen sowie auch enteignete allemannische Besitzungen an das verwandte Geschlecht der Welfen. Diese verliehen die erworbenen Besitzungen – soweit sie solche nicht selbst behalten wollten – an andere Adelsgeschlechter, die dann in ihre welfischen Lehen Burgen und Höfe bauten. Nach urkundlichen Belegen (s. Baumann: Geschichte des Allgäus) saßen in Wolfertschwenden selbst Welfen. Wir haben noch erhalten den Namen „Wolfenbauer“ (Welfenbauer) und „Welfengarten“. Somit kommen für Wolfertschwenden die Welfen als Ortsgründer in Frage.

1. Wie der Ort Wolfertschwenden seinen Namen erhielt.

Ich nehme an, dass gebietsmäßig Wolfertschwenden einst zu dem allemannischen Ort Busningen = Ittelsburg gehörte. Weil dieses unbesiedelte Gebiet noch nicht gerodet war, wurde der Wald als Königsgut erklärt und 876 an die Welfen abgetreten. Letztere begannen den Wald zu roden und die Gebiete zu besiedeln. Das sagt uns der Ortsname selbst. „Wolvoldisvendi“ ist die älteste Schreibart. „-vendi“ heiß mittelhochdeutsch swintan, das ist schwinden oder vergehen. Der Wald schwindet und wird durch das Schwenden oder Roden kleiner. Anlass zur Rodung war die Absicht, einen Ort zu gründen. Ortsgründer war ohne Zweigel ein „Wolvold“. Er ließ sich zunächst auf der Günthershalde (bei Pfaudlins) eine Burg erbauen.

2. Der Burgstall auf dem Schlossberg, östlich von Wolfertschwenden.

Wer die alte Burgstelle finden will, gehe von der Mühle aus zur Steinbreche (Ottenbeurischer Steinbruch zum Klosterbau)[Ostufer des Urstromtales der Iller; in W. ist die „Steinbreche“ als Straßenname erhalten] gegen Pfaudlers [Pfaudlins?]. Vor dem Hof biegt ein schmaler gepflasterter Weg nach rechts zu Hausnummer 17. Von da ab biegt der alte Burg- oder Reitweg scharf nach Westen und erreicht nach 125 m den Wall (B) und die hölzerne Brücke vor dem Hauptgraben (F). Letzterer zieht sich – heute noch sichtbar – in einer Breite von 7 m und in einer Tiefe von 6 Meter von Süden nach Norden. Seine Länge misst 25 m. Er mündet beiderseits in einen Steilhang (G). Der Graben sicherte die Burg gegen Angriffe von Osten her. Vom Vorwall zu dem westlich des Grabens errichteten Wall führte einst ein 2 - 3 m breiter Steg mit ungefähr 15 m Länge. Westlich des Hauptgrabens stand die Burg selbst. Der Raum misst 7 : 25 m.

4 [eigentlich 3; der Fehler setzt sich fort!] ------5 (Zeichnung) ------Die Schlossgebäude standen westlich des Vorraums, innerhalb der Wälle, auf einer Fläche von 432 m² (s. Plan). Das Wasser schöpften die Diener aus dem Burgbrunnen, der im Hauptgraben lag. Nachweisbar ist, dass es sich um eine Burg etwa aus dem Jahre 1100 handelt. Einige aufgefundene irdene Scherben (Topfscherben von Ofenkacheln und Gewölben) sprechen für diese Zeit. Vermutlich war das Schloss größtenteils aus Holz. Mauerreste sind nur wenige vorhanden.

3. Wie die erste Siedlung entstand.

Ein Ritter konnte sich mit einer Burg allein nicht begnügen. Er brauchte Bauern, die ihm fronten, die ihm sein Getreide bauten und Abgaben entrichteten, damit er leben kann. Er brauchte einen Müller, der den Großzehnten mahlte, einen Schmied, der seine Reitpferde beschlug und endlich ein Bethaus. Seine Dienerschaft siedelte sich vor dem Schlosse – außerhalb der Wälle – an. Auf dieser ziemlich großen Fläche standen noch um 1500 ein großer Hof und drei Sölden. Zwei davon kamen kurz vor 1700 in Abgang. Einer wurde nach Fricken gebaut. Die Grundstücke fielen ebenfalls dorthin. Dieser kleine Weiler hatte einst den Ortsnamen „Günthershalde“. Heute ist der Name aufgegangen in Pfadlers (jetzt „Pfaurlins“ [Pfaudlins]). Ein Rest der Günthershalde sind Hausnummer 17 und 18. Dass der Ort Wolfertschwenden nicht auf der Höhe entstand, bestimmte wohl der fruchtbare Ackerboden im Tale. Das älteste Gehöft in Wolfertschwenden ist der Meierhof. Er gehörte ausschließlich dem Burgherren und hatte dessen leibliche Bedürfnisse zu sichern. Der vom Schlossherrn in den Hof gesetzte Bauer hatte kein Eigentumsrecht; er war nur Verwalter oder Meier, wie man damals sagte. Die zum Meierhof gehörenden Grundstücke mussten gemeinsam gerodet werden. Mitten in die geschwendete Fläche setzte man dann den Meierhof. Das sah aus wie ein Einödhof, der alle Grundstücke um das Haus liegen hat. Auch der Müller war herrschaftlich angestellt und erhielt für das Mahlen etliche Jauchert Ackerfeld zur Nutznießung, welche der Meier abzutreten hatte. Wenn der Müller vom Herrn die Erlaubnis erhielt, die Anbaufläche

6 ------durch eigene Rodung zu vergrößern, musste er für das gewonnene Neuland den Groß- und Kleinzehnten geben. So entstand mit der Erbauung der Herrschaftsmühle ein zweiter Bauernhof. Auch der Schmied war Angestellter des Grundherren und erhielt wie der Müller für seine geleistete Arbeit etliche Grundstücke aus dem Meierhof. So entstand ein kleinerer dritter Hof. Die Schmiede war oft von der Sölde getrennt und gehörte ausschließlich dem Burgherren. Sie führte seinerzeit den Namen „Ehehafts-Schmiede“, das ist Herrschaftsschmiede. Wir haben das Wort noch in „Ehewiesmühle“ [Ehwiesmühle] erhalten. Es war die Mühle zum Schloss Falken. Wollte ein Bauer beim Schmied beschlagen lassen, Werkzeuge ausbessern oder solche neu anfertigen lassen, musste er dem Schmied Eisen und Kohlen bringen und die Arbeit mit Geld, Brot oder Bier bezahlen.

Nach einigen Jahrzehnten dachten die Buben des Meier daran, sich zu verheiraten. Mit Erlaubnis des Herrn durften sie neue Höfe erbauen. Wir finden sie in nächster Nähe ihres Vaterhauses. Die Grundstücke werden dem Meierhof entnommen. Doch blieben sie Eigentum des Herren. Selbst die neuen Höfe galten als Herrschaftsgut. Das ganze Besitztum war also ein Lehen des Herren. Die jungen Bauern hieß man Lehenbauern. Als Entschädigung reichten sie ihrem Grundherrn den Getreide-, Heu-, Blut- und Obstzehnten. Ferner musste sie fronen und gehorsam sein. Mit der Bevölkerungsziffer wuchs auch das Dörflein. Neben den Höfen haben sich Leinenweber und Strumpfstricker niedergelassen. Die vorhandene Ackernahrung reicht schon nicht mehr aus für alle und der Herr verbietet dem Meier weitere Gebietsabtretungen. Man musste sich deswegen entschließen, abermals Wald zu schwenden. Das gewonnene Neuland wird an die Bauern gleichmäßig verteilt. Auch der einzelne Bauer konnte seine Ackerflächen durch eigene Rodung vergrößern. Der fleißige Bauer griff gerne nach solch billigem Land und seine Nachkommen dankten es ihm; denn auf diesen eigenen Gründen waren weit weniger Lasten als auf den Herren- und Erblehngütern. Wenn das Anwachsen des Dorfes dem Burgherren bezüglich der Einkünfte nur Nutzung brachte, so musste er selbst

7 ------auch ein Opfer bringen. Dieses bestand in der Erbauung einer Dorfkirche, mit der in Wolfertschwenden auch die Gründung einer Pfarrei verbunden war. Ferner gehörte dazu die Ausstattung und Errichtung eines „Widdumhofes“ für den Pfarrer. Der vom Ortsherrn berufene Geistliche (Patronatsrecht) erhielt den Widums- oder Pfarrhof zugewiesen – jedoch nicht als Eigentum. Der Hof gehörte samt den Grundstücken der gesamten Pfarrgemeinde. Die von den einzelnen Bauern gewidmeten (geschenkten) Äcker erhielten nun den Namen „Heiligenacker“ oder „Heiligengut“; das sind die dem Kirchenheiligen Vitus – also nicht dem Pfarrer – gehörenden Güter. Wenn der Ortspfarrer den Hof nicht selbst umtreiben wollte, was damals selten der Fall war, konnte er ihn einem Huber (Pächter) übergeben. Von diesem Pachtgeld und den anderen Abgaben (Kleinzehnt) der Bauern bestritt der Pfarrer seinen Lebensunterhalt. Das Widumgut wurde oft durch reiche Schenkungen und durch Stiftungen von ewigen Messen vergrößert. Mancherorts so, dass der Pfarrer der größte Bauer im Dorfe war. Näheres steht unter „Kirchengeschichte“.

4. Was wir von den Edlen zu Wolfertschwenden wissen.

Wolfertschwenden hatte ein eigenes Adelsgeschlecht: die Welfen. Nach [Franz Ludwig] Baumann (Band I, S. 507) führten sie im Wappen das Kloster Ochsenhausen. Doch ist Baumann von diesem Wappen selbst nicht überzeugt. Das richtige finden wir am Kirchturme selbst – in Verbindung mit dem ottenbeurer Klosterwappen (s. Titelblatt). Krone in Gold, Visier grau, der Welf (Hund) in Gold auf silbernem Grunde, das [der] Schild geteilt. In der unteren Hälfte ein Baum mit drei Ästen, der die Linien Wolfertschwenden, Grönenbach und Ochsenhausen darstellt. Der Grund ist hellbraun (Ackerboden?). [Fehler: Das Wappen ist das von Abt Honorat Göhl, aufgebracht kurz nach 1767 im Zusammenhang mit einer Restaurierung.]

Die Edlen benannten sich abwechslungsweise nach Wolfertschwenden, Grönenbach und Ochsenhausen. Ihren männlichen Sprossen legten sie mit Vorliebe den Namen Hatto bei. Südlich von Ochsenhausen ist die „Hattenburg“. Man möchte vermuten, dass das älteste bekannte Glied dieser Sippe jener Hatto zu Beningen [Benningen] war, der dem Kloster Ottenbeuren seine Kirche schenkte und dann selbst sein Leben im Kloster beschloss (Baumann I, 409). Dieser Hatto von Beningen war ein Freund und Zeitgenosse des hl. Ulrich von Augsburg.

8 ------Der Wolfertschwender Linie gehörte auch jener Hartnid an, der sich nach Stefansried [Stephansried] benennt. Er verschenkte zwischen 1094 und 1100 seinen Bauhof zu Herbishofen an das Kloster Ottenbeuren.

Besonders unvergesslich machten sich die Söhne des Edlen Hatto – Hawin, Adelbert und Konrad – durch die Stiftung des Klosters Hossenhusen (= Ochsenhausen). Sie schenkten am 31. Dezember 1099 die Kirche zu Ochsenhausen und alle ihre Besitzungen daselbst und auch die zu Westerheim an das Benediktinerkloster St. Blasien im Schwarzwald. Sie machten aber zur Bedingung, dass St. Blasien ein Priorat in Ochsenhausen errichte und diesem ihre Schenkung ganz zuweise. Diese Güterübergabe vollzog Herzog Welf V. als Salmann (Baumann I, 507).

Als im folgenden Jahre Hawin mit Tod abgegangen war, entsagten seine erbberechtigten Schwestern Hazicha, Chuniza, Hemma und Tuta in Gegenwart Herzogs Welfs durch ihren Vogt Wolpert von Grönenbach allen Ansprüchen auf die Schenkung ihres Bruders (Baumann I, 508). Am 2. Januar 1126 wurde die Schenkung von König Lothar bestätigt. Dessen ungeachtet focht die genannte Tuta und ihr Sohn Hawin das Kloster Ochsenhausen darüber an. Am 26. März 1128 leisteten sie jedoch zu Illertissen endgültig Verzicht. Das Kloster hat ihnen eine Entschädigung in barem Gelde gegeben (Steichele, Archiv II, 23). Am 29.11.1137 wurde die Stiftung von Papst Innozenz bestätigt (Baumann I, 507).

Die Jahre von 1129 bis 1134 brachten unserem Schwabenlande unglückliche Tage. Das Land wurde viel mit Krieg überzogen. Die Bauern – damals zum Teil noch zu Kriegsdiensten verpflichtet – verarmten durch hohe Abgaben und Lasten. In dieser Zeit verheerte der Schwabenherzog Friedrich das eigene Land, indem er gegen die Welfen vorging. Er zerstörte fast alle ihre Burgen, Dörfer und Städte, darunter auch Memmingen. Ohne Zweifel sind damals auch die Schlösser zu Wolfertschwenden, Felsenberg, Ittelsburg und Theinselberg zu Ruinen geworden. Durch diese Verheerungen und Verluste sind auch die Geldsäcke der Ritter sehr klein geworden.

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Mancher vermochte es nicht, seine Burg wieder aufzubauen ohne den Geldsack eines Mächtigen oder Klosters. Um aber doch Herr zu bleiben, traten sie ihre Gebiete ab und empfingen diese von den Geldgebern als Lehen wieder. So gerieten auch sie unter den Krummstab oder wurden Dienstmannen weltlicher Adeliger. Mit den verarmten, unfreien Rittern ging es abwärts und ihre einst klingenden Namen versanken in der Unzahl der Unberühmten.

So kommt es, dass wir schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts in Wolfertschwenden kein freies Adelsgeschlecht mehr finden. Die namentlich bekannten drei Mitglieder des welfischen Geschlechts zu Wolfertschwenden, Marquard, Hildebrand und Berthold (um 1150) waren Dienstmannen des Klosters Ottenbeuren (Baumann I, 508 und Wirths Urk. I, 376).

Erinbert von Wolfertschwenden erscheint im Jahre 1182, als Markgraf Heinrich von Ronsberg dem Kloster Ottenbeuren verschiedene Güter schenkte, unter den Zeugen (Feyerabend, Bd. II, S. 826, mit abgedruckter Urkunde). Er ist vermutlich der letzte Sprosse dieser Linie.

Übersicht: Wolfold, der Ortsgründer. Hatto (955) von Beningen [Benningen], dann Klausner in Ottenbeuren. Giselfried (973), kemptischer Schutzvogt. Hatto, Vater folgender Kinder:

Hawin (stiftet Ochsenhausen) Adelbert (Mönch?) Konrad urkundl. genannt 1099, 1100 1099 1099

Töchter: Hazicha (1100) – Chuniza (1100) – Hemma (1100) – Tuta und ihr Sohn Hawin.

Ottenbeurische Dienstmannen: Marquard – Hildebrand – Berthold – Erinbert (1182). ______[Hier beginnt vermutlich Teil 2!]

5. Wie Wolfertschwenden an verschiedene Grundherren fiel.

Nach dem Tode des Erinbert von Wolfertschwenden treten die Klöster Ottenbeuren und Kempten als Lehensherren auf. Das sagt uns, dass die einst in Not geratenen Edlen große Besitzungen an die beiden Klöster verpfändet hatten. Da

10 ------sie aber nicht mehr in die glückliche Lage kamen, die Pfänder wieder einzulösen, sanken sie im Laufe der Zeit zu Dienstmannen herab. Die vorher eigenen Güter besaßen sie nur noch leihweise. Nach dem Tode des letzten Sprossen sind die Lehen heimgefallen. Nun konnten die Klöster die zum Eigentum gewordenen Güter an beliebige Personen verleihen oder verkaufen. Das hatte für Wolfertschwenden zur Folge, dass es an nachstehende Grundherren überging: OTTENBEUREN erhält 1209 von Heinrich von Reuten [Reuthen] (bei Ottenbeuren / Ottobeuren), Pfarrer zu und Stefansried [Stephansried], 1 Hof zu Wolfertschwenden (Feyerabend II, 273). – Anno 1581 kauft es vom Spital zu Memmingen das Holz unterm Falken, die „Westerhalden“ genannt. Jakob Schütz, Bürger zu Memmingen, besitzt in Wolfertschwenden 2 Güter und verkauft diese an seinen Bruder Jakob Schütz; 1436 erwirbt diese Hans Raiser, der 1439 noch den Zins aus der nach Kempten lehenbaren Mühle dazu kauft (Hagg. Band I, S. 291). Die genannten Höfe kamen vermutlich an die Stebenhaber zu Memmingen-Hetzlinshofen. Von Paul Stebenhaber kauft Hans Zwicker der junge 1456 Zins und Gilten aus 2 Gütern, der Mühle und dem Bühl zu Wolfertschwenden als Stift Kemptisches Lehen (Hagg. I, 317). 1407 verkauft Ulrich von Rotenstein an den Heiligen zu Woringen um 90 Pfd. Heller, Memminger Währung, einen Zins aus 1 Gut zu Wolfertschwenden (Hagg. I, 237). Der Meierhof, die Obermühle zu Wolfertschwenden u. die Untermühle zu Unterwolfertschwenden (Niederdorf) fallen nach dem Tode Ulrichs von Rotenstein anno 1414 an Ludwig und Thomas von Rotenstein (Hagg. I, 239). Am 07.02.1435 findet zwischen Abt Johann [von Schedler] von Ottenbeuren, dem Bürger Ulrich Reißer zu Memmingen und dem Abt zu Kempten bezüglich der Novalzehnten zu Woringen, Dietratried und Wolfertschwenden ein Vergleich statt. Der Pfarrvikar Johann Trüchler von Woringen verzichtet auf alle Zehnten und erhält dafür jährlich vom Abt 8 Malter Getreide und von 2 Tagwerk Stroh zugesichert. Es scheint, dass Wolfertschwenden

11 ------damals von Woringen aus pastoriert wurde (Sontheimer, Bd. III, S. 451). Abt Josokus von Ottenbeuren [Abt Jodok Niederhof] kaufte [verkaufte?] einige Güter an das Stift [Kempten]; dabei sind etliche Jauchert Ackerfeld und Wiesen zu Oberwolfertschwenden. Christian von Bollstädt, Herr auf dem Falken, hatte sein Besitztum 1571 durch Ankauf von den Zwiscker'schen Gütern zu Wolfertschwenden vermehrt. Als Kempten 1578 den Bollstädt verjagte, musste es die Güter zurückkaufen (Baumann III, 275). Das Patronatsrecht und den Zehten zu Wolfertschwenden besaß das Stift Kempten (Feyerabend II, 629).

Das Vorstehende zeigt, wie sehr Wolfertschwenden zerrissen war und dass die Hände von allen Seiten her in den Ort langten. Zusammengefasst zählten zu den Besitzern:

– das Stift Kempten (Patronatsrecht und Großzehnt) – das Reichsstift Ottenbeuren (besaß ein Fünftel des Ortes) – das Spital zu Memmingen (besaß ebenfalls ein Fünftel des Ortes) – Memminger Bürger (etliche Höfe und Zinsen) – die Herren von Rotenstein (die Mühle und Güter) – die Kirche zu Woringen (den Novalzehnten) – Hans Dietenheimer zu Memminger (den größten Teil des Ortes).

Ottenbeuren, das immer bemüht war, Territorialherr zu werden und ganz Wolfertschwenden an sich zu bringen, konnte diese Bemühungen erst nach einigen hundert Jahren einstellen.

6. Wolfertschwenden unter dem Krummstab.

Das Kloster Ottenbeuren will Wolfertschwenden an sich bringen. Am 07.07.1581 kauft es von den Spitaldürftigen in Memmingen für 4.300 fl. [Gulden] die Westerhalden. – 1435 bringt es den Novalzehnten an sich. – Am „Mittwoch vor dem Sonntag Laetare“ 1433, also am 18.03.1433, erwarb Abt Johann [von Schedler] das ganze Dorf Oberwolfertschwenden von der Witwe des Hans Dietersheimer, Margareta Stüdlin (kemptisch-ottenbeurisches Lehen) durch Kauf um 2275 fl. (Feyerabend II, 629). Außerdem kaufte es jene Güter [...], die dem Spital gehörten. Diese machten ein Fünftel des Ortes aus. Erst 1521 wurde in einem Vergleich zwischen Kempten und Ottenbeuren das Dorf Wolfertschwenden – als außerhalb der ottenbeurischen Landmarken gelegen – mit aller

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Obrigkeit dem Kloster Ottenbeuren vorbehalten. Damit war Ottenbeuren alleiniger Territorialherr von Wolfertschwenden. Das Patronatsrecht mit allen Zugehörungen und mehreren außerhalb des Pfarrsprengels gelegenen Gütern und Rechten konnte es aber erst 1699 gegen Abgabe des Dorfes Haldenwang an sich bringen. Erst von jetzt an war Ottenbeuren ausschließlich Herr über Wolfertschwenden. Nun mussten auch alle Bauern ihre Abgaben, die bisher wohl recht verschieden waren, dem Kloster entrichten. Ebenso hat letzteres als Obrigkeit die Gewalt zu richten, Gebote und Verbote zu geben. Verantwortlich für die Durchführung derselben waren der Ammann, die Vierer und Richter (Dorfgericht). Im ottenbeurischen Herrschaftsgebiet galten dem Inhalte nach folgende Gebote und Verbote, „so in Unseren Gemeinden zu halten sind“:

1. Die Vierer sollen nach den Feuerstellen sehen und vorkommende Mängel abstellen (Feuerschau). 2. Der Ammann, die Vierer und der Pittel sollen alle Jahre nach den Flurgrenzen sehen und diese berichtigen. 3. Der Weidebetrieb und die Hirtenordnung ist Sache des Ammanns. 4. Was der Ammann und die Vierer darüber verordnen, ist bei Strafe einzuhalten. 5. Niemand darf ohne herrschaftliche Erlaubnis in den Ort ziehen oder diesen verlassen. 6. In jedem Haus sei vorhanden: 1 Laterne, 2 Leitern und ein Ofeneisen. 7. Niemand darf bei Nacht ohne gute Laterne in den Stall oder an andere feuergefährliche Orte sich begeben. 8. Der Flachs darf nicht näher als 1 Elle weit an den Ofen gebracht werden. 9. Bei dem Licht darf kein Werk gebrochen, geschwungen oder gehechelt werden. 10. Ist verboten, den Flachs im Ofen zu dörren. 11. Sollen das ganze Jahr über Tag und Nacht 1 oder 2 gute Schaff Wasser für Feuersgefahr aufgestellt sein. 12. Soll ein jeder mit einer guten Mannswehr versehen sein. 13. Niemand darf auf einen Neubruch bauen oder zimmern ohne Erlaubnis. 14. Niemand darf auf einem Grundstück zu früh ohne Erlaubnis mähen oder ernten. 15. Die verpfählten Grenzen sind genau einzuhalten und keiner soll sich unterstehen und einen Pfahl ausziehen.

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16. Ist verboten, in gemeinen Wassern zu fischen, bei 1 Pfund Heller Buße. 17. Keiner, ob Mann oder Frau, ob alt oder jung, darf dem anderen einen Schaden zufügen. 18. Gehören die Holzäpfel der Allgemeinheit und dürfen erst auf Geheiß des Ammanns geschüttelt werden. 19. Soll niemand einen Grenz- und Fruchtbaum abhauen. 20. Darf niemand mehr Holz scheiten als er im Jahre benötigt. 21. Fremdes Vieh oder Hennen, Gänse, Enten, darf ohne Erlaubnis des Ammanns nicht in den Ort gelassen werden. 22. Jeder soll seine Mähder vor dem Augsten [August] heuen. 23. Keiner soll seinem Nachbarn oder Angrenzer an Wiesen oder Feld, die der Allgemeinheit gehören, einen Genuss vergönnen, sondern ihn bei Übertretung anzeigen. 24. Niemand soll die Güter, sei es Grund, Boden, Haus, Samen oder Pflanzen auf dem Felde oder in der Scheune, an einen Juden verkaufen, versetzen, verleihen oder verpfänden. Welche dagegen handeln, sollen im Orte Recht und Gerechtigkeit verwirkt haben und des Ortes verwiesen werden! 25. Fremde Leut dürfen nicht länger als 1 Nacht beherbergt werden, bei 1 Gulden Strafe. 26. Niemand soll ohne herrschaftliche Erlaubnis etwas verkaufen, noch kaufen, messen oder wägen. 27. Das Giltkorn [verm. Futterhafer] soll sauber geputzt werden, im richtigen Maße und rechtzeitig abgeliefert werden. 28. Mist und Dünger darf nicht an Auswärtige verkauft werden. 29. Welche sich ohne elterliche und auch ohne herrschaftliche Erlaubnis verheiraten, sollen nicht in das Herrschaftsgebiet aufgenommen werden. Sie gehören dem Gericht überstellt. 30. Der Müller soll einen Mühlknecht haben, jedem treu und fleißig mahlen und jedem das Seine richtig geben. 31. Der Bader soll vor der Vesperzeit Bad halten und solches sauber halten und Acht geben, dass niemand unrein hineinkomme. 32. Wer sein Gut verkaufen will, muss es zuerst dem Grundherren anbieten und diesem das Vorkaufsrecht lassen. 33. Keiner soll etwas schießen, pirschen oder sonst ein Waidwerk treiben. 34. Der Ammann und die Vierer erhalten für 1 Verrichtung für die Gemeinde das herkömmliche Vierermahl und jeder 6 Kreuzer Tageslohn aus der Gemeindekasse (Urkunde, Kopie im Klosterarchiv Ottenbeuren).

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So blieb Ottenbeuren noch über hundert Jahre Ortsherr und Gebieter. Anno 1802 musste es seine Macht an die Krone Bayerns abtreten. Die Verwaltung wurde nun den freien Gemeinden übertragen, die den Landgerichten (hier: Grönenbach) unterstanden; heute dem Bezirksamte [= dem heutigen Landratsamt]. 3. Teil.

Die Hofgeschichte.

Die Urmark von Wolfertschwenden deckt sich zum größten Teil mit den heutigen Gemeindegrenzen. Sie hatte einen Flächeninhalt von 1647 Tagwerk und 94 Dezimalen. Davon wurden bei der Ortsgründung Unterwolfertschwenden etwa 514 Tagwerk ausgebrochen (ohne Bossarts), sodass für Wolfertschwenden noch 1153 Tagwerk verblieben.

Die erste Rodung oder Schwendung setzte im südlichen Teil des Ortes ein, gegen den Falkenberg und Streifen. Dort haben die Besitzer der ältesten Höfe heute noch ihre meisten Grundstücke. Wohl deswegen finden wir in Wolfertschwenden den Meierhof nicht – wie sonst üblich – bei der Kirche, sondern am südlichen Ortseingang (beim oberen Bauer).

Die zweite Rodung zieht sich dem Bach entlang. Dort ließen sich nieder: der Müller, der Wolfenbauer, der Bader, der Schmied und der Kohlenbrenner. Das gewonnene Neuland blieb Wiesen- und Weideland. Weil man in alter Zeit nur wenig Dünger hatte, wurden die Wiesen jährlich zweimal bewässert. Diese Bachwiesen heißen deswegen heute noch „Prielwiesen“ (obere, mittlere, untere). Das östlich gelegene Hügelgebiet blieb wegen der schlechten Bewirtschaftungsmöglichkeit bis zum heutigen Tage ungerodet.

Die dritte Rodungsfläche liegt westlich gegen das Talrast [Darast]. Es entstanden die sogenannten Einödäcker. Dass auch dieses Gebiet lange Zeit Waldbestand war, beweist die Tatsache, dass Kempten dort für sich allein das Jagdrecht beanspruchte.

Das gewonnene Neuland gehörte größtenteils dem Burgherrn. Durch die zahlreichen Verpfändungen, Schenkungen und Abtretungen an andere Grundherren, entstanden in Wolfertschwenden kemptische, grönenbach'sche, ottenbeurische und Memminger Lehen

15 ------Nur ausnahmsweise konnte ein Bauer eigene Grundstücke erwerben. Solche aber mussten eingezäunt werden und wurden „Bitzen“ oder „Bitzäune“ genannt (übersetzt: „bei den Zäunen“).

Grundstücksverteilung (zusammengestellt nach dem Grundbuch von 1787)

1. Freilehen, welche beliebig verliehen wurden: 68 Jauchert 1 V – Ruten 2. Erblehen, verliehen, solange männliche Nachkommen vorhanden sind …. 330 J – 2 V – R 3. Herrengut (ursprünglich zum Meierhof) …. 436 J – 19 R 4. Fuggerische, dann ottenbeurische Lehen … 114 J – V – 57 R 5. Kemptische, dann ottenbeurische Lehen …. 95 J – V – 87 R 6. Gemeindegründe, ohne Wald …. 5 J – 2 V 7. Eigengüter der Bauern (Bitzen) …. 83 J – V 100 – R 8. Widumgüter (zum Pfarrhof) …. 15 J – V – 123 R [Zuordnung unklar?] 9. Aus der Leuther'schen Vergantung [Zwangsversteigerung] (1522) …. 6 J – V – 89 R zusammen: 1153 J – 3 V – 100 R

Abkürzungen: J = Jauchert (Bezeichnung für Ackerland); V = Viertel oder 3 Acker; R = Ruthen; Tgw. oder T = Tagwerk, Bezeichnung für Wiesen und Weiden. 125 Ruthen geben 1 Viertel, 4 Viertel ergeben 1 Jauchert oder Tagwerk. 9959 Bayerische Schuh geben 10000 Memminger oder Ottenbeurer Schuh.

Anmerkung: Wegen der besseren Übersicht folgen die Höfe nach der heutigen [seit 1974 gültigen] Hausnummerierung*. Die alte Hausnummer ist ihn Klammern () beigesetzt. Die römische Ziffer gibt die Reihenfolge an, in der die Häuser entstanden sind.

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[* Dieser Teil – das eigentliche Häuserbuch – fehlt. Wer ihn hat, bitte zur Verfügung stellen! Von der „Siedlungs- und Hofgeschichte Wolfertschwenden“ gibt es eine – noch heute verbreitete Nachkriegsfassung. Es wurde bislang nicht betrachtet, inwieweit sich diese von der vorliegenden von 1937 unterscheidet. Die Abschrift endet mit der Grafik zur „Gemeindeflur Wolfertschwenden 1835“ auf S. 17. Hinweis zur Abschrift: Hervorhebungen oder Unterstreichungen stammen teils von Schnieringer selbst, die Orthografie wurde an die Neuzeit angepasst, zum besseren Verständnis wurden in seltenen Fällen Sätze umgestellt und Hyperlinks eingefügt, Erklärungen sind in eckige Klammern gesetzt. Helmut Scharpf, 05/2020] 17 ------