Tätigkeitsbericht Der Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein 2018 — 2020

Tätigkeitsbericht 2018 – 2020

der Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Mai 2021

A Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Interessierte, die Tätigkeitsberichte der Polizeibeauftragten für konnte und nun hoffentlich bald besetzt sein wird. die Zeiträume 1. Oktober 2018 bis 30. September Ich bin den Mitarbeiterinnen im Team der Polizei- 2019 und 1. Oktober 2019 bis 30. September 2020 beauftragten dankbar, dass mit dieser schwierigen finden Sie anliegend in Teil 1 und Teil 2 dieses Do- Situation und der hohen Arbeitsbelastung gewohnt kuments. Insgesamt sind vom 1. Oktober 2016 bis gut und professionell umgegangen wurde. zum 30. September 2020 genau 900 Vorgänge bei der Polizeibeauftragten bearbeitet worden. Neben Besonders hervorzuheben ist, dass auch die poli- insgesamt zehn Initiativangelegenheiten waren zeiliche Organisation von den Auswirkungen der es 595 Eingaben von Polizist*innen und 295 Be- Corona-Pandemie betroffen ist. Dies führte im letz- schwerden von Bürger*innen, die an die Polizei- ten Berichtszeitraum zu verschiedenen organisato- beauftragte gerichtet wurden. Vergleicht man die rischen Veränderungen: Es gab zum Beispiel eine ersten zwei Jahre 2016–2018 und den Zeitraum Besondere Aufbauorganisation (BAO), es wurden 2018–2020, so gab es im zweiten Zeitraum sowohl Kohorten gebildet und außerhalb des Vollzugs- mehr Bürgerbeschwerden (105 zu 190) als auch dienstes viel im Homeoffice gearbeitet, um die Kon- mehr Eingaben von Polizist*innen (287 zu 308). Ein takte zum Schutz vor einer Infektion so weit wie Indiz dafür, dass das Amt der Polizeibeauftragten möglich zu reduzieren. Allerdings stößt der Infek- als Ansprechpartner*in der Bürger*innen und der tionsschutz im Vollzugsdienst natürlich an Grenzen Polizeibeamt*innen immer besser angenommen – die Aufrechterhaltung von öffentlicher Sicherheit wird. lässt sich nicht immer mit den Hygieneregelungen AHA (Abstand – Hygiene beachten – Atemschutz) Andererseits war es für das Team der Polizeibeauf- vereinbaren. Dies gilt zum Beispiel bei Demonstra- tragten eine große Herausforderung, neben der Be- tionen, die von der Polizei zu begleiten waren, oder arbeitung der großen Anzahl von Einzelfällen auch bei Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges nach zeitnah die Berichte zu erstellen. Insbesondere, dem Landesverwaltungsgesetz. Dabei besteht ein weil die zusätzliche Stelle bei der Polizeibeauftrag- gesteigertes Risiko für die Beamt*innen, sich bei ten, die mit dem Haushalt 2020 geschaffen wurde, Ausübung ihres Dienstes mit dem Corona-Virus zu um für diese Belastungen angemessen aufgestellt infizieren. Leider ist es aber nach der geltenden zu sein, erst im Jahr 2021 ausgeschrieben werden Gesetzeslage kaum möglich, den Nachweis zu er-

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 3 bringen, dass eine Corona-Infektion im Dienst er- Die Zusammenarbeit mit der Polizei und dem In- folgt ist, so dass eine Anerkennung als Dienstun- nenministerium war gut und vertrauensvoll; oft fall nur in absoluten Ausnahmefällen möglich sein konnten so in den Einzelfällen sehr gute und nach- wird. Dies halte ich vor dem Hintergrund, dass eine haltige, einvernehmliche Lösungen erreicht wer- funktionsfähige Polizei eine Grundvoraussetzung den. Das Amt der Polizeibeauftragten kann so die für die innere Sicherheit ist und die Beamt*innen Wirksamkeit als ombudschaftliche Vermittlungs- hier für die Gesellschaft ein Sonderopfer erbrin- stelle optimal entfalten. gen, nicht für angemessen. Ich habe deshalb dem Gesetzgeber schon im Sommer 2020 vorgeschla- Problematisch ist allerdings die Wahrnehmung von gen, das Dienstunfallrecht anzupassen, damit ein Petent*innen, dass es bei vertraulichen Eingaben Dienstunfall und gegebenenfalls auftretende Fol- aus der Polizei immer wieder vorkommt, dass nicht gen einer Infektion leichter anerkannt werden kön- die Lösung des benannten Problems im Mittelpunkt nen. Ich hoffe, dass es hier zu einer guten Lösung steht, sondern dass von Seiten der Polizei vorran- im Sinne der Polizist*innen kommen wird. Weitere gig aufgeklärt werden soll, wer sich an die Polizei- Ausführungen zu diesem Thema sowie einen Bei- beauftragte gewandt hat. Gerade dieses Vorgehen spielsfall hierzu finden Sie im anliegenden Bericht steht einer transparenten und offenen Klärung von auf den Seiten 100 und 124. Problemen und dem Schritt von der Vertraulichkeit in die Offenheit im Wege, weil das ohnehin gestör- Aus den Beschwerden und Eingaben, die an die te Vertrauen einzelner Beamt*innen dadurch weiter Polizeibeauftragte herangetragen wurden, sind er- beschädigt wird. Ich wünsche mir hier ein souverä- neut Empfehlungen entwickelt worden. Diese be- neres Vorgehen der polizeilichen Organisation, das treffen zum Beispiel die Kommunikation der Polizei dieses Vertrauen des*der Einzelnen wieder stärkt. mit den Bürger*innen, den internen Umgang mit Konflikten, die Führungskultur, die Verfahren zur Auch die Zusammenarbeit mit den Mitbestim- Rückmeldung für Führungskräfte, die besondere mungsgremien, Schwerbehindertenvertretungen Situation für die Beamt*innen in den Leitstellen, sowie allen in Schleswig-Holstein vertretenen Ge- Dienstunfallmeldungen oder den Umgang mit Re- werkschaften, die die Interessen von Polizist*innen monstrationen. Diese Themen sind alle ausführlich und Tarifbeschäftigten vertreten, ist vertrauensvoll und mit Fallbeispielen im Bericht dargestellt. und konstruktiv. Dafür und für das Vertrauen, das

4 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Samiah El Samadoni Bürgerbeauftragte und Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein

die Bürger*innen und die Polizist*innen der Polizei- beauftragten entgegenbringen, bin ich sehr dankbar.

Ich freue mich auf konstruktive Diskussionen und den Austausch zu dem vorgelegten Bericht!

Ihre

Samiah El Samadoni

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 5 B Gesamtinhaltsverzeichnis

A Vorwort 3

B Gesamtinhaltsverzeichnis 6

C Teil 1: Berichtszeitraum

1. Oktober 2018 bis 30. September 2019 10

01 Berichte 11

I. Beschwerden von Bürger*innen 11 1. Überblick 11 2. Darstellung der Arbeit im Berichtszeitraum 12 2.1 Beschwerden wegen missglückter Kommunikation zwischen Polizei und Bürger*innen 12 2.1.1 Missverstanden vom Polizeinotruf? 12 2.1.2 Streit bei der Abholung eines Pakets 14 2.2 Beschwerden mit fachlicher Kritik von Bürger*innen 15 2.2.1 Was hatten Sie an? 15 2.2.2 Zu wenig polizeiliche Präsenz 17 2.3 Beschwerden wegen rechtswidriger polizeilicher Maßnahmen 17 2.3.1 Wiederholte Personenkontrollen 18 2.3.2 Mit dem Wohnwagengespann die Polizei aufgehalten? 20 2.3.3 In schlechte Gesellschaft geraten 23 2.4 Polizeigewalt 26 2.4.1 Diensthund stellt Einbrecher 26 2.4.2 Streit auf dem Jahrmarkt 27

6 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 II. Eingaben aus der Polizei 29 1. Überblick 29 2. Vertrauliche Eingaben 29 3. Kommunikation in die Polizei 30 4. Das Landespolizeiamt als Gegenstand der Eingaben 30 5. Inhaltliche Schwerpunkte der Eingaben 34 5.1 Konflikte 34 5.2 Straf- und Disziplinarverfahren 37 5.2.1 Strafverfahren 37 5.2.2 Disziplinarverfahren 37 5.3 Beurteilungen 37 5.4 Umsetzung/Versetzung im Rahmen eines Konflikts 38 5.5 Eingaben von Berufsanfänger*innen und Bewerber*innen im Rahmen von Einstellungsverfahren­ 39 5.6 Stellenbesetzungsverfahren 40 5.7 Wohnraumarbeit 40 5.8 Dienstleistungszentrum Personal 42 III. Das Initiativrecht der Polizeibeauftragten 44 1. Das Legalitätsprinzip in der polizeilichen ­Ausbildung 44 2. Härtefallregelungen als Teil der gesetzlichen Fürsorge des Dienstherrn 46 3. RADAR und D.I.V.E. 47

02 Fallbeispiele 48

• Fall 1: Polizeidienstuntauglichkeit nach einmaligem Cannabiskonsum? 49 • Fall 2: Die versäumte Dienstunfallmeldung 51 • Fall 3: Zweifel an der Berufswahl 54 • Fall 4: Beurteilungen auf Bestellung? 58 • Fall 5: Nachträglich abgeänderte Beurteilungen 63 • Fall 6: Kritik an der Führung einer Abteilung des LKA sowie strukturelle Probleme im 64 • Fall 7: Der verhinderte Bildungsurlaub 66 • Fall 8: Streit mit dem Dienstleistungszentrum Personal (DLZP) über die Ver- gütung von Mehrarbeitsstunden 70

03 Statistiken 72

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 7 D Teil 2: Berichtszeitraum

1. Oktober 2019 bis 30. September 2020 78

01 Berichte 79

I. Beschwerden von Bürger*innen 79 1. Überblick 79 2. Darstellung der Arbeit im Berichtszeitraum 80 2.1 Beschwerden wegen missglückter Kommunikation zwischen Polizei und Bürger*innen 80 2.1.1 Verharmlosung der Beleidigung von Menschen mit Behinderung 80 2.1.2 Wenig hilfsbereite Polizei bei häuslicher Gewalt 81 2.1.3 Großkontrolle zur Bekämpfung der ­Drogenkriminalität 85 2.2 Beschwerden wegen rechtswidriger polizeilicher Maßnahmen 88 2.2.1 Besuch vom Umweltschutztrupp 88 2.2.2 Missbräuchliche Beschwerde 89 2.2.3 Die Weisung im Straßenverkehr 90 2.3 Polizeigewalt 91 2.4 Beschwerden mit „Corona-Bezug“ 92 II. Eingaben aus der Polizei 95 1. Überblick 95 2. Vertrauliche Eingaben 95 3. Kommunikation mit der Polizei 96 4. Das Landespolizeiamt als Gegenstand der Eingaben 96 5. Inhaltliche Schwerpunkte der Eingaben 97 5.1 Konflikte 97 5.2 Straf- und Disziplinarverfahren 98 5.3 Beurteilungen 99 5.4 Umsetzung/Versetzung im Rahmen eines Konfliktes 99 5.5 Eingaben von Berufsanfänger*innen und Bewerber*innen im Rahmen von Einstellungsverfahren, Prüfung der Dienstfähigkeit sowie Stellen- besetzungsverfahren 100 5.6 Eingaben im Zusammenhang mit Corona 100 5.7 Die Zusammenarbeit mit Dolmetscher*innen beim LKA 102 5.8 Probleme betreffend Liegenschaften der Polizei 107

8 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 III. Das Initiativrecht der Polizeibeauftragten 111 IV. Dienst auf den Regionalleitstellen – Sorgen und Nöte der Mitarbeiter*innen und Herausforderungen in der Kommunikation mit Bürger*innen 112

02 Fallbeispiele 114

• Fall 1: Beurteilungsvorgaben für den mittleren Dienst? 115 • Fall 2: Unfreiwillige Tätigkeit auf der Regionalleitstelle 117 • Fall 3: Illegale Autorennen 119 • Fall 4: Kranen eines Segelbootes während der Corona-Pandemie 120 • Fall 5: Die Beratung zum Einbruchsschutz lässt auf sich warten 122 • Fall 6: Anhaltende Wirkungen eines vor Jahren nicht gelösten Konfliktes 123 • Fall 7: Corona-Infektion im Dienst 124 • Fall 8: Tätowierungen bei Polizeibeamt*innen 126 • Fall 9: Riskante Überholmanöver durch zivile Einsatzfahrzeuge 127 • Fall 10: Nächtliche Lärmbelästigungen 128 • Fall 11: Die Wirkung einer Uniform 131

03 Statistiken 132

E Geschäftsverteilungsplan 138

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 9 C Teil 1: Berichtszeitraum 1. Oktober 2018 bis 30. September 2019

10 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 01 Berichte

I. Beschwerden von Bürger*innen 1. Überblick

Es ist die Aufgabe der Beauftragten für die Lan- Seit Einführung des Amtes der Polizeibeauftragten despolizei, das partnerschaftliche Verhältnis zwi- sind im Bereich der Beschwerden von Bürger*innen schen Bürger*innen und Polizei zu stärken. Dies stetig anwachsende Fallzahlen zu verzeichnen. Er- geschieht, indem die Polizeibeauftragte die Bür- reichten die Polizeibeauftragte 44 Beschwerden ger*innen im Dialog mit der Polizei unterstützt und von Bürger*innen im Zeitraum 1. Oktober 2016 darauf hinwirkt, dass begründeten Beschwerden bis 30. September 2017, so waren es im Folgejahr abgeholfen wird (§ 10 BüPolBG1). (1. Oktober 2017 bis 30. September 2018) bereits 61. Im aktuellen Berichtszeitraum haben sich insge- Eine Beschwerde kann sich auf ein persönliches samt 70 Bürger*innen an die Polizeibeauftragte ge- Fehlverhalten einzelner Polizeibeamt*innen bezie- wandt. Davon war in neun Fällen die sachliche Zu- hen oder die Rechtswidrigkeit einer polizeilichen ständigkeit der Polizeibeauftragten2 nicht gegeben Maßnahme rügen. Die Polizeibeauftragte wirkt auf bzw. der zugrunde liegende Sachverhalt lag mehr eine möglichst einvernehmliche Erledigung hin als 12 Monate zurück, so dass die Beschwerde ver- (§ 17 BüPolBG). Dabei sind die Hürden für ein Tä- fristet war (vgl. § 15 Abs. 3 BüPolBG). Es verblieben tigwerden der Polizeibeauftragten bewusst niedrig danach 61 Vorgänge zur weiteren Bearbeitung. gesetzt worden: Ein hinreichender Anlass zur Sach- verhaltsaufklärung besteht, wenn bei verständiger Inhaltlich wiesen die Beschwerden die folgenden Würdigung des Vorbringens eine nicht unerheb- Themenschwerpunkte auf: liche Rechtsverletzung der Beschwerdeführer*in- nen oder ein nicht unerhebliches innerdienstliches — Kommunikation zwischen Polizei und Bürger*in- Fehlverhalten zumindest möglich erscheint (§ 16 nen (14 Vorgänge) Abs. 1 BüPolBG). — Fachliche Kritik (z. B. Kritik an der Art und Wei- se des Führens von Vernehmungen, zu wenig

1 Gesetz über die Bürgerbeauftragte oder den Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig- Holstein und die Beauftragte oder den Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein (Bürger- und Polizeibeauf- tragtengesetz – BüPolBG). 2 Gemäß § 13 BüPolBG kann sich mit einer Beschwerde an die Polizeibeauftragte jede natürliche oder juristische Person wenden, die ein persönliches Fehlverhalten einzelner Polizeivollzugsbeamt*innen oder die Rechtswidrigkeit einer polizei- lichen Maßnahme behauptet. Nach § 12 Abs. 1 BüPolBG geht es dabei im Regelfall um Beschwerden gegen die Schleswig- Holsteinische Polizei. Für Polizeibeamt*innen anderer Länder sowie des Bundes gelten die Bestimmungen des BüPolBG nur im Falle des § 170 Abs. 1 Nr. 1 des Landesverwaltungsgesetzes Schleswig-Holstein (LVwG); dies ist der Fall, wenn Polizeibeamt*innen anderer Länder auf Anforderung oder mit Zustimmung der zuständigen schleswig-holsteinischen Behörde Amtshandlungen in Schleswig-Holstein vornehmen.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 11 polizeiliche Präsenz, zu wenig Verkehrsüberwa- 2. Darstellung der Arbeit im Berichtszeitraum chung, Vorwurf einseitig geführter Ermittlungen u. ä.; 19 Vorgänge) 2.1 Beschwerden wegen missglückter Kommunikation zwischen Polizei und — Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen Bürger*innen (14 Vorgänge) In 14 an die Polizeibeauftragte von Bürger*innen — Vorwürfe von Polizeigewalt (2 Vorgänge) herangetragenen Beschwerden ging es um das weitläufige Feld der Kommunikation. Dabei ging In den verbleibenden 12 Vorgängen ging es – wie im es z. B. um von den Bürger*innen vermisstes Ein- vorherigen Berichtszeitraum auch3 – um verschie- fühlungsvermögen auf Seiten der Polizist*innen dene Anliegen und Fragen der Bürger*innen etwa und daraus resultierenden vermeintlichen Fehlein- zu Zuständigkeiten, Befugnissen und Erreichbar- schätzungen von Notfallsituationen oder auch um keiten der Polizei. Teilweise konnten Beschwerden Fälle, in denen Polizist*innen sich den Bürger*in- im Gespräch mit der Polizeibeauftragten seitens nen gegenüber im Ton vergriffen haben bzw. die der Bürger*innen auch nicht weiter konkretisiert Kommunikation zwischen Bürger*innen und Polizei werden. Aber auch diesen Bürger*innen schenkte in sonstiger Weise missglückt war. die Polizeibeauftragte mit Blick auf ihren gesetz- lichen Auftrag, das partnerschaftliche Verhältnis 2.1.1 Missverstanden vom Polizeinotruf? zwischen Bürger*innen und Polizei zu stärken4 und In einem anderen Fall bat eine Petentin um Unter- das Vertrauen der Bürger*innen in die Integrität un- stützung, die angab, einige Tage zuvor über den serer Polizei zu fördern5, Gehör. Ziel war es dabei, polizeilichen Notruf keine Hilfe erhalten zu haben, auch diesen Bürger*innen möglichst die vorhande- obwohl dies erforderlich gewesen wäre. Die Peten- nen Zweifel – seien sie begründet oder auch unbe- tin berichtete, am fraglichen Tag gemeinsam mit gründet – zu nehmen und ggf. verloren gegangenes einer männlichen Person in einer schleswig-holstei- Vertrauen in die Polizei zurückzugeben. nischen Stadt in ihrem PKW unterwegs gewesen zu sein. Es sei während der Fahrt – die Petentin war Fahrzeugführerin – zu einem Streit mit dieser Per- son gekommen. Infolgedessen habe die Petentin den Mann aufgefordert, das Fahrzeug zu verlassen. Dies habe der Mann aber verweigert und sei immer aggressiver geworden. Da die Petentin sich zuneh- mend bedroht gefühlt habe und die Situation nicht selbst habe lösen können, habe sie keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als die Polizei zu rufen.

In ihrem Beschwerdeschreiben gab die Petentin an, sie habe dem Beamten am Telefon gesagt, dass sich eine Person in ihrem Fahrzeug befände, die

3 Vgl. Tätigkeitsbericht der Beauftragten für die Landespolizei 2016 bis 2018, S. 12. 4 Vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 BüPolBG. 5 Vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen auf S. 11 der Begründung des damaligen Gesetzentwurfes der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Abgeordneten des SSW, LT-Drs. 18/3655.

12 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 aggressiv sei und sich weigere auszusteigen. Der berichtete, dass die zuständige Polizeidirektion Beamte sei darauf aber gar nicht eingegangen, die von ihr parallel erhobene Dienstaufsichtsbe- sondern habe sich – für die Petentin nicht nachvoll- schwerde zwischenzeitlich als unbegründet zurück- ziehbar – nach den Eigentumsverhältnissen an dem gewiesen hatte. Die Petentin gab an, eine erhebli- Fahrzeug erkundigt. Die Petentin habe dringlich da- che Erschütterung ihres Vertrauens in die Polizei zu rum gebeten, dass die Polizei ihr zu Hilfe kommen empfinden. Die Polizeibeauftragte erklärte, dass möge, da die Situation sonst weiter eskaliere. Die sie sich in einem ersten Schritt das Tonband der Petentin gab an, aus Angst und Überforderung am Einsatzleitstelle anhören würde, um einen eigenen Telefon geweint zu haben. Der Beamte habe das Eindruck vom Ablauf des Telefonats zu bekommen. Vorliegen einer Notsituation aber bezweifelt und Danach sollte besprochen werden, wie weiter ver- der Petentin am Ende mitgeteilt, dass jetzt gerade fahren werden könnte und was der Petentin helfen ohnehin niemand kommen könne, da sich alle ver- würde. Mit diesem Vorgehen erklärte sich die Pe- fügbaren Fahrzeuge in Einsätzen befänden. tentin einverstanden.

Die Petentin beschrieb in ihrer Beschwerde, dass Beim Abhören der Audiosequenz ergab sich dann sie sich von dem Beamten nicht ernst genommen für die Polizeibeauftragte ein etwas anderes Bild: und ins Lächerliche gezogen gefühlt habe. Es sei Das Telefonat begann in einem fast fröhlichen für sie eine emotional sehr belastende Erfahrung Tonfall der Petentin. Zudem bat die Petentin den gewesen, in einem Notfall von der Polizei keine Hil- Beamten lediglich um „Vermittlung“. Weder der fe erhalten zu haben. Tonfall der Petentin noch ihre Sprache oder ihre in- haltlichen Schilderungen enthielten Hinweise auf In einem Telefonat mit der Polizeibeauftragten be- eine bestehende Not- oder Gefahrensituation. Die richtete die Petentin auf Nachfrage, dass es sich Gesprächsführung durch den Beamten auf der Leit- bei der männlichen Person in ihrem Auto um ih- stelle hätte zwar etwas empathischer, zugewand- ren Vater gehandelt habe, zu dem seit langem ein ter und mit Blick auf die von ihm gestellten Fragen schlechtes Verhältnis bestehe. Diesen Umstand transparenter sein können. Dies räumte auch die habe sie sich nicht getraut, der Polizei mitzuteilen, Leitung der Polizeidirektion ein, die zwischenzeit- da die Polizei nach Einschätzung der Petentin dann lich ebenfalls mit dem Vorgang befasst war. Der möglicherweise ihre Hilfe verweigert hätte, weil es Beamte am Telefon war aber keinesfalls unfreund- sich ja bloß um einen Familienstreit handelte. Die lich oder unsachlich. Auch hat er sich zu keinem Polizeibeauftragte erklärte der Petentin, dass die- Zeitpunkt über die Petentin oder ihr Anliegen lustig ser Umstand – unabhängig von dem hier in Rede gemacht. Die Entscheidung, letztlich keinen Strei- stehenden Fall – kein Grund ist, eine Unterstützung fenwagen zur Petentin zu entsenden, war für die abzulehnen. Die Polizei muss selbstverständlich Polizeibeauftragte vertretbar und nachvollziehbar. auch zur Hilfe kommen, wenn Streitigkeiten inner- halb einer Familie eskalieren und dadurch eine Die Polizeibeauftragte teilte der Petentin ihre Ein- Notfallsituation eintritt. In dem Telefonat mit der drücke von dem Telefonat mit und erläuterte ihr, Petentin war deutlich zu spüren, dass ihr der Vor- dass vor diesem Hintergrund auch die Entschei- fall immer noch zu schaffen machte. Die Petentin dung der Polizei über die Dienstaufsichtsbeschwer-

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 13 de6 nicht zu beanstanden sei. Die Polizeibeauftrag- Beamt*innen auf den Regionalleitstellen die be- te teilte der Petentin ferner mit, dass die Polizei deutsamen Indikatoren der Mimik und Körperspra- eingeräumt habe, dass der betroffene Beamte das che nicht zur Verfügung, was die Einschätzung von Gespräch „besser“ hätte führen können. Polizei Sachlagen erschwert. Der Polizeibeauftragten ist und Polizeibeauftragte versicherten der Petentin, bewusst, dass die Dienstverrichtung auf den Regi- dass sie an der empfundenen Angst und Anspan- onalleitstellen mit besonderen Herausforderungen nung in der fraglichen Situation keine Zweifel hat- und gleichzeitig einem sehr hohen Maß an Verant- ten. Gerade deshalb könnte die Petentin das Tele- wortung verbunden ist. Da Vorgänge zum Thema fonat mit der Leitstelle anders wahrgenommen und „Regionalleistellen“ im folgenden Berichtszeitraum erinnert haben, als es tatsächlich abgelaufen war. nicht nur von Bürger*innen, sondern auch von Poli- zist*innen an die Polizeibeauftragte herangetragen Die Petentin bedankte sich bei der Polizeibeauf- wurden, wird diese Thematik im zweiten Teil dieses tragten und erklärte, dass sich das ungute Gefühl Berichts noch einmal gesondert aufgegriffen.7 verlorenen Vertrauens zur Polizei aufgelöst habe. Sie konnte den Vorfall mit diesem Ergebnis gut ab- 2.1.2 Streit bei der Abholung eines Pakets schließen. Was der Petentin geholfen hat, war die So beschwerte sich z. B. im Juni 2019 ein Bürger Betrachtung und Bewertung des Vorgangs durch über die Art und Weise der Kommunikation eines eine polizeiunabhängige und damit unparteiische Polizeibeamten. Der Bürger gab an, er habe in ei- Institution. Zudem stellte die Polizeibeauftragte nem „Paket-Shop“ als Abholbevollmächtigter ein wie so oft fest, dass in der persönlichen Kommuni- Paket abholen wollen und sei durch den Inhaber kation mit den Bürger*innen bestimmte Botschaf- des Ladens aufgefordert worden, seine Identität ten besser vermittelt werden können als auf aus- durch Vorlage seines Personalausweises nach- schließlich schriftlichem Wege. zuweisen. Dieser Aufforderung wollte der Bürger nicht nachkommen. Daraufhin entschied der Inha- Was die Kommunikation zwischen Bürger*innen ber des Ladens, ihm das Paket nicht zu übergeben. und Polizeibeamt*innen speziell über den Polizei- Der Bürger rief den Notruf, um Unterstützung von notruf angeht, ergeben sich zusätzliche Heraus- der Polizei zu bekommen. forderungen für die Beamt*innen dadurch, dass die sich oftmals in einer psychischen Ausnahme- Der Inhaber des Ladens und die Polizei erklärten situation befindlichen Anrufenden unter Umstän- dem Bürger, dass es eine interne Anweisung gebe, den emotional aufgefangen und beruhigt werden den Ausweis auszuhändigen, um zu prüfen, ob die müssen, dies jedoch aus der Distanz auf telefoni- Person abholberechtigt ist. In diesem Punkt zeigte schem Wege erfolgen muss. Da die Kommunikation sich der Bürger nach Auffassung der Polizei unein- ausschließlich telefonisch stattfindet, stehen den sichtig. Die Kommunikation zwischen dem Bürger

6 Auch die die Dienstaufsichtsbeschwerde bearbeitende Polizeibeamtin hatte sich den Gesprächsmitschnitt angehört und der Petentin sodann erläutert, weshalb bestimmte Fragen von dem Beamten gestellt worden sind und warum seine Einschätzung, dass keine akute Gefahr bestanden habe, nachvollziehbar war. Zudem hatte die Polizei in ihrem Antwort- schreiben der Petentin gegenüber ausdrücklich Verständnis für deren Empfindungen signalisiert und die Hoffnung geäußert, dass die Petentin vor dem Hintergrund der durch die Erläuterungen geschaffenen Transparenz künftig wieder Vertrauen zur Polizei fassen könne. 7 Siehe Teil 2 Nr. IV. dieses Berichts, S. 112 „Dienst auf den Regionalleitstellen – Sorgen und Nöte der Mitarbeiter*innen und Herausforderungen in der Kommunikation mit Bürger*innen“ und Fallbeispiel „Unfreiwillige Tätigkeit auf der Regional­ leitstelle“, S. 117.

14 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 und dem Polizeibeamten gestaltete sich im Laufe Sexualdeliktes als sachfremd und unangemessen. des Gesprächs zunehmend schwieriger. Beide Sei- Die Petentin berichtete, beim Bummel über ein ten räumten später ein, die Kommunikation habe schleswig-holsteinisches Volksfest von einer ihr sich „hochgeschaukelt“ und die Situation sei nicht unbekannten männlichen Person im Vorübergehen glücklich gelaufen. Mit dieser Einschätzung war der unangemessen berührt worden zu sein. Der Mann Bürger zufrieden. Ein abschließendes Vermittlungs- habe ihr mit seinem Arm über die Brüste gestri- gespräch zwischen dem Polizeibeamten und ihm in chen. Da dies nach der Wahrnehmung der Petentin Begleitung der Polizeibeauftragten lehnte er jedoch nicht nur versehentlich geschehen sei, habe sie die ab. Die Polizeibeauftragte riet dem Bürger, künftig Person zur Rede gestellt. Eine Polizeistreife kam genau zu prüfen, ob im Einzelfall wirklich die Polizei zufällig hinzu und wurde auf den Wortwechsel der weiterhelfen muss oder ob man kleine Streitigkei- Petentin mit der männlichen Person aufmerksam. ten im Alltag nicht auch selbständig klären kann. Letztlich erstattete die Petentin bei den Beamt*in- nen Strafanzeige gegen den Mann. 2.2 Beschwerden mit fachlicher Kritik von Bürger*innen Einige Tage später wurde die Petentin auf Vorla- dung der Polizei zu dem Vorfall vernommen. Ge- In 19 Beschwerden erhoben Bürger*innen fachli- gen Ende der Vernehmung stellte ein Beamter der che Kritik in Bezug auf polizeiliches Handeln. Der Petentin – nach deren Beschreibung völlig unver- Oberbegriff „fachliche Kritik“ umfasst dabei etwa mittelt, insbesondere ohne eine erläuternde An- von Bürger*innen erhobene Kritik hinsichtlich der kündigung – eine Frage, die zum Anlass für die Be- Art und Weise des Führens von Vernehmungen, die schwerde der Petentin bei der Polizeibeauftragten Wahrnehmung, dass die Polizei mit Blick auf die werden sollte. Der Beamte fragte die Petentin, was Verhinderung von Straftaten zu wenig Präsenz zei- diese zum Tatzeitpunkt angehabt habe, insbeson- ge, im Straßenverkehr zu wenig Verkehrsüberwa- dere ob sie einen BH getragen habe. Diese Frage chung und Kontrollen durchführe oder den Vorwurf, irritierte die Petentin sehr. Sie gab an, bereits in der dass Ermittlungen vermeintlich einseitig und somit Vernehmungssituation gegenüber dem Beamten nicht objektiv geführt würden. ihre Empörung darüber zum Ausdruck gebracht zu haben. Die Petentin konnte nicht nachvollziehen, Die seitens der Petent*innen bei der Polizeibe- welchen Zweck der Vernehmungsbeamte mit dem auftragten erhobenen Vorwürfe waren ganz über- Stellen dieser Frage verfolgte. Die Petentin hatte wiegend unbegründet. Dies gilt auch im nachfol- das Gefühl, dass die Polizei ihr eine Mitschuld an genden Fall. Diese Beschwerde war aus Sicht der dem Vorfall gebe. Sie erachtete die in Rede stehen- Polizeibeauftragten allerdings insofern begründet, de Frage als sachfremd und völlig unangemessen. als das fachliche Vorgehen – hier ging es um das Stellen bestimmter Fragen im Rahmen der Ermitt- Die Polizeibeauftragte holte über die zuständige lungen zu einer sexuellen Belästigung – der be- Polizeidirektion eine Stellungnahme zu dem Vorfall troffenen Bürgerin, die in diesem Fall das Tatopfer ein. In dieser wies die Polizeidirektion die Vorwürfe war, sensibler und transparenter hätte vermittelt der Sachfremdheit und Unangemessenheit als un- werden müssen. begründet zurück. Das Stellen der Frage sei krimi- nalistisch erforderlich und im Sinne einer Rekons- 2.2.1 Was hatten Sie an? truktion des Tatgeschehens dringend geboten ge- Eine Bürgerin erachtete in ihrer Beschwerde das wesen. Die Frage sei dementsprechend auch in das Stellen bestimmter Fragen im Rahmen ihrer Ver- Vernehmungsprotokoll aufgenommen worden. Es nehmung als Geschädigte eines mutmaßlichen mangele weder am Sachzusammenhang zum Ver-

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 15 nehmungsanlass, also der angezeigten Tat, noch Zutreffend ist, dass bei einer sexuellen Belästigung sei die Frage geeignet, Zweifel an der allgemeinen nicht ein bloßes körperliches Berühren des Opfers Vernehmungsatmosphäre aufkommen zu lassen. ausreicht, wodurch das Opfer sich belästigt gefühlt hat, sondern die Berührung zusätzlich „in sexuell Die Polizeidirektion räumte indes ein, dass im sen- bestimmter Weise“ erfolgt sein muss.10 Bei diesem siblen Bereich der Sexualdelikte Fragen, die in- Merkmal wird wiederum unterschieden zwischen timste Bereiche betreffen, naturgemäß immer die objektiv sexuell bestimmten Berührungen, also Gefahr in sich bergen würden, Opfer nachträglich Tathandlungen, die schon nach ihrem äußeren Er- zu irritieren oder bei ihnen eine erneute Betroffen- scheinungsbild einen sexuellen Bezug haben11, heit auszulösen. Die Polizeidirektion wies darüber und subjektiv sexuell bestimmten Berührungen. hinaus aber schriftlich darauf hin, dass derartige Letztere umfassen Berührungen, die nach den Um- Fragen im Sinne einer sorgfältigen und gründli- ständen des Einzelfalls ein sexuelles Gepräge ha- chen Sachverhaltsaufklärung unverzichtbar seien, ben, aber eben nicht schon per se (also objektiv) da sie dazu dienten, Täterwissen8 zu verifizieren sexuelle Handlungen darstellen. An dem Merkmal und im Rahmen einer Vorausschau auf das fol- „in sexuell bestimmter Weise“ erfolgt zudem eine gende Hauptverfahren bei der Staatsanwaltschaft Abgrenzung zu „bloßen Distanzlosigkeiten“ oder eine erste Einschätzung der Schwere der Schuld „Ungehörigkeiten“ ohne sexuelle Prägung.12 Mit des*der Täter*in abgeben zu können. den an die Petentin gerichteten Fragen habe der Vernehmungsbeamte, so der Ansprechpartner aus Diese Erklärung überraschte die Polizeibeauftrag- der Polizeidirektion, keinesfalls die Tat verharm- te, weil nach ihrem Verständnis die Art und Weise, losen, die Schuld des Täters relativieren oder gar wie das Opfer eines Sexualdeliktes zum Tatzeit- der Petentin eine Mitschuld an dem Ereignis geben punkt bekleidet war, niemals Relevanz für Schuld- wollen. Gegen derartige Interpretationen würde die zumessungsfragen haben kann und darf. Durch Polizei sich ausdrücklich verwahren. Die gestellten eine Nachfrage bei der Polizeidirektion klärte sich und auch protokollierten Fragen dienten allein der dann auf, dass es hier zu einem Missverständnis Sachverhaltsaufklärung, um in der Folge beurteilen zwischen Polizeidirektion und Polizeibeauftragter zu können, welche Art von Tathandlung ausgeführt gekommen war. Der Ansprechpartner der Polizei- worden war. Dass in der ersten Stellungnahme die beauftragten in der Polizeidirektion erläuterte, Formulierung „Schwere der Schuld“ verwendet dass es mit dem Stellen der in Rede stehende Frage worden sei, sei insoweit missverständlich aus- allein darum gegangen sei, die Tatbestandsmerk- gedrückt worden. Gemeint gewesen sei eine Ein- male des § 184i StGB9 abzuklären. Insbesondere schätzung der „Schwere der Tat“. sei hier zu ermitteln gewesen, ob seitens des Be- schuldigten eine tatbestandsmäßige Tathandlung Die Polizeibeauftragte besprach diese Ergebnisse vorgenommen worden war. mit der Petentin und sagte ihr zu, eine Empfehlung

8 Täterwissen ist, wie der Begriff schon andeutet, Wissen, welches ausschließlich der*die Täter*in haben kann. Gibt eine Person in ihrer polizeilichen Vernehmung Täterwissen preis, entlarvt sich die Person dementsprechend als Täter*in. 9 Danach wird (…) bestraft, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. 10 BeckOK StGB, § 184i, Rn. 4. 11 Dies ist z. B. der Fall bei direkten Berührungen der primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale, vgl. Fischer, StGB, § 184i, Rn. 4. 12 Fischer, a. a. O.

16 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 an die zuständige Polizeidirektion hinsichtlich einer gewandt und war von dort an die Polizeibeauftragte sensibleren und transparenteren Gesprächsfüh- weiterverwiesen worden. Er sorgte sich um die Si- rung zu geben. So sollte vorher angekündigt wer- cherheitslage in seinem Heimatort, einem beliebten den, dass dem Opfer auch Fragen gestellt werden Urlaubsziel in Schleswig-Holstein. In der Vergan- müssen, die es als unangenehm und irritierend genheit sei dort mehrfach eingebrochen worden. empfinden könnte. Auch sollte der Zweck der Fra- Der Bürger war der Auffassung, dass die dortige gen vorher erläutert werden. Zudem sollte bei der Polizeistation nur unzureichend bzw. in den Nacht- Vernehmung von weiblichen Opfern von Sexual- stunden gar nicht besetzt sei. Die Sicherheit der straftaten möglichst vorher abgeklärt werden, ob Einwohner*innen und der besonders in den Som- die Geschädigte vorzugsweise mit einer weiblichen mermonaten zahlreichen Gäste sei gefährdet. Die Vernehmungsperson sprechen möchte. Polizeibeauftragte fragte bei der zuständigen Poli- zeidirektion nach. Es stellte sich heraus, dass sich Im konkreten Fall war die Petentin mit dem Ergeb- hinsichtlich der Sicherheitslage keine besonderen nis einverstanden und in der Lage, den Vorgang für Auffälligkeiten oder Häufungen von Delikten, ins- sich abzuschließen. besondere Eigentumsdelikten, gezeigt hatten. Die im Ort befindliche Polizeistation ist rund um die Uhr In der Folge führte die Polizeibeauftragte mit dem besetzt und stellt jederzeit einen Streifenwagen. Die zuständigen Stabsbereichsmitarbeiter der betroffe- Überprüfung der Reaktionszeiten ergab, dass diese nen Polizeidirektion ein abschließendes Gespräch, bei unter 10 Minuten lagen. Dem Bürger konnte er- in dem die zuvor genannten Empfehlungen über- läutert werden, dass die Festlegung von Dienststär- mittelt wurden. In Bezug auf die Anregung, dass ken und Präsenzen auf der Auswertung von Lageer- bei entsprechendem Wunsch des Opfers auch eine kenntnissen und der polizeilichen Kriminalstatistik Beamtin verfügbar sein sollte, versicherte der Mit- wie auch der Einsatzbelastung basiert. Die Leitung arbeiter, dass man das durchaus im Blick habe.13 der Polizeidirektion konnte in nachvollziehbarer Hier sei es aber um kein schwerwiegenderes De- Weise erklären, dass dieser Prozess dynamisch ist likt wie etwa eine Vergewaltigung gegangen und und einer ständigen Prüfung unterliegt. Dem Bür- die Beschwerdeführerin habe – was zutrifft – auch ger konnte demnach die eindeutige Antwort gege- nicht den Wunsch nach einer Vernehmung durch ben werden, dass die Sicherheit vor Ort – entgegen eine Frau geäußert, so dass der Einsatz einer männ- seiner subjektiven Wahrnehmung – gewährleistet lichen Vernehmungsperson vertretbar gewesen sei. ist. Durch das Herstellen von Transparenz konnten dem Bürger seine Sorgen größtenteils genommen In dem folgenden Fall sorgte sich der Petent um die werden. Der Bürger war vorerst beruhigt und gab an, Sicherheit in seinem Wohnort: das Geschehen weiter beobachten zu wollen.

2.2.2 Zu wenig polizeiliche Präsenz 2.3 Beschwerden wegen rechtswidriger polizei- In seiner Beschwerde übte der Bürger Kritik an der licher Maßnahmen aus seiner Sicht unzureichenden polizeilichen Prä- senz in seiner Heimatgemeinde. Der Bürger hatte In 14 Vorgängen machten Bürger*innen geltend, sich mit seinem Anliegen zunächst an die Gemeinde dass die Polizei ihnen gegenüber rechtswidrig ge-

13 Geregelt ist die Bearbeitung von Sexualdelikten in der Leitlinie für die polizeiliche Bearbeitung von Sexualdelikten in Schleswig-Holstein – Handlungsanleitung – (aktuelle Version 4.0 vom 5. November 2020), wo es unter Punkt 2.1 heißt, dass, sofern weibliche Geschädigte die Vernehmung durch eine Kriminalbeamtin wünschen, diesem Wunsch in jedem Fall, ggf. durch Hinzuziehung einer Beamtin von einer anderen Dienststelle, zu entsprechen ist.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 17 handelt hätte. In acht Fällen beriet die Polizeibeauf- Hintergrund der damals verstärkt durchgeführten tragte die Petent*innen lediglich. Eine Kontaktauf- Kontrollen waren vorangegangene Ansprachen nahme zur Polizei erfolgte danach nicht. In diesen und Belästigungen von Kindern seitens einer un- Fällen konnte den Petent*innen schon auf Grund- bekannten männlichen Person, die nunmehr poli- lage ihres Vorbringens erläutert werden, dass die zeilich gesucht wurde. Dem Petenten war dieser Polizei in diesen Fällen rechtmäßig gehandelt hatte. Hintergrund durchaus bekannt und er äußerte auch Verständnis dafür. Allerdings beschwerte er In zwei weiteren Fällen stellte sich die Rechtmäßig- sich darüber, dass bereits bei der ersten Kontrolle keit des polizeilichen Handelns nach Einholung von erhobene Daten – u. a. Lichtbilder von ihm und sei- Stellungnahmen oder durch Einsichtnahme in die nen Schuhsohlen – in der zweiten Kontrolle erneut Einsatzberichte heraus.14 erhoben wurden. Zwar seien die Kontrollen jeweils durch verschiedene Beamt*innen durchgeführt In einem Fall erfolgte keine weitere Bearbeitung worden, der Petent hatte jedoch gleich zu Beginn der Beschwerde, da der Petent sich auf Rückfragen darauf hingewiesen, dass er erst am Tag zuvor ei- der Polizeibeauftragten nicht wieder meldete (Kon- ner entsprechenden Kontrolle unterzogen worden taktabbruch). sei. Der Beamte habe gleichwohl auf die Durchfüh- rung der Maßnahmen bestanden. Außerdem habe In zwei Fällen15 ließ sich der Sachverhalt auch nach der Beamte in der zweiten Kontrolle die sog. IMEI- Einholung von Stellungnahmen der Polizei nicht Nummer16 des Handys des Petenten auslesen wol- zweifelsfrei aufklären, so dass die Frage, ob die Be- len. Dies hatte der Petent verweigert, da er diese schwerde begründet oder unbegründet war, offen Maßnahme für rechtswidrig hielt. blieb. Die Polizeibeauftragte holte zu diesem Sachverhalt In einem Fall erwies sich die Beschwerde als be- eine Stellungnahme über die zuständige Polizeidi- gründet, die Polizei hatte rechtswidrig ein Kind rektion ein. In ihrer Stellungnahme bekundete die erkennungsdienstlich behandelt (vgl. 2.3.3 „In Polizei ihr Bedauern über die wiederholte Kontrolle schlechte Gesellschaft geraten“, S.23). und die dem Petenten dadurch entstandenen Un- annehmlichkeiten, erklärte aber sodann nachvoll- 2.3.1 Wiederholte Personenkontrollen ziehbar die Hintergründe für die durchgeführten Anfang 2019 meldete sich ein Petent bei der Poli- Maßnahmen und weshalb die Abläufe unvermeid- zeibeauftragten, der morgens auf dem Weg zu sei- bar waren: So sei die Region, in welcher die Über- ner Arbeit innerhalb weniger Tage wiederholt um- griffe zum Nachteil mehrerer Kinder stattgefunden fangreich von der Polizei kontrolliert worden war. hatten, zu einem sog. gefährlichen Ort erklärt wor-

14 Ein Beispiel findet sich im nachfolgenden Fall unter Punkt 2.3.1. 15 Einer dieser Fälle wird unter Punkt 2.3.2 dargestellt. 16 Abkürzung für International Mobile Equipment Identity, einer 15-stelligen Seriennummer, anhand derer jedes GSM- oder UMTS-Endgerät weltweit eindeutig identifiziert werden kann.

18 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 den.17 Im Falle des Petenten seien insbesondere dessen Schuhe genauer betrachtet worden, da Empfehlung: eines der Opfer die Schuhe des Täters habe be- schreiben können und das Aussehen der Schuhe Die Polizeibeauftragte befürwortet, dass mobile des Petenten diesen Beschreibungen sehr nahe Kommunikation und digitale Techniken in der Lan- kam. Die zweite Kontrolle des Petenten sei darauf despolizei insbesondere unter Einsatz von Smart- zurückzuführen, dass die Polizei zum einen – wie phones unterstützt und weiter ausgebaut werden. vom Petenten zutreffend beschrieben – jeweils Dieser Fall zeigt, dass ein mobiler Zugriff auf be- wechselndes Personal habe einsetzen müssen und reits erfasste Daten die Beamt*innen vor Ort zum dieses zum anderen (noch) keinen mobilen Zugriff einen entlastet und zum anderen diese Beschwer- auf bereits im polizeilichen System erfasste Daten de wahrscheinlich verhindert hätte. gehabt habe. Der Hinweis des Petenten, dass er erst am Vortag kontrolliert worden sei, hätte nur In der Kommunikation mit den Bürger*innen ist im Rahmen einer freiheitsentziehenden Maßnah- Transparenz wichtig, um Akzeptanz zu erreichen. me, nämlich der Verbringung des Petenten auf die Den von einer Maßnahme betroffenen Bürger*in- Polizeidienststelle, überprüft werden können. Die nen sollte freundlich erklärt werden, dass bereits wiederholte Kontrolle des Petenten dürfte sich bei erfasste Daten vor Ort leider nicht abgerufen wer- alledem als das mildere Mittel erwiesen haben. den können. Dem Petenten hätte außerdem erläu- tert werden sollen, dass er Schuhe trage, die der Die Polizeibeauftragte besprach die Inhalte der Beschreibung der Schuhe der gesuchten Person polizeilichen Stellungnahme mit dem Petenten und zumindest ähnlich sind. Transparenz zu schaffen erklärte ihm, dass sie im Lichte der seitens der Poli- bedeutet aber auch, den Bürger*innen die Alter- zei vorgebrachten Begründung die durchgeführten nativlosigkeit einer erneuten Kontrolle zu verdeut- Maßnahmen im Ergebnis für rechtmäßig erachtet. lichen, da ansonsten die Dienststelle aufgesucht Eine Auslesung des Handys des Petenten wäre nur werden müsste, was sich in der Regel als umständ- mit dessen Einverständnis zulässig gewesen. Da licher und zeitaufwändiger erweisen dürfte. Nur der Petent dieses Einverständnis nicht erteilt hatte, durch Transparenz wird polizeiliches Handeln für war diese Maßnahme folgerichtig nicht durchge- Bürger*innen nachvollziehbar. führt worden. Der Petent konnte diese Bewertun- gen nachvollziehen und den Vorgang damit für sich abschließen.

17 Was einen gefährlichen Ort im polizeirechtlichen Sinne ausmacht, ergibt sich aus § 181 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 LVwG. Danach dürfen Polizeivollzugsbeamt*innen ( … ) die Identität einer Person feststellen, wenn sie sich an einem Ort aufhält, für den zu diesem Zeitpunkt Tatsachen dafür sprechen, dass dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben oder sich dort gesuchte Straftäter*innen verbergen. Die Definition eines Gebietes zu einem gefährlichen Ort hat zur Folge, dass die Polizei dort unter herabgesetzten Voraussetzungen Identitätsfeststellungen und ggf. auch weitere Maßnahmen wie etwa Durchsuchungen von Personen (§ 202 LVwG) oder Sachen (§ 205 LVwG) durchführen darf.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 19 2.3.2 Mit dem Wohnwagengespann Einige Wochen später erreichte den überraschten die Polizei aufgehalten? Petenten ein Anhörungsbogen zu einem Ordnungs- Ein Petent, von Beruf selbst Polizeibeamter, aller- widrigkeitenverfahren. Dem Petenten wurde zur dings in einem anderen Bundesland, befand sich im Last gelegt, mit seinem Fahrzeuggespann zwei Frühjahr 2019 mit seinem Wohnwagengespann auf Einsatzfahrzeugen der Polizei mit eingeschaltetem dem Weg in den Urlaub. Auf der Fahrt durch Schles- Blaulicht und Einsatzhorn nicht sofort freie Bahn wig-Holstein kam es zu einem Vorgang im Straßen- verschafft zu haben.18 Der Petent bestritt diesen verkehr, der von den dabei involvierten Polizeibe- Vorwurf und erhob seinerseits den Vorwurf gegen- amt*innen aus für den Petenten nicht nachvollzieh- über den Beamten, den Sachverhalt falsch dar- baren Gründen zur Anzeige gebracht worden war. gestellt zu haben. Der Petent äußerte sich im An- hörungsverfahren umfangreich zu der fraglichen Ausgangspunkt war, dass der Petent mit seinem Situation. Wohnwagengespann eine Zeit lang hinter einem mit ca. 60 km/h fahrenden Entsorgungslastwagen Dennoch erging schließlich ein Bußgeldbescheid, herfahren musste. Ein Überholen war aufgrund verbunden mit einem einmonatigen Fahrverbot. von Überholverboten oder wegen Gegenverkehrs Dem Bußgeldbescheid beigefügt war die seitens zunächst nicht möglich. Als der Petent dann das der Ordnungsbehörde eingeholte Stellungnahme Müllfahrzeug überholen konnte, näherten sich von eines der involvierten Polizeibeamten. Dieser hat- hinten zwei Einsatzfahrzeuge der Polizei – nach te dort die Situation beschrieben, wie er und sei- den Angaben der Polizeibeamt*innen mit einge- ne drei Kollegen sie wahrgenommen haben. Dabei schalteten Blaulichtern und Einsatzhörnern. Der hatte er auch den Grund für die Einsatzfahrt mit- Petent gab an, den Streifenwagen mit Blaulicht geteilt, nämlich die Verbringung einer Person nach im Rückspiegel erst wahrgenommen zu haben, als einer Trunkenheitsfahrt in den nächsten Polizeige- sein Überholvorgang bereits so weit fortgeschrit- wahrsam. Die Person habe währenddessen unent- ten gewesen sei, dass dieser nicht mehr bzw. nur wegt Widerstand geleistet. Wegen einer dadurch unter Vornahme einer gefahrenträchtigen starken bedingten erheblichen Gefährdung der Kollegen Bremsung hätte abgebrochen werden können. Der seien nach erfolgter Absprache mit der Einsatz- Petent habe sich deshalb entschieden, den Über- leitstelle Sonder- und Wegerechte in Anspruch ge- holvorgang zügig zu Ende zu führen. Als er sich vor nommen worden. Als der Petent dies las, äußerte dem Mülllaster wieder in den Verkehr eingeordnet er zusätzlich Zweifel daran, dass die Nutzung von hatte, sei er möglichst weit rechts gefahren, so Wege- und Sonderrechten in gesetzeskonformer dass der Streifenwagen, gefolgt von einem zweiten, Weise erfolgt war.19 ebenfalls mit Blaulicht, habe passieren können. Erst da habe der Petent erstmals auch die Einsatz- Der Petent legte über einen Rechtsanwalt Einspruch hörner der Streifenwagen wahrgenommen. gegen den Bußgeldbescheid ein.20 Das Verfahren

18 Dies stellt nach §§ 38 Abs. 1, 49 Straßenverkehrsordnung (StVO) i. V. m. §§ 24, 25 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i. V. m. 135 Bußgeldkatalog (BKat) eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld in Höhe von 240,00 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot geahndet wird. 19 Die Voraussetzungen, wann die Polizei mit Blaulicht und Einsatzhorn fahren darf, sind in § 38 der StVO geregelt. Danach darf blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzu- wenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten. 20 Vgl. § 67 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG).

20 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 wurde daraufhin durch Beschluss des zuständigen hen, durch die Kolleg*innen zusätzlich gefährdet Amtsgerichts ohne Hauptverhandlung eingestellt. würden. Stattdessen hätte die Fahrt unterbrochen, Die Begründung des Gerichts war allerdings nicht der Beschuldigte fixiert und nötigenfalls auf den die Feststellung, dass der Petent keine Ordnungs- Boden gelegt werden müssen, um dann sicher wei- widrigkeit begangen hatte, sondern dass seine terzufahren. Der Petent bat die Polizeibeauftragte, Schuld lediglich als gering anzusehen sei und man diesen Punkten nachzugehen. deshalb von einer Ahndung absehen könne. Für den Petenten waren nun zwar Bußgeld und Fahrver- Die Polizeibeauftragte nahm zunächst zur weiteren bot aus der Welt, dies aber mit der aus seiner Sicht Klärung des Sachverhalts über die zuständige Poli- nicht zutreffenden Begründung einer nur geringen zeidirektion telefonisch Kontakt zu dem Beamten Schuld. Der Petent war der Auffassung, dass ihn gar auf, der die Stellungnahme im Bußgeldverfahren keine Schuld getroffen habe. Zudem hätte er sich verfasst hatte, und führte mit diesem ein Gespräch. nach eigenem Bekunden gerne mit den als Zeugen Dort beschrieb der Beamte noch einmal die Abläu- fungierenden Polizeibeamten in einer gerichtlichen fe, wie sie sich aus seiner Sicht zugetragen hatten. Hauptverhandlung auseinandergesetzt. Diese Mög- Seine Ausführungen entsprachen inhaltlich im We- lichkeit bestand nun jedoch nicht mehr, da die ge- sentlichen den Angaben in seiner schriftlichen Stel- richtliche Entscheidung nicht anfechtbar war.21 lungnahme im Bußgeldverfahren. Der Beamte wies wiederholt darauf hin, dass es ein – wenn vielleicht Anlass für die nachfolgende Beschwerde des Pe- auch nicht vorsätzlich begangener – so aber doch tenten bei der Polizeibeauftragten war sein durch im Ergebnis „wirklich eklatanter Verkehrsverstoß“ diesen Vorgang erschüttertes Vertrauen in die gewesen sei, den auch die anderen Kolleg*innen Glaubwürdigkeit der involvierten Polizei­beamt­ in der damaligen Situation spontan als unbedingt *innen und die Rechtmäßigkeit polizeilicher Arbeit. ahndungswürdig erachtet hätten. Der Petent gab an, anlässlich seiner Anhörung im Bußgeldverfahren telefonisch Kontakt zu zwei der Der Beamte erklärte weiter, dass er vermute, dass involvierten Beamt*innen aufgenommen zu haben, der Petent vielleicht aufgrund von Ablenkung die um von ihnen die Hintergründe des Vorwurfs zu er- Einsatzfahrzeuge einfach zu spät wahrgenommen fahren und um Einsicht in die von den Beamt*innen habe. Auf Nachfrage der Polizeibeauftragten zu als Beweismittel angegebene Videoaufzeichnung den Hintergründen für die Nutzung von Blaulicht zu erbeten. Dabei habe sich der Beamte, der im und Einsatzhorn gab der Beamte jetzt zusätzlich Bußgeldverfahren die Stellungnahme abgegeben an, dass Eile auch deshalb geboten gewesen sei, hatte, dem Petenten gegenüber aufgebracht, be- da aufgrund der Abwesenheit der involvierten lehrend und tendenziell ausfallend geäußert, so Beamt*innen die Dienststelle personell unterbe- dass ein konstruktives Gespräch nicht habe geführt setzt gewesen sei und man deshalb schnellstmög- werden können. Dem Petenten erschien zudem die lich habe zurückkehren müssen. Begründung für die Inanspruchnahme von Wege- und Sonderrechten zweifelhaft. Es sei ein völlig ab- Mit Blick auf das mit dem Petenten geführte Telefo- wegiger Gedanke und auch falsch, eine für alle Be- nat bestritt der Beamte, sich dem Petenten gegen- teiligten grundsätzlich immer riskante Einsatzfahrt über ausfallend und belehrend verhalten zu haben. durchzuführen, während im hinteren Fahrgastbe- Er bestätigte aber, dass das Gespräch keinen guten reich anhaltende Widerstandshandlungen gesche- Verlauf genommen habe und letztlich von ihm be-

21 Vgl. § 47 Abs. 2 S. 1 und S. 3 OWiG.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 21 endet worden sei. Er selbst habe das Gespräch mit anzustoßen.22 Ihr Tätigwerden sei vielmehr vorran- dem Petenten als unangenehm empfunden, da er gig darauf ausgerichtet, Konflikte zu schlichten und das Gefühl gehabt habe, dass der Petent ihm das beschädigtes Vertrauen – in diesem Fall etwa durch Wort im Munde herumgedreht und ihn bedrängt ein moderiertes Gespräch zwischen dem Beamten habe. Er habe es so interpretiert, dass der Petent und dem Petenten – wiederherzustellen. Für den durch den Hinweis auf seinen „Kollegenstatus“ eine Fall, dass der Beamte zwingend eine disziplinar- Sonderbehandlung habe erreichen wollen. Deshalb rechtliche Prüfung seines Handelns wünsche, solle habe er, der Beamte, das Gespräch beendet. er deshalb selbst unmittelbar Kontakt zu seinem Disziplinarvorgesetzten aufnehmen und dort ggf. Auf Nachfrage der Polizeibeauftragten, ob der einen entsprechenden Antrag auf Einleitung eines Beamte denn grundsätzlich zu einem weiteren Verfahrens stellen.23 Dies tat der Beamte. Sein Dis- Gespräch mit dem Petenten bereit sei, erwiderte ziplinarvorgesetzter informierte die Polizeibeauf- der Beamte nach kurzem Überlegen, dass er dies tragte etwas später darüber, dass er nach Würdi- – insbesondere unter dem zuvor beschriebenen Ein- gung des Beschwerdesachverhalts die rechtlichen druck aus dem mit dem Petenten geführten Tele- Voraussetzungen für die Einleitung eines Diszipli- fonat – als wenig zielführend erachte. Nach seiner narverfahrens als nicht erfüllt ansehe und dement- Einschätzung würde dies mit hoher Wahrscheinlich- sprechend kein Verfahren gegen seinen Mitarbeiter keit „nichts bringen“. Er bewerte die Beschwerde eingeleitet habe.24 des Petenten bei der Polizeibeauftragten als eine Art des „Nachtretens“. Dass das Gericht das Buß- Für die Polizeibeauftragte stellte sich bei alledem geldverfahren eingestellt hat, habe ihn überrascht. der zugrundeliegende Sachverhalt weiter als strittig Aber auch vor dem Hintergrund, dass der Petent dar. Die Einlassungen des Petenten einerseits so- nun kein Bußgeld zahlen müsse und kein Fahrver- wie des Beamten andererseits standen sich gegen- bot gegen ihn angeordnet werde, frage er sich, was über. Die Auswertung der der Polizeibeauftragten der Petent denn jetzt eigentlich noch wolle. zwischenzeitlich vom Petenten zur Verfügung ge- stellten Videosequenz25 erwies sich als unergiebig, Zum Ende des Gesprächs bat der Beamte ange- da die Aufnahme zeitlich erst nach Abschluss des sichts der ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe um in Rede stehenden Überholmanövers und nach dem Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn Wiedereinscheren des Petenten in den Verkehr ein- zwecks Prüfung der Vorwürfe. Die Polizeibeauf- setzte. Man konnte lediglich noch sehen, dass die tragte erörterte diese Option mit dem Beamten. beiden Einsatzfahrzeuge sich nach dem Überholen Sie teilte ihm mit, dass es grundsätzlich nicht dem des Müllfahrzeugs auch noch einmal wieder rechts gesetzlichen Auftrag der Polizeibeauftragten ent- einordnen mussten, um weiteren Gegenverkehr spricht, in unerheblichen Fällen straf- oder diszipli- durchzulassen. Dann erst konnten die Beamt*innen narrechtliche Verfahren gegen Polizeibeamt*innen das Gespann des Petenten überholen.

22 Vgl. § 17 Abs. 2 und 3 BüPolBG. 23 Gemäß § 18 Abs. 1 des Landesdisziplinargesetzes Schleswig-Holstein (LDG-SH) kann die Beamtin oder der Beamte ( … ) bei der oder dem Dienstvorgesetzten ( … ) die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragen, um sich von dem Verdacht eines Dienstvergehens zu entlasten. 24 Gemäß § 18 Abs. 2 LDG darf dieser Antrag nur abgelehnt werden, wenn keine zureichenden Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. 25 Das Video war aus einem der involvierten Einsatzfahrzeuge heraus aufgenommen und dem Petenten auf dessen Anfordern zur Verfügung gestellt worden.

22 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Einer inhaltlichen Bewertung der Ereignisse durch Sohnes vereinbart. Auf ihre Nachfrage, was man die Polizeibeauftragte stand letztlich das Gesetz ihrem Sohn denn vorwerfe, habe die Petentin keine entgegen, weil in diesem Verfahren eine nicht an- Antwort erhalten. fechtbare gerichtliche Entscheidung ergangen war. Die Polizeibeauftragte wird nicht weiter tätig, Etwa eine Woche nach dem Telefonat erreichte die wenn es sich – wie hier – um ein rechtskräftig abge- Eltern des Jungen nunmehr eine schriftliche Vor- schlossenes Verfahren handelt und das Vorbringen ladung für den 28. März 2019, und auch nicht um eine Wiederaufnahme des Verfahrens oder eine 14:30 Uhr, sondern um 13:30 Uhr. Aus der Vorla- Nachprüfung oder gar Abänderung der getroffenen dung ergab sich außerdem, dass der Sohn der Pe- richterlichen Entscheidung bezweckt.26 tentin nicht als Zeuge, sondern als Beschuldigter vernommen werden sollte, obwohl er zum Zeitpunkt Dem Petenten war zwar bewusst, dass gegen die der Begehung der in Rede stehenden Tat noch unter ergangene gerichtliche Entscheidung kein Rechts- 14 Jahre alt und damit nicht strafmündig28 war. behelf statthaft war. Inhaltlich wäre eine weitere Untersuchung und Bewertung der Vorgänge durch Die Petentin rief wegen der unterschiedlichen die Polizeibeauftragte aber einer gesetzlich unzu- Uhrzeiten bei der Polizei an. Danach sollte sie um lässigen Nachprüfung und damit Infragestellung 13:30 Uhr mit ihrem Sohn auf der Dienststelle er- des gerichtlichen Beschlusses gleichgekommen. scheinen. Hintergrund für die zwei unterschied- Für eine Bearbeitung durch die Polizeibeauftragte lichen Uhrzeiten war der nicht unbedeutende Um- blieb damit „nur“ der Aspekt des vom Petenten stand, dass nicht nur eine, sondern zwei Verneh- beschriebenen Vertrauensverlustes übrig. Da aber mungen durchgeführt werden sollten. Dass wegen auch für ein eventuelles Vermittlungsgespräch mit zweier unterschiedlicher Taten ermittelt wurde, sei dem Ziel der Wiederherstellung verlorenen Vertrau- der Petentin im Telefonat aber nicht mitgeteilt wor- ens nach den Erfahrungen der Polizeibeauftragten den. Dies ergab sich erst am 28. März 2019 auf der zumindest ein Minimalkonsens zwischen den Be- Polizeidienststelle. teiligten über den zugrundeliegenden Sachverhalt erforderlich gewesen wäre, dieser Konsens jedoch Angesichts der Minderjährigkeit ihres Sohnes nicht einmal ansatzweise bestand, konnte die Poli- wollte die Mutter bei der Vernehmung ihres Soh- zeibeauftragte diesen Fall am Ende leider nicht mit nes anwesend sein. Es hätten dann aber drei jun- einem positiven Ergebnis abschließen. ge Polizist*innen auf die Petentin eingewirkt, die Beamt*innen alleine mit dem Jungen sprechen zu 2.3.3 In schlechte Gesellschaft geraten lassen. Die Petentin habe sich nach einiger Diskus- In einem anderen Fall war der minderjährige Sohn sion überreden lassen, was sich für sie aber nicht der Petentin „in schlechte Gesellschaft“ und im richtig angefühlt habe, da zu dem Zeitpunkt immer Kontext mit der mutmaßlichen Begehung eines noch nicht klar gewesen sei, worum es eigentlich sog. „Abziehdelikts“27 in den Fokus der Polizei ge- ging. Die Beamt*innen hätten der Petentin zuge- raten. Die Petentin wurde daraufhin von der Poli- sichert, nach der Vernehmung ihres Sohnes, die zei angerufen. Es wurde für den 28. März 2019 um ca. 30 bis 40 Minuten dauern sollte, auch mit ihr 14:30 Uhr ein Termin für eine Vernehmung ihres zu sprechen. Dann hätten die Beamt*innen ihren

26 § 11 BüPolBG i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BüPolBG. 27 Als „Abziehdelikte“ werden Raubstraftaten bezeichnet, bei den Täter und Opfer Jugendliche sind. 28 Nach § 19 StGB ist schuldunfähig – und damit strafunmündig – wer bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 23 Sohn mitgenommen. Nebenbei habe man der Pe- sagen nicht eingehalten worden seien. Außerdem tentin noch zugerufen, dass man ihren Sohn nicht habe sie sich teilweise von den Beamt*innen unter als Beschuldigten, sondern als Zeugen vernehmen Druck gesetzt gefühlt. Die Petentin versicherte, würde. Entgegen der ursprünglichen Angabe habe dass es ihr nicht darum gehe, ihren Sohn vor jegli- die Vernehmung ihres Sohnes dann fast 75 Minu- chen Konsequenzen zu schützen. Sollte er Unrecht ten gedauert. Danach hätten die drei Beamt*innen begangen haben, so werde er dafür auch gerade- darauf verwiesen, dass sie nun keine Zeit mehr für stehen und die Konsequenzen tragen. Allerdings ein Gespräch mit der Mutter hätten. Sie solle sich erwarte sie, dass man die Erziehungsberechtigten das alles von ihrem Sohn erzählen lassen. Darauf- adäquat informiere und einbeziehe. Dies sei hier hin seien die drei Beamt*innen verschwunden. nicht geschehen.

Es sei dann ein anderer Beamter erschienen, um Die Polizeibeauftragte nahm Kontakt zur zustän- den Sohn der Petentin – völlig unvermittelt – in digen Polizeidirektion auf und forderte dort eine einer zweiten Angelegenheit zu vernehmen. Hier Stellungnahme zu dem Vorgang und den Fragen der sei es laut Petentin um einen mutmaßlichen Täter Petentin an. Die Behördenleitung meldete sich um- gegangen, den ihr Sohn gar nicht kannte. Im Zeit- gehend und erklärte, dass es sich bei dem Vorgang punkt der Begehung der Tat sei ihr Sohn zudem um ein umfangreiches Ermittlungsverfahren bezüg- nachweislich beim Arzt gewesen, da er krank ge- lich eines Raubversuchs unter Jugendlichen, das wesen sei. mit einem weiteren Raub verknüpft sei, handele. Man wolle sehr gerne mit der Petentin ein persönli- Nach dieser zweiten Vernehmung habe eine Beam- ches Gespräch führen, in welchem man ihre Fragen tin den Sohn der Petentin erkennungsdienstlich be- umfassend beantworten wolle. Die wichtigste Infor- handelt, also u. a. seine Fingerabdrücke abgenom- mation aber war, dass der Sohn der Petentin inzwi- men und Lichtbilder von ihm aufgenommen. An schen „aus allem raus war“. Dies teilte die Polizei- dieser Stelle habe die Petentin erneut protestiert beauftragte umgehend der Petentin mit und regte und geäußert, dass sie damit auf keinen Fall ein- an, das Gesprächsangebot der Polizei anzunehmen. verstanden sei. Ihr sei daraufhin entgegengehalten worden, dass die Polizei das aufgrund von Gefahr Die Polizeibeauftragte erachtete die durchgeführ- in Verzug dürfe. Ihr Sohn sei bei zwei Taten mit „da- te erkennungsdienstliche Behandlung des Sohnes bei“ gewesen. Um vor ihrem Sohn nicht die Autori- der Petentin auf Grundlage der der Polizeibeauf- tät der Polizei in Frage zu stellen, habe die Petentin tragten übermittelten Informationen als rechtswid- erneut nachgegeben. rig. Nach dem Kenntnisstand der Polizeibeauftrag- ten waren die fraglichen Maßnahmen im Rahmen In ihrer Beschwerde bei der Polizeibeauftragten der Ermittlungen zu zwei begangenen Raubtaten, rügte die Petentin die Vorgehensweise der Polizei. mithin zum Zwecke der Strafverfolgung erfolgt. Die Das Verfahren sei für sie völlig intransparent. Sie Strafprozessordnung sieht zwar vor, dass erken- wolle wissen, ob ihr Sohn Beschuldigter oder Zeu- nungsdienstliche Maßnahmen bei Beschuldigten ge sei, wann die erkennungsdienstlichen Daten auch gegen deren Willen durchgeführt werden dür- wieder gelöscht würden und was bis dahin mit den fen, sofern dies für die Zwecke der Durchführung Daten gemacht werde. Sie kritisierte zudem die Art des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erken- und Weise der Kommunikation mit ihr, und dass Zu- nungsdienstes notwendig ist.29 Allerdings muss die

29 So geregelt in § 81b StPO.

24 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 betroffene Person auch Beschuldigte*r im Sinne des Gesetzes sein. Und dies war hier wegen des Empfehlung: Alters des Jungen von erst 13 Jahren nicht der Fall. Weil eine Person unter 14 Jahren schuldunfähig ist, Die Polizeibeauftragte hat den Umgang der Polizei kann sie nicht Beschuldigter in einem Strafermitt- mit dieser Beschwerde grundsätzlich als konstruk- lungsverfahren sein. Deshalb ist eine erkennungs- tiv und angemessen wahrgenommen. So wurde dienstliche Behandlung nach § 81b StPO von unter seitens der Behördenleitung umgehend reagiert 14-Jährigen immer unzulässig.30 und der Petentin sofort ein klärendes persönliches Gespräch mit einer Führungskraft der zuständigen Die Petentin nahm das Gesprächsangebot der Be- Dienststelle angeboten. Auch wurden Fehler offen hördenleitung gerne an. Sie ließ sich jedoch nicht und transparent eingeräumt. Mit Blick darauf, dass zuletzt aufgrund der gravierenden Taten, um die es Gespräche und Vernehmungen in diesem Fall teil- ging, von einem Rechtsanwalt begleiten. weise durch unerfahrene oder noch in Ausbildung befindlichen Beamt*innen vorgenommen sein Nach dem Gespräch berichtete die Petentin der worden sollen, regt die Polizeibeauftragte insbe- Polizeibeauftragten, dass sie dieses Gespräch als sondere für Fälle mit Beteiligung Minderjähriger sehr positiv wahrgenommen habe. Dem Beamten, eine engmaschige fachliche Anleitung durch er- der das Gespräch mit der Petentin geführt hat, fahrene Beamt*innen zum Zwecke der Qualitäts- sei es gelungen, ihr das empfundene Unbehagen sicherung an. Zudem ist kritisch zu überprüfen, zu nehmen. Er habe eingeräumt, dass seitens der welche Inhalte zu welchem Zeitpunkt im Rahmen Polizei Fehler gemacht worden seien, und der Pe- der Ausbildung bereits vermittelt waren. Darauf ist tentin zugesagt, kurzfristig dafür zu sorgen, dass bei der Frage, wo noch in Ausbildung befindliche die Petentin eine formelle Einstellungsnachricht Polizist*innen eingesetzt werden. Weiterhin hätte erhält. Zudem sollte beim Landeskriminalamt die eine von Anfang an auf die Einbindung der Eltern Löschung der Daten des Sohnes veranlasst werden. ausgerichtete, souveräne und transparente Kom- Außerdem sollte ein Hinweis an die Staatsanwalt- munikation das rechtswidrige Vorgehen der Polizei schaft ergehen, dass der Sohn der Petentin dort in Hinblick auf die erkennungsdienstliche Behand- fälschlicherweise zunächst als Beschuldigter er- lung des Kindes und die Beschwerde der Mutter fasst worden sei. Mit diesem Ergebnis konnte sich sicherlich verhindern können. Ergänzend könnten die Petentin zufriedengeben und den Vorgang da- Bürger*innen in dieser Situation zur Sicherheit der mit für sich abschließen. Löschung der erfassten Daten auch eine Beschwer- de nach dem Landesdatenschutzgesetz erheben (§ 36 Abs. 1 LDSG).

30 Dies ergibt sich auch aus Punkt 9.1.1 der Polizeidienstvorschrift (PDV) 382, wonach eine erkennungsdienstliche Behandlung von Kindern nach § 81b StPO (Lichtbilder und Fingerabdrücke) unzulässig ist. Nach Punkt 9.1.2 der PDV 382 können erkennungsdienstliche Maßnahmen bei Kindern nach Maßgabe des § 111 StPO und § 163b Abs. 2 StPO zulässig sein. § 163b StPO regelt aber erkennungsdienstliche Maßnahmen zum Zwecke der Identitätsfeststellung. Darum ging es im hier dargestellten Fall nicht. Die Identität des Sohnes der Petentin war bekannt. § 111 StPO (Errichtung von Kontrollstellen an öffentlich zugänglichen Orten) war mit Blick auf seinen Anwendungsbereich ebenso nicht einschlägig. Erkennungsdienst- liche Maßnahmen zum Zwecke der Identitätsfeststellung dürfen bei Kindern zudem ausweislich Punkt 9.1.2 der PDV 382 nicht gegen deren Willen durchgeführt werden.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 25 2.4 Polizeigewalt nachgefolgt und hätten sich sodann auf den am Bo- den liegenden Fahrradfahrer gestürzt. Der Bürger Die Bezeichnung „Polizeigewalt“ wird verwendet, sei etwas näher an die Szene herangetreten und um körperliche und psychische Gewalt zu beschrei- habe in die Dunkelheit in Richtung des Geschehens ben, die von Polizeibeamt*innen ausgeht. gefragt, ob denn dort die Polizei sei. Dies sei von einer der beiden Personen bestätigt worden. Der Wichtig ist, dass dem Begriff Gewalt im polizeili- Petent – noch immer unter dem Eindruck des so- chen Kontext noch keine Wertung zuzuschreiben eben Beobachteten – habe beschwichtigend erwi- ist. Denn Gewaltausübung durch die Polizei ist kei- dert, dass er sich lediglich auf dem Nachhauseweg nesfalls per se verboten oder zu missbilligen, son- befände. Daraufhin habe der Beamte ihn in rigidem dern stellt ein grundsätzlich zulässiges und erfor- Ton aufgefordert, jetzt besser ganz schnell zu ver- derliches Mittel zur Durchsetzung des staatlichen schwinden. Gewaltmonopols dar, soweit der Verhältnismäßig- keitsgrundsatz gewahrt bleibt. Wendet die Poli- Der Petent habe sich daraufhin in den Schutz der zei also Gewalt in den Grenzen der bestehenden Dunkelheit zurückgezogen, den Ort aber nicht so- Rechtsgrundlagen an, so ist sie rechtmäßig. fort verlassen, da sich die Szene für ihn in der da- maligen Situation „nicht richtig angefühlt“ habe. Die Polizeibeauftragte wurde von Bürger*innen im Währenddessen habe die andere auf dem Mann sit- Berichtszeitraum 2018 bis 2019 in nur zwei Fällen zende Beamtin diesen wiederholt mit den Worten wegen mutmaßlich rechtswidriger Polizeigewalt angeschrien: „Du hast doch was ausgefressen!“ Es angerufen. Dabei beschränkte sich die Tätigkeit sei dann noch ein Streifenwagen mit zwei weiteren der Polizeibeauftragten in einem Fall31 auf eine Be- Beamten gekommen. Man habe nun zu viert um den ratung der Petentin. In dem anderen – nachfolgend Mann herumgestanden. Der Hund sei inzwischen dargestellten – Fall erwies sich die angewandte in den Polizeibus verbracht worden. Der Mann sei Polizeigewalt als rechtmäßig. schließlich von einem von der Polizei herbeigerufe- nen Rettungswagen aufgenommen worden. 2.4.1 Diensthund stellt Einbrecher In einem Fall war ein Bürger zur Nachtzeit zufällig Am nächsten Morgen meldete sich der Bürger bei Zeuge der Überwältigung und Festsetzung einer der Polizeibeauftragten und beschrieb, was er ge- Person durch die Polizei geworden. Aufgrund der sehen und empfunden hatte. Er habe die Beamt*in- Dunkelheit hatte der Bürger zunächst nicht er- nen als sehr aggressiv wahrgenommen, wohin- kannt, dass es um eine polizeiliche Angelegenheit gegen der Fahrradfahrer nach Wahrnehmung des ging. Der Bürger befand sich zu Fuß auf dem Heim- Petenten weder alkoholisiert noch aggressiv und weg, als er in einiger Entfernung einen „völlig nor- auch sonst nicht verhaltensauffällig gewirkt habe. mal“ wirkenden Mann auf dem Fahrrad wahrnahm. Der Petent gab an, in der Situation selber Angst vor Aus der Dunkelheit sei dann plötzlich von hinten der Polizei empfunden zu haben. ein „riesiger Schäferhund“ auf den Fahrradfahrer gesprungen und hätte diesen zu Fall gebracht. Der Die Polizeibeauftragte forderte zu diesem Vorgang Hund habe zunächst von dem Mann abgelassen, den Einsatzbericht an. Aus diesem ließ sich die Vor- sei dann aber erneut auf ihn gesprungen und habe geschichte des Diensthundeinsatzes entnehmen. sich festgebissen. Zwei „dunkle Gestalten“ seien Danach sei den beiden Beamt*innen beim nächt-

31 Siehe unter Punkt 2.4.2.

26 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 lichen Streifefahren in einem Gewerbegebiet der hund aber nicht sofort und ohne Ankündigung, Fahrradfahrer aufgefallen, da er ohne Licht gefah- sondern erst als „ultima ratio“ eingesetzt. Der ren und gänzlich dunkel bekleidet gewesen sei. Sie Mann hatte nach den Angaben der Beamt*innen im hätten deshalb beschlossen, die Person zunächst Vorfeld zahlreiche Möglichkeiten verstreichen las- zu beobachteten. Als die Person dann auf den Park- sen, den Einsatz des Diensthundes zu verhindern. platz eines Supermarktes gefahren sei, hätten die Als der Mann sich auch auf die Androhung des Ein- Beamt*innen eine Kontrolle durchführen wollen. satzes des Diensthundes einer Kontrolle weiter zu Sie hätten den Mann aus dem Polizeibus heraus entziehen versuchte, durften die Beamt*innen den angesprochen und ihn aufgefordert stehen zu blei- Diensthund einsetzen. Der Petent äußerte, dass ben. Dieser Aufforderung habe der Mann aber nicht sich der Vorfall für ihn jetzt in einem gänzlich ande- Folge geleistet. Er habe stattdessen die Flucht er- ren Licht darstelle. Seine ursprünglichen unguten griffen. Es sei zu einer Verfolgung gekommen, wäh- Gefühle und Bedenken hatten sich am Ende auf- rend derer der Mann von den Beamt*innen noch gelöst. Der Petent erkannte, dass die Polizei hier mehrfach deutlich zum Anhalten aufgefordert wor- rechtmäßig gehandelt und eine zuvor begangene den sei. Der Mann habe auch diese Aufforderun- Straftat aufgeklärt hatte. gen ignoriert, so dass die Beamt*innen schließlich den Einsatz des Diensthundes zunächst angedroht 2.4.2 Streit auf dem Jahrmarkt hätten. Da der Mann auch danach weiter versucht In dem zweiten Fall beschränkte sich die Tätigkeit habe, sich einer Kontrolle durch Flucht zu entziehen, der Polizeibeauftragten aufgrund des von der Pe- sei der Hund dann eingesetzt worden. Dabei sei der tentin mit der Beschwerde verfolgten Ziels (Erstat- Mann an Arm und Ohr verletzt worden. Es sei zu- tung einer Strafanzeige gegen einen Polizeibeam- nächst noch zu weiteren Widerstandshandlungen ten) letztlich nur auf eine Beratung. Die Bürgerin gekommen, bis der Mann sich beruhigt habe und hatte berichtet, dass sie, ihre vier Schwestern und durch die inzwischen eingetroffenen Rettungssa- ihr minderjähriger Sohn anlässlich des Besuches nitäter habe erstversorgt werden können. Danach eines Jahrmarktes von einem fremden Mann beläs- habe man die Personalien des Mannes festgestellt. tigt und schließlich auch geschlagen worden seien. Er habe dabei den Beamt*innen gegenüber einge- Diesen Vorgang hätten mehrere in der Nähe ste- räumt, dass er zuvor einen Diebstahl bei einem na- hende Polizeibeamt*innen mitbekommen. Diese hegelegenen Supermarkt begangen habe und sich wären der Petentin und ihren Begleiter*innen aus deshalb einer Kontrolle habe entziehen wollen. Das nicht nachvollziehbaren Gründen erst verzögert zur Diebesgut – ein Becher Kartoffelsalat – sei im Ruck- Hilfe gekommen. Im Verlauf der Klärung der Situa- sack des Mannes sichergestellt worden. Es sei eine tion sei es dann dazu gekommen, dass ein Beam- Anzeige wegen Diebstahls und Widerstands gegen ter die Petentin mit den Worten angeschrien habe: Vollstreckungsbeamte gefertigt worden. „Du beruhigst Dich jetzt!“ und „Du hältst jetzt den Mund!“ Auch habe der Beamte den 11-jährigen Die Polizeibeauftragte besprach mit dem Petenten Sohn der Petentin am Kragen seiner Jacke gepackt diese Hintergrundinformationen. Sie erklärte ihm, und in ihre Richtung gestoßen. dass es danach einen konkreten und legitimen An- lass für die beabsichtigte Personenkontrolle gege- Die Petentin war im Gespräch mit der Polizeibeauf- ben habe, die Person sich der Kontrolle aber zu ent- tragten immer noch sehr aufgebracht, obwohl der ziehen versucht habe. Es stand den Beamt*innen Vorfall bereits mehrere Tage zurücklag. Die Peten- letztlich kein anderes, milderes und dabei gleich tin beteuerte immer wieder, dass sie und ihre Ange- wirksames Mittel als der Einsatz des Diensthundes hörigen „Polizeigewalt erfahren hätten“. Sie beste- zur Verfügung, um den Mann anzuhalten und ihn he darauf, dass der betreffende Beamte rechtlich kontrollieren zu können. Dabei wurde der Dienst- zur Verantwortung gezogen würde. Sie wolle ihn

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 27 anzeigen. Die Polizeibeauftragte versuchte ange- sichts der Aufgebrachtheit der Petentin zunächst, durch gezieltes Nachfragen den Sachverhalt weiter aufzuklären. Danach war die Situation wohl inso- weit unübersichtlich und demzufolge angespannt gewesen, als die Streitigkeiten und Tätlichkeiten auch nach dem Eingreifen der Polizei fortgesetzt wurden. Die zuvor beschriebene angebliche Äu- ßerung des Beamten ließe sich vor einem solchen Hintergrund möglichweise auch als eine erforder- liche „klare Ansage“ an eine der Konfliktbeteiligten einordnen. Dies blieb aber ebenso wie das gerügte Vorgehen gegen den Sohn letztlich ungeklärt. Die Polizeibeauftragte erläuterte der Petentin, welche Möglichkeiten der weiteren Aufklärung der Poli- zeibeauftragten nach dem Gesetz zur Verfügung stehen.32 Der Petentin wurde auch erläutert, dass das Tätigwerden der Polizeibeauftragten zunächst auf eine möglichst objektive Klärung des Sachver- haltes auch unter Berücksichtigung der Wahrneh- mungen des betroffenen Beamten und in der Folge dann grundsätzlich auf die Herbeiführung einer einvernehmlichen Konfliktbeilegung gerichtet sei. Da es der Petentin aber nach wie vor um eine Sank- tionierung des Beamten ging, wurde sie von der Polizeibeauftragten schließlich an die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft zwecks Erstattung einer Straf- anzeige weiterverwiesen.

32 So insbesondere die Einholung einer Stellungnahme, § 16 Abs. 2 S. 1 BüPolBG.

28 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 II. Eingaben aus der Polizei

Der Beauftragten für die Landespolizei obliegt es Dies lag zum einen an der häufig gegebenen Kom- auch, sich mit Vorgängen zu befassen, die aus dem plexität der von den Petent*innen vorgetragenen innerpolizeilichen Bereich als Eingaben an sie her- Sachverhalte, zum anderen aber auch an den be- angetragen werden (§ 10 BüPolBG). grenzten personellen Kapazitäten der Polizeibeauf- tragten. Zum Redaktionsschluss am 23. März wa- Jede*r Polizeivollzugsbeamt*in oder Polizeibe- ren noch 14 Eingaben in Bearbeitung und drei Ein- schäftigte kann sich mit einer Eingabe ohne Ein- gaben vorläufig eingestellt.34 haltung des Dienstweges unmittelbar an die Poli- zeibeauftragte wenden (§ 14 BüPolBG). Polizei- beamt*innen dürfen deswegen weder dienstlich 2. Vertrauliche Eingaben gemaßregelt noch sonst benachteiligt werden. Die Eingaben der Polizeibeamt*innen können – wie Bei 95 von 168 Eingaben erfolgte eine vertrauliche Bürgerbeschwerden – vertraulich bearbeitet wer- Bearbeitung. Dies bedeutet, dass eine Kommunika- den. Das heißt, dass die Identität der Person nur tion der Beauftragten in die Polizei nicht oder nicht mit ausdrücklicher Einwilligung des*der Betroffe- mit Namensnennung der Petent*innen erfolgte. Da- nen offenbart werden darf (§ 15 Abs. 1 BüPolBG). mit erhöhte sich gegenüber dem Vorberichtszeit- Auch bei Eingaben wirkt die Polizeibeauftragte auf raum vom 1. Oktober 2017 bis 30. September 2018 eine möglichst einvernehmliche Erledigung der An- (96 von 153 Eingaben vertraulich) der prozentuale gelegenheit hin (§ 17 BüPolBG). Anteil der Eingaben, zu denen die Petent*innen einen offenen Austausch der Beauftragten mit der polizeilichen Organisation wünschten. Dies ist aus 1. Überblick Sicht der Polizeibeauftragten eine positive Entwick- lung, da nur der offene Austausch die Möglichkeit Im Berichtszeitraum dieses Berichtsteils gingen bei einer einvernehmlichen Lösung der an sie heran- der Polizeibeauftragen insgesamt 168 Eingaben getragenen Problematiken ermöglicht. Eine signifi- ein, bei denen die Zuständigkeit der Polizeibeauf- kante Veränderung gab es bei den Gründen für eine tragten gegeben war. Damit gab es gegenüber den Vertraulichkeit: Bei 41 Eingaben (Vorberichtszeit- Berichtsteiles des vorherigen Berichtszeitraums raum 15) hatten die Petent*innen lediglich einen Be- mit 134 Eingaben (1. Oktober 2016 bis 30. Septem- ratungswunsch oder die Problematik hatte sich vor ber 2017) und 153 Eingaben (1. Oktober 2017 bis Tätigwerden der Polizeibeauftragten bereits erledigt. 30. September 2018) jeweils eine Steigerung. Die Petent*innen waren überwiegend Polizeivollzugs- In 41 Fällen wünschten die Petent*innen bei fort- beamt*innen. Insgesamt 20 Eingaben wurden von bestehender Problematik eine vertrauliche Bear- angestellten Mitarbeiter*innen, Verwaltungsbe- beitung ihrer Eingabe. Dabei war der von den Pe- amt*innen und sonstigen für die polizeiliche Orga- tent*innen am häufigsten genannte Grund die Sor- nisation regelmäßig tätigen Personen eingebracht. ge vor dienstlicher Benachteiligung, z. B. in Form von Ausgrenzung und/oder Diskreditierung im Wie schon im ersten Berichtszeitraum33 betrug die dienstlichen Umfeld sowie schlechten Beurteilun- durchschnittliche Bearbeitungsdauer mehrere Wo- gen. Zum Teil berichteten die Betroffenen, dass es chen, zum Teil aber auch Monate bzw. über ein Jahr. Kolleg*innen, die Problematiken offen angespro-

33 Oktober 2016 bis September 2018. 34 § 12 Abs. 2 S. 2 BüPolBG.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 29 chen hatten, so ergangen sei. Zudem wurden diese beauftragten Konflikte häufiger in einem früheren Sorgen auch mit Äußerungen von Vorgesetzten be- Stadium an sie herangetragen werden. gründet, die eine ablehnende Haltung gegenüber dem Amt der Polizeibeauftragten erkennen ließen. Insgesamt berichteten aber weniger Petent*innen 3. Kommunikation in die Polizei von derartigen Ängsten als noch im Vorberichts- zeitraum. Auch erhöhte sich die Anzahl der Pe- Bei 73 Eingaben erfolgte auf Wunsch der Petent*in- tent*innen, die bereits anlässlich der Eingabe ihre nen eine Kommunikation der Polizeibeauftragten direkten Vorgesetzten informiert und von dort Ver- mit der polizeilichen Organisation. ständnis für diesen Weg erfahren hatten. In fast allen Fällen wandte sich die Polizeibeauftrag- In einigen Fällen entschied sich die Polizeibeauf- te zunächst an die zuständige Behördenleitung bzw. tragte, die vorgetragenen Themen aufgrund der bei internen Angelegenheiten der Wasserschutz- Bedeutung für die fachliche Arbeit ohne Namens- polizei an die dortige Leitung35. Überwiegend fand nennung der Petent*innen mit der zuständigen Be- auch die weitere Kommunikation mit bzw. unter hördenleitung zu erörtern. Einbindung der Behördenleitung statt. Nur in weni- gen Fällen erfolgte in Absprache mit der Behörden- Fünf Petent*innen fühlten sich nach oder bei fort- leitung ohne ihre Einbindung eine direkte Kommu- gesetzter Beratung in der Lage, allein eine Problem- nikation mit den Beteiligten. Dabei war dies einer lösung herbeizuführen. Zum Teil waren dabei auch Konfliktlösung zuträglich, weil die Frage möglicher Problemlösungsprozesse durch Vorgesetzte oder disziplinarer Verfehlungen bzw. deren Prüfung einer Personalvertretungen angestoßen worden, was aus einvernehmlichen Lösung nicht im Wege stand. Sicht der Polizeibeauftragten sehr zu begrüßen ist.

In drei Fällen war Ziel der Eingabe nur die Informa- 4. Das Landespolizeiamt als Gegenstand tionsweitergabe an die Polizeibeauftragte. der Eingaben

Bei insgesamt zwei Eingaben erkannte die Polizei- In die Zuständigkeit des Landespolizeiamtes (LPA), beauftragte kein berechtigtes Interesse, so dass das in erster Linie als zentrale Verwaltungsbehörde keine Kontaktaufnahme zu einer Behörde erfolgte. für die gesamte Polizei fungiert, fielen im Berichts- Den Petent*innen wurde vielmehr die Auffassung zeitraum insgesamt 31 Eingaben. 13 dieser Einga- der Beauftragten vermittelt. ben betrafen die Zuständigkeit der Wasserschutz- polizei. Im Gegensatz zum Vorberichtszeitraum Im Gegensatz zum Vorberichtszeitraum wurden in wünschte die Mehrheit der Petent*innen (19) eine diesem Berichtszeitraum keine so stark eskalierten offene Bearbeitung im Austausch mit dem LPA. Konflikte an die Polizeibeauftragte herangetragen, Dies bewertet die Polizeibeauftragte als deutlich dass von vornherein eine Kommunikation mit der positive Entwicklung. Viele Petent*innen empfan- polizeilichen Organisation als nicht zielführend den Vertrauen in die Person des Landespolizeidi- erschien. Dies lässt sich möglicherweise damit er- rektors, so dass nunmehr eher der Mut vorhanden klären, dass mit zunehmender Amtszeit der Polizei- war, Probleme und Anliegen offen zu kommunizie-

35 Die stellt in Schleswig-Holstein keine eigenständige Behörde dar, sondern ist als eine Abteilung in das Landespolizeiamt integriert (LPA 4).

30 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 ren. Mit dem Vertrauen in die Person einher ging förderungsverfahren sowie Anträge in Zusammen- eine grundsätzliche Zuversicht der Petent*innen, hang mit Wohnraumarbeit oder auch der Bewilli- dass man im Dialog mit ihm und seiner Unterstüt- gung von Bildungsurlaub zu nennen. zung am Ende eine gute Lösung finden würde.

Der Landespolizeidirektor etablierte für den Aus- Empfehlung: tausch zwischen ihm und der Polizeibeauftragten einen Kommunikationsweg, der die Bearbeitung Die Polizeibeauftragte hatte bereits in ihrem ers- der Eingaben unterstützt. So sind etwa durch ein ten Tätigkeitsbericht insbesondere für den Bereich spezielles E-Mail-Postfach und den Einsatz eines der Personalabteilung (LPA 3) eine Überprüfung festen Ansprechpartners für die Polizeibeauftragte der Struktur empfohlen, um dort eine weitere Op- kurze Kommunikationswege geschaffen worden. timierung der Sachbearbeitung in Hinblick auf Ver- fahrensdauer, Transparenz und Kommunikation mit Wie schon im ersten Berichtszeitraum36 beschwer- dem Gegenüber zu erreichen.38 Diese Empfehlung ten sich nach wie vor viele Petent*innen über eine hält die Polizeibeauftragte aufrecht. unbefriedigende oder fehlende Kommunikation. Dies betraf auch vier Polizist*innen, sämtlich Mit- arbeiter*innen des LPA, die nur zufällig erfuhren, Mit einer in der Konsequenz für den betroffenen dass ihre Beurteilungen zum Stichtag 1. April 2018 Polizeibeamten erheblichen Problematik wurde die nach Aushändigung der Beurteilung abgeändert Polizeibeauftragte konfrontiert, als dieser sich mit worden waren.37 Dies war für die Petent*innen dem Wunsch nach Transparenz in einem Dienstun- insbesondere deshalb von Bedeutung, weil anste- fallverfahren Anfang 2019 an sie wandte.39 hende Beförderungen davon abhingen. Nachdem sich die Polizeibeauftragte an die Leitung des LPA Der Petent hatte im Jahr 2005 eine psychisch ex- gewandt hatte, wurden Fehler im Beurteilungsver- trem belastende Einsatzerfahrung, in deren Folge fahren eingeräumt und insbesondere auch erklärt, er an einer posttraumatischen Belastungsstörung dass anschließend mit den betroffenen Beamt*in- erkrankte. Diese wurde allerdings erst viele Jah- nen nicht angemessen und transparent kommuni- re später, im Jahr 2017, „offiziell“ diagnostiziert. ziert worden sei. Dies solle zukünftig geändert wer- Durch ein Gutachten stand fest, dass die Erkran- den. Den Widersprüchen der Beamt*innen hat das kung auf das damalige Einsatzgeschehen kau- LPA abgeholfen. Die Beamt*innen erhielten ihre sal zurückzuführen war. Die Anerkennung eines ursprünglichen, besseren Beurteilungen. Dienstunfalls scheiterte jedoch daran, dass die Fertigung einer Dienstunfallmeldung und damit die Ein besonderer Schwerpunkt bei den Eingaben ließ Einleitung eines Verfahrens nicht im Rahmen der sich nicht feststellen. Beispielhaft sind Dienstun- gesetzlichen Ausschlussfrist von zwei Jahren nach fallverfahren sowie die Anerkennung von Schmer- Eintritt des Unfalls40 erfolgt war. zensgeldansprüchen nach § 83a LBG, Verfahren zur Prüfung der Dienstfähigkeit, Beurteilungs- und Be-

36 Oktober 2016 bis September 2018. 37 Vgl. Fallbeispiel 5 „Nachträglich abgeänderte Beurteilungen“, S. 63. 38 Vgl. Tätigkeitsbericht der Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein 2016 –2018, S. 39. 39 Vgl. Fallbeispiel 2 „Die versäumte Dienstunfallmeldung“, S. 51. 40 Siehe § 51 Nr. 1 Satz 1 SHBeamtVG.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 31 Angehörigen der Abteilung 4 des LPA über Monate Empfehlung: hinweg aufgrund einer polizeiinternen Mitteilung des LPA aus November 2018 „aus personalwirt- Es sollte immer kritisch geprüft werden, ob eine schaftlichen Gründen und zum Erhalt der Funkti- Dienstunfallmeldung bei besonderen Ereignissen, onsfähigkeit der WSP“ nicht möglich, sich auf Stel- die aufgrund der erheblichen Belastung aus dem lenausschreibungen der zu bewer- polizeilichen Alltag hervorstechen, nicht vorsorg- ben.41 Dies galt auch dann, wenn sie bereits den lich erfolgen sollte. Beispielhaft sind Ereignisse zu Nachweis zur Befähigung für den Laufbahnzweig nennen, bei denen Kinder betroffen sind, oder aber der Schutzpolizei erbracht hatten. Dieser Umstand solche, die als besonders grausam wahrgenommen wurde gegenüber der Polizeibeauftragten von Be- werden, wie der genannte Beispielsfall. In diesem troffenen als „Käfighaltung“ bezeichnet. Begründet Fall – sowie auch in anderen an die Polizeibeauf- wurde die Maßnahme mit einem Mangel an Nach- tragte herangetragenen Konstellationen – hätte ein wuchskräften für die WSP.42 Ansatzpunkt sein können, dass der*die betroffe- ne Beamt*in nach dem Erlebnis zunächst ein paar Ende April 2019 teilte die Leitung der WSP der Poli- Tage krankgeschrieben war. Im Ergebnis sollte in zeibeauftragten in einem persönlichen Gespräch mit, diesen Fällen immer vorsorglich eine Dienstunfall- dass zur Diskussion stehe, die sachliche Zuständig- meldung erfolgen. Denn nur dann können auch keit für den Bereich „Kriminalitätsbekämpfung rund später auftretende psychische Folgen anerkannt ums Boot“ landesweit wieder an die WSP zu über- werden. Selbstverständlich obliegt insbesondere geben, so wie es bis zum Jahr 2015 der Fall war. Da den Vorgesetzten die Aufgabe, nach entsprechen- die Polizeibeauftragte die geplante Änderung als den Einsatzlagen auf die Fertigung vorsorglicher einen guten Schritt zur Attraktivitätssteigerung der Dienstunfallmeldungen zu achten. Hierfür sollte im WSP und damit zur Lösung der Nachwuchsproble- Rahmen von Führungskräftefortbildungen sensibi- matik wertete, empfahl sie dem Landespolizeidi- lisiert werden. rektor, den Zuständigkeitsbereich entsprechend zu erweitern. Bereits Ende Mai 2019 teilte das LPA der Polizeibeauftragten mit, dass dies geplant sei. Die Eingaben aus dem Zuständigkeitsbereich der Umsetzung erfolgte zum 1. Januar 2020. Wasserschutzpolizei Ein weiterer Schwerpunkt der Eingaben aus dem Bei sämtlichen Eingaben von Angehörigen der Bereich der WSP betraf eine Führungsproblematik Wasserschutzpolizei (WSP) ging es um Anliegen, in einem der drei WSP-Reviere. So meldeten sich die die WSP selbst betrafen. Ein Thema waren die nacheinander – aus Angst vor Nachteilen überwie- begrenzten Zuständigkeiten der WSP, die nach gend vertraulich – mehrere Mitarbeiter*innen ein Wahrnehmung einiger Mitarbeiter*innen zum Teil und desselben Reviers bei der Polizeibeauftragten zu eintönigen Diensten mit wenigen polizeilichen und baten um Rat und Unterstützung. Allen Pe- Tätigkeiten geführt haben sollen. Als Folge wurde tent*innen war gemein, dass sie ihre Situationen das Gefühl mangelnder Wirksamkeit und Berufs- mit Blick auf das Führungsverhalten der Revierlei- zufriedenheit geschildert. Gleichzeitig war es den tung als inzwischen extrem belastend und gleich-

41 Polizeiinterne Mitteilung des LPA vom 16. November 2018 an alle Mitarbeiter*innen der Abteilung 4. 42 Die Beschränkung wurde im Januar 2020 wieder aufgehoben. Derzeit wird ein Controllingkonzept zum Personalstand der WSP erarbeitet.

32 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 zeitig unabänderlich einschätzten. Zum Teil waren Auf Wunsch des Petenten vermittelte und beglei- die Petent*innen wegen dieser Umstände auch er- tete die Polizeibeauftragte ein Abschlussgespräch krankt. Alle Petent*innen waren sich sicher, dass zwischen ihm und der Abteilungsleitung. In dem eine Selbstreflexion der Revierleitung mit einer Gespräch konnte der Petent der Abteilungsleitung nachfolgenden Änderung ihres Führungsverhal- im Nachhinein seine Wahrnehmungen, Empfindun- tens so gut wie ausgeschlossen sein würde. Das gen, aber auch Bewertungen noch einmal unmittel- Führungsverhalten der Revierleitung wurde als in- bar mitteilen. Dies verhalf ihm letztlich mit dazu, transparent, willkürlich sowie teils sogar schika- den Vorgang auch innerlich für sich abschließen zu nös beschrieben. Es gab zudem die Wahrnehmung können. einer „Günstlingswirtschaft“. In einem anderen Konfliktfall moderierte die Poli- Ein Beamter hatte für sich bereits entschieden, den zeibeauftragte ein Vermittlungsgespräch zwischen Versuch zu unternehmen, die WSP – trotz der da- dem Petenten einerseits und seiner Stations- und mals angeordneten „Käfighaltung“ – zu verlassen. Revierleitung andererseits. Auf Wunsch des Peten- Dies war für den Beamten selbst eine sehr schwer- ten nahmen an diesem Gespräch außerdem der zu- wiegende Entscheidung, da dieser Beamte mit Leib ständige örtliche Personalrat und die Abteilungslei- und Seele „Wasserschützer“ war und unter ande- tung teil. In diesem Gespräch gelang es zwar, einen ren Umständen wahrscheinlich niemals der WSP zwischen dem Petenten und der Stationsleitung den Rücken gekehrt hätte. Durch den Konflikt mit gewachsenen Konflikt, der aber nach Einschätzung der Revierleitung war der Beamte dann aber krank des Petenten auch in Zusammenhang mit dem geworden. Die Revierleitung hatte, als die gesetz- Führungsverhalten der Revierleitung stand, zu be- lichen Voraussetzungen dazu vorlagen, ein Verfah- leuchten und dem gemeinsamen Versuch eines ab ren zur Prüfung der Dienstfähigkeit des Beamten sofort konstruktiveren Umgangs miteinander zuzu- einleiten lassen.43 Der Polizeiarzt stellte bei der Un- führen. Es wurde aber in dem Gespräch auch deut- tersuchung und Begutachtung des Petenten dann lich, dass die Revierleitung mit der Anrufung der fest, dass der Beamte keinesfalls generell dienst- Polizeibeauftragten durch den Petenten Schwierig- unfähig sei. Er müsse aber für eine Gesundung aus keiten hatte. Die Revierleitung äußerte insoweit, dem Arbeitsumfeld herausgenommen werden, das vom Petenten „persönlich enttäuscht“ zu sein und ihn krankgemacht habe. noch nicht absehen zu können, wie sie vor diesem Hintergrund künftig dem Petenten begegnen kön- Vor diesem Hintergrund wurde am Ende dem ne. Diese Reaktion bestätigte im Grunde die Be- Wunsch des Petenten nach einem Wechsel in einen schreibungen und Wahrnehmungen auch der ande- anderen Bereich der Polizei entsprochen. Seitdem ren Petent*innen, die sich mit diesem Problem an geht es dem Petenten gesundheitlich wieder gut. die Polizeibeauftragte gewandt hatten.

43 § 26 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) regelt, dass Beamt*innen auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen sind, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Dabei kann als dienstunfähig auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Für Gruppen von Beamt*innen können besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden. Das weitere Verfahren ist ausgestaltet in den Beamtengesetzen der einzelnen Bundesländer, in diesem Fall also im Landesbeamtengesetz Schleswig-Holstein (LBG SH).

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 33 Die anderen Petent*innen, die sich an die Polizeibe- tragte hat inzwischen erfreuliche Rückmeldungen auftragte gewandt hatten, fanden trotz wiederhol- erhalten, wonach vormals Langzeiterkrankte jetzt ter Appelle der Polizeibeauftragten nicht den Mut, wieder ihren Dienst ausüben können. aus dem Schutze der Vertraulichkeit heraus – und in einen offenen Dialog mit der Revierleitung und der WSP-Führung einzutreten, was für eine Lösung 5. Inhaltliche Schwerpunkte der Eingaben des Problems aber erforderlich gewesen wäre. Die- se Petent*innen leitete die Angst vor Repressalien, Um ihre Tätigkeiten zum innerpolizeilichen Bereich wenn ihre Identität bekannt würde. Zudem waren so weit wie möglich transparent darzustellen und sie stark verunsichert und befürchteten, im Kon- vor allen Dingen auch, um Themen bzw. Proble- flikt mit der Revierleitung von der Abteilungsleitung matiken zu benennen, die wiederholt an die Poli- möglicherweise nicht unterstützt und auch nicht ge- zeibeauftragte herangetragen wurden, werden die schützt werden zu können. eingehenden Eingaben regelmäßig nach themati- schen Schwerpunkten ausgewertet. Die gewonne- In dieser „Problemlage“ war am Ende das Wirken nen Erkenntnisse nutzt die Polizeibeauftragte auch der zentralen Ansprechstelle der Landespolizei im für ihre Gespräche mit der Polizeiführung, in denen Innenministerium hilfreich. Seit Einrichtung dieser sie ggf. zeitnah auf aktuell vermehrt an sie heran- Ansprechstelle besteht ein vertrauensvoller fach- getragene Themen/Problematiken hinweisen kann. licher und persönlicher Austausch zur Polizeibe- auftragten. Entsprechend wurde auch das Thema Nachfolgend werden die thematischen Schwerpunk- WSP/Führungsproblematik im Rahmen dieses Aus- te für den aktuellen Berichtszeitraum dargestellt: tausches beleuchtet. Danach trat die Ansprechstel- le in Kontakt mit dem Landespolizeidirektor. Dieser 5.1 Konflikte versprach, sich der Sache anzunehmen – dies aller- dings unter der zwingenden Voraussetzung, dass Wie schon im ersten Berichtszeitraum44 lag einer die Beschwerdeführer*innen sich ihm zu erkennen der größten Schwerpunkte im Bereich der Konflikte. geben und ihre Beschwerden mit konkreten Bei- Hier zählte die Polizeibeauftragte 29 Eingaben. Als spielen substantiieren. Nunmehr fassten die Be- Konflikt sieht die Polizeibeauftragte unterschied- troffenen Vertrauen und sprachen im Beisein und liche Sichtweisen und Interessen (zumeist) zweier mit Unterstützung der Ansprechstelle im Innenmi- Parteien, die negative Emotionen hervorrufen und nisterium mit dem Landespolizeidirektor. Im An- als Folge die Handlungen der Beteiligten leiten. schluss wurde zwischen dem Landespolizeidirektor Dies können auch verdeckte Konflikte sein. Zudem und dem in Kritik stehenden Revierleiter die Verein- muss der Konflikt von den Beteiligten als solcher barung getroffen, dass dieser in einen anderen Be- nicht erkannt worden sein. Da systemische Kon- reich der Landespolizei wechselt. Die Polizeibeauf- fliktlagen45 im Gegensatz zum Vorberichtsraum von

44 Oktober 2016 bis September 2018. 45 Im ersten Berichtszeitraum unterschied die Polizeibeauftragte bei der statistischen Erfassung zwischen einer systemischen Problematik (genereller innerdienstlicher Umgang) und einem Konflikt mit namentlich benannten Konfliktpartner*innen (innerdienstlicher konkreter Konflikt). Auch wenn die Grenzen hier fließend sind, begründete sich eine Differenzierung ins- besondere hinsichtlich der Konfliktlösungsmöglichkeiten: Namentlich benannte Konfliktpartner*innen bieten die Möglich- keit, die Konfliktthematik eindeutig zu erfassen und in der Folge Vermittlungsgespräche oder auch eine Mediation durch- zuführen. Bei den systemischen Problematiken hingegen ist die andere Konfliktpartei für die betroffenen Polizist*innen als Person nicht konkret erkennbar bzw. ansprechbar.

34 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 den Petent*innen kaum noch geschildert wurden, beauftragte die Gespräche, in einigen Fällen über- nimmt die Polizeibeauftragte diese Differenzierung nahm sie auch in Absprache mit den Amts- oder Be- im vorliegenden Bericht nicht mehr vor. Auch wenn hördenleiter*innen und/oder den Konfliktparteien die Mehrheit der Konflikte vertraulich bearbeitet die Moderation. Auch gab es Gespräche, in denen wurde, nahm der prozentuale Anteil der offen be- die Moderation gemeinsam mit der Leitung der Po- arbeiteten Eingaben (11) zu. Hinzu kamen vier Ein- lizeidirektion erfolgte. gaben, in denen nach Bericht der Petent*innen eine innerpolizeiliche Konfliktlösung – zum Beispiel Als Beispiel für Fälle, in denen die Polizeibeauftrag- über den örtlichen Personalrat oder polizeiinterne te keine offene, konkrete Konfliktlösung herbeifüh- Konfliktmoderator*innen – gelang. Dies begrüß- ren konnte, sind Eingaben von Polizeibeamt*innen te die Polizeibeauftragte sehr und beriet die Pe- (Anzahl im zweistelligen Bereich) einer Abteilung tent*innen „nur“ im Hintergrund begleitend. des Landeskriminalamtes (LKA) zu nennen. Sämt- liche Petent*innen berichteten von wahrgenomme- Die Petent*innen wünschten überwiegend persön- nen Führungsdefiziten sowie fachlichen Problema- liche Erstgespräche mit der Polizeibeauftragten. tiken.46 Diese hätten nach Darstellung einiger Hilfe- Neben einer Sachverhaltsdarstellung war Schwer- suchender auch zu Konflikten geführt, die jedoch punkt der Gespräche eine Selbstreflexion, die das innerpolizeilich überwiegend nicht offen themati- Erkennen von Konfliktdynamiken, Eigenanteilen siert, sondern vielmehr unterdrückt worden seien. und im weiteren Verlauf auch von Lösungsmöglich- Da die meisten Petent*innen aus Sorge vor einer keiten bietet. Beispielhaft erklärte eine Petentin, dienstlichen Benachteiligung eine vertrauliche dass sie sich nach der Beratung durch die Polizei- Bearbeitung wünschten, konnte auch die Polizei- beauftragte selbst in der Lage gefühlt habe, einen beauftragte diese konkreten Konflikte nicht offen Konfliktlösungsweg durch Kontaktaufnahme mit benennen und keine Lösungsprozesse anstoßen. der Behördenleitung zu finden. Allerdings suchte die Polizeibeauftragte zu den be- nannten Problematiken insgesamt den Austausch Konfliktpartner*innen waren ganz überwiegend mit den Führungskräften des LKA. Ziel war dabei Vorgesetzte, der Anteil des höheren Dienstes auch, Impulse für einen veränderten Führungsstil nahm dabei im Vergleich zum Vorberichtszeitraum zu geben, der zu einem Betriebsklima führt, in dem ab. Dies lässt sich aus Sicht der Polizeibeauftrag- Konflikte offen angesprochen und konstruktiv be- ten auch damit erklären, dass mehr Konflikte zeit- arbeitet werden. Ein wichtiges Thema war dabei, lich früher – also vor Eskalation bis in die oberste das verloren gegangene Vertrauen der Mitarbei- Führungsebene der Polizei – an sie herangetragen ter*innen wiederzugewinnen, was sich in der Angst wurden. Bei der Konfliktlösung kam der obersten vor Sanktionen geäußert hatte. Das Vertrauen war Führungsebene aber nach wie vor häufig eine gro- nach Rückmeldungen von Petent*innen zusätz- ße Bedeutung zu. lich durch die von ihnen wahrgenommene „Suche“ nach denjenigen belastet, die sich an die Polizei- In den Fällen, in denen die Polizeibeauftragte offen beauftragte gewandt hatten. tätig werden konnte, regte sie Konfliktvermittlungs- gespräche und in Ausnahmefällen auch eine exter- ne Mediation an. Dies wurde ganz überwiegend auch umgesetzt. Zum Teil begleitete die Polizei-

46 Vgl. Fallbeispiel 6 „Kritik an der Führung einer Abteilung des LKA sowie strukturelle Probleme im Landeskriminalamt“, S. 64.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 35 Empfehlung:

Die Polizeibeauftragte kann nachvollziehen, dass Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Führung“ in der polizeilichen Organisation ein Interesse be- sollte ein ständiger Prozess mit hohem Stellenwert steht, sich mit Petent*innen persönlich auszutau- innerhalb der Landespolizei sein. In Rheinland- schen. Jede Führungskraft hat das Bedürfnis, mit Pfalz wurde zu diesem Zweck bereits im Jahr 1996 den Mitarbeitenden in einer guten Verbindung zu die ständige „Kommission Innere Führung“ (KIF) sein. Auch die Polizeibeauftragte ist der Überzeu- unter Leitung des Inspekteurs der Polizei einge- gung, dass eine direkte Kommunikation, die das richtet.47 Über die durch die KIF gebildeten Inter- Gespräch über konkrete Situationen und Detailfra- essen- und Arbeitsgruppen sind Mitarbeiter*innen gen zulässt, die Chance einer nachhaltigen Konflikt- unterschiedlichster Funktionen sowie der unter- lösung erhöht. Folglich zielt die Arbeit der Polizei- schiedlichen Ebenen der polizeilichen Organisation beauftragten auch darauf ab, innerhalb der Polizei beteiligt. Die Polizeibeauftragte empfiehlt, die Ein- ein Arbeitsklima zu fördern, dass allen Petent*in- richtung eines solchen ständigen Gremiums auch nen ein offenes Auftreten ohne Sorge vor dienst- für die Polizei in Schleswig-Holstein zu prüfen. licher Benachteiligung ermöglicht. Im Berichtszeit- raum fehlte indes einem Teil der Hilfesuchenden dieses Vertrauen, weshalb sie sich für eine vertrau- liche Bearbeitung ihrer Eingabe entschieden. In diesen Fällen sollten von Seiten der Vorgesetzten Reaktionen und Bemerkungen unterbleiben, die bei den Petent*innen den Eindruck erwecken, man versuche, die betreffenden Personen zu identifizie- ren. Ein solches Verhalten belastet das Vertrauens- verhältnis zusätzlich. Die polizeiliche Organisation sollte insbesondere in diesen Fällen darum bemüht sein, das verloren gegangene Vertrauen zurückzu- gewinnen.

47 Vgl. Tätigkeitsbericht 2016/2017 Beauftragter für die Landespolizei Rheinland-Pfalz (abrufbar unter www. diebuergerbeauftragte.rlp.de), S. 38: „Die KIF beschäftigt sich mit polizeiinternen Vorgängen, wie z. B. dem Leitbild, den Führungsvorgängen, dem Führungsverhalten, der Mitarbeiterförderung, der internen Kommunikation und möglichen Dienst- zeitmodellen, um hier einige Beispiele aufzuzählen“.

36 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 5.2 Straf- und Disziplinarverfahren nerhalb des Kollegiums geführt, da sich auffällig viele Beamt*innen nicht gerecht beurteilt gefühlt 5.2.1 Strafverfahren hatten. Dies betraf insbesondere die Prognose zur Bei insgesamt acht Eingaben ging es um Strafver- Führungskompetenz.49 Zum Beispiel waren auch fahren, die ganz überwiegend gegen die Petent*in- Polizist*innen mit der Prognose „noch nicht geeig- nen geführt wurden. In fünf Fällen waren die Ver- net“ beurteilt worden, die schon mehrere Jahre in fahren von der Polizei eingeleitet worden bzw. die einer Führungsposition tätig waren. Es wurde eine Petent*innen befürchteten die Einleitung eines beabsichtigte, gezielte Personalsteuerung anhand Strafverfahrens. Oft fehlte es an Transparenz, die sachfremder Kriterien für zukünftige Stellenbeset- auch von der Polizeibeauftragten nicht immer ab- zungsverfahren befürchtet. Dabei war der Eindruck schließend hergestellt werden konnte. entstanden, dass sich die Prognosebewertung mehr an einem von der Leitung der KI gewünschten 5.2.2 Disziplinarverfahren angepassten Verhalten orientiert hatte als an tat- 10 Polizeivollzugsbeamt*innen wandten sich wegen sächlichen Kompetenzen. Die Hinweisgeber*innen bereits eingeleiteter oder angekündigter diszipli- rügten, dass die Steuerung dabei ausgehend von narer (Vor-)Ermittlungen an die Polizeibeauftragte. der KI-Leitung durch Vorgaben der Zweitbeurtei- In der Hälfte der Fälle berichteten die Petent*innen ler*innen an die Erstbeurteiler*innen erfolgt sei. von Konflikten mit den Disziplinarvorgesetzten oder Eine durch die Polizeibeauftragte sowie den örtli- mit Vorgesetzten einer hierarchischen Ebene dazwi- chen Personalrat angestoßene Befassung der Poli- schen. In drei Fällen wurde letztlich kein Disziplinar- zeidirektionsleitung führte zur Feststellung, dass verfahren eingeleitet. Zumindest in einem Fall ist es in der KI bezüglich der Prognose zur Führungs- dies auf eine durch die Polizeibeauftragte initiierte, kompetenz eine erhebliche Abweichung nach un- erfolgreiche Konfliktlösung zurückzuführen. ten im Vergleich zu den landesweit erteilten Prog- nosen gegeben hatte. Eine Plausibilitätsprüfung al- 5.3 Beurteilungen ler erstellten Beurteilungen Anfang Dezember 2018 führte dazu, dass in 11 Fällen Beurteilungen aus Im Berichtszeitraum erreichten die Polizeibeauf- besonderem Anlass gefertigt worden waren. In al- tragte 12 Eingaben zum Thema Beurteilungen. In len Fällen war die Entwicklungsprognose zur Füh- einigen Fällen ging es um eine beratende Beglei- rungskompetenz von „noch nicht befürwortet“ in tung bei Beurteilungen im Kontext eines Konflikts „befürwortet“ abgeändert worden. Zudem hatte mit Erst- und/oder Zweitbeurteiler*in. es bereits vor Dezember 2018 bei insgesamt fünf Beamt*innen im Rahmen von Gegenvorstellungen Zudem hatte sich die Polizeibeauftragte auch mit Korrekturen der Prognose nach oben gegeben. Auf- regionalen Beurteilungsverfahren insgesamt zu grund der Bedeutung der Angelegenheit für viele befassen, wie zum Beispiel der Frage möglicher Be- Polizist*innen der KI hielt die Polizeibeauftragte urteilungsvorgaben für alle Polizist*innen des ge- eine Information an die Fachaufsicht für notwen- hobenen Dienstes einer Kriminalinspektion (KI).48 dig (vgl. § 17 Abs. 2 BüPolBG). Dies erfolgte – nach Hier hatte die Regelbeurteilung zum Stichtag vorheriger Ankündigung gegenüber dem PD-Leiter – 1. April 2018 zu einer deutlichen Missstimmung in- im September 2018 mit einem Schreiben an den In-

48 Vgl. Fallbeispiel 4 „Beurteilungen auf Bestellung?“, S. 58. 49 Gemäß Ziffer 4.7 BURLPol SH (Entwicklungsprognose/Verwendungsvorschlage) ist „auf der Grundlage der Befähigung unter Einbeziehung der Leistungsbewertung die persönliche und berufliche Eignung für die aktuelle und zukünftige dienst- liche Verwendung zu beurteilen und zu begründen“.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 37 nenminister. Im Übrigen lag die Verantwortlichkeit 5.4 Umsetzung/Versetzung im Rahmen eines für die Bearbeitung nach Abstimmung mit der Poli- Konflikts zeibeauftragten bei der Direktionsleitung. Diese griff die Missstimmung in der Kolleg*innenschaft Als ein im Vergleich zum ersten Berichtszeitraum insgesamt auf und kündigte als Konsequenz ihre neuer Schwerpunkt zeigte sich mit neun Eingaben zukünftige Anwesenheit bei den Beurteilungsko- das Thema „Umsetzung und Versetzung bei einem ordinierungen für die kriminalpolizeilichen Dienst- anhaltenden Konflikt mit Vorgesetzten“. In der stellen an. Dabei werde man auch auf die Einbin- Mehrheit der Fälle wünschten die Polizeibeamt*in- dung des Personalrates achten, die bei den Koor- nen einen Arbeitsplatzwechsel als Lösung. Zum Teil dinierungen zum Stichtag 1. April 2018 nicht erfolgt war der Wunsch dabei auch das Ergebnis eines ver- war.. Der PD-Leiter führte mit allen Erst- und Zweit- traulichen Beratungsprozesses bei der Polizeibe- beurteiler*innen der KI Gespräche und veranlasste auftragten. Dabei erkannten die Petent*innen für wegen festgestellter Unsicherheiten Informations- sich eine Veränderung des Tätigkeitsbereichs bei veranstaltungen sowie spezifische Schulungen für den bestehenden Strukturen und/oder agierenden alle Erst- und Zweitbeurteiler*innen. Vorgesetzen als für sie – auch für den Schutz ihrer Gesundheit – beste Lösung. Der Grund für den Ver- wendungswunsch wurde dabei bei Beantragung Empfehlung: einer Versetzung aus Sorge vor einer innerdienstli- chen Benachteiligung nicht immer offen in der poli- Wie schon unter 5.1 ausgeführt, sollte dem inner- zeilichen Organisation kommuniziert. polizeilichen Austausch zum Thema Führung eine höhere Bedeutung zukommen. Das Rückmelde- Bei weiteren Eingaben war von Vorgesetzten bei verfahren für Führungskräfte sollte regelmäßig bestehender Konfliktlage eine Umsetzung/Ver- stattfinden. Sollte es aufgrund von Maßnahmen, setzung gegen den Willen der Petent*innen und deren Rechtmäßigkeit fraglich ist, zu erheblichen zudem sehr kurzfristig erfolgt, manchmal auch ab Störungen des Vertrauensverhältnisses zwischen sofort nach Mitteilung gegenüber der*dem Be- Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen gekommen troffenen. Bei sofortiger Umsetzung wurde die*der sein, sollte ergänzend eine anonyme Befragung Betroffene häufig als Letzter informiert, das dienst- der Mitarbeiter*innen durch eine neutrale, außer- liche Umfeld wusste bereits Bescheid. halb der Polizei befindliche Stelle erfolgen. Dies schützt auch die Mitarbeiter*innen, die sich durch In mehreren Fällen konnte die Polizeibeauftragte eine Aussage zu vorausgegangenen Abläufen mög- auf Wunsch der hilfesuchenden Polizeibeamt*in- licherweise selbst belasten und damit einer straf- nen Gespräche zwischen den Petent*innen und und/oder disziplinarrechtlichen Ermittlung aus- ihren Vorgesetzten anstoßen und/oder begleiten. setzen würden. Zugleich bietet sich dadurch die Dies war in allen Fällen hilfreich und wirkte dees- Chance, ggf. bestehende Probleme transparent zu kalierend. In den Fällen, in denen der Arbeitsplatz- machen und einer Lösung zuzuführen. wechsel von Seiten der Vorgesetzten vorgenom- men worden war, wurden einvernehmlich alternati- ve polizeiliche Verwendungen gefunden.

38 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 die polizeiliche Ausbildung abzubrechen und ein Empfehlung: Studium auf Lehramt zu beginnen. Unklar und da- mit problematisch war für ihn in diesem Fall seine Wenn von Seiten der Vorgesetzten eine Umset- finanzielle Situation. Mögliche Rückzahlungsforde- zung/Versetzung aufgrund innerdienstlicher Um- rungen von Anwärterbezügen im fünfstelligen Be- stände bzw. dienstrechtlicher Gegebenheiten für reich sowie eine gleichzeitige notwendige Finanzie- notwendig erachtet wird, sollte dies mit größtmög- rung des Lehramtsstudiums waren nicht möglich. licher Transparenz gegenüber den Betroffenen und Deswegen bat der Petent die Polizeibeauftragte zeitlich so erfolgen, dass eine geregelte Übergabe zunächst um Klärung, ob er bei einer Kündigung der Dienstgeschäfte sowie eine ggf. gewünschte Rückzahlungen zu leisten und bei Aufnahme eines angemessene Verabschiedung von den Kolleg*in- Universitätsstudiums einen Anspruch auf eine För- nen möglich ist. Auch die Mitbestimmungsgremien derung nach dem BAföG hätte. sind ggf. zu beteiligen. Vor einer solchen Entschei- dung sollten Vorgesetzte aber immer die Möglich- Über den Sachbereich Personal der PDAFB51, der keit einer Konfliktlösung gewissenhaft prüfen und für die Prüfung der Rückforderungszahlungen zu- im positiven Fall eine Konfliktbearbeitung ansto- ständig ist, erhielt die Polizeibeauftragte die In- ßen. Hierfür stehen auch die polizeiintern ausgebil- formation, dass bei Aufnahme eines Studiums re- deten Konfliktberater*innen zur Verfügung. gelmäßig eine Stundung der Zahlungen erfolgen würde, wenn Anwärter*innen keine finanziellen Möglichkeiten für eine Rückzahlung zur Verfügung 5.5 Eingaben von Berufsanfänger*innen und stünden. Sollten die Betroffenen nach ihrem Stu- Bewerber*innen im Rahmen von Einstellungs­ dium erneut in den öffentlichen Dienst eintreten, verfahren wäre zudem ein Verzicht möglich. Die rechtliche Prüfung einer möglichen Ausbildungsförderung Zu diesem Themenfeld zählte die Polizeibeauftrag- ergab – nach Beratung durch die Bürgerbeauftrag- te im Berichtszeitraum acht Eingaben. Beispiel- te für soziale Angelegenheiten –, dass der Petent haft wandte sich im November 2018 ein Anwärter wegen des Bachelorabschlusses an der FHVD kei- zum Polizeikommissar zunächst vertraulich an die nen Anspruch mehr hatte. Als Alternative beriet die Polizeibeauftragte, da er Zweifel an seiner Berufs- Polizeibeauftragte den Polizeidienstanwärter über wahl hatte.50 Dies belastete ihn sehr. Nachdem sich einen möglichen Studienkredit, den er schließlich seine Ausbildung zunächst auf die Vermittlung von auch in Anspruch nahm. Im Mai 2019 teilte der theoretischem Wissen an der Fachhochschule für Polizeidienstanwärter der Polizeibeauftragten mit, Verwaltung und Dienstleistung (FHVD) in Altenholz dass er sich nun zu einer Kündigung entschlossen beschränkt hatte, hatte er inzwischen durch die habe. Die Ausbildung wolle er aber auf jeden Fall Teilhabe am praktischen Polizeidienst auf einem beenden und anschließend zum Wintersemes- städtischen Revier konkret erfahren, wie sein zu- ter 2019/2020 ein Lehramtsstudium beginnen. künftiger beruflicher Alltag aussehen würde. Dabei hatte er sowohl die empfundene psychische Belas- Nach erfolgreich absolvierter Abschlussprüfung tung als auch das innerpolizeiliche Miteinander als und Erwerb des Bachelor „Polizei“ kündigte der schwierig erlebt. Der Petent dachte darüber nach, Petent. Auf entsprechenden Antrag wurde dem Pe-

50 Vgl. Fallbeispiel 3 „Zweifel an der Berufswahl“, S. 54. 51 Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die .

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 39 tenten der festgelegte Rückzahlungsbetrag mit Be- Fil) am 1. Oktober 2019 die im ersten Berichtszeit- scheid der PDAFB vom 14. November 2019 zinslos raum gewonnen Erkenntnisse zu Problematiken gestundet. Die Stundung erfolgte unter anderem bei Stellenbesetzungsverfahren umfangreich in die unter der Bedingung, dass er nach Abschluss des polizeiliche Organisation einbringen konnte. Studiums und ggf. eines anschließenden Vorbe- reitungsdienstes unverzüglich in den öffentlichen 5.7 Wohnraumarbeit Dienst eintritt. Im Bescheid war zudem aufgeführt, dass ein Verzicht auf die Rückzahlungsforderungen Im Herbst 2019 baten innerhalb weniger Wochen erst dann endgültig rechtswirksam wird, wenn die- – unabhängig voneinander – drei Petenten aus se und weitere Bedingungen eingehalten werden. unterschiedlichen Polizeibehörden bei der Polizei- beauftragten um Beratung und Unterstützung in Bei Redaktionsschluss befand sich der ehemalige Zusammenhang mit ihren Anträgen auf Einrichtung Polizeidienstanwärter bereits im dritten Semester eines Wohnraumarbeitsplatzes. des Lehramtsstudiums. Er berichtete der Polizei- beauftragten, dass der Berufswechsel für ihn die Dabei beschwerten sich alle drei Petenten im We- richtige Entscheidung war. sentlichen darüber, dass über ihre Anträge aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht entschie- Als Beispiel für Eingaben im Einstellungsverfahren den worden war. Im Falle eines Petenten erreichte ist der Fall eines Petenten zu nennen, der im Rah- dessen Antrag gar nicht erst das LPA: Der Petent men der üblichen polizeiärztlichen Beurteilung52 erhielt seinen Antrag von seiner Behördenleitung aufgrund seiner wahrheitsgemäßen Angabe, vor mit der Erklärung zurück, es gebe einen Beschluss mehreren Jahren einmalig Cannabis probiert zu auf Behördenleiter*innenebene, dass „derartige haben, zunächst als polizeidienstuntauglich abge- Anträge bis auf Weiteres abzulehnen seien“. Im lehnt wurde. Die Polizeibeauftragte beriet diesen zweiten Fall kam es zwar zunächst zu einer inhalt- Petenten, der daraufhin gegen die Ablehnung er- lichen Befassung mit dem Antrag des Petenten. Als folgreich Widerspruch einlegte.53 man sich dann aber hinsichtlich des zeitlichen Um- fangs der beantragten Wohnraumarbeit zunächst 5.6 Stellenbesetzungsverfahren nicht einigen konnte, erfolgte über Monate keine Bescheidung. In einem dritten Fall wurde die Ent- Zum Bereich Stellenbesetzungsverfahren gingen gegennahme des Antrags des Petenten mit dem bei der Polizeibeauftragten in diesem Berichts- Hinweis abgelehnt, dass das zuständige Sachge- zeitraum insgesamt sechs Eingaben ein. Hier liegt biet im LPA derartige Anträge aktuell „auf Eis legen demnach – im Gegensatz zum Vorberichtszeit- solle“. raum54 – kein inhaltlicher Schwerpunkt mehr vor. Berichtenswert ist der Umstand, dass die Polizei- Alle drei Petenten bemängelten eine fehlende beauftragte bei einem Experteninterview für das Transparenz und empfanden den Umgang mit ihrem „Projekt Fortentwicklung in der Landespolizei“ (Pro- Anliegen als Ausdruck mangelnder Wertschätzung.

52 Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 der Polizeilaufbahnverordnung Schleswig-Holstein kann in eine Laufbahn der Fachrichtung Polizei ein- gestellt werden, wer u. a. polizeidiensttauglich ist. Ob jemand polizeidiensttauglich ist, wird durch den ärztlichen Dienst der Polizei festgestellt. 53 Vgl. Fallbeispiel 1 „Polizeidienstuntauglichkeit nach einmaligem Cannabiskonsum?“, S. 49. 54 Oktober 2016 bis September 2018.

40 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Rechtsgrundlage für die Möglichkeit, in der Lan- tenden Vereinbarung bzw. die Ausgestaltung einer desverwaltung Schleswig-Holstein einen Teil seiner Vereinbarung speziell für die Polizei59 geplant sei, wöchentlichen Arbeit in der Form von Wohnraum- weil die aktuelle „59er-Vereinbarung“ der Polizei arbeit zu verrichten, ist eine vom Land Schleswig- (als Teil der Landesverwaltung) ein zu hohes Maß Holstein mit den Spitzenorganisationen der Ge- an Flexibilität abverlange. Die spezifischen Belange werkschaften getroffene Vereinbarung zu „Mobiler und Interessen der Polizei fänden in der geltenden Arbeit“ und „Wohnraumarbeit“55. Ziel dieser Ver- Vereinbarung nicht hinreichend Berücksichtigung. einbarung ist es, die flexiblen Arbeitsformen zu Gleichwohl solle und müsse aber auch weiterhin fördern und so zu gestalten, dass zwischen den eine Bescheidung von Verlängerungs- und auch Interessen der Beschäftigten auf der einen Seite Neuanträgen erfolgen, da es ja mit der Vereinba- und den Interessen der Dienststelle auf der ande- rung eine geltende Rechtsgrundlage gebe. ren Seite ein ausgewogenes Verhältnis besteht. Entscheidend dabei ist, dass flexibles Arbeiten auf Der zuständige Dezernatsleiter sicherte glaubhaft dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht. Es besteht zu, dass es keinesfalls darum gehe, Wohnraum- kein Rechtsanspruch darauf.56 Umgekehrt können arbeit zu verhindern. Ganz im Gegenteil: Flexibles Beschäftigte auch nicht zur Wohnraumarbeit ver- Arbeiten werde auch in der Polizei ausdrücklich pflichtet werden.57 begrüßt. Allerdings brauche es eine auch für die Polizei mit ihren spezifischen Belangen passende Des Weiteren regelt die Vereinbarung u. a. das Ver- Rechtsgrundlage. Verlängerungsanträgen, also fahren der Antragstellung, die Voraussetzungen für Anträgen von Mitarbeiter*innen, die bereits Wohn- eine Genehmigung sowie das Vorgehen bei einer raumarbeit leisteten, sollte auch vor dem Hinter- Nicht-Befürwortung des Antrages. grund der geplanten Überarbeitung der Rechts- grundlage grundsätzlich stattgegeben werden. In Hinblick darauf, dass alle drei Petenten bei Dies sollte jedoch zunächst befristet geschehen, der Polizeibeauftragten monierten, dass ihre An- um über eine weitere Verlängerung dann eventu- träge aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht ell schon auf Grundlage der geplanten „57er-Ver- beschieden, also auch nicht unter Angabe einer einbarung“ entscheiden zu können. In Bezug auf Begründung abgelehnt wurden, nahm die Polizei- Neuanträge wolle man auf der nächsten Behörden- beauftragte Kontakt zu LPA 358 auf. Dort erhielt leiter*innenbesprechung abstimmen, wie bis zum sie die Auskunft, dass eine Überarbeitung der gel- Inkrafttreten einer „57er-Vereinbarung“ mit diesen

55 Vereinbarung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften nach § 59 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Personalräte (Mitbestimmungsgesetzes Schleswig-Holstein – MBG Schl.-H.) vom 11. Dezember 1990 (GOVBl. Schl.-H. S. 577) über Rahmenbedingungen für flexible Arbeitsformen in der Landesverwaltung Schleswig-Holstein „Mobile Arbeit“ und Wohnraumarbeit“. 56 Vgl. Ziff. 2 der Vereinbarung. 57 Vgl. Ziff. 7.2 der Vereinbarung. 58 Die Abteilung 3 des Landespolizeiamtes ist zuständig für Personalangelegenheiten und damit auch für die Bearbeitung von Anträgen in Zusammenhang mit „Mobiler Arbeit“. 59 Dies ist zulässig gemäß Ziffer 3 der Vereinbarung. Danach gelten die geregelten Grundsätze für die Landesbehörden in Schleswig-Holstein, also auch für die Behörden der Landespolizei. Jedoch können die einzelnen Dienststellen durch Dienst- vereinbarung gemäß § 57 Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein (MBG) unter Berücksichtigung ressortspezifischer Belange diese Vereinbarung ausgestalten. So können in einer „57er-Vereinbarung“ etwa Aufgabenbereiche oder Tätigkeiten, die sich nicht für „Flexibles Arbeiten“ eignen, festgelegt werden.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 41 zu verfahren sei. Geplant sei, dass zunächst nur be- Wohnraumarbeitsvereinbarungen angeordnet, um fristete Bewilligungen erteilt werden.60 zunächst die entstandene Finanzierungslücke zu schließen. Am Ende dieser Information folgte ein Der Dezernatsleiter bat darum, dass die Petent*in- aus Sicht der Polizeibeauftragten sehr positives nen, deren Anträge das LPA erst gar nicht erreicht und wichtiges Signal, nämlich der ausdrückliche hatten, ihre Anträge noch einmal auf dem Dienst- Hinweis, dass die Landespolizei sich unverändert weg an das LPA mit dem Hinweis an ihre Vorgesetz- zu der Vereinbarung – und damit zur Wohnraumar- ten richteten, dass die Polizeidirektionen die Anträ- beit – bekennt. Bereits wenige Wochen später teilte ge nicht einfach zurückhalten dürften, sondern sie das LPA mit, dass nunmehr die Weiterbearbeitung mit einer individuellen inhaltlichen Stellungnahme der inzwischen gestellten Anträge erfolge, da ein an das LPA 3 zur Bescheidung weiterleiten müssten. Ausstattungspaket für zusätzliche 70 Wohnraum- arbeitsplätze habe generiert werden können. Dem Petenten, dessen Antrag aufgrund eines in- haltlichen Dissenses in Bezug auf den Umfang der Weitere Eingaben im Kontext mit Wohnraumarbeit beantragten Wohnraumarbeit nicht beschieden sind bei der Polizeibeauftragten bis Oktober 2020 wurde, riet die Polizeibeauftragte unter Hinweis nicht eingegangen. Dies dürfte aus Sicht der Poli- auf das Freiwilligkeitsprinzip und den mangelnden zeibeauftragten auch auf die über das polizeiliche Rechtsanspruch, sich in eine konstruktive Nachver- Intranet geschaffene Transparenz zurückzuführen handlung mit dem Dienstherrn zu begeben. sein.

Am Ende konnten alle drei Petitionen mit positivem 5.8 Dienstleistungszentrum Personal Ergebnis abgeschlossen werden, sei es dadurch, dass Wohnraumarbeit am Ende doch bewilligt wur- Im Berichtszeitraum bezogen sich drei Eingaben61 de, oder dass Transparenz geschaffen wurde über von Polizeibeschäftigten auf Probleme mit dem die Verfahrensabläufe und die im Hintergrund lau- Dienstleistungszentrum Personal (DLZP). Dabei fende Dynamik im Kontext mit der Überarbeitung ging es im Kern um eine teils schlechte Erreichbar- der Rechtsgrundlage. keit des DLZP bzw. der dort zuständigen Ansprech- partner*innen, mangelhafte Kommunikation (keine Unabhängig von den drei hier vorgestellten Einga- Rückrufe, keine Antworten auf teils von Rechtsan- ben wurden im September 2020 die Beschäftigten wält*innen verfasste Schreiben) sowie mangelnde der Landespolizei vom LPA über das polizeiinterne Transparenz und Verständlichkeit insbesondere in Intranet über den allgemeinen Stand in Sachen Bezug auf ergangene Bescheide. Die Polizeibeauf- Wohnraumarbeit informiert. Danach wurden seit tragte konnte darauf hinwirken, dass die Vorgänge Herbst 2017 im Zuständigkeitsbereich der Landes- der Petent*innen weiterbearbeitet und die Fragen polizei landesweit rund 250 Wohnraumarbeits- der Betroffenen beantwortet wurden. plätze eingerichtet, was zu einer Überschreitung des finanziellen Rahmens geführt habe. Es wurde In einem Fall war die Petentin, Tarifbeschäftigte bei deshalb ein Bearbeitungsstopp in Bezug auf Neu- der Landespolizei, rückwirkend in eine höhere Ent- anträge sowie Verlängerungen bereits bestehender geltgruppe eingruppiert worden. Dementsprechend

60 Dieses Vorgehen wurde nach Kenntnis der Polizeibeauftragten später auf der Behördenleiter*innenbesprechung auch beschlossen. 61 Vgl. auch Fallbeispiel 8 „Streit mit dem Dienstleistungszentrum Personal über die Vergütung von Mehrarbeitsstunden“, S. 70.

42 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 stand ihr eine Nachzahlung von Bezügen zu. Aller- sorgungsrechner Fragen stellten. Außerdem ging dings war die Höhe der bereits ausgezahlten Nach- es dem Petenten darum, eine verbindliche Aus- zahlung weder für sie noch für den beauftragten kunft über die Höhe seiner Versorgung zu erhalten. Rechtsanwalt nachvollziehbar, da die zugrundelie- Auf der Internetseite des Versorgungsrechners wird genden Nachberechnungsbescheide unverständ- jedoch gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass lich waren. Zudem meinte die Petentin, dass ein man beachten möge, dass sich aus den durchge- Zeitraum noch gar nicht nachvergütet worden sei, führten Berechnungen keine Rechtsansprüche ihr also noch eine weitere Teilzahlung zustünde. herleiten ließen. Die dort erteilten Auskünfte ha- ben lediglich informativen Charakter und sollen Die Polizeibeauftragte begleitete diese Petentin als Hilfe für weitere persönliche Planungen dienen. zu einem Gespräch mit dem zuständigen Sachbe- Der Petent unternahm infolgedessen mehrfach den arbeiter ins DLZP. Dort ließ sich anhand von inter- Versuch einer telefonischen Kontaktaufnahme zum nen Berechnungen nachvollziehen, dass die Höhe DLZP. Als dies nicht zum Erfolg führte, schrieb er der geleisteten Nachzahlung korrekt war und die dem für ihn zuständigen Mitarbeiter eine E-Mail. übersandten Nachberechnungsbescheide auch Auch hierauf erhielt er keine Antwort. vollständig waren. Die von der Petentin anfangs als noch ausstehend erachtete Zahlung war ebenfalls Die Polizeibeauftragte konnte erreichen, dass das bereits ausgezahlt worden – aus sozialversiche- Anliegen des Petenten vom DLZP weiterbearbeitet rungsrechtlichen Gründen allerdings aufgeteilt auf und seine Fragen beantwortet wurden. Ihm wurde zwei Zahlungen bzw. zwei Monate. In der Gesamt- geraten, einen Antrag auf Versorgungsauskunft zu summe war zudem eine zunächst nicht „erkannte“ stellen. Dies tat der Petent. Einige Wochen später Jahressonderzahlung enthalten gewesen. Am Ende berichtete er der Polizeibeauftragten, inzwischen des Gespräches war vollständige Transparenz her- alle gewünschten Informationen bekommen zu ha- gestellt, die Zweifel der Petentin waren ausgeräumt ben. und alle zuvor offenen Fragen geklärt.

In dem anderen Fall beschwerte sich ein kurz vor dem Ruhestand stehender Polizeibeamter über eine mangelhafte Erreichbarkeit und mangelnde Serviceorientiertheit des DLZP. Hintergrund für die- ses Vorbringen war, dass der Beamte kurz vor sei- ner Pensionierung noch nicht wusste, was ihm als Pensionär künftig monatlich an Versorgung zur Ver- fügung stehen würde. Von Vorgesetzten bzw. dem Dienstherrn sei er immer nur an den sogenannten „Versorgungsrechner“ weiterverwiesen worden, einen Online-Rechner, mit dessen Hilfe (künftige) Versorgungsempfänger*innen ihre Versorgung sel- ber ermitteln können.

Im Falle des Petenten gab es allerdings einige Be- sonderheiten im Bezüge- bzw. Versorgungsverlauf (u. a. in Zusammenhang mit der Anrechnung von Vordienstzeiten), so dass sich dem Petenten be- reits bei der Eingabe der korrekten Daten im Ver-

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 43 III. Das Initiativrecht der Polizeibeauftragten

Die Beauftragte für die Landespolizei kann nach zips als Initiativsache auf und suchte unter ande- pflichtgemäßem Ermessen aufgrund eigener Ent- rem das Gespräch mit der Fachbereichsleitung scheidung tätig werden, wenn ihr Umstände be- „Eingriffsrecht“ der PDAFB. Sie erhielt die Auskunft, kannt werden, die den Aufgabenbereich berühren dass das Legalitätsprinzip auch im Kontext mit (§ 16 Abs. 5 BüPolBG). Diese gesetzliche Regelung innerdienstlichen Vorgängen bereits ausführlich regelt das sog. Initiativrecht der Polizeibeauftragten, und auch fächerübergreifend erörtert werde, man das aus den parlamentarischen Befugnissen abge- aber die Fachlehrer*innen weiterhin sensibilisieren leitet ist. Das Initiativrecht eröffnet der Polizeibe- werde. Man weise die Polizeivollzugsdienstanwär- auftragten somit einen dritten Weg, tätig zu werden. ter*innen durchaus auch auf die Möglichkeit hin, sich bei innerdienstlichen Problematiken an die Po- Im Berichtszeitraum Oktober 2018 bis September lizeibeauftragte wenden zu können, stelle aber klar, 2019 hat die Polizeibeauftragte drei Mal ihr Initia- dass sie bei Mitteilung möglicher strafbarer Hand- tivrecht wahrgenommen. Dabei ging es um folgen- lungen von Kolleg*innen ausschließlich gegenüber de Themen: der Polizeibeauftragten dem Legalitätsprinzip nicht gerecht werden. Diese Rechtsaufassung vertritt 1. Das Legalitätsprinzip in der polizeilichen auch die Polizeibeauftragte. Der Weg von Polizei- ­Ausbildung beamt*innen zur Beauftragten befreit diese nicht vom Strafverfolgungszwang. Im Berichtszeitraum haben Polizeivollzugsdienst- anwärter*innen der PDAFB62 der Polizeibeauf- In der polizeilichen Alltagsrealität ist allerdings die tragten wiederholt von Unsicherheiten bei der gewählte Alternative zur offenen Mitteilung straf- Anwendung des Legalitätsprinzips63 im Kontext barer Handlungen von Kolleg*innen bei der Aus- innerdienstlicher Angelegenheiten berichtet. Die übung von Dienstgeschäften unter Umständen Unsicherheiten waren sowohl Gegenstand von Ein- auch ein Schweigen. Insbesondere für Polizeivoll- gaben als auch von Fragen im Rahmen der Vorstel- zugsdienstanwärter*innen im Praktikum ist eine lung der Arbeit der Polizeibeauftragten in den Aus- offene Mitteilung – möglicherweise vor dem Hinter- bildungsklassen. grund, dass dienstältere Kolleg*innen „wegschau- en“ – in der innerdienstlichen Dynamik schwierig Beispielhaft sei der hypothetische Fall genannt, bzw. wird von den Betroffenen als „nicht machbar“ dass ein*e Auszubildende*r im Berufspraktikum eingeschätzt. feststellt, dass ein*e Kolleg*in wiederholt im Dienst alkoholisiert den Streifenwagen fährt. Hier wurde Im Kontext dieser Gewissensentscheidung bie- von den Anwärter*innen die Frage aufgeworfen, ob tet sich zumindest die Möglichkeit an, sich an die Polizeivollzugsbeamt*innen dem Legalitätsprinzip Polizeibeauftragte zu wenden. Grundsätzliches Ziel auch gerecht werden, wenn sie das festgestellte ihrer Beratung ist dabei, die Polizeibeamt*innen Verhalten der Polizeibeauftragten mitteilen. bzw. Anwärter*innen so zu stärken, dass sie – ggf. auch mit Begleitung der Polizeibeauftragten – eine Die Polizeibeauftragte griff diese Verunsicherung Entscheidung für eine offene Mitteilung treffen. Im im Hinblick auf die Bedeutung des Legalitätsprin- Ausnahmefall hat die Polizeibeauftragte aber auch

62 Vgl. Fn. 51. 63 Gemäß § 163 Abs. 1 Strafprozessordnung unterliegen Polizeibeamt*innen dem Strafverfolgungszwang. Sie sind beim Verdacht einer Straftat verpflichtet, diese zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunklung der Sache zu verhüten.

44 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 die Möglichkeit, eine Überprüfung von Sachver- ten begegnen im Kontext mit der Thematik „Re- halten ohne Namensnennung der Mitteilenden zu monstration“ immer wieder Sachverhalte, in denen bewirken.64 Damit kommen die Mitteilenden ihrem in derartigen Fällen zwar remonstriert wurde, dies Strafverfolgungszwang zwar nicht nach65, es kann allerdings nur mündlich, so dass am Ende mangels der polizeilichen Organisation aber die Möglichkeit Beweisbarkeit eine Selbstentlastung der Betroffe- einer Prüfung des Sachverhaltes bieten, der ande- nen nicht gelang. renfalls nur weiter verschwiegen würde. Dies könn- te im hypothetischen Beispielsfall weitere Streifen- Die Regelungen zur Remonstration finden sich in fahrten im alkoholisierten Zustand verhindern und § 36 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Danach zudem auch die Möglichkeit bieten, der*dem dann tragen Beamt*innen für die Rechtmäßigkeit ihrer betroffenen Kolleg*in die erforderliche Hilfe hin- dienstlichen Handlungen die volle persönliche sichtlich seiner*ihrer Suchterkrankung zukommen Verantwortung. Bedenken gegen die Rechtmäßig- zu lassen. keit dienstlicher Anordnungen haben Beamt*innen unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu ma- Von großer Bedeutung ist der Umstand, dass die chen. Wird die Anordnung danach aufrechterhalten, Polizeibeauftragte und ihre Mitarbeiterinnen vom haben die Betroffenen sich, wenn ihre Bedenken Legalitätsprinzip befreit sind und der Vertraulich- fortbestehen, an die*den nächsthöhere*n Vorge- keit unterliegen. Die Polizeibeamt*innen belasten setzte*n zu wenden. Wird die Anordnung daraufhin sich folglich bei einer Mitteilung ihr gegenüber bestätigt, müssen die Beamt*innen sie ausführen, nicht selbst. Dies wird aber in der Praxis der Fall sie sind dann aber von der eigenen Verantwortung sein, wenn sie das strafbare Verhalten von Kol- befreit.66 Die Beamt*innen müssen die fragliche leg*innen der polizeilichen Organisation erst ver- Anordnung indes nicht ausführen, wenn das aufge- spätet mitteilen. Denn diese Entscheidung werden tragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt Polizeibeamt*innen unter Umständen erst nach oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Straf- Tagen bzw. Wochen entsprechender Bedenkzeit barkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamt*in- treffen und nicht unmittelbar nach der Feststellung. nen erkennbar ist.67 Wichtig ist vor allem, dass Re- Die Mitteilung müsste aber unmittelbar erfolgen, monstrierende einen Anspruch darauf haben, das um dem Legalitätsprinzip gerecht zu werden. die Bestätigung der fraglichen Anordnung durch die*den nächsthöhere*n Vorgesetzte*n schriftlich Im Kontext mit dem Legalitätsprinzip und den damit erfolgt.68 Dementsprechend begeht die*der Vorge- unter Umständen einhergehenden Loyalitätskon- setzte eine Pflichtverletzung, wenn sie*er der*dem flikten kommt dem Instrument der beamtenrecht- Remonstrierenden eine schriftliche Bestätigung lichen Remonstration eine besondere Bedeutung verweigert. zu – dies insbesondere in Fällen, in denen Polizei- beamt*innen von Vorgesetzten eine Weisung erhal- Die Remonstration ist folglich das beamtenrecht- ten, die sie umsetzen sollen, deren Rechtmäßigkeit lich vorgesehene Verfahren in Zusammenhang mit sie aber für fraglich erachten. Der Polizeibeauftrag- dem Umgang mit (mutmaßlich) rechtswidrigen An-

64 Nach § 15 Abs. 1, Satz 3 BüPolBG sind vertrauliche Beschwerden und Eingaben an die Beauftragte für die Landespolizei, bei denen die oder der Betroffene ausdrücklich um Geheimhaltung seiner Person ersucht, zulässig. 65 Siehe Fn. 63. 66 Vgl. § 36 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 BeamtStG. 67 § 36 Abs. 2 Satz 4 BeamtStG. 68 § 36 Abs. 2 Satz 5 BeamtStG.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 45 ordnungen. Beamt*innen, die remonstrieren, sind waren oder zu fallen drohten. So konnte in einem deshalb keine Querulant*innen, sondern verhalten Fall dem Beamten nach einem im Einsatz erlittenen sich rechtskonform im Sinne des Beamtenrechts. Biss durch eine Beschuldigte im gerichtlichen Ver- fahren kein Schmerzensgeldanspruch zugespro- chen werden, da die Beschuldigte für schuldunfä- Empfehlung: hig befunden worden war.70 In einem anderen Fall wurde einem Beamten nach einem tätlichen rechts- Die Polizeibeauftragte empfiehlt, das Mittel der widrigen Angriff ein Schmerzensgeld im Prozess Remonstration bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit zwar zugesprochen. Auf den Antrag des Beamten von Anordnungen konsequent zu nutzen. Wichtig nach § 83a LBG71 erfolgte aber seitens des Dienst- ist, dass dies bereits in der Ausbildung vermittelt herrn der Hinweis auf die vom Gesetz geforderten, wird und generell Führungskräfte eine entspre- aber aufgrund der Wohnungslosigkeit des Beschul- chende Akzeptanz fördern. Es muss hierbei ver- digten unmöglichen Vollstreckungsversuche. Der mittelt werden, dass die Remostration kein Akt des Dienstherr übernahm das Schmerzensgeld daher dienstlichen Ungehorsams, sondern ein wichtiges zunächst nicht.72 In einem dritten Beispielsfall wur- Instrument der internen Rechtskontrolle ist. Um ein de eine nachweislich durch massive dienstliche Be- Verfahren auch noch im Nachhinein nachvollziehen lastungen ausgelöste Erkrankung eines Beamten zu können, sollte eine Remonstration immer schrift- nicht als Dienstunfall anerkannt.73 lich erfolgen. Die Beweisfunktion der Schriftlichkeit kommt insbesondere dem*der Remonstrierenden Eine Fürsorgelücke besteht nach Bewertung der zugute, sollte diese*r den Nachweis ihrer*seiner Polizeibeauftragten auch für Beamt*innen, bei Selbstentlastung führen müssen. denen eine Corona-Infektion nicht als Dienstunfall anerkannt wird.74

Die Polizeibeauftragte empfahl bereits in ihrem 2. Härtefallregelungen als Teil der gesetzlichen ersten Bericht eine Überarbeitung des § 83a LBG.75 Fürsorge des Dienstherrn Als weitere Konsequenz aus diesen Fällen entstand eine Initiativsache der Polizeibeauftragten, die das Bereits im ersten Berichtszeitraum69 war die Poli- Ziel verfolgt, die Schaffung geeigneter Regelungen zeibeauftragte mit verschiedenen Eingaben befasst, zu erreichen, damit Härtefälle künftig nicht mehr in denen die Petent*innen nach einer im Dienst er- durch das Fürsorgenetz des Dienstherrn fallen. In littenen Verletzung oder Erkrankung aus verschie- diesem Zusammenhang führt die Polizeibeauf- denen Gründen durch das Netz der gesetzlichen tragte auch Gespräche mit der Gewerkschaft der Regelungen zur Fürsorge des Dienstherrn gefallen Polizei (GdP), welche sich ihrerseits – parallel zur

69 Oktober 2016 bis September 2018. 70 Vgl. Tätigkeitsbericht 2016 bis 2018, S. 41. 71 Nach § 83a LBG kann der Dienstherr Schmerzensgeldansprüche, die Beamt*innen nach einem tätlichen rechtswidrigen Angriff zugesprochen worden sind, anstelle des*der Anspruchsschuldner*in (Beschuldigten) erfüllen. Danach geht der Anspruch gegen die Beschuldigten auf den Dienstherrn über. 72 Vgl. Tätigkeitsbericht 2016 bis 2018, S. 40. 73 Vgl. Tätigkeitsbericht 2016-2018, Fallbeispiel 4, S. 77 ff. 74 Vgl. hierzu Teil 2, II „Eingaben aus der Polizei“ Nr. 5.6, S. 100. 75 Vgl. Tätigkeitsbericht 2016 bis 2018, S. 41.

46 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Polizeibeauftragten – ebenfalls für dieses Anliegen keit der Landespolizei insgesamt und/oder ihr An- stark macht. Leider sind bisher weder die Vorschlä- sehen in der Öffentlichkeit zu gefährden.79 Hierzu ge der GdP noch die der Polizeibeauftragten von erfolgen seitens der nachgeordneten Ämter und der Politik umgesetzt worden. Das Anliegen wird Behörden regelmäßig quantitative sowie unter deshalb mit Nachdruck weiterverfolgt. Umständen auch qualitative Meldungen über rele- vante Sachverhalte an das zuständige Referat der Die Polizeibeauftragte verweist an dieser Stelle Polizeiabteilung.80 ausdrücklich auf Ihre Empfehlungen im ersten Tä- tigkeitsbericht76 und drängt darauf, dass die Frage Bei der Einrichtung der Ermittlungseinheit D.I.V.E. einer Überarbeitung des § 83a LBG sowie die Über- geht es inhaltlich um Ermittlungen gegen Bediens- legungen zur Schaffung einer Härtefallregelung von tete der Landespolizei. Diese werden regelmäßig der Politik nunmehr zeitnah aufgegriffen werden. – und grundsätzlich auch weiterhin – in den Ämtern und Behörden von den dafür zuständigen Organi- sationseinheiten durchgeführt. Mit der Ermittlungs- 3. RADAR und D.I.V.E. einheit D.I.V.E. wurde nunmehr aber eine zentrale Ermittlungseinheit geschaffen, die, so lautet es im Als eine Konsequenz der Handlungsempfehlungen zuvor genannten Erlass, „temporär und auf Anord- des Sonderbeauftragten Klaus Buß im Zusammen- nung der Leitung der Polizeiabteilung tätig wird, hang mit den Vorwürfen gegenüber der Landes- wenn mittels des Frühwarnsystems RADAR ein polizei im Rahmen von Rockerkriminalität77 hat die Verfahren identifiziert wird, dessen Bearbeitung Landespolizei ein Frühwarnsystem zur Erstellung in Abhängigkeit etwa zur Konflikttiefe oder -breite und Auswertung eines Lagebildes „RADAR Polizei- oder wegen anderer bedeutender Faktoren aus der interne Vorgänge“ sowie eine Ermittlungseinheit polizeilichen Organisation herausgelöst und in die „D.I.V.E“ (Dienststelle Interne Vorgänge Ermittlun- Verantwortung der Polizeiabteilung ins Innenminis- gen) in der Polizeiabteilung des Innenministeriums terium verlagert werden soll.“81 installiert. Beide Instrumente sind durch Erlasse geregelt78 und seit Oktober 2019 in Kraft. Der Polizeibeauftragten wurde im Vorfeld der Ein- führung von RADAR und D.I.V.E. seitens der Landes- Mit dem Frühwarnsystem RADAR verfolgt die Lan- polizei die Möglichkeit einer Stellungnahme einge- despolizei das Ziel, frühzeitig auf Sachverhalte auf- räumt. Hiervon hat die Polizeibeauftragte Gebrauch merksam zu werden und in der Folge reagieren zu gemacht und sich auch mit den Gewerkschaften können, wenn diese aufgrund eines dienstlichen ausgetauscht. Seither besteht ein laufender Dialog Fehlverhaltens geeignet sind, die gute Zusammen- zwischen Polizeibeauftragter und Landespolizei mit arbeit innerhalb der Landespolizei zu beeinträchti- wiederkehrenden Gesprächen zum Austausch von gen oder gar – im Falle gravierender Dienstpflicht- Erfahrungen, aber auch mit Blick auf Überarbeitun- verletzungen oder Straftaten – die Funktionsfähig- gen und Weiterentwicklungen der Instrumente.

76 Wie vor. 77 Im Rahmen einer Pressekonferenz am 6. Juli 2018 der Öffentlichkeit vorgestellte Handlungsempfehlungen des Sonder­ beauftragten Klaus Buß gegenüber dem Innenminister auf der Grundlage der Ergebnisse seiner Untersuchung. 78 Vgl. Erlass IV 40 – 12.40.01 (RADAR) sowie IV 40 – 12.40.02 (D.I.V.E.), jeweils vom 1. September 2019. 79 Vgl. Erlass IV 40 – 12.40.01, S. 1 f. 80 Vgl. Erlass IV 40 – 12.40.01, S. 2 ff. 81 Vgl. hierzu Erlass IV 40 – 12.40.02, S. 2.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 47 02 Fallbeispiele

48 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Fall 1

Polizeidienstuntauglichkeit nach einmaligem Cannabiskonsum?

Ein Petent bat die Polizeibeauftragte um Beratung häuften Beschwerden und sogar zur frühzeitigen und Unterstützung in Zusammenhang mit seiner Einschränkung der Dienst- und Leistungsfähigkeit Bewerbung um einen Ausbildungsplatz bei der bis hin zur frühzeitigen Dienstunfähigkeit führen. Landespolizei. Dort hatte der Petent im Rahmen Der Bewerber habe angegeben, in der Vergangen- der üblichen polizeiärztlichen Beurteilung82 in sei- heit Cannabis konsumiert zu haben. Deshalb sei ner Selbstauskunft wahrheitsgemäß angegeben, er nach Maßgabe der PDV 30083 abschließend als mehrere Jahre zuvor einmalig Cannabis ausprobiert polizeidienstuntauglich zu qualifizieren. Eine - er zu haben. Danach habe der Petent nie wieder Dro- neute Bewerbung für die Landespolizei sei nicht gen zu sich genommen. aussichtsreich.

Die Polizeiärztin erachtete den Petenten gleich- Ein Bewerber ist als polizeidienstuntauglich zu be- wohl für polizeidienstuntauglich. In ihrem Ableh- urteilen, wenn ein oder mehrere die Polizeidienst- nungsschreiben verwies die Werbe- und Einstel- tauglichkeit ausschließende Merkmale festgestellt lungsstelle der Landespolizei entsprechend darauf, werden, welche in der Anlage 1.1 zur PDV 300 auf- dass der Petent nach Einschätzung des polizeiärzt- geführt sind.84 Danach führen bereits „Hinweise lichen Dienstes die für den Polizeiberuf geforder- auf Drogengebrauch“ zur Feststellung der Polizei- ten gesundheitlichen Merkmale nicht erfülle. Man dienstuntauglichkeit und damit zur Ablehnung könne seiner Bewerbung daher nicht entsprechen. des*der Bewerber*in.85 Dem Ablehnungsschreiben war ein Schreiben der Polizeiärztin beigefügt, in welchem erläutert wur- Die mit dem Fall des Petenten befasste Polizeiärz- de, dass bei der polizeiärztlichen Untersuchung tin hatte demnach bereits in dem einmaligen und zu beurteilen sei, ob der*die zukünftige Polizei- schon länger zurückliegenden Konsum von Canna- vollzugsbeamt*in den hohen Anforderungen an bis einen solchen Hinweis auf häufigeren oder gar den Gesundheitszustand die gesamte Dienstzeit regelmäßigen Drogenkonsum gesehen. über gerecht werden könne. Dabei könne eine Ge- sundheitsbeeinträchtigung, die zum Belastungs- Mit diesem Ergebnis wollte und konnte der Petent zeitpunkt als beschwerdefrei eingeschätzt werde, sich – nachvollziehbarerweise – nicht abfinden. durch die erhebliche physische Belastung im Poli- Dies umso weniger, als es im Übrigen auch keine zeivollzugsdienst in den folgenden Jahren zu ge- weiteren Umstände gab, aufgrund derer die Polizei-

82 Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 der Polizeilaufbahnverordnung Schleswig-Holstein kann in eine Laufbahn der Fachrichtung Polizei eingestellt werden, wer u. a. polizeidiensttauglich ist. Ob jemand polizeidiensttauglich ist, wird durch den ärztlichen Dienst der Polizei festgestellt. 83 Abkürzung für die Polizeidienstvorschrift 300, der „Vorschrift zur ärztlichen Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit der Polizeivollzugsbeamt*innen (PDV 300)“. 84 Vgl. Ziffer 2.3.3 der PDV 300. 85 Vgl. Ziffer 11.1.3 der Anlage 1.1.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 49 diensttauglichkeit des Petenten hätte in Zweifel ge- zogen werden können.

Auf Anraten der Polizeibeauftragten legte der Pe- tent deshalb gegen den Ablehnungsbescheid der Werbe- und Einstellungsstelle Widerspruch ein und brachte zusätzlich ein hausärztliches Gutachten bei, nach welchem es keinerlei Anhaltspunkte für fort- gesetzten Drogenkonsum bei dem Petenten gab.

Einige Wochen später erhielt der Petent den ersehn- ten Abhilfebescheid der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei. In der Begründung des Bescheides wurde darauf hin- gewiesen, dass sich aus dem vom Petenten nachge- reichten ärztlichen Gutachten ergebe, dass der vom Petenten angezeigte einmalige Cannabiskonsum als „Ausprobieren der Substanz im Freundeskreis“ zu qualifizieren sei. Der Konsum sei laut der Haus- ärztin des Petenten nicht fortgeführt worden. Es gebe keine Anhaltspunkte für Drogenkonsum.

Vor diesem Hintergrund hob die Behördenleitung den Nichtzulassungsbescheid der Werbe- und Einstellungsstelle auf. Der Petent hat in der Folge erfolgreich am weiteren Auswahlverfahren teilge- nommen und mittlerweile seine polizeiliche Ausbil- dung erfolgreich abgeschlossen.

50 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Fall 2

Die versäumte Dienstunfallmeldung

Anfang 2019 meldete sich ein Polizeibeamter bei Nach diesem Ereignis gab es für den Polizisten eine der Polizeibeauftragten mit dem Wunsch nach polizeiinterne Nachbereitung in Form von Gesprä- Transparenz zum Verfahrensstand seines Dienst- chen mit einer als Betreuerin nach belastenden unfallverfahrens, welches mit Dienstunfallmeldung Einsätzen ausgebildeten Kollegin. Zudem war der aus Februar 2018 eingeleitet worden war. Einen Petent einige Tage krankgeschrieben. Im Anschluss schriftlichen Bescheid hierzu hatte der Petent noch kehrte er an seinen Arbeitsplatz im VUD zurück; nicht erhalten. In einem persönlichen Gespräch eine vorsorgliche Dienstunfallmeldung hinsichtlich teilte er mit, dass Hintergrund der Dienstunfall- möglicher späterer psychischer Folgen des Erleb- meldung eine gutachterlich festgestellte posttrau- ten wurde vom Dienstvorgesetzten nicht gefertigt. matische Belastungsstörung (PTBS) ist. Diese war im Dezember 2017 nach seiner mehrmonatigen Er- Einige Wochen später begab sich der Petent erst- krankung festgestellt worden. Zu der Ursache wur- malig wegen auftretender gesundheitlicher Proble- de in einem Gutachten des Universitätsklinikums me – u. a. bildhaftes Wiedererleben des Einsatzes, Schleswig-Holstein aus Februar 2019 ausgeführt: Schlafstörungen – in hausärztliche Behandlung. „Für die PTBS ist, neben dem kumulativen Erleben Dabei wurden Depressionen, nicht aber eine PTBS mehrerer schwerer und tödlicher Verkehrsunfälle festgestellt. In den Folgejahren nahmen die ge- in der langjährigen Dienstzeit, ein eindeutiger Be- sundheitlichen Beschwerden des Polizisten und zug zum Dienstunfallereignis vom 20. Juli 2005 mit damit auch die Krankheitstage zu, bis er im Som- seinem schwerstbelastenden Hergang herstellbar mer 2017 dauerhaft erkrankte. Nach Feststellung und nachvollziehbar“. 2005 war der Polizist als der PTBS hatte der Petent mit Vorliegen des Gut- bereits seit mehreren Jahren tätiger Mitarbeiter achtens erstmals Kontakt zum polizeiärztlichen eines Verkehrsunfalldienstes (VUD) als erste poli- Dienst und erlebte dies hinsichtlich der dienst- zeiliche Einsatzkraft – noch vor Rettungsdienst und lichen Ursache seiner Erkrankung als hilfreich. Feuerwehr – am Ort eines Verkehrsunfalls mit töd- Unterstützt wurde der Polizist als inzwischen An- lichem Ausgang. Die damalige Berichterstattung gehöriger eines städtischen Reviers auch von sei- in den Lübecker Nachrichten zu diesem Unfall war nem Revierleiter, der als Dienstvorgesetzter im überschrieben mit „Horror-Unfall auf A 1: Tod in März 2018 den Untersuchungsbericht zum Dienst- der Feuerhölle“86. Der Petent berichtete dazu, bei unfall gefertigt hatte, um die Anerkennung der ent- seinem Eintreffen am Unfallort habe ein in seinem wickelten PTBS als Dienstunfallfolge zu bewirken. brennenden Fahrzeug eingeklemmter Fahrer eines am Unfall beteiligten PKW noch gelebt und um Hil- Als Reaktion auf die Einleitung des Dienstunfall- fe geschrien. Es sei nicht gelungen, den Fahrer aus verfahrens hatte der Petent nach ca. zwei Monaten seinem Fahrzeug zu befreien, so dass er hilflos das aus dem zuständigen Landespolizeiamt (LPA) ei- Versterben der Person miterleben musste. nen Anruf mit der Mitteilung erhalten, dass die Frist

86 Lübecker Nachrichten vom 21. Juli 2005, S. 5.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 51 zur Mitteilung des Dienstunfalls abgelaufen war, Mit dem Wissen um eine problematische Rechtsla- so dass eine Anerkennung nicht erfolgen könne.87 ge – aber auch mit der Hoffnung auf eine mögliche Obwohl zwischenzeitlich viele Monate vergangen Einzelfall- bzw. Härtefallregelung – wünschte sich waren, hatte der Polizist keine weitere Mitteilung der Polizist bei Kontaktaufnahme zur Polizeibeauf- zum Verfahren erhalten, insbesondere lag ihm auch tragten eine Klärung, ob der Dienstunfall anerkannt kein ablehnender Bescheid vor, gegen den er hätte werden kann. Den schwebenden, für ihn unklaren Rechtsmittel einlegen können. und intransparenten Zustand beschrieb er dabei als sehr belastend. Er erklärte der Polizeibeauftrag- Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche ent- ten, dass es ihm weniger um die finanziellen Kon- stehen können, sind regelmäßig innerhalb einer sequenzen als vielmehr um eine Wertschätzung Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Eintritt des seiner Arbeit gehe, sowie um den Umstand, dass Unfalls zu melden.88 In Ausnahmefällen ist nach er über viele Jahre „den Kopf hingehalten habe“. Ablauf von zwei Jahren noch eine Anerkennung Dabei berichtete der Petent auch, dass er hilfrei- möglich, wenn seit dem Unfall noch nicht 10 Jah- che Unterstützung vom örtlichen Personalrat (ÖPR) re vergangen sind.89 In diesen Fällen muss aber und insbesondere der örtlichen Schwerbehinder- gleichzeitig glaubhaft gemacht werden, „dass mit tenvertretung erhalten hatte und noch erhielt. Er der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfür- wünschte eine Kontaktaufnahme der Polizeibe- sorge begründenden Folge des Unfalles nicht habe auftragten zu der Schwerbehindertenvertretung gerechnet werden können, oder dass die oder der zwecks Abstimmung, was dann auch erfolgte. Berechtigte durch außerhalb ihres oder seines Wil- lens liegende Umstände gehindert worden ist, den Im März 2019 suchte die Polizeibeauftragte zu Unfall zu melden“.90 Die Meldung muss dann, nach- diesem Fall das Gespräch mit dem Landespolizei- dem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf direktor. Sie empfahl ihm, persönlich auf den Fall Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalles zu schauen und die Möglichkeit einer Einzelfall- gerechnet werden konnte oder das Hindernis für regelung zu prüfen. Zudem appellierte sie an den die Meldung weggefallen ist, innerhalb dreier Mo- Landespolizeidirektor, die Dienstvorgesetzten da- nate erfolgen.91 Da der Dienstunfall des Petenten hingehend zu sensibilisieren, dass bei herausra- inzwischen aber auch länger als 10 Jahre zurücklag, genden, belastenden Einsätzen vorsorglich Dienst- half auch diese Ausnahmeregelung dem Petenten unfallmeldungen geschrieben werden. nicht weiter.

87 Vgl. § 51 Beamtenversorgungsgesetz Schleswig-Holstein (SHBeamtVG). 88 Vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 SHBeamtVG. 89 § 51 Nr. 2 Satz 1 SHBeamtVG. 90 Vgl. § 51 Abs. 2 Satz 2 SHBeamtVG. 91 Vgl. § 51 Abs. 2 Satz 3 SHBeamtVG.

52 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Im April 2019 teilte der Landespolizeidirektor mit, Für das Widerspruchsverfahren sowie für mögliche dass die Prüfung im LPA aufgrund der verstriche- Schadensersatzansprüche wegen der unterbliebe- nen Fristen zu einer Ablehnung des Dienstunfalls nen Dienstunfallmeldung beantragte der Petent ge- geführt hatte. Hierzu war auch bereits im Sep- werkschaftlichen Rechtsschutz. Beides wurde nach tember 2018 ein ablehnender Bescheid gefertigt Prüfung durch einen Fachanwalt wegen nicht vor- worden und in die Mitbestimmung gegangen, wo- handener Erfolgsaussichten abgelehnt. raufhin der Hauptpersonalrat (HPR) um eine ergän- zende Stellungnahme gebeten hatte. Aufgrund der Ende August 2019 wurde der Polizist als Ergebnis Verkettung unglücklicher Umstände war dann eine des zeitgleich laufenden Dienstunfähigkeitsverfah- Weiterbearbeitung des Vorgangs nicht erfolgt, so rens in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Da er dass der Petent den Bescheid nicht erhalten hat- sich selber aufgrund der Erkrankung nicht mehr für te. Der Landespolizeidirektor teilte weiter mit, dass dienstfähig hielt, legte er keine Rechtsmittel ein. auch eine aktuelle erneute Prüfung des Vorgangs zur Feststellung der Nichtanerkennung geführt Im Ergebnis musste der Polizeikommissar mit ei- hatte. „Auch wenn der ÖPR und der HPR auf den ner regulären Restdienstzeit von fast vier Jahren Fürsorgegedanken für Einzelfälle verweisen, kann bis zum Erreichen der Pensionsgrenze deutliche nicht anders entschieden werden, da die gesetz- Abzüge der Pensionsbezüge hinnehmen. Zudem lichen Normen dem entgegenstehen“. Dies auch, wurde ihm die gewünschte Wertschätzung durch obwohl er sich aufgrund des „äußerst tragischen Anerkennung des Dienstunfalls nicht zu Teil. Aller- Sachverhalts persönlich ein anderes Ergebnis ge- dings waren für ihn das Wissen um die Bemühun- wünscht hätte“. gen der Personalvertretungen sowie der Polizeibe- auftragten und auch die persönliche Einschätzung Im Juli 2019 erhielt der Polizist den förmlichen Be- des Landespolizeidirektors hilfreich. Gegenüber scheid zur Ablehnung des Dienstunfalls. Gegen der Polizeibeauftragten erklärte er bei Abschluss diesen legte er fristgerecht Widerspruch ein und der Eingabe, dass er sich mit dem Ergebnis ab- begründete diesen auch damit, dass es bei einer gefunden habe und im Sinne einer konstruktiven PTBS als verzögerte Reaktion auf ein belastendes Reaktion zukünftig als Ansprechpartner für Polizei- Ereignis viele Jahre bis zur Diagnosestellung dau- beamt*innen mit ähnlichen Problematiken zur Ver- ern kann. Die Polizeibeauftragte suchte nun noch- fügung stehe. mals das Gespräch mit dem Landespolizeidirektor, um vor dem Hintergrund des Fürsorgegedankens eine positive Regelung für den Polizeibeamten zu erreichen. Unter Verweis auf den anhängigen Rechtsstreit lehnte dieser jedoch ein Tätigwerden seinerseits ab, da dies einen Eingriff in ein laufen- des, förmliches Verfahren bedeutet hätte.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 53 Fall 3

Zweifel an der Berufswahl

Im November 2018 meldete sich ein Anwärter zum sequenzen. Wie alle Polizeidienstanwärter*innen Polizeikommissar mit der Bitte um eine vertrauli- des gehobenen Polizeidienstes war der Petent zu che Beratung an die Polizeibeauftragte. Er berich- Beginn der Ausbildung über eventuelle Rückforde- tete, dass er im August 2016 mit der Ausbildung rungen von Anwärterbezügen und des Anwärter- zum Polizeibeamten des gehobenen Dienstes be- sonderzuschlages aktenkundig belehrt worden. gonnen hatte und sich derzeit im Berufspraktikum auf einem städtischen Revier befinde. Nachdem Die Gewährung von Anwärterbezügen für Anwär- sich die Ausbildung zunächst auf die Vermittlung ter*innen, die im Rahmen ihres Vorbereitungsdiens- von theoretischem Wissen an der Fachhochschule tes ein Studium ableisten, kann von der Erfüllung für Verwaltung und Dienstleistung (FHVD) in Alten- von Auflagen abhängig gemacht werden.92 Diese holz beschränkt hatte, habe er durch die Teilhabe Auflagen umfassen u. a. den Abschluss der Ausbil- am praktischen Polizeidienst nun erst konkret er- dung und eine Mindestdienstzeit von fünf Jahren.93 fahren, wie sein zukünftiger beruflicher Alltag aus- Andernfalls besteht eine Pflicht, die Anwärterbezü- sehen werde. Dies habe ihn an seiner Berufswahl ge zu einem erheblichen Teil zurückzuzahlen.94 zweifeln lassen. So empfinde er sowohl die psychi- sche Belastung – er hatte u. a. bereits einen Einsatz Der Petent führte aus, dass eine finanzielle Unter- in einem Todesermittlungsverfahren – als auch das stützung durch sein Elternhaus nach einer Kündi- innerpolizeiliche Miteinander als schwierig. Der gung nicht möglich sei. Zudem hatte er Sorge, bei erlebte Umgang mit Menschen entspreche nicht einem Studium auf Lehramt keinen Anspruch auf seinen Vorstellungen. Der Petent erklärte, dass er eine Förderung nach dem BAföG zu haben. Inso- bereits aus dem Kolleg*innenkreis gefragt worden fern wären Rückzahlungen im deutlich fünfstel- sei, ob er wirklich Polizist werden wolle. Insofern ligen Bereich sowie der gleichzeitig notwendige sei wohl auch dort eher das Empfinden, dass er in finanzielle Unterhalt für ein Studium für ihn nicht diesem Beruf nicht richtig aufgehoben sei. machbar. Der Petent bat die Polizeibeauftragte um Klärung der finanziellen Auswirkungen im Fall einer Der angehende Polizeibeamte machte der Polizei- Kündigung. Zudem bat er um eine vertrauliche Be- beauftragten deutlich, dass ihn die Zweifel an der arbeitung, da er noch keine abschließende Ent- Berufswahl sehr belasteten. Er gab an, er denke scheidung hinsichtlich einer Kündigung getroffen darüber nach, die Ausbildung abzubrechen und hatte. Er hatte Sorge, dass seine Berufszweifel ihm ein Universitätsstudium auf Lehramt zu beginnen. in diesem Fall im innerdienstlichen Umgang zum Problematisch wären jedoch die finanziellen Kon- Nachteil gereichen könnten.

92 Vgl. § 67 Abs. 5 des Gesetzes des Landes Schleswig-Holstein über die Besoldung der Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter (Besoldungsgesetz Schleswig-Holstein - SHBesG) vom 26. Januar 2012. 93 Vgl. Ziffer 67.5.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Besoldungsgesetz Schleswig-Holstein (SHBesGVwV), Amts- blatt für Schleswig Holstein, Ausgabe Nr. 18 vom 28. April 2017, S. 536 ff. 94 Wie vor.

54 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Bei einer allgemeinen Anfrage an das Innenministe- ständig ist, erhielt die Polizeibeauftragte die In- rium wurde der Polizeibeauftragten mitgeteilt, dass formation, dass bei Aufnahme eines Studiums re- nach einer aktuell in Kraft getreten Vereinbarung gelmäßig eine Stundung der Zahlungen erfolgen mit dem Finanzministerium auf die Rückforderung würde, wenn Anwärter*innen keine finanziellen von Anwärterbezügen bei Antrag auf Entlassung Möglichkeiten für eine Rückzahlung zur Verfügung bis Beendigung des Grundpraktikums95 verzichtet stehen. Sollten die Betroffenen nach ihrem Stu- werden kann. Dies begründet sich damit, dass die dium erneut in den öffentlichen Dienst eintreten, zukünftigen Polizisten*innen dann das erste Mal wäre zudem ein dann folgender Verzicht möglich. Kontakt mit polizeilichen Einsatzlagen haben. Das Grundpraktikum hatte der Petent aber bereits im Die rechtliche Prüfung einer möglichen Ausbil- Jahr 2017 absolviert, so dass er diese Regelung für dungsförderung – hierzu beriet die Bürgerbeauf- sich nicht geltend machen konnte. tragte für soziale Angelegenheiten – ergab, dass der Petent nach seinem Bachelorabschluss an der In weiteren Gesprächen wurde der Polizeibeauf- FHVD in Altenholz keine BAföG-Ansprüche mehr tragten geschildert, dass zum Teil Polizeidienst- haben würde (vgl. § 7 BAföG97). Dabei spielte es anwärter*innen ihre Bachelorarbeit unfertig ab- keine Rolle, dass der Petent für sein Studium an geben oder aber dreimal absichtlich eine Klausur der FHVD gar keine Leistungen nach dem BAföG er- nicht bestehen, damit eine Entlassung von Seiten halten hatte und benötigte – wegen der Anwärter- des Dienstherrn erfolgt. In diesem Fall gibt es keine bezüge, die Studierende während ihres Studiums Rückzahlungsverpflichtung von Anwärterbezügen. an der FHVD erhalten. Maßgeblich für eine Förde- Um dieses Verhalten entbehrlich zu machen, wurde rung nach dem BAföG ist, ob die vorangegangene auch der Wunsch nach der Abschaffung von Rück- Ausbildung abstrakt förderungsfähig ist.98 Dies ist forderungszahlungen formuliert. bei einem Bachelorstudiengang an der FHVD der Fall, da diese eine eingetragene Hochschule im Sin- Über den Sachbereich Personal der PDAFB96, der ne des BAföG ist.99 für die Prüfung der Rückforderungszahlungen zu-

95 Gemäß § 43 Abs. 4 der Ausbildungs-und Prüfungsordnung Polizei (APO-Pol) sind im Grundpraktikum die erworbenen fachtheoretischen Kenntnisse mit polizeipraktischen Kenntnissen zu verknüpfen. Spezifische Handlungskompetenzen und Fertigkeiten sind durch Trainings zu vermitteln. Üblicherweise findet das Grundpraktikum im 2. Semester statt, auf- grund der zuletzt hohen Einstellungszahlen teilweise aber auch zu einem späteren Zeitpunkt der Ausbildung. 96 Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und die Bereitschaftspolizei. 97 Nach § 7 Abs. 1a Nr. 1 BAföG erhalten Studierende nach einem dreijährigen Bachelor-Studiengang in der Regel nur dann Leistungen, wenn der anschließende Studiengang darauf aufbaut. Dies wäre bei dem Petenten jedoch nicht der Fall gewesen. Zwar gibt es von diesem Grundsatz einige Ausnahmen, für die der Petent jedoch ebenfalls nicht die Voraus- setzungen erfüllen konnte. 98 Vgl. Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., § 7, Rn 8. 99 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 55 Vorsorglich und aus Gründen der Dokumenta- — nach Abschluss des Studiums und ggf. eines tion riet die Polizeibeauftragte dem Petenten den- anschließenden Vorbereitungsdienstes unver- noch, einen Vorbescheid über eine mögliche Aus- züglich in den öffentlichen Dienst eintritt, bildungsförderung nach dem BAföG einzuholen. Gleichzeitig beriet sie ihn über die Möglichkeiten — nicht vor Ablauf von drei Jahren aus einem von eines Studienkredits. ihm zu vertretenden Grunde wieder ausschei- det, Im Mai 2019 teilte der Polizeidienstanwärter der Polizeibeauftragten mit, dass er sich nun zu einer — der früheren Beschäftigungsbehörde oder be- Kündigung entschlossen habe. Die Ausbildung zugsanweisenden Stelle seine berufliche Ver- wolle er aber auf jeden Fall beenden und anschlie- wendung nach Abschluss des Studiums anzeigt ßend zum Wintersemester 2019/2020 ein Lehr- und amtsstudium an der Universität beginnen. Der Bachelorabschluss „Polizei“, den die Polizeidienst- — bis dahin jede Verlegung seines Wohnsitzes anwärter*innen mit dem Erfolg ihres Studiums an mitteilt. der FHVD erwerben, werde ihm dabei für das an- gestrebte Studium angerechnet. Im Bescheid war zudem aufgeführt worden, dass ein Verzicht auf die Rückzahlungsforderungen erst Da Zahlungen nach dem BAföG erwartungsgemäß dann endgültig rechtswirksam wird, wenn die auf- abgelehnt wurden, entschied sich der Petent, einen geführten Bedingungen eingehalten werden. Studienkredit aufzunehmen. Nach erfolgreich ab- geschlossener Ausbildung und Erwerb des Bache- Mit einem weiteren Bescheid vom 7. Januar 2020 lorabschlusses bat der Petent um Entlassung aus wurde der ehemalige Polizeidienstanwärter sodann dem Dienst der Landespolizei und teilte zudem mit, aber von der PDAFB aufgefordert, 31.690,11 € bis dass er am 1. Oktober 2019 ein Lehramtsstudium spätestens zum 6. Februar 2020 an das Finanzmi- aufnehmen werde und anschließend eine Tätig- nisterium Schleswig-Holstein zu überweisen. Der keit an einer öffentlichen Schule anstrebe. Bis zum dadurch verunsicherte Petent wandte sich nun er- Ablauf des Vorbereitungsdienstes im Status des neut an die Polizeibeauftragte. Ihm wurde erklärt, Beamten auf Widerruf hatte er keine Kündigungs- dass der Bescheid aus November 2019 nach ihrer fristen zu beachten. Rechtsauffassung bereits rechtskräftig sei, so dass die Stundung fortbestehe. Mit Bescheid der PDAFB vom 14. November 2019 wurde dem Petenten der festgelegte Rückzah- Die Polizeibeauftragte suchte das Gespräch mit lungsbetrag zinslos gestundet. Die Stundung er- dem zuständigen Sachbereich der PDAFB, um die folgte unter den Bedingungen, dass der Petent Angelegenheit zu klären. Ihr wurde mitgeteilt, dass der Petent weitere Unterlagen einreichen müsse. Im weiteren Fortgang stellte sich jedoch heraus, dass der Petent bereits alle erforderlichen Unterla-

56 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 gen eingereicht hatte. Im Ergebnis wurde die Forde- rung – wie angekündigt – zinslos gestundet.

Zum Redaktionsschluss befand sich der ehemalige Polizeidienstanwärter bereits im dritten Semester des Lehramtsstudiums. Er berichtete der Polizei- beauftragten, dass der Berufswechsel für ihn die richtige Entscheidung gewesen sei.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 57 Fall 4

Beurteilungen auf Bestellung?

In der zweiten Jahreshälfte 2018 hatte sich die Leitung durch Vorgaben der Zweitbeurteiler*innen Polizeibeauftragte nach mehreren vertraulichen an die Erstbeurteiler*innen erfolgt sei.101 Hinweisen mit dem Beurteilungsverfahren für den gehobenen Dienst in einer Kriminalinspektion (KI) Zum Zeitpunkt der Befassung durch die Polizeibe- zu befassen. Die vorausgegangenen Regelbeurtei- auftragte war bereits der örtliche Personalrat (ÖPR) lungen zum Stichtag 1. April 2018 hatten zu einer durch die Beschwerden mehrerer Mitarbeiter*in- deutlichen Missstimmung bei den Mitarbeitenden nen eingeschaltet worden. Bei dem Koordinie- geführt. Ein Teil der Mitarbeiter*innen fühlte sich rungsverfahren102 für die Beurteilungen der KI war nicht gerecht beurteilt. Dies betraf insbesondere der ÖPR indes nicht beteiligt worden. die Prognose zur Führungskompetenz.100 Zum Bei- spiel waren auch Polizist*innen mit der Entwick- Im Rahmen der Beschwerden an den ÖPR sollen lungsprognose „die Übernahme einer Führungs- mehrere Polizisten*innen von einem „Klima der vertretungsfunktion oder einer ersten Führungs- Angst“ gesprochen haben: Die Angst vor persön- funktion oder einer nächsthöheren Führungsfunk- licher Benachteiligung habe trotz ungerecht emp- tion wird noch nicht befürwortet“ beurteilt worden, fundener Beurteilungen von Gegenvorstellungen obwohl sie schon mehrere Jahre in einer Führungs- abgehalten. Der ÖPR hatte bereits Gespräche mit funktion tätig waren. Dabei hatten die Beurteilten der Leitung der Polizeidirektion (PD-Leitung) ge- nach Wahrnehmung ihrer Kolleg*innen – insbeson- führt. Die Missstimmung unter den Mitarbeitenden dere auch aufgrund eines transparenten und wert- war thematisiert und die inzwischen neu besetzte schätzenden Führungsstils – ihre Führungseignung KI-Leitung mit der Bearbeitung beauftragt worden. bewiesen. Es wurde eine gezielte Personalsteue- Der neue KI-Leiter hatte die Beschwerdelage nach rung anhand sachfremder Kriterien für zukünftige eigenem Bekunden zwar als relevantes Thema an- Stellenbesetzungsverfahren befürchtet. Immer erkannt, aber wegen der Anonymität der Beschwer- wieder rügten die Hinweisgeber*innen, dass die deführer*innen als wenig greifbar bezeichnet. Die Steuerung dabei ausgehend von der damaligen KI- Verwendung der Formulierung „Klima der Angst“ habe er untersagt.

100 Gemäß Ziffer 4.7 BURLPol SH (Entwicklungsprognose/Verwendungsvorschlage) ist „auf der Grundlage der Befähigung unter Einbeziehung der Leistungsbewertung die persönliche und berufliche Eignung für die aktuelle und zukünftige dienstliche Verwendung zu beurteilen und zu begründen“. 101 Vorgaben an Erstbeurteiler*innen verstoßen gegen Ziffer 8.2 BURLPol SH, wonach „die Beurteilungen der Erst- beurteiler*innen auf eigenen Erkenntnissen unter Beachtung der zugrundeliegenden Maßstäbe und Richtwerte beruhen. Sie unterliegen bei der Ausübung ihres Beurteilungsermessens keinen weiteren Weisungen“. 102 Vgl. Ziffer 8.4 BURLPol SH: Gemäß Ziffer 8.4.1 BURLPol SH „bezieht sich der Begriff der Koordinierung ausschließlich auf die Maßnahmen der Zweitbeurteilerinnen und Zweitbeurteiler. Die Zweitbeurteilerin oder der Zweitbeurteiler prüft in diesem Stadium der Koordinierung, welche der durch die Erstbeurteilerinnen und der Erstbeurteiler mitgeteilten Gesamtnote sie oder er mitträgt und in einer personenbezogenen Koordinierung vorstellt.“

58 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 In der Folgezeit sprach die Polizeibeauftragte er- wurden fachliche Defizite als Folge ausbleibender gänzend mehrere Zeug*innen an. Diese wollten fachlicher Diskussionen und eine sinkende Motiva- ganz überwiegend anonym bleiben. Sie begrün- tion der Mitarbeiter*innen beschrieben.104 deten dies mit fehlendem Vertrauen und Ängsten vor innerdienstlicher Benachteiligung und auch Ein Zeuge berichtete, ihm sei als Erstbeurteiler mit einer möglichen Selbstbelastung mit beam- ausgehend vom ehemaligen KI-Leiter über den ten- und disziplinarrechtlichen Folgen.103 Mehrere Leiter seiner Dienststelle die Weisung erteilt wor- Zeug*innen berichteten von Beurteilungsvorgaben den, einen Mitarbeiter schlechter zu beurteilen als in der KI. Zum Teil habe es von Zweitbeurteiler*in- es seiner Überzeugung entsprach. Der Dienststel- nen genutzte Listen gegeben, auf denen Beurtei- lenleiter war inzwischen versetzt worden. Der Mit- lungseinzelmerkmale sowie die Art der Entwick- arbeiter hatte Widerspruch gegen die Beurteilung lungsprognose vorgegeben gewesen seien. Dazu eingelegt. In der Begründung bezog sich der Krimi- sei kommuniziert worden, dass das Umsetzen der nalbeamte auf die seinem Sachgebietsleiter (SGL) Vorgaben aus Loyalitätsgründen erwartet werde. als Erstbeurteiler erteilten Vorgaben. Der Wider- Außerdem sei Druck auf die Erstbeurteiler*innen spruch war formgerecht auf dem Dienstweg an mit dem Hinweis auf deren eigene Beurteilung aus- die Leitung der Direktion gerichtet. Offensichtlich geübt worden. Die Vorgaben für die Beurteilungen war er jedoch ohne ein vorheriges Gespräch oder und insbesondere auch die Prognosebewertungen auch nur eine Information dem ehemaligen Dienst- hätten sich dabei mehr an einem erwünschten, an- stellenleiter übersandt worden. Dieser hatte sich gepassten Verhalten orientiert als an tatsächlichen daraufhin – unter nachrichtlicher Beteiligung der Kompetenzen. Der damalige KI-Leiter habe die Aus- Behördenleitung – an den Beurteilten gewandt und sage getätigt: „Wer nicht meiner Meinung ist, ist die erteilten Vorgaben an den SGL bestritten. Der gegen mich“. „Linientreue Mitarbeiter“ und „Ja-Sa- SGL hatte in der Folge das Gespräch mit dem am- ger“ seien mit guten Beurteilungen gefördert wor- tierenden KI-Leiter gesucht und ihm gegenüber be- den. Konstruktive Kritik – auch in fachlicher Hin- stätigt, Beurteilungsvorgaben in schriftlicher Form sicht – habe hingegen zu schlechteren Beurteilun- für diesen Kriminalbeamten erhalten zu haben. Er gen geführt. Als Auswirkung dieses Führungsstils selber sehe den Beamten leistungsstärker als er

103 Vorgaben an Erstbeurteiler*innen verstoßen gegen Ziffer 8.2 BURLPol SH, wonach „die Beurteilungen der Erstbeurteilerin oder des Erstbeurteilers auf eigenen Erkenntnissen unter Beachtung der zugrundeliegenden Maßstäbe und Richtwerte beruhen. Sie unterliegen bei der Ausübung ihres Beurteilungsermessens keinen weiteren Weisungen“. Demnach hätten die Erstbeurteiler*innen bei erteilten Weisungen zumindest schriftlich remonstrieren müssen. Das offene Eingestehen, sich einer rechtswidrigen Weisung des Zweibeurteilers gebeugt zu haben, könnte folglich disziplinarrechtliche Konsequenzen haben. 104 Der Umstand, dass konträre fachliche Diskussionen nicht gewünscht gewesen sein sollen, soll dazu geführt haben, dass z. B. konstruktive Einsatznachbereitungen mit dem Ziel zukünftiger Verbesserungen nicht erfolgten. Dies führte zwangsläufig – insbesondere bei Mitarbeiter*innen mit einem hohen fachlichen Eigenanspruch – zu einer nachlassenden Motivation.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 59 ihn weisungsgemäß habe beurteilen müssen. Der auftragte verfolgte deshalb keine weitere eigene amtierende KI-Leiter sah sich nicht veranlasst, die Sachverhaltsaufklärung. Der PD-Leiter kündigte Beurteilung des Kriminalbeamten zu ändern. Mit als Konsequenz seine zukünftige Anwesenheit bei Bescheid vom 27. September 2018 hob das Lan- den Beurteilungskoordinierungen für die kriminal- despolizeiamt (LPA), dem die Fachaufsicht über die polizeilichen Dienststellen an. Dabei werde er auf Polizeibehörden bei der korrekten Anwendung der die Einbindung des Personalrates achten. Zudem Beurteilungsrichtlinien obliegt, die Beurteilung des werde es zeitnah bei jeder kriminalpolizeilichen Kriminalbeamten wegen der ergangenen Vorgaben Dienststelle eine Informationsveranstaltung zum auf. Gleichzeitig wurde die PD aufgefordert, „un- Thema Beurteilungen für alle Mitarbeiter*innen mittelbar“ die Erstellung einer neuen Beurteilung geben. Dabei werde auch offensiv dafür geworben, zu veranlassen. dass formelle Rechtsmittel eingelegt werden, sollte man mit der Beurteilung nicht einverstanden sein. Durch mehrere zeitliche Verzögerungen wegen der Krankheit der Beurteilenden sowie aufgrund un- Der PD-Leiter führte mit allen Erst- und Zweitbe- geklärter Fragen hinsichtlich der Zuständigkeit er- urteiler*innen der KI Gespräche. Ihm wurden un- hielt der Beamte erst Ende Februar 2019 eine Be- zulässige Einflussnahmen auf Beurteilungen in urteilung mit der korrekten Note. Durch seinen Vor- deutlich geringerem Maße geschildert, als dies gesetzten wurde am nächsten Tag ein Antrag auf gegenüber der Polizeibeauftragten der Fall war. Für Beförderung gestellt, der einen Tag später durch eine betroffene Dienststelle entstand allerdings das Landespolizeiamt, Abteilung 3, ohne Begrün- der Eindruck, dass eine Einflussnahme erfolgt war. dung und nicht nachvollziehbar abgelehnt wurde. Dies sei auch Kommunikationsdefiziten geschuldet Nach Auffassung der Polizeibeauftragten hat der gewesen. Der PD-Leiter kam zu dem Schluss, dass Dienstherr damit bei der Vergabe eines Beförde- auch aufgrund dieser Fälle eine Aufhebung des Be- rungsamtes den verfassungsrechtlichen Anspruch urteilungsvorgangs nicht notwendig sei, da erneu- auf leistungsgerechte Einbeziehung und Gleich- te Beurteilungen nach den geführten Gesprächen behandlung schuldhaft verletzt. Ohne die zeitliche keine veränderten Noten hervorbringen würden. Verzögerung wäre der Beamte bereits zum 1. Febru- ar 2019 befördert worden, aufgrund der zeitlichen Die Befassung der PD-Leitung mit dem Beurtei- Verzögerung wurde er aber erst zum 1. August 2019 lungsvorgang hatte aber insgesamt zu der Fest- befördert. Für die Zeit vom 1. Februar bis zum stellung geführt, dass es bei der Prognose zur 31. Juli 2019 besteht ggf. ein Schadensersatzan- Führungskompetenz in der KI im landesweiten Ver- spruch wegen entgangener Bezüge. gleich eine erhebliche Abweichung nach unten ge- geben hatte. Als Folge hatte der aktuelle KI-Leiter Im August 2018 suchte die Polizeibeauftragte im Dezember 2018 eine Plausibilitätsprüfung aller erstmals den Austausch mit dem PD-Leiter. In Ab- zum Stichtag 1. April 2018 erstellten Beurteilungen stimmung mit der Polizeibeauftragten lag bei ihm des gehobenen Dienstes vorgenommen. Bis dahin die Verantwortlichkeit für die weitere Klärung und hatte es bereits aufgrund von Gegenvorstellungen Bearbeitung der Angelegenheit, die Polizeibe- bei insgesamt fünf Polizist*innen Korrekturen nach

60 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 oben gegeben. Im Ergebnis wurden in 11 Fällen richtlinien sein. Zudem hätten „mögliche Kommu- Beurteilungen aus besonderem Anlass gefertigt. nikationsdefizite“ offenbar zu Unsicherheiten unter Die Entwicklungsprognose wurde in all diesen Fäl- den Mitarbeitenden geführt. Deswegen waren In- len von „noch nicht befürwortet“ in „befürwortet“ formationsveranstaltungen sowie spezifische Be- verändert. Dies wurde unter den Mitarbeitenden schulungen für alle Erst- und Zweitbeurteiler*innen als vertrauensbildende Reaktion wahrgenommen. veranlasst worden. Die Empfehlung der Polizeibe- Nach Berichten an die Polizeibeauftragte wurde auftragten zur Befragung durch ein externes Unter- durch den durch sie angestoßenen Prozess zudem nehmen werde zunächst zurückgestellt, da die Aus- zumindest teilweise eine veränderte, offenere Kom- wirkungen der durch die PD-Leitung angestoßenen munikation durch Führungskräfte wahrgenommen. Maßnahmen abgewartet werden sollen. Das Beur- teilungswesen in der Landespolizei werde im „Pro- Nach erfolgtem Austausch des PD-Leiters mit der jekt Fortentwicklung in der Landespolizei“ (ProFil) Polizeiabteilung im Innenministerium und nach betrachtet. Dort würden die Hinweise der Polizei- vorheriger Ankündigung gegenüber dem PD-Lei- beauftragten zu der Prognose der Führungskompe- ter informierte die Polizeibeauftragte im Septem- tenz einfließen. ber 2018 schriftlich den Innenminister als Fachauf- sicht (vgl. § 17 Abs. 2 BüPolBG). Auch weil die an sie Im Nachgang zur Regelbeurteilung zum Stichtag herangetragenen vertraulichen Hinweise umfang- 1. April 2018 hatte eine negative Prognose die Zu- reicher waren, empfahl sie dem Minister zu diesen lassung zu Stellenbesetzungsverfahren verhindert. Vorgängen die anonyme Befragung aller Mitarbei- Als Auswirkung der Diskussionen zu den darge- tenden durch externe Berater*innen. Das Ergeb- stellten Problematiken in der KI sowie aufgrund be- nis könnte Grundlage für weitere Maßnahmen zur stehender Rechtsunsicherheiten wurde die Abgabe Verbesserung der Führungskultur sein. Zudem reg- einer Prognose zur Führungskompetenz zur Regel- te sie an, die Vergabe der Prognose zur Führungs- beurteilung des gehobenen Dienstes mit Stichtag kompetenz bei Beurteilungen zu überdenken, da 1. April 2020 ausgesetzt. Bis zu den Regelbeurtei- sie die Auswirkungen für die Weiterentwicklung der lungen zum 1. April 2022 soll die aktuell gültige Be- Beamt*innen für unverhältnismäßig groß hielt. Un- urteilungsrichtlinie so überarbeitet sein, dass sie klar war zudem, wie sich die schlechtere Prognose Rechtssicherheit hinsichtlich der erneut beabsich- bei im Übrigen besser benoteten Bewerber*innen tigten Prognosen zur Führungskompetenz bietet. in einem Stellenbesetzungsverfahren auswirkte. Sollte dabei erneut die Prognose „noch nicht ge- Im Frühjahr 2019 antwortete der Polizeiabteilungs- eignet“ bzw. „nicht geeignet“ eine Zulassung zu leiter, dass die Untersuchungen von PD-Leitung einem Stellenbesetzungsverfahren trotz einer im und LPA keine Unregelmäßigkeiten in der Anwen- Übrigen besseren Beurteilung im Vergleich zu Mit- dung der Beurteilungsrichtlinien ergeben hätten. bewerber*innen verhindern, hat die Polizeibeauf- Möglicher Grund für die Vorwürfe könnten danach tragte große Zweifel, dass dies einer gerichtlichen die erstmalig für den gehobenen Dienst zum Stich- Überprüfung standhalten würde. tag 1. April 2018 angewandten neuen Beurteilungs-

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 61 Da die hinweisgebenden Personen anonym blei- ben wollten, war es der Polizeibeauftragten nicht möglich, die inhaltlichen Diskrepanzen zwischen den Schilderungen der Mitarbeiter*innen der KI gegenüber dem PD-Leiter und den Darstellungen gegenüber der Polizeibeauftragten zu klären. Die- se Chance hätte sich nach Einschätzung der Poli- zeibeauftragten nur durch die Befragung durch ein externes Unternehmen ergeben. Insofern musste die Polizeibeauftragte ihre Tätigkeit in der Angele- genheit ohne eine abschließende Klärung beenden.

62 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Fall 5

Nachträglich abgeänderte Beurteilungen

Im April 2019 wandten sich mehrere Petent*innen Die Petent*innen ließen sich zudem von der Ge- an die Polizeibeauftragte, weil sie Verfahrens- werkschaft der Polizei (GdP) beraten, mit der sich fehler hinsichtlich ihrer Beurteilungen rügten. Im die Polizeibeauftragte abstimmte. Die GdP gewähr- Jahr 2018 standen turnusmäßig Beurteilungen des te Rechtsschutz und legte über ihre Rechtsvertre- gehobenen Dienstes an. Die Beurteilungen wurden tung gegen die neuen Beurteilungen Widersprüche den Petent*innen im April 2018 ausgehändigt. Mit ein. Eine umfassende Prüfung ergab, dass den Wi- den Beurteilungen waren an sich alle einverstan- dersprüchen stattzugeben war. Die Beurteilungen den, da sie erfolgversprechend für anstehende in der jeweils ursprünglich ausgehändigten Version Beförderungen waren. Nur durch Zufall erfuhren behielten damit ihre Gültigkeit und es konnten um- die Petent*innen dann, dass die Beurteilungen zu gehend Ernennungsentscheidungen erfolgen. ihrem Nachteil abgeändert worden waren, was sie nicht nachvollziehen konnten. Sie berichteten von einem massiven Vertrauensverlust gegenüber ih- rem Dienstherrn. Die Polizeibeauftragte hielt diese nachträgliche Änderung auch nicht für zulässig.

Die Polizeibeauftragte führte daraufhin Gespräche mit den Verantwortlichen aus der Landespolizei, u. a. mit dem Landespolizeidirektor. Man war sich einig, dass der gesamte Vorgang sehr bedauerlich sei. Im Vorfeld seien fälschlicherweise Koordinie- rungsergebnisse nicht berücksichtigt worden, und die Beurteilungen seien schon im Vorfeld mit der falschen Note ausgehändigt worden.

Von Seiten der Polizei wurde eingeräumt, dass nach diesem Fehler auch die „Korrektur“ nicht rich- tig und transparent kommuniziert worden sei. Man wolle das Verfahren dahingehend ändern, dass in Zukunft bei Änderungen, insbesondere, wenn sie nachträglich erfolgen, nicht nur die Führungskräfte, sondern auch die Betroffenen direkt unterrichtet werden, damit diese ggf. rechtliche Schritte einlei- ten können.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 63 Fall 6

Kritik an der Führung einer Abteilung des LKA sowie strukturelle Probleme im Landeskriminalamt

Eine zweistellige Anzahl von Polizeibeamt*innen Alle Petent*innen hatten unabhängig voneinander einer Abteilung des Landeskriminalamtes (LKA) die Wahrnehmung einer gezielten Personalsteue- wandte sich hilfesuchend an die Polizeibeauf- rung durch „geschönte“ Beurteilungen, Einfluss- tragte.105 Die Beamt*innen berichteten von Füh- nahmen auf Stellenbesetzungsverfahren sowie rungsdefiziten sowie weiteren Problemen in einem durch Gespräche mit dem Ziel, Beamt*innen von Arbeitsbereich. Die Problematiken waren aus Sicht einer Bewerbung abzuhalten bzw. ggf. auf Rück- der Polizeibeauftragten zum Teil auch strukturell nahme einer Bewerbung zu drängen. Es wurde von bedingt. Die deutliche Mehrzahl der Petent*innen einer Ungleichbehandlung der Mitarbeiter*innen bat aus Sorge vor innerdienstlicher Benachteiligung berichtet, die sich mehr an der Loyalität gegenüber um Vertraulichkeit. Dennoch hofften die Beamt*in- den Vorgesetzten als zum Beispiel fachlichen Leis- nen, dass über die Polizeibeauftragte sowohl fach- tungen orientiere. liche als auch soziale Veränderungen herbeigeführt werden können. Mehrfach sei zudem geäußert worden, dass eine Wahrnehmung von Führungsaufgaben in Teilzeit of- Die Mitarbeiter*innen des LKA beschrieben ein fensichtlich nicht gewünscht sei, was den betroffe- intransparentes und zudem wenig offenes Ver- nen Beamt*innen auch deutlich gemacht worden sei. halten ihrer Vorgesetzten. Dies hatte nach ihrer Wahrnehmung nicht nur zu einem als belastend Die beschriebenen Defizite hätten nach Darstellung empfundenen Arbeitsklima, sondern auch zu fach- der Polizist*innen zu einer hohen Personalfluktua- lichen Defiziten geführt. Ein kritisches Hinterfra- tion in dem Arbeitsbereich geführt. Auch erfahrene gen – auch fachlicher Entscheidungen – sei nicht Beamt*innen hätten den Bereich verlassen; dies gewünscht und habe in der Vergangenheit bereits nur zum Teil freiwillig. Dabei seien von Vorgesetz- zu Sanktionierungen geführt. Zudem habe es häu- ten veranlasste Arbeitsplatzwechsel von den Pe- fig keine Rückmeldung zur Qualität der fachlichen tent*innen zum Teil als Sanktionierungen für kriti- Arbeit gegeben. Fachliche Fragen seien zum Teil sches Verhalten gewertet worden. Dieser Eindruck von den Führungskräften unbeantwortet geblie- sowie wahrgenommene Diskreditierungen von Kol- ben. Hinzu käme eine nicht bzw. nicht ausreichend leg*innen hätten zu dem Wunsch der Polizist*innen erfolgte Einarbeitung und Begleitung von Dienst- nach Vertraulichkeit geführt. anfänger*innen sowie zum Teil auch dienstälteren Polizist*innen, die neu in dem Aufgabenbereich Bei auf Wunsch der Betroffenen erfolgten Arbeits- tätig waren. Gleichzeitig habe aber häufig schnell platzwechseln wurde in mehreren Fällen über die eine Übertragung verantwortungsvoller Tätigkeiten eigentliche Motivation aus Sorge vor innerdienst- stattgefunden. licher Benachteiligung nicht gesprochen.

105 Alle Petent*innen wandten sich – unabhängig voneinander – im Zeitraum November 2018 bis September 2020 an die Polizei- beauftragte.

64 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Nach dem Eingang mehrerer Eingaben suchte die tive Veränderungen wahrgenommen worden waren. Polizeibeauftragte erstmals im Frühjahr 2019 das Andere geschilderte Defizite hätten hingegen fort- persönliche Gespräch mit dem aktuell neu im Amt bestanden. eingesetzten Abteilungsleiter. Mit seiner Person so- wie dem Leiter des LKA hatten die Petenten*innen Die Corona-Pandemie verhinderte über mehrere zum Teil die Hoffnung verknüpft, dass Veränderun- Monate die Fortsetzung des persönlichen Austau- gen herbeigeführt werden könnten. Mit dem Ab- sches mit den Führungskräften des LKA. Erst im Fe- teilungsleiter kam es dann auch zu einem offenen bruar 2021 kam es zu einem erneuten persönlichen und konstruktiven Austausch mit der Polizeibeauf- Gespräch mit dem derzeit eingesetzten Abteilungs- tragten. Dabei erläuterte der Abteilungsleiter unter leiter sowie weiteren Führungskräften. Festgestellt anderem, dass bereits Organisationsveränderun- wurde, dass aufgrund der hohen Fluktuation in gen für die Abteilung geplant seien. Die bisherige dem Arbeitsbereich aktuell überproportional viele Organisation habe aufgrund der Größe der Arbeits- Dienstanfänger*innen tätig sind. Vor dem Hinter- bereiche möglicherweise Führungsproblematiken grund der in dem Arbeitsbereich zu leistenden fach- Vorschub geleistet. Zum 1. April 2020 erfolgte eine lichen Anforderungen ist dies durchaus als proble- Umsetzung der Organisationsveränderung. Auch matisch zu betrachten. Der Abteilungsleiter machte andere Problematiken waren vom Abteilungsleiter deutlich, dass man bemüht sei, auch Beamt*innen bereits mit dem Ziel von Veränderungen aufgegrif- mit längerer Berufserfahrung zu einem Wechsel in fen worden. den Arbeitsbereich zu bewegen und zudem zu einer längeren Verweildauer zu veranlassen. Zu den The- Nach dem Eingang weiterer Eingaben fasste die Po- men, die aus Sicht der Petent*innen zu der hohen lizeibeauftragte im Oktober 2019 aus Gründen der Personalfluktuation geführt hatten, wurde der Aus- Transparenz die vorgebrachten Themen in einem tausch nach Wahrnehmung der Polizeibeauftragten Schreiben an den Leiter des LKA zusammen. Sie intensiviert und zudem eine Fortsetzung vereinbart. ersuchte dabei um eine Fortsetzung des bereits an- gestoßenen Dialogs. Hierfür zeigte sich der Leiter des LKA offen und unterstütze einen inhaltlichen Austausch. Im Dezember 2019 folgte ein Gespräch mit ihm sowie dem Abteilungsleiter LKA und wei- teren Führungskräften. Zum Teil wurde dort eine deutlich andere Wahrnehmung geschildert. Dass die Betroffenen anonym bleiben wollten, wurde als problematisch gesehen, da keine detaillierten inhaltlichen Nachfragen möglich seien.

Dennoch war inzwischen von Petent*innen mit- geteilt worden, dass sowohl im zwischenmensch- lichen Umgang als auch in fachlicher Hinsicht posi-

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 65 Fall 7

Der verhinderte Bildungsurlaub

Ein Petent, Verwaltungsbeamter bei der Landes- wig-Holstein geben werde, da die Zertifizierung polizei, bat die Polizeibeauftragte um Rat und durch die bpb erfolge. Dass dies später einen Ab- Unterstützung in Zusammenhang mit einem vom lehnungsgrund für das LPA darstellen sollte, wurde Landespolizeiamt (LPA) abgelehnten Antrag auf dem Petenten weder bei Erteilung dieses Hinweises Gewährung von Bildungsfreistellung. noch in der Zeit danach mitgeteilt. Aufgrund seiner bisher gewährten neun Bildungsfreistellungen ging Der Petent nutzt als langjähriges Mitglied eines der Petent auch in diesem Verfahren davon aus, großen bundesdeutschen Interessenvertretungs- dass eine Bewilligung erneut erfolgen würde. verbandes regelmäßig staats- und sozialpolitische Bildungsangebote des zugehörigen Bildungswerks. Erst am 9. November 2018 erfuhr der Petent auf Dabei war dem Petenten während seiner verschie- eigene telefonische Nachfrage, dass das LPA nach denen bisherigen Verwendungen im Landesdienst erfolgter Absprache mit der Polizeiabteilung im In- bereits neunmal von verschiedenen Behörden stets nenministerium den Antrag des Petenten aufgrund anstandslos Bildungsfreistellung nach dem Weiter- der nicht durch die IB.SH erfolgten Zertifizierung bildungsgesetz Schleswig-Holstein (WBG) gewährt abschlägig zu bescheiden beabsichtigte. Sofortige worden. Nunmehr hatte der Petent im April 2018 Rücksprachen des Petenten mit den Personalre- erstmals einen entsprechenden Antrag auf Bil- feraten seiner vorherigen Dienststellen, darunter dungsfreistellung an das LPA gerichtet. Dabei ging auch eine andere Abteilung des Innenministeriums, es – wie auch schon in den Jahren zuvor – um eine ergaben ausnahmslos, dass diese auch seinem mehrtägige Fortbildung in zu staatsbürger- aktuellen Antrag wieder stattgegeben hätten. Dies lichen Themenbereichen und -inhalten im Dezem- teilte der Petent der zuständigen Mitarbeiterin der ber 2018, die von der Bundeszentrale für politische Polizeiabteilung im Innenministerium mit. Diese Bildung (bpb) zertifiziert worden war. habe darauf erwidert, dass es in der Landespolizei noch weitere 9.000 Bedienstete gebe, die im Fal- Zwei Tage nach Antragstellung erhielt der Petent le der Bewilligung dieses Antrags dann ähnliche vom LPA den Hinweis, dass eine Bescheidung erfol- Anträge stellen könnten. Eine Einzelfallprüfung in gen würde, sobald der durch die Investitionsbank solch einem Ausmaß könne man nicht leisten. Schleswig-Holstein (IB.SH) ausgestellte Nachweis über die WBG-Zertifizierung für Schleswig-Hol- Einen rechtsmittelfähigen Bescheid erhielt der stein106 vorliegen würde. Der Petent teilte der zu- Petent indes erst am 13. Dezember 2018, als die ständigen Sachbearbeiterin mit, dass es bei der fragliche Weiterbildungsveranstaltung längst statt- Maßnahme keine WBG-Zertifizierung für Schles- gefunden hatte. Der Petent hatte gemeinsam mit

106 § 17 Abs. 1 WBG verlangt die Anerkennung der Weiterbildungsvoraussetzung, wobei § 26 WBG die diesbezügliche Zuständig- keit dem für Bildungspolitik zuständigen Ministerium zuschreibt. Das Bildungsministerium hat diese Aufgabe wiederum ent- sprechend der Ermächtigungsgrundlage in § 26 Abs. 1 Satz 3 WBG auf die Investitionsbank Schleswig-Holstein übertragen.

66 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 seiner bei einer Schleswig-Holsteinischen Stadt sofern die Polizeiseelsorge selbst (quasi als An- beschäftigten Ehefrau, deren Antrag auf Bildungs- bieterin) die Anwendung des Konsensprinzips be- freistellung für die in Rede stehende Veranstaltung antrage, sowie Seminare, die dem internationalen anstandslos genehmigt worden war, unter Inan- Austausch von Polizeikräften dienten. Gründe für spruchnahme von Erholungsurlaub an der Veran- die eingeschränkte Anwendung des Konsensprin- staltung teilgenommen. zips innerhalb der Polizei wurden nicht genannt.

Der Ablehnungsbescheid enthielt am Ende der Be- Der Petent legte gegen den ablehnenden Bescheid gründung einen Hinweis auf alternative Bildungs- am 9. Januar 2019 Widerspruch ein. Mit seinem Wi- angebote der Polizei und der Polizeiseelsorge, für derspruch begehrte er eine nachträgliche Bewilli- die ggf. im Rahmen des sog. Konsensprinzips Bil- gung von Bildungsfreistellung bei entsprechender dungsfreistellung gewährt werden könne. Die an Umwandlung des für die Teilnahme an der Ver- das Personalreferat des LPA gerichtete schriftliche anstaltung verbrauchten Erholungsurlaubs. Der Bitte des Petenten, ihm nähere Informationen über Petent begründete seinen Widerspruch mit einer das Konsensprinzip zukommen zu lassen und die fehlerhaften Ausübung des Verwaltungsermessens Voraussetzungen zu benennen, unter denen eine durch das LPA. Es liege eine nicht gerechtfertigte Bewilligung von Bildungsurlaub erfolgen könne, Ungleichbehandlung insofern vor, als das LPA das wurde vom LPA mit der Begründung zurückgewie- Konsensprinzip im Polizeibereich grundsätzlich sen, dass man „aufgabentechnisch und personell nicht anwende. nicht in der Lage und auch nicht willens sei, Argu- mentationen für mögliche Widersprüche von An- Insbesondere vor dem Hintergrund zweier divergie- tragstellern vorzubereiten.“ render Rechtsauffassungen innerhalb des Innen- ministeriums wandte sich die Polizeibeauftragte Eine spätere Nachfrage der Polizeibeauftragten an den Staatssekretär und bat ihn um Prüfung des zum Konsensprinzip wurde vom LPA dahingehend Vorgangs. Die Rechtsauffassung des Petenten tei- beantwortet, dass, wenn eine Weiterbildungsver- lend empfahl sie, dem Widerspruch abzuhelfen. Der anstaltung nicht nach § 17 WBG anerkannt sei, je- Staatssekretär antwortete, dass der Fall des Peten- doch den Zielen des WBG entspreche und eine Teil- ten zum Anlass genommen werde, auf der Basis nahme noch im mittelbaren dienstlichen Interesse der aktuell gültigen Rechtsgrundlage (WBG) einen liege, eine Freistellung nach § 14 Abs. 2 WBG107 Verfahrensweg zu beschreiben und intern mitbe- gewährt werden könne. Allerdings würde das Kon- stimmen zu lassen, wie zukünftig seitens der Lan- sensprinzip im Polizeibereich grundsätzlich nicht despolizei das Konsensprinzip Anwendung finden angewendet. Einzige Ausnahmen von diesem solle. Da dieser Prozess noch nicht abgeschlossen Grundsatz bildeten Seminare der Polizeiseelsorge, sei, könne eine Abhilfe des Widerspruchs erst bei

107 Gemäß § 14 Abs. 2 WBG darf von den Bestimmungen dieses Gesetzes nur zugunsten der Beschäftigten abgewichen werden.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 67 Vorliegen einer endgültigen Regelung geprüft wer- amtinnen und Beamten und der Richterinnen und den. Richter (Erholungsurlaubsverordnung – EUVO) sei eine Erstattung von Erholungsurlaub nur noch bis Überraschenderweise wurde der Widerspruch des spätestens zum 31. Dezember 2019 möglich. Vor Petenten dann aber entgegen der Ankündigung dem Hintergrund der vor dem Verwaltungsgericht des Staatssekretärs, erst bei Vorliegen einer end- zu erwartenden Verfahrensdauer sei eine Beschei- gültigen neuen Regelung zu entscheiden, vom LPA dung des Widerspruchs somit dringend angezeigt mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2019 als un- gewesen. Ein Abwarten der letzten Erörterungen begründet zurückgewiesen. Zur Begründung wur- bezüglich der Anwendung des Konsensprinzips sei de erneut auf die nicht vorhandene Anerkennung bei alledem nicht möglich gewesen. durch die IB.SH verwiesen. Die anderenfalls stets durchzuführenden Einzelfallprüfungen seien inner- Dem Petenten blieb jetzt nur noch der Weg zum halb des Polizeibereichs aus personalwirtschaftli- Verwaltungsgericht, um seine Rechte weiterzu- chen Gründen nicht leistbar. verfolgen. Eine zwischenzeitliche Nachfrage der Polizeibeauftragten im November 2020 beim In- Nach Auffassung der Polizeibeauftragten muss nenstaatssekretär zum Sachstand der Vorgaben allerdings genau dies – eine Einzelfallabwägung – zur Frage des künftigen Umgangs mit dem Kon- durchgeführt werden. Genau darauf richtet sich der sensprinzip innerhalb der Landespolizei wurde Ermessensanspruch der antragstellenden Person. dahingehend beantwortet, dass bisher noch keine Nach erneuter schriftlicher Anfrage der Polizeibe- abschließende Regelung in Bezug auf die Anerken- auftragten beim Innenstaatssekretär verwies dieser nung von Bildungsurlaub in Anwendung des Kon- nunmehr darauf, dass Widersprüche grundsätzlich sensprinzips erlassen worden sei. Der Prozess sei innerhalb von drei Monaten zu bescheiden seien. weiter in Bearbeitung und bedürfe noch interner Da der Petent seinen Widerspruch bereits Anfang Abstimmungen. Darüber hinaus sei beabsichtigt, Januar 2019 eingelegt hatte, sei die Bescheidung den Ausgang des Klageverfahrens abzuwarten, um im Mai 2019 bereits überfällig gewesen. Mit Blick die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ggf. in auf das Begehren des Petenten, eine Erstattung eine neue Regelung mit einfließen zu lassen. des von ihm für die Teilnahme an der fraglichen Weiterbildungsveranstaltung eingesetzten Erho- Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich in lungsurlaubs zu erhalten, sei eine zeitliche Kompo- diesem Fall zwei unterschiedliche Rechtsauffassun- nente zu beachten. Nach den Regelungen der Lan- gen über die Anwendung des WBG bzw. des dem desverordnung über den Erholungsurlaub der Be- WBG immanenten Konsensprinzips und die rechts-

68 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 fehlerfreie Ausübung von Verwaltungsermessen Zudem hätte nach Auffassung der Polizeibeauftrag- gegenüberstehen. Insoweit konnte eine Klärung ten hier gar keine arbeitsaufwendige Einzelfallprü- nur durch ein Gericht erfolgen.108 fung durchgeführt werden müssen. Eine Abstim- mung mit den vorherigen Personalreferaten des Fernab dieser Rechtsfragen gibt es zusätzlich Kri- Petenten – jedenfalls aber mit der anderen Fach- tik, die der Petent gegenüber dem LPA nach Auf- abteilung des Innenministeriums – hätte im Sinne fassung der Polizeibeauftragten berechtigterwei- eines Interesses an einheitlichen Entscheidungen se erhebt: So ist nicht nachzuvollziehen, weshalb innerhalb eines Geschäftsbereichs dazu führen seitens des LPA gegenüber dem Petenten kein müssen, dem Antrag des Petenten stattzugeben. rechtzeitiger Hinweis erging, dass die nicht vor- handene Zertifizierung durch die IB.SH für das LPA einen Ablehnungsgrund darstellen soll. Das LPA hatte bereits seit dem 20. April 2018 Kenntnis davon, dass keine Zertifizierung durch die IB.SH erfolgen würde. Dass man deshalb den Antrag des Petenten ablehnen würde, teilte man dem Petenten erst am 9. November 2018 – und zudem auch nur auf dessen eigene Nachfrage – mit. Ebenso wenig nachvollziehbar ist, weshalb seit dieser Nachfrage des Petenten noch ein ganzer weiterer Monat bis zur Zustellung des angekündigten Ablehnungs- bescheides vergehen musste. Insgesamt erweist sich die Bearbeitungszeit von acht Monaten als zu lang. Bei Zustellung des Bescheides am 13. Dezem- ber 2019 hatte die fragliche Veranstaltung sogar bereits stattgefunden. Angesichts ausgebliebener Hinweise und vorenthaltener Informationen (etwa zum Konsensprinzip) dürfte über die Frage der Rechtswidrigkeit des Vorgehens hinaus jedenfalls die Kommunikation des LPA mit dem Petenten den Ansprüchen an eine mitarbeiterfreundliche Verwal- tung nicht entsprochen haben.

108 Im Februar 2021 urteilte das Verwaltungsgericht zu Gunsten des Petenten, dass das Konsensprinzip unverhältnismäßig und der Ablehnungsbescheid dementsprechend rechtswidrig ist. Es muss nunmehr eine Neubescheidung des ursprünglichen Antrags des Petenten erfolgen. Die Polizeibeauftragte wird die weitere Entwicklung beobachten und das Verfahren an der Seite des Petenten weiter begleiten.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 69 Fall 8

Streit mit dem Dienstleistungszentrum Personal (DLZP) über die Vergütung von Mehrarbeitsstunden

Eine langjährige Tarifbeschäftigte der Landespoli- beauftragte noch am selben Tag die Zusage, dass zei hatte im August 2018 über das LPA einen An- man sich im DLZP der Sache annähme. Der zustän- trag auf Auszahlung von 400 Mehrarbeitsstunden dige Dezernent würde sich bei der Polizeibeauf- gestellt. Dem Antrag war stattgegeben und das tragten melden, sobald er „mehr wisse“ bzw. der DLZP mit einem speziellen Vordruck angewiesen Vorgang habe erledigt werden können. worden, die entsprechende Zahlung an die Peten- tin auszuführen. Aus steuerrechtlichen Gründen109 Nachdem sich aber auch eine weitere Woche spä- sollte die Zahlung zusammen mit dem September- ter immer noch niemand aus dem DLZP zu dem Fall gehalt an die Petentin erfolgen. Vom Stundenkonto gemeldet hatte, wies die Polizeibeauftragte den der Petentin wurden die Stunden im August/Sep- zuständigen Dezernatsleiter in einer E-Mail auf die tember 2018 auch entsprechend abgebucht – nur zunehmende Dringlichkeit des Vorgangs hin. Die die Auszahlung blieb aus. Die Petentin wandte sich Polizeibeauftragte bat um einen Hinweis, falls noch deshalb hilfesuchend an das Personalmanagement weitere Angaben/Unterlagen o. ä. fehlen sollten, der Polizei im LPA. Dort verwies man die Petentin die für die Bearbeitung des Vorgangs erforderlich an das für die Zahlung verantwortliche DLZP, wies seien. Die Polizeibeauftragte fragte auch ausdrück- dieses aber gleichwohl am 22. Oktober 2018 noch lich, ob eine Auszahlung 2018 noch erfolgen könne. einmal an, die Zahlung auszulösen. Als auch auf diese Anweisung wieder keine Zahlung, aber auch Auf diese E-Mail erhielt die Polizeibeauftragte keine Erklärung seitens des DLZP erfolgte, beauf- ebenfalls keine Antwort. Stattdessen teilte die Pe- tragte die Petentin einen Rechtsanwalt. tentin später mit, dass sie mit den Dezemberbezü- gen zwar eine Vergütung von Mehrarbeitsstunden Um ein arbeitsgerichtliches Verfahren doch noch zu erhalten hatte, diese Vergütung ihrer Ansicht und verhindern, nahm die Polizeibeauftragte am 7. De- der Ansicht ihres Anwalts nach aber auf einer feh- zember 2018 Kontakt zur Leitung des DLZP auf. Sie lerhaften Berechnung basiere. Der Anwalt habe schilderte dort den Sachverhalt und teilte darüber deshalb umgehend die bestehenden Einwände hinaus mit, dass inzwischen ein arbeitsgerichtli- beim DLZP erhoben und darüber hinaus um Herga- ches Verfahren drohe. Daraufhin erhielt die Polizei- be der Jahresabrechnung für die Petentin gebeten.

109 Die Petentin informierte die Polizeibeauftragte darüber, dass die Auszahlung von 400 Mehrarbeitsstunden den Status einer Sonderzahlung habe und deshalb gegenüber dem normalen monatlichen Gehalt einem höheren Einkommensteuerabzug unterliege. Die Differenz zwischen den beiden unterschiedlichen Einkommensteuerabzügen (normales Gehalt einerseits, Sonderzahlung andererseits) belaufe sich in diesem Fall auf einen vierstelligen Betrag, den die Petentin sich über die Ein- kommensteuererklärung für 2018 zurückerstatten lassen wollte. Die Rückerstattung über die Einkommensteuererklärung wäre bei Auszahlung der Mehrarbeitsstunden erst nach dem Jahreswechsel erst mit der Einkommensteuererklärung für 2019 und somit erst im Jahr 2020 möglich gewesen. Dadurch wäre der Petentin ein erheblicher Schaden entstanden, den sie dann möglicherweise als Schadensersatz dem Land gegenüber hätte geltend machen können.

70 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Auf beides habe der Anwalt der Petentin keine Ant- sie tief betroffen sei, wie wenig Wertschätzung sie wort erhalten. Inzwischen hatte die Petentin des- nach fast 41 Dienstjahren erfahre. Diese Erfahrung halb Klage beim Arbeitsgericht eingereicht. sei alles andere als motivationsfördernd.

Die Polizeibeauftragte wandte sich mit diesen In- formationen erneut an die Leitung des DLZP und bat diese, sich in den Vorgang einzuschalten. Da- raufhin meldete sich die Vertretung des zuständi- gen Sachgebietsleiters bei der Polizeibeauftragten und teilte mit, dass man nach Prüfung des Vor- gangs festgestellt habe, dass die vom Rechtsan- walt behaupteten Fehler seitens des DLZP nur in Teilen vorlägen. Die Auszahlung sei aufgrund der Abarbeitung der durch die Einführung des neuen Abrechnungssystems entstandenen Rückstände nach Priorisierung erfolgt. Die – nach Auffassung des DLZP erst seit November 2018 fällige – Zahlung sei deshalb erst im Dezember 2018 erfolgt. Das be- rechnete Stundenentgelt sei entgegen der Auffas- sung des Anwalts korrekt. Im Klageverfahren stehe in Kürze die Güteverhandlung an.

Nach dieser Mitteilung stand (endlich) fest, dass zwischen der Petentin und dem DLZP in Bezug auf die Höhe der Vergütung unterschiedliche Auf- fassungen vertreten wurden. Diese Frage konnte verbindlich nur im gerichtlichen Verfahren geklärt werden. Festzustellen war aber auch, dass in die- sem Vorgang Antworten und Reaktionen seitens des DLZP immer nur auf Nachfrage der Polizeibe- auftragten bei der Behördenleitung erfolgten. An- fragen der Petentin und ihres Rechtsanwalts beim DLZP blieben regelmäßig unbeantwortet. Vor allem durch diese völlig missglückte Kommunikation war auf Seiten der Petentin ein erheblicher Vertrauens- schaden eingetreten. So äußerte die Petentin, dass

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 71 03 Statistiken

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2018 bis 30. September 2019 3.1 Gesamtzahlen

3.2 Entwicklung der Fallzahlen

Eingabe Okt. 2016 Okt. 2017 Okt. 2018 bis Sept. 2017 bis Sept. 2018 bis Sept. 2019

Beschwerden von Bürger*innen 44 61 70

Eingaben aus der Polizei 134 153 172

Initiativsachen 3 1 4

Gesamt 181 215 246

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 73 3.3 Beschwerden von Bürger*innen

3.3.1 Überblick

3.3.2 Inhalte der Beschwerden

74 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 3.4 Eingaben aus der Polizei

3.4.1 Überblick

3.4.2 Inhalte der Eingaben

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 75 3.5 Art der Erledigung

3.5.1 Beschwerden von Bürger*innen Angaben des*der Bürger*in möglich war. In diesen Fällen verhielt es sich so, dass schon auf Grundla- Beschwerden Anzahl ge der Angaben der Bürger*innen kein polizeiliches Fehlverhalten erkennbar war, die Bürger*innen die- Positive Regelung erreicht 16 se Bewertung angesichts der Unabhängigkeit der Polizeibeauftragten so für sich akzeptieren konn- Beratung 25 ten und in der Folge auf die Einholung von Stellung- nahmen o. ä. von der Polizei im Einvernehmen mit den Bürger*innen verzichtet werden konnte. Weitere Bearbeitung war nicht möglich 13 (z. B. wegen Kontaktabbruchs) Wenn nach Eingang einer Beschwerde eine weitere Positive Regelung wurde nicht erreicht 2 Bearbeitung nicht möglich war, lag dies oft daran, dass Nachfragen der Polizeibeauftragten von den Weitervermittlung an andere Stelle 5 Bürger*innen nicht beantwortet oder relevante Un- (z. B. an Polizei/Staatsanwaltschaft) terlagen nicht zur Verfügung gestellt wurden bzw. Gesamt 61 Bürger*innen ihr Anliegen aus anderen Gründen nicht weiterverfolgten. Teilweise wurde der Polizei- beauftragten auch nicht das für eine Kontaktauf- nahme zur Polizei erforderliche schriftliche Einver- Das Erreichen einer positiven Regelung umfasste ständnis erteilt. insbesondere das Wiederherstellen des zuvor be- schädigten Vertrauens von Bürger*innen in die Wenn eine positive Regelung nicht erreicht werden Polizei. Dies geschah etwa durch die Vermittlung konnte, war es nicht gelungen, das Vertrauen der und Begleitung von Gesprächen zwischen Polizei Hilfesuchenden in die Polizei wiederherzustellen und Bürger*innen, aber auch durch das Einholen bzw. diese von der Rechtmäßigkeit des beanstan- schriftlicher oder mündlicher Auskünfte und Stel- deten polizeilichen Handelns zu überzeugen. lungnahmen, wodurch Petent*innen Antworten auf ihre Fragen erhielten und ggf. vorhandene Zweifel ausgeräumt werden konnten. Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine positive Regelung erreicht werden konnte, war das Empfinden der Bürger*in- nen und deren Bewertung im Abschlussgespräch mit der Polizeibeauftragten.

In 25 Fällen erfolgte keine Kontaktaufnahme zur Polizei, da dies für die Beantwortung der Fragen und Klärung der Anliegen der Bürger*innen nicht erforderlich oder teilweise von den Hilfesuchenden auch nicht erwünscht war. Beraten wurde etwa zu Fragen in Bezug auf polizeiliche Zuständigkeiten und Befugnisse, aber auch zu Verfahrensabläufen und Möglichkeiten, sich (formell) gegen polizei- oder ordnungsbehördliche Maßnahmen zur Wehr zu setzen. Unter die Abschlussart „Beratung“ fal- len auch Fälle, in denen Bürger*innen die Rechtmä- ßigkeit einer konkreten polizeilichen Maßnahme oder auch ein persönliches Verhalten von Polizei- beamt*innen von der Polizeibeauftragten beurtei- len lassen haben und dies ohne weitere Kontakt- aufnahme zur Polizei, sondern allein anhand der

76 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 3.5.2 Eingaben von Polizist*innen konnte. Zudem wandte sich ein Teil der Petent*in- nen von vornherein „nur“ mit dem Wunsch nach Eingabe Anzahl einer Beratung an die Polizeibeauftragte. Die Ge- spräche dienten dabei auch der Reflexion eigenen Positive Regelung erreicht 31 Verhaltens und z. B. der Entscheidungsfindung, wie zukünftig mit bestehenden strukturellen Gegeben- Beratung und Begleitung 101 heiten konstruktiv umgegangen werden kann.

Bei 14 Eingaben war eine abschließende Bearbei- Weitere Bearbeitung war nicht möglich 14 tung nicht möglich, da sich die Problematik vor bzw. nur aufgrund der Ankündigung eines Tätig- Positive Regelung konnte nicht erreicht werden 4 werdens der Polizeibeauftragten bereits erledigt hatte, der*die Petent*in eine Weiterverfolgung des Abgabe an andere Stelle 2 Anliegens nicht wünschte oder von Seiten des*der Petent*in ein Kontaktabbruch erfolgte. Noch in Bearbeitung 13 Bei vier Eingaben gelang weder eine Lösung des Vorläufig eingestellt110 3 Problems noch eine von Seiten des*der Petent*in insgesamt als hilfreich empfundene Hilfeleistung.

Gesamt 168 Eine Eingabe wurde an das Innenministerium, Ab- teilung IV 4, als zuständiges Landesfachressort ab- gegeben. Hierbei ging es um eine Liegenschaftsan- Bei 31 Eingaben konnte abschließend eine positi- gelegenheit. Bei einer weiteren Eingabe wurde der ve Regelung erreicht und das an die Polizeibeauf- Petent nach Erörterung an die Ansprechstelle im tragte herangetragene Problem gelöst werden. Bei- Innenministerium und/oder den Hauptpersonalrat spielhaft bedeutet dies, dass eine Konfliktlösung der Polizei verwiesen, da dort die allgemein poli- erfolgreich war, eine gewünschte Versetzung er- zeiliche Thematik zielführender bearbeitet werden möglicht wurde oder ausstehende Zahlungen vom konnte. DLZP erfolgten bzw. getätigte Zahlungen nachvoll- ziehbar wurden. Gleiches gilt für das Herstellen von Transparenz z. B. bei einem gegenüber dem*der Pe- tent*in mündlich angekündigten Disziplinarverfah- ren oder ausstehenden Bescheiden zur beantrag- ten Wohnraumarbeit.

Bei 101 Eingaben erfolgte eine – zum Teil auch lang- zeitige – von den Petent*innen als unterstützend und hilfreich wahrgenommene Beratung und Be- gleitung, obwohl das grundlegende Problem nicht gelöst werden konnte. Beispielhaft seien eine an- haltende Konfliktlage und eine weiterhin beste- hende strukturelle Problematik genannt. Deutlich häufiger handelte es sich hierbei um vertraulich bearbeitete Eingaben, bei denen gerade wegen der Vertraulichkeit eine Problemlösung nicht erfolgen

110 Vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2 BüPolBG.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 77 D Teil 2: Berichtszeitraum 1. Oktober 2019 bis 30. September 2020

78 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 01 Berichte

I. Beschwerden von Bürger*innen 1. Überblick

Es ist die Aufgabe der Beauftragten für die Lan- Die Anzahl der Beschwerden von Bürger*innen despolizei, das partnerschaftliche Verhältnis zwi- steigt weiter kontinuierlich an. Im ersten Jahr seit schen Bürger*innen und Polizei zu stärken. Dies Einführung des Amtes der Polizeibeauftragten geschieht, indem die Polizeibeauftragte die Bür- wandten sich 44 Bürger*innen mit Beschwerden ger*innen im Dialog mit der Polizei unterstützt und an die Polizeibeauftragte, im Folgejahr waren es 61 darauf hinwirkt, dass begründeten Beschwerden und im dritten Jahr 70. In diesem Berichtszeitraum abgeholfen wird (§ 10 BüPolBG1). ist ein weiterer Anstieg zu verzeichnen. Insgesamt wurden 120 Beschwerden von Bürger*innen an die Eine Beschwerde kann sich auf ein persönliches Polizeibeauftragte gerichtet. Davon waren 14 als Fehlverhalten einzelner Polizeibeamt*innen bezie- unzuständig bzw. verfristet einzuordnen. Das be- hen oder die Rechtswidrigkeit einer polizeilichen deutet, dass entweder die sachliche Zuständigkeit Maßnahme rügen. Die Polizeibeauftragte wirkt auf nicht gegeben war, oder dass der Beschwerdesach- eine möglichst einvernehmliche Erledigung hin verhalt mehr als ein Jahr zurücklag (vgl. § 15 Abs. 3 (§ 17 BüPolBG). Dabei sind die Hürden für ein Tä- BüPolBG). Es gab demnach 106 inhaltlich bearbei- tigwerden der Polizeibeauftragten bewusst niedrig tete Vorgänge. gesetzt worden: Ein hinreichender Anlass zur Sach- verhaltsaufklärung besteht, wenn bei verständiger Die Beschwerden hatten folgende Inhalte: Würdigung des Vorbringens eine nicht unerheb- liche Rechtsverletzung der Beschwerdeführer*in- — Kommunikation zwischen Polizei und Bürger*in- nen oder ein nicht unerhebliches innerdienstli- nen (37 Vorgänge) ches Fehlverhalten zumindest möglich erscheint (§ 16 Abs.1 BüPolBG). — Fachliche Kritik (z. B. zu wenig polizeiliche Prä- senz, einseitige Ermittlungen, unangemesse- nes/fehlerhaftes Vorgehen bei Vernehmungen, untätige/verspätet tätige Polizei, Kritik an der Bearbeitung von Dienstaufsichtsbeschwerden; 29 Vorgänge)

— Beschwerden mit „Corona-Bezug“ (10 Vorgänge)

1 Gesetz über die Bürgerbeauftragte oder den Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig- Holstein und die Beauftragte oder den Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein (Bürger- und Polizeibeauf- tragtengesetz - BüPolBG).

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 79 — Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen 2. Darstellung der Arbeit im Berichtszeitraum (14 Vorgänge) 2.1 Beschwerden wegen missglückter — Polizeigewalt (1 Vorgang) Kommunikation zwischen Polizei und Bürger*innen In weiteren 15 Beschwerden konnte das Anliegen nicht weiter konkretisiert werden. Es ging z. B. um In 37 an die Polizeibeauftragte von Bürger*innen das Gefühl der Bürger*innen, „Probleme mit der herangetragenen Beschwerden ging es auch in die- Polizei“ zu haben. Die Beschwerden wurden dabei sem Berichtszeitraum um das weite Feld der Kom- nicht auf einen konkreten Sachverhalt oder direkte munikation. Die Bandbreite der erhobenen Vorwür- Begegnungen mit Polizeibeamt*innen zurückge- fe reichte dabei von einem seitens der Beamt*in- führt, sondern teilweise als Dauerzustand beschrie- nen nicht beabsichtigt einschüchternd wirkenden ben. In diesen Fällen gab es keinen Anhaltspunkt Tonfall gegenüber einer hochbetagten Frau bis hin dafür, wie und mit wem man in eine Konfliktlösung zu diskriminierenden sowie beleidigenden und einsteigen könnte. Die Bürger*innen wurden bera- deshalb potentiell strafrechtlich relevanten Äuße- ten und ermutigt, sich bei Vorliegen eines konkre- rungen. ten Sachverhalts zeitnah wieder mit der Polizeibe- auftragten in Verbindung zu setzen. 2.1.1 Verharmlosung der Beleidigung von Menschen mit Behinderung Bei einigen Anliegen waren mehrere Schwerpunkte betroffen. Handelte es sich z. B. um eine rechtswid- Im Herbst 2019 wurde der Polizeibeauftragten vom rige polizeiliche Maßnahme, so war auch häufig die Landesbeauftragten für Menschen mit Behinde- Kommunikation betroffen oder das Verhalten der rung Schleswig-Holstein die Beschwerde eines Bür- Polizei wurde als unangemessen empfunden. gers mit dessen Einverständnis zugeleitet. Dieser hatte sich als Mensch mit Behinderung zunächst an Im Berichtszeitraum gingen schließlich 10 Beschwer- den Landesbeauftragten für Menschen mit Behin- den mit einem Bezug zur Corona-Pandemie ein. derung gewandt, nachdem ihm in einer Schleswig- Holsteinischen Großstadt folgendes widerfahren war:

Einige Wochen zuvor hatte der Petent einen Mit- arbeiter eines namhaften Unternehmens für Auto- vermietungen darauf hingewiesen, dass dieser sein Fahrzeug auf einen Parkplatz für Menschen mit ei- ner Schwerbehinderung abgestellt habe. Daraufhin habe sich der Mitarbeiter wie folgt geäußert:

„Euch scheiß Behinderten ist man keine Rechen- schaft schuldig, wo man parkt!“

Zudem seien auf dem Firmengelände die Hinweis- schilder für die Parkplätze für Menschen mit Be- hinderung bereits seit längerem mit blickdichten Mülltüten zur Unkenntlichkeit verdeckt und abge- klebt gewesen, obwohl sich nach Einschätzung des

80 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Petenten auch noch genügend Parkplätze für Men- geführt habe. Zudem sei der Beschwerdeführer schen ohne Behinderung dort befunden hätten. von der Polizei noch einmal mit Blick auf die Auf- nahme einer Strafanzeige kontaktiert worden. Der Nach dem Vorfall hatte der Bürger die nächstge- Beschwerdeführer war aber mit diesem Ergebnis legene Polizeidienststelle in der Hoffnung aufge- zufrieden und konnte den Vorgang damit für sich sucht, dort Unterstützung zu erhalten. Nach Schil- abschließen. derung des Sachverhalts habe dann aber der anwe- sende Beamte folgendes gesagt: 2.1.2 Wenig hilfsbereite Polizei bei häuslicher Gewalt „Ach, so was macht doch nichts. Ein bisschen Be- hindertenfeindlichkeit ist nicht schlimm.“ Eine nach ihrer Auffassung begründete Beschwer- de erreichte die Polizeibeauftragte im Frühjahr Dass der Bürger zuvor Adressat einer mutmaß- 2020: lichen Beleidigung geworden war, was die Polzei verpflichtet hätte, tätig zu werden, sei von dem Während des ersten Corona-Lockdowns im Früh- Beamten nicht berücksichtigt worden. Eine Straf- jahr 2020 wurde eine Bürgerin ihrer Nachbarin anzeige sei dementsprechend nicht aufgenommen zur Helferin in der Not in einem Fall von häuslicher worden. Gewalt. Die von beiden Frauen wiederholt angeru- fene Polizei hatte in diesem Fall dagegen nicht so Die Polizeibeauftragte nahm zunächst Kontakt zum gehandelt, wie man es von der Polizei eigentlich Bürger auf. Dieser gab an, dass es ihm mit seiner erwarten dürfte. Die Helferin beschwerte sich des- Beschwerde lediglich darum gehe, dass die beiden halb schriftlich parallel bei der zuständigen Polizei- Personen dafür sensibilisiert würden, weshalb ein direktion und bei der Polizeibeauftragten. derartiges Verhalten inakzeptabel sei, und sie auch Menschen mit Behinderung gegenüber den Res- Die Petentin, 61 Jahre alt, bewohnt allein ein Ein- pekt zu zeigen hätten, den sie für sich selbst be- familienhaus. Sie war angesichts des Corona-Infek- anspruchten. tionsrisikos von ihrer Arbeit freigestellt und mied zum damaligen Zeitpunkt Kontakte zu anderen Die Polizeibeauftragte nahm sodann Kontakt zur Personen. An einem Abend im März 2020 klingelte Leitung der zuständigen Polizeidirektion auf und eine ihr nur vom Sehen bekannte Nachbarin an ih- erörterte den Vorgang mit ihr. Da der Beschwerde- rer Tür. Diese bat darum, sich bei der Petentin auf- führer sich nicht mehr an das genaue Datum des wärmen zu dürfen. Ihr Mann hätte sie vor Stunden Vorfalls erinnern konnte und ihm zudem der Name aus dem gemeinsamen Haus ausgesperrt und sie des Beamten unbekannt war – der Beamte habe in dabei die Stufen vor dem Haus heruntergeschubst. der fraglichen Situation mit verschränkten Armen Sie sei schon den ganzen Tag durch die Gegend ge- vor dem Bürger gestanden, weshalb man das Na- laufen, ihr Mann lasse sie nicht wieder herein und mensschild nicht habe entziffern können, gelang es sei wahrscheinlich auch alkoholisiert. Die Dame der Polizei trotz umfangreicher Bemühungen (u. a. hatte nichts bei sich, außer der Kleidung, die sie Auswertung der Dienstpläne, Befragungen der Mit- am Körper trug. Sie hatte in der Region keine An- arbeiter*innen der betroffenen Dienststelle, Befra- gehörigen oder Freunde, die sie hätten aufnehmen gung des Beschwerdeführers) nicht, die Identität können. Die Frau hatte sich bei dem Sturz von der des betroffenen Beamten zu ermitteln. Deshalb er- Treppe Schürfwunden zugezogen. Eine ärztliche folgte stattdessen eine deutliche Ansprache durch Untersuchung oder gar eine Aufnahme im Kranken- die Revierleitung an die Mitarbeiter*innen der be- haus lehnte sie aber ab. Der Petentin war mit Blick troffenen Dienststelle, die zu einer Sensibilisierung auf die Corona-Kontaktbeschränkungen zwar et-

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 81 was unwohl. Da die Frau aber nicht wusste, an wen der Petentin. Er habe nach Alkohol gerochen und sie sich sonst wenden sollte, fuhr die Petentin mit sofort wieder angefangen, seine Frau zu beschimp- ihr zur Bahnhofsmission. Da dort geschlossen war, fen. Die Petentin beendete dieses „Gespräch“ und kehrten die Frauen ins Haus der Petentin zurück und fuhr sodann mit der Frau aufs Polizeirevier. riefen dann auf dem zuständigen Polizeirevier an. Beide Frauen waren aufgeregt und fühlten sich der Nach den Angaben der Petentin habe der Beamte Situation allein nicht gewachsen. Sie baten die am Telefon zunächst mit beiden Frauen gespro- Polizei eindringlich um Hilfe. Daraufhin habe eine chen. Dann habe er erklärt, dass die Polizei für Ehe- Beamtin erwidert, dass die Petentin ihre Tür weder streitigkeiten nicht zuständig sei und man deshalb für die Nachbarin noch deren Ehemann hätte öff- nicht helfen könne. nen müssen. Die Polizei sei für Ehestreitigkeiten und Unterbringungen nicht zuständig. Als die Pe- Die Petentin ging daraufhin – entgegen der War- tentin ergänzend darauf hinwies, dass sie einem er- nungen ihrer Nachbarin – zu deren Haus und höhten Infektionsrisiko ausgesetzt sei und die Frau sprach mit dem Ehemann. Dieser wollte weiterhin auch deshalb gar nicht bei ihr bleiben könne, habe seine Frau nicht ins Haus lassen. Der Mann sei der die Beamtin erwidert, dass das jetzt auch egal sei, Petentin gegenüber immer wieder laut und ausfal- schließlich habe die Frau sogar bei ihr übernachtet. lend geworden. So habe er geäußert, dass man sei- Die Petentin könne die Verantwortung, die sie auf ner Frau und ihrer Familie mit einem Beil die Köpfe sich genommen habe, jetzt nicht einfach auf die Po- einschlagen solle. Der Mann habe während des lizei abwälzen. Die Beamtin habe dann festgestellt, Gesprächs die ganze Zeit weiter Alkohol getrunken. dass die beiden Frauen jetzt sicherlich auch sehr Am späten Abend gegen 23:00 Uhr brach die Pe- aufgeregt wären. Sie sollten sich melden, wenn tentin ihre Vermittlungsversuche ab. Auf der Straße der Mann wiederkommen und die Frauen bedrohen habe der Mann seiner Frau dann entgegengebrüllt, sollte. Dann würde die Polizei kommen. dass sie sich eine Parkbank suchen solle. Die Frau- en riefen mehrere Notrufnummern von Hilfsorgani- Die Petentin fragte die Beamtin, ob man die Frau sationen an, erreichten aber niemanden. Das Frau- nicht in einem Frauenhaus unterbringen könne. Da- enhaus verwies darauf, voll belegt zu sein. Zudem raufhin habe die Beamtin die Petentin gefragt, ob sei es jetzt aber auch zu spät, um etwas unterneh- sie wohl wisse, „was für Frauen in Frauenhäuser“ men zu können. Deshalb wandten die zwei Frauen kämen. Ihre Nachbarin sei kein Fall für das Frauen- sich erneut Hilfe suchend an die Polizei. haus. Dann habe auch die Beamtin den Rat erteilt, das Haus gut abzuschließen und den Ehemann der Die Petentin wies darauf hin, dass sie sich freiwillig Frau nicht hereinzulassen. Sie bot den Frauen ab- in Corona-Quarantäne befände und die Frau des- schließend an, sich einige Broschüren mitzunehmen. halb nicht länger bei ihr bleiben könne. Sie frag- te, was sie tun sollten und wohin die Frau gehen Die Frauen verließen daraufhin die Dienststelle. Sie könne. Der Beamte am Telefon habe daraufhin nur waren weiter voller Angst und inzwischen völlig gesagt, dass die Frauen gut abschließen sollten. verzweifelt, da sie nicht wussten, wie sie die Situ- Sollte der Mann nebenan anfangen zu randalieren, ation meistern konnten. Die Petentin rief sodann würde die Polizei kommen. erneut im örtlichen Frauenhaus an. Da dieses nach wie vor belegt war, wurde sie an das Frauenhaus Die völlig überforderte Petentin ließ ihre Nachbarin einer anderen Stadt weiterverwiesen. Das örtliche daraufhin auf ihrem Sofa schlafen. Beide Frauen wa- Frauenhaus verständigte jedoch ebenfalls die Poli- ren die Nacht über voller Angst. Am nächsten Mor- zei. Nun sollten von dort zwei Beamt*innen kom- gen stand auf einmal der Ehemann vor der Haustür men und die Frau in ihr Haus begleiten, damit sie

82 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 sich von dort ein paar Sachen (Kleidung, Toiletten- wortete der Polizeibeauftragten, dass man das artikel, Geld, Medikamente usw.) holen könne. Beschwerdeschreiben der zuständigen Staatsan- waltschaft zur Prüfung eines strafrechtlichen An- Es seien schließlich drei Beamte erschienen, die fangsverdachts vorgelegt habe. In Bezug auf das die Frau jedoch nicht ins Haus begleitet, sondern Handeln der involvierten Beamt*innen sei diese draußen auf der Straße zusammengestanden und Prüfung negativ ausgefallen. Daher werde man nun miteinander gescherzt hätten, während die Frau schriftlich Kontakt zur Beschwerdeführerin aufneh- erst nach mehrfachem Klingeln und Klopfen von men, um der Petentin eine „Rückmeldung“ zu ihrer ihrem Mann ins Haus gelassen worden sei. Sie hol- Beschwerde zu geben. Als die Polizeibeauftragte te die erforderlichen Sachen, danach brachten die danach nichts mehr hörte, wies sie die Leitung der Beamten die Frau wieder zur Petentin. Sie hätten Polizeidirektion darauf hin, dass es in diesem Fall keinen Einblick in den Vorgang und würden jetzt ja nicht nur um eine straf- und disziplinarrechtliche wieder gehen. Sie hätten gemacht, was sie tun soll- Prüfung des Verhaltens der involvierten Beamt*in- ten. Die Frau sei nach den Angaben der Petentin nen ginge, sondern darüber hinaus auch um das inzwischen aufgrund der anhaltenden psychischen bei der Bürgerin verloren gegangene Vertrauen in Belastungen zu nichts mehr in der Lage gewesen. die Polizei. Die Beauftragte fragte deshalb nach, Da sie nicht gewusst habe, wie sie zum Frauenhaus was die Behörden- oder auch Revierleitung denn kommen sollte, brachte die Petentin sie mit ihrem mit Blick auf den von der Bürgerin beschriebenen PKW dort hin. Das Frauenhaus nahm die Betroffe- Vertrauensverlust unternommen habe. ne schließlich auf. Daraufhin erhielt die Polizeibeauftragte die Antwort, In ihrem Beschwerdeschreiben äußerte die Peten- dass Dienstaufsichtsbeschwerden zur Gewährleis- tin Entsetzen und große Enttäuschung über das tung eines einheitlichen Bearbeitungsstandards Verhalten und die Äußerungen der involvierten grundsätzlich durch die Stabsstelle der Polizeidi- Polizeibeamt*innen. Die Polizei habe ihre Aufgabe rektion bearbeitet und beantwortet würden. Die be- nicht erfüllt, indem sie wiederholt nicht gehandelt teiligten Stellen2 würden vor Erstellung eines Ant- und die beiden Frauen in einer Notlage allein gelas- wortschreibens zum Sachverhalt befragt, um eine sen habe. Mit ihrer Beschwerde erbat die Petentin inhaltlich korrekte Darstellung sicherzustellen. eine Stellungnahme der verantwortlichen Revierlei- tung zu diesen Vorgängen. Das der Beschwerdeführerin von der Polizeidirek- tion mittlerweile zugesandte Antwortschreiben er- Die Polizeibeauftragte nahm Kontakt zur zuständi- hielt die Polizeibeauftragte zur Kenntnis. In dem gen Polizeidirektion auf und bat dort um Einholung Schreiben wurde der Beschwerdeführerin zunächst der gewünschten Stellungnahme. Angesichts des mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft in straf- bei der Petentin eingetretenen massiven Vertrau- rechtlicher Hinsicht keinen Anfangsverdacht von ensschadens regte sie darüber hinaus an, dass die Straftaten im Verhalten der betroffenen Beamt*in- zuständige Revierleitung mit der Petentin ein per- nen gesehen habe und auch „nach Durchsicht des sönliches Gespräch zu den Vorgängen führen sollte. Vorgangs“ durch die Stabsstelle kein ahndungs- würdiges Fehlverhalten der Mitarbeiter*innen er- Die Polizeidirektion entschied sich indes für einen kennbar sei. Der Verfasser des Antwortschreibens anderen Umgang mit dieser Beschwerde. Sie ant- hegte zudem „keine Zweifel am Ablauf und Her-

2 Hier also das betroffene Polizeirevier.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 83 gang der durch die Mitarbeiterin niedergelegten gebe, ist der Beschwerdesachverhalt keinesfalls Aufzeichnungen“. Der Beschwerdeführerin wurde aufgelöst, da die Frage nach dem richtigen Umgang versichert, dass alle Mitarbeiter*innen der Polizei mit einem derartigen Fall völlig unbeantwortet ge- sich der Sensibilität des Themas Häusliche Ge- blieben ist. walt / Gewalt in der Familie bewusst seien und mit dem erforderlichen Fingerspitzengefühl mit den be- Aus Sicht der Polizeibeauftragten bedarf es in der troffenen Menschen umzugehen versuchten. Dabei betroffenen Polizeibehörde einer Aufarbeitung des schafften sie es leider auch aufgrund rechtlicher Falles. Dabei wäre zu prüfen gewesen, welche kon- Vorgaben (welche konkret, wurde nicht ausgeführt) kreten fachlichen Standards durch die einzelnen nicht immer, die Ansprüche aller beteiligten Per- Verhaltensweisen der Beamt*innen nicht erfüllt sonen vollends zu befriedigen. Deshalb komme es wurden. Es dürfte nicht den polizeilichen Standards leider, wie in diesem Fall, hin und wieder zu Situa- entsprechen, wenn Polizeibeamt*innen zwei hilflo- tionen, in denen der Polizei „die Hände gebunden se und überforderte Frauen in einer anhaltenden seien“ und die Beamt*innen nicht wie vielleicht Notsituation wiederholt mit der Begründung, für gewünscht tätig werden oder helfen können. Dafür Ehestreitigkeiten und Unterbringungen nicht zu- bat der Verfasser des Antwortschreibens die Be- ständig zu sein, sich selbst überlassen. Es drängt schwerdeführerin im letzten Satz um Verständnis. sich auch die Frage auf, warum keine Anhörung des Ehemannes und keine Ingewahrsamnahme oder Die Polizeibeauftragte nahm daraufhin erneut Kon- auch Wegweisung erfolgt war, damit seine Ehe- takt zur Petentin auf und fragte sie, wie sie diese frau als Geschädigte der vom Ehemann ausgehen- Antwort empfinde. Die Petentin antwortete, dass den Gewalt wieder in ihr Haus hätte zurückkehren sie sich wünsche, dass die Polizei sensibler mit die- können. Das Antwortschreiben der Stabsstelle der ser Art von Vorfällen umginge. Die Ehepartnerin bei übergeordneten Polizeidirektion enthält keinerlei Frost vor die Tür zu setzen und zu sagen „Such Dir Antworten auf diese Fragen, sondern erschöpft sich eine Parkbank“, sei Gewalt. Und es sei unglaublich, in allgemeinen Floskeln. Dies ruft in diesem Fall lei- sie in so einer Situation allein zu lassen. Die Peten- der erhebliche Zweifel an einer gründlichen und lö- tin gab weiter an, von der Polizei zumindest Hilfe in sungsorientierten polizeiinternen Aufarbeitung des Form einer Weitervermittlung an Hilfseinrichtungen, Vorgangs hervor. zumindest aber die Hergabe von Notfall-Telefon- nummern erwartet zu haben. Stattdessen sei sie Die Polizeibeauftragte bedauert es, dass das Ziel wiederholt nur abgewiesen worden. Gleichwohl sei der „Gewährung eines einheitlichen Bearbeitungs- der Vorfall für sie im Prinzip erledigt. Sie habe sich standards von Dienstaufsichtsbeschwerden“ von aufgrund dieser schlimmen Erfahrung inzwischen der Behördenleitung hier offenbar als gewichtiger mit verschiedenen anderen örtlichen Hilfs- und erachtet wurde als ein persönliches Gespräch mit Notfallorganisationen vernetzt und sei froh, dass den beiden betroffenen Bürgerinnen mit dem Ziel, sie diesen Vorgang der Polizeibeauftragten als un- deren Vertrauen in ihre Polizei wiederherzustellen. abhängige Stelle habe mitteilen können. Eine Entschuldigung gegenüber beiden Bürgerin- nen wäre hier angemessen gewesen. Eine Bereit- Die Polizeibeauftragte ist der Auffassung, dass das schaft dazu besteht leider nicht. Antwortschreiben der Polizeidirektion keine inhalt- liche Auseinandersetzung mit der Beschwerde der Petentin erkennen lässt. Mit der bloßen Feststel- lung der Staatsanwaltschaft, dass es mit Blick auf das Verhalten der involvierten Beamt*innen keinen strafrechtlichen Anfangsverdacht für Straftaten

84 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 2.1.3 Großkontrolle zur Bekämpfung der keine MNB und auch keine Handschuhe getragen ­Drogenkriminalität hatten. Der Beamte habe daraufhin nur gleichgül- tig erwidert, dass „das nicht nötig sei“. Auf seine Auch in dem folgenden Fall war Anlass der Be- weiteren Nachfragen habe der Beamte den Peten- schwerde des Bürgers bei der Polizeibeauftragten ten schließlich an die Pressestelle der zuständigen eine unangemessene Kommunikation der invol- Polizeidirektion verwiesen. vierten Polizeibeamt*innen mit dem Bürger: Nunmehr vollends irritiert und – nach eigenen An- Der Petent hatte an einem Vormittag im September gaben – „stark erschüttert“ über die Art und Weise 2020 im Zentrum einer Schleswig-Holsteinischen der Kommunikation der beiden Beamten mit ihm Großstadt beobachtet, wie eine Polizeibeamtin wandte sich der Petent an die Polizeibeauftragte und ihr Kollege einen jungen Mann kontrollierten. und bat diese um Prüfung des Sachverhaltes. Der Der Petent beanstandete in diesem Zusammen- Petent erklärte, dass er von Polizeibeamt*innen als hang, dass die Beamt*innen während der Kontrolle Repräsentant*innen des Rechtsstaates eine offene, keine Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) und keine höfliche und respektvolle Kommunikation mit den Handschuhe getragen hätten, während sie den Bürger*innen erwarte. Das Nichttragen einer MNB Mann, der nach Wahrnehmung des Petenten Ver- während Einsätzen oder der Durchführung von ständigungsschwierigkeiten hatte und während Maßnahmen stehe zudem in Widerspruch zu den der Kontrolle zitterte, abgetastet und seine Tasche Ausführungen der Landespolizei auf ihrer Home- durchsucht hätten. Zudem bezweifelte der Petent page, wonach „ein Mund-Nasen-Schutz grund- die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, da er zuvor sätzlich u. a. getragen werden soll, wenn aufgrund keine Umstände wahrgenommen hatte, die einen der dienstlichen Tätigkeit absehbar der Abstand Anlass für die Maßnahmen hätten geben können. zwischen Polizeibediensteten und Bürger auf unter Aus diesem Grunde habe der Petent einen dritten 1,5 m reduziert“ werde.3 Diese Voraussetzungen Polizeibeamten, der in unmittelbarer Nähe des Ge- hätten nach Wahrnehmung des Petenten in der schehens gestanden habe, angesprochen und ihn fraglichen Kontrollsituation vorgelegen. gefragt, warum denn überhaupt kontrolliert würde. Auf diese – nach Auffassung der Polizeibeauftrag- Die Polizeibeauftragte nahm Kontakt zur zuständi- ten nachvollziehbare und berechtigte – Frage habe gen Polizeidirektion auf und bat um eine Stellung- der Beamte aber nur knapp und pauschal erwidert, nahme zu den aufgeworfenen Fragen. Danach er- dass „alles“ kontrolliert würde. Weitergehend habe gab sich folgendes Bild: der Beamte sich nicht geäußert. Der Petent begab sich deshalb im weiteren Verlauf auf die nächstge- Hintergrund der vom Petenten beobachteten Per- legene Polizeidienststelle, um dort Antworten auf sonenkontrolle war eine an jenem Tag von der Poli- seine Fragen zu erhalten. Als er dort eintraf, begeg- zei durchgeführte Großkontrolle zur Bekämpfung nete er zufällig dem Beamten, der zuvor an der Per- des Drogenhandels. Involviert waren insgesamt 15 sonenkontrolle beteiligt war. Der Petent fragte den Beamt*innen verschiedener Dienststellen. Mit Blick Beamten, ob es bei der Polizei nicht eine Dienstvor- auf die Rechtmäßigkeit der Großkontrolle war der schrift zum Tragen einer MNB gebe. Er habe gese- Umstand entscheidend, dass das Einsatzgebiet in hen, dass die Beamt*innen eben bei der Kontrolle der Innenstadt als sog. „gefährlicher Ort“ im Sinne

3 Vgl. die Ausführungen auf der Homepage der Landespolizei, abrufbar unter www.schleswig-holstein.de/DE/Landes- regierung/POLIZEI/DasSindWir/Aktuelles/_artikel/200316_CoronaVirus/200316_CoronaVirus.html.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 85 des Landesverwaltungsgesetzes4 eingestuft war. Aus diesem Grunde konnte letztlich auch nicht Dies ermöglicht es der Polizei, im Rahmen der sog. nachvollzogen werden, mit welchen Beamten der Ortshaftung Kontrollen auch ohne Vorliegen einer Petent gesprochen hatte. Die Polizeiführung äu- konkreten Gefahrenlage durchzuführen. Es seien ßerte in ihrer Stellungnahme aber ihr ausdrück- während des Einsatzes nicht nur die vom Petenten liches Bedauern darüber, dass beim Petenten der wahrgenommene, sondern auch noch zahlreiche Eindruck entstanden war, dass sich niemand um andere Personenkontrollen durchgeführt worden. sein Anliegen habe kümmern wollen. Dies sei nicht Die vom Petenten in seiner Beschwerde in Bezug beabsichtigt gewesen. Die Beamt*innen seien bei genommene Kontrolle des jungen Mannes konnte Großkontrollen regelmäßig so intensiv in die Auf- anhand der vorliegenden Angaben polizeiintern gabenerfüllung eingebunden, dass sie sehr wahr- letztlich nicht identifiziert werden, insbesondere scheinlich aus diesem Grunde gerade keine Anfra- konnte dieser kein entsprechender Vorgang im gen von Bürger*innen hätten adäquat beantworten polizeilichen Vorgangssystem zugeordnet werden. können und den Petenten deshalb an eine andere Eine ergänzende Nachfrage der Polizeibeauftragten Stelle weiterverwiesen hätten. bei der verantwortlichen Revierleitung ergab, dass bei Großkontrollen selbstverständlich Vorgänge im Hinsichtlich des Nichttragens einer MNB durch die polizeilichen Vorgangssystem erfasst würden. Auch Beamt*innen während der Kontrolle erläuterte die bei dieser Großkontrolle seien zahlreiche Vorgän- Polizeiführung, dass es für die Landespolizei am ge – insbesondere aufgrund von Verstößen gegen Tag der Kontrolle, aber auch aktuell keine generelle das Betäubungsmittelgesetz – im polizeilichen Vor- Pflicht (etwa in Form eines polizeiinternen Erlasses gangssystem erfasst worden. Zudem gebe es immer oder einer Dienstanweisung) zum Tragen einer MNB auch noch einen Gesamtbericht zum Einsatz, aus gebe. Seit Mitte November 2020 gebe es allerdings welchem z. B. die Gesamtzahl der durchgeführten eine kommunale Allgemeinverfügung, wonach in Kontrollen und ein Gesamtergebnis ersichtlich sei. dem fraglichen Bereich der Innenstadt nunmehr für jedermann*frau eine Pflicht zum Tragen einer MNB Im konkreten Fall sei aber im polizeilichen Vor- bestehe. Daran halte sich auch die Polizei, so dass gangssystem kein passender Vorgang gefunden seither etwa bei Fußstreifen in dem Bereich der In- worden. Dies bedeute aber nicht zwingend, dass nenstadt eine MNB von den Beamt*innen getragen die fragliche Kontrolle nicht erfasst worden sei. würde. Im Übrigen seien die Kolleg*innen angehal- Zwar gebe es auch den Fall, dass kein Vorgang ten, bei Distanzunterschreitungen im Einsatz eigen- angelegt würde, etwa wenn eine Kontrolle völlig verantwortlich eine MNB zu tragen. unauffällig verlaufe. In diesen Fällen würde eine Datenerfassung im polizeilichen Vorgangssystem Die Polizeibeauftragte besprach die Inhalte die- trotz Unergiebigkeit der Kontrolle den Eingriff in ser Stellungnahme mit dem Petenten. Hinsichtlich die Rechte der Betroffenen sonst noch vertiefen. Im des Aspektes der missglückten Kommunikation hier fraglichen Fall könnte aber auch ein Vorgang verständigte die Polizeibeauftragte sich mit dem im polizeilichen Vorgangssystem Artus existieren, Petenten darauf, der Polizei mitzuteilen, dass die der aber nicht dieser Beschwerde zuzuordnen sei. Erklärung, dass alle Beamt*innen damals sehr in

4 Vgl. § 181 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LVwG.

86 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 den Einsatz eingebunden gewesen seien, durchaus nachvollziehbar ist, man dies den Bürger*innen aber gerne transparent mitteilen und höflich dar- um bitten sollte, sich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal mit seinen Fragen an die Polizei zu wenden. Dies hätte in diesem Fall sicher den Ein- druck einer respektlosen und intransparenten Kom- munikationskultur der Polizei verhindert.

Mit diesem Ergebnis konnte die Beschwerde zur Zufriedenheit des Bürgers abgeschlossen werden.

Empfehlung:

Bereits in ihrem ersten Tätigkeitsbericht hatte die — Wann immer es geht, sollte polizeiliches Han- Polizeibeauftragte darauf hingewiesen, dass es aus deln den Bürger*innen transparent und nach- Sicht der Bürger*innen wichtig ist, dass die Polizei vollziehbar dargestellt werden. transparent und nachvollziehbar handelt.5 Es wirkt der Erhebung von Beschwerden generell entgegen, — Grundsätzlich sollte mit Bürger*innen situa- wenn von vornherein seitens der Polizei auf eine tionsangepasst offen und auf Augenhöhe kom- offene Kommunikation auf Augenhöhe – im Sinne muniziert werden. des Eigenverständnisses der Polizei als Bürgerpoli- zei – geachtet wird. Transparenz schafft Verständ- — Empfehlenswert ist eine fortlaufende Durch- nis und Akzeptanz. Beides verhindert Beschwerden. führung von Fortbildungen bezüglich kommu- Auch im aktuellen Berichtszeitraum wurden viele nikativer Kompetenzen, wie z. B. „Gewaltfreie Beschwerden von Bürger*innen nach Auffassung Kommunikation“ 6. der Polizeibeauftragten erst durch eine missglückte Kommunikation ausgelöst. Die Polizeibeauftragte Die Beschwerde des letzten Beispielfalles wäre wiederholt deshalb an dieser Stelle ihre Empfeh- nach Einschätzung der Polizeibeauftragten sehr lungen aus dem ersten Tätigkeitsbericht: wahrscheinlich nicht erhoben worden, wenn die angesprochenen Beamten dem Bürger in freund- lichem Ton kurz erklärt hätten, dass während des laufenden Einsatzes keine Möglichkeit bestand, auf dessen Fragen einzugehen, man aber sehr ger- ne zu einem späteren Zeitpunkt für ein Gespräch zur Verfügung gestanden hätte.

5 Vgl. Tätigkeitsbericht der Beauftragten für die Landespolizei 2016 bis 2018, Seite 20. 6 An dieser Stelle sei deshalb auch nochmal auf das Standardwerk von Rosenberg, Marshall B., Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, hingewiesen.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 87 2.2 Beschwerden wegen rechtswidriger mierten – Polizisten, die sich ihm gegenüber auch polizeilicher Maßnahmen nicht ausgewiesen hätten, kontrolliert worden zu sein. Der Bürger gab an, dass die beiden Beamten In den Fällen, in denen Bürger*innen mit ihrer Be- sein Haus zwar nicht betreten, sich aber in seinem schwerde die Rechtmäßigkeit polizeilichen Han- Garten umgesehen hätten. Auf seine Nachfrage delns bezweifelten, konnte die Polizeibeauftragte hätten die Beamten ihm erklärt, dass ein Nachbar in den vorherigen Berichtszeiträumen7 feststellen, sich über den Petenten beschwert hätte – worüber, dass der Vorwurf des rechtswidrigen Handelns in sei ihm aber nicht mitgeteilt worden. Dem Bürger der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle unbe- war nicht klar, was Grund für die Kontrolle sei- gründet war. Insgesamt wandten sich in diesem nes Grundstücks gewesen war. Er bezweifelte die Berichtszeitrum 14 Bürger*innen mit dem Vorwurf Rechtmäßigkeit der Kontrolle. Ergänzend führte der des rechtswidrigen polizeilichen Handelns an die Petent an, dass bereits einige Wochen zuvor eine Polizeibeauftragte. Nur eine dieser Beschwerden ähnliche Kontrolle bei ihm durchgeführt worden war begründet und in einer Beschwerde blieb der sei, damals allerdings seitens des Ordnungsamtes. Sachverhalt unklar und die Beantwortung der Fra- Auch hier bezweifelte er die Rechtmäßigkeit. Inso- ge nach der Rechtmäßigkeit offen8. Eine rechts- weit verwies die Polizeibeauftragte den Beschwer- widrige polizeiliche Maßnahme konnte demnach deführer an die Ordnungsbehörde bzw. die zustän- jeweils nicht festgestellt werden. In drei Fällen dige Stadt. beriet die Polizeibeauftragte die Petent*innen. Eine Kontaktaufnahme zur Polizei erfolgte danach Mit Blick auf die polizeiliche Kontrolle nahm die nicht. In diesen Fällen konnte den Petent*innen Polizeibeauftragte Kontakt zur zuständigen Polizei- schon auf Grundlage ihres Vorbringens erläutert direktion auf. Ihre dortige Nachfrage ergab, dass es werden, dass die Polizei rechtmäßig gehandelt hat- tatsächlich von Dritten einen Hinweis an die Polizei te. In einem Fall wurden Akten der Staatsanwalt- gegeben hatte, und zwar dahingehend, dass der schaft ausgewertet und rechtlich gewürdigt. Hier Beschwerdeführer auf seinem Grundstück unsach- sowie in neun weiteren Beschwerden ergab sich gemäß und vorschriftswidrig umweltgefährdende die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Handelns Abfälle lagere und beseitige. nach Einholung von Stellungnahmen oder durch Einsichtnahme in Akten und die Einsatzberichte. Diesem Hinweis seien zwei Beamte des Umwelt- Ein weiterer Fall ließ sich auch nach Einholung von schutztrupps des zuständigen Polizeireviers nach- Stellungnahmen nicht zweifelsfrei aufklären, so gegangen. Da auf das Klingeln an der Haustür dass die Frage der Begründetheit der Beschwerde niemand geöffnet habe, man aber Geräusche vom offenblieb. hinteren Grundstücksbereich vernommen habe, sei man in den Garten getreten. Man habe dann den 2.2.1 Besuch vom Umweltschutztrupp Beschwerdeführer angetroffen. Die Beamten hät- Im Sommer 2020 beschwerte sich ein Bürger in ten sich entgegen der Behauptung des Beschwer- gebrochenem und nur schwer verständlichem deführers mit ihren Dienstausweisen legitimiert – Deutsch darüber, einige Wochen zuvor bei sich zu dies gerade aus dem Grunde, weil die Beamten, Hause angeblich anlasslos von zwei – nicht unifor- wie in ihrem Tätigkeitsbereich üblich, nicht unifor-

7 Vgl. erster Tätigkeitsbericht der Polizeibeauftragten für den Zeitraum Oktober 2016 bis September 2018, sowie Teil 1 dieses Berichts für den Zeitraum Oktober 2018 bis September 2019. 8 Vgl. Fall 4 „Kranen eines Segelbootes während der Corona-Pandemie“, S. 120.

88 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 miert und deshalb äußerlich nicht sofort als Polizei- 2.2.2 Missbräuchliche Beschwerde beamte zu erkennen waren.9 In einem anderen Fall gab eine junge Petentin an, dass die Polizei wiederholt unrechtmäßig ihre Woh- Die Beamten berichteten weiter, dass die Kontrolle nung betreten und durchsucht habe: ruhig und geordnet abgelaufen sei. Der Beschwer- deführer sei in der Situation kooperativ gewesen Hintergrund sei, so berichtete die Petentin, dass und habe die Beamten auf deren Wunsch bereit- die Polizei einen jungen Mann gesucht habe, mit willig über sein Grundstück geführt. Der Verdacht dem die Petentin in der Vergangenheit einmal liiert der rechtswidrigen Abfallbeseitigung habe sich am gewesen sei. Die Polizei habe den Verdacht geäu- Ende nicht bestätigt, weshalb auch keine weiteren ßert, dass der Gesuchte sich bei ihr aufhalte, was Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer getrof- aber nicht zutreffend gewesen sei. Die Beziehung fen worden seien. Dies sei dem Beschwerdeführer sei seit längerem beendet. Die Petentin versicher- auch so erläutert worden. te inständig, keinen Kontakt mehr zu dem Mann zu haben. Sie wisse deshalb auch nicht, wo er sich ak- Die Polizeibeauftragte teilte dem Beschwerdefüh- tuell aufhalte. rer die wesentlichen Inhalte der Stellungnahme der Beamten und deren Wahrnehmungen hinsichtlich Die Petentin gab an, sich aufgrund der wieder- des Ablaufs der Kontrolle in verständlicher Sprache holten unangekündigten Besuche der Polizei in mit. Zudem erläuterte sie ihm, dass es nach dieser ihrer Wohnung nicht mehr sicher zu fühlen. Die Erkenntnislage keinerlei objektive Hinweise auf ein Beamt*innen seien sehr resolut aufgetreten und persönliches Fehlverhalten oder ein rechtswidriges hätten angekündigt wiederzukommen, bis sie „den Handeln der Beamten gebe. Sie erklärte dem Peten- haben“. Die Petentin fühle sich wie eine Verbreche- ten insbesondere, dass es Aufgabe und auch Pflicht rin. Sie versicherte, „nichts getan zu haben“. der Polizei sei, Hinweisen auf mögliche Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nachzugehen. Die Polizeibeauftragte holte über die zuständige Polizeidirektion Stellungnahmen der involvierten Mit diesem Ergebnis war der Beschwerdeführer Beamt*innen sowie der Revierleitung zu diesem zufrieden. Nach abschließender Einschätzung der Vorgang ein. Danach lagen gegen den Ex-Freund Polizeibeauftragten dürften in diesem Fall vor al- der Petentin zwei Haftbefehle vor. Außerdem war er lem sprachliche Barrieren zu Missverständnissen von acht unterschiedlichen Staatsanwaltschaften geführt haben. in elf unterschiedlichen Verfahren zur Aufenthalts- ermittlung ausgeschrieben. Es habe einen Hinweis aus der Nachbarschaft der Petentin gegeben, wo- nach der Gesuchte sich ab und zu in den Abend- stunden bei der Petentin aufhalte. Die Polizei hatte in der Folge wiederholt die Wohnung der Petentin aufgesucht. Die Wohnung sei aber nicht durchsucht worden. Man habe sich – mit Einverständnis der Pe- tentin – lediglich kurz in der Wohnung umgesehen.

9 Dieses Vorgehen entspricht den Vorgaben aus dem Erlass IV-LPA-104-12.42 vom 16. April 2018 über die namentliche Kenn- zeichnung und Erkennbarkeit von Polizeivollzugsbeamt*innen, wonach Polizeivollzugsbeamt*innen, die nicht durch ihre Uniform als solche erkennbar sind, sich vor dem Einschreiten unaufgefordert durch das Vorzeigen der Kriminaldienstmarke bzw. des Polizeidienstausweises als Polizeivollzugsbeamt*in auszuweisen haben.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 89 Bei ihrem ersten Besuch hätten die Beamt*innen sucht und dabei den Gesuchten versteckt in einem zwar nicht den Gesuchten, jedoch ein Foto von ihm Küchenschrank gefunden habe. Die weiteren Er- in der Wohnung vorgefunden. Damit konfrontiert mittlungen hatten ergeben, dass der Gesuchte of- habe die Petentin aber weiter beharrlich geleugnet, fensichtlich bei der Petentin wohnte. Kontakt zum Gesuchten zu haben. Sie habe ange- geben, nach der Trennung wohl vergessen zu ha- Dieser Vorgang zeigt, dass es selbstverständlich ben, das Foto abzunehmen. Diese Argumentation auch Fälle gibt, bei denen sich im Ergebnis heraus- erschien den Beamt*innen nicht glaubhaft. stellt, dass die Beschwerde wahrscheinlich von An- fang an unbegründet war. Aber auch ein solches Auch bei ihrem zweiten Besuch hätten die Ergebnis teilt die Polizeibeauftragte als neutrale Beamt*innen den Gesuchten in der Wohnung der Stelle den Bürger*innen selbstverständlich mit, so Petentin nicht angetroffen. auch in diesem Fall.

Einen eingeschüchterten oder gar verängstigten 2.2.3 Die Weisung im Straßenverkehr Eindruck habe die Petentin zu keinem Zeitpunkt auf Ein anderer Bürger wandte sich im Juni 2020 an die die Beamt*innen gemacht. Sie habe eher genervt Polizeibeauftragte, weil er der Ansicht war, ein Poli- gewirkt. So habe sie etwa wiederholt gefragt, wie zeibeamter habe sich ihm gegenüber willkürlich oft die Polizei denn noch zu ihr kommen wolle. und unrechtmäßig verhalten:

Die Polizeibeauftragte konfrontierte die Petentin Der Bürger hatte das Verkehrszeichen 267 StVO mit den Inhalten der Stellungnahmen und teilte ihr („Verbot der Einfahrt“) missachtet und war mit auch mit, dass die Polizeibeauftragte bei alledem seinem PKW verbotswidrig in eine Straße einge- bisher keine Hinweise auf ein mögliches rechts- fahren. Er wurde von einem Polizeibeamten ange- widriges Handeln der Polizei erkenne. Die Peten- halten und auf den Verstoß und die Konsequenzen tin gab jetzt an, dass es ihr mit ihrer Beschwerde der Ordnungswidrigkeit hingewiesen. Der Bürger speziell um das Verhalten eines einzelnen Beamten wollte dann seine Fahrt fortsetzen. Der Polizeibe- ginge. Dieser habe sich ihr gegenüber unangemes- amte forderte ihn auf, zu wenden und entgegen sen verhalten und sie ausgelacht. Als sie ihm eine seiner Fahrtrichtung aus der Straße herauszufah- Dienstaufsichtsbeschwerde in Aussicht gestellt ren. Dieser Aufforderung wollte der Bürger nicht habe, habe er erwidert, dass er schon viele Dienst- nachkommen. Es entwickelte sich ein Dialog, in aufsichtsbeschwerden erhalten habe, und dass das dem der Bürger mehrfach behauptete, es hande- nichts bringe. Diesen Beamten wollte die Petentin le sich um keine Einbahnstraße, die Weiterfahrt in jetzt anzeigen. die gewünschte Richtung sei zulässig. Die Weisung des Polizeibeamten empfand er als sinnlos und als Die Polizeibeauftragte erläuterte der Petentin dar- reinen Willkürakt. Die Kommunikation des Polizei- aufhin, was die ihr vom Gesetz zugewiesene Auf- beamten erlebte er als unfreundlich und nicht ko- gabe ist. Mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde oder operativ. Strafanzeige müsse sie, die Petentin, sich deshalb unmittelbar an die Polizei bzw. die Staatsanwalt- Die Polizeibeauftragte holte über die zuständi- schaft wenden. Damit schloss die Polizeibeauftrag- ge Polizeidirektion eine Stellungnahme ein und te den Vorgang bei sich ab. fragte nach, wie die Kommunikation aus Sicht des Polizeibeamten abgelaufen war. Die Poli- Ca. ein halbes Jahr später erfuhr die Polizeibe- zeidirektion führte aus, der Bürger habe sich auftragte, dass einige Tage zuvor der Zoll in einer nicht einsichtig gezeigt. Der wiederholten Auf- Rauschgiftsache die Wohnung der Petentin aufge- forderung zu wenden, sei er nicht nachgekom-

90 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 men. Mehr als Geduld und ein gewisses Maß den Mann angeschrien und ihn zudem körperlich an Verständnis könnten Polizeibeamt*innen vor drangsaliert, indem er ihm mit den Fingern gegen Ort nicht aufbringen. Der Bürger sei einer Wei- die Nase gestoßen habe. Der Kollege des Beamten sung der Polizei nicht gefolgt, obwohl er hierzu habe dem Ganzen tatenlos zugesehen. nach § 36 Abs. 1 StVO verpflichtet gewesen sei.10 Dem Bürger konnte in Gesprächen mit der Polizei- Der Petent habe sich deshalb in das Geschehen beauftragten verdeutlicht werden, dass das Verhal- eingemischt und den Beamten zur Rede gestellt. ten des Polizeibeamten rechtlich nicht zu beanstan- Daraufhin hätten sich die Aggressionen des Beam- den war. Der Polizeibeamte handelte rechtmäßig. ten sofort gegen den Petenten gerichtet. Letztlich Hinsichtlich der Kommunikation konnte er am Ende habe der Beamte ihn auf die grundsätzlich stark verstehen, dass der Polizeibeamte ihn mehrfach befahrene Straße – eine Hauptverkehrsstraße einer auffordern musste und sein anfangs freundlicher Schleswig-Holsteinischen Großstadt – zurückge- Ton sich in der weiteren Diskussion mit dem Bürger stoßen. Glücklicherweise habe sich in dem Zeit- veränderte. Der Bürger war mit dem Ergebnis sei- punkt gerade kein Fahrzeug genähert. ner Beschwerde einverstanden. Während des Telefonats war eine immer noch an- Auch dieser Fall zeigt, dass Rechtsfrieden nicht nur haltende erhebliche Aufregung des Petenten wahr- dann entsteht, wenn sich Beschwerdeführer*innen zunehmen. Der Anrufer sagte wiederholt, dass der mit ihrer Beschwerde durchsetzen, sondern durch- Beamte zur Verantwortung gezogen werden müsse. aus auch dann, wenn eine Beschwerde am Ende So könne sich doch kein Polizist verhalten. als unbegründet zurückgewiesen wird – dies aber nach Prüfung des zugrundeliegenden Sachverhalts Die Polizeibeauftragte zeigte dem Mann auf, wel- durch eine unabhängige Stelle. Das Merkmal der che Möglichkeiten des weiteren Vorgehens be- Unabhängigkeit ist nach den Erfahrungen der Poli- standen. Sie erklärte ihm den gesetzlichen Auftrag zeibeauftragten in diesen Fällen der maßgebliche der Polizeibeauftragten und die Instrumente, die Umstand, der zur Akzeptanz des Ergebnisses bei das Gesetz ihr dazu zur Verfügung stellt. Der Pe- den Bürger*innen führt. tent erklärte, dass es ihm vor allem darum gehe zu verhindern, dass der Beamte sich auch künftig 2.3 Polizeigewalt „so“ gegenüber Bürger*innen verhalte. Die Polizei- beauftragte klärte den Petenten darüber auf, dass Das Thema Polizeigewalt wurde in diesem Berichts- eine Untersuchung und Bewertung des fraglichen zeitraum lediglich einmal an die Polizeibeauftragte Verhaltens des Beamten angesichts hier unter herangetragen. In diesem Fall meldete sich ein Bür- Umständen erfüllter Straftatbestände11 auch im ger telefonisch bei der Beauftragten und berichtete Rahmen eines Strafermittlungsverfahrens bzw. mit spürbar aufgeregt, soeben einen Fall von Polizei- Blick auf möglicherweise zugleich verletzte Dienst- gewalt zum Nachteil eines hilflosen älteren, mög- pflichten12 im Rahmen eines Disziplinarverfahrens licherweise alkoholisierten Mannes beobachtet zu erfolgen könnte. Der Petent wandte sich deshalb haben. Ein Polizeibeamter sei völlig unangemes- zunächst direkt an die Polizei, um den Sachverhalt sen mit dem Mann umgegangen. Der Beamte habe dort aufnehmen zu lassen.

10 § 36 Abs. 1 StVO: Die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten sind zu befolgen. Sie gehen allen anderen Anordnungen und sonstigen Regeln vor, entbinden den Verkehrsteilnehmer jedoch nicht von seiner Sorgfaltspflicht. 11 U.a. Körperverletzung im Amt (§ 340 Abs. 1 StGB) und Beleidigung (§ 185 StGB). 12 So etwa der Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 91 Einige Monate später teilte der Petent der Polizei- Tatverdachts eingestellt worden.13 Dieses Ergebnis beauftragten auf deren Nachfrage mit, dass er von war dem Petenten seitens der Staatsanwaltschaft der zuständigen Staatsanwaltschaft inzwischen auch mittels eines Einstellungsbescheides mitge- über die Einstellung des Verfahrens informiert teilt und erläutert worden. Die Polizeibeauftragte worden sei. Grund für die Einstellung sei gewesen, erläuterte dem Petenten daraufhin in einem weite- dass die Beamten „etwas anderes“ ausgesagt hät- ren Gespräch noch einmal, aufgrund welcher Um- ten und somit Aussage gegen Aussage gestanden stände und rechtlicher Erwägungen die Einstellung habe. Der Petent beschrieb der Polizeibeauftragten des Verfahrens korrekterweise erfolgt war. vor dem Hintergrund dieses Verfahrensausgangs einen massiven Vertrauensverlust in die Polizei. Er 2.4 Beschwerden mit „Corona-Bezug“ wisse, was er damals gesehen und nach seinem Eingreifen selbst erlebt habe. Er sei fassungslos da- Die Corona-Pandemie ist sowohl für die Beschäftig- rüber, dass der zweite Beamte hier gelogen haben ten der Landespolizei als auch für die Bürger*innen müsse, um seinen Kollegen zu decken. Der zweite eine große Herausforderung und führte schlag- Beamte habe das Geschehen genau mitbekommen, artig zu Veränderungen in allen Bereichen des ge- weil er unmittelbar danebengestanden habe. sellschaftlichen Lebens. Auch im rechtlichen Kon- text war die Lage im Berichtszeitraum dynamisch Die Polizeibeauftragte nahm Kontakt zur zuständi- und von außergewöhnlichen Veränderungen ge- gen Polizeidirektion auf und bat dort um Stellung- prägt. Grundgesetzlich verankerte Freiheitsrechte nahme zu der Frage, wie der Vorgang unabhängig der Bürger*innen werden aus Gründen des Infek- vom Ausgang des Strafermittlungsverfahrens in- tionsschutzes massiv eingeschränkt. So wurde nerdienstlich behandelt worden sei. Die Polizei- und wird eine Vielzahl an Verordnungen, Erlassen direktion teilte daraufhin mit, dass es keinerlei und (auf kommunaler Ebene) an Allgemeinver- innerdienstliche Befassung gegeben habe. Um fügungen verabschiedet. Auch die Landesverord- nachvollziehen zu können, was die beiden Beam- nung zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus ten ausgesagt hatten, beantragte die Polizeibeauf- SARS-COV2 wurde ständig überarbeitet und an- tragte Akteneinsicht bei der zuständigen Staatsan- gepasst. Die Bürger*innen mussten sich demnach waltschaft. innerhalb kürzester Zeit immer wieder auf neue, einschneidende Regelungen einstellen. Für viele Die Akteneinsicht ergab, dass als Zeuge indes nicht Menschen waren diese Regelungen nicht immer nur der zweite Polizeibeamte, sondern darüber verständlich. Immer häufiger wurde im politischen hinaus auch noch eine dritte Person, nämlich ein Raum eingefordert, dass wesentliche Entschei- Arbeitskollege des Petenten, der in der fraglichen dungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Situation ebenfalls zugegen gewesen war, ver- nicht mehr von der Landesregierung, sondern nommen worden war. Da der Tatvorwurf nicht nur vom Parlament getroffen werden sollen. Die Kri- durch die Aussage des Polizisten, sondern darüber tik ist berechtigt, verfügte doch die Exekutive im hinaus auch durch die Aussage des Arbeitskolle- Laufe der Corona-Pandemie über die gravierends- gen des Petenten widerlegt wurde, war das Ermitt- ten Eingriffsbefugnisse in die Freiheitsrechte der lungsverfahren folgerichtig mangels hinreichenden Bürger*innen seit Bestehen des Grundgesetzes.

13 Nach § 170 Abs. 1 StPO erhebt die Staatsanwaltschaft öffentliche Klage (…), wenn die Ermittlungen genügenden Anlass dazu bieten. Dies setzt u. a. voraus, dass die*der Beschuldigte der Straftat hinreichend verdächtig ist. Dies ist nach der Recht- sprechung des Bundesgerichtshofes der Fall, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung der*des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

92 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Nach der vom Bundesverfassungsgericht entwi- diese aber von dem Sicherheitspersonal oder von ckelten Wesentlichkeitstheorie müssen wesent- Mitarbeiter*innen des Geschäfts nicht akzeptiert liche Entscheidungen mit grundrechtseinschrän- wurde. Diese wiederum verwiesen auf ihr Haus- kendem Charakter vom Parlament selbst getroffen recht, das zum Teil vorsah, die Ausnahmeregelung werden.14 Dies gilt gerade vor dem Hintergrund nicht zuzulassen. Hier bestand dann die Aufgabe des großen Adressat*innenkreises, der Intensität darin, zu erklären, dass das Hausrecht Grenzen hat: der Grundrechtseingriffe und der Dauer der Maß- nahmen. Allerdings erfordert die Corona-Pandemie In § 2a Abs. 1 Satz 3 der derzeitigen Corona-Be- auch, dass jeweils schnell auf das Infektionsge- kämpfungsverordnung ist ausdrücklich geregelt, schehen reagiert werden muss. Die Gerichte haben dass Kinder bis zum 6. Geburtstag sowie Men- der Verwaltung gestützt auf § 28 Abs. 1 IfSG (a. F.) schen, die aufgrund einer körperlichen, geistigen hierfür zunächst einen situationsbedingten Spiel- oder psychischen Beeinträchtigung keine MNB raum bei der Ausübung ihres Ermessens einge- tragen können und dies glaubhaft machen können, räumt. Mit zunehmender Dauer und Intensität der von der Verpflichtung zum Tragen einer MNB befreit Grundrechtseinschränkungen musste durch eine sind. An die Glaubhaftmachung waren lange Zeit Neuregelung des § 28a IfSG eine den verfassungs- keine hohen Anforderungen zu stellen. Die Vorlage rechtlichen Geboten entsprechende Rechtsgrund- jedes geeigneten Dokuments, verbunden mit einer lage geschaffen werden. Erklärung der oder des Betroffenen, dass aufgrund medizinischer oder psychischer Beeinträchtigung Im Berichtszeitraum erreichten die Polizeibeauf- das Tragen einer MNB nicht möglich ist, reichte da- tragte zehn Beschwerden mit „Corona-Bezug“, die für aus. Geeignete Dokumente konnten z. B. auch teilweise von der Antidiskriminierungsstelle an die ein Schwerbehindertenausweis oder Allergikeraus- Polizeibeauftragte abgegeben wurden, wenn die weis sein. Auch ein ärztliches Attest konnte und Petent*innen ihr Einverständnis erklärten.15 kann weiterhin ein geeigneter Nachweis sein; die Angabe einer Diagnose ist dabei nicht erforderlich. Bei fünf Beschwerden gab es Beratungsbedarf hin- Seit dem 19. April 2021 ist für die Glaubhaftma- sichtlich der Pflicht, im Einzelhandel eine MNB zu chung einer Befreiung die Vorlage eines ärztlichen tragen, und ggf. um die Notwendigkeit eines ent- oder psychotherapeutischen Attestes erforderlich. sprechenden Nachweises über die Befreiung von jener Pflicht, z. B. in Form eines Attestes. Da die In anderen Fällen lag zwar eine schriftliche Be- Bürger*innen in diesen Fällen mit dem Sicherheits- freiung vor, die Bürger*innen wollten die Beschei- personal uneinig waren und der Zutritt zum Ge- nigung aber nicht vorzeigen und verwiesen auf den schäft jeweils verweigert wurde, wurde die Polizei Schutz ihrer Daten. Auch hier galt es zunächst zu gerufen. Vor Ort versuchten die Polizeibeamt*in- vermitteln. Die irrige Annahme, eine Bescheinigung nen, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln nicht vorlegen zu müssen, resultierte möglicher- und auf bestehende Regelungen hinzuweisen. weise aus den unterschiedlichen Regelungen in Dabei hatten die gemeldeten Fälle unterschiedli- den Corona-Verordnungen der Bundesländer und che Schwerpunkte. Es kam vor, dass zwar eine Be- den damit verbundenen Diskussionen z. B. in Inter- freiung von der Pflicht, eine MNB zu tragen, vorlag, netforen. Aufgabe der Polizeibeauftragten war es

14 BVerfG, Urteil vom 09. Mai 1972, Az 1 BvR 518/62; BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, Az 1 BvL 3/14 und 1 BvL 4/14. 15 Die Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein zählte bis zum 31. Dezember 2020 insgesamt 308 Eingaben mit „Corona-Bezug“, bei denen es um die (Ausnahmen von der) Pflicht ging, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 93 hier, Missverständnisse auszuräumen und auf die bestehende Rechtslage in Schleswig-Holstein hin- zuweisen. Es musste auch einigen Bürger*innen der Sinn und Zweck der Pflicht, eine MNB zu tragen, erläutert werden.

In keinem dieser Fälle konnte ein Fehlverhalten der Polizei durch die Polizeibeauftragte festgestellt werden. Dies war den Bürger*innen in den meisten Fällen auch zu vermitteln.

94 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 II. Eingaben aus der Polizei

Der Beauftragten für die Landespolizei obliegt es gesellschaftlichen Verantwortung der Polizei in auch, sich mit Vorgängen zu befassen, die aus der durch Corona bedingten Krise bzw. während dem innerpolizeilichen Bereich als Eingaben an der Lockdowns zurückstehen müssten. Deutlich sie herangetragen werden (§ 10 BüPolBG). Jede*r wird hier die wiederholt von der Polizeibeauftrag- Polizeivollzugsbeamt*in oder Polizeibeschäftigte ten festgestellte Haltung von Polizist*innen, dass kann sich mit einer Eingabe ohne Einhaltung des in Krisensituationen die Handlungsfähigkeit und Dienstweges unmittelbar an die Polizeibeauftrag- Wirksamkeit der Polizei als Organisation höchste te wenden (§ 14 BüPolBG). Polizeibeamt*innen Priorität hat. Zusätzlich wurde auch die Befürch- dürfen deswegen weder dienstlich gemaßregelt tung geäußert, dass Hinweise auf strukturelle Pro- noch sonst benachteiligt werden. Die Eingaben der blematiken wegen der alles überlagernden Einsatz- Polizeibeamt*innen können – wie Bürgerbeschwer- lage Corona „ins Leere laufen“ würden. Festzustel- den – vertraulich bearbeitet werden. Das heißt, len bleibt jedoch, dass trotz des Corona-bedingten dass die Identität der Person nur mit ausdrück- Rückgangs der Eingaben im 1. Halbjahr 2020 die licher Einwilligung des*der Betroffenen offenbart Anzahl der Eingaben im Zweijahresvergleich an- werden darf (§ 15 Abs. 1 BüPolBG). Auch bei Einga- stieg. So zählte die Polizeibeauftragte im Zeitraum ben wirkt die Polizeibeauftragte auf eine möglichst vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018 ins- einvernehmliche Erledigung der Angelegenheit hin gesamt 287 Eingaben16, während 308 Eingaben (§ 17 ­BüPolBG). im Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis 30. Septem- ber 2020 eingingen.

1. Überblick Wie auch in den vorherigen Berichtszeiträumen wa- ren die Petent*innen überwiegend Polizeivollzugs- Im Berichtszeitraum hatte die Polizeibeauftrage beamt*innen. Insgesamt 10 Eingaben wurden von insgesamt 131 Eingaben zu bearbeiten. Damit ist angestellten Mitarbeiter*innen, Verwaltungsbe- gegenüber dem vorherigen Berichtszeitraum mit amt*innen und sonstigen für die polizeiliche Orga- 168 Eingaben ein gewisser Rückgang zu verzeich- nisation regelmäßig tätigen Personen eingebracht. nen. Allerdings zählte die Polizeibeauftragte im ersten Quartal (1. Oktober 2019 bis 31. Dezember Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses für diesen 2019) mit 39 Eingaben fast dieselbe Anzahl wie Bericht befanden sich noch 19 Eingaben in Bearbei- im letzten Quartal (1. Juli 2020 bis 30. September tung. 2020) mit 38 Eingaben. Im zweiten und dritten Quartal (29 und 25 Eingaben) wandten sich hinge- gen deutlich weniger Polizeibeamt*innen mit inner- 2. Vertrauliche Eingaben dienstlichen Angelegenheiten an die Polizeibeauf- tragte. Den Rückgang der Eingaben im 1. Halbjahr Bei 82 Eingaben erfolgte eine vertrauliche Bearbei- 2020 führt die Polizeibeauftragte auf die Corona- tung, eine Kommunikation der Beauftragten in die Pandemie und die daraus folgende besondere (Ein- Polizei fand nicht oder nicht mit Namensnennung satz-)Lage für die polizeiliche Organisation zurück. der Petent*innen statt. Damit erhöhte sich der pro- Mehrere Polizist*innen äußerten gegenüber der zentuale Anteil der vertraulichen Eingaben an der Polizeibeauftragten, dass aus ihrer Sicht eigene, Gesamtzahl im Vergleich zum Vorberichtszeitraum innerdienstliche Probleme aufgrund der gesamt- (92 von 168 Eingaben) leicht. Der Grund für eine

16 Eingaben, für die eine Zuständigkeit nicht vorlag, sind enthalten.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 95 Vertraulichkeit war bei 34 Eingaben, dass die Pe- 3. Kommunikation mit der Polizei tent*innen lediglich einen Beratungswunsch hat- ten (überwiegender Anteil) oder sich das Anliegen Bei 49 Eingaben erfolgte auf Wunsch der Petent*in- ohne Tätigwerden der Polizeibeauftragten erledigt nen eine Kommunikation der Polizeibeauftragten hatte. In sechs Fällen fühlten sich die Petent*innen mit der polizeilichen Organisation. nach Beratung in der Lage, allein eine Problemlö- sung herbeizuführen. Fünf Eingaben hatten ledig- In fast allen Fällen wandte sich die Polizeibeauf- lich das Ziel, Informationen an die Polizeibeauf- tragte zunächst an die zuständige Behördenleitung, tragte weiterzugeben. In einem Fall verwies die über die überwiegend auch der weitere Austausch Polizeibeauftragte den Petenten an eine Ansprech- stattfand. Nach Wahrnehmung der Polizeibeauf- stelle im Innenministerium, hierbei ging es um das tragten gestalteten sich diese Gespräche insge- Thema Rüstzeiten. samt mit einer größeren Selbstverständlichkeit als noch zu Beginn ihrer Tätigkeit. Dies ist sicherlich In 36 Fällen wünschten die Petent*innen bei fort- auf die wiederholten gemeinsamen Befassungen bestehender Problematik eine vertrauliche Be- zwischen den einzelnen PD-Leitungen und der Po- arbeitung ihrer Eingabe. Wie schon im Vorberichts- lizeibeauftragten zu den an sie herangetragenen zeitraum war dabei der von den Petent*innen am Problematiken zurückzuführen. Es gibt zwischen- häufigsten genannte Grund die Sorge vor dienst- zeitlich eingespielte Wege, das gegenseitige Rol- licher Benachteiligung z. B. in Form von Ausgren- lenverständnis konnte wachsen. Diese Entwicklung zung und/oder Diskreditierung im dienstlichen ist aus Sicht der Polizeibeauftragten Konfliktlösun- Umfeld sowie schlechten Beurteilungen. Erneut gen dienlich und sehr erfreulich. berichteten einige Polizist*innen der Polizeibe- auftragten, dass sie entsprechende Reaktionen In diesem Berichtszeitraum ergab sich für die Poli- von Vorgesetzten gegenüber Kolleg*innen erlebt zeibeauftragte in nur zwei Fällen die Notwendigkeit, hätten, die offen Probleme angesprochen hatten. den Erstkontakt in die polizeiliche Organisation Eine größere Anzahl von Petent*innen suchte die über den Leiter der Abteilung IV im Innenministe- Polizeibeauftragte mit dem Wissen der*des direk- rium bzw. der Hausspitze herzustellen. ten Vorgesetzten auf oder informierte sie*ihn nach einem Erstgespräch. Das Vertrauen in die direkte Führungsebene führte aber nicht immer dazu, dass 4. Das Landespolizeiamt als Gegenstand der die Polizist*innen sich für ein offenes Vorgehen Eingaben der Polizeibeauftragten entschieden. Die Sorge vor einer schlechteren Beurteilung wurde auch an der In die Zuständigkeit des Landespolizeiamtes (LPA) Person des*der Zweitbeurteiler*in festgemacht. fielen im Berichtszeitraum insgesamt 13 Eingaben. Damit ist der Anteil an der Gesamtzahl der Einga- Bei einigen der 36 Eingaben suchte die Polizeibe- ben gegenüber den Vorberichtszeiträumen deut- auftragte – aufgrund der Bedeutung der angespro- lich gesunken. Fünf dieser Eingaben betrafen die chenen Problematiken für die polizeiliche Organi- Zuständigkeit der Wasserschutzpolizei (WSP), die sation – den Austausch mit der zuständigen Behör- als Abteilung IV in das LPA integriert ist. In diesen denleitung, ohne die Namen der Petent*innen zu Fällen ging es sämtlich um Anliegen, die die WSP nennen. selbst betrafen.

In Abgrenzung zu den vorherigen Berichtszeiträu- men ging es bei den verbleibenden acht Eingaben nicht um mangelnde Kommunikation und/oder

96 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Transparenz seitens des LPA in seiner Funktion als 5. Inhaltliche Schwerpunkte der Eingaben Verwaltungsbehörde der Polizei. Insgesamt gab es überhaupt nur drei Eingaben, die das LPA in dieser 5.1 Konflikte Funktion betrafen. Die übrigen Eingaben erfolgten von Angehörigen des LPA selbst. Die Polizeibeauf- Wie schon in den beiden zurückliegenden Berichts- tragte zieht daraus den Schluss, dass im LPA vor- zeiträumen lag der größte Schwerpunkt im Bereich genommene Veränderungen in Strukturen und der Konflikte, hier zählte die Polizeibeauftragte Arbeitsabläufen – die auch die Polizeibeauftragte 33 Eingaben. Damit ist der prozentuale Anteil an in ihrem ersten Tätigkeitsbericht empfohlen hat- der Gesamtzahl der Eingaben im Vergleich zum Vor- te – zu einer positiven Entwicklung geführt haben. berichtszeitraum (29 von 168 Eingaben) nochmals Dies wertet die Polizeibeauftragte im Sinne aller gestiegen. Bei 12 Eingaben stimmten die Petent*in- Mitarbeiter*innen der Landespolizei als eine sehr nen einer Kontaktaufnahme zu der jeweils zustän- gute Entwicklung. digen Amts- bzw. Behördenleitung zu.

Bei der Bearbeitung einer Eingabe, die das LPA in In der Mehrzahl der Fälle erfolgte im weiteren eine seiner Verwaltungsfunktion für die Polizei betraf, Konfliktbearbeitung durch Gespräche zwischen hatte sich die Polizeibeauftragte mit der Frage zu Petent*in und der (vorgesetzten) anderen Konflikt- befassen, ob Polizist*innen Tätowierungen wäh- partei. Diese wurden zum Teil von der Polizeibeauf- rend der Dienstausübung offen zeigen dürfen.17 tragten begleitet. In anderen Fällen kam es zu von Ein Polizeibeamter hatte sich im Februar 2020 mit der Behördenleitung initiierten und begleiteten der Bitte um rechtliche Prüfung an sie gewandt. Konfliktlösungsprozessen. In Absprache mit den Sein Vorgesetzter hatte ihn mit Hinweis auf den Petent*innen und der Behördenleitung hielt sich sog. „Kleidererlass“18 aufgefordert, sichtbare Tä- die Polizeibeauftragte in diesen Fällen im Hinter- towierungen durch die Dienstkleidung abzudecken. grund. Ihre Tätigkeit beschränkte sich ausgehend Nach Prüfung kam die Polizeibeauftragte zu dem vom Ziel einer Konfliktlösung auf eine begleitende Schluss, dass eine Rechtsgrundlage für diese im Beratung der Petent*innen sowie einen Informa- Erlass getroffene Regelung fehlt. Der vom LPA ge- tionsaustausch mit der Behördenleitung. Die bei genüber der Polizeibeauftragten als Rechtsgrund- diesen Eingaben im Zusammenwirken mit beiden lage genannte § 56 des Landesbeamtengesetzes Parteien gemachten Erfahrungen waren aus Sicht ist zu allgemein formuliert.19 Da vom LPA mitgeteilt der Polizeibeauftragten sehr erfreulich. wurde, dass seit September 2020 ein Klageverfah- ren einer*s Beschäftigten der Landespolizei zu der Beispielhaft ist die Eingabe eines Polizeibeam- Frage einer Rechtsgrundlage anhängig ist, ruht die ten aus Juni 2020 nennen, der sich per E-Mail an Bearbeitung der Eingabe bis zu einer gerichtlichen die Polizeibeauftragte sowie gleichzeitig an seine Entscheidung. PD-Leitung und den Personalrat wandte und viele Jahre zurückliegende Konflikte mit Vorgesetzten schilderte. Diese würden noch immer – so der Pe- tent – seinen polizeilichen Werdegang beeinflus- sen und hätten zudem dazu geführt, dass es ihm

17 Fallbeispiel 8 „Tätowierungen bei Polizeibeamt*innen“, Seite 126. 18 Vgl. Erlass IV 104 - 70.02 (Bestimmungen über die Dienstkleidung und das äußere Erscheinungsbild) vom 11.Februar 2016, sowie die Änderung der Ziffer 2.4 vom 29.August 2018. 19 Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, Az 2C 25/17.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 97 ständig schlecht gehe. Als Konsequenz hatte der Polizist seine über viele Jahre freiwillig wahrgenom- Empfehlung: menen Zusatzaufgaben (u. a. Einsatztrainer sowie Mitglied des Einsatzpools der Polizeidirektion) nie- Bei einem größeren Anteil der Eingaben fehlte den dergelegt. Der PD-Leiter nahm sich unmittelbar der Petent*innen das ausreichende Vertrauen, dass bei Angelegenheit an, führte selbst Gespräche mit dem einer offenen Bearbeitung der benannten Konflikte Polizisten und initiierte zudem ein Gespräch mit ei- eine konstruktive und nachhaltige Lösung gefun- nem früheren Vorgesetzten unter Beteiligung eines den werden kann. Dabei stand in allen Fällen die polizeilichen Konfliktberaters. Auch ÖPR und HPR benannte Konfliktpartei in der polizeilichen Hierar- standen dem Petenten unterstützend zur Seite. chie über dem*der Petent*in. Es wurde mehrfach Die Polizeibeauftragte hielt sich in Absprache mit die Sorge geäußert, dass eine offene Bearbeitung dem Petenten und dem Behördenleiter zunächst im – jedenfalls langfristig, wenn die Polizeibeauftragte Hintergrund des am Ende erfolgreichen Konfliktlö- ihre Arbeit beendet hat – negative dienstrechtliche sungsprozesses. Lediglich ein abschließendes Ge- und/oder soziale Folgen für den*die Petent*in ha- spräch zwischen dem Petenten und einem weiteren ben würde. Vorgesetzten begleitete sie auf Wunsch beider Be- teiligter. Im Anschluss erklärte der Petent, dass die Vor diesem Hintergrund stellt die Polizeibeauftrag- Aufarbeitung zum Abschluss der Jahre zurücklie- te wiederholt fest, dass dem Bereich Führung in der genden Ereignisse geführt hätte. Die niedergeleg- Landespolizei eine große Bedeutung zukommt. Sie ten Zusatzaufgaben nahm er wieder wahr. empfiehlt erneut, dass regelmäßig Führungskräfte- rückmeldungen durchgeführt werden. Zudem soll- Der in diesem Fall innerpolizeilich angestoßene ten auch Beamt*innen, die bereits langjährig als und durchgeführte Konfliktlösungsprozess wurde Vorgesetzte in Führungsverantwortung tätig sind, von der Polizeibeauftragten als außerordentlich in Fortbildungsveranstaltungen zu einer Reflexion konstruktiv und zielführend wahrgenommen. Die- ihres Führungsverhaltens angeregt werden. se Wahrnehmung betraf alle Beteiligten. Er zeigte deutlich die Wirksamkeit eines transparenten und wertschätzenden Vorgehens für beide Seiten. 5.2 Straf- und Disziplinarverfahren

Im Berichtszeitraum suchte nur ein Petent auf- grund eines gegen ihn geführten Strafverfahrens die Beratung der Polizeibeauftragten.

Bei fünf Eingaben ging es um eingeleitete Diszipli- narverfahren bzw. um die Sorge vor der Einleitung eines solchen Verfahrens. In drei Fällen erfolgte die Einleitung bzw. stand die Sorge vor der Einleitung des Disziplinarverfahrens in Zusammenhang mit Konflikten mit Vorgesetzten. Sämtliche Eingaben konnte die Polizeibeauftragte auf Wunsch der Pe- tent*innen nur vertraulich bearbeiten.

98 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 5.3 Beurteilungen zum Amt sowie das Datum der Einstellung. Hier- zu wurde ausgeführt, dass die Anwendung dieses Im Berichtszeitraum erreichten die Polizeibeauf- Kriteriums aufgrund der Anhebung des Einstiegs- tragte sieben Eingaben zum Thema Beurteilungen. amtes in der Laufbahn der Polizei von A 7 nach A 8 In der Mehrheit der Fälle gab es einen im Hinter- zum 1. Januar 2016 erfolgte.23 Aus den der Polizei- grund liegenden Konflikt zwischen Petent*in und beauftragten übersandten anonymisierten Beur- Erst- und/oder Zweitbeurteiler*in. Bei anderen teilungslisten konnte sie ersehen, dass die Dauer Eingaben ging es um grundsätzlichere Themen. So der Zugehörigkeit zum Amt kein maßgebliches Be- konnte die Polizeibeauftragte im Sommer 2020 urteilungskriterium war. Damit ergaben sich für die das Verfahren für Beurteilungen der Polizeiober- Polizeibeauftragte keine Anhaltspunkte für eine meister*innen in einer Polizeidirektion (PD) zum fehlerhafte Beurteilungspraxis. Der Petent erhielt Stichtag 1. April 2019 näher betrachten. Einer der durch Erörterung mit der Polizeibeauftragten die beurteilten Beamten hatte den Eindruck gewonnen, gewünschte Transparenz, damit empfand er sein dass es Beurteilungsvorgaben gegeben hatte, und Anliegen als zufriedenstellend erledigt. sich deshalb mit dem Wunsch nach Transparenz an die Polizeibeauftragte gewandt.20 Insbesondere wegen der Äußerung seines Zweitbeurteilers bei 5.4 Umsetzung/Versetzung im Rahmen der erfolgten Gegenvorstellung21, dass das „Be- eines Konfliktes urteilungsverfahren im mittleren Dienst auch dem Beförderungsverfahren entspricht“, vermutete er, Im Berichtszeitraum gab es sieben Eingaben zu dass die Dauer der Zugehörigkeit zum Amt maß- dieser Thematik. Überwiegend wünschten sich die gebliches Beurteilungskriterium war. Damit wäre Petent*innen bei bestehender Konfliktlage einen bei einer noch nicht vorhandenen Beförderungs- Arbeitsplatzwechsel, weil sie eine anderweitige reife eine Beurteilung im oberen Bereich ausge- Konfliktlösung angesichts der aktuellen innerpoli- schlossen gewesen. Die Polizeibeauftragte wandte zeilichen Strukturen und/oder agierenden Vor- sich mit der Frage nach möglichen Beurteilungs- gesetzten nicht für möglich hielten. In zwei Fällen vorgaben an die PD-Leitung. Diese stellte ihr da- ging es um Umsetzungen gegen den Willen der raufhin Reihenfolge und Gewichtung der für die Petent*innen. Aufgrund bestehender Ängste vor (personenbezogene) Beurteilungskoordinierung22 schlechten Beurteilungen sowie Diskreditierungen der Polizeiobermeister*innen zum Stichtag 1. April im Kollegium konnte die Polizeibeauftragte nur 2019 gewählten Beurteilungskriterien dar. Erst an bei drei Eingaben offen tätig werden. Die übrigen fünfter Stelle rangierte die Dauer der Zugehörigkeit Petent*innen nutzten die Gespräche mit der Poli-

20 Vgl. Beispielsfall 1 „Beurteilungsvorgaben für den mittleren Dienst?“, S. 115 21 Gemäß 11.1 der Beurteilungsrichtlinien Polizei (BURLPol SH) kann sich ein*e Beamt*in innerhalb von zwei Monaten nach der Aushändigung bzw. der nachfolgenden Erörterung schriftlich oder mündlich zur Beurteilung äußern (Gegenvorstellung). Die Gegenvorstellung führt die*der Zweitbeurteiler*in, in Form eines besonderen Beurteilungsgespräches. Das Gegenvor- stellungsgespräch wird von einer*einem Mitarbeiter*in der Behörde bzw. des Amtes protokolliert. 22 Vgl. Ziffer 8.4 BURLPol SH: Danach „bezieht sich der Begriff der Koordinierung ausschließlich auf die Maßnahmen der Zweitbeurteilerinnen und Zweitbeurteiler. Die Zweitbeurteilerin oder der Zweitbeurteiler prüft in diesem Stadium der Koordinierung, welche der durch die Erstbeurteilerinnen und der Erstbeurteiler mitgeteilten Gesamtnote sie oder er mitträgt und in einer personenbezogenen Koordinierung vorstellt.“ Gemäß Ziffer 8.4.3.1 BURLPol SH erfolgt die personenbezogene Koordinierung entweder auf Behörden- bzw. Amtsebene oder auf Landesebene. Sie ist immer dann erforderlich, wenn Richt- werte in den jeweiligen Beurteilungsgesamtnoten nach Statusämtern getrennt nicht unerheblich überschritten werden. 23 Dienstrechtliche Änderung durch das Haushaltsbegleitgesetz 2016.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 99 zeibeauftragten zur Beratung, Selbstreflexion und 5.5 Eingaben von Berufsanfänger*innen und eigenen Zielfindung. Gewünschte Versetzungen Bewerber*innen im Rahmen von Einstellungs- begleitete die Polizeibeauftragte im Hintergrund. verfahren, Prüfung der Dienstfähigkeit sowie In der polizeilichen Organisation kommunizierten Stellenbesetzungsverfahren die Petent*innen häufiger nicht den eigentlichen Versetzungsgrund. Dies bedauert die Polizeibeauf- Fünf Eingaben gab es von Berufsanfänger*innen. tragte, weil so Konflikte weder offen thematisiert In vier Fällen beriet die Polizeibeauftragte Polizei- werden noch einen Konfliktlösungsprozess ermög- vollzugsbeamt*innen zum Verfahren wegen einer lichen. Die Polizeibeauftragte hofft, dass zukünftig Prüfung der Vollzugsdienstfähigkeit. Alle vier alle Polizeibeamt*innen ausreichend Vertrauen in Beamt*innen hatten – andauernde oder vermeint- ihre Vorgesetzten haben, um eine wahrgenomme- lich befriedete – Konflikte mit Vorgesetzten, die zu ne Konfliktlage offen anzusprechen. Soweit es in längeren Erkrankungen geführt hatten. In zwei Fäl- ihren Möglichkeiten liegt, wird die Polizeibeauf- len wurde ein Verfahren eingeleitet, gegenüber den tragte durch ihre Tätigkeit ein entsprechendes Ar- anderen Petent*innen wurde die Eröffnung eines beitsklima unterstützen. solchen Verfahrens lediglich als möglich erachtet. Zu Stellenbesetzungsverfahren gingen im Berichts- zeitraum nur zwei Eingaben ein. Empfehlung:

Wie schon im ersten Teil dieses Berichts empfohlen, 5.6 Eingaben im Zusammenhang mit Corona sollten Vorgesetzte aus Sicht der Polizeibeauftrag- ten vor einer Umsetzung/Versetzung immer gewis- Die besondere polizeiliche Lage aufgrund der Pan- senhaft die Möglichkeit einer Konfliktbearbeitung demie veranlasste im Berichtszeitraum fünf Poli- prüfen. Sollte dennoch eine solche Maßnahme zeibeamt*innen, sich hilfesuchend an die Polizei- dienstlich für erforderlich gehalten werden, sollte beauftragte zu wenden. Beispielhaft meldete sich dies mit größtmöglicher Transparenz gegenüber Ende April 2020 ein sichtlich betroffener Polizei- den Betroffenen kommuniziert werden.24 beamter bei der Polizeibeauftragten, nachdem er vom Polizeiarzt über das positive Ergebnis eines ­COVID-19-Tests vom Vortag informiert worden war.25 Der Beamte war seit einer Woche zu einer Polizeistation in einer Landesunterkunft (LUK)26 umgesetzt und hatte sich dort mit hoher Wahr- scheinlichkeit in Ausübung seines Dienstes mit dem Virus infiziert. Die hohe Wahrscheinlichkeit begründete sich mit einem negativen Test zu Be- ginn seiner Tätigkeit sowie dem Umstand, dass in der Einrichtung mehrere mit Corona infizierte Be- wohner*innen lebten.

24 Vgl. Teil 1 II Nr. 5.1 dieses Berichts, S. 34 25 Fallbeispiel 7 „Corona-Infektion im Dienst“, S. 124 26 Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für in Schleswig-Holstein ankommende Geflüchtete.

100 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Der Polizeibeamte hatte in der LUK nicht nur seinen Letztendlich gelang es jedoch dem Petenten vor Regeldienst im Corona-Quarantäne-Bereich geleis- Fristablauf, die Zusage zu erhalten, dass man die tet, sondern war zudem an zwei Sondereinsatzla- beabsichtigte Entscheidung des LPA juristisch prü- gen beteiligt. In dessen Verlauf konnte der erfor- fen werde. Mit Schreiben vom 21. Januar 2021 er- derliche Hygieneabstand zu den Bewohner*innen hielt der Petent die schriftliche Mitteilung, dass die nicht immer eingehalten werden. rechtlichen Ausführungen des LPA zutreffend seien, damit also die Ablehnung des Dienstunfalls juris- Der Petent überstand die Infektion glücklicherwei- tisch korrekt sei. se (bisher) ohne Symptome. Aufgrund möglicher Spätfolgen ist aber eine Anerkennung als Dienst- Da der Rechtsweg demnach für den Polizisten ohne unfall wichtig, was die Polizeibeauftragte bei be- Aussicht auf Erfolg war, wandte er sich auf Emp- stehender Rechtslage für problematisch hält. Zwar fehlung der Polizeibeauftragten Ende Januar 2021 können Unfallfürsorgeleistungen beantragt wer- ergänzend an die Ansprechstelle im Innenminis- den, aber nach aktueller Rechtslage trägt der*die terium. Diese Empfehlung beruhte auf den im in- Antragsteller*in die Beweislast. Danach müssen nerpolizeilichen Informationsnetz (Intr@pol) im die Polizeibeamt*innen selbst den Nachweis er- Zusammenhang mit dem Fürsorgeleitfaden27 ver- bringen, dass die Infektion in Ausübung des Diens- öffentlichten Ausführungen der Innenministerin28, tes und nicht im privaten Umfeld erfolgt ist. Dies sich im Einzelfall unmittelbar an die zentrale Aus- wird in aller Regel schwierig sein. kunfts- und Ansprechstelle ihres Hauses wenden zu können, wenn die im Fürsorgeleitfaden aufge- Trotzdem riet die Polizeibeauftragte dem Polizis- zeigten Möglichkeiten bei schwierigen Krankheits- ten, die Anerkennung eines Dienstunfalls beim verläufen oder gravierenden Problemen nicht rei- LPA zu beantragen. Am 21. Dezember 2020 erhielt chen. Von dort aus wurde gegenüber der Polizeibe- der Petent vom LPA schriftlich die Mitteilung, dass auftragten ein Gespräch mit der Ministerin zu dem eine Ablehnung des Dienstunfalls beabsichtigt sei Einzelfall angekündigt. und er nun gemäß § 87 LVwG die Möglichkeit habe, innerhalb von 14 Tagen zur anstehenden Entschei- dung der Ablehnung Stellung zu nehmen. Der Pe- tent ersuchte daraufhin als Mitglied der deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) um Rechtsschutz. Auf- grund der über Weihnachten und Neujahr laufen- den Frist gestaltete sich dies schwierig und setzte den Petenten aus Sicht der Polizeibeauftragten un- nötig unter Druck. Diesen Umstand sollte das LPA zukünftig bei einer beabsichtigten Zustellung mit zeitlichen Fristen bedenken und das Fristende ggf. auf die Zeit nach den Feiertagen setzen.

27 Fürsorgeleitfaden „COVID-19“ (VS – NfD) mit dem Ziel der Unterstützung der Mitarbeiter*innen der Polizei in der Pandemie. 28 Am 26. November 2020 im Intr@pol veröffentliche persönliche Ausführungen von Frau Dr. Sabine Sütterlin-Waack zum Fürsorgeleitfaden „COVID-19“ .

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 101 5.7 Die Zusammenarbeit mit Dolmetscher*innen Empfehlung: beim LKA

Die Polizeibeauftragte hält die Versorgungslücke Zur Überwindung sprachlicher Barrieren, wenn vor dem Hintergrund des gesteigerten Infektionsri- etwa Täter*innen, Opfer oder Zeug*innen einer Tat sikos für Polizeibeamt*innen in Einsatzsituationen nicht hinreichend der deutschen Sprache mächtig und den Erwartungen der Gesellschaft, dass die sind, aber auch im Rahmen von geplanten oder Polizei ihre Aufgaben auch unter den gegebenen laufenden (verdeckten) Ermittlungen oder bei der Umständen zu erfüllen hat, für bedenklich. Bereits Auswertung bereits gesicherter fremdsprachlicher Anfang Juni 2020 griff sie die Thematik als Initiativ- Daten und potentiellen Beweismaterials bedient sache auf und empfahl beim Innen- und Rechtsaus- sich die Polizei der Unterstützung von Dolmet- schuss eine Überarbeitung des Dienstunfallrechts scher*innen. Dazu wird beim LKA ein Verzeichnis im Kontext mit Covid-19-Infektionen: Ziel muss von Dolmetscher*innen für verschiedene Fremd- aus Sicht der Polizeibeauftragten eine Beweislast- sprachen geführt. Dieses Verzeichnis wird gepflegt umkehr sein, so dass die Ansteckung eines*einer und verwaltet von einem Mitarbeiter des LKA, es Polizeivollzugsbeamt*in mit einer Corona-Infektion ist aber grundsätzlich für jede Dienststelle und je- als Dienstunfall gilt, es sei denn, es wird nachge- de*n Polizeibeamt*in im Land elektronisch einseh- wiesen, dass die Infektion nicht in Ausübung des bar. Hat ein*e Beamt*in bei der polizeilichen Arbeit Dienstes erfolgte.29 sprachlichen Übersetzungsbedarf, kann er*sie dem Verzeichnis die Dolmetscher*innen entnehmen, die Ein entsprechender Gesetzentwurf der SPD-Land- die fragliche Sprache beherrschen und sodann mit tagsfraktion vom 4. Februar 202130,„Anerkennung der Person seiner*ihrer Wahl unmittelbar Kontakt einer Erkrankung mit Covid-19 als Arbeits- bzw. aufnehmen. Dienstunfall“, wurde am 25. Februar 2021 in Erster Lesung im Landtag debattiert und zur weiteren Be- Grundsätzlich kann jede*r Dolmetscher*in bei der arbeitung in den Innen- und Rechtsauschuss ver- Landespolizei die Aufnahme in das Verzeichnis wiesen. Die Polizeibeauftragte unterstützt den Ge- beim LKA beantragen. Ob dem stattgegeben wird, setzentwurf und wünscht sich, dass das Anliegen richtet sich maßgeblich nach den Kriterien Qualifi- im Sinne der Polizeivollzugsbeamt*innen weiterbe- kation und Zuverlässigkeit. Ein Rechtsanspruch auf wegt wird.31 Aufnahme in das Verzeichnis existiert indes nicht. Auch gibt es nach erfolgter Aufnahme in das Ver- zeichnis keinen Rechtsanspruch auf Beauftragung. Der*die jeweilige Sachbearbeiter*in entscheidet im Einzelfall, wer einen Auftrag erhält.

Diese Vorgehensweise kritisierte eine Dolmetscher- person, die sich mit einer entsprechenden Eingabe an die Polizeibeauftragte wandte. Die Person hatte

29 Vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag Umdruck 19/4145 vom 4. Juni 2020 und Presse der GDP mit der Überschrift „Wir erwarten jetzt konkrete Fürsorge-Vorschläge“ vom 9. Juni 2020. 30 Schleswig-Holsteinscher Landtag, Drs. 19/2618 vom 4. Februar 2021. 31 Vgl. hierzu auch die Pressemitteilung der Polizeibeauftragten vom 25. Februar 2021, abrufbar unter www.ltsh.de/presseticker/2021-02/25/14-32-03-7e24/PI-YDem034k-lt.pdf.

102 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 über längere Zeit die Wahrnehmung erlangt, dass geeignet sei. Deshalb sei es auch nicht verwerflich, einige wenige Dolmetscherkolleg*innen von den- wenn es zu einer wiederholten Auswahl komme. Es selben Sachbearbeiter*innen immer wieder be- gehe nicht darum, alle im Verzeichnis geführten auftragt wurden, und dass sich zwischen diesen Dolmetscher*innen gleichmäßig und gerecht zu be- Sachbearbeiter*innen und Dolmetscher*innen teils schäftigen, sondern die zu bearbeitenden Vorgänge fragwürdige Näheverhältnisse entwickelt hätten. effizient abzuarbeiten. Zudem würde ein Rotations- prinzip auch nicht den spezifischen schleswig-hol- Die Dolmetscherperson verband mit ihrer Einga- steinischen Gegebenheiten gerecht werden. Schles- be vor allem die Hoffnung, dass die Polizeibeauf- wig-Holstein sei, anders als etwa , wo die tragte auf die Etablierung eines anderen Systems Auftragsverteilung zentralisiert und auf ein Rota- der Auftragsverteilung hinwirken könne, da das tionsprinzip umgestellt worden ist, ein Flächenland. herrschende Vergabesystem, das nicht dem Ver- Daher sei es manchmal erforderlich, dass ein*e Dol- gaberecht unterfällt, korruptionsanfällig sei. Eine metscher*in schnellstmöglich an einen abgelege- Auftragsvergabe von zentraler Stelle, also gerade neren Ort komme. Hier müsse man dann jemanden nicht durch einzelne Sachbearbeiter*innen, und auswählen können, der in der Nähe ansässig sei. zudem unter Einhaltung einer Rotation unter den Diese Flexibilität sei bei einem zentral gesteuerten Dolmetscher*innen sei vorzugswürdig, da es we- Rotationsprinzip grundsätzlich nicht gegeben. niger korruptionsanfällig und zudem gerechter sei. Die Person hatte ihre Eingabe vertraulich erhoben. Der Beamte des LKA wies auf Nachfrage der Poli- Aus Angst vor Nachteilen traute diese sich auch auf zeibeauftragten darauf hin, dass man Korruptions- wiederholte Empfehlungen der Polizeibeauftragten vorwürfen selbstverständlich konsequent nachge- nicht, aus dem Schutze der Vertraulichkeit heraus- hen würde. Entsprechende Hinweise müssten aber zutreten und ihre Beobachtungen näher zu konkre- hinreichend konkret sein. „Ross und Reiter“ müss- tisieren, was aber Voraussetzung für eine weitere ten dazu benannt werden. Untersuchung des Vorbringens gewesen wäre. Hierzu fehlte der Dolmetscherperson aus dem ge- Die Polizeibeauftragte nahm gleichwohl Kontakt nannten Grund der Mut, so dass die Polizeibeauf- zum LKA auf und informierte sich dort zunächst tragte sie letztlich nur bezüglich möglicher anderer über das oben beschriebene Verfahren. Insbeson- Handlungsoptionen32 beraten konnte. dere führte sie ein Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter im LKA. In dem Gespräch wurden auch Einige Monate später wurde eine zweite Angelegen- die in der Eingabe formulierten Bedenken und der heit, die Dolmetscher*innen betraf, an die Polizei- Vorschlag einer möglichen Neukonzipierung der beauftragte herangetragen. Es meldete sich eine Auftragsvergabe thematisiert. berufserfahrene vereidigte Dolmetscherin und be- richtete, dass sie seit vielen Jahren für die Polizei Der verantwortliche Mitarbeiter des LKA lehnte dolmetsche. Zuletzt sei sie im Rahmen der Ermitt- letzteres mit der Begründung ab, dass sich das lungen in einem versuchten Tötungsdelikt beauf- aktuelle System bewährt habe. Die Sachbearbei- tragt gewesen. Allerdings sei ihr der Auftrag – an ter*innen wüssten aufgrund ihrer persönlichen ersten Zeugenvernehmungen hatte sie bereits mit- Erfahrungen am besten, wer für die Übersetzung gewirkt – plötzlich und unter einem Vorwand wieder

32 Erstattung einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft und/oder Gespräch mit dem damaligen Antikorruptionsbeauf- tragten des Landes Schleswig-Holstein.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 103 entzogen worden. Am Morgen des fraglichen Tages herausgegeben habe, aufgrund derer man sie nun wurde der Petentin vom zuständigen Kriminalbeam- nicht mehr beauftragen dürfe. Erst später erfuhr ten telefonisch mitgeteilt, dass sie aus „organisato- die Petentin dann, dass die Dolmetscherwarnung rischen Gründen nicht zum anberaumten Termin zu auf Grundlage eines gegen sie eingeleiteten Ermitt- erscheinen brauche. Der Termin müsse aus dienst- lungsverfahrens wegen des Verdachts des Geheim- lichen Gründen ‚vermutlich‘ verlegt werden.“33 nisverrats ergangen war.

Durch Zufall erfuhr die Petentin am nächsten Tag Es stellte sich heraus, dass man ihr unterstellte, mit in einem Telefonat mit einem Dolmetscherkolle- dem Beschuldigten aus dem Verfahren wegen der gen, dass dieser jetzt in jenem Verfahren beauf- versuchten Tötung privat bekannt zu sein und im tragt worden sei und soeben die Vernehmung, die Rahmen dieser Verbindung geheime Verfahrensin- also entgegen der Mitteilung des Beamten sehr halte verraten zu haben. Den Umstand ihrer priva- wohl stattgefunden hatte, übersetzt habe. Dieses ten Bekanntschaft habe die Petentin wider besse- Telefonat nahmen die Kriminalbeamt*innen spä- ren Wissens pflichtwidrig bei ihrer Beauftragung in ter zum Anlass, ein Ermittlungsverfahren wegen dem Verfahren nicht mitgeteilt. Geheimnisverrats gegen die Petentin einzuleiten. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass der Dolmet- Zutreffend ist, dass die Petentin mit dem Beschul- scherkollege diesen Anruf später wahrheitswidrig digten bereits einmal in einem vorangegangenen bestritten hat. Auch leugnete er, die Petentin über Verfahren als Dolmetscherin zu tun hatte. In jenem seine Beauftragung unterrichtet zu haben. Die Pe- Verfahren befand sich der Beschuldigte wegen einer tentin konnte später anhand ihres Rufnummern- anderen Tat in Haft und die Petentin war gerichtlich verbindungsnachweises belegen, dass der Dol- beauftragt worden, von ihm aus der Haft heraus ge- metscher sie angerufen hatte. Warum der Dolmet- führte Telefonate zu übersetzen. Privat hatte und scher hier die Unwahrheit gesagt hat, ist aus nicht hat die Petentin keine Verbindung zum Beschul- nachvollziehbaren Gründen nie hinterfragt worden. digten. Trotz des erfolgten Nachweises der rein Stattdessen wurde seine Aussage als glaubhaft ge- beruflichen Natur ihrer Kontakte hält das LKA bis wertet und daraus der Schluss gezogen, dass die heute aus nicht nachvollziehbaren Gründen an der Petentin dann vom Beschuldigten über den Dol- Behauptung der persönlichen Bekanntschaft fest. metscherwechsel informiert wurde. Den Umstand ihrer völlig unschädlichen berufli- Die nachfolgenden Bemühungen der Petentin, mit chen Vorbefassung mit der Person des Beschuldig- den involvierten Beamt*innen ein Gespräch über ten hatte die Petentin entgegen der Behauptung die Gründe für den Dolmetscherwechsel zu führen, der Kriminalbeamt*innen durchaus gleich zu Be- liefen ins Leere. ginn des Verfahrens, nämlich unmittelbar vor der ersten Vernehmung des Tatopfers im Krankenhaus Kurze Zeit später wurde der Petentin ein weite- mitgeteilt. Dies aber leider nicht schriftlich. Die Po- rer Auftrag von der Polizei entzogen. Der dort zu- lizeibeauftragte hegt indes keinerlei Zweifel an der ständige Beamte teilte ihr mit, dass das LKA eine Glaubwürdigkeit der Petentin, da diese die dama- sog. Dolmetscherwarnung betreffend ihre Person lige Situation, in der sie die Kriminalbeamt*innen,

33 So ist es formuliert im vom Kriminalbeamten zu der Terminabsage gefertigten Vermerk. Auffällig an dem Vermerk ist, dass er vom 4. Juli 2017 datiert, jedoch ausweislich der Angaben am unteren Seitenrand am 17. Juli 2017 – an dem Tag wurde die Strafanzeige gegen die Petentin gefertigt – gespeichert wurde. Entweder wurde dieser Vermerk also erst am 17. Juli 2017 geschrieben und zurückdatiert, oder er wurde am 17. Juli 2017 noch einmal überarbeitet.

104 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 einen Mann und eine Frau, über ihre Vorbefassung und weiteren Vertretern des LKA auch ein Vertreter informierte, spontan unter Nennung zahlreicher des ULD teilnahmen. Details (Uhrzeit, genauer Ort, nämlich im Fahrstuhl der Klinik) beschreiben konnte. Aber auch mit die- In der Gesprächsrunde berief sich das LKA auf das sem Einwand drang die Petentin nicht durch. zerrüttete Vertrauen in die Integrität der Petentin. Durch die Einstellung mangels hinreichenden Tat- Das gegen die Petentin geführte Ermittlungsverfah- verdachts sei keinesfalls die Unschuld der Petentin ren wurde am Ende mangels hinreichenden Tatver- erwiesen. Das LKA betonte, dass weiterhin Zweifel dachts eingestellt. Gleichwohl nahm das LKA die an der Unschuld der Petentin bestünden. Dies er- Dolmetscherwarnung – unter Berufung auf angeb- gebe sich – was formal zutrifft – auch aus der Ab- lich zerstörtes Vertrauen – nicht zurück. Dies hatte schlussverfügung der Staatsanwaltschaft. Man für die Petentin schwerwiegende Folgen. habe der Petentin die Tat (den Geheimnisverrat) letztlich nur nicht mit dem für eine Anklageerhe- Die Dolmetscherwarnung war angeblich zunächst bung erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad nach- „nur“ landesweit an alle Sicherheitsbehörden ver- weisen können. teilt worden. In der Folge brach der Petentin ein Großteil ihrer Aufträge und damit auch ihrer Ein- Die Nachfrage der Polizeibeauftragten, aufgrund nahmen weg. Diese Situation verschärfte sich dann welcher konkreten Handlung34 der Petentin das Er- allerdings noch, als auf einmal auch Aufträge von mittlungsverfahren eingeleitet worden sei, wurde Sicherheitsbehörden anderer Bundesländer unter nur ausweichend beantwortet. Es wurde pauschal Hinweis auf die Dolmetscherwarnung aus Schles- darauf verwiesen, dass der Tatvorwurf offenbar wig-Holstein ausblieben. Offensichtlich war die nicht ganz abwegig gewesen sei, da die Staats- Dolmetscherwarnung also auch über die Grenzen anwaltschaft auf die entsprechende Strafanzeige Schleswig-Holsteins hinaus übermittelt worden. schließlich einen Anfangsverdacht bejaht und ein Ob insbesondere die bundesweite Dolmetscher- Ermittlungsverfahren eingeleitet habe. warnung rechtmäßig war, wird gesondert vom Un- abhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) Dass die Petentin private Kontakte zum gesondert untersucht. Das dortige Verfahren dauert nach verfolgten und inzwischen inhaftierten Beschuldig- Kenntnisstand der Polizeibeauftragten an. ten unterhalte, schließe man u. a. aus den Inhalten zweier beim Beschuldigten abgehörter Telefonate. Die Polizeibeauftragte forderte vom LKA eine Stel- Danach habe der Beschuldigte in einem Telefonat lungnahme zu der Frage ein, aufgrund welcher einer anderen Person berichtet, dass er „den Dol- Erwägungen das LKA die Aufrechterhaltung der metscher getroffen habe, der da gewesen sei.“ In Dolmetscherwarnung insbesondere nach der Ein- dem Vermerk des LKA hierzu lautet das Zitat des stellung des Ermittlungsverfahrens mangels hin- Beschuldigten weiter: „Er/sie habe gesagt, sie ha- reichenden Tatverdachts für rechtmäßig erachtete. ben angezeigt, haben aber keinen Namen genannt.“

Das LKA lud die Polizeibeauftragte daraufhin zu ei- In einem weiteren abgehörten Telefonat habe eine ner Fallkonferenz ein, an welcher neben der Leitung Person dem Beschuldigten erzählt, dass er einen

34 Vgl. hierzu § 353b Abs. 1 StGB, wonach als Tathandlung ein Offenbaren gegeben sein muss. Die Petentin indes wurde von ihrem Dolmetscherkollegen angerufen und von ihm über etwas informiert. Bei alledem liegt nach Auffassung der Polizei- beauftragten schon gar keine taugliche Tathandlung vor.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 105 Freund habe, „und die Cousine von diesem Freund rein beruflicher Natur waren und es weitere Be- ist Polizeidolmetscherin und sie wisse alles.“ suche der Petentin in der JVA nicht gegeben hatte. Diese Information wurde der Polizeibeauftragten in Außerdem gebe es einen Vermerk der Staatsan- der Fallkonferenz nicht mitgeteilt. Auch im Schluss- waltschaft, wonach die Petentin den Beschuldigten bericht wurden die Fakten um die JVA-Besuche ver- in der Vergangenheit zusammen mit dessen Freun- kürzt und aus dem Zusammenhang gerissen und din wiederholt in Haft besucht haben soll. Hier solle damit in ihrer Aussagewirkung irreführend darge- es vor allem auch private Kontakte gegeben haben. stellt.

Eine nachfolgend durch die Polizeibeauftragte Auch die beim Beschuldigten durchgeführte Tele- durchgeführte Akteneinsicht ergab indes Folgendes: kommunikationsüberwachung hatte keinerlei Hin- weise auf Kontakte zur Petentin ergeben.35 In dem vom LKA in Bezug genommenen abgehör- ten Telefonat hatte der Beschuldigte laut Abhörpro- Generell drängte sich der Polizeibeauftragten bei tokoll wörtlich gesagt: „( … ) ich habe den Dolmet- Akteneinsicht der Eindruck auf, dass die gegen scher getroffen, der bei denen war. Er sagte mir, er die Petentin geführten Ermittlungen einseitig bzw. habe mit, sie haben angezeigt in der Sache, aber jedenfalls nicht mit der gebotenen Unvoreingenom- sie haben keinen Namen angegeben ( … ).“ Das menheit durchgeführt worden waren. So wiesen weibliche „sie“ war danach in dem abgehörten Vermerke teilweise irreführende und nachweislich Telefonat gar nicht gefallen. nichtzutreffende Inhalte auf bzw. warfen Fragen hinsichtlich ihres tatsächlichen Erstellungsdatums Eine spätere Befragung eines Dolmetschers durch auf. Auch wurden im Verlauf des Ermittlungsver- eine Kriminalbeamtin hatte zudem ergeben, dass fahrens Mutmaßungen als gesicherte Fakten dar- in der hier in Rede stehenden Fremdsprache wie im gestellt. Deutschen zwischen einer männlichen und weib- lichen Form unterschieden wird. Dieser Umstand In der staatsanwaltlichen Abschlussverfügung fehl- bestätigte, dass in dem Telefonat tatsächlich von te es an einer Konkretisierung der Zweifel an der einem männlichen Dolmetscher – und somit nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der Pflichten der Pe- von der Petentin – die Rede gewesen sein dürfte. tentin als Dolmetscherin. Im späteren Schlussvermerk, in dem der Verdacht eines Geheimnisverrats gleichwohl weiter aufrecht- Die Petentin klagte vor dem Verwaltungsgericht erhalten wurde, wurden die Befragung des Dolmet- gegen den Fortbestand der Dolmetscherwarnung. scherkollegen zur sprachlichen Form und das die Es erging am Ende ein Urteil nach Aktenlage durch Petentin entlastende Ergebnis gar nicht erwähnt. den Einzelrichter zu Ungunsten der Petentin. Das LKA hat inzwischen aber in einer Fallkonferenz Der Vermerk der Staatsanwaltschaft ergab, dass nach nunmehr drei Jahren die Rücknahme der sich hinsichtlich der Besuche der Petentin beim Be- Dolmetscherwarnung beschlossen.36 Vor diesem schuldigten aufgeklärt hatte, dass sämtliche Kon- Hintergrund, vor allem aber, weil ihr aufgrund der takte der Petentin beim inhaftierten Beschuldigten jahrelangen durch diese Geschehnisse verursach-

35 Dieser entlastende Umstand wurde indes im Schlussvermerk dargestellt. 36 Nach dem zugrundeliegenden Dolmetschererlass des LKA vom 9. August 2019 wird nach Ablauf von 3 Jahren geprüft, ob eine Speicherung der Warnung beendet werden kann.

106 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 ten psychischen Belastungen inzwischen die Kraft 5.8 Probleme betreffend Liegenschaften der ­fehlte, hat die Petentin gegen das Urteil keine Polizei Rechtsmittel eingelegt. Ein Anliegen, mit welchem sich immer wieder Dienstgruppen oder auch ganze Dienststellen an Empfehlung: die Polizeibeauftragte wenden, ist der Wunsch nach einer Verbesserung der Unterbringungssitua- Die Polizeibeauftragte empfiehlt weiterhin zu über- tion. Oft geht es dabei um Platzmangel und/oder prüfen, wie die Vergabe von Aufträgen an Dolmet- Renovierungsbedarf in teils alten und den Ansprü- scher*innen gestaltet werden kann, um jeglichen chen an moderne Polizeiarbeit nicht mehr gerecht Anschein von Korruption auszuschließen. Mögli- werdenden Dienstgebäuden. Platzmangel führt da- cherweise könnten in gewissem Umfang Rotatio- bei oft auch zu bedenklichen sicherheitsrelevanten nen der Dolmetscher*innen nach dem Hamburger Folgeproblemen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Vorbild erfolgen. Die Argumentation des LKA, dass kein sicherer Raum z. B. für Vernehmungen poten- so zu lange Anfahrtswege entstünden, überzeugt tiell aggressiver Personen zur Verfügung steht, nicht. Auch in einer Stadt wie Hamburg können An- Fluchtwege mit Inventar zugestellt sind oder es kei- fahrtswege aufgrund von Verkehrsstaus viel Zeit ne Fluchttüren gibt. Auch hat die Polizeibeauftragte kosten. bei Begehungen von Dienstgebäuden festgestellt, dass sperrige Papiercontainer aufgrund von Platz- mangel dauerhaft außerhalb des Dienstgebäudes abgestellt waren.

Dieselbe Dienststelle ist in einem ehemaligen Wohnhaus aus den 1920er Jahren untergebracht, das nicht barrierefrei ist. Ein Anbau aus den 1960er Jahren ergänzt die Dienststelle. So gibt es in einem „Büroraum“ zwar einen nostalgischen Ka- chelofen, allerdings für die insgesamt 12 Beamt*in- nen nicht einmal geschlechtergetrennte Duschen, Toiletten und Umkleidebereiche mit ausreichen- dem Stauraum für Ausrüstung und Dienstkleidung. Zudem mangelt es an genügenden Schreibtisch- arbeitsplätzen. Für Dienstfahrzeuge steht hinter dem Dienstgebäude grundsätzlich ein Hof zur Ver- fügung. Allerdings sind die Zufahrt zum Hof und der Hof selbst so eng, dass bei eiligen Einsatzfahrten durch das Rangieren wertvolle Zeit verstreicht.

Den Mitarbeiter*innen dieser Dienststelle war be- reits vor Jahren ein Gebäudewechsel in Aussicht gestellt worden, wobei lange unklar war, welche konkrete Liegenschaft in Frage kommen könnte. Wegen des grundsätzlichen Umzugsvorhabens waren aus Wirtschaftlichkeitsgründen so gut wie keine Investitionen mehr in das aktuelle Dienst-

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 107 gebäude getätigt worden. Aus Sicht der Mitarbei- das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten, weil ein ter*innen war die Situation deshalb „festgefahren“. Umzug der Dienststelle weiterhin in Planung sei.

Zum Zeitpunkt des Besuches der Polizeibeauf- Im weiteren Verlauf entwickelten die Dinge sich tragten auf der Dienststelle herrschten dement- insofern positiv weiter, als der Bauausschuss der sprechend spürbar Frust und Enttäuschung über Gemeinde im Frühjahr 2019 entschied, dass ein im die anhaltenden Missstände. Die Beamt*innen der Ortskern freiwerdendes Gebäude von der Gemein- Dienststelle erstellten auf Bitte der Polizeibeauf- de gekauft und dann langfristig an die Polizei ver- tragten eine Prioritätenliste mit den aus ihrer Sicht mietet werden soll. Seither wurden weitere Unter- dringendsten Maßnahmen für eine kurzfristige suchungen unter Beteiligung der Polizeidirektion, Verbesserung der Situation. Die Liste leitete die der betroffenen Dienststelle selbst, des Innen- so- Polizeibeauftragte an die zuständige Mitarbeiterin wie des Finanzministeriums vorgenommen, um mit der Polizeiabteilung im Innenministerium weiter. Blick auf die notwendigen Umbaubedarfe für den Die Polizeibeauftragte regte an, über die einzel- Einzug der Dienststelle eine fundierte Einschätzung nen Maßnahmen bei nächster Gelegenheit mit den gegenüber der Gemeinde als Vermieterin abgeben weiteren Beteiligten (Finanzministerium/GMSH37, und in die Mietvertragsverhandlungen einsteigen PD-Leitung) zu sprechen und wohlwollend zu prü- zu können. Bei Redaktionsschluss dieses Berichts fen, welche Maßnahmen trotz eines grundsätzlich war das betreffende Gebäude noch durch den ört- beabsichtigten Umzugs kurzfristig noch umgesetzt lichen Energieversorger belegt. Dieser wird in einen werden könnten. im Bau befindlichen Neubau umziehen. Der Einzug der Dienststelle in das dann freie Gebäude ist für Die Mitarbeiterin des Innenministeriums versi- das erste Quartal 2023 geplant. cherte der Polizeibeauftragten, dass man die Situ- ation dieser Dienststelle sehr wohl im Blick habe In einem anderen Fall war eine Dienststelle erst in und auch Verständnis für die Empfindungen der ein kurz zuvor renoviertes Gebäude im Zentrum ei- Beamt*innen habe. Grundsätzlich gebe es aber ner größeren Stadt eingezogen, als ca. ein Jahr spä- mehrere Zuständigkeiten38, welche zu berücksich- ter Schwarzschimmelbefall auftrat. Im zeitlichen tigen seien. Auch habe es bereits viele Gespräche Kontext erkrankten mehrere Mitarbeiter*innen der mit der betroffenen Gemeinde gegeben. Allerdings Dienststelle.39 Ein Auszug aus dem Gebäude wur- fehle es bisher an den erforderlichen Beschlüssen de erforderlich. Seit Mai 2019 ist die Dienststelle der Gemeinde. Ferner sei zu berücksichtigen, dass provisorisch in einem anderen Dienstgebäude der es in Schleswig-Holstein zahlreiche weitere Polizei- Polizei in der Stadt untergebracht, wobei auch dort dienststellen mit beanstandungswürdiger Unter- erhebliche Beeinträchtigungen aufgrund von Sa- bringungssituation gebe. Hier dürfe es keine un- nierungs- und Renovierungsarbeiten bestehen. gerechtfertigten Bevorzugungen geben. Zudem sei

37 Abkürzung für Gebäudemanagement Schleswig-Holstein. Die GMSH ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die nach wirtschaftlichen Grundsätzen arbeitet. Sie soll zu einer Effizienzsteigerung in allen Bereichen des staatlichen Bauens, der Gebäudebewirtschaftung und der Beschaffung beitragen und so öffentliche Haushalte entlasten. 38 Dies sind insbesondere die des Finanzministeriums und der GMSH, des Innenministeriums (Polizeiabteilung) sowie der betroffenen Polizeidirektion. 39 Die Frage, ob die Mitarbeiter*innen tatsächlich aufgrund des Schimmelbefalls erkrankt sind, wurde der Polizeibeauftragten gegenüber uneinheitlich beantwortet.

108 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Nach Räumung der Dienststelle wurden Unter- Die Polizeibeauftragte nahm Kontakt zur Behörden- suchungen am Gebäude bezüglich Ausmaß und leitung auf und wies dort auf die konkreten Sorgen Ursachen des Schimmelbefalls durchgeführt. Auch der Mitarbeiter*innen hin. Die Behördenleitung wurde geprüft, welche Maßnahmen zur Instand- versicherte der Polizeibeauftragten glaubhaft, sich setzung erforderlich sein würden. Wie schon im dieser Sorgen bewusst zu sein und alles in ihrer zuvor dargestellten Fall machten auch hier die ver- Macht Stehende zu tun. Sie sicherte zu, dass eine schiedenen Zuständigkeiten von Innenministerium, Rückkehr in das Gebäude erst dann erfolge, wenn Finanzministerium, GMSH, Polizeibehörde und be- sicher sei, dass vom Gebäude keinerlei Gesund- troffener Dienststelle die Lage nicht einfacher. An- heitsgefahren für die Mitarbeiter*innen ausgingen. gaben von Mitarbeiter*innen der Dienststelle und Die Behördenleitung teilte der Polizeibeauftragten Polizeidirektion zufolge ist die Situation in diesem außerdem mit, dass nach Abschluss aller Arbeiten Fall zudem noch komplizierter geworden, weil die und vor Rückkehr in das Gebäude eine Versamm- Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Ver- lung aller an dem Vorgang Beteiligten stattfinden mieter der Liegenschaft schwierig ist. solle. Dort könne jede*r Fragen stellen und Sorgen äußern. Diese Versammlung solle vor allem der Hoffnung machte zunächst die Äußerung des In- Schaffung von Transparenz dienen. Zum Zeitpunkt nenstaatssekretärs im August 2019 anlässlich einer des Gesprächs der Polizeibeauftragten mit der Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss, wonach Behördenleitung im Februar 2020 war diese Ver- seitens der Landesregierung eine Rückkehr der In- sammlung für die Zeit um Ostern 2020 geplant. Bei nenstadtwache in das Gebäude anvisiert werde, da Redaktionsschluss zu diesem Bericht hatte die Ver- der Standort aufgrund seiner zentralen Lage einen sammlung dann aber – wohl auch Corona-bedingt – optimalen Zugang zu Stadtvierteln böte, in denen immer noch nicht stattgefunden. es eine hohe Einsatzfrequenz gebe.40 Je mehr Zeit dann aber verstrich, desto mehr schwand das Ver- Nach einem Anfang Dezember 2020 in der örtlichen trauen der Betroffenen in ihren Dienstherrn. Aus Presse erschienenen Artikel sei im Dienstgebäude Sicht der Mitarbeiter*innen fehle es – noch im- nunmehr weiterer Schimmelbefall aufgetreten. mer – vor allem an Transparenz. Die Belegschaft Dies werde, so die Zeitung, nun zum Anlass genom- wünschte sich außerdem mit Blick auf die erkrank- men, endlich das von den Mitarbeiter*innen lang ten Kolleg*innen, dass das Gebäude auf noch un- ersehnte Gutachten über die Gesamtbeschaffen- entdeckten Schimmelbefall gründlich untersucht heit des Gebäudes einzuholen.41 Nach Einschät- werden sollte. Insbesondere wünschten sich die zung des zuständigen örtlichen Personalrates sei Mitarbeiter*innen eine Kontrolle der vor dem Ein- die Kernfrage, ob das Gebäude innen und außen in zug der Polizei in das Gebäude im Rahmen der er- einem Zustand sei, der langfristig eine Neubildung forderlichen Umbau- und Renovierungsarbeiten von Schimmel und somit eine Gesundheitsgefähr- aufgedoppelten Wände. Vor allem aber sollten dung ausschließe. Ferner, ob die Arbeitssicherheit diese Untersuchungen nach dem Wunsch der Mit- in Bezug auf Brandschutz, Fluchtwege u. ä. ein- arbeiter*innen von eine*r unabhängigen Gutach- gehalten werden könne. Wann ein Wiedereinzug ter*in vorgenommen werden. in das Gebäude stattfinden könne, wisse derzeit niemand.42

40 Niederschrift der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses vom 14. August 2019, S. 5. 41 Vgl. Artikel im Holsteinischer Courier vom 8. Dezember 2020. 42 Wie vor.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 109 Eine Anfrage der Polizeibeauftragten im Febru- ar 2021 beim Innenministerium zum aktuellen Empfehlung: Sachstand ergab, dass bereits im Rahmen der um- fangreichen Untersuchungen des Gebäudes unmit- In der Anhörung vor dem Innen- und Rechtsaus- telbar nach dem Auszug der Belegschaft Mängel im schuss am 14. August 2019 teilte der Innenstaats- Entwässerungssystem festgestellt worden seien. sekretär mit, dass inzwischen ein fester Jour fixe mit Gewerkschaftsvertreter*innen etabliert worden Zunächst bestand Uneinigkeit darüber, wer die sei, um künftig besser über die Lage in den Liegen- Kosten für die erforderlichen Umbauarbeiten über- schaften der Landespolizei informiert zu sein.43 nehmen sollte. Es stellte sich allerdings bei einem Diese Maßnahme begrüßt die Polizeibeauftragte Ortstermin heraus, dass über die bekannten Män- ausdrücklich. gel hinaus ein hohes Risiko für weitere verdeckte Mängel an dem Gebäude bestand. Angesichts der Sie regt außerdem an, den Bestand sämtlicher von damit einhergehenden Zweifel an der Eignung und der Polizei genutzter Immobilien zu erfassen und Unbedenklichkeit des Gebäudes und der Sorge ei- parallel dazu einen Investitionsplan zu erstellen, ner Gesundheitsgefährdung der Mitarbeiter*innen so dass zentral im Innenministerium wie auch Fi- durch Schadstoffbelastungen lehnte die Revierlei- nanzministerium stets ein aktueller Überblick hin- tung die Erteilung einer Zusicherung des Wieder- sichtlich bestehender Sanierungs- und Renovie- einzugs zum damaligen Zeitpunkt ab. Als Ergebnis rungsbedarfe besteht.44 Diese Renovierungs- und des Ortstermins wurde von den Beteiligten die Be- Sanierungsbedarfe können so rechtzeitig erkannt auftragung einer*s unabhängigen Bausachverstän- und planmäßig abgearbeitet werden. Dies setzt vo- digen zur umfassenden Untersuchung des Gebäu- raus, dass die dazu erforderlichen Haushaltsmittel des veranlasst. in den jeweiligen Haushalt eingestellt werden.

Das bei Redaktionsschluss noch ausstehende Er- gebnis des Gutachtens soll durch den*die Sachver- ständigen unter Beteiligung von Innen- und Finanz- ministerium, GMSH und Polizeidirektion den Mit- arbeiter*innen der Dienststelle vorgestellt werden.

43 Vgl. Niederschrift der Anhörung des Innen- und Rechtsausschusses vom 14. August 2019, S. 5. 44 Dieses Vorgehen dürfte sich auch positiv auf die vom Vertreter der GMSH am 14. August 2019 vor dem Innen- und Rechts­ ausschuss beschriebene verbesserungswürdige Informationslage über angemietete Objekte auswirken, vgl. Niederschrift der Sitzung vom 14. August 2019, S. 9.

110 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 III. Das Initiativrecht der Polizeibeauftragten

Die Beauftragte für die Landespolizei kann nach beauftragte in dieser Angelegenheit einen inten- pflichtgemäßem Ermessen aufgrund eigener Ent- siven Austausch mit der Gewerkschaft der Polizei, scheidung tätig werden, wenn ihr Umstände be- die sich mit Nachdruck für eine Überarbeitung der kannt werden, die ihren Aufgabenbereich berühren rechtlichen Vorschriften stark macht. Ein Ergebnis (§ 16 Abs. 5 BüPolBG). Diese gesetzliche Regelung aus dieser Zusammenarbeit ist beispielsweise eine regelt das sog. Initiativrecht, das aus den parla- gemeinsame Presseerklärung.47 mentarischen Befugnissen abgeleitet ist.

Im Berichtszeitraum Oktober 2019 bis Septem- ber 2020 hat die Polizeibeauftragte zwei Mal ihr Initiativrecht wahrgenommen. Dabei ging es um folgende Themen:

Anlässlich der Bearbeitung einer Eingabe zu einer Führungsentscheidung zeigte sich der Polizeibe- auftragten ein grundsätzliches Problem betreffend Transparenz und Kommunikation in der Führung einer polizeilichen Dienststelle. Die Polizeibeauf- tragte griff die Thematik als Initiativsache auf und wandte sich an die Leitung der zugehörigen Polizei- direktion. Diese nahm sich der Thematik konstruk- tiv an. In der Folge wurde der Polizeibeauftragten mitgeteilt, dass von den Mitarbeiter*innen positive Veränderungen wahrgenommen worden waren.

Bei der zweiten Initiative ging es darum, dass im Dienst erlangte Corona-Infektionen von Polizeibe- amt*innen in aller Regel nicht als Dienstunfälle im Sinne des Beamtenversorgungsgesetzes anerkannt werden können, da es den betroffenen Beamt*in- nen praktisch kaum möglich ist, die Infektion ört- lich und zeitlich exakt nachzuweisen und damit die Kausalität zwischen Dienstausübung und Erkran- kung darzulegen.45 Neben ihrer Anregung an den Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Hol- steinischen Landtags, das Beamtenversorgungs- gesetz des Landes im Sinne betroffener Polizeibe- amt*innen zu überarbeiten46, pflegte die Polizei-

45 Vgl. hierzu bereits unter II Nr. 5.6. 46 Vgl. LT-Umdruck 19/4145. 47 Abrufbar auf der Homepage des Landtags unter www.ltsh.de/presseticker/2021-01/15/12-25-28-154d/PI-YAF7qBVN-lt.pdf, sowie auf der Homepage der GdP Schleswig-Holstein unter www.gdp.de/gdp/gdpsh.nsf/id/DE_Luecken-in-der-Versorgung- von-Polizistinnen-und-Polizisten-schliessen?open&ccm=000.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 111 IV. Dienst auf den Regionalleitstellen – Sorgen und Nöte der Mitarbeiter*innen und Herausforderungen in der Kommunikation mit Bürger*innen

Wählt man den Notruf 110 in Schleswig-Holstein, so Arbeitsbelastung und auch die Verantwortung in erreicht man rund um die Uhr, an jedem Tag im Jahr, den Leitstellen ist, hat die Polizeibeauftragte zur eine der vier Regionalleitstellen. Diese befinden Leitstelle Kiel Kontakt aufgenommen. Dort sind im sich in Harrislee, Kiel, Lübeck und Elmshorn. Die Jahr 2019 im Durchschnitt 430 Notrufe pro Tag ein- anrufenden Bürger*innen befinden sich in der Re- gegangen. Die gleiche Anzahl an weiteren Anrufen gel in einer Notlage, und es erfordert auf Seiten der betraf innerdienstliche Angelegenheiten. Dieses Beamt*innen ein hohes kommunikatives Geschick, sind z. B. Rückfragen aus Dienststellen zu Einsät- herauszufinden, wie in jeder einzelnen Situation zen, Abschlussmeldungen zu Einsätzen, Anrufe geholfen werden kann. Ferner muss auch beurteilt anderer Dienststellen (bundesweit oder z. B. auch werden, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. aus Dänemark) mit Fragen zu innerdienstlichen Vorgängen, Abfragen von KFZ-Kennzeichen, ferner Die Beamt*innen erleben viele Emotionen, Schick- die Organisation, wenn z. B. ein Abschleppwagen sale und Gemütszustände der Bürger*innen. Mul- benötigt wird oder der sozialpsychiatrische Dienst ti-Tasking-Fähigkeit und Stressresistenz sowie ein eingebunden werden soll. Bei fehlender Funkver- sicherer Umgang mit der eingesetzten digitalen bindung während eines Einsatzes läuft die Kommu- Technik sind wichtige Voraussetzungen für eine nikation häufig ebenfalls über die Leitstelle. erfolgreiche Tätigkeit. In der Leitstelle werden die Hilfegesuche entgegengenommen, bewertet, ggf. werden Funkstreifenwagen entsandt, die bis zum Empfehlungen: Abschluss der Einsatzmaßnahmen begleitet wer- den. In enger Zusammenarbeit mit anderen Leit- Aufgrund der dargestellten besonderen Anforde- stellen, insbesondere den Feuerwehreinsatz- und rungen, die der Dienst auf den Regionalleitstellen Rettungsleitstellen, werden Einsätze bearbeitet, mit sich bringt, sollten keine „Zwangsumsetzun- Verkehrswarndienstmeldungen eingestellt oder gen“48 hierher erfolgen, da sich dies nachteilig auf Fahndungen eingeleitet. Zudem leistet die Leitstel- die Motivation der Mitarbeiter*innen und in der le die polizeiinternen Auskünfte, wie z. B. Personen- Folge auch auf die Qualität der Arbeit (Kommunika- oder Fahrzeugabfragen. Jeder Anruf wird genau tion mit Bürger*innen in Notsituationen) auswirken aufgezeichnet, so dass nachvollziehbar ist, wer, dürfte. wann, wie lange, von wo aus angerufen hat und mit wem gesprochen wurde. Zudem wäre es hilfreich, personelle Kontinuität auf den Arbeitsplätzen der Regionalleitstellen zu Der Polizeibeauftragten wurde berichtet, dass die- erreichen. Dazu müsste es zunächst gelingen, die ser „gläserne Umstand“ einige Beamt*innen davon dortige Tätigkeit und das Arbeitsumfeld so attrak- abhalte, in der Leitstelle arbeiten zu wollen, und tiv zu gestalten, dass Mitarbeiter*innen freiwillig unter anderem auch dadurch ein Nachwuchsprob- und gerne für längere Zeit ihren Dienst in der Leit- lem entstanden sei. Zusätzlich würden die hohen stelle verrichten möchten. Insoweit empfiehlt die Fallzahlen, die anspruchsvolle Kommunikation Polizeibeauftragte, die Mitarbeiter*innen der Re- mit aufgeregten Bürger*innen, die schnellen Ent- gionalleitstellen direkt zu befragen, was zu dieser scheidungen, die getroffen werden müssen, ei- Aufwertung erforderlich wäre. nige Beamt*innen abschrecken, in der Leitstelle zu arbeiten. Um nachzuvollziehen, wie hoch die

48 Vgl. auch Fallbeispiel 2 „Unfreiwillige Tätigkeit auf der Regionalleitstelle“, S. 117.

112 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 113 02 Fallbeispiele

114 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Fall 1

Beurteilungsvorgaben für den mittleren Dienst?

Im Sommer 2020 hatte die Polizeibeauftragte auf- zwischenzeitlich im Aufstiegsverfahren für die Lauf- grund der Eingabe eines Betroffenen das Verfahren bahngruppe 2 an der FHVD50 befand, war die The- für Beurteilungen der Polizeiobermeister*innen matik für den Petenten nicht mehr akut. Es war ihm zum Stichtag 1. April 2019 in einer Polizeidirekti- jedoch im Sinne aller zukünftig Betroffenen wich- on (PD) näher zu betrachten. Der Polizeibeamte war tig, dass leistungsstarke Polizeiobermeister*innen entgegen seiner Erwartungen nur durchschnittlich auch dann im oberen Bereich beurteilt werden kön- beurteilt worden, obwohl er u. a. für die PD auch nen, wenn sie die Beförderungsreife noch nicht er- Aufgaben außerhalb seines Arbeitsplatzes wahr- reicht haben. genommen hatte. Der Petent gewann den Eindruck, dass es für die Beurteilungen möglicherweise Vor- Die Polizeibeauftragte bat die PD-Leitung um Aus- gaben gegeben hatte. Dieser Eindruck beruhte kunft, ob es für das Beurteilungsverfahren an der u. a. auf der – auch im Protokoll der auf Antrag des Dauer der Zugehörigkeit zum Amt orientierte Vor- Petenten erfolgten Gegenvorstellung49 festgehal- gaben gegeben hatte. Zur Prüfung bat sie zudem tenen – Äußerung des Zweitbeurteilers, dass das um Übersendung von anonymisierten Beurtei- „Beurteilungsverfahren im mittleren Dienst auch lungslisten der Polizeiobermeister*innen, aus de- dem Beförderungsverfahren entspricht“. Darauf nen die Dauer der Zugehörigkeit zum Amt sowie basierte die Vermutung, dass bei den zu beurtei- die Beurteilungsnote hervorging. lenden Polizeiobermeister*innen die Dauer der Zu- gehörigkeit zum Amt maßgebliches Beurteilungs- Die PD-Leitung nahm die Anfrage zum Anlass, der kriterium war und eine noch nicht vorhandene Be- Polizeibeauftragten Reihenfolge und Gewichtung förderungsreife eine Beurteilung im oberen Bereich der für die (personenbezogene) Beurteilungsko- ausgeschlossen hatte. ordinierung51 der Polizeiobermeister*innen ge- wählten Beurteilungskriterien bei der Beurteilung Der Petent formulierte gegenüber der Polizeibeauf- zum Stichtag 1. April 2019 darzustellen. Wichtigs- tragten den Wunsch nach Transparenz zur Frage tes Kriterium war danach die individuelle Leis- möglicher Beurteilungsvorgaben. Da er sich selbst tung, gefolgt von der Schwere des Arbeitsplatzes,

49 Gemäß 11.1 der Beurteilungsrichtlinien Polizei (BURLPol SH) kann sich der*die Beamt*in innerhalb von zwei Monaten nach der Aushändigung bzw. der nachfolgenden Erörterung schriftlich oder mündlich zur Beurteilung äußern (Gegenvorstellung). Die Gegenvorstellung führt der*die Zweitbeurteiler*in, in Form eines besonderen Beurteilungsgespräches. Das Gegenvor- stellungsgespräch wird von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter der Behörde bzw. des Amtes protokolliert. 50 Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung Schleswig-Holstein, Fachbereich Polizei. 51 Vgl. Ziffer 8.4 BURLPol SH: Danach „bezieht sich der Begriff der Koordinierung ausschließlich auf die Maßnahmen der Zweitbeurteilerinnen und Zweitbeurteiler. Die Zweitbeurteilerin oder der Zweitbeurteiler prüft in diesem Stadium der Koordinierung, welche der durch die Erstbeurteilerinnen und der Erstbeurteiler mitgeteilten Gesamtnote sie oder er mitträgt und in einer personenbezogenen Koordinierung vorstellt.“ Gemäß Ziffer 8.4.3.1 BURLPol SH erfolgt die personenbezogene Koordinierung entweder auf Behörden- bzw. Amtsebene oder auf Landesebene. Sie ist immer dann erforderlich, wenn Richt- werte in den jeweiligen Beurteilungsgesamtnoten nach Statusämtern getrennt nicht unerheblich überschritten werden.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 115 der polizeilichen Verwendungsbreite/Flexibilität/ personellen Unterstützung sowie der Leistungs- kontinuität. Erst an fünfter Stelle folgte die Dauer der Zugehörigkeit zum Amt sowie das Datum der Einstellung. Hierzu wurde ausgeführt, dass die Anwendung dieses Kriteriums aufgrund der Anhe- bung des Einstiegsamtes in der Laufbahn der Poli- zei von A 7 nach A 8 zum 1. Januar 2016 erfolgte.52 Aus den erbetenen Listen war für die Polizeibeauf- tragte ersichtlich, dass die Dauer der Zugehörigkeit zum Amt kein maßgebliches Beurteilungskriterium war und auch Beamt*innen mit geringerer Zugehö- rigkeitsdauer im oberen Bereich beurteilt worden waren. Danach ergaben sich für die Polizeibeauf- tragte keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Beurteilungspraxis. Dies wurde mit dem Petenten erörtert, der somit die gewünschte Transparenz erhielt. Damit war für ihn die Angelegenheit zufrie- denstellend erledigt.

52 Dienstrechtliche Änderung durch das Haushaltsbegleitgesetz 2016.

116 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Fall 2

Unfreiwillige Tätigkeit auf der Regionalleitstelle

Im Oktober 2019 war die Polizeibeauftragte mit gegen ihren Willen zu einem Dienst auf der Regio- dem Umstand befasst, dass sich nicht ausreichend nalleitstelle zu verpflichten, überrascht. Polizeibeamt*innen freiwillig für den Dienst auf einer der vier Regionalleitstellen entscheiden. Ein Hintergrund der geplanten Personalmaßnahme war seit vielen Jahren im Wechselschichtdienst eines die Entscheidung der vorgesetzten Polizeidirekti- städtischen Reviers tätiger Polizeioberkommis- on (PD), dass das Revier ab dem 1. November 2019 sar (POK) wandte sich in diesem Zusammenhang eine*n Mitarbeiter*in für den Dienst auf der Regio- an die Polizeibeauftragte. Er sollte gegen seinen nalleistelle zur Verfügung stellen musste. Hierzu Willen für mehrere Monate zur Leitstelle abgeord- hatte lediglich ein Beamter seine Bereitschaft er- net werden. Der Polizist berichtete, er sei gegen klärt. Dieser wurde aufgrund seiner Aufgaben von Ende einiger Sabbatmonate telefonisch von seiner der Revierleitung für nicht abkömmlich gehalten. Revierleitung über die unmittelbar ab Rückkehr in den Dienst geplante Abordnung informiert worden. Die Polizeibeauftragte informierte den PD-Leiter In den Entscheidungsprozess sei er in keiner Weise über die Eingabe und bat die Revierleitung auf einbezogen worden. Er habe sich bei dem Telefonat Wunsch des Petenten um ein zeitnahes, persönli- gefühlt, „als stürze man ihn einen Abhang herun- ches Gespräch, das nur zwei Werktage später statt- ter“. Der fast 50-jährige Petent erklärte der Polizei- fand. An dem Gespräch nahm auch der DGL teil. Der beauftragten, dass er aufgrund der in den letzten Petent selbst fühlte sich dazu unter dem Eindruck Jahren erfolgten Digitalisierung große Sorgen vor des erlebten Umgangs zu einer zielführenden, einer Tätigkeit auf der Regionalleitstelle habe. Er kommunikativen Auseinandersetzung nicht in der fühle sich den technischen Anforderungen bei zeit- Lage. Die Revierleitung teilte der Polizeibeauftrag- lichem Druck sowie der Geräuschkulisse und Un- ten mit, dass man als Grundlage der Personalent- ruhe nicht gewachsen. Sein Entsetzen habe er der scheidung eine umfangreiche Matrix mit diversen Revierleitung im Telefonat gezeigt, trotzdem halte Aspekten zu den Mitarbeiter*innen erstellt habe. diese offensichtlich an der Entscheidung fest. An Danach war die eindeutige Entscheidung auf den dieser sei auch sein Dienstgruppenleiter (DGL) als Petenten gefallen. Diese Auswahl hielt man nach unmittelbarer Vorgesetzter nicht beteiligt gewesen. wie vor für nachvollziehbar und insofern auch rich- Der ebenfalls seit vielen Jahren auf dem Revier täti- tig. Grundsätzlich habe man die Erwartung, dass ge DGL war nur einen Tag vor dem Petenten von der Polizeibeamt*innen überall arbeiten können, wo Revierleitung informiert worden. Er hatte den im Bedarf ist. Allerdings sei der Petent inzwischen von städtischen Streifendienst sehr erfahrenen Peten- der PD abgelehnt worden. Dort war die Verpflich- ten zeitnah als Betreuer eines Polizeidienstanwär- tung eines Beamten mit großer Sorge vor den spe- ters im Praktikum eingeplant. Zudem fungierte der ziellen Aufgaben und gegen seinen Willen als nicht POK bei gleichzeitiger Abwesenheit des DGL und zielführend beurteilt worden. des Vertreters als Verantwortlicher der personal- starken Schicht. Von einer Entscheidung zu Lasten Zu der Entscheidung der PD hatte auch der örtliche des Petenten war der DGL aufgrund der bis dato Personalrat durch seine Bemühungen beigetragen, gelebten Praxis, lebensältere Beamt*innen nicht nachdem er von der Intransparenz gegenüber dem

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 117 Petenten sowie dem DGL erfahren hatte. Bei Vor- lage der durch die Revierführung erstellten Matrix und in Unkenntnis der Intransparenz hatte der ört- liche Personalrat zunächst einer Abordnung des Petenten zugestimmt.

Der Petent verblieb im Wechselschichtdienst des Reviers. Diese Entscheidung führte zu einer großen Erleichterung, der erlebte innerdienstliche Umgang hatte allerdings emotionale Nachwirkungen. Des- wegen ging der Petent gern auf ein Gesprächsan- gebot des PD-Leiters ein. Das Gespräch empfand er als hilfreich, um verlorengegangenes Vertrauen in seine Vorgesetzten wieder zu erlangen.

118 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Fall 3

Illegale Autorennen

Im Mai 2020 meldete sich ein Petent bei der Polizei- herstellen konnte und er sich sicher sein konnte, beauftragten und gab an, dass ihm bei Besuchen dass „die Polizei sich kümmert“. Am Ende konnte in seiner Heimatstadt, einer mittelgroßen Stadt in die Beschwerde positiv abgeschlossen werden. Schleswig-Holstein, aufgefallen sei, dass dort ille- gale Autorennen stattfinden würden. Er berichtete von angefahrenen und toten Tieren, eindeutigen Bremsspuren und aufheulenden Motorengeräu- schen in den Abendstunden. Mehrere junge Men- schen würden sich am Marktplatz treffen, sich ab- sprechen und dann auf die „Rennstrecke“ begeben. Da die betreffende Straße auch von Fußgänger*in- nen frequentiert sei, seien nach Einschätzung des Petenten auch Menschenleben in Gefahr. Zudem sei es anderen Verkehrsteilnehmer*innen kaum möglich, Raser*innen auszuweichen. Das Problem sei nach Auffassung des Petenten der örtlichen Polizeistation bekannt, trotzdem werde nichts un- ternommen. Die Presse habe auch schon mehrere Artikel veröffentlicht.

Die Polizeibeauftragte informierte zunächst über die strafrechtlichen Möglichkeiten, wie z. B. eine Anzeigenerstattung gegen die Raser*innen. Dann nahm sie Kontakt zur zuständigen Polizeidirektion auf, um nachzufragen, ob der Sachverhalt bekannt sei und was ggf. unternommen werde. Der zustän- digen Revierleitung war der Sachverhalt bekannt und sie berichtete sofort ausführlich von Maßnah- men und Kontrollen, die zusammen mit der Stra- ßenverkehrsbehörde stattfinden, Strafanzeigen und auch den Ergebnissen gerichtlicher Verfahren. Die Revierleitung gab weiter an, man werde in den Sommermonaten verstärkt kontrollieren.

Der Petent war sehr überrascht, dass die Polizei entgegen seiner Einschätzung sehr wohl von der geschilderten Problemlage wusste. Er zeigte sich erfreut, dass die Polizeibeauftragte Transparenz

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 119 Fall 4

Kranen eines Segelbootes während der Corona-Pandemie

Ende März 2020 erreichte die Polizeibeauftragte standsregelungen und die Einhaltung von Hygiene- eine Beschwerde eines Bürgers, der sich sowohl maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona- über die Rechtsauslegung als auch über die nach Pandemie zu überprüfen. In der Konsequenz wurde seiner Ansicht missglückte Kommunikation mit das weitere Kranen durch die Wasserschutzpolizei Beamt*innen der Wasserschutzpolizei beschwerte. untersagt, wobei die Begründung zunächst darin Der Petent wollte mit einer Firma in einem Ostsee- lag, das Kranen an sich sei verboten. Der Führungs- hafen in Schleswig-Holstein Segelboote kranen, stab der Landespolizei war zu der Auffassung ge- d. h. mit Hilfe eines Krans zu Wasser lassen. Da der kommen, dass das Kranen zu unterlassen sei, und Krantermin zu Beginn der Corona-Pandemie statt- teilte diese Einschätzung den Beamt*innen per finden sollte und im Vorfeld Unsicherheit bestand, Funk mit. Dieses wurde dem Bürger vor Ort münd- ob das Kranen nach Verkündung der Landesver- lich mitgeteilt, was nach § 108 Absatz 2 LVwG der ordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Form nach zulässig ist. Ausbreitung des neuartigen Coronavirus53 zulässig sein würde, holte sich der Petent zuvor eine Ge- Im weiteren Verlauf wurde dann vor Ort erklärt, die nehmigung des Kreises ein. Die Rechtslage und die Bürger*innen hätten die Abstandsregel nicht ein- einschlägigen Verordnungen waren zu dem Zeit- gehalten und es seien insgesamt zu viele Personen punkt unklar formuliert und enthielten Regelungs- aus unterschiedlichen Haushalten vor Ort gewesen. lücken.54 So wurde eine etwaige Schließung der Dieses bestritt der Bürger. Er beschwerte sich ins- Häfen in der ersten, zu diesem Zeitpunkt gültigen, besondere darüber, dass die eingesetzten Polizei- Fassung der Verordnung noch nicht thematisiert. beamt*innen das weitere Kranen untersagten und damit gegen eine Genehmigung des Kreises ent- Kurz nach dem Beginn des Kranens näherte sich schieden. Auch kritisierte er die nach seiner Auffas- ein Boot der Wasserschutzpolizei. Die Beamt*in- sung missglückte Kommunikation. Diese empfand nen unterbrachen zunächst das Kranen für etwa der Bürger als aggressiv und drohend; ein koopera- 15 Minuten, um sich über die Rechtslage zu infor- tives, freundliches Verhalten vermisste er. mieren und um besondere Anforderungen wie Ab-

53 GVOBl. 2020, S. 171. 54 Die Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein (SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung - SARS-CoV-2-BekämpfV) in der Fassung vom 17. März 2020 regelte regelt in § 4 Abs. 2e, dass der Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen (drinnen und draußen) zu schließen ist. Diese Vorschrift enthielt keine Regelung für den Bereich der Gewerbehäfen und keine expliziten Ausführungen für Sportboothäfen. Am 21. März 2020 hatte die ganz überwiegende Mehrzahl der Kreise bzw. kreisfreien Städte die Verordnung der Landesregierung dahingehend interpretiert, dass die Sportboothäfen zu schließen und ein Kranen zu unterbinden sei. Eine entsprechende Allgemeinverfügung galt z. B. auch für den Kreis Plön, siehe Allgemein- verfügung des Kreises Plön über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet des Kreises Plön in der Fassung vom 20. März 2020, www.kreis-ploen.de/media/custom/2158_3179_1. PDF?1584521808.

120 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Die Polizeibeauftragte versuchte zu vermitteln und waren sich beide Seiten einig, dass es zu einer Stö- holte zunächst eine Stellungnahme vom LPA ein. rung gekommen war. Die nach Auffassung des Bür- Gleichzeitig wurde die Rechtslage bewertet: Der gers formulierten Drohungen seien Hinweise auf Sachverhalt trug sich am Anfang der Corona-Pan- Konsequenzen bei strafbarem Verhalten gewesen. demie zu. Die rechtliche Grundlage bildete die Lan- desverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung Die Polizeibeauftragte lud daraufhin zu einem der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus vom persönlichen Vermittlungsgespräch ein, an dem 17. März 2020 auf der Grundlage von § 32 des In- der Bürger und zwei Vorgesetzte der handelnden fektionsschutzgesetzes. Danach kam die überwie- Beamt*innen teilnahmen. Man wurde sich einig, gende Zahl der Kreise in Schleswig-Holstein durch dass die Rechtslage sehr unübersichtlich war, und Auslegung der Verordnung zu dem Ergebnis, dass konzentrierte sich auf die verbesserungswürdige Sportboothäfen zu schließen seien. Kommunikation. Dabei warben die Vorgesetzten auch um Verständnis für ihre Kolleg*innen, die ge- Nach Auffassung des Petenten handelte es sich rade am Anfang der Corona-Pandemie unter dem aber hier um einen Gewerbehafen und diese Auf- großem Druck standen, auf unsicherer Rechts- fassung wurde von Seiten der Wasserschutzpolizei grundlage das Infektionsgeschehen einzudämmen. am Ende bestätigt. Die Regelung zu Sportboothä- Trotzdem durfte der Bürger eine angemessene fen und solchen, die gewerblich genutzt werden, Kommunikation erwarten. Mit der teilweise be- wurde erst am 27. März 2020 in die Landesverord- rechtigten Kritik setzten sich die Vorgesetzten in nung aufgenommen. Ab diesem Zeitpunkt wurden vorbildlicher Art und Weise auseinander und gaben die Sportboothäfen geschlossen, die gewerblich an, ein besonderes Augenmerk auf die Kommuni- genutzten Häfen blieben hingegen geöffnet. Die kation zu legen und mit den handelnden Beamt*in- Beamt*innen standen seinerzeit folglich vor der nen in den Dialog zu treten. Am Ende waren beide Herausforderung, sich mit der schriftlichen Geneh- Seiten sehr zufrieden. Der Bürger fühlte sich ernst migung des Kreises auseinanderzusetzen, und die- genommen und wertschätzend behandelt; die bei- se auch in der unübersichtlichen Rechtslage in re- den Führungskräfte konnten wichtige Anregungen lativ kurzer Zeit richtig zu deuten. Dabei durften sie mitnehmen, um die Zusammenarbeit mit den Bür- Regelungen aus dem Infektionsschutzgesetz und ger*innen weiter zu verbessern. die Zielrichtung des Gesetzgebers, Infektionen ein- zudämmen und die Bevölkerung zu schützen, nicht außer Acht lassen.

Das Kranen im Bereich des Gewerbehafens war nach Einschätzung der Polizeibeauftragten zu dem Zeitpunkt und auch später bei Einhaltung der Ab- standsregeln und Vermeidung von Menschenan- sammlungen zulässig, die Entscheidung vor Ort so- mit rechtswidrig. Hinsichtlich der Kommunikation

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 121 Fall 5

Die Beratung zum Einbruchsschutz lässt auf sich warten

Ende Dezember 2019 wandte sich ein Bürger an die er Broschüren rund um das Thema Einbruchsschutz. Polizeibeauftragte, weil er sich um die Sicherheit Der Bürger war sehr zufrieden, bedankte sich bei seines Eigenheims sorgte. In der Vergangenheit war allen Beteiligten und gab an, er fühle sich schon vor in der Nachbarschaft mehrfach eingebrochen wor- Umsetzung der Maßnahmen in seinem Zuhause si- den. Der Bürger informierte sich, wie er sich besser cherer als zuvor. So konnte die Beschwerde positiv vor einem möglichen Einbruchsdiebstahl schützen abgeschlossen werden. könnte und fand den Internet-Auftritt des Landes- polizeiamts zum Thema Einbruchsschutz und Prä- vention. Er wandte sich mit seinen Fragen rund um den Einbruchsschutz per E-Mail an die zuständige Polizeidirektion, die für diese Fragen eine eigene E- Mail-Adresse eingerichtet hatte. Der Bürger erhielt selbst nach einer weiteren E-Mail, die er etwa ein halbes Jahr später abschickte, keine Antwort.

Als er auf einen Hinweis in der Presse stieß, dass man sich bezüglich einer Einbruchsprävention vor Ort von der Polizei kompetent beraten lassen kön- ne, entschied er, die Angelegenheit nicht auf sich beruhen zu lassen. Er schrieb der Polizeibeauf- tragten eine E-Mail, in der er seine Sorgen deutlich machte, und auch seine vergeblichen Versuche, die Polizeidirektion zu erreichen. Die Polizeibeauf- tragte kontaktierte die Polizeidirektion und erhielt einige Tage später eine Antwort, in der bedauert wurde, dass die E-Mails des Bürgers „untergegan- gen seien“. Man werde sich bemühen, den Bürger schnellstmöglich vor Ort zu beraten, auch wenn Beratungen zum Thema Einbruchsschutz von Ein- zelpersonen durch die Polizei nur in begründeten Ausnahmefällen vor Ort geleistet würden. Grund- sätzlich werden Ratsuchende an zertifizierte Fach- beratungsfirmen verwiesen, die diese Beratungs- leistung erbringen.

Der Bürger vereinbarte daraufhin einen Termin vor Ort und wurde durch zwei Polizeibeamt*innen um- fassend beraten und informiert. Zusätzlich erhielt

122 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Fall 6

Anhaltende Wirkungen eines vor Jahren nicht gelösten Konfliktes

Im Juni 2020 wandte sich ein Polizeibeamter per rückliegenden Ereignissen abschließen zu können, E-Mail an die Polizeibeauftragte und schilderte wünschte er ein zusätzliches Gespräch mit einem mehrere Jahre zurückliegende Konflikte mit ehema- weiteren Vorgesetzten, der sich dafür auch offen ligen Vorgesetzen, die seinen polizeilichen Werde- zeigte. Auf Wunsch beider Beteiligten begleitete gang bis heute beeinflussen würden. Die Ereignis- die Polizeibeauftragte dieses Gespräch, das nach se hätten dazu geführt, dass es ihm immer wieder ihrer Wahrnehmung in einer äußerst konstruktiven schlecht gehe, diesen Zustand wolle er nicht länger und offenen Atmosphäre geführt wurde. Der Petent ertragen. Als Konsequenz hatte der Polizist seine empfand das Gespräch ebenfalls als sehr hilfreich. über viele Jahre freiwillig wahrgenommenen Zusatz- Anschließend erklärte er gegenüber der Polizeibe- aufgaben (u. a. als Einsatztrainer sowie Mitglied auftragten, dass die gemeinsame Aufarbeitung mit des Einsatzpools der Polizeidirektion) niedergelegt. der PD-Leitung, den Personalräten sowie der Poli- zeibeauftragten für ihn zu einem Abschluss der Jah- Der PD-Leiter des Beamten, zu dem er in der Ange- re zurückliegenden Ereignisse geführt hätte. Dies legenheit Kontakt hatte, meldete sich auf Anfrage kommunizierte der Polizeibeamte auch an alle an sehr zeitnah bei der Polizeibeauftragten und erklär- den Gesprächen und seiner Unterstützung beteilig- te, dass er sich der Angelegenheit annehmen werde. ten Personen. Die zwischenzeitlich niedergelegten Mit Zustimmung des Petenten wurde für alle wei- Zusatzaufgaben nahm der Petent wieder auf. teren Bearbeitungsschritte ein Austausch zwischen dem PD-Leiter und der Polizeibeauftragten verein- Der in diesem Fall innerpolizeilich angestoßene bart. Der PD-Leiter veranlasste u. a. im Einverneh- und durchgeführte Konfliktlösungsprozess wurde men mit den Konfliktbeteiligten ein Vermittlungsge- von der Polizeibeauftragten als außerordentlich spräch zwischen dem Petenten, einem ehemaligen konstruktiv und zielführend wahrgenommen. Die- Vorgesetzten und einem als Konfliktberater ausge- se Wahrnehmung betraf alle Beteiligten. Er zeigte bildeten Polizeibeamten. Die Begleitung der Poli- deutlich die Wirksamkeit eines transparenten und zeibeauftragten beschränkte sich zunächst „nur“ wertschätzenden Vorgehens für beide Seiten. auf Gespräche mit dem Petenten, die ihm zur Dar- stellung der über Jahre empfundenen emotionalen Die Polizeibeauftragte begrüßt dieses Vorgehen Betroffenheit, der Selbstreflexion, dem Erkennen auch bei zukünftige Konfliktlösungsprozessen. von Konfliktdynamiken und vor allem auch der Fin- dung seiner Ziele dienten. Zeitgleich erfolgte auch eine unterstützende Gesprächsbegleitung durch die Personalräte – insbesondere durch den ÖPR.

Nach dem Konfliktvermittlungsgespräch berich- tete der Petent der Polizeibeauftragten, dass ihn dieses deutlich entlastet habe. Zudem seien auch die wertschätzenden Bemühungen des PD-Leiters insgesamt sehr hilfreich gewesen. Um mit den zu-

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 123 Fall 7

Corona-Infektion im Dienst

Ende April 2020 teilte ein geschockter Polizeibe- Er reichte zeitnah auf dem Dienstweg eine Dienst- amter der Polizeibeauftragten mit, dass er soeben unfallmeldung beim Landespolizeiamt (LPA) ein. vom Polizeiarzt über das positive Ergebnis eines Am 21. Dezember 2020 erhielt der Petent vom LPA Corona-Tests vom Vortag informiert worden sei. schriftlich die Mitteilung, dass eine Ablehnung des Der Beamte war seit einer Woche gegen seinen Dienstunfalls beabsichtigt sei und er nun gemäß Willen zu einer Polizeistation in einer Landesunter- § 87 Landesverwaltungsgesetz SH die Möglichkeit kunft (LUK)55 umgesetzt. Dort sollte er aufgrund habe, förmlich innerhalb von vierzehn Tagen zur an- der aktuellen Quarantänesituation unterstützen. In stehenden Entscheidung der Ablehnung Stellung der Einrichtung lebten mehrere mit Covid-19 infi- zu nehmen. zierte Bewohner*innen. Zu Beginn seiner Tätigkeit war ein erster Corona-Test durchgeführt worden, Der Petent ersuchte daraufhin als Mitglied dieser war negativ ausgefallen. In den folgenden Rechtsschutz bei der deutschen Polizeigewerk- Tagen leistete der Polizeibeamte nicht nur seinen schaft (DPolG). Aufgrund der über Weihnachten Regeldienst im Corona-Quarantäne-Bereich der und Neujahr laufenden Frist gestaltete sich dies LUK, sondern war zudem an zwei Sondereinsatz- schwierig und setzte den Petenten aus Sicht der lagen innerhalb der Einrichtung beteiligt. Dabei Polizeibeauftragten unnötig unter Druck. Diesen konnte aufgrund dynamischer Einsatzgeschehen Umstand sollte das LPA zukünftig bei einer beab- der erforderliche Hygieneabstand zu den Bewoh- sichtigten Zustellung mit zeitlichen Fristen beden- ner*innen nicht immer eingehalten werden. Folg- ken und diese ggf. auf die Zeit nach den Feiertagen lich war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der verschieben. Polizist sich in Ausübung seines Dienstes mit dem Virus infiziert hatte. Letztendlich gelang es jedoch dem Petenten vor Fristablauf die Zusage der DPolG zu erhalten, dass Der Petent berichtete der Polizeibeauftragten, dass man die beabsichtigte Entscheidung des LPA ju- ihn in den folgenden zwei Wochen der eigenen Iso- ristisch prüfen werde. Mit Schreiben vom 21. Ja- lierung die Ungewissheit über das mögliche Auftre- nuar 2021 erhielt der Petent die schriftliche Mittei- ten von Symptomen sehr belastete. Glücklicherwei- lung, dass die rechtlichen Ausführungen des LPA se überstand er die Corona-Infektion (bisher) ohne zutreffend seien, damit also die Ablehnung des Symptome. Es stellte sich jedoch die Frage einer Dienstunfalls juristisch korrekt sei. Da der Rechts- dienstrechtlichen Absicherung bei dem Auftreten weg demnach für den Polizisten ohne Aussicht nicht auszuschließender Spätfolgen. Die Polizeibe- auf Erfolg war, wandte er sich auf Empfehlung der auftragte empfahl dem Polizisten, die Anerkennung Polizeibeauftragten Ende Januar 2021 ergänzend der Erkrankung als Dienstunfall zu beantragen. an die Ansprechstelle im Innenministerium. Diese

55 Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für in Schleswig-Holstein ankommende Geflüchtete.

124 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Empfehlung beruhte auf den im innerpolizeilichen fertigt. Aus diesem Grund griff sie die Thematik als Informationsnetz (Intr@pol) im Zusammenhang mit Initiativsache auf und empfahl Anfang Juni 2020 dem Fürsorgeleitfaden56 veröffentlichten Ausfüh- beim Innen- und Rechtsausschuss eine Überarbei- rungen der Innenministerin57, sich im Einzelfall un- tung des Dienstunfallrechts im Kontext mit Covid- mittelbar an die zentrale Auskunfts- und Ansprech- 19-Infektionen: Ziel muss aus Sicht der Polizeibe- stelle ihres Hauses wenden zu können, wenn die im auftragten eine Beweislastumkehr sein, so dass die Fürsorgeleitfaden aufgezeigten Möglichkeiten bei Ansteckung eines*einer Polizeivollzugsbeamt*in schwierigen Krankheitsverläufen oder gravieren- mit einer Corona-Infektion als Dienstunfall gilt, es den Problemen nicht reichen. Von dort aus wurde sei denn, es wird nachgewiesen, dass die Infektion gegenüber der Polizeibeauftragten ein Gespräch nicht in Ausübung des Dienstes erfolgte.58 mit der Ministerin angekündigt. Der Ausgang war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses für diesen Bericht noch offen.

Die Polizeibeauftragte selbst hält nach Prüfung der aktuellen Rechtslage eine Anerkennung einer Covid-19-Infektion als Dienstunfall für problema- tisch. Zwar können Unfallfürsorgeleistungen bean- tragt werden, aber nach geltender Rechtslage trägt der*die Antragsteller*in die Beweislast. Danach müssen die Polizeibeamt*innen selbst den Nach- weis erbringen, dass die Infektion in Ausübung des Dienstes und nicht im privaten Umfeld erfolgt ist. Dies wird in aller Regel schwierig sein.

Die Polizeibeauftragte hält die drohende Versor- gungslücke vor dem Hintergrund des gesteigerten Infektionsrisikos für Polizeibeamt*innen in Einsatz- situationen und den Erwartungen der Gesellschaft, dass die Polizei ihre Aufgaben auch unter den gege- benen Umständen zu erfüllen hat, für nicht gerecht-

56 Fürsorgeleitfaden „Covid-19“ (VS-NfD) mit dem Ziel der Unterstützung der Mitarbeiter*innen der Polizei in der Pandemie. 57 Am 26. November 2020 im Intr@pol veröffentliche persönliche Ausführungen von Frau Dr. Sabine Sütterlin-Waack zum Fürsorgeleitfaden „Covid-19“. 58 Schleswig-Holsteinischer Landtag Umdruck 19/4145 vom 4. Juni 2020 und Presse der GDP mit der Überschrift „Wir erwarten jetzt konkrete Fürsorge-Vorschläge“ vom 9. Juni 2020.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 125 Fall 8

Tätowierungen bei Polizeibeamt*innen

Im Februar 2020 wandte sich ein*e Polizeibeamt*in und bietet keine zulässige Rechtsgrundlage. Es an die Polizeibeauftragte mit der Bitte um Prüfung, müssten, wie bereits in Beamtengesetzen anderer ob die Bestimmung aus dem „Kleidererlass“59 hin- Länder, eindeutige Regelungen z. B. zu Haar- und sichtlich sichtbarer Tätowierungen mit geltendem Barttracht sowie sonstigen sichtbaren und nicht Recht vereinbar ist. In § 56 Landesbeamtengesetz sofort ablegbaren Erscheinungsmerkmalen ergänzt (LBG) heißt es lediglich, dass Beamtinnen und werden, die ferner verhältnismäßig sein müssen.61 Beamte verpflichtet sind, Dienstkleidung zu tra- gen, wenn dies bei der Ausübung des Dienstes üb- Die Polizeibeauftragte nahm daher Kontakt zum lich oder erforderlich ist. Die Vorschriften über die Landespolizeiamt auf, um nachzufragen, auf wel- Dienstkleidung erlässt die zuständige oberste Lan- cher Rechtsgrundlage die Bestimmung erlassen desbehörde. In dem genannten Erlass ist u. a. ge- wurde. Das Landespolizeiamt nannte wie erwartet regelt, dass vorhandene Körpermodifikationen, zu als Rechtsgrundlage § 56 LBG. Gleichzeitig wurde denen auch Tätowierungen gehören, im sichtbaren mitgeteilt, dass seit September 2020 ein Klage- Bereich (z. B. Unterarm) durch die Dienstkleidung verfahren einer*s Beschäftigten der Landespolizei abzudecken sind. Dabei ist streitig, ob in dem Kon- anhängig ist, das sich mit der Fragestellung be- text „Dienstkleidung“ auch Körpermodifikationen schäftigt, ob § 56 LBG eine gültige Rechtsgrund- wie etwa Tätowierungen, Piercings oder Brandings, lage darstellt. Bis dahin ist nach Auffassung der ob also § 56 LBG auch für diese Merkmale eine Polizeibeauftragten fraglich, ob der „Kleidererlass“ ausreichende Rechtsgrundlage ist. rechtmäßig ist.

Die Polizeibeauftragte prüfte zunächst die Rechts- lage. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dazu ausgeführt, dass eine Vorgabe zu Tätowierungen Eingriffe in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und, hinsichtlich einer etwaigen Entfernung, in die körperliche Unversehrtheit darstellen; es bedarf hierfür einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage.60 § 56 LBG ist nach diesen Kriterien nach Auffassung der Polizeibeauftragten zu allgemein formuliert

59 Vgl. Erlass IV 104 – 70.02 (Bestimmungen über die Dienstkleidung und das äußere Erscheinungsbild) vom 11. Februar 2016, sowie die Änderung der Ziffer 2.4 vom 29. August 2018. 60 BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, Az 2C 25/17. 61 vgl. z. B. Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayBG: Soweit es das Amt erfordert, kann die oberste Dienstbehörde nähere Bestimmungen über das Tragen von Dienstkleidung und das während des Dienstes zu wahrende äußere Erscheinungsbild der Beamten und Beamtinnen treffen. Dazu zählen auch Haar- und Barttracht sowie sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale.

126 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Fall 9

Riskante Überholmanöver durch zivile Einsatzfahrzeuge

Im April 2020 meldeten sich zwei verwandte Pe- wichtig Transparenz ist, damit polizeiliches Han- tent*innen jeweils einzeln, aber wohl nach Abspra- deln für Bürger*innen klar und nachvollziehbar che, bei der Polizeibeauftragten und schilderten, wird. dass sie am Tag zuvor zum gleichen Zeitpunkt in un- terschiedlichen Autos auf dem Rückweg von einer Beerdigung waren. Sie befuhren eine Landstraße. Plötzlich sei der Gegenverkehr von einem zivilen Fahrzeug in nach ihrer Auffassung stark überhöhter Geschwindigkeit und in einem extrem gefährlichen Manöver überholt worden. Sie vermuteten, dass es ein ziviles Einsatzfahrzeug der Polizei war. Auf beiden Spuren seien Fahrzeuge unterwegs gewe- sen, sodass die Petent*innen jeweils ausweichen mussten und nach ihren Angaben beinahe in die Leitplanken gefahren seien. Kurze Zeit später sei- en ihnen dann weitere zivile Einsatzfahrzeuge ent- gegengekommen, die zwar nicht überholt hätten, aber in Schlangenlinien gefahren seien, sodass die Petent*innen erneut jeweils ausweichen mussten. Beide Petent*innen schilderten, bei dem nach ihrer Ansicht extrem gefährlichem Überholmanöver To- desangst gehabt zu haben.

Die Petent*innen berieten sich zunächst unterein- ander über die Möglichkeiten der strafrechtlichen Verfolgung oder dienstrechtlicher Verfahren. Die Polizeibeauftragte schlug aber zunächst vor, her- auszufinden, um was für einen Einsatz es sich ge- handelt hatte. Ein Gespräch mit Mitarbeiter*innen aus der Stabstelle einer Polizeidirektion ergab, dass es sich um einen Einsatz des Mobilen Ein- satzkommandos gehandelt hatte. Dieses war zu dem Zeitpunkt eingesetzt, um zwei tatverdächtige Personen im Zusammenhang mit einem Tötungs- delikt festzunehmen. Nach dieser Information und der Herstellung von Transparenz waren die Pe- tent*innen sehr verständnisvoll und wollten ihre Beschwerde nicht weiterverfolgen. Das zeigt, wie

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 127 Fall 10

Nächtliche Lärmbelästigungen

In einem weiteren Fall meldete sich im März 2020 langen der Beamt*innen ausgewiesen. Dabei sei er ein Bürger und bat die Polizeibeauftragte um ihre von den Beamt*innen darauf hingewiesen worden, Einschätzung und ihren Rat in Bezug auf einen vo- dass – was zutraf – seine Adresse auf dem Perso- rangegangenen nächtlichen Polizeieinsatz bei ihm nalausweis noch nicht geändert sei. Der Gast des zu Hause. Bei diesem sollen sich die Beamt*innen Petenten sei sodann mit der Begründung aus der aus Sicht des Petenten nicht „fair“, vor allem aber Wohnung verwiesen worden, dass er dort nicht ge- unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig ver- meldet sei. Auf dem Weg sei dem Gast im Treppen- halten haben: haus von einem Beamten eine Verbringung in den Polizeigewahrsam angedroht worden. Die Freun- Der Petent sei an einem Abend im Februar abends din des Petenten, die erst seit wenigen Wochen in nach 22:00 Uhr von der Arbeit nach Hause gekom- Deutschland lebte, durfte in der Wohnung bleiben, men und habe dann noch gemeinsam mit seiner da sie dort gemeldet war. Freundin und einem weiteren Gast in seiner Woh- nung zusammengesessen. Man habe dabei Musik Der Petent war der Ansicht, dass es keinen Grund gehört. Der Lärmpegel sei aber gering gewesen. für ein „derart massives“ Auftreten der Polizei ge- Es habe dann plötzlich eine Person an das Hinter- geben habe. Die Polizei habe unverhältnismäßig fenster der Wohnung – diese lag im Erdgeschoss gehandelt. Er habe sich durch die Beamt*innen be- und hatte ein Fenster zum Hinterhof – geklopft und droht und unfreundlich behandelt gefühlt. durch das gekippte, aber mit einem Verdunklungs- rollo zugezogene Fenster nach der Adresse des Aus dem später von der Ordnungsbehörde zuge- Petenten gefragt. Der Petent gab an, dass diese stellten Anhörungsbogen ging hervor, dass dem Person sich nicht als Polizeibeamter zu erkennen Petenten zur Last gelegt wurde, in besagter Nacht gegeben habe. Da dem Petenten das Geschehen um 2:22 Uhr in einem unzulässigen Ausmaß Lärm merkwürdig erschien, habe er der Person eine fal- erzeugt zu haben, durch den die Nachbarschaft er- sche Hausnummer genannt. heblich belästigt worden sei. Es sei zu dem Polizei- einsatz gekommen, da Nachbarn durch laute Musik Wenige Minuten später habe es dann an der Woh- in ihrer Nachtruhe gestört worden seien. nungstür des Petenten geklopft. Vor der Tür habe ein Polizeibeamter gestanden und gefragt, ob Die Polizeibeauftragte klärte den Petenten zunächst er die Wohnung betreten dürfe. Der Petent habe darüber auf, dass ihr Tätigwerden unabhängig vom daraufhin gefragt, ob denn ein Durchsuchungs- laufenden Ordnungswidrigkeitenverfahren erfolge. beschluss vorliege. Daraufhin soll der Beamte er- Das bedeutete, dass der Petent für den Fall, dass er widert haben, dass er keinen Durchsuchungsbe- zwischenzeitlich einen Bußgeldbescheid erhalten schluss brauche. Daraufhin hätten plötzlich sieben sollte, hiergegen gesondert und unter Beachtung „äußerst unfreundliche“ Polizeibeamt*innen seine der Fristen vorgehen müsste. Insbesondere seine Wohnung betreten. Der Petent sei dadurch ge- dem Vorwurf entgegenstehende Behauptung, kei- schockt und eingeschüchtert gewesen, habe sich ne Ruhestörung begangen zu haben, müsse er im aber kooperativ verhalten. Er habe sich auf Ver- formellen Bußgeldverfahren geltend machen.

128 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Mit Blick auf den fraglichen Polizeieinsatz nahm die den die Sicherstellung der Musikanlage angedroht. Polizeibeauftragte zunächst zwecks weiterer Sach- Da sich auch der Gast des Petenten durchgehend verhaltsklärung Kontakt zur Polizeidirektion auf. unkooperativ und uneinsichtig verhalten habe, sei Nach den dienstlichen Äußerungen der involvierten zu befürchten gewesen, dass bei einem Verbleiben Beamt*innen ergab sich dann ein völlig anderes des Gastes in der Wohnung die polizeilichen Unter- Bild: Es habe in der Nacht mehrere Beschwerden lassungsanordnungen nicht umgesetzt worden wä- wegen Ruhestörung gegeben, so dass letztlich vier ren. Deshalb sei der Gast der Wohnung verwiesen Streifenwagen zum Einsatzort unterwegs waren. worden. Mehrere Beamt*innen bestätigten, dass aus der Wohnung des Petenten laute Musik zu hören gewe- Die Polizeibeauftragte konfrontierte den Petenten sen sei. Die Beamt*innen bestätigten ferner, dass mit den Stellungnahmen der Beamt*innen. Jetzt eine erste Kontaktaufnahme durch das gekippte, räumte der Petent ein, dass am Fenster möglicher- aber verdunkelte Fenster zum Hinterhof erfolgt sei. weise doch der Begriff „Polizei“ gefallen sei. Er Dabei hätten die Beamt*innen sich als Polizei zu er- habe dies aber angesichts der Uhrzeit und des un- kennen gegeben. Sie hätten den Petenten gebeten, gewöhnlichen Weges der Kontaktaufnahme (Fens- das Fenster ganz zu öffnen. Dieser Bitte habe der ter zum Hinterhof) nicht ernst genommen. Er habe Petent aber nicht Folge geleistet, sondern er habe gedacht, ein Nachbar oder Passant mache sich die Beamt*innen stattdessen mutwillig in die Irre einen Spaß. zu führen versucht, indem er ihnen eine falsche Hausnummer genannt habe. Die Beamt*innen hät- Was sich tatsächlich in der Wohnung, an der Woh- ten den Petenten daraufhin auf die Tatsache auf- nungstür und im Treppenhaus im Detail abgespielt merksam gemacht, dass sie wüssten, in welchem hat, ließ sich durch die Polizeibeauftragte nicht ungefähren Hausnummernbereich er sich aufhielte, zweifelsfrei aufklären. Es fiel aber auf, dass der Pe- und dass die Angabe des Petenten demnach falsch tent auf den Vorhalt der Polizeibeauftragten, dass war. Daraufhin habe der Petent das Fenster einfach er und sein Gast nach den Aussagen der Beamt*in- komplett verschlossen. Die Musik sei auch danach nen durchgängig uneinsichtig und unkooperativ unverändert laut geblieben. gewesen seien, mit keinem Wort des Bestreitens einging. Stattdessen beteuerte der Petent wieder- Nach Ermittlung der korrekten Anschrift hätten die holt, dass die Beamt*innen aggressiv und eskalie- Beamt*innen nunmehr die Wohnung des Petenten rend aufgetreten seien. Aus seiner Sicht hätte man aufgesucht. Dieser habe die Beamt*innen weiter- das „Missverständnis“ an der Wohnungstür im Gu- hin nicht ernst genommen. So habe er etwa be- ten auflösen können. Gleichwohl hatte der Petent zweifelt, dass die – uniformierten – Kräfte Polizei- in der Zwischenzeit aber den gegen ihn ergangenen beamt*innen gewesen seien, und zudem bestritten, Bußgeldbescheid akzeptiert und das Bußgeld be- dass die Musik zu laut gewesen sei. In der Folge zahlt. Die Polizeibeauftragte wies darauf hin, dass hätten die Beamt*innen gegenüber dem Petenten das „energische“ Auftreten der Beamt*innen an die Fertigung einer Ordnungswidrigkeitenanzeige der Wohnungstür die nachvollziehbare Folge des angekündigt und für den Fall weiterer Beschwer- zuvor vom Petenten unternommenen Versuchs der

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 129 Irreführung der Beamt*innen gewesen sein dürfte. Auch darauf ging der Petent nicht ein. Die Polizeibe- auftragte teilte dem Petenten schließlich mit, dass sie bei Gesamtwürdigung aller Umstände keine be- lastbaren Hinweise auf ein rechtswidriges Handeln oder persönliches Fehlverhalten der Beamt*innen erkennen könne und deshalb die Voraussetzungen für ein weiteres Tätigwerden der Polizeibeauftrag- ten als nicht erfüllt ansehe. Mit diesem Ergebnis schloss die Polizeibeauftragte den Vorgang ab.

130 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Fall 11

Die Wirkung einer Uniform

Im Juni 2020 wandte sich eine Bürgerin an die Poli- tat mit geringem Unrechtsgehalt einzustufen und zeibeauftragte und schilderte den Fall einer ihr be- die Kommunikation sei nach ihrer Auffassung nicht kannten hochbetagten Frau, die nach dem Besuch zu beanstanden. von zwei Polizeibeamt*innen Schlafstörungen und Angstzustände entwickelt hatte. Die Frau war trotz Die Polizeibeauftragte versuchte, die Beamt*innen ihres schon sehr hohen Alters noch immer aktive für den Umgang mit älteren Menschen zu sensibili- Autofahrerin und hatte zuvor beim Zurücksetzen sieren. Darüber hinaus wurde auch angesprochen, mit ihrem PKW auf einem Privatgelände einen Un- wie Uniformen auf normale Bürger*innen wirken fall verursacht. Danach hatte sie sich, ohne ihre können, und dass diese in der Regel Respekt hervor- Personalien zu hinterlassen, nach Hause bege- rufen oder auch Angst auslösen können, auch wenn ben. Zeugenaussagen führten die Beamt*innen eine Einschüchterung nicht gewollt ist. Hier kön- zur Wohnanschrift der Frau. Sie klingelten an der nen z. B. Kriegserfahrungen eine Rolle spielen. Die Wohnungstür. Als die Frau öffnete, verwickelten die Kolleg*innen aus dem Stabsbereich versicherten, Beamt*innen sie in ein Gespräch, das die Frau als dass das Thema Kommunikation mit Bürger*innen sehr unangenehm und im Ton als aggressiv emp- ein zentrales Thema sei und sie nach diesem Vor- fand. Darüber hinaus seien ihr die Beamt*innen fall weitere interne Gespräche führen werden. Die sehr nahegekommen. Das Auftreten der Beamt*in- Bürgerin teilte, dass es der älteren Frau nach dieser nen in Uniform löste nach ihren Angaben Angst- Information zumindest ein bisschen besser ging. zustände in ihr aus, sie fühlte sich zurückversetzt in den Zweiten Weltkrieg, den sie als Kind erleben musste. Seitdem sei die Frau, wie die Bürgerin vor- trug, nicht mehr wiederzuerkennen gewesen. Sie habe innerhalb kürzester Zeit geistig abgebaut, könne sich an vieles nicht mehr gut erinnern und habe Schlafstörungen entwickelt. Wenige Tage später erlitt sie einen Schlaganfall, bei dem unklar war, ob dieser möglicherweise mit dem Erlebten in Zusammenhang stand.

Die Polizeibeauftragte führte Gespräche mit Mit- arbeitenden aus dem Stabsbereich der Polizeidi- rektion. Alle brachten ihr Bedauern zum Ausdruck, dass es der älteren Frau jetzt so schlecht gehe. In- tern folgten Gespräche mit den Beamt*innen, die vor Ort waren. Diese empfanden die Situation an der Haustür als „normal“. Ihnen sei im Rückblick nicht klar, was sie hätten anders machen können. Die vorgeworfene Sachbeschädigung sei als Straf-

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 131 03 Statistiken

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2019 bis 30. September 2020 3.1 Gesamtzahlen

3.2 Entwicklung der Fallzahlen

Eingabe Okt. 2016 Okt. 2017 Okt. 2018 Okt. 2019 bis Sept. 2017 bis Sept. 2018 bis Sept. 2019 bis Sept. 2020

Beschwerden von Bürger*innen 44 61 70 120

Eingaben aus der Polizei 134 153 172 136

Initiativsachen 3 1 4 2

Gesamt 181 215 246 258

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 133 3.3 Beschwerden von Bürger*innen

3.3.1 Überblick

3.3.2 Inhalte der Beschwerden

134 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 3.4 Eingaben aus der Polizei

3.4.1 Überblick

3.4.2 Inhalte der Eingaben

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 135 3.5 Art der Erledigung

3.5.1 Beschwerden von Bürger*innen konkreten polizeilichen Maßnahme oder auch ein persönliches Verhalten von Polizeibeamt*innen Beschwerden Anzahl durch die Polizeibeauftragte haben beurteilen las- sen, und wo dies ohne weitere Kontaktaufnahme Noch in Bearbeitung 1 zur Polizei, sondern allein anhand der Angaben des*der Bürger*in möglich war. In diesen Fällen Positive Regelung erreicht 29 verhielt es sich so, dass schon auf Grundlage der Angaben der Bürger*innen kein polizeiliches Fehl- verhalten erkennbar war. Meist konnten die Bür- Beratung 44 ger*innen diese Bewertung angesichts der Unab- hängigkeit der Polizeibeauftragten akzeptieren, in Weitere Bearbeitung war nicht möglich 25 (z. B. wegen Kontaktabbruchs) der Folge konnte auf die Einholung von Stellung- nahmen o. ä. von der Polizei verzichtet werden. Positive Regelung wurde nicht erreicht 5 Wenn nach Eingang einer Beschwerde eine weitere Weitervermittlung an andere Stelle 2 Bearbeitung nicht möglich war, lag dies oft daran, (z. B. an Polizei/Staatsanwaltschaft) dass Nachfragen der Polizeibeauftragten von den Gesamt 106 Bürger*innen nicht beantwortet oder relevante Un- terlagen nicht zur Verfügung gestellt wurden bzw. Bürger*innen ihr Anliegen aus anderen hier nicht bekannten Gründen nicht weiterverfolgten. Teilwei- Das Erreichen einer positiven Regelung umfasst se wurde der Polizeibeauftragten auch nicht das insbesondere das Wiederherstellen des zuvor be- für eine Kontaktaufnahme zur Polizei erforderliche schädigten Vertrauens von Bürger*innen in die schriftliche Einverständnis erteilt. Polizei. Dies geschieht etwa durch die Vermittlung und Begleitung von Gesprächen zwischen Polizei Wenn keine positive Regelung erreicht werden und Bürger*innen, aber auch durch das Einholen konnte, war es nicht gelungen, das Vertrauen schriftlicher oder mündlicher Auskünfte und Stel- eine*r Bürger*in in die Polizei wiederherzustellen lungnahmen von der Polizei, wodurch Petent*innen bzw. den*die Betroffene*n von der Rechtmäßigkeit Antworten auf ihre Fragen erhalten und ggf. vor- des beanstandeten polizeilichen Handelns zu über- handene Zweifel ausgeräumt werden können. zeugen.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine positive Regelung erreicht werden konnte, ist das Empfin- den der Bürger*innen und deren Bewertung im Ab- schlussgespräch mit der Polizeibeauftragten.

In 44 Fällen erfolgte keine Kontaktaufnahme zur Polizei, da dies für die Beantwortung der Fragen und Klärung der Anliegen der Bürger*innen nicht erforderlich oder teilweise von den Bürger*innen auch nicht erwünscht war. Beraten wurde etwa zu Fragen in Bezug auf polizeiliche Zuständigkeiten und Befugnisse, aber auch zu Verfahrensabläufen und Möglichkeiten, sich (formell) gegen polizei- oder ordnungsbehördliche Maßnahmen zur Wehr zu setzen.

Unter die Abschlussart „Beratung“ fallen auch Fäl- le, in denen Bürger*innen die Rechtmäßigkeit einer

136 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 3.5.2 Eingaben von Polizist*innen Aber auch in diesen Fällen dienten die Gespräche mit der Polizeibeauftragten der Selbstreflexion Eingabe Anzahl sowie einer Entscheidungsfindung für zukünftiges Verhalten. Positive Regelung erreicht 30 Bei vier Eingaben war eine abschließende Bearbei- Beratung und Begleitung 73 tung nicht möglich, da sich die Problematik ohne bzw. nur aufgrund der Ankündigung eines Tätigwer- dens der Polizeibeauftragten bereits erledigt hatte. Weitere Bearbeitung war nicht möglich 4 Beispielhaft sind hier eine zunächst angekündigte Prüfung der Dienstfähigkeit und die beabsichtigte Positive Regelung konnte nicht erreicht werden 3 Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu nennen.

Abgabe an andere Stelle 1 Bei drei Eingaben gelang weder eine Lösung des Problems noch eine von Seiten des*der Petent*in Noch in Bearbeitung 20 insgesamt als hilfreich empfundene Hilfeleistung.

Gesamt 131 Bei einer Eingabe wurde der Petent an die An- sprechstelle im Innenministerium verwiesen, weil das Anliegen des Petenten aus Sicht der Polizei- beauftragten dort zielführender bearbeitet werden Bei 30 Eingaben konnte abschließend eine positive konnte. Regelung erreicht und das Problem gelöst werden. Beispielhaft bedeutet dies, dass eine Konfliktlö- sung erfolgreich war, eine gewünschte Versetzung erfolgte oder eine angekündigte Versetzung nicht erfolgte. Grundlage kann dabei auch eine vertrau- liche Eingabe sein, wenn sich der*die Petent*in bei einem anhaltenden Konflikt für einen Weggang von der Dienststelle entschieden hatte und die Polizei- beauftragten diesen im Hintergrund erfolgreich be- gleiten konnte.

Auch das Herstellen von Transparenz zu allgemeine- ren innerpolizeilichen Abläufen, wie z. B. einem Be- urteilungsverfahren, kann eine positive Lösung sein.

Bei 73 Eingaben erfolgte eine – zum Teil auch an- dauernde – von den Petent*innen als unterstüt- zend und hilfreich wahrgenommene Beratung und Begleitung. Häufig handelte es sich hierbei um ver- traulich bearbeitete Eingaben. Dabei wandte sich ein Teil der Petent*innen von vornherein „nur“ mit dem Ziel einer vertraulichen Beratung an die Poli- zeibeauftragte. Hierbei ging es z. B. um eine Bera- tung zu bevorstehenden Personalgesprächen, um Reflexion und das Verhalten in Konfliktlagen oder auch um rechtliche Problematiken. Bei anderen Eingaben konnte gerade wegen der Vertraulichkeit eine abschließende Problemlösung nicht erfolgen.

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 137 E Geschäftsverteilungsplan

(aktuelle Fassung)

138 Tätigkeitsbericht 2018 – 2020 Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten und Beauftragte für die Landespolizei

Position Name Kenn-Nr. Telefon

Bürgerbeauftragte Samiah El Samadoni B 1230

Stellvertreter der Bürgerbeauftragten Dennis Bunge B 1 / ADS 1233

Vorzimmer Birgit Kornold-Lembke (TZ) BV 1231

BP Beauftragte für die Landespolizei

Position Name Kenn-Nr. Telefon

Referentin Anja Fritzler-Klatt (TZ) BP 2 1131

Referentin Julia Bartholme (TZ) BP 3 1019

Sachbearbeiterin Heide von Petersdorff BP 1 1248

Aufgaben Bearbeitung

— Bearbeitung der Beschwerden und Eingaben Fritzler-Klatt / Bartholme / von Petersdorf

— Öffentlichkeitsarbeit Fritzler-Klatt / — Erstellung des Tätigkeitsberichtes Bartholme / — Organisation und Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, den Polizeibehörden, von Petersdorff Verbänden und sonstigen Einrichtungen

— Assistenz- und Schreibdienst Schuchardt /Topp — Sekretariat

Die Beauftragte für die Landespolizei Schleswig-Holstein 139 Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein

Karolinenweg 1 24105 Kiel Telefon: (0431) 988-1240 www.buergerbeauftragte-sh.de www.antidiskriminierungsstelle-sh.de