Auswertungsbericht eines Studievorhabens im Rahmen des ASA-Programm der Carl-Duisberg Gesellschaft

- Ghana 1996 -

Vorgelegt von:

Gertel, Holger Markus / Haack, Silke / Kruk, Gabriele

Gyankufa: Ein Dorf in Westghana

Eine Analyse sozioökonomischer Transformationsprozesse mit Fokus auf geschlechtsspezifische Aktionsräume

Holger Markus Gertel Günterstalstr. 54 79100 Freiburg - Geographie -

Silke Haack Luisenstr. 129 53129 Bonn - Geographie -

Gabriele Kruk Hermann-Ehlers- Str. 8 55124 Mainz - Geographie -

I Vorwort

Ein Stipendium der Carl-Duisberg-Gesellschaft ermöglichte uns im Rahmen des ASA- Programms im Sommer 1996 einen dreimomatigen Aufenthalt in Ghana. Als Team konnten wir, Holger Gertel, Gabriele Kruk und Silke Haack, unsere Arbeitsschwerpunkte selbstständig erarbeiten und auch den Rahmen für unseren Aufenthalt eigenverantwortlich gestalten.

Ohne die intensiven und interessanten Vorbereitungsseminare wären wir sicher nicht so erfolgreich zu einem Team zusammengewachsen. Wir danken daher der ASA, besonders Matthias Drilling, der uns als Ländertutor hilfreiche Informationen und Tips gegeben hat.

Ursprünglich sollte das Untersuchungsvorhaben in den nördlichen Regionen Ghanas und insbesondere im Umkreis der Stadt Tamale durchgeführt werden. Aus Gründen der Sicherheit mußte jedoch in Absprache mit den Verantwortlichen auf diesen Standort bereits im Vorfeld verzichtet werden. Dies hatte mehrere Implikationen in Bezug auf die Projektdurchführung.

Da das Sudienvorhaben in den Süden Ghanas verlegt wurde mußte, galt es nun eigenständig Kooperationspartner zu suchen und inhaltliche Schwerpunkte neu zu überdenken. Das zweite Studienvorhaben entstand somit schließlich ohne Projektanleitung aus eigenen Interessensschwerpunkten der drei Teilnehmer heraus und im Rahmen der Möglichkeiten durch bestehende bzw. neu aufgebaute Kontakte. Der inhaltliche Fokus der Untersuchung, der ursprünglich auf der Ernährungssicherung gelegen hatte, wechselte auf eine genauere Analyse der Agrar- und Sozialstruktur im ländlichen Raum sowie spezifische Geschlechterverhältnisse, d.h. Aktions- und Handlungsspielräume von Männern und Frauen. Diese Inhalte sollten exemplarisch betrachtet und durch eine aktive Teilnahme am Dorfleben in einem Untersuchungsdorf analysiert werden.

Als Kooperationspartner konnten schließlich der DED (Deutscher Entwicklungsdienst) in Berlin bzw. Accra und VOLU (Voluntary Workcamps Association of Ghana, Accra) gewonnen werden.

Der DED ist als nationaler Fachdienst im Rahmen der personellen Entwicklungszusammenarbeit der Bundesrepublik tätig. Er stellt Entwicklungsländern im staatlichen und privaten Bereich berufserfahrene und engagierte Fachkräfte zur Mitarbeit in ihren Programmen und Projekten zur Verfügung und trägt in bescheidenem Umfang auch zur Finanzierung dieser Programme bei. Er fördert die Arbeit von einheimischen Solidaritätsdiensten und Selbsthilfeinitiativen durch fachliche Beratung und Finanzierung kleiner Programme und unterstützt daneben den Aufbau lokaler Selbsthilfegruppen durch Partnerschaftshelfer. Bedanken möchten wir uns an dieser Stelle besonders bei Herrn Klaus Thüsing, verantwortlicher Leiter des Regionalbüros des DED in Ghana, der uns durch organisatorische Hilfestellungen und inhaltliche Fachgespräche wesentlich unterstützt hat. Der DED stellte uns auch freundlicherweise in ein Haus zur Verfügung, das Ausgangspunkt für unsere gesamte Arbeit mit jeweils wöchentlichen Aufenthalten im Dorf Gyankufa wurde. Für den Kontakt nach und die Hilfe bei Alltagsproblemen und theoretischen Fragen bedanken wir uns ganz besonders auch bei den Mitarbeitern des DED, Herrn Wilfried Hoffstadt und Herrn Thomas Diestelhorst.

Unser zweiter Kooperationspartner VOLU ist eine Nichtregierungsorganisation, die Workcamps mit Jugendlichen organisiert. Das Hauptziel kann umschrieben werden als Dienst an die Völkerverständigung mit gleichzeitigem entwicklungspolitischen und -praktischen Charakter. So werden z.B. Schulen in gemeinsamer Arbeit erbaut oder Agroforstprojekte II durchgeführt. Unser Dank gilt hier besonders Mr. Francis Atta Donkor, Hauptverantwortlicher von VOLU, der uns den Kontakt zum Dorf ermöglichte und uns darüber hinaus seine Büroinfrastruktur und eine kostenlose Unterkunft in Accra zur Verfügung stellte.

Durch die Hilfe von Mr. Manu, Chief Commander der Polizeistation Zongo in Kumasi, wurde unser Aufenthalt im Dorf schließlich vorbereitet und die Kontakte geebnet. Für seine großzügige und zuvorkommende Hilfe und sein uns entgegengebrachtes Vertrauen möchten wir uns ebenfalls herzlich bedanken.

Ohne die Offenheit und das Entgegenkommen des Chiefs von Gyankufa, Nana Saana Bediatuo (Gyankufahene), wären wir sicher nicht so gastfreundlich und selbstverständlich im Dorf aufgenommen worden. Wir danken ihm und allen Dorfbewohnern aufs Tiefste, insbesondere aber Madam Dora Ayiwa-Anane, die uns den traditionellen Dorfalltag anschaulich nahe gebracht hat, und Mr. Kwabena Tachie, in dessen Haus wir aufgenommen wurden. Danken möchten auch Mr. Jeff Agyemang Yaw, Mrs. Elizabeth Takyiwa Manu und Rosemary Arthur, die uns bei den Interviews und der Verständigung in der Lokalsprache behilflich waren, was von wesentlicher Bedeutung für unsere Arbeit gewesen war. Jeff und Madam Dora Ayiwa-Anane ermöglichten uns darüber hinaus die persönliche Erfahrung und Teilhabe am Dorfleben, die weit über sachlich wissenschaftliche Arbeit hinausging. Dafür möchten wir einen herzlichen Dank aussprechen.

Desweiteren möchten wir uns bei folgenden Personen für hilfreiche Anregungen, Gespräche und Hilfestellungen bedanken: Herrn Thomas Holtkamp, Mitarbeiter der GTZ in Accra, Herrn Kofi Panyin Yarboi vom Department of Geographie and Ressource Development der Universität Legon, Herrn Kröger, Dr. Loos und Herrn Tscheckel von der GTZ und bei den Mitarbeitern der Friedrich-Ebert-Stiftung in Accra.

Diese Arbeit bildet einen Abschluß unseres Aufenthaltes in Ghana im Sommer 1996, ist aber sicher nicht das Ende der Kontakte zu den Dorfbewohnern in Gyankufa.

Freiburg, Bonn, Mainz, 1997

Holger Markus Gertel Gabriele Kruk Silke Haack III

Inhalt

Tabellenverzeichnis VI Abbildungsverzeichnis VI Kartenverzeichnis VI

Teil A Einführung in das Studienvorhaben und die Projektregion

Gabriele Kruk / Holger Markus Gertel 1 Einleitung 1 1.1 Einführung und Problemstellung 1 1.2 Konzeptionelle Vorüberlegungen 2 1.3 Vorgehensweise und Organisation des Feldaufendhaltes 3 1.4 Methodik der Feldforschung 6

Holger Markus Gertel 2 Ghana: Einführung in das Projektland 10 2.1 Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur 11 2.2 Die ökonomische Vergangenheit und Zukunftsperspektiven Ghanas 12 2.2.1 Ghanas Entwicklung seit der Unabhängigkeit 13 2.2.2 Der ökonomische Untergang der 70er Jahre 15 2.2.3 J.J. Rawlings und der ‘Pakt mit dem Teufel’ 17 2.3 Das Economic Recovery Programme (ERP) 17 2.3.1 IMF und Weltbank - Kredit und Konditionen 18 2.3.2 PAMSCAD - Makroökonomie oder Menschen? 20 2.4 SAP und die Auswirkung auf den ländlichen Raum 21 2.5 Ist Ghana tatsächlich die Success Story? 24

Silke Haack 3 Die Brong Ahafo Region 26 3.1 Naturräumliche Gliederung 26 3.2 Demographische Struktur 29 3.3 Wirtschaft 30

Silke Haack 4 Der Jaman-Distrikt 32 4.1 Die Geschichte des Jaman-Distrikts 33 4.2 Geographische Grundzüge 35

IV

Teil B Die Wirtschafts- und Sozialstruktur von Gyankufa

Silke Haack / Holger Markus Gertel 5 Das Untersuchungsdorf Gyankufa - eine kurze Charakterisierung 36

Holger Markus Gertel 6 Die Sozialstruktur von Gyankufa 40 6.1 Traditionelle politische Struktur 42 6.2 Die traditionelle sozialräumliche Gliederung von Gyankufa 43 6.3 Moderne Einflüsse, sozialer Wandel und räumliche Auswirkungen 43 6.4 Entscheidungsträger auf lokaler Ebene 45

Silke Haack 7 Die Agrarstruktur von Gyankufa 48 7.1 Überblick über die Landnutzung 48 7.2. Das Landnutzungsrecht in Gyankufa 48 7.3. Größe und Lage der Anbauflächen 50 7.4 Das Landnutzungssystem 50 7.5 Veränderungen in der Landnutzung und ihre Folgen 54 7.6 Die Arbeitsverfassung 55

Silke Haack 8 Kakaoanbau in der Western Region 57 8.1 Bodenrecht und Landbesitzverhältnisse in der Western Region 58 8.2 Saisonale Migration in die Western Region 59 8.3 Auswirkungen des Kakaoanbaus auf Gyankufa 59

Silke Haack 9 Relation von Subsistenz- und Marktproduktion in Gyankufa 61 9.1 Einkommensdeterminierende Problemfelder 62 9.1.1 Methoden und Probleme der Lagerung 62 9.1.2 Saisonale Marktpreisentwicklung 63 9.1.3 Auswirkungen der Nationalökonomie 64 9.2 Die Bedeutung von Cash Crops in Gyankufa 64

Silke Haack 10 Zusammenfassende Darstellung der Problemzusammenhänge im Agarsektor 66

V

Holger Markus Gertel 11 Ursachen sozialen Wandels in Gyankufa am Beispiel des Einflußes einer internationalen Organisation 68 11.1 World Vision International 68 11.2 Exkurs: Die Kreditvereinigung 70 11.3 Nebeneffekt der Entwicklung: Christianisierung 71 11.4 Transformation beim Zugang zu Land 72

Holger Markus Gertel 12 Zukünftige Entwicklungsaussichten 75

Teil C Analyse auf der Mikroebene

Gabriele Kruk / Holger Markus Gertel 13 Analyse auf der Mikroebene: Die Aktionsräume der Männern und Frauen von Gyankufa 76 13.1 Das Team und die Dorfbevölkerung: Rollenzuweisungen, Vorgehensweise und Einflüsse auf die Ergebnisse 80 13.1.1 Das Verhältnis zwischen der männlichen Dorfbevölkerung und den ForscherInnen 80 13.1.2 Das Verhältnis zwischen der weiblichen Dorfbevölkerung und den ForscherInnen 82 13.2 Die Rolle und Status der Männer und Frauen in der Dorfgesellschaft 85 13.2.1 Die Rolle und der Status der Männer in der Dorfgesellschaft 85 13.2.2 Die Rolle und der Status der Frauen in der Dorfgesellschaft 91 13.2.2.1 Der Status der Frau und die ihn determinierenden Faktoren 91 13.2.2.2 Die Rollen der Frau und ihre verschiedenen Ausprägungen 92 13.3 Der soziale Aktionsraum von Frauen und Männern 95 13.3.1 Der soziale Aktionsraum der Frauen 96 13.3.2 Der soziale Aktionsraum der Männer 97 13.4 Der politische Aktionsraum der Männer und Frauen 98 13.5 Der ökonomische Aktionsraum der Frauen und Männer 100 13.5.1 Der ökonomische Aktionsraum der Frauen 100 13.5.2 Der ökonomische Aktionsraum der Männer 103 13.6 Der geographische Aktionsraum der Männer und Frauen 104

Holger Markus Gertel 14 Zusammenfassung 107

15 Literatur 109

16 Anhang 114

VI

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Ökonomische Basisindikatoren von 1980 bis 1996 12 Tabelle 2: Struktur der Steuereinnahmen Ghanas 1983 - 1991 23 Tabelle 3: Production of selected crops in Brong Ahafo as a percentage of total country production 30

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die Landnutzung im Gebiet von Gyankufa 51 Abbildung 2: Anbau im Mixed-Cropping 52 Abbildung 3: Saisonaler Anbaukalender von Gyankufa 53 Abbildung 4: Anbauprofil von Gyankufa 54 Abbildung 5: Saisonaler Preisindex für Mais 63 Abbildung 6: Saisonaler Wirtschaftszyklus, Gyankufa (Ghana) 67

Kartenverzeichnis Karte 1: Administrative Regions of Ghana 27 Karte 2: Agro-Ökologische Zonen Ghanas 28 Karte 3: Der Jaman Distrikt 32 Karte 4: Die Lage des Akwamu Reiches (1600-1735) 33 Karte 5: Lage von Gyankufa im Distrikt 38 Karte 6: Dorfplan von Gyankufa 39 Karte 7: Sozialräumliche Gliederung von Gyankufa 44 Karte 8: Migrationsbewegung und Kakaoanbau in der Western Region 58

Teil A

Einführung in das Studienvorhaben und die Projektregion

1

1 Einleitung

1.1 Einführung und Problemstellung In der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wird dem ländlichen Raum der ‘Dritten Welt’ schon lange eine Schlüsselposition zugeschrieben.

Einerseits stellt er das Hauptentwicklungsproblem vieler Länder dar, da hier drei Viertel der 800 Millionen von der Weltbank als absolut arm eingestuften Menschen leben. Das restliche Viertel ist bereits vor der Armut in die Städte geflohen, wo keine Perspektiven auf sie warten. Die mit den Land-Stadt-Wanderungen entstehenden Probleme wie z.B. Arbeitslosigkeit, Verelendung, Slumbildung, infrastrukturelle Überlastung der Städte, etc. sind hinlänglich bekannt. Nur wenn der ländliche Raum in Zukunft das Überleben sichern kann und darüber hinaus an Attraktivität gewinnt - zum Beispiel durch verbesserte Bildungs- und Gesundheitssysteme und infrastruktureller Modernisierung - können weitere großmaßstäbliche Abwanderungen verhindert werden.

Zum anderen bietet der ländliche Raum den meisten Entwicklungsländern eine Ausgangsbasis für ihre ökonomische Entwicklung. Denn die Landwirtschaft stellt nicht nur die Basis der Selbstversorgung dar und ist somit ein wichtiger Faktor in der Ernährungssicherung eines jeden Landes, sondern hier werden zusätzlich auch Exportprodukte für die notwendigen Deviseneinnahmen erzeugt.

Die Entwicklung und Förderung des ländlichen Raumes nimmt somit in den meisten Ländern der sogenannten ‘Dritten Welt’ einen hohen Stellenwert ein. Viele Projekte der internationalen Entwicklungszusammenarbeit konzentrieren sich auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen im ländlichen Raum. Dabei rückt in letzter Zeit immer mehr das weitgehend ungenutzte, da im Überlebenskampf gebundene, Potential der dort lebenden Menschen in den Vordergrund. Die Armut wird als Entwicklungshemmnis angesehen, das es zu überwinden gilt. Die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten an die ländliche Bevölkerung hat deshalb schon längst rein technisch orientierte Entwicklungshilfe abgelöst.

Um die dem ländlichen Raum innewohnenden Entwicklungspotentiale zu mobilisieren muß der Mensch in den Mittelpunkt der Maßnahmen gestellt werden. Dieser Ansatz impliziert, daß jeder Maßnahmenplanung eine eingehende Situationsanalyse der spezifischen Lebensbedingungen vorausgeht. Kenntnisse über die Lebens- und Wirtschaftsweise und die politisch-soziale Struktur ländlicher Gemeinschaften erleichtern das Nachvollziehen und Verstehen von Handlungsspielräumen und Verhaltenszwängen der verschiedenen Interessengruppen.

Ohne eine weitergehende Auseinandersetzung mit kulturellen und ethnischen Besonderheiten und ohne eine Annäherung an die Handlungsrationalität der betroffenen Menschen ist die Betrachtungsweise jedoch unvollständig, es fehlt ihr geradezu das ‘Herzstück’. Vor diesem Hintergrund entstanden in den letzten Jahren sehr viele Studien, welche sich mit der komplexen Vernetzung von beobachtbarer Handlung und ihr zugrundeliegender Rationalität auseinandersetzten. Dieser sozialgeographisch-ethnologisch orientierte Forschungsansatz war Vorbild und Orientierung für die Herangehensweise bei der vorliegenden Studie. 2

Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit richtet sich auf ein möglichst vielschichtiges und komplexes Verstehen des Handelns von Bewohnern des ländlichen Raumes in Ghana. Am Beispiel einer Einzelfallstudie im Dorf Gyankufa im westlichen Ghana (Brong Ahafo Region) sollen die das Handeln beeinflussenden Spielräume, Zwänge, Ziele, Wünsche, Vorstellungen und Rationalitäten der Dorfbewohner untersucht werden. Neben der Darstellung der Lebens- und Wirtschaftsweise und der politisch-sozialen Strukturen wird dabei ein besonderes Augenmerk auf die Geschlechterverhältnisse gelegt. Als vertiefendes Thema und in Form einer Analyse auf Mikroebene wurde die für afrikanische Gesellschaften typische Trennung in weibliche und männliche Sphären anhand von Einzel- und Gruppeninterviews näher beleuchtet.

Für die drei AutorInnen stellt dies den Versuch dar, eine Gradwanderung zwischen einer sozialgeographischen Deskription von Funktions- und Aktionsräumen und einer entwicklungspolitisch und damit praxisnah ausgerichteten base line study zu begehen. Wichtig war es uns, daß sich unsere Erhebungen nicht zusammenhangslos im luftleeren Raum bewegten, sondern eine nutzenorientierte Verankerung besaßen. Zum einen war dies das seitens der GTZ geäußerte Interesse an den Ergebnissen. Die GTZ begann letztes Jahr, in der Brong Ahafo Region einen neuen landwirtschaftlich ausgerichteten Projektschwerpunkt zu etablieren. In diesem Zusammenhang können die Ergebnisse, inbesondere die gewonnen Informationen zur Agrarstruktur, in Form einer Grundlagenstudie genutzt werden. Zum anderen konnten wir der Bevölkerung von Gyankufa mit der Erstellung eines Dorfplanes weiterhelfen, welcher den Gebäudezustand der einzelnen Compounds berücksichtigt. Dieser Plan kann als Grundlage für die gezielte Planung der weiteren flächenmäßigen Expansion dienen.

1.2 Konzeptionelle Vorüberlegungen Mit der Entscheidung, eine akteursorientierte Forschung zu betreiben, welche es sich zum Ziel setzt, subjektive Perspektiven der Gesprächspartner, ihre Innenansichten und Selbstdarstellungen in den Vordergrund zu stellen, war auch eine Vorauswahl bezüglich des methodischen Vorgehens getroffen. Vermeintlich objektive Erhebungsverfahren bedeuten immer eine Annäherung von außen und aus der Ferne. Sie sind in gewissen Grundzügen sinnvoll und notwendig, z.B. wenn es um die Gewinnung von quantitativen Daten geht. Jedoch bleibt bei ihrer Durchführung immer eine versachlichende Distanziertheit bewahrt, welche persönliche und subjektive Begründungszusammenhänge außer Acht läßt. Die am Individuum orientierte Annäherung stellt mit der Präsentation der Sichtweisen und Bewertungen der handelnden Menschen dagegen einen anderen Teil der Wirklichkeit dar. Zwangsweise kommt es bei der Gegenüberstellung von objektiven und subjektiven Perspektiven zu unterschiedlichen Aussagen und Widersprüchlichkeiten. Diese Widersprüchlichkeiten finden sich in der vorliegenden Studie nur in sehr geringen Umfang wieder. Grund hierfür ist die Schwerpunktsetzung auf die subjektive Perspektive. Da sie, wo immer es möglich war, angestrebt wurde, nehmen die durch objektive Verfahren (Beobachtungen, Zählungen) gewonnen Ergebnisse rein vom Umfang her einen geringeren Stellenwert ein. Die Vernachlässigung objektiver Gegenüberstellungen hat neben der ihr zugrunde liegenden konzeptionellen Entscheidung auch noch eine andere Ursache: die Beschränkung unseres Aufenthaltes auf einen Zeitraum von drei Monaten. In einer so kurzen Zeitspanne war die 3

Möglichkeit, weitere Quellen außerhalb des Dorfes heranzuziehen, sehr limitiert gewesen. So konnten wir z.B. die Erzählung des Gründungsmythos durch den Dorfchief Nana Sanaa Bediatuo nicht durch entsprechende Archivstudien zu überprüfen. Genausowenig war es möglich, den durch die Dorfbewohner selbst erstellten Agrarkalender ins Verhältnis zu regionalen und lokalen Klimadaten zu setzen, welche im Geographischen Institut der Universität Legon/Accra umständlich hätten besorgt werden müssen. Leichter war es dagegen, aus der mittlerweile sehr umfangreichen Literatur zur politischen und sozialen Dorforganisation in Ghana weitere und ergänzende Informationen zu gewinnen. In sie fügten sich die aus Gesprächen hervorgegangenen Darstellungen nahezu widerspruchsfrei ein.

Jedoch ist uns in diesem Zusammenhang auch bewußt, daß die Beschreibung von sozialen Wirklichkeiten vielfältigen Filtern unterliegt - sowohl auf Seiten der Interviewpartner als auch auf Seiten der Forscher. Unsere GesprächspartnerInnen verfolgten mit ihren Aussagen jeweils immer ein bestimmtes Interesse, sie wollten und konnten einige Dinge mitteilen, andere wiederum nicht. Insofern war unser Augenmerk auch immer auf die Hintergründe unserer gewonnenen Informationen gerichtet. Wer erzählt uns was warum? Was wird nicht erzählt, auf welche Fragen kommen ausweichende Antworten? Solche Hinterfragungen verdeutlichen, wie viele Einflußfaktoren bei unserer Interpretation der gewonnen Informationen eine Rolle gespielt haben. Wir mußten zudem immer davon ausgehen, daß nicht nur bewußte Informationsfilter eingesetzt wurden, sondern auch unbewußte Elemente - wie z.B. die kulturelle Prägung und spezifische Sozialisation - die Gesprächsinhalte beeinflußt haben. Zumindest Teile der Wirklichkeiten und Verstehensweisen, in denen sich Gesprächspartner in einem Dialog wähnen, sind konstruiert - vom Forscher wie auch dem Erforschten. Denn alle von uns aufgenommenen Informationen werden vor unserem kulturell geprägten Hintergrund interpretiert und sortiert, genauso wie Informationen in einer kulturspezifischen Weise weitergegeben werden, die sich per se eigentlich an ‘Eingeweihte’ richtet. Die Realität des Forschers ist fast nie identisch mit der Realität des Erforschten.

Im Bewußtsein dieser Problematik soll an dieser Stelle betont werden, daß die in den nachfolgenden Kapiteln getroffenen Aussagen aus der subjektiven Sicht von drei Individuen abgefaßt worden sind. Es wird in keinster Weise ein objektiver Anspruch erhoben, ja sogar die These vertreten, daß es keine objektive Forschung gibt.

1.3 Vorgehensweise und Organisation des Feldaufenthaltes Ausgangspunkt des Untersuchungsvorhabens war die Analyse von ländlichen Haushaltsstrukturen bezogen auf die Einkommens- und Ernährungssicherung in Ghana. Der Haushalt, bzw. der jeweilige Haushaltsvorstand stellt eine relativ kleine Untersuchungseinheit dar, die quasi mikroperspektivisch angegangen wird. Um sich als Forschender auf dieser Mikroebene bewegen zu können, wird immer eine ihr übergeordnete Makroperspektive benötigt. Deshalb galt es zunächst, die dörflichen Agrar- und Sozialstrukturen sowie die politischen Ordnungs- und Entscheidungsprozesse zu untersuchen. Erst vor diesem Hintergrund war eine Annäherung an individuelle Interessengruppen, großfamiliäre Wohngemeinschaften und einzelne Individuen möglich gewesen. Ein besonderer Focus lag dabei auf der getrennt vorgenommenen Betrachtung der Haushaltsökonomie sowohl von ghanaischen Bauern als auch Bäuerinnen. Wie gestalten sie jeweils ihren Arbeitsalltag, wie ist ihr Zeitbudget strukturiert, welche Aktionsräume haben sie und über welche ökonomischen und sozialen Überlebensmechanismen verfügen sie? 4

Die vorliegende Studie versucht, auf diese Fragen Antworten zu geben. Die hier aufgeführten Inhalte und Informationen stammen alle aus einem dreimonatigen Feldaufenthalt im Dorf Gyankufa, welches sich im Jaman District in der Brong Ahafo Region befindet. Waren im Planungsentwurf des Studienaufenthaltes noch Feldaufenthalte in 2-3 Dörfern in der Brong Ahafo Region vorgesehen, so stellte sich dieser Plan recht bald nach Ankunft in Ghana als nicht realisierbar heraus. In Absprache mit den beiden Kooperationspartnern - der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) und die Voluntary Workcamps Association of Ghana (VOLU) - erfolgte die Entscheidung, nur in ein Dorf zu gehen. Hätte die knappe Zeit des dreimonatigen Aufenthaltes geteilt oder gar gedrittelt werden müssen mit dem hinzukommenden Aufwand, jeden neuen Dorfkontakt erst mühsam selbst herstellen zu müssen, das Forschungsvorhaben vorzustellen und den Dorfaufenthalt zu organisieren, so wäre keine sinnvolle Forschung möglich gewesen. Somit wurde recht schnell die Entscheidung für eine einzelne Dorfstudie getroffen mit dem Vorteil vor Augen, daß durch die Länge des Aufenthaltes wesentlich abgesichertere und qualitativ hochwertigere Ergebnisse erzielt würden, wie es bei einem 3-4 wöchigen ‘Hereinschnuppern’ in den jeweiligen Dorfalltag möglich gewesen wäre. Außerdem sollte eine der ‘afrikanischen Zeit’ angemessene Annäherung an das Leben und die Kultur der Menschen erfolgen. Die Turbulenzen und Störungen, welche durch die mehrmonatige Anwesenheit dreier deutscher StudentInnen verursacht wurden, sollten möglichst gering bleiben. Wenn den Dorfbewohnern schon ihre Zeit für Interviews und Gruppendiskussionen ‘gestohlen’ werden mußte, so sollte dies nicht auch noch unter Zeitdruck und Streß erfolgen. Außerdem konnte davon ausgegangen werden, daß zufällig zustande kommende oder spontan organisierte Diskussionsrunden und Gespräche viel wahrscheinlicher wesentliche Inhalte und subjektive Meinungen hervorbringen würden wie vorher festgelegte Treffen, auf die sich jeder Teilnehmer mehr oder weniger vorbereiten würde und bestimmte Erwartungen mit sich bringen würde. Die Gespräche hätten einen anderen Verlauf, unsere Partner würden sich vermutlich mehr auf die von ihnen uns zugeschriebenen wichtigen Inhalte konzentrieren oder aber mit für sie relevanten Punkten sehr taktisch und weniger spontan umgehen. Vieles sprach also für eine allmähliche Annäherung an den Mikroorganismus des Dorfes und dessen Innenleben. Ganz persönliche Neugier, Interesse an der Kultur und der Wunsch, die Menschen in ihrem Handeln zu verstehen, beeinflußten den Forschungsgedanken. Gleichzeitig wurde Abstand genommen von reiner Ergebnisorientiertheit mit dem ihr üblicherweise innewohnenden Überfallcharakter. Das Sich-Einlassen auf das Gegenüber und die Begegnung mit den Menschen, nicht dem Forschungsgegenstand, standen im Vordergrund. Entsprechend dieser Vorgaben kam für den Feldaufenthalt nur ein Wohnen und Mitleben im Dorf selbst infrage. Die Idee war, bei einer Familie mit im Gehöft zu wohnen, damit so nah wie möglich am Geschehen zu sein und unauffällig das Alltagsleben beobachten zu können. In unregelmäßigen Abständen sollten jedoch Pausen und damit verbundene räumliche Distanzierungen erfolgen, so daß Zeit und Möglichkeit gegeben waren, Eindrücke zu verarbeiten, Zwischenergebnisse zu reflektieren und neue Fragen zu entwickeln. Dies sollte in Dormaa-Ahenkro erfolgen, einer vom Untersuchungsdorf vier Autostunden entfernten Mittelstadt, in der der DED dem ASA-Team ein Haus zur Verfügung gestellt hatte. Dem Einsatz und der Hilfe zahlreicher Personen ist es zu verdanken, daß die Umsetzung dieser Vorstellungen in die Realität gelingen konnte. Der erste Kontakt zum Dorf erfolgte in Kumasi. Mr. Manu, Chief Commander der Polizeistation Zongo in Kumasi, ist eine der 5 wichtigsten und einflußreichsten Persönlichkeiten in Gyankufa. Er lebt und arbeitet seit einigen Jahren in Kumasi und stellt für sein Heimatdorf den verlängerten und sehr machtvollen Arm zur Außenwelt dar (vgl. Kap 11.1). Als solcher übernahm er es, das Forschungsvorhaben und einen ersten Besuch des ASA-Teams in Gyankufa von Kumasi aus anzukündigen. Damit war der erste wesentliche Hebel in Bewegung gesetzt worden. Denn die Voraussendung der Kunde über zu erwartenden Besuch und seiner Mission an den Dorfchef, einige Älteste und den Schulleiter der Junior Secondary School war nicht nur eine im dörflichen Kontext absolut notwendige Formalie; vielmehr ermöglichte sie den Entscheidungsträgern im Dorf, schon vorab ein Meinungsbild zu unserem Vorhaben zu erstellen und sich auf uns vorzubereiten. Somit wurde dem ASA-Team bei der Ankunft in Gyankufa bereits eine positive Grundstimmung entgegengebracht. Alle formalen Regeln der Höflichkeit waren von unserer Seite aus eingehalten worden und bei der gleich zu Beginn erfolgenden Vorstellung beim Ältestenrat wurden weitere entscheidende Weichen gestellt. Das ASA-Team stellte sich selbst als Gruppe dar, die durch das zeitweilige Mitleben im Dorf und einer Familie das Ziel verfolgte, in und gleichzeitig von einer anderen Kultur zu lernen. In gewissem Sinn wurde die Rolle von ‘Schülern’ eingenommen, die möglichst vielfältige Einblicke in den Dorfalltag gewinnen und deshalb an den verschiedenen sozialen und ökonomischen Aktivitäten teilnehmen wollten.

Dies wurde uns vom Ältestenrat gewährt und nach der Anrufung der Ahnengeister und der Übermittlung der Bitte an sie, daß sie über unseren Aufenthalt wachen sollten, wurde über unsere Unterkunft diskutiert. Leider ließ sich keine Wohnmöglichkeit direkt an der Durchfahrtsstraße, bzw. dem Marktplatz finden. Die Entscheidung der Ältesten fiel schließlich auf den Compound von Mr. Kwabena Tachie, dem Asafuakye/Youth Leader des Dorfes. Da er für alle 18-40-jährigen Einwohner in Gyankufa Ansprechpartner, Berater und Streitschlichter und zudem ein enger Berater des Dorfchefs ist, war dies letztlich eine sehr günstige Wahl, zumal das entsprechende Gehöft noch relativ zentral im Dorf gelegen ist.

Mit der Zuweisung eines eigenen Zimmers, welches uns die nötige Rückzugsmöglichkeit bot, und mit dem Anschluß an die 15-18 Bewohner des Compounds waren fast die wichtigsten Voraussetzungen für ein Gelingen der geplanten Arbeit erfüllt. Es fehlte nur noch der Kontakt zu Schlüsselpersonen, zum einen zu übergeordneten InformantInnen und und zum anderen zu ÜbersetzerInnen, um bei den vorgesehenen Interviews die notwendige Unterstützung zu gewährleisten. Kenntnisse der Lokalsprache Twi waren im Vorfeld nur bei einem Mitglied des ASA-Teams vorhanden gewesen und reichten auch keinesfalls für längere Unterhaltungen aus. So wurden aufgrund des die Geschlechterverhältnisse berücksichtigenden Ansatzes sowohl eine Übersetzerin als auch ein Übersetzer benötigt.

Als männlichen Informanten und Übersetzer konnten wir den sehr kompetenten Landwirtschafts- und Mathematiklehrer Mr. Jeff Agyemang Yaw von der Junior Secondary School gewinnen. Aufgrund seiner nur halbtägigen Lehrertätigkeit stand er uns viele Nachmittage mit Rat und Tat zur Seite. Bei den Frauen gab es mehrere Schlüsselpersonen. Zum einen arbeiteten wir mit zwei Übersetzerinnen zusammen, zum anderen fanden wir in der lokalen Hebamme eine persönliche Beraterin, die uns viel Hilfe und Unterstützung bei allen alltäglichen Problemen zukommen ließ.

6

Die erste Übersetzerin, Rosemary Arthur, ist Lehramtsstudentin und stammt aus , einer zwei Autostunden von Gyankufa entfernten Mittelstadt. Wir hatten uns über Bekannte in Accra kennengelernt und da sie sich im Studium schwerpunktmäßig mit Erziehung und Frauenfragen beschäftigt, erwuchs auf ihrer Seite schnell Interesse an einer Zusammenarbeit. Da sie den lokalen Twi-Dialekt beherrscht und zudem vier Wochen Zeit mit sich brachte, waren die wesentlichen Voraussetzungen dazu erfüllt. Der Nachteil, mit einer ortsfremden Übersetzerin zusammenarbeiten, wurde von dem Vorteil aufgewogen, daß die mit ihr gemeinsam aufgebauten Kontakte nicht gefiltert waren im Sinne einer von ihr getroffenen Vorauswahl, z.B. gemäß dem eigenen Bekanntenkreis.

Die zweite Übersetzerin, Elisabeth Takyiwa Manu, ist Lehrerin an der Catholic Primary School und gegenwärtig die einzige Frau in Gyankufa, die über ausreichend Englischkenntnisse für eine Übersetzungstätigkeit verfügte. Mit ihr wurde ab der fünften Woche zusammengearbeitet. Über sie verlief so manche Kontaktaufnahme zu Gesprächspartnerinnen zwar einfacher, aber der Personenkreis wurde dafür durch ihre subjektive Sym- und Antipathie determiniert.

Die lokale Geburtshelferin, Madam Dora Ayiwa-Anane, lernten wir über den Umstand kennen, daß wir bei ihr unsere Mahlzeiten zubereiteten, weil in ‘unserem’ Gehöft bereits ein zu großer Andrang auf die Kochstellen herrschte. Durch sie wurden wir nicht nur in die Geheimnisse der ghanaischen Küche eingeführt, sondern wir fanden in ihr auch recht bald eine Freundin und ‘Sittendame’, an deren Seite uns keine groben Verhaltensversäumnisse unterlaufen konnten.

Damit waren allen wesentlichen Voraussetzungen erfüllt, das Potential für ein Gelingen des Feldaufenthaltes war nicht mehr zu leugnen. Viele wichtige Elemente der notwendigen Forschungsbedingungen waren bereits vor Ort vorhanden gewesen oder fielen uns regelrecht ‘en passent’ durch das große Entgegenkommen der Dorfbewohner zu. Die für uns verbleibenden Planungsaufgaben konzentrierten sich somit weniger auf rein organisatorische Fragen, sondern beschäftigten sich vielmehr mit der Koordination der einzelnen mithelfenden und damit mitgestaltenden Akteure.

1.4 Methodik der Feldforschung Um der Komplexität und der Vielschichtigkeit des Forschungsansatzes gerecht zu werden, war es nötig gewesen, eine ausgewogene Mischung verschiedener Erhebungsinstrumente anzuwenden. Dabei sollten in erster Linie qualitative Methoden zur Anwendung kommen, jedoch unterstützt und untermauert von quantitativen Verfahren. Im folgenden sollen die verwendeten Arbeitstechniken in der Reihenfolge dargestellt werden, in der sie in der Praxis herangezogen worden sind. Dabei konzentriert sich die Vorstellung auf die Absichten, die jeweils hinter dem Einsatz eines bestimmten Instrumentariums standen. Auf eine ausführliche Erläuterung der Funktionsweisen der einzelnen Methoden soll an dieser Stelle - so weit wie möglich und sinnvoll - verzichtet werden.

Teilnehmende Beobachtung Durch die möglichst umfassende Teilnahme an den Alltagsprozessen der Dorfbevölkerung sollte der Zugang zu Innenperspektiven erleichtert und ein Verstehen der indigenen Lebenswelten damit erst ermöglicht werden. Außerdem wurde angestrebt, die durch die Beobachterposition per se eingenommene und sozial bereits vorgegebene Distanz durch zwanglose Teilnahme an Haushaltsaufgaben (Wasser holen, Küchenarbeit, Unkraut jäten auf 7 den Anbauflächen, etc.) und an wichtigen sozialen Ereignissen wie Beerdigungen oder Gottesdiensten ein wenig zu verringern. Es war beabsichtigt, innerhalb der kulturellen und zeitlichen Grenzen sowohl die zwischenmenschliche als auch die soziale Integration so weit wie möglich zu vollziehen. Die Teilnehmende Beobachtung zog sich als aktiver und passiver Prozeß durch den gesamten Aufenthalt. Dank des Austausches, den wir darüber untereinander führen konnten, wurden die Beobachtungsansätze immer wieder präzisiert und modifiziert und konnten somit qualitativ ständig verbessert werden.

Transekt Gleich am ersten Tag des Aufenthaltes wurde diese Durchschreitung des Dorfes von Norden nach Süden vorgenommen, um sich einen Eindruck von der Größe der Siedlung, ihren Grenzen, der Lage der Felder, der Verteilung wichtiger Einrichtungen (Schulen, Krankenstation, Kirchen, Wasserpumpen, Chiefpalast, Fetischschrein, etc.) und ihren Reliefgegebenheiten zu verschaffen. Diese Begehung gab erste Anstöße zu Fragen bzgl. der Anordnung bestimmter Funktionen im Dorf. Eine erste einfache Karte mit der Anordnung von Landnutzungseinheiten (Siedlungsbereich, Hausgärten, Buschzone, kultiviertes Land) und deren Problemzonen (z.B. Erosionsgefährdung) entstand als Ergebnis.

Mental Mapping Noch während oder gleich nach dem Transekt wurden von auf dem Weg angetroffenen und interessierten Männern und Frauen jeweils individuelle Dorfskizzen erstellt. Die Eingangsfrage dazu war: ‘Wie sieht ein Plan von Gyankufa aus und welches sind die für Dich wichtigsten Stellen?’. Die Skizzen wurden von den Beteiligten mit Kugelschreiber auf ein Blatt Papier gemalt ohne weitere Nachfragen oder Einmischungen unsererseits. Von den fertiggestellten Karten konnten erste Rückschlüsse gezogen werden auf die Verschiedenheit der Aktions- bzw. Agitationsräume der einzelnen ZeichnerInnen. Zudem deuteten sich hier bereits erste Unterschiede zwischen den sozialen Kontakt- und Austauschzonen von Männern und Frauen an. Während die Männer z.B. die Nachmittage oft am ‘Versammlungsbaum’ im Dorfzentrum verbringen, um sich auszutauschen oder Politik zu betreiben, ist eine der beiden peripher gelegenen Wasserpumpen ein vergleichbarer Treffpunkt für die Frauen.

Jahreszeitlicher Kalender Anhand einer Gruppendiskussion von Lehrern und Bauern wurden die komplexen Zusammenhänge zwischen natürlichen jahreszeitlichen Zyklen (Regenzeiten, Temperatur) und ihren Auswirkungen auf den Bedarf an Arbeitskraft hergestellt. Zudem wurden die verschiedenen Arbeitsschritte für alle lokalen Nutzpflanzen in ihrer saisonalen Abhängigkeit erläutert, es wurden Preisentwicklungen diskutiert und der schwankende Bedarf an zusätzlich eingestellten Lohnarbeitern für die Ernte. Da es sich bei Gyankufa um eine rein subsistenzorientierte Siedlung handelt, waren damit die wichtigsten, den jährlichen Dorfzyklus beeinflussenden Faktoren in ihrem kausalen Zusammenhang zusammengetragen.

Zeitbudget Im Laufe der ersten zwei Wochen wurde von uns je ein schematischer Tagesablaufplan für die Frauen, Männer und Kinder des von uns bewohnten Gehöfts erstellt. Zum einen trugen wir die Daten durch Beobachtung zusammen, wozu wir uns zu möglichst verschiedenen Zeiten im Gehöft aufhielten. Zum anderen nahmen wir an verschieden Tagesaktivitäten selbst teil, um möglichst vielseitige Einblicke in Dauer und Art der routinemäßigen Abläufe zu gewinnen. Mit dieser Aufstellung erhielten wir nicht nur einen Überblick über die Aufgabenverteilung unter den einzelnen Familienmitgliedern und über die geschlechts- und 8 altersspezifischen Belastungen. Vielmehr hatten wir eine auch auf andere Gehöfte übertragbare Vorstellung davon gewonnen, wann und für welche Dauer einzelne Familienmitglieder freie Zeit für Gespräche oder Versammlungen hatten.

Dorfkartierung Um einen genaueren Überblick über Größe des Dorfes und Streuung der einzelnen Gehöfte zu bekommen, wurde etappenweise im Laufe des Aufenthaltes eine ungefähr maßstabsgetreue Karte von Gyankufa erstellt. Dabei wurde der Gebäudezustand, das Baumaterial/Bedachung und die Relieflage berücksichtigt. Dieser Plan diente uns überwiegend zur Schätzung der Gesamtbevölkerungszahl des Dorfes und in zweiter Linie auch zur Identifikation eines gewissen Wohlstandsgefälles innerhalb des Siedlungsbereiches. Bei der Auswahl unserer Interviewpartner versuchten wir, eine das Gefälle berücksichtigende Durchmischung sowohl von wohlhabenderen wie auch ärmeren Familien zu erreichen. Zum anderen dient die erstellte Karte dem Dorf als Planungs- und Entscheidungshilfe für die bereits eingesetzte flächenmäßige Expansion.

Fragebogenverteilung in der Junior Secondary School Am Ende des Aufenthaltes wurde durch die Lehrer der Junior Secondary School ein von uns in der Lokalsprache Twi aufgesetzter Fragebogen an die SchülerInnen von vier Klassen verteilt. Es ging darin um die Anzahl der Bewohner des jeweiligen Heimgehöfts - zur Verifizierung der Schätzung der Gesamteinwohnerzahl - und um die derzeitigen und zukünftigen ökonomischen Aktivitäten der Eltern der SchülerInnen. Damit wollten wir Trends zur Einkommensdiversifizierung, welche sich in einigen Einzelinterviews abgezeichnet hatten, auf ihre Verbreitung hin überprüfen.

Qualitiative, semistrukturierte Interviews mit Individuen, Schlüsselpersonen und Focus Groups Die über 50 Einzel- und Gruppeninterviews stellen den Kern unserer Erhebung dar. Aufgrund des gewählten konzeptionellen Ansatzes, der sich an den subjektiven Perspektiven der Interviewpartner orientiert, bot sich dafür nur die Form des qualitativen Interviews an. In ihm ist es möglich, sich als ForscherIn zurückzuhalten, auf die jeweilige Relevanz des Gesprächspartners einzugehen, sich offen und flexibel gegenüber Themenwahl, -vertiefung und -reihenfolge zu halten und damit eine ausreichende Prozesshaftigkeit zu gewährleisten. Es wurde lediglich ein Leitfaden mit 15 Schlüsselfragen erstellt, welche als Ablauforientierung für das Gespräch herangezogen werden konnten. Dabei ging es vor allem um die ökonomischen Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Dorfes, um die geschlechterspezifischen Aufgabenverteilungen, Verantwortlichkeiten und Handlungsmuster und um den Bezug zwischen Ist-Zustand der jeweiligen Lebenswelt und den gewünschten Veränderungen.

Mit den Interviews wurde ab der dritten Aufenthaltswoche im Dorf begonnen. Zunächst unterlag die Auswahl der Gesprächspartner keinerlei bestimmten Absicht und folgte vielmehr dem Zufallsprinzip: Wer Zeit und Interesse hatte, wurde für das Interview herangezogen. Somit wurde unsere Arbeitsweise im Dorf erst mal bekannt gemacht, man unterhielt sich darüber oder stellte sich einfach als Zuhörer dazu (was wir in dieser Anfangsphase zuließen zumal es meist nicht mehr als 5-10 Interessierte handelte). Und uns gab diese Probephase die Gelegenheit, erste Erfahrungen bzgl. dem Verhalten und Auftreten als Fragender und Gesprächspartner zu machen und allmählich ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Fragen wie und in welcher Reihenfolge am besten eingebracht werden konnten.

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Nach einigen solcher ‘Sondierungsgespräche’ und der mehrfachen Überarbeitung unserer Leitfragen wurde schließlich mit ausgewählten Einzelinterviews begonnen. Unsere Zielgruppe waren v.a. Frauen und Männer im Alter zwischen 30 und 50 Jahren aus verschiedenen sozialen Schichten. Durch eine möglichst große Anzahl solcher Einzelgespräche sollte der Unterschied der geschlechtespezifischen Aktions- und Handlungsspielräume von Frauen und Männern in seiner Vielseitigkeit belegt und dargestellt werden. Um darüber hinaus allgemeine Informationen zur sozialen und politischen Organisation des Dorflebens zu gewinnen, wurden außerdem zahlreiche Gespräche mit Schlüsselpersonen (Dorfchef, Lehrer, Gesundheitshelfer, Hebamme, Fetischpriesterin, ...) und mit focus groups (alte Männer, alte Frauen, männliche bzw. weibliche Jugendliche, Behinderteninitiative, ...) geführt. 10

It is better to be free to govern or misgovern yourself than to be governed by anybody else. Kwame Nkrumah 1957

2 Ghana: Einführung in das Projektland Nach Jahren der politischen Instabilität vollzieht sich in Ghana durch die ‘Ära Rawlings’ seit 1982 ein Akt der Konsolidierung. Zunächst durch einen militärischen Putsch an die Macht gelangt, überführte Rawlings, nicht zuletzt auf Druck der westlichen Geldgeber, Ghana in eine Demokratie nach US-amerikanischen Muster. Seit dem 07. Januar 1993 ist wieder eine Verfassung in Kraft, die die vierte Republik einleitete. Der 1993 vom Volk gewählte und am 07. November 1996 bestätigte Präsident bleibt J.J.W. Rawlings.

Administrativ ist Ghana in 10 Regionen unterteilt, die sich nochmals in 110 Distrikte untergliedern. Seit 1988 wurden in Ghana Dezentralisierungsmaßnahmen durchgeführt, wodurch die Distrikte weitgehende Selbstverwaltungsbefugnisse erhielten (HOLTKAMP, 1993). Allerdings haben auch die traditionellen Führer, die Chiefs und Stammesältesten, noch großen Einfluß auf die aktuelle Politik des Landes und vor allem auf die Geschehnisse in den einzelnen Distrikten und Regionen (SCHMIDT-KALLERT, 1994: 217).

Ghana untergliedert sich naturräumlich in fünf Regionen (vgl. Kapitel 4.1). Die Küstenebene, mit geringen Reliefunterschieden, in der sich die Hauptstadt Accra befindet, ist eine typische Küstensavanne. An die Küstensavanne schließt sich das Ashantihochland an, auf dem die zweitgrößte Stadt Ghanas, Kumasi, liegt. Die Akwapim-Togo-Kette, mit der höchsten Erhebung des Landes (995 m), liegt im Grenzbereich zu Togo und ist die südliche und östliche Begrenzung des künstlich aufgestauten Volta Sees. Das zentrale Voltabecken bildet die flächenmäßig größte Einheit des Landes. Ein Großteil der Fläche wird jedoch seit den 60er Jahren durch den Voltastausee eingenommen. Nach Norden hin ist das Land durch weitflächige Plateaus und einzelne Schwellen, die high plains gekennzeichnet. Der Norden ist eine typische Feuchtsavanne mit Trockenwald. Die Savanne ist durch eine einzige Regenzeit in den Monaten Mai bis Oktober, mit einem Maximum im September charakterisiert. Der südliche Teil, mittlerweile durch globale und regionale Klimaveränderunge beeinflußt, erhält noch bis auf die Höhe von Techiman jährlich zwei Regenzeiten. Die höchsten Niederschlagswerte (ca. 2100 mm im jährlichen Mittel) werden im Südwesten des Landes gemessen. Diese Region ist durch wechsel- und immerfeuchten Regenwald gekennzeichnet (SCHMIDT-KALLERT, 1994: 218, SIEBOLD, 1993: 227).

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2.1 Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur Die Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur Ghanas ist auch heute noch stark durch die koloniale Raumgestaltung und koloniale ökonomische Überformung geprägt. Obwohl Ghanas städtebauliche Geschichte weiter zurückreicht als die der meisten anderen afrikanischen Staaten (Salaga existierte bereits bevor die ersten Händler die Goldküste ‘entdeckten’, und Kumasi entstand indigen während der kolonialen Durchdringungphase), ist anhand der Siedlungsstruktur der koloniale Einfluß ablesbar. Das Land wurde von der Küste her räumlich erschlossen und neue künstliche Stadtgebilde erschaffen. Sekondi-Takoradi, Cape Coast und die Hauptstadt Accra sind so entstanden. So entstand das heutige Wirtschaftszentrums im Dreieck Accra/Tema, Kumasi und Sekondi-Takoradi. Ausdruck dessen ist die noch heute existierende Eisenbahnlinie in diesem Dreieck. Die wichtigste Funktion dieser Bahntrasse bestand darin Exportwaren aus dem Hinterland zur Küste zu transportieren. Die räumlichen Disparitäten innerhalb Ghanas zwischen dem Süden und der Nordhälfte des Landes wurde daher bereits während der Kolonialzeit angelegt. Der Norden des Landes diente in erster Linie als Arbeitkräftereservoir. Das regionale Entwicklungsgefälle ist bis heute nicht überwunden, fast alle Betriebe des sekundären Sektors ballen sich in den südlichen Regionen, und die Hauptexportprodukte des primären Sektors, Kakao, Gold und Holz, konzentrieren sich ebenfalls auf den südlichen Landesteil. Dies führte schon während der Kolonialzeit zu starken Migrationsströmen in den wirtschaftlich besser entwickelten Süden, wodurch die regionalen Disparitäten und das Stadtwachstum noch verstärkt wurden. Der Großteil der Bevölkerung konzentriert sich gegenwärtig in Südghana. Die Verstädterungsquote betrug 1990 bereits 34%. Allerdings gibt diese Zahl ein verfälschtes Bild wieder, da in der ghanaischen Statistik bereits Siedlungen ab 5000 Einwohnern als Städte ausgewiesen werden. Der Großteil der Bevölkerung lebt auch heute noch im ländlichen Raum, dennoch ist eine nicht zu verachtende Verstädterungstendenz zu beobachten (HOFMANN, 1994: 227-229; NOHLEN, 1994: 280; STATISTISCHES BUNDESAMT, 1994: 35; SIEBOLD, 1993: 228).

Die koloniale Wirtschaft basierte vorwiegend auf dem Anbau von cash-crop-Produkten, vor allem Kakao im Süden und ab den 50er Jahren Erdnüsse im Norden, sowie dem Abbau von Gold. Diese einseitig ausgerichtete Wirtschaftsstruktur ist im wesentlichen, trotz intensiver Industrialisierungsbemühungen während der Nkrumah-Ära, bis in die Gegenwart charakteristisch. Der überwiegende Teil der Bevölkerung ist allerdings auch heute noch in der agrarischen Subsistenzproduktion tätig. Im primären Sektor arbeiteten 1990 ca. 48% der Bevölkerung, im sekundären Sektor ca. 16% und im tertiären Sektor ca. 38%, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Subsistenzproduktion in diesen Zahlen, wenn überhaupt, nur ungenügend berücksichtigt werden kann (ECONOMIC INTELLIGENCE UNIT, 1996; SCHMIDT- KALLERT, 1994: 225-227, SIEBOLD, 1993: 230-235).

Die wirtschaftliche Stütze Ghanas ist immer noch der Kakaoexport, der ca. 40% der Devisen einbringt. Gold- und Holzexporte liegen an zweiter und dritter Stelle (SIEBOLD, 1993: 230). In

12 den letzten Jahren gewinnt die Energieerzeugung und der Export von Elektrizität nach Togo und Burkina Faso zunehmend an Bedeutung (SCHMIDT-KALLERT, 1994: 226). Die wichtigsten ökonomischen Indikatoren der letzten Jahre sind in Tabelle 1 aufgeführt.

Tab. 1: Ökonomische Basisindikatoren von 1980 bis 1996

Ökonomische Grunddaten 1980 1985 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996a BIP zu Marktpreisen C mr - - - 2.575 3.009 3.949 5.117 8.253 - Reales BIP in % - - 3,3 5,2 3,6 4,8 3,8 4,5 - Inflationsrate in % 50 10 37,2 17,3 10,9 25,0 24,9 55,0 65,9 Bevölkerung mi 11,3 12,3 - 15,48 15,96 16,45 17,11 17,69 - Exporte (fob) $ mi 1104 632 - 998 986 1.064 1.227 1.461 392,7 Importe (fob) $ mi - - - 1.319 1.457 1.728 1.580 1.743 361,2 Auslandverschuldung $ mi - - - 4.249 4.312 4.590 5.022 5.000 - Kakao Produktion `000 t 258 219 - 240 305 255 290 330 - Gold Produktion m fein oz - - - 0,9 1,1 1,4 1,5 1,5 - Wechselkurs C:$ - - 326,3 367,8 437,1 649,1 956,7 1.300, 1.589,1 0 Quelle: CEPA, 1996: 16; Economic Intelligence Unit, 1996; Institute of Statistical, Social and Economic Research, 1995; Institute of Statistical, Social and Economic Research, 1994; Siebold, 1993: 231; Loxley, 1989: 9.

2.2 Ghanas ökonomische Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsperspektiven In den folgenden Abschnitten wird primär die ökonomische Entwicklung Ghanas im Kontext der Strukturanpassungspolitik von IWF und Weltbank analysiert. Die ökonomischen Transformationen, welche durch die Strukturanpassung ausgelöst wurden, gestalten zunehmend die Lebenswelten aller ghanaischen Bevölkerungsgruppen. Die Waren- und Geldökonomie penetrieren immer mehr auch die ‘hintersten Winkel’ Ghanas.

Seit über 10 Jahren wird das wirtschaftliche Schicksal Ghanas vom Internationalen Währungsfond (IWF) und der Weltbank mitbestimmt. Die makroökonomischen Eckdaten sprechen immer noch dafür, daß die Economic Recovery Programmes I und II und die Strukturanpassungsmaßnahmen erfolgreich durchgeführt wurden. Ob die Bevölkerung allerdings weiterhin gewillt oder in der Lage ist, die sozialen Auswirkungen der ‘Anpassung’ zu tragen, scheint trotz der neuerlichen Wahl J. J. Rawlings im November 1996 zum Präsidenten immer fraglicher. Erste massive Widerstände der Bevölkerung gab es bereits 1995, als die Rawlings Regierung versuchte, das Steuersystem neu zu strukturieren und eine Mehrwertsteuer in der Höhe von 17,5% einführte. Es kam zu grossen Demonstrationen Anfang Mai 1995 in Accra und Kumasi. Aufgrund des öffentlichen Drucks sah sich die Regierung gezwungen, die Steuer zurückzuziehen, und Kwesi Botchwey, Rawlings langjähriger Finanzminister und Wegbereiter der Strukturanpassung, mußte zurücktreten.

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Die wirtschaftliche Zukunft Ghanas erscheint vergleichsweise besser als in vielen anderen westafrikanischen Staaten, aber ob die jetzige Entwicklung der Strukturanpassung auch langfristige Perspektiven zur Steigerung der Wohlfahrt und Verringerung der Armut beinhaltet ist zu hinterfragen. Die Zukunft der drei Exportstützen Ghanas, Gold, Kakao und Holz, streben negativen Trends entgegen. Holz ist nur begrenzt vorhanden, und Ghanas Primärwald schwindet zusehends. Gold ist im Überfluß auf dem Weltmarkt, und die Preise fallen ständig. Das Hauptexportprodukt Ghanas, Kakao, bekommt schließlich zusehends Konkurrenz aus den südostasiatischen Ländern, während in Ghana alte Bäume immer weniger Erträge liefern. So bleibt die Frage, ob die Weltbank und der IWF tatsächlich langfristige Entwicklungsziele verfolgen, oder ob deren Programme und Entwicklungsstrategien vorhandene Strukturen lediglich kurzfristig stärken? Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst notwendig die Bedingungen zu analysieren, die zu einer Zusammenarbeit zwischen dem IWF, der Weltbank und der Rawlings-Administration geführt haben. Anschließend werden die Inhalte und die Implementierung der ‘Anpassungsprogramme’ kurz skizziert. Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt dabei auf der Dekonstruktion von Makrodaten sowie auf der Bestimmung von ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Strukturanpassung auf die Bevölkerung. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Analyse von Transformationsprozessen im ländlichen Raum. Ob Ghana auch tatsächlich das ‘Musterland’ der Weltbank ist, soll abschließend erörtert werden.

2.2.1 Ghanas Entwicklung seit der Unabhängigkeit Die Goldküste wurde als erstes schwarzafrikanisches Land 1957 unabhängig und wurde in Anlehnung an das alte Gana-Reich in ‘Ghana’ umbenannt. Die erste eigenständige Regierung unter Nkrumah entwickelte zunächst einen Consolidated Development Plan mit dem Ziel, der Entwicklung Ghanas neue Impulse zu verschaffen, und die Außen- und Exportabhängigkeit zu verringern. Das Gesundheits-, Erziehungs- und Transportwesen wurde stark ausgebaut und ein ehrgeiziges Industrialisierungsprogramm gestartet. Die Wirtschaftspolitik zielte weitgehend darauf ab Importsubstitution zu erreichen.

Die Finanzierung dieser Entwicklung stützte sich allerdings vorwiegend auf die Exporteinnahmen aus dem Kakaosektor. Dieser wurde in der Folgezeit zunehmend mit Steuern belastet. Interne Marktgebühren und Besteuerung der Kakaoproduzenten führten zu starken Produktionsrückgängen des ‘Motors’ der Entwicklung. Ghanas failure at the beginning was to provide adequate incentives for producers in the primary sector (TOYE, 1991: 151). Außerdem wurden die Preise für Nahrungsmittel (durch Festsetzen von Erzeugerpreisen oder Importerleichterungen) künstlich niedrig gehalten, um Unruhen in den Städten zu vermeiden. Die (relative gut organisierte) städtische Arbeiter- und Beamtenklasse wurde stark bevorteilt, was LIPTON als urban bias bezeichnet (LIPTON, 1982).

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Thus government face a dilemma: urban unrest, which they can not successfully eradicate through co-operation or repression, poses a serious challenge to their interest as employers and sponsors of industry. Their response has been to try to appease urban interests not by offering higher money wages but by advocating policies aimed at reducing the cost of living, and in particular the cost of food. Agriculture policy thus become a byproduct of political relations between government and their urban constituents (BATES, 1981: 33). Die Vermarktung von Kakao wurde durch das Ghana Cocoa Marketing Board geregelt, welches jährlich einen Abnehmerpreis festsetzte, der unter dem aktuellen Weltmarktpreis lag. Die Absicht dieser Strategie lag darin, Gewinne einzufahren, um die Abhängigkeit der Kakaoproduzenten vom Weltmarktpreis zu verringern und in weniger erfolgreichen Jahren ein sicheres Einkommen zu garantieren. Diese soziale Absicherung wurde aber zusehends ausgehöhlt, da die Regierung immer grössere Zwischenhandelsgewinne abschöpfte, um die Industriealisierungsprojekte zu finanzieren, die allerdings in der Regel fehlschlugen. Die Schere zwischen Produzentenpreis und Weltmarktpreis weitete sich mehr und mehr. They [Afrikanische Staaten südlich der Sahara; Anmerkung des Verfassers] intend to transform their economies; they want to move resources from agriculture to industry; therefore they set prices in markets in order to capture resources from agriculture (BATES, 1981: 4). Korruption und ineffektive Staatsunternehmen führten in der Folge zu einem immensen Haushaltsdefizit. Die Situation verschlimmerte sich noch dadurch, daß sich die zunächst günstigen Weltmarktpreise für Holz und Kakao in den 60er Jahren stark verschlechterten und sich dadurch die Exporterlöse merklich verringerten (vgl. Abb. 2). Die ökonomische Bilanz der Nkrumah Ära war erschreckend: Die Industrialisierungsstrategie kostete das Land enorm viel Geld, konnte aber aufgrund der Branchenstruktur der angesiedelten Betriebe kaum ein selbstragendes Wachstum einleiten (SCHMIDT-KALLERT, 1995: 46). Nkrumah wurde schließlich am 24.02.1966 in einem Militärputsch gestürzt.

Die Militärregierung von Gen. Lt. Ankrah zeichnete sich vor allem durch Ziellosigkeit aus. Einziges Anliegen war es, die Ökonomie wieder zu stabilisieren. Dazu wurde der Internationale Währungsfond um Hilfe gebeten. Die wichtigsten wirtschaftspolitischen Auflagen bestanden darin Importlizensen einzuführen, die Währung abzuwerten und die ineffizienten Staatsbetriebe zu privatisieren. Dadurch wurde zwar die Zahlungsbilanz stabilisiert und neuerliche Liquidität erreicht, aber die Auswirkungen auf die Bevölkerung waren immens. Die Arbeitslosenquote schnellte in die Höhe und die sozialen Spannungen nahmen zu (SIEBOLD, 1988: 92-106). Als die sozialen Spannungen weiter eskalierten, traten die Militärs schließlich zurück, und es wurden 1969 Wahlen abgehalten, die Dr. K. A. Busia gewann.

Busia sah in der ‘ländlichen Entwicklung’ den Schlüssel zu Ghanas wirtschaftlichem Aufschwung und versuchte, im ländlichen Raum neue Entwicklungsimpulse zu setzen. Die erreichten Verbesserungen waren in der Tat beachtlich, soweit sie vor Busias Sturz fertiggestellt wurden. Es wurden verstärkt Gesundheitszentren, Brunnen und Verbindungsstraßen im ländlichen Raum geschaffen (SIEBOLD, 1988: 124-130).

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Die außenwirtschaftliche Importliberalisierung führte allerdings zu einem unerwartet starken Importboom, der die Zahlungsbilanz massiv verschlechterte. Die Regierung musste daher Ende 1971 die Währung drastisch abwerten, was sowohl bei der städtischen als auch bei der ländlichen Bevölkerung zu Protesten führte. Die Folge war Busias Sturz 1972 durch General Acheampong (SCHMIDT-KALLERT, 1995: 47/48).

2.2.2 Der ökonomische Niedergang der 70er Jahre Die Zeit zwischen 1972 und 1979 kann am besten durch den Begriff ‘Kleptokratie’ beschrieben werden. Die Militärregierungen (Acheampong, Akuffo) sahen in der Institution des Staates lediglich eine Möglichkeit zur persönlichen Bereicherung. Korruption war von den höchsten bis in die tiefsten staatlichen Ebenen weit verbreitet und wurde zum Credo einer Überlebensökonomie.

Entwicklungsstrategisch wurde eine neue Phase der Self Reliance eingeleitet, die aber eher dadurch bedingt war, daß die hohen Schulden Ghana bei den Geldgebern komplett diskreditiert hatten. Importe wurden stark gedrosselt und die Operation feed yourself gestartet. Die Ölkrise war ein weiterer externer Schock, der dazu führte, daß viele Ghanaer wieder in die landwirtschaftliche Subsistenzproduktion, den städtischen informellen Sektor oder ins Ausland flohen. Letzteres kann am deutlichsten an der enormen Auswanderungsquote von Ärzten und Hochschullehrern nachvollzogen werden. Der Brain Drain dieser Zeit war enorm, ca. 40% aller ghanaischen Ärzte arbeiten (auch heute noch) im Ausland (SCHMIDT-KALLERT, 1995: 48-50). Ghanas ökonomische Krise kann wie folgt skizziert werden (TOYE, 1991: 153/154):

1. Die inländische private und öffentliche Spar- und Investitionsquote fiel dramatisch. Private Investoren fanden schlechte Bedingungen vor, und der öffentlich Sektor wurde durch Korruption erschüttert.

2. Dies hatte zur Folge, daß die Wachstumsrate gegen Null und darunter ging und die Produktionsrate vor allem bei Kakao immer geringer wurde. Großen Anteil daran hatte sicherlich das Schmuggelgeschäft mit Togo und Côte d`Ivoire.

3. Das anhaltende Bevölkerungswachstum führte zu einem sinkenden pro-Kopf Einkommen und damit auch zu einer sinkenden pro-Kopf Konsum- und Sparquote.

4. Die sinkenden Einnahmen aus dem Kakaosektor und das ständige Neudrucken von Geld, um die Geldknappheit zu überwinden und das Haushaltsdefizit auszugleichen, heizten die Inflation beträchtlich an. Probleme bei der inländischen Nahrungsmittelproduktion sorgten für zusätzlichen Druck auf den Cedi. Die Großhandelspreise stiegen z.B. in den Jahren 1973-77 um 37% und von 1977-79 um 56%.

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5. Die Überbewertung der Währung sorgte dafür, daß Importe immer mehr zunahmen und dem Exportsektor jeglicher Produktionsanreiz fehlte.

6. Die Überbewertung des Cedi und damit die Möglichkeit von ‘billigen’ Importen führte zu geradezu wahnsinniger (im wörtlichen, wie im übertragenem Sinne) Korruption und ‘Rent- seeking’, um die begehrten Importlizenzen zu erhalten.

7. Die vorhandenen Preiskontrollen trugen wiederum dazu bei, daß Güter in Parallelmärkte gelangten, die Schattenwirtschaft blühte und ‘Rent-seeking’ und Korruption immer größere Ausmasse annahmen.

8. Die politische Untätigkeit dieser Zeit lieferte einen großen Beitrag zur Rezession. Dadurch, daß z.B. die Inflation nicht einmal ansatzweise bekämpft wurde, fielen die Reallöhne unter daß Existenzminimum.

Neben diesen internen Bedingungen gab es Anfang der 80er Jahre auch noch schwere externe Schocks zu bewältigen. Das erneute Steigen der Ölpreise 1979/1980 und besonders die Dürre zwischen 1982-1984 stürzten Ghana in die schwerste ökonomische Krise seit der Unabhängigkeit. Die Dürre hatte nicht nur Auswirkungen auf die gesamte landwirtschaftliche Produktion, sondern auch auf den industriellen Sektor, da durch die Wasserknappheit im Voltastausee die hydroelektrische Produktion drastisch gedrosselt werden mußte. Was die Situation 1983 weiter kummulieren lies, war die Ausweisung von ca. 1 Millionen Auslandsghanaer aus Nigeria. Bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 12 Millionen (1983) Menschen bedeutete die Absorption dieser Zwangsmigranten, besonders in einer schon bestehenden Krisenzeit, eine zusätzliche Belastung für die Bevölkerung. Die Auslandsghanaer wurden vor allem in den ‘unterbevölkerten’ nördlichen Regionen angesiedelt. Although they provided an extra supply of labour to an agriculture with labour shortage, in the short run they just added to the demand for food and consumption imports (TOYE, 1991: 154). Dies führte 1983 zum Phänomen der shared poverty, fast alle Bevölkerungsschichten waren von der ökonomischen Rezession und einer einsetzenden Hungerkrise betroffen, dies führte sogar zu Stadt-Land Migrationen (SCHMIDT-KALLERT, 1995: 98).

Die Entstehungsgründe für die Situation von 1983 lassen sich, um mit TOYE zu sprechen, wie folgt zusammenfassen (1991: 155): The devastated and distressed state of the Ghanaian economy in 1983 was the result of three compounding set of causes: 1. A flawed development strategy since the 1960s; 2. Gross economic mismanagement and corruption in the 1973-81 period; 3. A simultaneous set of severe external shocks in the early 1980s.

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2.2.3 J. J. Rawlings und der ‘Packt mit dem Teufel’ Fliegerleutnant Jerry John Rawlings trat bereits 1979 in die Geschichte von Ghana ein, als er zusammen mit anderen jungen Offizieren der Air Force die bestehende Militärregierung stürzte, um der Ausbeutung der Bevölkerung und der Korruption ein Ende zu setzen und neuen Raum für eine Zivilregierung zu schaffen. Es kam dann auch tatsächlich 1979 zu Wahlen, aus denen Dr. Hilla Limann als Präsident hervorging.

Die Zivilregierung konnte die ökonomische Talfahrt allerdings auch nicht wirksam bekämpfen und Verhandlungen mit dem Fond und der Bank scheiterten an den instabilen politischen Verhältnissen Ghanas.

Als auch die Limann Administration immer mehr in den Strudel von Korruption und Rent- seeking geriet, putschte Rawlings schließlich am 31.12.1981 ein zweites Mal. Diesmal allerdings mit der Absicht die politischen und ökonomischen Verhältnisse Ghanas langfristig selbst zu regeln. Er verkündete: Dies ist kein gewöhnlicher Putsch, wir wollen eine Revolution machen, wir wollen die gesamte soziale und wirtschaftliche Ordnung des Landes Umwälzen (RAWLINGS, 1981, zitiert in SCHMITD-KALLERT, 1995: 51). Es gab nicht viele westliche Entwicklungsexperten und ‘Ghana-Kenner’, die daran glaubten, daß sich J. J. und sein Provisional National Defence Council (PNDC) lange halten könnten, da der Rückhalt in der Bevölkerung fehlte. Aber Rawlings verstand es durch eine zunächst populistische Politik und sein Charisma, die Massen für sich einzunehmen. Außerdem attackierte er die Grundübel des nachkolonialen Ghana: Korruption, Mißwirtschaft und die Machtposition der neokolonialen Eliten, die immer reicher wurden, während das Land wirtschaftlich ausblutete’ (SCHMIDT-KALLERT, 1995: 51). Nachdem sich die ökonomische Situation immer weiter verschlechterte (externe Schocks) blieb dem PNDC nichts weiter übrig, als die schizophrene Situation einzugehen, einerseits eine populistisch, antineokolonialistische Politik zu verfolgen, andererseits aber den IWF und die Weltbank um Hilfe zu bitten (TOYE, 1991: 155). Um die Jahreswende 1982/83 traf der PNDC die Entscheidung sich mit dem noch kurz zuvor als imperialistischen Teufel denunzierten Währungsfond einzulassen (SCHMIDT-KALLERT, 1995: 51).

2.3 Das Economic Recovery Programme (ERP)

Sparpolitik mit drastischen Austeritätsmaßnahmen dürfte in allen Staaten der Welt eine unpopuläre Erscheinung sein, weil sie vorübergehend den Lebensstandard großer Segmente der Bevölkerung negativ tangiert; in EL stellt sich das Problem der Strukturanpassungspolitik jedoch in besonders zugespitzter Weise (TETZLAFF, 1992(3): 425).

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Der ‘Pakt mit dem Teufel’ war für Rawlings unerläßlich, um ausreichend Kapital für den Wiederaufbau von Ghanas desolater Wirtschaft zu bekommen. Neben außenpolitischen Gründen waren es vor allem innenpolitische Gegebenheiten, welche die ungewöhnliche Entscheidung begünstigten. Rawlings must have judged that, having overthrown elected civilian rule because of its inaction during the economic crisis, his own regime would rapidly be in danger if he did not achieve better economic results soon (TOYE: 1991: 158). Schon in den Anfängen der PNDC Regierung bereiteten Botchwey und Abbey einen Entwurf für eine ökonomische Erneuerung des Landes vor, in dem auch die Beteiligung des Fond und der Bank mit in Erwägung gezogen wurde. Als die Entscheidung schließlich gefällt wurde den IWF zu konsultieren, war die Struktur des ERP bereits weitgehend klar: The basic elements of an adjustment program were clear. It was more difficult, however, to establish the precise policy actions to be adopted and their phasing each year, taking into account political and social constraints in addition to these concerning the availability and efficiency of policy instruments in an economy that was beset by structural deficiencies (CHAINED/VAN TILL, 1988: 33; zitiert in TOYE, 1991: 158). Was waren aber nun genau die basic elements of an adjustment program? Was waren die Konditionen, die Ghana erfüllen mußte und immer noch einhalten muß, um in den Genuß von finanzieller, logistischer und beratender Hilfe zu gelangen?

2.3.1 IWF und Weltbank - Kredit und Konditionen

Given the 1966-83 (or, as the external financial sources saw it, 1957-83) record, the Ghana Government had very limited credibility for bargaining on the parameters of the programme, and, given the chaotic and disintegrating state of the economy, it also had very little time to seek to negotiate alterations (GREEN, 1987:34; zitiert in TOYE, 1991: 159). Die war tatsächlich die Ausgangsbedingung der Rawlings Regierung: Wenig Verhandlungsspielraum bei der Implementierung des ersten Economic Recovery Programme (ERP). Die oberste Direktive des Programms war eine weitreichende Liberalisierung der Wirtschaft.

Die Ziele von ERP I und II lassen sich folgendermaßen zusammenfassen (TOYE, 1991: 159:

ERP I: (1984 - 1986): → steigende Exportproduktion → Inflationskontrolle → verbesserte Kreditwürdigkeit → Verbesserung der Infrastruktur

ERP II (1987 - 1989): → verstärktes Wirtschaftswachstum → ausgeglichene Zahlungsbilanz

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→ steigende Spar- / Investitionsquote → Verbesserung des Management im formelle Sektor

Um diese Ziele zu erreichen, sollten die Erzeugerpreise von Kakao erhöht, die Kosten des Ghana Cocoa Marketing Board (GCMB) gesenkt (vorwiegend durch Entlassungen), Subventionen und Preiskontrollen abgebaut, die Währung abgewertet, die öffentlichen Ausgaben eingeschränkt, staatliche Unternehmen privatisiert, das Management im öffentlichen Dienst verbessert und das Banksystem reformiert werden (WORLD BANK, 1989).Obwohl die Verhandlungsbasis von Rawlings zu Beginn des ERP wahrlich nicht sonderlich gut war, verstand es die Regierung, das Anpassungsprogramm relativ dosiert anzuwenden, das heißt nicht alle Auflagen wurden tatsächlich erfüllt.

Die Erzeugerpreise für Kakao wurden stetig erhöht, so das neue Anreize geschaffen wurden mehr Kakao zu produzieren und weniger in die Nachbarländer geschmuggelt wurde. Eine Maßnahme, die Rawlings, bzw. Botchwey, aber auch schon vor der Einflußnahme des IWF für nötig befunden hatte. Obwohl die Produktion in den Jahren zwischen 1984 und 1989 tatsächlich von 153.000 Tonnen auf 300.000 Tonnen stieg, wurden aufgrund verschlechterter Terms of Trade, weniger Devisen eingenommen (ROTHCHILD, 1991: 10).

Die Privatisierung von Staatsbetrieben entwickelte sich allerdings nur sehr schleppend, da es sich als sehr schwierig herausstellte für die z.T. sehr hoch verschuldeten und ineffizienten Betriebe Investoren zu finden. (TOYE, 1991: 171-181; SCHMIDT-KALLERT, 1995: 51-56).

Die Privatisierung des GCMB allerdings wurde aufgrund der starken Lobby des Board, nur teilweise durchgeführt. Bis 1985 wurden erst ca. 16.000 Mitarbeiter anstatt der vorgesehenen 19.000 entlassen. Bis 1987 wurden dann noch einmal ca. 14.000 Mitarbeiter entlassen. Bei den übrigen 50.000 .Mitarbeitern wird voraussichtlich weiter Personalabbau vorgenommen.

Die Streichung von Subventionen und Preiskontrollen beinhalteten z.B. die folgenden Maßnahmen. Die Subventionen für landwirtschaftlichen Input (v.a. Dünger) wurden graduell gestrichen, aber gerade dies hatte große negative Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion, vor allem auf die Nahrungsmittelproduktion. Bis 1985 wurden bei 8 von 17 Gütern die Preiskontrollen abgeschafft. Bis 1987 wurde der Preis von Treibstoff dem Weltmarktpreis angepaßt.

Der Außenhandelssektor wurde dadurch gestärkt, daß es seit 1983 zu einer schrittweise Abwertung der Währung gekommen ist und damit Importe relativ teurer wurden, Exporte hingegen relativ günstiger.

Die härtesten Auswirkungen der Anpassungsprozesse für die Bevölkerung bestanden wohl in der Philosophie der Weltbank, der Cost Recovery. Bei öffentlichen Dienstleistungen wurden

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Subventionen gestrichen und Gebühren eingeführt. Vor allem im Gesundheitswesen werden seit 1985 für Krankenhausaufenthalte Gebühren erhoben und Medikamente müssen bezahlt werden (BRYDON / LEGGE, 1996:150). Die drastischsten Maßnahmen wurden wohl im Bildungssektor durchgeführt, der 1986 vollständig reformiert wurde. Um Kosten zu sparen wurde die Schulzeit von 17 auf 12 Jahre verkürzt und die meisten Hilfslehrer entlassen. Außerdem wurden einige Kosten, z.B. für die Unterhaltung von Schulgebäuden auf die Distriktverwaltungen umgelegt. Darüber hinaus müssen die Schulbücher nun gekauft werden und für den Besuch der Sekundarstufe, der Senior Secondary School (SSS), werden Gebühren erhoben. Weiterhin wurden die Nahrungsmittelsubventionen für die Schüler der SSS und die der Studenten der vier Universitäten gestrichen (ROTHCHILD, 1991: 3-20). None the less, the cost recovery measures in health and education have been unpopular. The PNDC (...) has found that health and education charges touch an extremely sensitive nerve in the general public`s political consciousness (TOYE, 1991: 193). Alles in allem wurden die Strukturanpassungsmaßnahmen vom PNDC sehr geschickt dosiert durchgeführt, so daß die Bevölkerung, vor allem die städtische Bevölkerung, die Maßnahmen gerade noch mittrug. Außerdem hat sich die Regierung gegenüber der Bank bei bestimmten Angelegenheiten, wie z.B. beim Dezentralisierungsprogramm, bei der Privatisierung des GCMB und dem unnötigen und teuren Einsatz von ‘nördlichen’ Consultants durchsetzen können. It is worth noting that in cases where the Government has taken the view that its vital interests are involved - because of the link between planning and attempted democratisation, the link between cocoa marketing and government revenue and he link between consultancy and the reversal of Africanisation - the Bank has given ground (TOYE, 1991: 186)

2.3.2 PAMSCAT - Makroökonomie oder Menschen?

Bei den internationalen Experten von Weltbank und IWF, die keiner einzelnen Regierung Loyalität schulden, sondern dem ‘neutralen’ Sachverstand der Bretton-Woods-Institutionen huldigen, ist eine rationale Grundeinstellung zu Fragen der Strukturanpassung besonderer Art anzutreffen. Hier galten bis vor kurzem voraussetzungslos technokratische Prinzipien, die entweder richtig oder falsch sein können und deshalb - im erstern Falle - universelle Gültigkeit in Anspruch nehmen können. Ihre Programmatik der Strukturanpassung versteht sich als Reformpolitik zu Lasten der staatlichen Gestaltungskompetenz und zugunsten des privaten Wirtschaftssektors, ohne das jedoch die sozialen und politischen Kosten dieser Operation hinreichend ins Kalkül gezogen würden (TETZLAFF, 1992: 431). Makroökonomisch gesehen war die Strukturanpassung, abgesehen von der stark gestiegenen Neuverschuldung, bisher sicherlich sehr erfolgreich gewesen. SCHMIDT-KALLERT stellt bezüglich der Verschuldung fest, daß Ghana 1989 ‘bereits 57% seiner Exporterlöse für Schuldentilgung, die Hälfte davon für IWF-Kredite aufwenden mußte’ (SCHMIDT-KALLERT, 1995: 53). Indikatoren wie BIP, Spar- und Investitionsquote und Inflationsrate zeigen jedoch einen relativ stabilen Trend. Die Infrastruktur wurde sehr verbessert, was vor allem dem Exportsektor zugute kommt, die Industrieproduktion konnte erhöht werden und die Produktion

21 bei den drei Hauptexportgütern Kakao, Gold und Holz konnte ebenfalls gesteigert werden. Dies lag allerdings nicht nur an der Strukturanpassung, sondern auch an den verbesserten Terms of Trade in den 80er Jahren und den besseren klimatischen Umweltbedingungen für die Landwirtschaft (TOYE, 1991: 168).

Allerdings sind positive Wachstumsraten, eine geringere Inflation und eine ausgeglichene Zahlungsbilanz noch keine Indikatoren für eine ‘positive Entwicklung’ und eine Erhöhung der Wohlfahrt und Verringerung der Armut. In der Tat waren und sind die negativen Auswirkungen der Anpassungspolitik auf die Bevölkerung immens. Sicherlich sind wieder mehr Waren im Land und die Märkte besser bestückt als zu Beginn der 80er Jahre, aber viele können sich diese Waren nicht leisten (HOLTKAMP, 1993: 170).

Da es das Hauptanliegen von ERP I und ERP II war, die vorhandenen Strukturen wieder funktionsfähig zu machen, das heißt den Export von Rohstoffen (Kakao, Gold und Holz) zu fördern, wurde vor allem die Nahrungsmittelproduktion negativ betroffen. Durch die Streichung der Subventionen für landwirtschaftliche Inputs (Dünger, Pestizide) verringerte sich der landwirtschaftliche Output vor allem bei Farmern in den Nordregionen und Frauen in den Südregionen. Letzteres ist darauf zurückzuführen, daß Frauen nur selten Zugang zu Krediten haben. Im Kakaoanbaugebiet ist die Nahrungsmittelproduktion durch die neuen Anreize bei der Kakaoproduktion relativ gesunken (TOYE, 1991: 169). In Ghana, for example, agricultural sector reform has primarily focused on cocoa production since the early 1980s. A closer examination of the distributional effect from cocoa earnings reveals a different picture. Cocoa farmers comprise only 18% of Ghana`s farming population and are concentrated primarily in the south. A 1987 study by the Overseas Development Institute of University of Ghana revealed that 32% of the cocoa farmers in the Ashanty region received 94% of the cross cocoa income, while 68% of the farmers receive only 6%. These figures do not even take into consideration gender inequalities. The new group of cocoa farmers is composed of young party cadres who received bank loans easily, and civil servants who used their pensions to buy land (CHERU, 1995: 238). Um die sozialen Folgen der Strukturanpassung zu mildern, wurde schließlich 1987 PAMSCAD (Programme of Action to Mitigate the Social Cost of Adjustment) von der Bank ins Leben gerufen. (P)AMSCAD has undertaken a number of social projects intended to meet the basic needs of the poorest citizens - nonformal education, rudimentary health projects, feeder road construction, and training for the unemployed (ROTHCHILD, 1991: 12). Allerdings liefen die Projekte nur schleppend an und in der Regel auch an den wirklich Bedürftigen vorbei (HOLTKAMP, 1993: 169-186).

2.4 SAP und die Auswirkungen auf den ländlichen Raum Die meisten Menschen Ghanas leben im ländlichen Raum und von der Landwirtschaft. Dabei wird in der Regel Subsistenzproduktion und cash-crop-Anbau kombiniert. Diesbezüglich ist allerdings momentan der Trend zu beobachten, daß vor allem in den südlichen Regionen Ghanas Männer ihre Arbeitszeit verstärkt in der cash-crop-Produktion einsetzen und die

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Subsistenzproduktion den Frauen aufgebürdet wird (vgl. Kapitel 13). Die Strukturanpassungspolitik der letzten Jahre, und damit einhergehend eine zunehmende Monetarisierung der Gesellschaft, kann aus einem komplexen Ursachenbündel, der diesen, z.T. historisch angelegten Trend verstärkt, wenn nicht sogar in weiten Bereichen auslöste, herausdifferenziert werden. One unforeseen result of structural adjustment in the rural areas has been social and economic diversity. This diversity has been brought about by price adjustment for export crops, the redeployment of civil servants to rural areas, and the creation of local and district assemblies (Mikell, 1991: 85). Sicher war die ländliche Bevölkerung zu keiner Zeit homogen, vor allem nicht in soziopolitischer Hinsicht, die Stratifizierung der Gesellschaft wird aber seit dem SAP vermehrt über den ökonomischen Status eines Individuums geregelt (vgl. Kapitel 6).

Transformationsprozesse im ländliche Raum, die mit der Strukturanpassung zusammenhängen, wurden vor allem durch folgende Maßnahmen ausgelöst: → Einführung eines Gebührensystems im Gesundheitssektor → Umstrukturierung des Bildungssektors und Einführung von Schulgebühren → Subventions- und Preiskontrollenabbau → Produzentenpreiserhöhung bei cash-crop-Produkten → Einführung indirekter Steuern

Diese Maßnahmen und deren Auswirkungen sind zum Teil schon in den vorhergehenden Abschnitten erörtert worden, sie sollen an dieser Stelle aber nochmals in ihrer Bedeutung in bezug auf den ländlichen Raum herausgestellt werden.

Die Einführung eines Gebührensystems im Gesundheits- und Bildungssektors impliziert die Notwendigkeit, mehr cash zu erwirtschaften, um die ursprünglich gebührenfreien staatlichen Dienstleistungen auch weiterhin in Anspruch nehmen zu können. Eine erhöhte Geldnachfrage wurde auch durch die Subventionsstreichungen und den Preiskontrollenabbau ausgelöst. Entweder die Bauern waren und sind bereit (und in der Lage) für landwirtschaftliche Inputs einen höheren Preis zu zahlen, oder sie müssen auf diese Inputs verzichten. Die meisten wenden die letztgenannte ‘Verzicht-Strategie’ an. Die führte bereits zu enormen Rückgängen in der agrarischen Nahrungsmittelproduktion bis auf den Stand der krisengeschüttelten 70er Jahre (Sarris / Shams, 1991: 166). Durch den Preiskontrollenabbau, vor allem bei Treibstoff, erhöhten sich auch die Transportkosten. Güter und Personentransport, eine Dienstleistung, die in der Regel mit Geld abgegolten werden muß, steigern daher zusätzlich den Bedarf oder vielmehr die Notwendigkeit der Bevölkerung nach Geldeinkommen. Schließlich sollte die Umstrukturierung des Steuersystems, weg von direkten und hin zu indirekten Steuern, dazu beitragen, die höheren Einkommensschichten von einer hohen Steuerlast zu befreien und die Steuerbelastung gleichmäßig auf alle Bevölkerungsgruppen zu verteilen. DRILLING stellt diesbezüglich fest, ‘daß die kontinuierliche Reformierung des Steuersystems die

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Handlungsspielräume besonders der einkommensschwachen Haushalte verengt’ (DRILLING, 1993: 84). Zur Reformierung des Steuersystems siehe Tabelle 2. Tab. 2: Struktur der Steuereinnahmen Ghanas 1983 - 1991 (in % der gesamten Staatseinnahmen) 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 Steuereinnahmen insgesamt 81,5 78,7 80,6 84,2 84,4 83,9 81,6 82,1 84,3 Direkte Steuern 18,0 18,2 19,2 19,2 21,7 26,3 21,4 20,6 16,9 Indirekte Steuern 15,9 24,5 22,3 26,7 23,5 25,1 24,6 26,9 36,9 allgemeine 2,3 1,9 2,9 4,3 7,5 8,0 8,3 8,8 7,3 Verbrauchssteuer spezielle Verbrauchssteuer 13,6 22,6 17,9 13,4 11,5 9,7 8,9 8,6 7,9 Mineralölsteuer - - 1,5 9,0 4,5 7,1 7,0 9,5 21,7 Imortsteuer 19,3 14,0 16,3 19,3 16,0 16,0 21,0 24,6 20,2 Exportsteuer 28,6 22,0 22,8 19,3 24,2 15,9 14,6 10,2 10,3

Quelle: IWF, 1991: 30; DRILLING, 1993: 85 Durch die Strukturanpassungspolitik wurde also die Notwendigkeit, Geldeinkommen zu erzielen, immens verstärkt. Da gleichzeitig die Anreize cash-crops anzubauen verbessert wurden, ist der Trend seit Mitte der 80er Jahre zu beobachten zunehmend solche Anbauprodukte in die Produktionspalette mit aufzunehmen, oder sogar überwiegend in der cash-crop-Produktion tätig zu werden. Für die Bauern im südlichen Landesteil bedeutet dies, vornehmlich im Kakaosektor tätig zu werden. In Nordghana sind die Alternativen zur Subsistenzproduktion vergleichsweise schlechter, da Reis und Mais, wenn für den Markt produziert, national gehandelt werden, und diese Produkte weniger gute Preise erzielen. Weiterhin sind die Einkünfte aus der Erdnuss-, Tabak- und Baumwollproduktion, die stark vom Weltmarktpreis abhängig sind, in den Letzten Jahren stetig gefallen.

Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Yam, Cassava, Mais, Plantain, Hirse und Sorghum weisen in ihrer Relation zu Konsumgütern seit Beginn der Strukturanpassung ebenfalls eine negativen Trend auf. Currently the ratio of rural food to non-food prices stands at only 70 percent of it 1978 value. This development, mainly due to sharp increases in the prices of beverages, tobacco, clothing, footwear, fuel, power, furniture, and furnishings (which are mostly imported), can be largely attributed to the ERP (Sarris / Shams, 1991: 179). Aufgrund limitierender Faktoraustattung bei allen drei klassischen Produktionsfaktoren, Arbeit, Boden und Kapital, erfolgt der Anbau von cash-crops in der Regel nicht durch Flächenausweitung, sondern ursprünglich mit Subsistenzprodukten belegte Flächen werden mit marktfähigen Produkten bestellt. Dies jedoch verstärkt die Abhängigkeit von einem krisenanfälligen (Welt-)markt. Weiterhin wird der Produktionsfaktor Boden durch eine intensivierte Landwirtschaft (verkürzte Brache- und Regenerationszeiten) in weiten Teilen des Landes übernutzt, wodurch Desertifikation zunehmend zum Problem wird.

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Die tiefgreifendste Veränderung, die durch SAP ausgelöst wurde, ist aber wohl eine Neudefinition der traditionellen geschlechtlichen Arbeitsteilung. Männer konzentrieren ihre Arbeitskraft vermehrt in der cash-crop Produktion, während Frauen neben der Hausarbeit und Kindererziehung immer stärker in der Feldarbeit tätig werden, und zwar besonders in der Subsistenzproduktion. In Nordghana hingegen kommt es z.T. schon zur Auflösung der traditionellen Arbeitsteilung. In vielen Gebieten Nordghanas durften bestimmte Feldarbeiten von Frauen nicht ausgeführt werden, gegenwärtig etabliert sich ein Trend, daß Frauen verstärkt, neben der Subsistenzproduktion, in der Gemüseproduktion für den lokalen Markt eingebunden sind. Dieser Transformationsprozeß bedeutet eine starke Mehrbelastung der Frauen (vgl. Kapitel 13).

BRYDON und LEGGE führen dazu folgendes aus: (t)he cost to women of SAPs is seen as negligible by planners: but women are disproportionately affected by adjustment. [...] Women’s choices are fewer and the constraints placed upon them are much greater. Women have less access to the same resources than men: less access to credit, less access to information. Women also have less contact with extension workers and other local-level government personnel and disseminators of their policies. They therefore have less knowledge than men about government policies and development initiatives (BRYDON / LEGGE, 1996: 155/156).

4 Ist Ghana tatsächlich die Success Story? Wie oben bereits erwähnt sind die makroökonomischen Ergebnisse der Strukturanpassung tatsächlich beachtlich, so daß Ghana schon sehr früh als das ‘Musterland’ des IWF bezeichnet wurde. Für die Menschen im Land bedeutet die Umstrukturierung allerdings kaum zu bewältigende Härten, wobei gerade besonders verwundbare Gruppen, wie die Bauern aus der Nordregion, Kinder und Frauen am meisten unter den Bedingungen der Anpassungspolitik zu leiden haben.

Die nachträgliche Implementierung von PAMSCAD zeigt schon, daß sich die Bank und der Fond durchaus bewußt waren, daß die Anpassungspolitik zu Lasten der unteren Bevölkerungsschichten durchgeführt wurde (HOLTKAMP, 1993: 172). Dies bekam die Regierung 1995 auch das erste Mal durch die oben erwähnten ‘Brotpreisaufstände’ in Accra und Kumasi zu spüren. Durch die Einführung der Mehrwertsteuer schnellten die Nahrungsmittelpreise in Ghana quasi über Nacht in die Höhe, so daß die städtische Bevölkerung am 11.05.95 in Accra unter dem Slogan Kume Preko (You might as well kill me now) demonstrierte. In den folgenden Wochen kam es immer wieder zu Demonstrationen, bis der öffentlich Druck schließlich so groß wurde, daß die Rawlings Administration die Steuerreform im Juni 1995 wieder revidieren mußte. CHERU betont, daß ‘even in the ‘successfully’ adjusting countries of Ghana and Uganda, there is no evidence that these policies have substantially reduced poverty levels. The Bank itself acknowledged that the average poor Ghanaian will not cross the poverty line for another fifty years’ (CHERU, 1995: 237).

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ADEBAYO ADEDEJI, von der UN Commission for Africa, drückt dies noch deutlicher aus (zitiert in ROTHCHILD, 1991: 14): Structural Adjustment has produced little enduring poverty alleviation and certain policies have worked against the poor. Neben den negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung müssen zusätzlich noch die Umweltbelastungen berücksichtigt werden, die durch die Erleichterung von Tropenholzexporte entstehen. Schon jetzt gibt es in Ghana kaum noch Primärwaldbestände (TOYE, 1991: 192).

Die Strukturanpassung nach IWF-Prinzipien war unvermeidlich, um wirtschaftlich überhaupt wieder auf die Beine zu kommen (SCHMIDT-KALLERT, 1995:54/55). ABER Macroeconomic reforms such as devaluation, pricing policy, and budget and tax reforms are necessary components of a balanced and integrated national development strategy. But these policies alone will have little impact on long-term sustainable development, sound management of natural resources, or on the reduction of poverty and inequality, unless accompanied by fundamental transformation of unjust economic and political structures. In short, a realignment of economic structures is much a matter of realignment of power structure., which more often than not, will be resisted by powerful social groups within a given country (CHERU, 1995:239).

Die Ausführungen der folgenden Kapitel beziehen sich nicht explizit auf die Auswirkungen der Strukturanpassung, implizit lassen sich aber immer wieder Rückschlüsse auf diese herstellen.

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3. Die Brong Ahafo Region Die Projektregion liegt im Middle Belt von Ghana und reicht von der Grenze zur Côte d’Ivoire im Westen bis zum Volta Stausee im Osten. Zentral gelegen grenzt sie an fünf andere Regionen des Landes, die Northern Region im Norden, die Ashanti Region und Western Region im Süden und an die Eastern Region im Osten (vgl. Karte 1). Mit ca. 60.000 Einwohnern ist Sunyani die größte Stadt der Brong Ahafo Region. Sie dient zugleich als Hauptverwaltungsort für die insgesamt 13 Distrikte bzw. Verwaltungsbezirke (Sunyani, Berekum, Dormaa, Jaman, Techiman, Nkoranza, , Kintampo, Atebubu, Asunafo, Asutifi, Tano und Sene).

3.1. Naturräumliche Gliederung Die Landfläche Ghanas läßt sich entsprechend der jeweiligen klimatischen Bedingungen und Vegetationsformationen in 3 Hauptzonen unterteilen: die Regenwald-, die Übergangs- und die Savannenzone. Die Regenwaldzone setzt sich wiederum aus immerfeuchtem und wechselfeuchtem Regenwald zusammen, die Savannenzone aus Küstensavanne und nördlicher Savanne (Guinea-/Sudansavanne), weshalb häufig auch insgesamt fünf agro- ökologische Zonen unterschieden werden (vgl. Karte 2).

Die Brong Ahafo Region erstreckt sich über drei dieser Zonen. Während der südliche Teil aus wechselfeuchtem Regenwald (semi-decidious forest) besteht, ist für den nördlichen und östlichen Teil die Guinea Savanne charakteristisch. Dazwischen liegt die Übergangszone (transitional zone), in der Waldgebiete und offenere Savannenvegetation mit Grasland ineinander übergreifen. Sie umfaßt den Großteil der Brong Ahafo Region.

In der Regenwald- und Übergangszone sind die Niederschläge bimodal mit Regenzeiten von Ende März bis Juli und September bis Oktober (mit durchschnittlich insgesamt 1200-1600 bzw.1100-1400 mm). Sie nehmen jedoch nach Norden hin in Menge und Häufigkeit ab, so daß es in der Savannenzone nur noch eine Regenzeit zwischen Mai und Oktober gibt (durchschnittlich 800-1200 mm), gefolgt von einer langen Trockenzeit von November bis April. Von großer Bedeutung sind dabei vor allem die Verteilung und Menge der Niederschläge, die im zeitlichen Verlauf und regional sehr unregelmäßig sein können. In den letzten Jahren zeichnet sich diesbezüglich in der Brong Ahafo Region zunehmend ein Wandel ab, der besonders durch ein spätes und unregelmäßiges Einsetzen der Niederschläge während der ersten Regenzeit sowie einen Rückgang der absoluten Niederschlagsmenge zum Ausdruck kommt. Infolge dessen gleichen sich die Verhältnisse im nördlichen Bereich der Übergangszone zunehmend den Verhältnissen der Savanne an, was sich stark auf die agrarräumliche Nutzung auswirkt. Zum einen können ausbleibende Regen zur Zeit des Anpflanzens das Anwachsen der jungen Kulturpflanzen verhindern, und zum anderen nimmt mit der Verlängerung der Trockenzeiten und stärkerer Austrocknung des Bodens die Gefahr von Buschbränden zu, die nur schwer zu kontrollieren sind (AMANOR, 1992: 11). Beides kann zu enormen Ernteverlusten führen.

Neben diesen klimatischen Bedingungen spielt weiterhin die Bodenbeschaffenheit eine entscheidende Rolle. Unter den klimatischen Bedingungen der feuchtheißen Tropen, wie sie in der Regenwaldzone Ghanas vorherrschen, findet intensive chemische Verwitterung statt, mit dem Ergebnis tiefgründig verwitterter, stark ausgewaschener Böden mit geringem Restmineralgehalt und nur schwach ausgebildeter Humusauflage. Ihre natürliche Fruchtbarkeit ist gering. 27

Karte 1: Administrative Regions of Ghana

Quelle: Benneh, 1995: 6 28

Im südwestlichen Teil der Brong Ahafo Region, d.h. in der Zone des wechselfeuchten Waldes und dem südlichen Teil der Übergangszone, nehmen die Niederschlagsmengen im Vergleich zu der südlicheren immerfeuchten Waldzone ab, wodurch die Auswaschungstendenz geringer ist. Die Kationenaustauschkapazität nimmt zu, und durch den regelmäßigen Laubwurf des Waldes kann sich mehr organische Substanz bilden. Die vorherrschenden Böden, Forest Ochrosols, sind dadurch insgesamt nährstoffreicher und bieten daher eine gute Grundlage für den Anbau von Kakao und anderen Nahrungs- und Nutzpflanzen. Bei den Böden der nördlicheren Übergangszone, den Savannah Ochrosols, werden jedoch Humus- und Nährstoffanteil und damit auch ihre potentielle Fruchtbarkeit geringer. Im nördlichen und östlichen Savannengebiet der Brong Ahafo Region schließlich nimmt die organische Masse von Süden nach Norden weiter ab. Sie ist generell nur sehr schwach ausgeprägt. In allen drei Zonen kann die insgesamt geringe Bodenfruchtbarkeit bei einer agrarwirtschaftlichen Nutzung nur durch ausreichende Brachezeiten ausgeglichen werden.

Karte 2: Agro-Ökologische Zonen Ghanas

Quelle: Sarris / Shams, 1991: 25 29

3.2. Demographische Struktur Wie in vielen Staaten Afrikas ist auch für Ghana ein sehr starkes Bevölkerungswachstum charakteristisch. Zwischen 1990 und 1994 nahm die Bevölkerung jährlich um durchschnittlich 3,05% zu, so daß Ghana zur Jahresmitte 1994 eine Einwohnerzahl von 16,9 Mio. erreichte. Nach Prognosen der Vereinten Nationen wird sich das Bevölkerungswachstum bis zum Jahre 2025 allmählich verlangsamen und zwischen 2,1% und 2,6% betragen. Doch trotz dieses Rückgangs hat sich die Bevölkerungszahl bis dahin mehr als verdoppelt und liegt nach den Schätzungen der Vereinten Nationen zwischen 36,6 Mio. und 41,1 Mio. Die Bevölkerungsdichte ist mit 71 Einwohnern pro km2 im Vergleich zu anderen Ländern Westafrikas relativ hoch, wobei die Bevölkerung innerhalb Ghanas sehr ungleich verteilt ist (STATISTISCHES BUNDESAMT 1994: 27 f.).

Mit einer Fläche von etwa 39.560 km2 ist die Brong Ahafo Region die zweitgrößte Region des Landes. Ihre Einwohnerzahl wurde 1992 auf 1,8 Millionen geschätzt, während sie bei der letzten Volkszählung 1984 noch bei 1,21 Mio. Menschen lag. In den letzten acht Jahren hat die Bevölkerung in der Region damit um 50% zugenommen, was deutlich über dem Durchschnitt liegt. Im Gegensatz zu den meisten übrigen Regionen ist auch die durchschnittliche Haushaltsgröße seit 1984 gewachsen und liegt mit 5,3 Personen ebenfalls weit über dem nationalen Durchschnitt von 4,5 Personen (GLSS 3, 1991/92: 8). Neben einem hohen natürlichen Bevölkerungswachstum trägt dabei auch die Einwanderung aus den nördlichen Regionen des Landes zu dem starken Anstieg der Bevölkerung bei. Da günstigere Bedingungen für die Agrarwirtschaft häufig der Grund für Wanderungsbewegungen innerhalb des Landes sind, stellt die Brong Ahafo Region als wichtige Agrarregion ein Zielgebiet ländlicher Wanderung dar.

Welche Bedeutung die Region in dieser Hinsicht hat, wird besonders an der Relation von Einwanderern und einheimischer Bevölkerung deutlich. So ist der Anteil der Einwanderer aus anderen Regionen (43,6%) und der Rückwanderer (14,3%) höher als der Anteil der in der Region geborenen Bevölkerung (42,1%) (GLSS 3, 1991/92: 43). Die Bevölkerungsdichte ist mit 45 Einwohnern pro km2 eine der niedrigsten des Landes, was für eine deutlich agrarisch geprägte Region charakteristisch ist. Etwa 73% der Bevölkerung lebt in ländlichen Gebieten (d.h. in Siedlungen mit weniger als 5000 Einwohnern) (ISSER / SOW-VU, 1993: 12), hauptsächlich auf der Basis landwirtschaftlicher Produktion.

Ethnische Struktur In der Brong Ahafo Region leben zwei große ethnische Gruppen, die Brongs (Bono) und die Ahafos (Ahafo), die beide zu den Akan-Völkern gehören. In den südlichen Waldgebieten dominieren die Ahafos, während die Brong in den übrigen, nördlicher gelegenen Gebieten die Mehrheit der Bevölkerung darstellen. Im Gegensatz zu den Ahafos, deren Sprache das Twi Ashanti ist, sprechen die Brong einen Brong Dialekt des Twi.

Weitere kleinere ethnische Gruppen leben in vereinzelten Siedlungen in verschiedenen Teilen der Region wie etwa die Mo entlang des Schwarzen Voltas, die Bandas und Pantras im Nord- Westen in den Grenzgebieten zur Côte d`Ivoire und die Ewe-sprechenden Bators im Osten. Daneben gibt es wie bereits erwähnt eine große Anzahl von Einwanderern aus den nördlichen Regionen, wozu die Dagartis, Walas, Gonjas, Sisalas, Dagomba, Mamprusis und Konkombas zählen. In den östlichen Gebieten der Region gehören ungefähr 30 bis 40 % der Bewohner zu diesen Gruppen (TADEFA-KUBABOM, 1995: 5).

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3.3. Wirtschaft Die Wirtschaft der Brong Ahafo Region ist fast ausschließlich durch den landwirtschaftlichen Sektor geprägt, der sowohl für die Bevölkerung innerhalb der Region, als auch auf nationaler Ebene eine entscheidende Rolle spielt.

Als wichtige Agrarregion nimmt sie im Bereich der Nahrungsmittelproduktion eine führende Stellung innerhalb des Landes ein. Im Vergleich zur Bevölkerung, die etwas über 10% der Gesamtbevölkerung Ghanas ausmacht, produziert die Region zwischen 15% und 35% der nationalen Gesamtproduktion der sechs wichtigsten Anbauprodukte (VIETINGHOFF- SCHEEL, 1995: S.3).

Tab. 3: Production of selected crops in Brong Ahafo as a percentage of total country production

Crop 1990 1991 Yam 22,1 % 30,5 % Plantain 26,7 % 24,4 % Maize 20,4 % 14,9 % Cocoyam 29,9 % 20,5 % Cassava 26,0 % 19,2 % Rice 11,9 % 35,2 % Quelle: PPMED, MoFA

Durch die Überschußproduktion können Nahrungsmittel in andere Regionen Ghanas exportiert werden, sowohl in nördliche als auch südliche Landesteile.

Die Mehrheit der Bevölkerung der Brong Ahafo Region ist in der Landwirtschaft tätig, die überwiegend kleinbäuerlich strukturiert ist. Die vorherrschende Form der Landnutzung ist die Landwechselwirtschaft (Shifting Cultivation), deren wichtigstes Kennzeichen der Wechsel einer ein- bis dreijährigen kurzfristigen Anbauphase und einer längeren Busch- oder Waldbrache von fünf bis fünfzehn Jahre ist, die der Regeneration der Bodenfruchtbarkeit dient. Die Relation von Anbau- und Brachejahren variiert stark innerhalb der Region und ist abhängig von der natürlichen Fruchtbarkeit sowie dem Zugang der Bevölkerung zu neuem Land. Durch das stetige Bevölkerungswachstum steigt die Nachfrage nach Land und der Druck auf die Ressource Boden wird größer. Als Folge dieser Entwicklung ist ein Rückgang der Brachezeiten festzustellen mit der Konsequenz einer zunehmenden Degradation des Bodens und damit langfristig sinkenden Erträgen (SARRIS / SHAMS, 1992: 21).

Angebaut wird überwiegend in Mischkultur (mixed-cropping) mit abgestimmten Fruchtfolgen. Dadurch kann die Bodenfruchtbarkeit optimal ausgenutzt und das Risiko von Ernteausfällen stärker gestreut bzw. vermindert werden. Wie für Ghana insgesamt ist auch in der Brong Ahafo Region dabei die kleinbäuerliche Produktionsweise typisch. Die durchschnittliche Betriebsgröße, die der bearbeiteten Fläche entspricht, liegt in der Region zwischen 2,4 und 3,6 ha (6 und 9 acres) bzw. rund 1-2 ha für Frauen und 3-5 ha für Männer, wobei die Brachfläche einbezogen ist (VIETINGHOFF-SCHEEL, 1995: 3).

Die wichtigsten Anbauprodukte sind die Hauptnahrungsprodukte Cassava, Yams, Mais, Cocoyams und Kochbananen (Plantai’), die in verschiedenen Kombinationen angebaut werden. In der südlichen Waldzone dominieren als Nahrungskulturen für den Eigenverbrauch vor allem Cocoyams, Kochbananen, Mais, Cassava und verschiedene Gemüsesorten. Die 31 wichtigsten Verkaufskulturen sind Kakao und Kochbananen, gefolgt von Ölpalmen, Kolasträuchern und Zitrusfrüchten. In der sich nördlich anschließenden Übergangszone existierten bis 1983 ebenfalls Kakaofarmen, die jedoch durch weitverbreitete Buschfeuer während der Dürreperiode in dieser Zeit zerstört wurden. Eine Neuanlage von Kakaoanpflanzungen würde sich unter den natürlichen Bedingungen heute in diesem Gebiet jedoch nicht mehr rentieren, so daß hier kaum noch Kakaokulturen mehr zu finden sind. Als Hauptverkaufsprodukt dominiert Mais. Des weiteren werden Cassava, Yams, Cocoyams und Kochbananen angebaut. Als Unter- und Zwischenfrüchte sind auch in dieser Zone verschiedene Gemüsesorten wie Tomaten, Okra, Auberginen (Garden Eggs) und Chilipfeffer (Pepper) von Bedeutung, da sie auf den lokalen Märkten verkauft werden. In zunehmenden Maße werden außerdem auch Baumkulturen wie Teak, Cashew und Mango angebaut, allerdings in kleineren Beständen (ebd.: 2). Die Nahrungsmittelproduktion in den nördlicheren Gebieten der Savannenzone, wo Bodenfruchtbarkeit und Niederschläge niedrig sind, basiert traditionell auf Sorghum und Hirse, mit Cassava und Yam als Hauptverkaufsprodukt (SARRIS / SHAMS, 1991: 28).

Das wichtigste Ziel des agrarischen Anbaus ist nach wie vor die Sicherung des Eigenbedarfs, wobei eine reine Subsistenzwirtschaft selten geworden ist. Vor dem Hintergrund zunehmender Monetarisierung einerseits sowie mangelnder Kapitalverfügbarkeit und steigender Kosten für Produktion und Lebenshaltung andererseits (STAT. BUNDESAMT, 1994: 107), hat der Verkauf überschüssiger Produkte auf dem Markt zunehmend an Bedeutung gewonnen, um zusätzliches Geldeinkommen zu erzielen. Der Übergang von Subsistenzwirtschaft zur zusätzlich marktorientierten Produktion wurde im allgemeinen u.a. dadurch beschleunigt, daß Mittel für die Entrichtung von Steuern und Schulgeld aufgebracht werden mußten und der Bedarf an eingeführten Gebrauchsgütern stieg (GNIELINSKY, 1986: 143).

Welche Rolle die Landwirtschaft für die lokale Bevölkerung spielt wird unter anderem daran deutlich, daß in der Region durchschnittlich über die Hälfte des gesamten Einkommen eines Haushaltes (58,8%) aus den ökonomischen Aktivitäten im landwirtschaftlichen Bereich stammt. Im Vergleich dazu liegt der Anteil in Ghana insgesamt lediglich bei durchschnittlich 39,8% (GLSS 3, 1991/92: 62).

Neben dem Bereich der in der Brong Ahafo Region dominierenden Agrarwirtschaft ist außerdem die Holzindustrie von Bedeutung, die in den Waldgebieten südlich von Sunyani angesiedelt ist. Hier befindet sich der einzige industrielle Komplex der Region, der jedoch ein wichtiges Zentrum der Holzindustrie in Ghana ist. Der Abbau der Tropenhölzer erfolgt überwiegend durch große Holzexportunternehmen, die Konzessionen im großen Maßstab besitzen. Die Mim Timber Company im Süden der Region ist eine der beiden größten Unternehmen in Ghana (BENNEH, 1995: 143).

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4 Der Jaman Distrikt Der Jaman Distrikt ist einer der 13 Verwaltungsbezirke der Brong Ahafo Region. Er liegt im äußersten Westen der Region nordwestlich von Sunyani an der Grenze zur Côte d’Ivoire. Südlich schließt sich der Dormaa Distrikt an, im Osten grenzt er an den Berekum und den Wenchi Distrikt.

Karte 3: Der Jaman Distrikt

Quelle: Survey Department Sunyani, 1996. 33

4.1 Die Geschichte des Jaman Distrikts Die Menschen von Jaman stammen ursprünglich aus einer Region um Akwamu Anwawonsu, aus dem alten Reich Akwamu, das von ca. 1600 bis 1717 n. Chr. existierte (vgl. Karte 4.). Sie lebten dort mit einer verwandten Ethnie, den Aduana, zusammen. Ende des 17. Jahrhunderts kam es jedoch zu einem Disput zwischen Atta Panyin und Atta Kakra über die Thron- Nachfolge (Stool). Dieser Streit führte zu Kämpfen zwischen den beiden Parteien, so daß 1689 schließlich mehrere Gruppen (die Awasus, die Dormaas, die Sumas und die Kwatchuma’) die Stadt verließen. Ihr Weg führte sie über verschiedene Zwischensiedlungen, wie Denkyira, Assumenja, Santemansu, Suntreso, Abanpredeasi und Abesim, bis in ihr heutiges Siedlungsgebiet von Jaman.

Karte: 4: Die Lage des Akwamu Reiches (1600-1735)

Quelle: Catchpole: 1989/90: 28.

Während ihrer Wanderung kam es mehrfach zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den feindlichen Ashantis. Um einen Angriff des Ashantihene, Obiri Yeboa, in Suntreso abzuwehren, vereinigten sich die verschiedenen Gruppen. Sie siegten und nahmen den Ashantihene gefangen. Dessen Nachfolger, Osei Tutu (1689 bis 1717), nahm den Krieg gegen die Emigranten wieder auf und vertrieb sie aus Suntreso.

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Auf der Suche nach neuen Siedlungsgebieten spaltete sich die Gruppe der Emigranten schließlich in Abanpredeasi (Dormaa-Fwidiem) auf. Während die Dormaas blieben, migrierten nur noch die Awasus, die Sumas und die Kwatchumas weiter bis sie ihr heutiges Siedlungsgebiet erreichten (Jaman Distrikt). Nach der Vertreibung der dort bereits ansässigen Ethnien, der Nkurangs, Borokos, Kotis und der Mfantras, teilten die Sieger das Land unter sich auf. Die Awasus bekamen das Land östlich, die Sumas das Land westlich des Flusses Tain. Das Land der Kwatchumas (mit der Stadt ‘Tororisie’) lag weiter im Westen und reichte bis in das Gebiet der heutigen Côte d’Ivoire hinein.

Der Titel Jaman (oder Gyaman) entstand, als die Emigranten ihre ursprüngliche Heimat in Akwamu verließen. Die Ashantis bezeichneten die Auswanderer seitdem als ‘Gya-wo-manfu’, was im Twi Ashanti soviel bedeutet wie ‘Diejenigen, die ihre Heimat verließen’.

Sowohl der Chief der Awasu, als auch der der Suma gehörten zu der königlichen Familie des Aduana Clan. Sie kamen zu der Übereinstimmung, daß im Todesfalle des Einen, jeweils der Andere für die Beerdigungszeremonie und die Benennung eines neuen Chief-Nachfolgers Sorge tragen sollte. Aus diesem Grunde konnte zur damaligen Zeit in der Abwesenheit des Sumahene kein König von Jaman berufen werden. Der Sumahene und der Jamanhene waren daher die einzigen beiden Paramount Chiefs des alten Königtums von Jaman, das sich zu dieser Zeit von den Ufern des Fluß Comoe bis an die Grenze von Berekum erstreckte.

Nach dem Sieg und der Vertreibung der Ureinwohner folgte eine Blütezeit des Jaman Königreichs, in der es zum Machtfaktor im Nordwesten des Ashanti Königreiches wurde. Aus dieser Konkurrenzsituation heraus kam es im Laufe des 18. Jahrhunderts und Anfang des 19. Jahrhunderts zu mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Ashanti und den Bewohnern von Jaman. Während des ersten Angriffs unter dem Ashantihene Opuku Ware erlitten beide Parteien große Verluste. Die zweite große kriegerische Auseinandersetzung um 1818 unter dem Ashantihene Osei Asire Bonsu Pnin ging jedoch zugunsten der Ashantis aus. Der Jamanhene, der Sumahene und die meisten anderen Chiefs starben bei diesen Kämpfen, und der goldene Stool von Jaman wurde erobert.

Trotz dieser Niederlage war das Königreich Jaman jedoch immer souverän und blieb durch alle kritischen Zeiten hindurch ein mächtiger rivalisierender Staat gegenüber den Ashanti. Während dieser Zeit existierten in Westafrika weitere mächtige Königreiche und unabhängige Staaten, darunter das große Reich Samori, das sich westlich des Ashanti-Reiches befand. Dieses Reich stieß mit der Zeit weiter nach Osten vor, wobei es gleichzeitig einen Handel mit den Kriegsgefangenen betrieb, die als Sklaven verkauft oder eingetauscht wurden.

Um 1893 wurde auch das Jaman Königreich von den Sklavenjägern heimgesucht, die die Stadt Bountouku eroberten. Daß der Sumahene in dieser Angelegenheit nicht die Ashantis, sondern die britische Regierung in Cape Coast um Hilfe bat, die den Feind schließlich erfolgreich aus dem Jaman-Gebiet vertrieb, unterstreicht die nach wie vor bestehende Rivalität zwischen den Gruppen des Jaman und des Ashanti Reiches.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Jaman Reich infolge der neuen internationalen Grenzziehung durch die französischen und britischen Kolonialmächte geteilt (Berliner Konferenz 1884). Die westlichen Gebiete gelangten unter französisches Protektorat, während der östliche Teil bis zur Unabhängigkeit 1957 im Einflußbereich der Briten lag. (NATIONALARCHIV SUNYANI, o.Z.; CATCHPOLE; AKINJOGBIN, 1989/90: 23 f.).

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4.2 Geographische Grundzüge Heute teilt sich der Jaman Distrikt in sechs traditionelle Gebiete, die jeweils einen eigenen Stoo’ besitzen. Dies sind Sumaa, Kwatwoma, Awasu, Drobo, Sampa-Nafana und .

Die einheimische Bevölkerung gehört zu der ethnischen Gruppe der Brong, wobei es Nuancen in der Sprache gibt. Während die Bevölkerung von Sumaa und Drobo Brong spricht, wird im Gebiet von Sampa ein Dialekt des Brong, das Na-fana/ Fantra gesprochen.

Naturräumlich liegt das Gebiet von Jaman in der Übergangszone zwischen wechselfeuchtem Regenwald und Baumsavanne. Im südlichen Teil dominiert noch regengrüner Wald, der weiter nördlich in ein Mosaik aus Wald- und offeneren Grasflächen übergeht. Der Wald befindet sich dabei besonders entlang von Flüssen (Galeriewälder) und in den höheren Lagen, während sich in den Hanglagen Grasvegetation mit nur noch vereinzelt stehenden Bäumen befindet (AMANOR, 1993: 6). Die Topographie ist im allgemeinen leicht hügelig mit Höhen zwischen 200 und 500 m.

Das Gebiet ist insgesamt sehr dünn besiedelt, wobei die Siedlungsstruktur überwiegend durch ländliche Siedlungen mit dörflichem Charakter geprägt wird, die in einigem Abstand aufeinander folgen. Dazwischen liegen - kaum sichtbar, integriert in die Vegetation - landwirtschaftliche Anbauflächen, auf denen hauptsächlich food crops, vor allem Mais, Cassava, Yam, Cocoyam und Kochbananen angebaut werden. Das gesamte Gebiet ist agrarisch strukturiert. Eine typische Siedlung des Jaman Distriks ist der Ort Gyankufa. Teil B

Die Wirtschafts- und Sozialstruktur von Gyankufa

36 5 Das Untersuchungsdorf Gyankufa - eine kurze Charakterisierung Im nordöstlichen Bereich des Jaman Distrikts liegt das Dorf Gyankufa (vgl. Karte 5), das sich aus etwa 150 compounds (Gehöften) zusammensetzt (Eigene Dorfkartierung, 1996) (vgl. Karte 6). Bei durchschnittlich 10 bis 15 Personen pro Gehöft, kann die Einwohnerzahl des Dorfes auf derzeit etwa 1500 bis 2000 Bewohner geschätzt werden.

Das Dorf befindet sich auf einem Sattel in 300 Meter Höhe, mit abfallendem Gelände nach Süden, Osten und Westen. In den westlichen und östlichen Talbereichen wird Gyankufa von den Bächen ‘Junkufa’ und ‘Dampo’ begrenzt, die später zum Werewere zusammenfließen. In diesem Bereich befinden sich die fruchtbarsten Böden. Die vorherrschenden Böden und klimatischen Verhältnisse mit zwei Regenzeiten bieten größtenteils recht günstige Voraussetzungen für eine agrarwirtschaftliche Nutzung.

Als rein agrarisch geprägtes Dorf spielt Gyankufa in wirtschaftlicher Hinsicht eine untergeordnete Rolle innerhalb des Distriktes. Die beiden Nachbarorte Asiri und Goka, die 4- 5 km nördlich bzw. 3,5 km südlich von Gyankufa liegen, sind bereits deutlich größer und wirtschaftlich vielseitiger strukturiert. Obwohl sie ebenfalls sehr stark durch den landwirtschaftlichen Sektor geprägt sind, ist im Unterschied zu Gyankufa in beiden Orten mehr Einzelhandel und Handwerk zu finden. Des weiteren sind sie als Marktorte mit festen Markttagen für die weitere Umgebung von Bedeutung, während Gyankufa nur einen sehr kleinen, dorfinternen lokalen Markt besitzt.

Wie der überwiegende Teil der Orte im Jaman Distrikt ist auch Gyankufa nur über unbefestigte Straßen (Rough Roads) mit Schlaglöchern und Erosionsrinnen erreichbar. Die Verbindungen über derartige Zufahrtsstraßen, die die Hauptverbindungswege der ländlichen Gebiete ausmachen, sind daher - vor allem in der Regenzeit, in der die Straßen durch die Abspülung besonders erosionsgefährdet und häufig nahezu unpassierbar sind - äußerst unzulänglich und stellen nicht nur für den Transport, sondern auch in Bezug auf die Instandhaltung ein Problem dar. Von Gyankufa aus sind es auf diese Weise gut zweieinhalb bis drei Stunden Fahrt (60 km) mit den landesüblichen Kleinbussen (Trotros) bis Berekum, das nächste größere städtische Zentrum südöstlich in Richtung der Regionalhauptstadt Sunyani, die von hier aus noch weitere 34 km entfernt liegt.

Infrarstrukturelle Grundausstattung und Versorgungsmöglichkeiten Mit dem Trotro in Gyankufa ankommend ist der erste Eindruck, den das Dorf erweckt, der eines ‘verschlafenen Nestes’. Außer der Post, direkt bei der Trotro Station gibt es keinerlei ‘äußere’ Anzeichen einer Infrastruktur in Gyankufa. In der Tat sind die Nachbarorte Asiri und Goka, wie bereits oben angesprochen, infrastrukturell wesentlich vielseitiger ausgestattet. Auf den zweiten Blick wird aber deutlich, daß in bezug auf das Versorgungsmuster zumindest Güter des täglichen und kurzfristigen Bedarfs zum Großteil in Gyankufa vorhanden sind. In erster Linie werden die täglichen Bedarfsgüter von den Bewohnern in Subsistenzproduktion hergestellt. Darüber hinaus ist es möglich Güter des kurz und mittelfristigen Bedarfs in einen der sieben Kioske, die es in Gyankufa seit 1990 gibt, käuflich zu erwerben. Die typischen Produktpalette eines Kiosk reicht von Nähbedarf über Zigaretten, Taschenlampen, Batterien, Moskitocoils, Seife und Kosmetika, Kerzen und Toilettenpapier, Omo, Streichhölzer, Bonbons, Kakaopulver, Petroleumlampen und Ersatzgläser, Kugelschreiber und Bleistifte, Tee, Kaffee, Milo, Spielkarten, Kekse, Zahnbürsten, Fisch- und Tomatendosen, Salz, Zucker und Erdnüsse, Kondensmilch, Speiseöl, Badeschlappen, Schulhefte bis hin zu Lockenwicklern. 37 Güter des langfristigen Bedarfs hingegen müssen in Berekum, das die Funktion eines Mittelzentrums erfüllt, besorgt werden. So müssen z.B. landwirtschaftliche Inputs (i.d.R. beschränken sich diese auf mechanische Inputs wie z.B. Cutless und Hacke; aber auch Dünger müßte prinzipiell in Berekum beschafft werden) oder Materialien für den Hausbau (iron sheets) in einem Ort größerer Zentralität besorgt werden.

Darüber hinaus ist es möglich einen der rotierenden Wochenmärkte in den größeren Ortschaften der Umgebung aufzusuchen, um zumindest mittelfristige Bedarfsgüter, die nicht in Gyankufa selbst erworben werden können, dort zu besorgen. Die Markttage und die Ortschaften sind folgende:

Montag: Sampa (größter Marktort, nahe Côte d`Ivoire) Dienstag: New Drobo Mittwoch: Goka Donnerstag: Asiri Freitag: Seikwa

In Gyankufa selbst gibt es keinen Markttag. Auf dem vorhandene Marktplatz bieten allerdings die Bewohner von Gyankufa täglich, je nach eigenem Angebot, ihre Farmprodukte an. Weiterhin kommen Händler, z.B. für Stoffe in unregelmäßigen Abständen in das Dorf. Außerdem werden bestimmte Produkte, z.B. Brot, welches in der näheren Umgebung nicht gebacken wird, von manchen Dorfbewohnern, welche öfter in ein Mittelzentrum, wie z.B. Berekum, reisen mit ins Dorf gebracht und dort verkauft. Wer, welche Produkte veräußert ist den Dorfbewohnern bekannt und bei Bedarf wird darauf zurückgegriffen.

In Gyankufa befindet sich weiterhin folgende Infrastruktur: Es gibt zwei Grundschulen (ca. 150 Schüler pro Schule), eine Sekundarstufe (114 Schüler), einen Kindergarten, einen Sportplatz, eine Erste Hilfe Station, eine Geburtsstation, ein Behindertenzentrum, mind. fünf Kirchen und einen Friedhof. Weiterhin ist ein Community Haus, eine Post, die einmal die Woche geöffnet hat, eine Trotro Station, zwei Wasserpumpen, eine Schmiede, vier Schreiner, sieben Kioske, zwei Schönheitssalons und drei Bars in Gyankufa vorhanden.

Außerdem gibt es zwei Mühlen im Dorf. Die erste von den beiden wurde 1993 angeschafft. Beide werden mit einem Dieselmotor angetrieben, da es im Dorf noch keine Elektrizität gibt.

38 Karte 5: Lage von Gyankufa im Jaman Distrikt

Quelle: Survey Department Sunyani, 1996.

40 6 Die Sozialstruktur von Gyankufa The social environments in which we exist do not just consist of random assortments of event or actions - they are structured. There are underlying regularities in how people behave and in the relationship in which they stand with one another (GIDDENS, 1995: 18). In allen Gesellschaften unterliegt die Sozialstruktur stetigen Umwandlungs- und Veränderungsprozesse, ausgelöst sowohl durch interne, als auch externe Faktoren. Dies kann durch das Heranziehen von Längsschnittanalysen bei der Untersuchung der Sozialstruktur einer Gesellschaft veranschaulicht werden.

In Ghana wurden sozioökonomische Transformationsprozesse seit Beginn der Kolonialzeit stetig beschleunigt und gewinnen in der Moderne ständig an Geschwindigkeit. Die Ursachen des raschen Wandels in Ghana sind nach ASSIMENG u.a. folgende: European mercantile activities, and corresponding economic orientation; Colonial order and its political domination; Christian evangelization; New science and technology; Literate education, especially the Western kind; Emergence of new men - social, professional, economic - who had opportunity to study abroad; Population pressure on land; Geographical and mental mobility; Acquisition of new crops, and new herbal properties (ASSIMENG 1996: 15).

Im folgenden wird es darum gehen, die aus diesen Transformationsprozessen bisher hervorgegangene aktuelle Sozialstruktur von Gyankufa aufzuzeigen, und deren räumlichen Niederschlag zu skizzieren. Da die Sozial- und Wirtschaftsstruktur nicht losgelöst von der Historie betrachtet werden kann, wird zunächst die geschichtliche Entwicklung von Gyankufa, soweit dies noch nicht in Kapitel 4.1 erfolgt ist, dargestellt und abschließend versucht die Implikationen für zukünftige Entwicklungen aufzuzeigen.

Wie bereits oben erläutert worden ist, stammen die Bewohner von Gyankufa nach eigener Überlieferung ursprünglich aus dem Akwamu-Reich. Nach der Emigration aus Akwamu wurde von einem Teil der Emigranten, der kulturell eigenständigen Gruppe der Suma, nordöstlich des damaligen Herrschaftsgebiet der Ashantis, das Jaman Reich gegründet. Gyankufa war eine der ersten Dorfgründungen dieser Zeit im Gebiet dieses Reiches. Da sich der Chief mit einem Großteil seiner Gefolgsleute dort niederließ hatte Gyankufa damals eine wichtige politische Funktion im Jaman Reich inne. Mitte des 19. Jahrhunderts zog der damalige Chief von Gyankufa schließlich nach Suma Ahenkro um. Gyankufa verlor dadurch zwar an Bedeutung für die Suma, hat aber bis heute eine Schlüsselfunktion bei der Ein- bzw. Absetzung des Paramount Chiefs der Suma inne, der das Oberhaupt aller Chiefs der Gruppe der Suma ist, und diese auch im Regional Traditional Council of Chiefs in Sunyani oder im National Council of Chiefs in Kumasi vertritt. Diese Schlüsselposition begründet sich dadurch, daß sowohl die Familie der Queen Mother als auch die des Gyasehene in Gyankufa geblieben sind (berichtet von NANA SANA BEDIATUO, gegenwärtiger Chief von Gyankufa). Mit Gyasehene wird bei den Akan Völkern traditionell der Vorsteher des Hofstaates bezeichnet, er ist gleichzeitig der Stellvertreter des Chiefs.

Die Legende überliefert die Dorfgründung wie folgt: ‘Twene Gyan’, der Sohn des damaligen Chiefs ‘Bafour Asi Kwagyan’ war ein sehr guter Jäger, der die königliche Familie regelmäßig mit frischen Fleisch versorgen sollte. In Tweredua verließ Twene Gyan wie üblich das Lager, um Wild zu jagen und dabei auch nach einem geeigneten Stück Siedelland zu suchen. Dabei entdeckte er einen Teich, aus dem alle ihm bekannten Wildtiere tranken. Die Tiere schienen bis dahin noch nie einen Menschen gesehen zu haben, da sie vor dem Jäger nicht wegrannten und ihn wohl für einen von ihnen ansahen. 41

Gyan therefore took this opportunity to walk closer to his target to discharge his musket at it. The noise made by the musket fired at a close range sounded like ‘KUUFAA’ and the hunter would draw his hunting sword when ‘HYEAW’ slaughtering it if not completely dead. Gyan came to inform his father of the pond and the suitability of the land around it for settlement. The Chief then moved finally with his people from Tweredua to settle near the pond. And from that period, people who travelled to the settlement village simply said ‘Yere ko neax Gyan - Kufa mmoa no’ literally meaning, we are proceeding to the place where Gyan easily kills animals. The name was not changed and remained as a memory for hunter Twere Gyan’ (berichtet von NANA SAANA BEDIATUO, gegenwärtiger Chief von Gyankufa). Die Legende liefert bereits einige Andeutungen auf eine hierarchisch strukturierte Gesellschaftsform. So scheint es einen Chief zu geben, jemand der Befehle erteilt und eine Gruppe von Menschen zu einem neuen Ziel führt. In traditional Ghanaian communities, there were clear acknowledged notions of social hierarchy and inequality, although the rigidities of social boundaries differed from society to society (ASSIMENG, 1996: 22). Bei den Sumas werden, wie bei den meisten anderen Ghanaischen Ethnien, die Männer als den Frauen überlegen angesehen. Geschlechterrollen sind klar aufgeteilt. Die politische und ökonomische Macht ist in den Händen der Männer konzentriert. Obwohl die Vererbungslinie matrilinear verläuft und mit der Queen Mother eine Frau entscheidenden Einfluß bei der Neubesetzung oder Absetzung eines Chief ausüben kann. Weiterhin wird dem Alter ein hoher gesellschaftlicher Stellenwert zugeschrieben und mit ‘Weisheit’ verbunden. Der Ältestenrat, der wichtige politische Funktionen ausübt, ist ein Ausdruck dieser Zuweisung. Bei den Akan-Ethnien, zu denen auch die Sumas zählen, kann die Gemeinschaft entsprechend dem Alter traditionell in vier Gruppen gegliedert werden. Die Ältesten, die Erwachsenen (30- 45), die Jugend (20-29) und die Kinder (ASSIMENG, 1996: 22). In Gyankufa ist diese Einteilung jedoch nicht konform, da alle Dorfmitglieder zwischen 18 und 40 Jahren zur Jugend gezählt werden. Diese Einteilung wird vom modernen Staat Ghana nicht übernommen, der Staat orientiert sich in seinen Statistiken, oder beim Wahlrecht, nach den international anerkannten Normen. Besonders wichtig bei der sozialstrukturellen Gliederung der ghanaischen Ethnien, und auch der Sumas, ist die Rolle, der (Bluts-) Verwandtschaft. PELLOW und CHAZAN stellen fest: Traditional societal organisation in Ghana is focused on kinship. The family - an economically productive unit - reinforces natal group solidarity and even operates as a microcosm of the larger society. Although not itself perpetual, the family feeds into the larger unilineal descent group, a corporate body that does live on in perpetuity and is reckoned according to one line of descent [...] (PELLOW / CHAZAN, 1986: 92). Diese Form der Kinship Beziehungen spiegelt sich auch in der Organisation des traditionellen politischen Systems wider. ASSIMENG führt dazu aus: Among societies with centralized, and complex, political arrangements, a state was made up of the chief, the elders, the citizens, the strangers and the slaves (ASSIMENG, 1996: 22). Diese Stratifizierung der Gesellschaft ist auch in der Moderne noch teilweise vorhanden und läßt sich zumindest noch auf der Mikroebene von Dorfgesellschaften beobachten. Allerdings sind die Machtbefugnisse der traditionellen Entscheidungsträger heute stark eingeschränkt (siehe unten). Das traditionelle Oberhaupt ist der Chief. Er war in der Vergangenheit der politische Führer, in seinen Händen lag die Legislative und die Exekutive, er war auch oft der spirituelle und ökonomische Führer und ihm oblag die Wächterschaft und die Allokation von Land. Das materielle (Gold) und spirituelle (von Gott gesandte) Symbol seiner Führerschaft ist der Stool. 42

In the south [von Ghana, a.d.V.], land is held in common by family groups, among the Akan symbolized by the authority of the stool and sanctioned by the ancestors and elders (PELLOW / CHAZAN, 1986: 94). Ihm zur Rechten, nicht nur symbolisch, sitzt bei den Akans die Queen Mother. Ihre Aufgabe ist es zum einem, die Interessen der Frauen zu vertreten, zum anderen, kommt ihr eine zentrale Rolle bei der Benennung, bzw. Absetzung eines Chief zu, da die Vererbungslinie bei den Akans matriliniar verläuft. Queen Mother wird die Schwester des herrschenden Chief, allerdings erst wenn die amtierende Queen Mother stirbt oder abgesetzt wird. Daher kommt es oft zu der Konstellation, daß die amtierende Queen Mother einer anderen Familie angehört, als der herrschende Chief.

6.1 Traditionelle politische Struktur: Nkokotoa ist der Name der wichtigsten Großfamilie in Gyankufa, die den gegenwärtigen Chief, ‘Nana Saana Bediatuo’, der den Titel Gyankufahene trägt, stellt. Nana Saana Bediatuo ist 72 Jahre alt und seit 18 Jahren im Amt (Vererbungslinie des Gyankufahene siehe Abb. im Anhang). Der Chief ist das Dorfoberhaupt, er repräsentiert die Bevölkerung des Dorfes traditionell nach außen und kontrolliert die Subchiefs, welche untergeordnete Entscheidungsfunktionen ausüben und bestimmte Aufgaben für den Chief wahrnehmen. Bei Entscheidungen, die das gesamte Dorf betreffen, muß immer der Chief konsultiert werden. Bei wichtigen Entscheidungen versammelt er die Subchiefs und den Ältestenrat im Chief- Palast, um die anstehenden Probleme zu lösen. Dabei wird jeder einzelne zuerst angehört bevor er seine endgültige Entscheidung fällt. Außerdem ist er Vorsitzender in allen Komitees, die es im Dorf gibt (siehe unten) [Dies ist aber nicht zwingend der Fall]. Da die Dorfkomitees erst 1974 entstanden sind (AFORO, 1995: 7) bilden sie eine neue politische Macht, die nicht mit der traditionellen Machtaufteilung einhergehen muß (siehe unten). Weiterhin ist der Chief für die Organisation und die Kontrolle aller Festivitäten verantwortlich, wobei besonders das jährliche Yam-Fest, Nunnfie zu nennen ist.

Gibt es sehr große Probleme im Dorf, muß der Chief auch immer erst alle ‘alten Frauen’ in seiner Familie danach befragen, wie zu früheren Zeiten ähnliche Probleme, z.B. Landkonflikte mit benachbarten Gruppen, bewältigt wurden.

Neben den Nkokotoa gibt es noch drei weitere Großfamilien in Gyankufa. Das Land von Gyankufa gehört traditionell zur Familie Awotwe. Diese hat daher, wie die Familie Nkokotoa, den Status einer Royal Family, d.h. ein prinzipielles Anrecht auf die Position des Gyankufahene. Diese beiden Familien wechseln sich daher, mit einer weiteren, dritten Familie aus Sumaa-Ahenkro, bei der Benennung eines neuen Chief ab. Worauf sich die Rechte auf den Posten des Chiefs bei dieser Familie aus Suama-Ahenkro stützen, konnte leider nicht recherchiert werden.

Die beiden anderen Großfamilien in Gyankufa, Patakro und Kokro, haben auf die Dorfpolitik einen geringeren Einfluß, sie sind aber ihrerseits Royal Families in Bezug auf die Besetzung des Suma Stools der dem Paramount Chief der Sumas zugeordnet ist. In diesem Zusammenhang hat Gyankufa, wie bereits oben angedeutet wurde, momentan immer noch eine Schlüsselfunktion, da auch hier dasselbe Prinzip wie bei der Stool Besetzung in Gyankufa selbst angewandt wird. Die Chief-Nachfolge des Sumahene rotiert unter den beiden Familien aus Gyankufa und einer weiteren aus Sumaa-Ahenkro. Dies wird z.B. gegenwärtig dadurch deutlich, daß sowohl die Queen Mother des Sumahene aus einer Familie aus Gyankufa stammt, als auch der Gyasehene der Patakro Familie aus Gyankufa angehört. 43 Aus dieser Situation resultiert, daß es neben dem Chief noch fünf weitere Subchiefs in Gyankufa gibt. Die jeweiligen Familienoberhäupter und der Gyasehene.

Neben den Chief, den Subchiefs und dem Ältestenrat gibt es noch einen weiteren wichtigen Entscheidungsträger, den Asafoakye, der für die Jugend zuständig und verantwortlich ist. Seine Hauptaufgabe ist es, die Jugend bei Gemeinschaftsarbeiten zu mobilisieren und die Arbeiten einzuteilen. Da er Verantwotlich ist für alle Arten von Community Work, ist er nach dem Chief der Ansprechpartner für jegliche Art von Entwicklungszusammenarbeit. Er kann außerdem als Schlichter bei kleineren Problemen fungieren, besonders, wenn sie die Jugend betreffen. In Anbetracht, daß alle Einwohner zwischen 18 und 40 Jahren zur Jugend gezählt werden, kann man davon ausgehen, daß er bei den meisten kleineren täglichen Problemen als Schlichter auftritt. Most of the Community applies to the Youth Leader, only sometimes the chief is taking some decisions. Because he is very close to the youth, and the youth has to develop the town and if the youth is able to convince him for an idea, than the Youth Leader has to send the Gong-Gong- Beater to go and inform all the inhabitants that they go towards the work (NANA SAANA BEDIATUO, 25.09.96).

6.2 Die traditionelle sozialräumliche Gliederung von Gyankufa Die Familienzugehörigkeit schlägt sich in der Struktur des Dorfes auch eindeutig räumlich nieder.

Der zentrale Ort von Gyankufa ist der in der Legende beschriebene, nun eingefaßte und gegenwärtig ausgetrocknete Teich, wo Twene Gyan Wildtiere erlegt hat. Direkt südöstlich angrenzend befindet sich der zweitwichtigste Ort, der Chief-Palast, in dem alle offizielle Ereignisse stattfinden. In einem Nebenraum des Palastes ist, als Symbol des modernen Staates, ein Postamt untergebracht, das einmal pro Woche geöffnet hat. Im südlichen Abschluß des Palastes kann von Ost nach West eine gedachte Achse gezogen werden, sowie auch westlich des Palastes von Nord nach Süd. Im südwestlichen Viertel befindet sich das Wohngebiet der Patakros (Pa), im nordwestlichen Viertel, das der Kokros (Ko), im Nordosten wohnen die Nkokotoa (Nkt) und im Südwesten die Awotwe (Aw) (vgl. Karte 7).

Die Nord-Süd Tangente der Viertelsbildung verläuft parallel zur Durchgangsstraße. Durch diese Straßenführung wurde verhindert, daß der heilige Teich der Straße weichen mußte.

6.3 Moderne Einflüsse, sozialer Wandel und die räumlichen Auswirkungen Da der Jaman Distrikt kein Einwanderungsgebiet ist, sondern eher von Auswanderung der jüngeren Generation geprägt ist, befindet sich in Gyankufa auch kein ‘Fremdenviertel’ (vgl. SCHAAF / MANSHARD, 1989).

Innerhalb von Gyankufa kann hinsichtlich der Bausubstanz zwischen drei Zonen unterschieden werden: In der Kernzone, um den Chief-Palast herum, wohnen die alteingesessenen Familien, die Gründer von Gyankufa. Die Bausubstanz ist relativ gut, in der Regel sind die Häuser aus Lehmziegel gebaut und mit Wellblech gedeckt. Dies deutet auf einen relativen Wohlstand dieser Bewohner hin. Allerdings lassen sich in dieser Zone bereits erste Anzeichen eines Verfalls beobachten. Bei einigen Häusern sind z.B. Außenwände eingestürzt, die nicht wieder aufgebaut werden. 44 45 In der zweiten Zone, die sich ringförmig um die Kernzone legt, verstärkt sich zum einen dieser Verfallsprozeß, zum anderen wird die Bausubstanz schlechter, je weiter die Häuser von der Kernzone entfernt sind. Diese Häuser sind entweder aus Lehmziegeln mit einem Blechdach gebaut, in der Regel aber sind die Dächer nur mit Stroh bedeckt. Diese periphere Lage, vor allem im Westen und Südosten von Gyankufa hat noch einen weiteren Nachteil: An diesen Stellen fällt das Gelände zum Bachlauf des ‘Werewere’ ab und ist von starker Erosion gekennzeichnet. Besonders im westlichen Teil gibt es einige Gebiete, die durch Gully- Erosion, die bereits die Wänden der Lehmhäuser angreift, gekennzeichnet sind.

In der dritten Zone vollzieht sich seit einigen Jahren ein Prozeß, der mit den gesamtgesellschaftlichen Veränderungen einhergeht. Im Randbereich entstehen neue, mit sehr guten Baumaterialien errichtete Häuser, die von den ‘Modernisierungsgewinnern’ gebaut werden. Diese Häuser werden in der Regel nicht auf erosionsgefährdetem Gebiet errichtet, sondern im Süden und Norden entlang der Durchgangsstraße, oder etwas abseits davon, aber noch auf erhöhtem Gelände. Auffällig ist dabei, daß die traditionelle Viertelsbildung bei den Neubauten keine Rolle mehr spielt. Die soziokulturelle Strukturierung der Dorfgesellschaft wird zugunsten einer sozioökonomischen aufgegeben. Dies geht einher mit einer Überlagerung der traditionellen Machtausübung der Chieftancy durch die, in den letzten Jahrzehnten eingeführten, Dorfkomitees.

6.4 Entscheidungsträger auf der lokalen Ebene Die britische Kolonialregierung vererbte dem neuen Staat Ghana eine administrative Struktur, die durch Indirect Rule gekennzeichnet war. Lokale und zentrale Regierung waren zum Beispiel strikt voneinander getrennt. Dadurch entwickelte sich ein System der ‘dualen Hierarchie’ (HOLTKAMP, 1993: 77). Auf der untersten Verwaltungsebene hieß dies, daß die lokalen Chiefs in ihrer Position blieben und weiterhin in vielen Bereichen Entscheidungsbefugnisse hatten (beschnitten wurde z.B. die richterliche Gewalt der traditionellen Führer). Traditionelle Strukturen wurden allerdings dadurch überformt, daß die Chiefs (soweit dies die Kolonialregierung überwachen konnte) nun nicht mehr den lokalen, traditionellen Kontrollinstanzen (Ältestenrat, Subchiefs, etc.) Rechenschaft schuldig waren, sondern der kolonialen District Administration (District Commissioner) unterstellt waren (AFORO, 1995: 6; SCHMIDT-KALLERT, 1994: 23/24). Chiefs konnten nunmehr auch gegen den Willen ihres Volkes an der Macht gehalten werden, wenn dies dem britischen Bedürfnis nach ‘Pax’ und Kontrolle entsprach (HOLTKAMP, 1993: 58).

Die Zeit unter Nkrumah kann nach HOLTKAMP beschrieben werden als ‘Personalisierter Zentralismus’, da die Verfassung des jungen Staates von 1957 dem Präsidenten nahezu allumfassende Macht zubilligte (HOLTKAMP, 1993: 70).

Die Administration unter Nkrumah war sehr zentralistisch orientiert. Sein Interesse war es eher eine Politik der nationalen Einheit zu verfolgen, als regionale Vielfalt (repräsentiert durch die Chiefs der verschiedenen Ethnien) zu akzeptieren. Thus local government by 1966 was gradually becoming non-existent, as a result of increasing inefficiency of representative local government and the accompanying excessive political interference (AFORO, 1995: 6). Erst 1974 wurde in Ansätzen versucht, die Empfehlungen der Mills-Odoi Kommission von 1967 umzusetzen, die einen verstärkte administrative Mitbestimmung auf der lokalen und regionalen Ebene vorschlug. Dazu wurden die auf der untersten Ebene, zum Teil schon bestehenden ‘Town and Village Commitees’, mit zusätzlichen Aufgaben und Verantwortungsbereichen ausgestattet (ebd., 9). 46

Diese Komitees sollten beim Eintreiben lokaler Steuern behilflich sein und für die ordnungsgemäße Verwendung von projektspezifischen Aufgaben (special rates) sorgen. Mit der Organisation von freiwilliger Gemeinschaftsarbeit sollten sie außerdem für die Durchführung sanitärer Maßnahmen und weiterer Selbsthilfeaktivitäten in ihrem Gebiet zuständig sein (HOLTKAMP, 1993: 82). Die Komitees blieben in ihrer Arbeit allerdings weitgehend wirkungslos und es fehlte ihnen in der Regel auch der Rückhalt der lokalen Bevölkerung bzw. der traditionellen Entscheidungsträger. Weiterhin war die Zentralregierung nicht gewillt Macht nach ‘unten’ weiterzugeben (ebd., 83).

Nach dem Putsch von Rawlings 1982 wurden dann die Town Developments Committees (TDC) durch die neu geschaffenen Committees for the Defence of the Revolution (CDR) überformt (SHILLINGTON, 1992: 79-106). Die TDC`s blieben zwar bestehen, unterlagen aber der Kontrolle der CDR`s. 1988 wurden dann neue landesweite politische Dezentralisierungsmaßnahmen eingeleitet. Auf der untersten Verwaltungsebene wurden die CDR`s quasi aufgelöst, bzw. ihre Machtposition beschnitten. Bis dahin übten sie oftmals, von der Militärregierung gebilligte und auch gewollte Polizeifunktion in den Dörfern und Städten aus, um v.a. der Korruption und dem Schmuggel vorzubeugen. Es dauerte allerdings nochmals vier Jahre, bis auf lokaler Ebene neue Komitees, die Unit Committees (UC), gegründet wurden (HOLTKAMP, 1993: 114).

In Gyankufa ersetzte 1993 das Unit Committee (UC) ebenfalls das Town Development Committee. Weiterhin hat das CDR seit den demokratischen Wahlen von 1992 offiziell keinen Einfluß mehr auf die Dorfpolitik. Das UC hat laut dem Chairman des UC als Verbindungsglied zwischen Dorfbevölkerung und Regierung zu fungieren und für Law and Order zu sorgen. Damit übernimmt es in etwa die Aufgabe, die vorher das CDR ausübte.

In Gyankufa befinden sich die traditionellen Herrschaftsmechanismen und die modernen in einer Symbiose, da der Chief automatisch Vorsitzender in allen Komitees ist. Dies ist nicht in jeder Gemeinde der Fall, oft stehen die Komitees und die traditionellen Führer in Konkurrenz zueinander (NUGENT, 1995: 72-78). Diese Konkurrenz wird besonders evident, wenn es um Landrechte geht. The development of local government structures since the 1950s has separated chiefs from control over local revenues, but the chiefs retain the moral authority to imposes assessments and mobilize efforts for communal needs (MIKELL, 1991: 89). Alle anderen Komitees von Gyankufa, z.B. Das Health Committee oder das Parents and Teachers Committee, sind dem UC untergeordnet A unit is normally a settlement or a group of settlements with a population of between 500 - 1000 in the rural areas, [...] (AFORO, 1995: 14). Unter den 30 Mitgliedern des UC von Gyankufa sind zur Zeit lediglich 10 Frauen. Die Mitglieder des UC werden durch die Dorfversammlung gewählt und bleiben in der Regel bis zu ihrem Tod im Amt. Nur bei grober Pflichtverletzung kann ein Mitglied abgewählt werden.

Die Zukunftspläne des UC bestehen darin, eine Senior Secondary School in Gyankufa zu errichten, und den Community Centre und den Health Care Centre zu erweitern.

Ein weiteres wichtiges Gremium des Dorfes ist das Planning Committee. Es ist für den Ausbau des Dorfes und vor allem für die Landzuteilung innerhalb der Dorfgrenzen zuständig. Das Komitee verkauft Land an die Personen die an einer bestimmten Stelle ein neues Haus bauen wollen. Das eingenommene Geld wird verwendet, um gemeinnützige Projekte zu 47 finanzieren. Dadurch kommt es unter anderem zur Vermischung der traditionellen Viertelsgrenzen in Gyankufa. Für die Mitglieder des Planning Committees ist es nicht von besonderer Bedeutung, aus welcher Familie der Bauherr eines neues Hauses stammt. Wichtiger sind die persönlichen Wünsche des Bauherren und diese entsprechen eher bestimmten Standortbedingungen, wie guter Baugrund, Nähe zur Wasserstelle oder auch ruhige Lage.

48 7 Die Agrarstruktur von Gyankufa Wie im nationalen und regionalen Kontext der Brong Ahafo Region insgesamt spielt auch in der lokalen Ökonomie von Gyankufa der Agararsektor eine herausragende und prägende Rolle. Um dies zu verdeutlichen, soll im folgenden näher auf die bestehende Agrarstruktur, sowie ihre Entwicklung und sozio-ökonomische Dimension eingegangen werden.

7.1 Überblick über die Landnutzung Die überwiegende Mehrheit der Einwohner von Gyankufa ist in der Landwirtschaft tätig, die für die meisten Familien die Haupteinnahmequelle darstellt und ausschließlich kleinbetrieblich strukturiert ist. Typisch sind kleinbäuerliche Mischbetriebe, die auf der Basis von Shifting Cultivation bzw. Landwechselwirtschaft (Land Rotation with Bush Fallow) Anbau betreiben. Hierbei werden die Anbauflächen turnusgemäß gewechselt und bestimmte Fruchtfolgen eingeführt, wobei man zwischendurch zeitlich begrenzte Bracheperioden zuläßt.

In Gyankufa werden vorwiegend Food Crops angebaut, als Hauptprodukte verschiedene Sorten Yam, Mais, Cassava, Cocoyam und plantain und des weiteren verschiedene Gemüsesorten wie Tomaten, Chilipfeffer, Garden Eggs, Okra und in kleinen Mengen Bohnen. Diese Anbaufrüchte dienen überwiegend zur Eigenversorgung der Familien, Überschüsse werden jedoch auch in mehr oder weniger großen Umfang vermarktet und können daher generell auch als Verkaufskulturen angesehen werden.

In den letzten Jahren haben daneben einige Farmer begonnen zusätzlich Cash Crops anzubauen, wobei vor allem Cashew und Teak an Bedeutung gewonnen haben. In Relation zum Nahrungsmittelanbau ist der Anteil von Cash Crops bisher noch gering.

Der Anbau erfolgt fast ausschließlich in Mischkultur (mixed cropping), eine in den traditionellen Anbausystemen in Ghana weitverbreitete Form der Diversifizierung. Die Anbaufrüchte werden hierbei in verschiedenen Kombinationen zur gleichen Zeit auf einer Fläche angepflanzt. Auf diese Weise ergeben sich mehrere Vorteile: eine optimale Nutzung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit, die Sicherung des Nahrungsbedarfs durch das Jahr hindurch, da die Anbaufrüchte zu unterschiedlichen Zeiten geerntet werden können und schließlich die Reduzierung des Risikos von Ernteverlusten durch witterungsbedingte Einflüsse oder Krankheiten.

Tierhaltung spielt im Dorf insgesamt eine untergeordnete Bedeutung. Wie in den meisten Dörfern der Region besitzen viele Haushalte in Gyankufa zwar Kleinvieh, d.h. Schafe, Ziegen und Hühner, dies jedoch nur in sehr kleinen Beständen. Eine Ausnahme im Dorf ist lediglich eine Geflügelfarm, die die Umgebung mit Eiern und Geflügel versorgt. Eine Integration von Viehhaltung und Anbau findet nicht statt. Der Bereich der Tierhaltung kann daher in den folgenden Ausführungen zurückgestellt werden.

7.2 Das Landnutzungsrecht in Gyankufa Bestehende Formen der Landbesitzverhältnisse und Nutzungsrechte stellen die Basis für den Zugang der Bevölkerung zu Land dar. In einem Land wie Ghana, wo 70% der Bevölkerung in ländlichen Gebieten lebt, spielt das Bodenrecht daher eine entscheidende Rolle, sowohl für die Form der Landnutzung als auch die soziale und ökonomische Entwicklung einer ländlichen Gemeinde. 49

(a)s a fundamental resource of agriculture, the welfare of rural people and the pace of social and economic development depend on [land]. (ASENSO-OKYERE et al., 1993: 2). In Gyankufa herrscht noch die traditionelle Form des Bodeneigentums vor, die in vielen Gebieten besonders im Süden Ghanas durch die Einführung und den Anbau von Cash Crops, besonders von Kakao, und die zunehmende Monetarisierung der ländlichen Ökonomie bereits modifiziert und durch Formen des Privat- und Pachtbesitzes überprägt wurde (SARRIS, SHAMS, 1991: 74).

Mit der traditionellen Form des Eigentums ist das Land in Gyankufa nach dem traditionellen Verständnis Besitz der regierenden Ethnie, d.h. es ist Gemeineigentum (Common Land). Grundsätzlich hat jedes Mitglied der Ethnie, also jeder einheimische Dorfbewohner ob Mann oder Frau, das Recht zur Nutzung eines Teil des Landes, das vom chief - als Treuhänder - verwaltet wird. Er vergibt Nutzungsrechte, die dann innerhalb der Familien oder ‘Linien’ - bei den matrilinearen Akan über die weibliche Linie - an die Nachkommen weitervererbt werden. Das Land darf damit für den Anbau genutzt, nicht aber verkauft werden. Zugezogene, die aus anderen Gebieten in das Dorf kommen, können ebenfalls mit Erlaubnis des chiefs und der Dorfältesten ein Stück Land zur eigenen Nutzung zugesprochen bekommen. Nach lokalem Brauch werden üblicherweise lediglich Geschenke wie Schnaps oder Geldspenden zu traditionellen Festivitäten als ‘Gegenleistung’ überreicht. Eingewanderte Farmer dürfen auf diesen Flächen jedoch nur Nahrungsmittelkulturen für den Eigenbedarf anbauen.

In der Ehe wird in der Regel das Land des Mannes (‘Familienland’) von Mann und Frau gemeinsam bewirtschaftet. Der Mann überläßt der Frau dabei einen Teil seiner Fläche zum Anbau für die Familie, so daß das Land auf diese Weise räumlich aufgeteilt wird und jeder auf einem Teilstück bestimmte Produkte anbaut. Auf der gesamten Fläche herrschen normalerweise Mischkulturen vor, wobei Männer und Frauen gleichermaßen alle ortsüblichen Feldfrüchte anbauen. Dabei besteht jedoch eine gewisse Tendenz, daß Männer vorwiegend die Hauptprodukte Mais und Yam anpflanzen, während Frauen für den Anbau verschiedener Gemüsesorten wie Pepper, Tomaten, Okra und Garden Eggs zuständig sind.

Da einheimische Frauen aus dem Dorf über das matrilineare System der Vererbung von ihren Familien und damit in ihrem eigenen Recht unabhängig von ihrem Mann Land erben können, besitzen einige von ihnen auch in der Ehe separate Farmflächen, die räumlich getrennt von der Farm des Mannes liegen und unabhängig bewirtschaftet werden. Dieser Zugang zu Land über die eigene Linie stellt einen wichtigen Aspekt sozialer Absicherung dar, der besonders im Hinblick auf die Situation alleinstehender Frauen eine wesentliche Bedeutung einnimmt. Im Falle einer Scheidung steht der Frau in den matrilinearen Gesellschaften ein Anteil des Landes ihrer Familie zu, wodurch der Zugang zum Boden gesichert ist. In the traditional Akan society, the female as a lineage member had resources including permanent security of family home and farmlands for herself and children, who were among the heirs to the family estate (Manu, 1994: 5). Anders ist die Situation jedoch bei Frauen zugewanderter Ethnien, die nicht aus dem Dorf stammen sondern später mit ihrem Mann eingewandert sind. Sie sind in der Regel darauf angewiesen, daß der Mann ihnen einen Teil seiner Fläche überläßt, die er selbst vom Chief oder einheimischen Bauern ‘bekommen’ hat. Die Frauen haben damit keinen direkten Zugang zu Land, sondern lediglich über den Mann (TADEFA-KUBABOM, 1995: 2). 50 7.3 Größe und Lage der Anbauflächen Der landwirtschaftliche Anbau im Dorf ist überwiegend kleinbetrieblich strukturiert. Eine typische Farm in Gyankufa ist nach Angaben der Dorfbewohner durchschnittlich zwischen 1- 2 ha (2,5-5 acres) und 8-10 ha (20-25 acres) groß, wobei sich dies normalerweise nach der Familiengröße richtet. Aus den Interviews ging dabei hervor, daß die Mehrheit der bäuerlichen Haushalte Flächen unter 3 ha bewirtschaftet.

Die Anbauflächen der Familien befinden sich in mittelbarer Entfernung in dem Gebiet rund um Gyankufa. Während einige direkt an der Dorfgrenze ansetzen oder in unmittelbarar Nähe sind, liegen andere zum Teil bis zu 6 Kilometer (etwa einer Stunde Fußmarsch) entfernt (vgl. Abb 1).

Anhand der Karte, die die Landnutzung im Gebiet von Gyankufa darstellt, wird deutlich, daß auf dem Großteil der Flächen in Mischkulturweise angebaut wird. Entsprechend der jeweiligen Bodenfruchtbarkeit einer Fläche und der Ansprüche der lokalen Anbaufrüchte an Boden und Feuchtigkeit werden die Kulturpflanzen dabei in verschiedenem Umfang kultiviert. Während auf den weniger fruchtbaren Böden hauptsächlich Cassava und Yam (Water Yam und White Yam) angebaut werden, benötigen Mais und Plantain bessere Böden und mehr Feuchtigkeit. Diese Voraussetzungen sind vor allem in den Senken, im Grenzbereich der beiden Bäche Jankufa und Dampo gegeben.

7.4 Das Landnutzungssystem Das System des Anbaus mit Landwechsel, Mischkulturen und bestimmten Fruchtfolgen basiert rein auf der Nutzung lokal verfügbarer Ressourcen und traditionellen Anbaumethoden mit einfachen Hilfsmitteln wie Machete und Grabstock.

Der jährliche Anbaukalender richtet sich dabei nach den jahreszeitlichen Bedingungen des Klimas. Die agrarische Tätigkeit beginnt damit, daß eine Fläche in der Größe von circa ¼ bis ½ ha während der Trockenzeit im Dezember und Januar für den Anbau der Kulturpflanzen vorbereitet wird. Die ursprüngliche Vegetation wird zunächst gerodet, d.h. Sträucher und Bäume werden abgeschlagen und am Ende der Trockenzeit schließlich verbrannt. Diese Arbeit ist schwer und erfordert sehr viel Arbeitskraft, so daß der Arbeitsbedarf in den landwirtschaftlichen Haushalten in dieser Zeit sehr hoch ist. Nach dem Abbrennen bleibt die Asche auf der Bodenoberfläche liegen und verbessert dadurch vorübergehend die Bodenfruchtbarkeit des zu bestellenden Feldes. Für den Anbau von Yam werden anschließend zusätzlich Erdhügel (Mounds) aufgehäuft, wodurch die ansonsten recht geringe Humusauflage verstärkt wird.

Kurz vor der Regenzeit bzw. mit dem Einsetzen des ersten Regens können ab Februar bzw. Anfang März die Kulturpflanzen in den Boden eingebracht werden, was wie beschrieben fast auschließlich in Mischkultur erfolgt. Das Pflanzen beginnt zunächst mit Yam und Cocoyam, Mitte Februar folgt Cassava und im März schließlich Plantain und Mais. Kombiniert werden in der Regel zwei Hauptkulturen, d.h. Yam und Cassava, und zwei Gemüsearten wie zum Beispiel Chilipfeffer und Okra oder Tomaten und Garden Eggs. Die Kulturen werden gemeinsam auf einem Erdhügel angebaut (vgl. Abb. 2). 51 Abbildung 1: Die Landnutzung im Gebiet von Gyankufa

Quelle: Gertel, Haack, Kruk, Feldaufenthalt 1996. 52 Abbildung 2: Anbau in Mixed-Cropping

Quelle: Gertel, Haack, Kruk, Feldaufenthalt 1996.

Daneben gibt es weiterhin die Form des Intercropping, worunter man das Anpflanzen von Zwischenfrüchten versteht. Häufig werden Mais und Cassava auf einer Fläche versetzt nebeneinander angepflanzt, da die Produkte sehr unterschiedliche Ansprüche an die Bodenfruchtbarkeit haben und sich somit optimal ergänzen.

Bereits wenige Wochen nach dem Anpflanzen muß während der Regenzeiten auf allen Flächen Unkraut gejätet werden, welches sich zwischen den jungen Kulturpflanzen ausbreitet. Die erste und hauptsächliche Jätezeit ist zwischen April und Juli, wobei auf einigen Flächen auch in der zweiten Regenzeit bis in den November hinein gejätet werden muß. Da diese Tätigkeit sehr arbeitsintensiv und aufwendig ist, steigt in dieser Zeit der Bedarf an Arbeitskraft noch einmal stark an.

Entsprechend ihrer jeweiligen Vegetationszeit können die Kulturpflanzen schließlich geerntet werden. Mais wird zwei bis drei Monate nach der Aussaat im August und September geerntet. Die Ernte von Yam, der 6-9 Monate zur Reifung benötigt, beginnt hauptsächlich nach Beendigung der Regenzeit Ende Oktober/November und erstreckt sich über mehrere Monate. Der weiße Yam wird dabei nach Bedarf geerntet, da er im Boden haltbar ist. Ähnlich ist es bei Cassava, das ebenfalls erheblich länger im Boden gelassen werden kann und häufig als ‘Reservekultur’ dient (DEI, 1992: 65). Cassava, Cocoyam und Plantain werden erst im folgenden Jahr nach einjähriger Reifezeit geerntet (vgl. Abb. 3).

Da die Kulturpflanzen zeitlich versetzt heranreifen und geerntet werden, ist der Arbeitsaufwand bei der Ernte stärker gestreut. Von Bedeutung ist außerdem, daß dadurch ebenso das Nahrungsmittelangebot im Dorf in der Regel durch das Jahr hindurch ausreichend ist.

Nach der Ernte können auf dem Landstück erneut Anbaufrüchte angepflanzt werden, wobei eine geeignete Fruchtfolge eingehalten wird, bei der anspruchsvolleren Kulturen weniger anspruchsvolle folgen (häufig z.B. Mais - Yam - Cassava). Da die Bodenfruchtbarkeit durch die Nutzung jedoch von Jahr zu Jahr abnimmt und somit die Erträge immer stärker sinken, muß die Fläche nach spätestens zwei bis drei Jahren der natürlich nachwachsenden Vegetation, d.h. einer Brache- oder Regenerationszeit überlassen werden. Der Anbau setzt sich währenddessen auf einer anderen, bereits regenerierten Fläche fort, die im Dezember/Januar erneut gerodet und vorbereitet wird. Auf diese Weise werden die Anbauflächen turnusgemäß gewechselt. 53

Abbildung 3: Saisonaler Anbaukalender von Gyankufa

54 Abbildung 4: Anbauprofil von Gyankufa

Quelle: Gertel, Haack, Kruk, Feldaufenthalt 1996.

7.5 Veränderungen in der Landnutzung und ihre Folgen Die Relation zwischen Anbau- und Brachejahren, die entsprechend der natürlichen Voraussetzungen für die langfristige Aufrechterhaltung der Bodenfruchtbarkeit notwendig ist, wird entscheidend von der Nachfrage der Einwohner nach Land beeinflußt. Aus vielen Studien geht hervor, daß in Ghana insgesamt in den letzten Jahrzehnten durch das stetige Bevölkerungswachstum, den daraus resultierenden höheren Nahrungsbedarf und den zunehmenden Anbau für den Markt der Druck auf das Land größer geworden, und es infolge dessen vielfach zu einer Verkürzung der notwendigen Brachezeiten gekommen ist.

Von dieser Entwicklung ist auch der Anbau in Gyankufa betroffen, wo die Brachezeiten in den letzten zwanzig Jahren von ursprünglich 10-15 Jahren auf heute durchschnittlich 5-6 Jahre (teilweise sogar nur 3-4 Jahre) reduziert wurden.

Obwohl keine quantitativen Angaben über die Zunahme der Dorfbevölkerung vorliegen, kommt diese indirekt durch das flächenhafte Wachstum des Ortes zum Ausdruck. Diese Tendenz wurde von den Dorfbewohnern unter anderem auf eine Vergrößerung der Familien zurückgeführt, was durch die Untersuchungen des Ghana Living Standards Survey (GLSS 3) bezüglich der Haushaltsgrößen in der Brong Ahafo Region bestätigt wird (vgl. Kap. 4.2).

Der sich verschärfende Nutzungsdruck hat somit zwei Ursachen. Zum einen ist der Anstieg der Einwohnerzahlen und die damit wachsende Nachfrage nach Land für den Anbau von Nahrungsmitteln zu nennen, und zum anderen der wachsende Kapitalbedarf mit der daraus entstehenden Mehrproduktion für den Markt. Durch die Verkürzung der Regenerationszeiten 55 kann der Anbau zwar kurz- bis mittelfristig intensiviert werden, langfristig führt sie jedoch zu einer Abnahme der Bodenfruchtbarkeit und damit geringeren Erträgen. Diese Entwicklung zeichnet sich in den letzten Jahren immer stärker ab und wird von den Bauern aus dem Dorf als Problem erkannt und benannt.

7.6 Die Arbeitsverfassung Der größte Teil der Arbeiten, die über das Jahr hinweg beim landwirtschaftlichen Anbau anstehen, wird durch die Familien selbst, d.h. mit familieneigener Arbeitskraft, geleistet. Bei den verschiedenen Aktivitäten gibt es dabei eine geschlechterspezifische Arbeitsteilung. Während der Mann für das Roden und die Bodenvorbereitung (Aufwerfen der ‘Yam-Hügel’) verantwortlich ist, wird das Anpflanzen der Anbaukulturen und das Jäten während der ersten und zweiten Jätezeit von der Frau durchgeführt. Die Ernte von Yam, Cassava, Cocoyam und Plantain erfolgt gemeinsam mit der ganzen Familie. Da die Farmfläche in der Regel zwischen Mann und Frau geteilt ist, muß man jedoch genauer differenzieren. Während der Mann die gesamte Fläche rodet, legen beide unabhängig voneinander jeweils auf ihrer Hälfte Erdhügel an, die Frau mit Hilfe ihrer Kinder oder mit Hilfe zusätzlicher Arbeitskräfte. Das Jäten ist schließlich alleinige Aufgabe der Frau, sowohl auf ihrer eigenen Fläche als auch auf der des Mannes. Die Arbeitsteilung und gegenseitige Mithilfe bei den verschiedenen Arbeiten variiert jedoch innerhalb der Familien. Die Frau hilft zwar dem Mann beim Pflanzen, Jäten und Ernten auf seiner Fläche, der Mann hat auf ihrer Hälfte aber nicht notwendigerweise die gleiche Verpflichtung (VIETINGHOFF-SCHEEL, 1995: 4). Die Frau ist dann stärker auf die Mithilfe der Kinder, der Großfamilie und anderer Frauen angewiesen, was grundsätzlich auch für alleinstehende Frauen zutrifft.

Neben der familieneigenen Arbeitskraft spielt in Gyankufa auch der Einsatz von Fremdarbeitskräften eine bedeutende Rolle, wobei dieser von den finanziellen Möglichkeiten der Bauern abhängt. Fremde Arbeitskräfte werden in den Zeiten stärkster Arbeitsbelastung saisonal angeworben, hauptsächlich für das Roden der Flächen im Dezember und Januar. Farmer, die zu dieser Zeit auf ihrer Kakaofarm in der Western Region sind, schicken Geld für die Bezahlung von fremden Arbeitern an ihre Familien nach Gyankufa (vgl. 8.2). Wenn ausreichend Kapital vorhanden ist, wird zusätzlich für das Aufwerfen der Erdhügel fremde Arbeitskraft eingesetzt. Bei diesen Arbeiten sind besonders alleinstehende Frauen - sofern sie die Möglichkeit haben - auf Arbeiter angewiesen, da die Arbeit körperlich zu schwer ist.

Bei großflächigen Farmen (5-6 ha) muß darüber hinaus auch für das Jäten fremde Arbeitskraft eingesetzt werden, wenn die Frau die Arbeit nicht alleine bewältigt und die finanziellen Mittel ausreichen. Wer weniger Geld zur Verfügung hat, wirbt Arbeitskräfte nur für einen Teil seiner Fläche an oder ist allein auf die Familie angewiesen. Einige wenige Bauern stellen zusätzlich für die Ernte von Mais fremde Arbeitskräfte an.

Bei den Fremdarbeitskräften handelt es sich überwiegend um junge Männer aus dem Dorf, die sich in den Zeiten größter Arbeitsbelastung auf diese Weise Geld zuverdienen. Gearbeitet wird in der Regel sechs Stunden am Tag, wobei es zwei Arten der Entlohnung gibt: eine zuvor vereinbarte Bezahlung entsprechend der Feldgröße oder eine Bezahlung pro Tag. In beiden Fällen wird zusätzlich das Essen gestellt.

Ein derartiger Einsatz von (meist saisonaler) Fremdarbeitskraft auf landwirtschaftlichen Betrieben ist in Ghana weit verbreitet. Der Anteil von Fremdarbeitskraft an der gesamten Arbeit variiert dabei von Gebiet zu Gebiet zwischen 30 und 50% (SARRIS, SHAMS, 1991: 31). Während die bäuerlichen Haushalte zwar nach wie vor den überwiegenden Teil der 56 Arbeit leisten, geht aus Untersuchungen hervor, daß durchschnittlich über 60% von ihnen ständig oder gelegentlich Fremdarbeitskräfte einstellen, in der Brong Ahafo Region sogar 73% (Census of Agriculture 1970). Da jedoch eine zunehmende Abwanderung junger Männer aus dem ländlichen Raum stattfindet, sind Arbeitskräfte sind besonders in den Hauptzeiten der Nachfrage inzwischen knapp. In den letzten Jahren sind wiederum durch die geringere Verfügbarkeit an Arbeitskräften die Löhne und damit die Kosten für den Einsatz von Fremdarbeitskraft stark angestiegen. Sie stellen beim Anbau häufig die größte Kapitalbelastung dar, die von vielen Kleinbauern trotz Bedarf an Arbeitskraft nicht getragen werden können, da die finanziellen Mittel in dieser Größenordnung fehlen. (SARRIS, SHAMS, 1991: 31).

57 8 Kakaoanbau in der Western Region Welchen Stellenwert die Landwirtschaft in der lokalen Ökonomie und im Lebensalltag der Bevölkerung in Gyankufa einnimmt, wird besonders daran deutlich, daß ausschließlich jede Familie des Dorfes eine Farm in der unmittelbaren Umgebung bewirtschaftet.

An dieser Stelle scheint es jedoch wichtig darauf einzugehen, daß etwa zwei Drittel der Haushalte darüber hinaus zusätzliches Farmland in der weiter südlich gelegenen Western Region besitzen bzw. bestellen. Hierbei handelt es sich um den Anbau von Kakao, der ausschließlich für den nationalen Exportsektor Ghanas bestimmt ist.

Es waren im allgemeinen von Anfang an in der Regel die Männer, die im Kakaoanbau tätig wurden, da sie zum einen ausreichend Zeit hatten, und zum anderen über die materiellen Ressourcen bestimmten. Cocoa farming in the forest area of Asante and Brong Ahafo was established prior to the turn of the twentieth century and grew rapidly because men were free to devote their time to the crop (PELLOW/CHAZAN, 1986: 95). Die heutige ökologische Anbaugrenze der Kakaoproduktion erstreckt sich nach Norden hin etwa bis Sunyani. Bis Anfang der achtziger Jahre wurde auch weiter nördlich bis in das Gebiet von Gyankufa hinein Kakaoanbau betrieben, der jedoch 1983 infolge einer schweren Dürre vernichtet wurde, die damals den gesamten Sudan und westafrikanischen Bereich erfaßte. Durch den Ausbruch verheerender Buschfeuer wurden die bestehenden Kakaoflächen in der Untersuchungsregion nahezu komplett zerstört, wovon auch viele Bauern in Gyankufa betroffen waren. Unter den gegenwärtigen klimatischen Bedingungen ist der Anbau von Kakao in diesem Gebiet nicht mehr sinnvoll. Optimale Standortbedingungen findet der Kakao in feuchttropischen Gebieten mit Jahresniederschlägen zwischen 1500 und 2000 mm und mittleren Temperaturen zwischen 25 und 28 Grad Celsius. Diese Voraussetzungen sind in der Übergangszone jedoch nicht mehr erfüllt, da wegen des sich abzeichnenden Rückgangs der Niederschläge und zunehmender Trockenheit während der Trockenzeiten der Boden nur noch bedingt geeignet und die Gefahr von Buschbränden zu groß ist (AMANOR, 1992: 13).

Die Bauern aus Gyankufa wanderten jedoch bereits vor 1983 in den Süden, um dort zusätzliches Land zu erwerben und dadurch ihren Kakaoanbau zu expandieren. Schon Anfang der fünfziger Jahre hatten einige Einwohner aus Gyankufa neue Farmen in der Western Region aufgebaut, wobei in den anschließenden Jahren viele Bauern diesem Beispiel folgten. Im Laufe der Zeit hat sich ihr Zielgebiet in der Western Region immer weiter nach Süden ausgedehnt. Während sich die ersten Farmen im Nordosten der Region bei Kaase, Yamatwa, Oseekadwokrom, Adwufia und Asemponaye befinden, liegen die jüngeren sehr viel weiter südlich im Gebiet von Sefwi Wiawso, Akwantonbra und Enchi (vgl. Karte 8).

58 Karte 8: Migrationsbewegung und Kakaoanbau in der Western Region

Quelle: Benneh, 1995: 142.

8.1 Bodenrecht und Landbesitzverhältnisse in der Western Region Mit dem zunehmenden Interesse an der Kakaoproduktion in der Western Region seit Ende des Zweiten Weltkrieges und der stetigen Zuwanderung von Bauern aus der Brong Ahafo Region, sowie der Ashanti und der Ostregion, stieg die Bevölkerungszahl in der Western Region besonders zwischen 1948 und 1960 sehr stark an (BENNEH, 1995: 143). Durch die gesteigerte Nachfrage nach Land sind die verfügbaren Flächen immer knapper geworden. Um die Zahl der Migranten zu begrenzen und somit einer weiteren Verknappung entgegenzuwirken, hat es vor drei Jahren Veränderungen beim Zugang zu Landrechten gegeben. Während das Land bis dahin käuflich erworben werden konnte, werden nun zunehmend Formen bestimmter Pachtverhältnisse mit Ernteteilung (Share-Cropping) angewandt. The renewed interest in cocoa production has led to a search for new lands in the Western Region by migrant farmers and has intensified share-cropping arrangements. There has been instances where land has been sold absolutely to settler farmers against dictates of traditional norms. In response to increased demands for land, new forms of 59 tenure have emerged. The ‘abunu’ and ‘abusa’ systems are new tenurial arrangement which are widely practised now (ASENSO-OKYERE, ATSU, OBENG, 1993: 6). Bei beiden Systemen wird dem Pächter (Share-Cropper) von dem jeweiligen Landeigentümer Land zur Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt, wobei die Ernte schließlich in einem bestimmten Verhältnis geteilt wird. Beim Abusa-System erhält der Besitzer ein Drittel der Erträge. Beim Abunu-System, das heute in der Western Region vorherrscht, werden vor der Ernte die Pflanzen zur Hälfte aufgeteilt. Der Pächter muß dem Landbesitzer also 50% der von ihm bestellten Fläche abgeben, wobei jeder seinen eigenen Teil erntet.

In Ghana werden heute etwa 75% aller Kakaofarmen über diese Systeme der Ernteteilung bewirtschaftet.

Der Kakaoanbau in Ghana ist überwiegend kleinbetrieblich strukturiert. Die durchschnittliche Anbaufläche ist 4.02 ha (10,3 acres) groß, wobei diese Zahl relativ wenig über die tatsächliche Verteilung der Flächen aussagt. Viele der Bauern aus Gyankufa haben in der Western Region Kakaofarmen noch käuflich erwerben können, bevor 1993 das Abusa-System eingeführt wurde. Die Größen der bewirtschafteten Flächen sind dabei recht unterschiedlich. Während einige Bauern aus dem Dorf lediglich 1-2 ha besitzen und damit unter dem nationalen Durchschnitt liegen, sind andere Kakaofarmen dagegen bereits 6-8 ha, z.T. über 14 ha groß.

8.2 Saisonale Migration in die Western Region Durch die Bewirtschaftung der Kakaofarmen in der Western Region sind viele der Bauern von Gyankufa nicht permanent im Dorf, sondern wandern mindestens ein- bis zweimal im Jahr in den Süden, um dort für mehrere Monate den Anbau bzw. die Ernte des Kakaos zu überwachen. Die Zeit der Wanderung ist saisonal bedingt und richtet sich im wesentlichen nach dem Anbaukalender von Kakao.

Die Zeit der Haupternte des Kakaos beginnt Ende September und dauert bis Dezember, z.T. bis Mitte Januar. Ab August wandert in der Regel der Mann in die Western Region. Im September, wenn die Schulferien beginnen, folgen Kinder und Frau, um bei der Ernte zu helfen. Am Ende des Monates, wenn die Schule wieder beginnt, kommen sie zurück nach Gyankufa, während der Mann erst vier Monate später nach der Kakaoernte ab Januar aus der Western Region ins Dorf zurückkehrt. In Gyankufa stehen in dieser Zeit dann die schweren Arbeiten der Feldvorbereitung an. Nach der Rückkehr kümmern sich die Bauern um den Nahrungsmittelanbau auf den Familienfarmen, bis im April/Mai die zweite, kleine Kakaoernte ansteht.

Auf den Kakaofarmen in der Western Region werden zusätzlich ganzjährig Arbeiter angestellt, die während der Abwesenheit der Bauern die Arbeiten auf den Flächen übernehmen und die kleine Ernte vorbereiten. Die Arbeitsmigranten, die vorwiegend aus dem Norden stammen, werden in der Regel für 5-6 Jahre eingestellt.

8.3 Auswirkungen des Kakaoanbaus auf Gyankufa Der Kakaoanbau vieler Farmer aus Gyankufa in der Western Region hat deutliche Auswirkungen auf die traditionellen Strukturen im Dorf gehabt und damit die derzeitige gesellschaftlich-soziale sowie wirtschaftliche Struktur geprägt.

60 Während in Gyankufa heute einerseits nach wie vor der traditionelle Anbau von Nahrungsmitteln (Food Crops) überwiegend zur Subsistenz dominiert, hat andererseits der durch staatliche Anreize geförderte Anbau von Kakao für den Weltmarkt und die Abwanderung in die Western Region Einflüsse auf die lokale Ökonomie des Dorfes ausgeübt. Der Veränderungsprozeß, der zugleich im Kontext der strukturellen Transformation der Gesellschaft und Ökonomie Ghanas insgesamt steht, wurde bzw. wird dabei im wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt: die saisonale Migration und damit mehrmonatige Abwesenheit vieler Männer, die zu Veränderungen der traditionellen Verantwortlichkeiten innerhalb der Familie geführt hat, sowie die Bedeutung des Kakaoanbaus im Hinblick auf Einkommen, Kapitalverfügbarkeit, Lebensstandard und soziale Stellung der Kakaobauern im Dorf.

Durch die Bewirtschaftung der Kakaofarmen in der Western Region zusätzlich zum Anbau in Gyankufa und die damit einhergehende saisonale Migration in den Süden, sind sehr viele Männer über längere Zeit im Jahr nicht im Dorf. Durch ihre Abwesenheit hat die Arbeitsbelastung der Frauen sehr stark zugenommen, da sie als Hauptverantwortliche für den Nahrungsmittelanbau und die Versorgung der Familie in dieser Zeit die anstehenden Arbeiten auf den Familienfarmen in Gyankufa alleine bzw. mit der Hilfe der Kinder tragen müssen.

Sarris (1991) beschreibt diese Situation, von der viele Frauen in Ghana betroffen sind, wie folgt: With the introduction of cocoa farming and the cash economy, when cash cropping replaced food production as the main activity, men began to migrate to other areas to set up their own cocoa farms or to work as labourers. [...] Women took over many of the roles and responsibilities that previously had been male-dominated. They found, however, that their work burden increased while their access to resources didn´t. (SARRIS, SHAMS, 1991: 93). Um die Versorgung der Familie und anstehende Ausgaben für den Haushalt gewährleisten zu können, sind einige Frauen in Gyankufa außerdem darauf angewiesen, zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften. Aus diesem Grunde bauen sie Gemüse über den Eigenbedarf der Familie hinaus an, um die Überschüsse lokal zu vermarkten. Because earnings from cocoa went into new crop investment or general households needs, women were left with little or no money at all. Consequently they began to establish separate farms, in addition to the family farm, to raise crops for sale. Women became almost exclusively responsible for the daily subsistence needs of most households (ebd., S.94).

Des weiteren macht sich der Besitz einer Kakaofarm meist im allgemeinen Lebensstandard einer Familie bemerkbar. Während der landwirtschaftliche Anbau in Gyankufa überwiegend dem Eigenbedarf dient und durch die Vermarktung der Überschüsse, wenn sie nicht in größerem Umfang erfolgt, meist nur ein relativ geringes Einkommen erwirtschaftet werden kann, sorgt der Anbau und Verkauf von Kakao für ein durchschnittlich höheres und gesicherteres Einkommen (vgl. nachfolgendes Kapitel). Die Kakaobauern im Dorf verfügen damit über mehr Kapital und einen relativ höheren Wohlstand, was durch die Ausstattung ihrer Häuser und die Neubautätigkeit in der Dorfstruktur zum Ausdruck kommt. Aus zahlreichen Gesprächen ging darüber hinaus hervor, daß sie in der Regel ein Bankkonto besitzen und ein prinzipieller Zugang zu formalen Krediten gewährleistet ist. Dieses Ausmaß an Kapitalausstattung ermöglicht die bereits erwähnte häufigere Anstellung von Fremdarbeitskräften auf den Subsistenzfarmen in Gyankufa. 61 9 Relation von Subsistenz- und Marktproduktion in Gyankufa Die landwirtschaftlichen Familienbetriebe in Ghana lassen sich entsprechend dem Grad der Subsistenz- bzw. Marktorientierung in drei verschiedene Gruppen unterteilen: in ‘subsistenzorientierte’, ‘überwiegend subsistenzorientierte’ sowie ‘marktorientierte’ Betriebe. Während lediglich etwa ein Drittel aller Betriebe (26,4%) rein subsistenzorientiert ist und nur einen sehr geringen Anteil der Erträge (bis zu 10%) vermarktet, hat in den meisten Betrieben in Ghana (54%) eine stärkere Marktintegration zunehmend an Bedeutung gewonnen. Obwohl sie nach wie vor überwiegend subsistenzorientiert sind, werden bereits bis zu 50% der angebauten Produkte auf dem Markt verkauft. Nur knapp 20% der Farmen werden überwiegend zur Vermarktung bewirtschaftet (SARRIS, SHAMS, 1991: 51).

Die Agrarstruktur in Gyankufa ist durch den ‘subsistenzorientierten ‘ sowie ‘überwiegend subsistenzorientierten’ Anbau von Nahrungsmittelkulturen geprägt. Primäres Ziel der bäuerlichen Familien ist damit zunächst die Sicherung des Eigenbedarfs. Eine wichtige Strategie stellt in dieser Hinsicht die Diversifizierung des Anbaus in Form von Mischkulturen dar. Auf dieser Basis ist die Versorgung durch das Jahr hindurch relativ gesichert, auch wenn in Zeiten der Knappheit bzw. in ‘schlechten’ Jahren teilweise Lebensmittel zugekauft werden.

Ein weiteres Ziel der kleinbäuerlichen Familien ist darüber hinaus die Steigerung des Einkommens, sei es durch den Verkauf überschüssiger Produkte auf dem Markt oder weitere ökonomische Aktivitäten im landwirtschaftlichen oder außerlandwirtschaftlichen Bereich. Um zusätzliche Einkommen zu sichern und laufende Kosten für den Haushalt decken zu können, vermarkten viele Haushalte in Gyankufa einen Teil ihrer Anbauprodukte überwiegend auf lokalen Märkten, sofern Überschüsse erwirtschaftet werden können. Der Grad der Vermarktung der lokalen Produkte und die Möglichkeiten des Anbaus werden dabei von vielen Faktoren bestimmt. Dies sind vor allem die Relation zwischen der Farmgröße bzw. ber bewirtschafteten Fläche und der Größe eines Haushaltes, der Verfügbarkeit über Arbeitskräfte und Kapital sowie weitere ökonomische Aktivitäten innerhalb der Familien.

Vor diesem Hintergrund lassen sich bezüglich ihrer Marktintegration in Gyankufa im wesentlichen zwei Gruppen unterscheiden: Zum einen die Familien, die neben den Farmflächen in Gyankufa im Besitz einer Kakaofarm in der Western Region sind, und zum anderen die Familien, die ihre Einkommen im agrarischen Bereich ausschließlich aus dem lokalen Anbau im Dorf erwirtschaften. Beide Gruppen sind auf unterschiedliche Art und Weise in Subsistenz- und Marktproduktion involviert.

Die Familien, die in der Western Region zusätzliches Farmland besitzen bzw. bewirtschaften, produzieren durch den Anbau von Kakao - nach wie vor eines der Hauptexportprodukte Ghanas - ausschließlich für den nationalen Exportsektor und sind somit in den internatinalen Weltmarkt integriert. Durch den Verkauf von Kakao ist es den Familien in der Regel möglich, ein durchschnittlich hohes und gesichertes Einkommen zu erzielen. Der parallel erfolgende Anbau von Nahrungsmittelkulturen in Gyankufa dient dann nahezu ausschließlich der Subsistenz. Lediglich ein geringer Teil der Produktion wird in Zeiten größerer Überschüsse lokal vermarktet. Da wie bereits erwähnt etwa zwei Drittel aller Familien im Dorf eine Kakaofarm in der Western Region bewirtschaften, wird die Agrarstruktur in Gyankufa hierdurch insofern geprägt, daß der Grad der Marktorientierung auf lokale Märkte bei der Mehrheit der Familien relativ gering ist.

Die zweite Gruppe der Familien, die keinen zusätzlichen Kakaoanbau betreiben, ist dagegen stärker auf die Mehrproduktion in Gyankufa und den Verkauf der lokalen Anbauprodukte angewiesen, um hierdurch Einkommen zu erwirtschaften. Diese Familien sind damit 62 wesentlich stärker in nationale - überwiegend lokale, aber auch überregionale - Märkte integriert. Der Anbau von Nahrungsmittelkulturen über den Eigenbedarf hinaus als Verkaufsprodukte gewinnt somit an Bedeutung. Ein wichtiges Hauptanbauprodukt neben Yam und Cassava ist vor allem Mais, der als Cash Crop eine große Rolle spielt und meist direkt an der Farm verkauft wird. Durch den verstärkten Maisanbau kann das Risiko von Ernte- und Einkommensverlusten stärker gestreut werden. Als weitere Strategie der Risikostreuung haben einige dieser Familien begonnen, seit drei Jahren auch mehrjährige Cash Crops in Gyankufa anzupflanzen (vgl. dazu Kap. 9.3).

Die lokale Vermarktung der angebauten Produkte, d.h. der Hauptkulturen Yam, Cassava, Mais, Cocoyam, Plantain sowie der verschiedenen Gemüsesorten, erfolgt entsprechend der Saison auf den lokalen Märkten in der Umgebung, hauptsächlich an den festen Markttagen in den Nachbarorten Goka und Asiri und in kleineren Mengen auf dem täglich stattfindenden, dorfinternen Markt in Gyankufa. Der Transport und der Verkauf der Früchte auf dem Markt ist Aufgabe der Frauen bzw. der ältesten Töchter. Während der Erlös aus dem Verkauf von Yam, Mais, Cassava, Cocoyam und Plantain dem Mann zukommt, behält die Frau lediglich den Erlös aus dem Verkauf der verschiedenen Gemüsearten, um hierdurch die Kosten für den Haushalt zu tragen. Als eigenes Einkommen spielt dieser Erlös dennoch für die meisten Frauen aus dem Dorf eine wichtige Rolle, so daß fast alle von ihnen in der zusätzlichen Vermarktung von Gemüse auf den lokalen Märkten engagiert sind.

Mais und Yam werden darüber hinaus überregional vermarktet. Diese Produkte werden hierbei überwiegend direkt an der Farm verkauft, meist an Zwischenhändlerinnen, die größere Mengen aufkaufen und an Großhändler weiter verkaufen, oder direkt an Großhändler, die den Transport der Produkte nach Sunyani, Kumasi und nach Accra organisieren.

9.1 Einkommensdeterminierende Problemfelder Die landwirtschaftlichen Einkommen, die durch den Anbau und die Vermarktung der lokalen Anbauprodukte erzielt werden können, sind in der Regel relativ gering, was besonders auf die bestehenden Marktstrukturen, die saisonale Preisentwicklung sowie unzureichende Lagerungsmöglichkeiten auf der Ebene der einzelnen kleinbäuerlichen Haushalte zurückgeführt werden kann.

9.1.1 Methoden und Probleme der Lagerung Die Möglichkeiten und Methoden der Lagerung hängen von den jeweiligen Eigenschaften der verschiedenen Anbauprodukte ab. Da Cassava und Cocoyam nach der Reifung im Boden frisch bleiben, können sie nach Bedarf geerntet werden. Nach der Ernte sind sie jedoch nicht für eine Lagerung geeignet, da sie bereits nach wenigen Tagen faulen. Sie müssen daher direkt verarbeitet oder auf den lokalen Märkten verkauft werden. Letzteres trifft ebenfalls auf Kochbananen zu, die nach der Ernte nur etwa eine halbe Woche haltbar sind.

Eine längerfristige Lagerung ist nur bei Yam und Mais möglich, wobei für beide Anbaufrüchte im Dorf bestimmte Lagerungsmethoden angewandt werden. Yam-Knollen werden nach der Ernte an Holzgestellen übereinander gestapelt und festgebunden und mit Bananenblättern oder Zweigen abgedeckt, um sie vor Tieren, Regen und Sonne zu schützen. Auf diese Weise läßt sich Yam drei bis sechs Monate aufbewahren (vgl. Foto ). Die Lagerung von Mais erfolgt in kleinen strohgedeckten Hütten bzw. Speichern aus Holz, die im ganzen Dorf zu finden sind. Nach der Trocknung wird der Mais auf einer Zwischenebene in einiger Höhe über dem Boden aufgestapelt, um die Kolben ebenfalls vor Tieren und 63 Witterungseinflüssen zu schützen. Durch die Lagerung (etwa 1-1½ Monate) soll der Verkauf des Mais auf die Entwicklung des Marktpreises abgestimmt werden.

Als großes Problem bei der Lagerung wurde von den Bauern im Dorf jedoch der Befall von Schädlingen dargestellt, der zu Nachernteverlusten und Wertverlusten beim Verkauf führt. Ein Schutz ist zwar durch Insektizide möglich, diese sind jedoch wegen der knappen Kapitalausstattung für viele Bauern zu teuer seit im Rahmen des Strukturanpassungsprogramms der Regierung die Subventionen abgeschafft worden sind. Aus diesem Grunde müssen die Produkte direkt oder bereits relativ kurze Zeit nach der Ernte verkauft werden, wenn die Preise auf den Märkten niedrig sind.

9.1.2 Saisonale Marktpreisentwicklung Die Marktpreise für die verschiedenen Anbauprodukte unterliegen erheblichen saisonalen Preisschwankungen, da sich die jahreszeitliche Preisentwicklung antizyklisch zum Angebot verhält. Dies hat zur Folge, daß während der Erntezeiten der einzelnen Produkte, wenn das Angebot auf den Märkten hoch ist, die Marktpreise entsprechend niedrig sind. Beim Mais schwanken die saisonalen Preise innerhalb des Jahres auf diese Weise zwischen 20-30% in Relation zum Jahresdurchschnitt (MTADP, 1990: 3/73).

Abbildung 5: Saisonaler Preisindex für Mais

Quelle: MTADP 1990.

Diese Situation spiegelt sich deutlich im Anbaukalender des Dorfes wieder (Vgl. dazu Abb. 3). Während die Preise in der Reifezeit zwischen April und Juli am höchsten sind, beginnen sie ab Juli zu sinken und sind zum Zeitpunkt der Maisernte im August/September schließlich sehr niedrig.

Durch den Verkauf der Produkte auf dem Markt während der Erntezeit können daher nur geringe Erlöse erwirtschaftet werden, so daß die landwirtschaftlichen Einkommen und die Kapitalverfügbarkeit der Bauern relativ gering ist.

Aufgrund der schlechten Verkehrsinfrastruktur und die damit einhergehenden hohen Kosten für den Transport sowie unzureichende Markttransparenz und Informationen über aktuelle Preise, ergeben sich darüberhinaus häufig hohe Preisdifferenzen zwischen den ländlichen 64 Gebieten und den urbanen Märkten. Aus dem ‘Medium Term Agricultural Development Programm’ (MTADP) von 1990 geht hervor, daß die Transportkosten bis zu 70% der Preisdifferenz ausmachen. Die privaten Händler zahlen beim Aufkauf der Produkte an der Farm aus diesem Grunde niedrigere Preise, um die hohen Transportkosten aufzufangen, was sich ebenfalls nachteilig auf die Einkommenssituation der Kleinbauern auswirkt (ISSER 1993: 66).

9.1.3 Auswirkungen der Nationalökonomie Während die Produzentenpreise für die landwirtschaftlichen Produkte sehr stark schwanken und die Erlöse in den Erntezeiten niedrig sind, wurde von den Bauern aus dem Dorf zugleich ein langfristiger Anstieg der Verbraucherpreise festgestellt. Obwohl die Preise für Nahrungsmittel seit dem Beginn der Strukturanpassung 1983 ebenfalls gestiegen sind, konnten sie nicht mit der Preissteigerung im Non-Food- Bereich schritthalten, so daß die Kaufkraft der Kleinbauern insgesamt abgenommen und sich ihre ökonomische Situation verschlechtert hat (PEARCE, 1992: 40). Von dieser Entwicklung sind jedoch nicht nur die Nahrungsmittelproduzenten betroffen, sondern auch die Kakaobauern, die für den Exportsektor und damit für den Weltmarkt produzieren. Obwohl der Kakaoanbau im Rahmen des SAP durch staatliche Anreize weiter gefördert werden soll und die Regierung in diesem Zusammenhang erst vor kurzem den Aufkaufpreis pro Sack Kakao von 50.000 auf 75.000 Cedis heraufgesetzt hat, werden diese Maßnahmen von anderen Faktoren kompensiert. Bei gleichzeitig steigender Inflationsrate und gestiegenen Inputkosten durch den Wegfall der Subventionen in diesem Bereich sind im Endeffekt die Produktionskosten der Bauern gestiegen. Daraus ergeben sich stagnierende oder sinkende Gesamteinnahmen, die zugleich durch die im Verhältnis zu den staatlichen Aufkaufpreisen für Kakao stärker gestiegenen Verbraucherpreisen und Lebenshaltungskosten belastet werden. Obwohl die Einkommen der Kakaobauern in Gyankufa im Vergleich zu den Einkommen der reinen Nahrungsmittelproduzenten nach wie vor höher sind, ist dennoch auch ihre Kaufkraft gesunken.

9.2 Die Bedeutung von Cash Crops in Gyankufa Während in Gyankufa bis vor wenigen Jahren lediglich Nahrungsmittelkulturen angebaut wurden, gewann seit 1993 der Anbau von Cash Crops an Bedeutung. Um ihre Einkommen zu maximieren und längerfristig zu sichern, haben einige Bauern in den letzten drei Jahren haben begonnen Cashew und Teak zu kultivieren. Weitere Bauern wollen diesem Beispiel in näherer Zukunft folgen. Durch den Anbau von Cash Crops zeichnet sich zunehmend ein gewisser Wandel der traditionellen Landnutzungsrechte in Gyankufa ab, der in vielen ghanaischen Gemeinden unter dem Einfluß der allgemeinen Tendenz der Ökonomisierung bereits früher eingesetzt hat. Da es in den letzten Jahren Landkonflikten zwischen den Familien im Dorf gegeben hat, werden beim Anbau von mehrjährigen Cash Crops nun nach der Beendigung der letzten Brache auf den betreffenden Flächen die Landtitel quasi inoffiziell festgeschrieben, obwohl das Land ursprünglich Gemeineigentum ist und die ‘communal land order’ gilt.

Inwieweit sich der Anbau der Cash Crops in Zukunft auf den traditionellen lokalen Anbau von Nahrungsmittelkulturen auswirken wird, ist bisher noch nicht abzusehen. Von einigen Dorfbewohnern wird jedoch befürchtet, daß das Land langfristig für den Anbau der Nahrungsmittel und die Eigenversorgung der Familien zu knapp werden könnte, wenn zuviele Flächen mit Cash Crops bepflanzt werden. Auf der anderen Seite wird im Anbau von Teak 65 und Cashew und die Einrichtung einer Community-Farm eine Zukunftsperspektive für das Dorf und seine Einwohner gesehen. Das hierdurch erzielte Kapital soll

66 10 Zusammenfassende Darstellung der Problemzusammenhänge im Agrarsektor In den einzelnen Darstellungen sind bereits wesentliche Probleme angesprochen worden, die sich beim landwirtschaftlichen Anbau in Gyankufa ergeben. Da sie häufig in enger Beziehung zueinander stehen, sollen die Zusammenhänge noch einmal zusammenfassend dargestellt werden.

Einen komplexen Überblick über die derzeitige Struktur und einen Ausgangspunkt für anschließende Erläuterungen bietet dabei Abb. 6, die den saisonalen Wirtschaftszyklus in Gyankufa sowie die Wechselwirkungen verschiedener - den landwirtschaftlichen Anbau beeinflussender - Faktoren zusammenfassend darstellt.

Vor diesem Hintergrund müssen letztendlich die folgenden Problemfelder analysiert und beurteilt werden: Der Rückgang der Bodenfruchtbarkeit, der durch die Verkürzung der Brachezeiten verursacht wird, sowie die zunehmende Veränderung der Niederschlagsverhältnisse mit längeren Trockenzeiten und einer erhöhten Gefahr von Buschbränden und Ernteverlusten haben dazu geführt, daß die Erträge allmählich zurückgehen und dadurch geringere Einkommen erwirtschaftet werden können.

Diese werden darüber hinaus entscheidend dadurch determiniert, daß die Anbauprodukte durch die unzureichenden Lagerungsmöglichkeiten direkt nach der Ernte auf dem Markt verkauft werden müssen, wenn die Preise niedrig sind.

Durch die geringeren Einkommen und die knappe Kapitalausstattung vieler Haushalte fehlt häufig wiederum Kapital für den Einsatz von Fremdarbeitskräften in den Zeiten stärkster Arbeitsbelastung - hauptsächlich für die Rodungsarbeiten - da Arbeitskräfte knapp und teuer geworden sind. Zudem führt der Mangel an Kapital dazu, daß keine Insektizide zum Schutz vor Schädlingen eingesezt werden können, um Ernte- bzw. Nachernteverluste zu verringern.

Um ihre Einkommen langfristig zu sichern und die Versorgung der Familien zu gewährleisten, hat die überwiegende Mehrheit der Bauern die Absicht, ihre Anbauflächen entsprechend zu expandieren. Bei einer Vergrößerung der Farmflächen erfordert der entsprechende Mehraufwand für den Anbau jedoch wiederum den Einsatz von zusätzlicher Arbeitskraft, die generell knapp und von den finanziellen Möglichkeiten der Bauern abhängig ist.

Diese und andere Probleme werden mittelfristig zu einer Veränderung der bestehenden Strukturen im Agrarbereich führen, die in ihren Konsequenzen heute noch nicht abgeschätzt werden können.

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Abbildung 6: Saisonaler Wirtschaftszyklus, Gyankufa (Ghana) Monate Ökologische Landwirtschaftliche Aktivitäten Auswirkungen auf Markt- und Kakaoanbau Bedingungen Anbau Ernte Arbeitsbelastung Preisentwicklung Wanderbewegungen Dezember Trockenzeit Vorbereitung der Arbeit der Männer, Männer, die in der W-Region Januar Anbauflächen: Flächen hoher Arbeits-aufwand bleiben, schicken i.d.R. Geld für roden, brennen => saisonale Arbeitskräfte Anwerben von Fremdarbeitskräften (Kapitalaufwand) Ernte von Yam und ab Niedrige Marktpreise für Yam Januar Cocoyam (vom und Cocoyam Vorjahr) Februar Beginn der Anlegen der Erdhügel Arbeit der Männer, z.T. Preise für Cocoyam niedrig, Männer kehren i.d.R. aus der W. März Regenzeit - für Yam, Arbeitskräfte Preise für Yam steigen, Region zurück Erste Niederschläge Preise für Cassava nicht Anfang März Anpflanzung von Yam, Pflanzen i.d.R. Arbeit saisonabhängig, da sie im Boden Cassava, Mais und der Frauen „gelagert“ werden können. Plantain Ernte von „spätem“ Preise für Mais und Plantain Yam, Cocoyam und hoch Cassava April Hauptregenzeit Jäten Arbeit der Frauen Mai Juni arbeitsintensiv => z.T Juli mit fremden Arbeitskräften Ernte von Cocoyam (Kapitalaufwand) Preise für Cocoyam weiter (bis Juni) niedrig, ab Juli hoch August Übergangszeit Beginn der Haupternte; Ernte von Mais Arbeit der ganzen Preise für Mais niedrig Einige Männer wandern in die W. (z.T. noch Jäten; Familie (nur Preise für Cocoyam hoch) Region, z.T. von Frauen begleitet Anpflanzen von Plantain) September Zweite Regenzeit Erntezeit Ernte von Mais, Arbeit der ganzen Preise für Mais und Yam niedrig Männer sind zur Kakaoernte in der Oktober Cassava, ab November Familie Preis für Cocoyam fällt W. Region, im September z.T. auch November Zweite Jätezeit Yam die Kinder Arbeit der Frauen, z.T. Arbeitskräfte Quelle: Gertel, Haack, Kruk, Feldaufenthalt 1996. Aufarbeitung und Zeichnung: Haack 1997. 68

11 Ursachen sozialen Wandels in Gyankufa am Beispiel des Einflusses einer internationalen Organisation In Kapitel 8 wurde bereits ein bedeutender Prozeß der sozioökonomischen Transformation in Gyankufa, ausgelöst durch den Kakaoanbau in der Western Region, analysiert. Im folgenden soll die Untersuchung gegenwärtiger Prozesse des sozialen Wandels im Zentrum der Analyse stehen. Der Fokus wird dabei auf dem Einfluß einer internationaler Entwicklungsorganisationen liegen.

Erste Kontakte zu einer internationalen Organisation wurde in Gyankufa 1936 hergestellt, als die katholische Kirche einen Missionar, Vater John Biawuo, in das Dorf entsandte. Weiterhin etablierte sich 1941 eine weitere geistliche Gemeinde, die presbyterianische Kirche, in Gyankufa.

Durch die Gründung dieser Kirchen, wurden erste Transformationen innerhalb der Dorfgemeinschaft ausgelöst, da durch die Christianisierung westliche Werte, Normen und Images vermittelt wurden. Durch die Zirkulation dieser Images wurden Bedürfnisse nach einer Entwicklung geweckt, deren Ursprünge nicht unbedingt aus der lokalen Bevölkerung selbst kamen. Die traditionelle Religion begann an Bedeutung und Einfluß zu verlieren.

Durch die Gründung der römisch katholischen Grundschule 1947 konnten diese fremden Images schon in der frühen Sozialisationsphase an die Kinder weitergegeben und multipliziert werden.

11.1 World Vision International Fünfzig Jahre nach der ersten christlichen Niederlassung in Gyankufa wurde schließlich World Vision International (WVI), eine internationale Entwicklungs- und Hilfsorganisation mit christlichen Hintergrund, in Gyankufa tätig.

Der Kontakt zu World Vision wurde durch Chief Commander Manu von der Polizeistation Zongu in Kumasi hergestellt. Chief Commander Manu stammt selbst aus Gyankufa und ist der erste Ansprechpartner für alle Entwicklungsvorhaben im Dorf. Er vertritt die Dorfbevölkerung bei allen wichtigen Angelegenheiten (z.B. bei Konflikten mit dem modernen Staatsapparat) aufgrund seiner sozialen Stellung nach außen. Dies zeigt wiederum beispielhaft, wie das traditionelle Herrschaftssystem durch moderne sozioökonomische Transformationsprozesse aufgebrochen worden ist. Der Chief ist zwar der offizielle Repräsentant des Dorfes und ohne seine Zustimmung können keine offiziellen Handlungen durchgeführt werden, aber aufgrund seiner Ausbildung und seiner sozialen Stellung innerhalb des modernen Systems ist Chief Commander Manu der inoffizielle Repräsentant der Dorfbevölkerung.

Gyankufa war bei Beginn der Zusammenarbeit mit World Vision International 1986 die vierte Gemeinde in der Brong Ahafo Region in der WVI tätig wurde.

Die Zusammenarbeit mit Gyankufa war auf 10 Jahre angelegt, sie läuft 1997 aus. Bis 1996 wurden u.a. folgende infrastrukturelle Baumaßnahmen durchgeführt:

→ 1987: drei Klassenräume für einen Kindergarten → 1988: drei Klassenräume für eine Junior Secondary School (JSS) 69

→ 1989: zwei KVIP Toiletten für je 10 Personen → 1990/91: sechs Klassenräume für die Röm/Kath. Grundschule → 1992: Community Clinic / JSS Workshop → 1993: sechs Klassenräume für die Presby. Grundschule → 1994: drei Rain Catchement Tanks → 1995/96: sechs Räume für eine Lehrerunterkunft

Neben den rein baulichen Maßnahmen wurde WVI auch in den Bereichen Gesundheit und Ernährung, Landwirtschaft und Bildung tätig. In einem Gespräch mit dem Verantwortlichen des Regionalbüros von World Vision International in Sunyani wurden die von WVI anvisierten Ziele der Projektzusammenarbeit mit Gyankufa näher erläutert:

1. Im Bereich Bevölkerung, Gesundheit und Ernährung sollten/sollen in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium folgende Maßnahmen durchgeführt werden: a) Gesundheitsvorsorge: Versorgung mit Inputs wie Medikamente etc.; Gesundheitserziehung, v.a. für Frauen; jeden Monat sollen Beratungsgespräche mit Mitarbeitern des Gesundheitsministerums durchgeführt werden. b) Kindergartenprogramm: Gemeinsames Essen; durch die Versorgung im Kindergarten soll gegen Unterernährung und Fehlernährung vorgebeugt werden. c) Toilettenbau: Krankheiten und v.a. die Kindersterblichkeit sollen dadurch reduziert werden. d) Familienplanung: durch das District Health Management Team (DHMT) sollen Seminaren zur Familienplanung einmal pro Monat durchgeführt werden.

2. Im Landwirtschaftssektor wurde angestrebt die folgenden Projekte zu kreieren: a) Kreditmöglichkeiten über eine Kreditvereinigung zu schaffen. b) Fortbildungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Ministry of Food and Agriculture (Bereitstellung von Beratern) in den Bereichen Farm Technologie, Benutzung von Agric Chemicals, Vorbeugung von Nachernteverlusten (Lagerung / Marketing), Diversifizierung der Anbauprodukte, Förderung der Viehzucht durchzuführen. In Planung ist die Einführung von Bienenzucht zur Honiggewinnung (z.Z. finden dazu Workshops statt).

3. Im Bildungsbereich liegt der Schwerpunkt auf der Grundschulausbildung (wobei eine enge Zusammenarbeit mit dem Ministry of Education angestrebt wird). Daneben sollen nicht- formale Bildungsmaßnahmen in der Erwachsenenbildung durch WVI unterstützt werden. Mit diesen informellen Bildungsmaßnahmen sollen v.a. die Frauen angesprochen werden. Wegen zeitlicher Limitierung, und / oder aufgrund der negativen Einstellung einiger Ehemänner den Bildungsangeboten gegenüber, können die Frauen die täglich stattfindenden Kurse jedoch häufig nicht regelmäßig besuchen.

4. World Vision International hat die Einführung einer Kreditvereinigung in Gyankufa angeregt, mit dem Ziel, zukunftsträchtige Investitionen zu unterstützen. Dabei soll der Schwerpunkt auf einer Verbesserung der Einkommenssituation v.a. der Frauen liegen. Anvisierte Aktivitäten sind die Seifenherstellung und der Aufbau von Kleinhandel (siehe Kap. 13).

5. Um die Bewohner von Gyankufa in die Lage zu versetzen, zukünftig Projekte in eigener Regie durchzuführen wurde fünf Dorfbewohnern Management- und Buchhaltungskenntnisse vermittelt, um u.a. die notwendigen Bücher der Kreditvereinigung zu führen. 70

Bei den Entwicklungsmaßnahmen mußten sich die Bewohner an ca. 1/3 der Kosten beteiligen und ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen.

Wenn ein Projekt durchgeführt werden soll, wird eine Dorfversammlung einberufen und diskutiert wieviel der jeweilige finanzielle Beitrag pro aktives Gemeindemitglied betrage soll. In der Regel beläuft sich dieser Betrag auf ca. 5000-6000 Cedis (1000 Cedis entsprechen 1996 ca. 1,- DM).

Da es in Gyankufa keine Community Farm gibt, muß jeder auf seiner Farm soviel anbauen, daß noch Geld für diese Entwicklungsmaßnahmen zur Verfügung steht.

11.2 Exkurs: Kredit-Vereinigung Der folgende Exkurs basiert auf einem Interview mit dem Vorsitzenden und dem Schatzmeister der Gyankufa Kredit-Vereinigung.

Die Kredit Vereinigung wurde 1992 durch World Vision gegründet. Zur Zeit gibt es in der Sparvereinigung 141 Mitglieder, davon 50 Frauen. Um Mitglied zu werden, ist es notwendig eine einmalige Gebühr von derzeit 4000 Cedis zu zahlen.

Die meisten Mitglieder der Kredit-Vereinigung sind Kakaobauern oder deren Frauen. Dies impliziert, daß es nur unregelmäßig Mitgliederversammlungen geben kann, da die Kakaobauern saisonal in der Western Region sind.

Kredite wurden zu Beginn ausschließlich im landwirtschaftlichen Bereich vergeben. Aufgrund schlechter Rückzahlungsmoral wurden die Vergabebedingungen jedoch reformiert. Zum einen wurde eine Informationsprogramm durchgeführt, das über die Modalitäten einer Sparvereinigung aufklärt, und zum anderen wurde die Spannbreite der Bereiche für eine Krerditvergabe erweitert, um auch Investitionen, die nicht im landwirtschaftlichen Bereich liegen zu ermöglichen. Zur Zeit werden vorwiegend Kredite für Hausbau, Landwirtschaft, Schulgebühren, Handel oder auch für Schuldentilgung an Dritte aufgenommen.

Die Kredite besitzen generell den Charakter von Revolving Loans.

Es muß mindestens einmal im Monat ein festgelegter Betrag eingezahlt werden. Die Kredite, welche die Mitglieder bekommen können richten sich nach deren erspartem Guthaben. Die Rückzahlungen werden mit 2% Zinsen belastet (im Höchstfall 5%, dies wird jeweils von der Vereinigung und bis 1997 von WVI festgelegt). Das Gesparte wird mit 5% verzinst.

Möchte jemand einen Kredit bekommen, so ums er jeweils eine andere Person finden, die für ihn, bzw. für den zweiten Teil des Kredites bürgt. Hat jemand z.B. 50.000 Cedis gespart, muß er eine zweite Person in der Vereinigung finden, die auch mindestens 50.000 Cedis gespart hat, die dann für ihn/sie bürgt, so das er/sie 100.000 Cedis erhalten kann. Als Garantie wird auch das eigene Farmland (wenn nachgewiesen werden kann, daß das Land auch tatsächlich im Besitz der Person ist) oder die voraussichtliche Ernte des bestellten Land anerkannt. Das maximale Kreditvolumen kann dann den dreifachen Betrag der eigenen Einlagen umfassen. Die Eigenersparnisse verbleiben auf dem Konto und dienen als zusätzliche Sicherheit.

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Die Rückzahlung erfolgt nach ca. einem Jahr wobei der gesamte Kreditbetrag auf einmal getilgt wird. Normalerweise ist dies nach der Haupternte der Fall (i.d.R. Kakao Ernte). Kredite werden an alle Mitglieder der Kreditvereinigung vergeben, auch wenn sie z.B. das Geld in der Western Region investieren. 1996 wurden bis zum Zeitpunkt des Interviews (30.08.96) bereits 7 Millionen Cedis an Krediten ausgezahlt (6 Millionen stammen davon von WVI, 1 Millionen aus den Ersparnissen). Die Gewinne der Kredit Vereinigung werden bis zu höchstens 10% für Bildungsprojekte (z.B.: Aufklärung über die Rückzahlungsmoral), für den Hauptsitz in Accra und für Spesen der Mitglieder ausgegeben (Reisekosten). Die Restlichen 90% verbleiben als Rücklagen. Laut dem Vorsitzenden der Kreditvereinigung wird die Mitgliederzahl zukünftig steigen, da das Education Commitee der Kreditvereinigung verstärkt für eine Mitgliedschaft unter der Bevölkerung wirbt, und diese auch mehr Interesse an einer Teilnahme zeigt. Dies konnte durch eigene Beobachtungen des ASA Teams bestätigt werden.

11.3 Nebeneffekt der Entwicklung: Christianisierung Die Zusammenarbeit Gyankufas mit WVI läuft im September 1997 aus. Das Studienvorhaben sah inhaltlich keine Evaluierung eines Entwicklungsprojektes vor, da zu Beginn des Aufenthaltes noch nicht bekannt war, welches Dorf in der Brong Ahafo Region untersucht werden sollte. Zufällig wurde das Vorhaben in einem Dorf realisiert, in dem WVI seit ca. 10 Jahren tätig ist. Aufgrund der gesellschaftlichen Transformationsprozesse, die WVI mit seiner Arbeit in Gyankufa ausgelöst hat, muß an dieser Stelle aber auch eine Analyse dieser Prozesse vorgenommen werden.

Die Arbeit von WVI in Gyankufa war sicherlich erfolgreich und wird auch von allen interviewten Personen aus Gyankufa so beurteilt. Insbesondere wird die verbesserte Infrastruktur im Bildungsbereich sehr positiv bewertet.

Durch die Zusammenarbeit mit WVI haben sich aber Veränderungen in der Sozialstruktur ergeben, die von Seiten der Verantwortlichen von World Vision aus dem Regionalbüro in Sunyani als ‘gute’ Veränderungen angesehen werden, hier aber nicht beurteilt werden sollen.

Durch die Tätigkeit von World Vision hat sich der Anteil der Christen im Dorf sehr stark erhöht, so daß zur Zeit ca. 95% der Bewohner Christen sind. Vor der Zusammenarbeit mit WVI lag der Anteil der Christen bei ca. 20%.

Vor 1984 gab es nur zwei Kirchen in Gyankufa, mit wenigen Mitgliedern, heute gibt es fünf: 1. Catholic Church: 300-400 Erwachsene Mitglieder 2. Presbyterian: 250 ‘-’ 3. Pentecoast: 100 ‘-’ 4. New Apostolic: 75 ‘-’ 5. Assemblies of God: 6 ‘-’

Laut WVI stand die traditionelle Religion mit ihren vielfältigen Tabus einer ‘modernen Entwicklung’ entgegen. Darüberhinaus hätten die Menschen einen Großteil ihrer Ersparnisse an die Fetisch Priesterin gegeben. An dieser Stelle ist allerdings anzumerken, daß der soziale Druck einer Gabe in den Kirchengemeinden wesentlich offensichtlicher zu Tage tritt, da die Kollekten halböffentlich durchgeführt werden und es teilweise zu einem Wettkampf zwischen verschiedenen Parteien über die Höhe der Kollekte kommt.

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World Vision International betont, daß es nun keine Hexen- oder Hexerverfolgungen mehr gibt, und der traditionelle Glaube nicht mehr dominiert.

Die Aussagen der interviewten Personen sind allerdings zum Teil ambivalent. Viele betonen, daß sich in den Traditionen wenig geändert hat, so z.B. eine der zwei Fetisch Priesterinnen aus Gyankufa; andere wiederum, meist Christen, sehen die Traditionen mittlerweile als ‘Teufelswerkzeuge’ an. Aussagen wie ‘I hate tradionalists’ stehen ‘nothing has changed in the traditions’ gegenüber.

Veränderungen in den Traditionen wurden v.a. von den älteren Einwohner wahrgenommen.

Was sich auf jeden Fall geändert hat, ist die Einschränkung der Tabutage. Da die Tabutage überhand nahmen, kam es manchmal dazu, daß eine Woche lang gar nicht auf der Farm gearbeitet werden durfte. Um Konflikte in der Gemeinde zu vermeiden, hat der chief zusammen mit dem Ältestenrat eingeführt, daß es neben dem christlichen Sonntag nur noch einen weiteren Tabu Tag in der Woche gibt, an dem es z.B. verboten ist auf der Farm zu arbeiten. Dieser Tag rotiert wöchentlich, um allen gerecht zu werden. Ist Montag z.B. Tabu Tag, so ist es in der folgende Woche der Dienstag, etc. Der Sonntag ist immer christlicher Feiertag.

Niemand geht an einem Tabu Tag zur Farm. Die Zeit soll genutzt werden um häusliche Aktivitäten und Reparaturarbeiten auszuführen. Chief Nana Saana Bediatuo führt zu den Veränderungen in den Traditionen der letzten 20 Jahre aus: During the past 20 Years they used to praise to small ghosts and have seen the priest of these small ghosts for consultation and maybe for protection and all these things, but now, because of coming of Christianity they do not adheld to those things again. And because of the coming of Christianity there have been so many taboo-days, so that on different parts of the farmland could not worked on different days, but now they made it as one - as a result of chiefs activity’ (NANA SAANA BEDIATUO, 25.09.96). In Bezug auf die Rolle der Fetisch-Priesterin erläutert er: when he was becoming chief, at first he was not a Christian but now he is a Christian but he does not sustain the Fetish priest, but the priest does sometimes something to help the town (ebd.). Laut dem Vertreter von WVI in Sunyani ergaben sich weitere Veränderungen durch WVI im Gesundheits- und Ernährungsbereich. So würden z.B. bestimmte nicht funktionelle Heilpraktiken nicht mehr angewandt werden.

Außerdem änderte sich die Zusammensetzung der Komitees dahingehend, daß WVI darauf bestand, das der Frauenanteil in diesen Entscheidungsgremien erhöht werden mußte, bzw. Frauen in die Gremien aufgenommen werden mußten.

Die wohl gravierendste Veränderung innerhalb der sozioökonomische Struktur Gyankufas wurde zwar nicht durch WVI direkt ausgelöst, hängt aber unmittelbar mit der Entwicklungszusammenarbeit in Zusammenhang.

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11.4 Transformation beim Zugang zu Land Im Kapitel 7.2 wurden die Landnutzungsrechte in Gyankufa bereits erläutert. An dieser Stelle soll auf einen Prozeß hingewiesen werden, der einen Wandel der Landnutzungsrechte langfristig nach sich ziehen kann. Bis 1993 war es in Gyankufa verboten cash-crop-Produkte anzubauen. Diese Regelung wird auch von der Mehrzahl der Befragten befürwortet, da durch einen gesteigerten Cash-Crop-Anbau langfristig die zur Verfügung stehende Anbaufläche für Subsistenzprodukte zu klein werden wird.

Die Zusammenarbeit mit VWI beinhaltet aber, wie oben bereits erwähnt, auch eine finanzielle Beteiligung der Gemeinde an den Entwicklungsvorhaben. Daher muß jedes aktive Mitglied der Gemeinde einen finanziellen Beitrag zu jedem Vorhaben leisten. Nicht jeder besitzt aber ein relativ gesichertes Geldeinkommen, z.B. aus einer Kakao Farm. Um dies auszugleichen genehmigte der Chief in Absprache mit dem Ältestenrat den Cash-Crop-Anbau in Gyankufa für die Farmer, die keine Kakao Farm in der Western Region haben.

Wie bereits in Kapitel 9.3 erläutert wird gegenwärtig verstärkt Cashew und Teak in Gyanufa angebaut. Der Prozeß, der dadurch einsetzt, ist, daß diese mehrjährigen Pflanzen für einige Jahre ein bestimmtes Landareal okkupieren. Mittelfristig kann auf diesem Areal nichts anderes angebaut werden, daher wird ein Landtitel für das betreffende Areal quasi inoffiziell festgeschrieben. Es wird bereits von einigen Farmern aus Gyankufa angestrebt, Besitzrechte für solches Land staatsrechtlich festschreiben zu lassen. Dies kann nach der Implementierung der Dezentralisierungsmaßnahmen des Staates bei der District Assembly beantragt werden. Die staatlichen Landvermesser sollten zwar auch die traditionellen Führer konsultieren, aber die Handlungsweise der Personen aus der Stadt, die das Land vermessen und den Titel eintragen sind in der Praxis häufig strategisch bestimmte Handlungen und eine Einigung über die Landtitelvergabe läßt sich gewiß auf die eine oder andere Weiße erzielen.

Daher unterliegt die Ressource Boden einem Transformationsprozeß vom communal property hin zum private property. ASENSO-OKYERE et al. (1993:20) bezeichnen diesen Prozeß als Desocialisation of Land. Es werden keine Nutzungsrechte mehr vergeben, sondern Land wird kommodifiziert, es wird zum Besitz, zu einer privaten, marktwirtschaftlichen Ware. The desocialisation of a communal property resource such as land implies that the right in land - both use rights and transfer rights have been privatised (ASENSO-OKYERE et al., 1993:20). ASENSO-OKYERE et al. identifizieren in ihrer Studie ‘Communal Property Resources in Ghana: Policies and Prospects’ Gewinner und Verlierer dieses Prozesses der Kommodifizierung und Kommerzialisierung von Land. Die neue Klasse der Landeigentümer sind sicherlich Gewinner dieses Wandels. Diskutierenswert ist die Auffassung der Autoren, daß Frauen von diesem Prozeß profitieren werden, da sie traditionell nur sehr eingeschränkt Zugang zu Land haben, jetzt aber in der Lage sind, es über den Markt zu erwerben (ebd. 27). Diese These kann allerdings hier nicht bestätigt werden, da der Transformationsprozeß in Gyankufa erst am Anfang steht, so wie er überhaupt von Süd- nach Nordghana durchzusickern scheint. Die Studie der Autoren bezieht sich bezeichnenderweise hauptsächlich auf Südghana. Fraglich scheint es vielmehr zu sein, ob Frauen im ausreichenden Besitz finanziellen Mittel sind Land zu erwerben. Weiterhin stellt sich die Frage ob nicht andere soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. soziale Netzwerke für Frauen von größerer Bedeutung sind, als Landbesitz.

Als Verlierer sehen ASENSO-OKYERE et al. die zukünftigen Generationen Ghanas an, da sie in eine Lebenswelt geboren werden, wo die ursprünglich ‘frei’ zugänglichen Ressourcen nur 74 noch über den Markt erworben werden können (ASENSO-OKYERE et al., 1993:27/28) (Dazu ist sicherlich anzumerken, daß der Zugang zu Land noch nie wirklich frei war, sondern über den Chief oder die Priester geregelt wurde).

In Bezug auf die ländlichen Regionen sehen die Autoren ein Schwinden der Autorität der traditionellen Führer: Desocialisation has also diminished the authority of the chiefs and reduces their income. Most of the power that chiefs possessed in the past was derived from their ability to allocate or refuse to allocate community land to their subjects as principal custodians of the land and its resources. With most of the land taken out of community control the chiefs are losing gradually their power base. It was possible for the chief to request for some services including help on his farm from indigenous who have been allocated communal land. These services have been minimal with decreasing control of the communal property by the chief (ASENSO-OKYERE et al., 1993:28). An dieser Stelle ist es sicherlich noch nicht absehbar, welchen Verlauf und welches Ausmaß dieser Transformationsprozeß in Gyankufa annehmen wird, es soll aber darauf hingewiesen werden, daß die Position der Frauen in diesem Prozeß hier weniger positivistisch eingeschätzt wird.

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12 Zukünftige Entwicklungsaussichten Durch die Arbeit von WVI in Gyankufa sind besonders im Bildungsbereich neue Möglichkeiten für die Jugendlichen in Gyankufa geschaffen worden. Neben der Grundschulausbildung ist es möglich im Dorf selbst die Sekundarstufe I zu besuchen. Fraglich bleibt allerdings was die junge Generation mit einem eventuellen Schulabschluß der JSS gewinnt. Selbst wenn sie die Möglichkeit haben sollten, eine Sekundarstufe II in der näheren Umgebung zu besuchen, sind doch die Zukunftsaussichten für die Jugendlichen schlecht. Viele wissen auch daher noch nicht, was sie nach Abschluß der Schule für einen Beruf ausüben sollen. Fest steht für viele, daß die Farmarbeit keine Alternative ist, auch da das Land in der Region allmählich knapp wird, sowohl in der Western Region, als auch in Gyankufa.

Manche sehen in der Migration in die Städte eine Alternative, sie betonen dabei aber, daß der Weg zurück nach Gyankufa offen bleiben sollte.

Viele würden eine Verbesserung der momentanen Situation in einer Elektrifizierung des Dorfes sehen. Mit Elektrifizierung werden Begriffe wie Entwicklung, Modernisierung und Fortschritt verbunden, auch wenn diese Begriffe sonst bei vielen lediglich benutzt werden, ohne eine klare Vorstellung von den Inhalten zu haben. Elektrifizierung würde in den Augen der meisten Jugendlichen zum einen die Lebensqualität steigern, zum anderen könnte dadurch ein industrielles Kleingewerbe entstehen.

Ähnlich sieht der Chief die Situation der Jugendlichen, er führt aus, daß die Aussichten der Jugendlichen in Gyankufa momentan schlecht sind. Sollte es in Zukunft neben der Landwirtschaft keine Alternativen in Gyankufa geben, z.B. Kleingewerbe oder kleinere Industrien, werde wohl ein Großteil der Jugendlichen in die Städte abwandern, um dort Geld zu verdienen. Daher sind sie auch ständig auf der Suche nach neuen Projekten, um Gyankufa zu entwickeln. Eine weitere Alternative wäre eventuell vermehrt den Cash-Crop-Anbau in Gyankufa zu fördern, dies sieht er aber auch problematisch, da das Land dazu wahrscheinlich nicht ausreiche.

Die nächsten Projekte die in Gyankufa anstehen sind ein Wasserprojekt, der Ausbau der Behindertenorganisation und der Bau einer Rural Clinic.

Das Wasserprojekt wird noch von WVI eingeleitet. Es sollen zwei weitere Pumpen in Gyankufa installiert werden, um die Trinkwasserversorgung langfristig sicherzustellen. WVI will dies aber nicht mehr direkt unterstützen, sondern versucht Gyankufa mit der District Assembly in Verhandlungen treten zu lassen, damit die District Assembly die Arbeit von WVI weiterführt und auf eine langfristige Basis stellt. In Anbetracht der mangelnden finanziellen Ausstattung der District Assemblies scheint dies aber ein sehr mühevoller Weg zu werden.

Der Ausbau der Behindertenorganisation steht an zweiter Stelle der Wunschliste. Dazu fehlen aber, wie oben bereits erwähnt, die finanziellen Mitteln.

Sicherlich ein Traum für die nahe Zukunft wird die Einrichtung einer eigenen Rural Clinic bleiben.

Teil C

Analyse auf der Mikroebene

76 13 Analyse auf der Mikroebene: Die Aktionsräume der Männer und Frauen von Gyankufa In den vorausgegangenen Kapiteln ging es um allgemeine Darstellungen, deren analytischer Bezugspunkt entweder die gesamte Dorfgesellschaft oder zumindest ein Großteil davon war. Die damit eingenommene makroperspektivische Ebene soll nun verlassen werden. Die Vorgehensweise in diesem Kapitel ist die Analyse und Betrachtungsweise einer kleineren Untersuchungseinheit, es soll der Wechsel zur Mikroebene vollzogen werden. Zentrales Ziel dabei ist die Annäherung an den Menschen, an seine individuellen und subjektiven Handlungen und den diesen Handlungen zugrunde liegenden Entscheidungsvorgängen.

Die Handlungen der Individuen sollen dabei als ‘Aktionen’ begriffen werden, welche in ‘Räumen’ stattfinden, man spricht auch von sogenannten ‘Aktionsräumen’ menschlichen Handelns. Dabei ist zu beachten, daß sich der Raum, auf den sich diese Analyse bezieht, nicht nur auf den geographisch-physischen Raum beschränken soll. Vielmehr soll in Anlehnung an die neuere geographische Entwicklungsforschung hier vor allem auch der soziale, der politische und der ökonomische Raum im Zentrum der Analyse stehen (LASH / URRY, 1994; GREGORY, 1994; JOHNSTON, 1994(3)). Denn erst die Gesamtheit der genannten Handlungs- oder Aktionsebenen stellt den ‘abstrakten Raum’ dar, innerhalb dessen Menschen handeln. Der Begriff ‘Raum’ kann somit hier als gedankliches Konstrukt betrachtet werden, das Bühne sozialer Kommunikation und damit auch sozialer Handlung ist (WERLEN 1995).

Bevor wir uns einer eingehenden Beschreibung dieser sozialen Handlungen in den einzelnen Aktionsräumen widmen (vgl. Kapitel 13.1 bis 13.6), sollen zunächst die zentralen Begriffe ‘Handlung’, ‘Handlungsrationaliät’, ‘Handlungsmuster’, ‘Handlungsspielraum’, ‘Reichweite eines Handlungsspielraumes’ und ‘Aktionsraum’ inhaltlich näher beschrieben werden. Im folgenden erarbeiten wir in Übereinstimmung mit anderen Autoren oder in eigener Fortentwicklung ihrer Hypothesen Definitionen dieser Schlüsselbegriffe.

Der Sozialgeograph WERLEN (1995: 519). versteht Handlung ‘als menschliche Tätigkeit im Sinne eines intentionalen Aktes [...] bei dessen Konstitution sowohl sozial-kulturelle, subjektive wie auch physisch-materielle Komponenten bedeutsam sind’. Dieser sozial- individuellen Herangehensweise und Festlegung vom Begriff Handlung wollen wir uns im Kontext dieser Studie anschließen. Die holistische Betrachtung von dem Individuum in seiner ganz persönlichen Handlungssituation und von den zahlreichen Einflußfaktoren auf diese Situation (Sozialisation, Kultur, persönliche Vorlieben und Bewertungen, materielle Ausstattung,...) ist unseres Erachtens nicht nur generell wichtig für möglichst realitätsnahe Deutungen. Vielmehr wird bei Forschungen im fremdkulturellen Kontext die Miteinbeziehung aller sozio-kulturellen Rahmenbedingungen für die Interpretation von eigenen Beobachtungen geradezu obligatorisch. Andernfalls geht der Forscher aufgrund seiner eurozentristischen Prägung und Sichtweise das Risiko ein, schwerwiegende Fehldeutungen in Kauf zu nehmen.

Eine erste Annäherung an die ganzheitliche Betrachtung von Handlung ist das Bemühen um das Verstehen der individuellen Handlungsrationalität. Dem Handeln des Menschen liegen immer Entscheidungsprozesse zugrunde, die Inhalt und Zeitpunkt der jeweiligen Handlung bestimmen. Diesen Entscheidungsprozessen wohnt die individuelle Handlungsrationalität inne. Unter Handlungsrationalität versteht man das Zusammenspiel und die gegenseitige Beeinflussung der folgenden zwei Mechanismen: zum einen das individuelle Bewußtsein über sich und die Umwelt und zum anderen das Denken in einem subjektiv sinnvollen Zusammenhang, wodurch alle ins Bewußtsein vorgedrungenen Wahrnehmungen bewertet werden. Aus der Kombination von Bewußtsein, Wahrnehmung, Denken und Bewertung von 77 Ereignissen resultiert das individuelle Bedürfnis, eine Handlung mit einer bestimmten Absicht zu vollziehen.

Sowohl das menschliche Handeln als auch die ihm zugrunde liegende Handlungsrationalität sind von gesellschaftlichen, historischen und ökonomischen Faktoren geprägt, was weiter oben bereits angeführt worden ist. Diese Faktoren zeichnen sich auch verantwortlich für die Ausprägung von bestimmten Handlungsmustern, welche als Gruppe von sich wiederholenden Handlungen in einem bestimmten Kontext betrachtet werden können. Handlungsmuster gehen dabei über das Individuum hinaus, sie sind übergreifend bei mehreren Personen einer sozialen oder kulturellen Gruppe etabliert. Dabei folgen besonders die räumlich wirkenden und somit für Außenstehende wahrnehmbaren Handlungsmuster einem normativ vorgegebenen Ideal. Dieses Ideal wird durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen, kulturellen oder sozialen Gruppe vermittelt, in der das Individuum sozialisiert wurde. Innerhalb einer solchen Gruppe werden normative Handlungsmuster in Form von Traditionen standardisiert und institutionalisiert. Besonders in ländlichen Regionen Afrikas existiert bezüglich der Einhaltung solcher idealtypischen Handlungsmuster eine starke soziale und normative Kontrolle. Deshalb sind die gesellschaftlichen Spielräume und die räumlichen Reichweiten abweichender, individueller Verhaltensmuster relativ gering.

Die Gesamtheit aller für eine Person potentiell möglichen Handlungsmuster nennt man Handlungsspielraum. KLINGBEIL (1978: 52) definiert Handlungsspielraum als ‘Bedingungsraum, in dem individuelles raumrelevantes Handeln abläuft’. Die Bedingungen dieses Raumes werden dabei maßgeblich von dem jeweilig gesellschaftlich vorgegebenen Rahmen beeinflußt. Soweit können wir KLINGBEIL auch zustimmen und übernehmen damit seine Definition.

Problematisch in ihrer Übertragbar- bzw. Anwendbarkeit für unser Vorgehen werden jedoch seine weiteren Ausführungen zum Begriff der Reichweite eines Handlungsspielraumes. Allgemein gilt, daß jeder Handlungsspielraum von Reichweiten des individuellen Handelns eingegrenzt wird. Diese Reichweiten sind zu einem gewissen Anteil sozio-kulturell festgelegt; sie können jedoch in anderen Bereichen von dem Individuum flexibel gehandhabt werden. In Studien zu Handlungsspielräumen in industriellen Gesellschaften (KLINGBEIL 1978) wird in Bezug auf die Reichweiten von Handlungsspielräumen sehr der Begrenzungscharakter der infrastrukturellen und ökonomischen Umwelt herausgestellt (KLINGBEIL 1978: 52). Dabei spielen Umwelteigenschaften wie Lage/Entfernung, z.B. vom Wohnort zu Raumfunktionen, deren Nutzung angestrebt wird, oder sozioökonomische Zugänglichkeit zu bestimmten Raumnutzungen eine große Rolle (KLINGBEIL, 1978: 61). Die damit eintretende Reichweitenbegrenzung des Handlungsspielraumes wird in der westlichen Gesellschaft in Abhängigkeit mit der Mittelausstattung der Individuen gesehen, anhand derer sie sich über die Begrenzungen hinweg setzen können. Diese Betrachtungsweise kann unserer Meinung nach jedoch nicht oder nur bedingt auf den afrikanischen Kontext übertragen werden.

Denn in den sich wandelnden und zunehmend der Modernisierung ausgesetzten ländlichen Gemeinschaften des heutigen Afrikas herrscht eine andere Ausgangssituation bzgl. der Mittelausstattung vor. Zwar nimmt die individuelle Verfügbarkeit über materielle Mittel auch im ländlichen Raum zu. Mit diesen Mitteln wird letztlich auch dort die Überwindung alter traditioneller Handlungsreichweiten für einzelne Individuen ermöglicht. Diesbezüglich behält KLINGBEIL’s Argumentation zur Reichweitenerweiterung ihre Gültigkeit. Einschränkung erfährt dieser Ansatz jedoch in Bezug auf seine gesamtgesellschaftliche Übertragbarkeit. Denn de facto kommt vorerst nur eine sehr kleine Anzahl von Personen in den Genuß von verbesserten Mittelausstattungen. Wie im vorliegenden Fall aufgezeigt wird (vgl. Kapitel 13.6), gelingt es insbesondere den Männern, privates Vermögen anzuhäufen und damit ihren 78 Handlungsspielraum auszuweiten. Für den Großteil der afrikanischen Landbevölkerung sowie speziell für Frauen haben jedoch sozial-kulturell determinierte Reichweiten des Handlungsspielraumes nach wie vor ausschlaggebende Bedeutung.

Eng mit dem Begriff des Handlungsspielraumes verflochten ist der des Aktionsraumes. Nach KLINGBEIL ist der Aktionsraum ein ‘zeiträumlicher Begriff’, der die ‘Mensch-Umwelt- Beziehung’ untersucht (KLINGBEIL, 1978: 117). Genauer gesagt soll der Begriff Aktionsraum ‘alle sich wiederholenden Tätigkeiten einer Person umfassen, die für ihre Lebensphase typisch sind und zwar auf eine zeiträumlich-verortete Weise’ (ebd.). Aktionsraum beschreibt demnach also die Beziehung von Individuen zu bestimmten Orten, es werden räumliche Relationen verdeutlicht. Diese beziehungsorientierte Definition mit Fokus auf die Aktionen eines Menschen im Raum ist in dieser groben Form interkulturell anwendbar. Deshalb wird sie im Grundsatz der im Kapitel 13.6 erfolgenden Beschreibung geographischer Aktionsräume zugrunde gelegt.

Jedoch müssen die von KLINGBEIL angenommen gedanklichen Voraussetzungen, mit denen der Begriff Aktionsraum indirekt inhaltlich gefüllt wird, kritisch betrachtet werden. KLINGBEIL hat diese Definition vor dem Hintergrund einer europäischen Kultur entwickelt. Er geht von Personen einer mobilen Gesellschaft aus, welche in bezug auf soziale Zwänge autark entscheidenden können. Aber genau diese beiden Grundvoraussetzungen - räumliche Mobilität und soziale Autarkie - lassen sich in afrikanischen Gesellschaften nicht gleichermaßen wie in westlichen Gesellschaften wiederfinden. Zwar gibt es zahlreiche Bevölkerungsgruppen, welche freiwillig oder zwangsweise in periodischen Abständen mit ihren Siedlungen wandern (z.B. Nomaden oder Farmer, die shifting cultivation betreiben), von diesen Aspekt her sind diese als mobil zu betrachten. Räumlich betrachtet verhält sich jedoch gerade die afrikanische Landbevölkerung wesentlich immobiler wie die westliche Gesellschaft, wenn man Diversität und Reichweite von zurückgelegten Raum- bzw. Streckenüberwindungen berücksichtigt. Die dann tatsächlich stattfindenden Bewegungen im Raum sind zwar genauso individuell rational und zielorientiert initiiert wie in westlichen Gesellschaften. Die Rahmenbedingungen aktionsräumlicher Handlung in Afrika werden jedoch - wie oben bereits ausgeführt wurde - nicht so einseitig von der technischen Mittelausstattung gesteuert wie in westlichen Gesellschaften. Die wichtigsten Determinanten sind die zuvor beschriebenen sozial-gesellschaftlichen Strukturen.

Aufgrund der großen Bedeutung dieser oben geschilderten sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen ländlicher Lebensweise können sie bei einer Analyse des Aktionsraumes nicht unbeachtet bleiben. Auch PFAFFENBACH (1992: 5) stellt in ihrer Studie heraus, daß man das räumliche, sich im physisch existierenden Raum abspielende Handeln von Mitgliedern fremder Kulturen nur verstehen kann, wenn deren soziale Spielräume und ökonomische Rahmenbedingungen als handlungsdeterminierend in die Betrachtung miteingeschlossen werden. Es geht also darum, die beobachteten räumlichen Verhaltensweisen vor dem Hintergrund des lebensweltlichen Kontextes zu interpretieren. Nur so kann man sich an ein funktionales sowie ursächliches Verständnis heranarbeiten.

Vor diesem Hintergrund sehen es die VerfasserInnen als notwendig an, mit dem Vollzug des Wechsels zur Mikroebene zunächst die auf dieser Ebene stattfindenden sozialen, politischen und ökonomischen Aktions- und Handlungsspielräume der Männer und Frauen von Gyankufa zu diskutieren. Danach erst soll die Annäherung an den geographischen Aktionsraum vorgenommen werden - ebenfalls mikroperspektivisch.

79 Die Betrachtung auf der Mikroebene bedeutet dabei in erster Linie, von Individuen, bzw. der kleinsten organisierten Einheit - dem Haushalt - auszugehen. Hierzu noch kurz einige wichtige begriffliche Grunglegungen.

Als empirische Basis und konzeptioneller Ausgangspunkt dient der Haushalt, bzw. alle dazuzuzählenden Mitglieder. In Anlehnung an diverse, auf ländliche Regionen Afrikas bezogene Haushaltsstudien soll der Haushalt hier definiert werden als eine Gruppe von Personen, die im gleichen Haus oder Compound leben und ‘aus dem gleichen Topf essen’.

Die durchschnittliche Haushaltsgröße in Gyankufa betrug zum Zeitpunkt der Erhebung 8-10 Personen. In der Regel zählten dazu der Ehemann, die Ehefrau, Kinder, Enkel und Großeltern, manchmal auch Neffen und Nichten.

Ein weiterer Begriff von zentraler Bedeutung ist der des Haushaltvorstandes. In Anlehnung an APPIAH (1996: 1-10) soll der Haushaltsvorstand hier nicht nur als Person begriffen werden, die als solche von den anderen Haushaltsmitgliedern anerkannt wird. Auch die Zuweisung gemäß des Trägers der Hauptverantwortung erweist sich im afrikanischen Kontext als problematisch, da auch der über mehrere Monate abwesende Ehemann von den verbleibenden Familienmitgliedern meist als Inhaber der Verantwortung gesehen wird. Eine der praktischen Realität am ehesten entsprechende Definition sieht als Haushaltsvorstand diejenige Person, die finanziell wie organisatorisch den Haushalt zu einem bestimmten Zeitpunkt unterhält, also für die Unterhaltskosten und die Instandhaltung des Haushaltes verantwortlich ist. Demnach kann man deutlich eine Unterscheidung zwischen zwei Haushaltstypen treffen. Es gibt zum einen die Gruppe der ‘normalen’, von einem (Ehe-)Mann angeführten Haushalte, in denen der Ehemann auch die meiste Zeit tatsächlich anwesend ist und entsprechende Verantwortungen wahrnimmt. Zum anderen existiert eine wachsende Anzahl von weiblichen Haushaltsvorständen, zu denen neben Witwen und Geschiedenen vor allem die Frauen gehören, deren Ehemann zeitweise abwandert und/oder in anderen Regionen einen zweiten Wohnsitz hat sowie die Frauen, die mit ihrem Mann zwar im gleichen Ort wohnen, aber nicht im selben Haus.

Diese Unterscheidung von männlichen und weiblichen Haushaltsvorständen ist nicht nur in bezug auf den gesamtghanaischen Kontext notwendig: laut dem 1995 erschienen ‘Ghana Living Standards Survey’ (GLSS) steigt die Zahl weiblicher Haushaltsvorstände auf Landesebene kontinuierlich an und hat Ende der 80er Jahre rund 32% erreicht. Gerade auch im Untersuchungsdorf ließ sich eine aufgrund der starken Migrationstätigkeit der Männer (vgl. Kap. 8.2) relativ hohe Anzahl von Frauen angeführter Haushalte ausmachen.

Dies ist von grundlegender Bedeutung, wenn es im folgenden um die Betrachtung der männlichen und weiblichen Lebenswelten geht. Die Trennung der alltäglichen Agitationssphären in einen Bereich der Männer und einen Bereich der Frauen nimmt seinen Ursprung traditionell in den gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen. In der Gegenwart weitergeführt wird die genannte Trennung durch zahlreiche gesamtgesellschaftliche Transformationsprozesse. Diese Prozesse wirken auf der Ebene der Familie manifestierend auf gewisse Rollenverteilungen.

Wie diese Rollenverteilung momentan aussieht, welche Veränderungstendenzen sie in sich haben und welche exogenen und endogenen Einflußfaktoren dabei von Bedeutung sind, ist Inhalt der sich in den Kapiteln 13.1 bis 13.6 anschließenden Analyse auf der Mikroebene.

80 13.1 Das Team und die Dorfbevölkerung: Rollenzuweisungen, Vorgehensweise und Einflüsse auf die Ergebnisse Zu Beginn dieses Abschnittes sei eine Anmerkung zur Verwendung der weiblichen und männlichen Form der Substantive erlaubt. Es wird sich hier den diesbezüglichen Ausführungen von EßBACH (1996: 175) angeschlossen: Dem trockenen Charme, mit dem Studierende auf die Verwendung von weiblichen Formen der Substantive bestehen, konnte sich auch der/die AutoIn dieses Buchen nicht entziehen. Ich erkläre feierlich, daß trotz der Verwirrungen geschlechtlicher Markierungen in diesem Buch die verwendeten Begriffe geschlechtsneutral in beide Richtungen gemeint sind (EßBACH, 1996: 175). Allerdings sei darauf hingewiesen, daß es im Gegensatz zu den Ausführungen von Eßbach nicht darum gehen soll, einer (Geschlechts)-Neutralität in beide Richtungen das Wort zu reden, vielmehr sollte es darum gehen kontextspezifisch exakte sprachliche Unterscheidungen zu treffen, die allerdings einmal eingeführt, nicht der Wiederholung bedürfen - etwa, um dadurch das Argument zu stärken, sondern, die, bei dem/der LerserIn auf solche Ebenen des Bewußtseins durchsickern sollten, das auf Redunanz - im Sinne unnützer Wiederholungen - im vorliegenden Text verzichtet werden kann. Im Zusammenhang der sozialen Konstruktion des Wissens, durch das die Verwendungsoptionen auch der Laien gesteigert werden (DITTRICH et al. 1990), sei im vorliegenden Kapitel allerdings der sprachlichen Überdehnung gefrönt! Die Inhalte sollen davon unberührt bleiben (ein Widerspruch?!)!?

Der Aktionsraum, in dem sich die ForscherInnen bewegen konnten, wurde bereits vor der ersten Ankunft in Gyankufa vorgezeichnet. Die AnsprechpartnerInnen, welche den Kontakt zum Dorf herstellten, waren bis auf eine Ausnahme Männer. In der Kette des männlich dominierten Kommunikationsnetswerkes zwischen dem Dorf und der Hauptstadt, war als einzige Frau Florence Takyiwa Manu. Sie arbeitet als Polizistin an der Busstation in Berekum, einer informationstechnisch strategisch günstigen Position. Sie wurde z.B. telefonisch beauftragt, die Information über die Ankunft der deutschen StudentInnen an das Dorf weiterzuleiten. Abgesehen von ihr dominierten Männer die der Öffentlichkeit zugewandten Positionen im Dorf, wie es folgender Tagebucheintrag verdeutlicht: Der erste Ansprechpartner im Dorf war mit dem Dorflehrer Mensah ein Mann. Die Begrüßungszeremonie wurde durch den Chief, seinen Linguist und den Ältestenrat durchgeführt. Weiterhin waren der Vorsitzende und der Kassenwart der Kredit-Vereinigung anwesend. Die einzige anwesende Frau war die Queen Mother (GERTEL, 1996: persönliche Notiz). Anhand dieser persönlichen Tagebucheintragung wird bereits deutlich, daß das soziale System der Dorfgesellschaft, nach außen hin eine von Männern dominierte Welt ist. Repräsentanten des Dorfes sind in der Regel männliche Entscheidungsträger.

Dies hat auch eindeutig determinierende Auswirkungen auf das Rollenverhalten den ForscherInnen gegenüber. Im weiteren sollen diese Auswirkungen unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten untersucht werden.

13.1.1 Das Verhältnis zwischen der männlichen Dorfbevölkerung und den ForscherInnen Von Beginn an rückte der männliche Teil des Forschungsteams in die Rolle eines ‘Teamleader’ (An dieser Stelle scheint es notwendig zu betonen, daß es innerhalb des Teams keine hierarchische Abstufungen gab). Er war für die männlichen Repräsentanten des Dorfes der erste Ansprechpartner und es wurde im Gegenzug erwartet, daß diese Rolle, zumindest zu 81 Beginn des Aufenthaltes, auch ausgeführt wurde. Auch hier sei noch einmal auf die Begrüßungszeremonie verwiesen: Ein wichtiger Bestandteil der Zeremonie war es das Studienprojekt den Entscheidungsträgern des Dorfes zu erklären. Dabei richtete der Linguist (Sprecher des Chief) zunächst die Frage in Twi an Lehrer Mensah, der in diesem Falle als Übersetzter fungierte. Lehrer Mensah wiederum richtete sich an das Forscherteam mit der Frage: ‘Could you now explain your mission’? Dabei nahm er explizit Augenkontakt zum männlichen Teil des Teams auf. Aufgrund des europäischen Status wäre es bestimmt verzeihlich gewesen, hätte ein weibliches Teammitglied diesen ersten offiziellen Kontakt geleitet, es hätte aber höchstwahrscheinlich zu Irritationen geführt.

Bei allen offiziellen Handlungen wurde die Kommunikation zunächst von ‘Mann’ zu ‘Mann’ eröffnet und auch wieder beendet. Zwischen Eröffnung und Beendigung eines Gespräches gab es dann aber Handlungsspielräume für die weiblichen Teammitglieder durchaus entscheidend in das Geschehen einzugreifen.

Im Zuge des Feldaufenthaltes stellte sich dann immer wieder heraus, daß von Seiten der Dorfbewohner davon ausgegangen wurde, daß die weiblichen Teammitglieder per se an Informationen und Handlungen interessiert seien, die gemäß der traditionellen Arbeitsteilung von Frauen ausgeführt werden. Im Kontrast dazu wurde angenommen, der männliche Teil des Teams interessiere sich ausschließlich für Fragen und Tätigkeiten, die mit dem Attribut männlich belegt sind. Im Bereich des alltägliche Miteinanders wurden daher die jeweiligen Teammitglieder in ihrem geschlechtlichen Kontext in bestimmte geschlechtsspezifische Tätigkeiten involviert, beziehungsweise ein von der Geschlechterrolle abweichendes Verhalten lächelnd, aber auch zuweilen argwöhnisch, zur Kenntnis genommen. Dies soll im folgenden für den männlichen Teil anhand von einigen Beispielen verdeutlicht werden: Wer ißt mit wem? In der Einleitung wurde bereits darauf hingewiesen, daß das ForscherInnenteam im Haus des Youth Leader untergebracht war. Die Essenszubereitung wurde allerdings zusammen mit Madame Dora in ihrem Gehöft vorgenommen. Aus arbeitstechnischen Gründen wurde das Abendessen zu einem relativ frühen Zeitpunkt eingenommen. Dies führte dazu, daß die Forschungsgruppe bereits gespeist hatte, wenn im Compount des Youth Leader zu Abend gegessen wurde. Wenn es daher zu der Situation kam, daß die ForscherInnen im Compount des Landlord anwesend waren, während dieser sein Abendessen zu sich nahm, wurde ausschließlich die männliche Seite des Teams aufgefordert am Essen der Männer, welches traditionell zeitlich und räumlich getrennt von den Frauen stattfindet, teilzuhaben. Sprache als Ausdruck von Macht Eine besondere Ehre während des Feldaufenthaltes wurde wiederum dem männlichen Part des Teams zuteil. Gyankufahene Nana Saana Bediatuo besuchte die ForscherInnen fast täglich, auch um deren Aktivitäten zu beobachten. Dabei erfolgte zum einem die Kontaktaufnahme in der Regel über die männliche Teamseite, zum anderen lehrte er bei seinen Besuchen ausschließlich der männlichen Seite die Lokalsprache Twi. Daran wird der Ausschluß der Frauen an machtstabilisierender Wissensvermittlung deutlich. Der Chief ist in der Lage, zumindest rudimentär, Englisch zu sprechen und zu schreiben und kann daher mit der Außenwelt kommunizieren. Gleichzeitig wird nur dem männlichen Forscher die Lokalsprache vermittelt, was bei entsprechender Übung die weiblichen Forscherinnen langfristig, bei Ermangelung anderer Alternativen zum Erwerb der Sprachkenntnisse, vom Diskurs und der Kommunikation mit den männlichen Entscheidungsträgern ausschließen würde. Fußball versus Geschirrspülen. In Europa hat sich im Zuge der gesellschaftlichen Emanzipation die traditionelle Arbeitsteilung in weiten Bereichen verschoben. Dem konnten sich die StudentInnen auch im afrikanischen Kontext nicht gänzlich entziehen, weshalb es bei der tägliche 82 Nahrungszubereitung zur gleichgeschlechtlichen Arbeitsteilung kam. Konkret: Beim Kochen und beim Geschirrabwasch wurde sich abgewechselt. Dies verursachte bei den meisten Dorfbewohner, besonders den Männer, zumindest anfangs, ungläubiges Staunen ob dieser ‘Gleichbehandlung’. Von Seiten der männlichen Jugendlichen erntete der engagierte Nachwuchsforscher jedoch lediglich ein mitleidiges Lächeln, wenn sie auf ihrem Weg zum täglichen Fußballspiel am Tatort des Geschehens vorbeizogen, während der Forscher ‘Frauentätigkeiten’ verrichtete.

Für die Forschungstätigkeit ergab sich aus dem aufgeführten lokalen gesellschaftlichen Kontext folgende Problematik:

In der Einleitung zu Kapitel 13 wurde bereits ausgeführt, daß mit der Einnahme der Mikroperspektive eine Annäherung auf individueller, persönlicher Ebene an die (erwachsenen) Menschen des Dorfes Gyankufa erfolgen sollte. Wie bereits anhand der persönlich gemachten Erfahrungen geschildert wurde, sind jedoch in vielen Bereichen des alltäglichen Zusammenlebens die Lebenswelten von afrikanischen Männern und Frauen sowohl von einer sichtbaren (z.B. die Arbeitsteilung in der Landwirtschaft) wie auch unsichtbaren Segregation (z.B. durch allgemein höheren Bildungsgrad der Männer) geprägt.

Damit stellte sich die Frage, welches Vorgehen zu wählen war, um zu beiden Geschlechtergruppen Kontakt aufnehmen könnten. Da die Verschiedenartigkeit der männlichen und weiblichen Lebenswelten und Perspektiven möglichst unverfälscht untersucht werden sollte, wurde uns aus dem oben beschriebenen Kontext heraus schnell bewußt, daß die Männer und Frauen getrennt voneinander befragen werden mußten. Andernfalls wären viele Frauen aufgrund des Autoritätsgebotes ihrem Mann gegenüber wahrscheinlich nicht mutig genug gewesen, sich aktiv am Gespräch zu beteiligen und die Ergebnisse wären weniger authentisch gewesen. Da ebenfalls von einer gewissen Scheu der Frauen gegenüber einem männlichen Interviewer ausgegangen werden mußte, beschloß das Forschungsteam, diese Geschlechtertrennung auch intern zu vollziehen.

Insofern sah das konzeptionelle Vorgehen vor, sich auf einen gewissen patriarchalischen Hintergrund einzulassen, um nicht den Grad der bisherigen Akzeptanz des Forschungsprojektes aufs Spiel zu setzen. Der männliche Forscher führte demnach mit Hilfe eines männlichen Übersetzers die Einzelinterviews mit den Männern und die weiblichen Forscherinnen suchten zusammen mit einer weiblichen Übersetzerin nur Frauen zu Gesprächen auf.

Ein weiteres Zugeständnis an die uns entgegengebrachten Rollenerwartungen war unser Verhalten bei offiziellen Anlässen, beziehungsweise in Situationen, wo männliche Entscheidungsträger involviert waren. Daher vertrat der von Seiten der Dorfbewohner in diese Rolle gesetzte Teamleader, die ForscherInnen gegenüber der Dorfbevölkerung.

13.1.2 Das Verhältnis zwischen der weiblichen Dorfbevölkerung und den ForscherInnen Zu Beginn der Untersuchung ließ es sich nicht vermeiden, die ersten Einzelinterviews mit Frauen in der Anwesenheit ihres Ehemannes durchzuführen. Die Männer waren während der Einführungsphase dieser Methode oftmals mißtrauisch und neugierig zugleich. Es galt also zunächst, ihnen das Mißtrauen zu nehmen und sie für die Zusammenarbeit in Form von Abwesenheit während der Fraueninterviews zu gewinnen. Um dies zu erreichen, mußten wir uns die Hintergründe ihres Mißtrauens verdeutlichen und unsere eigenen Rollen als Forschende reflektieren. 83

Zum einen waren wir bis zum Zeitpunkt des Beginns der Einzelinterviews weitestgehend als Team aufgetreten und hatten fast alle allgemeinen Erhebungen (Erstellung des Landwirtschaftskalenders, Dorfkartierung, etc.) gemeinsam durchgeführt. Mit Einsetzen der Interviewmethode traten wir nun zum ersten mal nicht mehr im Dreierteam auf. Zum anderen war Holger Gertel meist als Wortführer und Ansprechpartner für das ganze Team angesehen worden - zumindest was das öffentliche Auftreten in Zusammenhang mit dem Forschungsaspekt des Aufenthaltes betraf. Nun traten die beiden weiblichen Forscherinnen erstmals alleine als Durchführende auf und fungierten dadurch auch als Ansprechpartnerin und Wortführerin. Die Kombination dieser beiden Veränderungen hatte zur Folge, daß die seitens der Dorfbevölkerung bereits getroffenen Rollenzuordnungen für uns erneut hinterfragt werden mußten. Durch die bisherige ‘Unterordnung’ von Silke Haack und Gabriele Kruk unter die Team-Repräsentantenposition von Holger Gertel waren die sozialen Unterschiede zu den Dorffrauen zumindest nach außen nicht sehr ins Gewicht gefallen. Unser familiärer und sozialer Hintergrund - mit 23 bzw. 26 Jahren ledig und kinderlos, alleinreisend und studierend - war angesichts der Einhaltung gewisser weiblicher Verhaltensnormen bis dahin noch nicht als Distanz schaffend wirksam gewesen.

Bisher waren also die beiden Forscherinnen von den Dorfbewohnern mehr oder weniger der Frauenwelt zugeordnet worden. Dazu beigetragen hatte auch die Tatsache, daß im Gegensatz zum öffentlichen Auftreten die privaten Kontakte vom Team zur Dorfbevölkerung eher individuell und nach Geschlechtern getrennt verliefen. Die Dorffrauen traten eher mit Silke Haack und Gabriele Kruk in Kontakt, während Holger Gertel Zugang zu den Männern fand.

Insofern stellte der Beginn mit Einzelinterviews für die dafür aufgesuchten Familien in vielfacher Hinsicht eine völlig neue Situation dar.

Erstens brachten wir eine neue Vorgehensweise, bzw. Methode mit uns. Die Form solcher bewußt angesetzter (die Uhrzeit wurde meist vereinbart) und durchgeführter Einzelgespräche - noch dazu mit Tonbandaufnahme des Gespräches - war ein Novum.

Zweitens traten wir nicht mehr geschlossen auf, sondern teilten uns gemäß den bisherigen geschlechtlich segregierten Privatsphären auf, ohne dabei als Privatperson in Erscheinung zu treten. Es mußte im Dialog Verständnis geschaffen und unsere zwischenmenschlichen Verhältnisse neu definiert werden. Welche Zusammentreffen zwischen uns und den Dorfbewohnern konnten als privat und welche mußten als forschungsorientiert eingeordnet werden?

Drittens stellten wir, Silke Haack und Gabriele Kruk, als weibliche Forscherinnen mit unserem ‘selbstständigen’ Auftreten die bisherige Zuordnung unserer Personen zur Frauenwelt in Frage. Auf einmal waren wieder mehr ‘männliche Attribute’ unseres Erscheinungsbildes zu tage getreten. Es gab keine rollengemässe oder biologische Bindung an eine Familie oder Kinder, unsere Bildung in Kombination mit dem wissenschaftlichen Zweck unseres Aufenthaltes war ein Zeugnis unserer Zugangsmöglichkeit zur Moderne, unser Aufenthalt in Ghana sprach per se für unsere finanzielle wie auch zeitliche Unabhängigkeit.

Angesichts dieser drei, die Interviewsituation beeinflussenden Veränderungen in der Art und Weise des Zusammentreffens mit der Dorfbevölkerung sollte das Interview selbst so wenig invasiv wie möglich sein. Die existierende kulturelle und soziale Distanz zwischen uns und den Interviewpartnern sollte nicht unnötig vergrößert werden. Neben den in Kapitel 1 ausgeführten methodischen Überlegungen waren es v.a. die eben geschilderten Gründe, welche uns bewogen haben, semistrukturierte Leitfadeninterviews zu führen. 84

Mit dieser Wahl waren wir nicht streng an eine bestimmte Herangehensweise oder Reihenfolge gebunden, sondern hatten in der Gesprächsführung viele Spielräume und Freiheiten, auf unser Gegenüber einzugehen, und ihm / ihr auch von ihm/ihr gestellte Fragen zu beantworten. Somit blieb uns die Möglichkeit erhalten, nicht die Methode als Distanz schaffendes Instrument zwischen die Interviewpartnerinnen und uns, stellen zu müssen. Die Gespräche verliefen dadurch auch meistens sehr persönlich, was wiederum Raum für die Begegnung von Frau zu Frau entstehen lies.

Im Lauf der Zeit gewannen wir den Eindruck, daß die uns von der Dorfbevölkerung zugeschriebenen Geschlechterrollen eindeutig und uneindeutig zugleich waren. Für Holger Gertel entfielen die Zuordnungen recht eindeutig. Mit seinem Auftreten als Gruppen- und Wortführer und Team-Repräsentant war er als ein ‘ganzer Mann’ anerkannt worden, er war den Erwartungen seitens der Dorfbewohner gerecht geworden.

Bei Silke Haack und Gabriele Kruk verhielt es sich jedoch nicht ganz so eindeutig. Ihnen wurde am ehesten eine Art ‘weibliche Zwitterposition’ zugeschrieben, da sie sowohl zur Frauen- wie auch zur Männerwelt Zugang hatten. In gewissem Sinne war diese Zuordnung erleichternd, was z.B. die Durchführung der Forschung angeht - welche auch dann unproblematisch verlief, als Holger Gertel eine Woche wegen Erkrankung ausgefallen war. Andererseits konnte durch unsere ‘Zwitterposition’ eine letzte ‘Mißtrauensschwelle’ bei den ghanaischen Frauen nie ganz abgelegt werden, was sich z.B. darin äußerte, daß sie relativ knapp auf Fragen antworteten, welche sich auf ihren Mann betreffende Unzufriedenheiten oder Probleme bezogen.

In bezug auf die folgenden Abschnitte ist an dieser Stelle noch anzumerken, daß sich die dargestellten Ergebnisse bezüglich der Männer im wesentlichen auf die teilnehmende Beobachtung während des Feldaufenthaltes stützt, und nur zu einem geringen Anteil aus den Interviews mit den Männern gewonnen werden konnte. Fragen zur Machtverteilung innerhalb des Haushaltes sind grundsätzlich ein äußerst sensibler Bereich. Deshalb können sie nur gestellt werden, wenn ein längeres Vertrauensverhältnis zum Interviewpartner aufgebaut ist. Daher waren solche Fragen nicht explizit Inhalt der durchgeführten Leitfadeninterviews.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß auf die obligatorische letzte Frage eines Interviews, ob es seitens der Interviewten Fragen an den Interviewer gebe, die Männer in der Regel rein ökonomische Fragen stellten. So zielten die Fragen der Männer z.B. darauf ab, inwieweit sie von dem Forschungsprojekt profitieren könnten, obwohl gerade diese Frage im Vorfeld abgeklärt worden war. Weiterhin wurde immer wieder danach gefragt, wie man denn nach Deutschland kommen könne. Die Frauen fragten dagegen auf einer persönlicheren Ebene, z.B. wie das Leben in Deutschland im Vergleich zu Ghana sei, welche Verhütungsmethoden praktiziert würden, wie die Kinder geboren werden, ob dabei etwa Maschinen eingesetzt würden, wie die Kinder versorgt werden und ob die Kinder auch auf dem Rücken getragen würden. 85 13.2 Die Rolle und der Status der Männer und Frauen in der Dorfgesellschaft

13.2.1 Die Rolle und der Status der Männer in der Dorfgesellschaft

The traditional household structure in most parts of Ghana was based on male-headed units of extended families, with a clear division of economic responsibilities based mainly on age and sex (Brown, 1994: i). Traditionell durchliefen die Männer im Laufe ihres Lebens ähnlich den Frauen verschiedene Lebensphasen. Nach der Kindphase erfolgte, manifestiert durch Initiationsriten, die Phase des jungen Mannes, der durch die Initiation ein vollständiges Mitglied der Gemeinschaft wurde und u.a. das Recht erwarb eine Frau zu Heiraten. Dabei wurde zumindest die Heirat der ersten Frau von den Eltern geregelt. Da in Ghana bei vielen Ethnien Polygynie vorherrschte, drückte sich der Status eines Mannes auch in der Anzahl seiner Frauen und vor allem seiner Kinder (besonders der Söhne) aus. Die zweite, dritte oder vierte Frau konnte sich der Mann dann in der Regel selbst erwählen. Mit zunehmendem Alter wuchs die Anerkennung und der Status des Mannes innerhalb der Gemeinschaft.

Im Zuge der Moderne verlieren einige traditionelle Handlungen und Riten an Bedeutung. Nicht zuletzt durch den Feldzug des Christentum und des Islam wurde die Durchführung von Initionsriten aufgegeben. Die Bewohner von Gyankufa bekennen sich zum überwiegenden Teil zum Christentum, daher spielen christliche Gebräuche, wie Kommunion und Konfirmation, welchen durchaus einen ähnlichen Charakter wie Initionsriten besitzen, heute eine weitaus größere Rolle. Verloren geht dabei allerdings die explizite Bedeutung für das Mannsein bzw. Frausein in der Gesellschaft. Denn durch Kommunion und Konfirmation findet für die Jungen und Mädchen eine gemeinsame Einführung in die christliche Gesellschaft statt. Dies scheint verwunderlich, da doch das Christentum eine weitgehend patriacharliche Religion ist. In Ghana spielt daher der Priester einer Gemeinde oftmals eine wichtige Rolle. Die Meinung des Priesters zählt etwas. Er ist häufig neben den traditionellen Führern ein wichtiger Entscheidungsträger. Darüber hinaus wurde durch die Einführung des Christentums die traditionelle Rolle der Frau, in ihrer Bedeutung als Hausfrau und dem Mann ‘unterwürfig’, durchaus verstärkt. BROWN (1994) rezipiert in seiner Studie zu Geschlechterrollen im ghanaischen Haushalt MANU, die gemäß BROWN folgende These vertritt: (c)olonialism introduced christianity and Victorian morality and values into traditional Ghanaian society and worsened the position of Ghanaian women. She points out that Christianity as practised in Ghana, with an emphasis on dutiful, obedient and docile wives. was imposed on a traditional system already based on male domination. Similarly, in Victorian society the head of the household was always male, and his attitude greatly affected the Ghanaian women, particularly in the rural areas (BROWN, 1994: 32). Die Stratifizierung der männlichen Dorfbevölkerung von Gyankufa kann heute in drei Lebensphasen gegliedert werden. Die Kindphase dauert bis zum 18 Lebensjahr. Gehört ein junger Mann einer christlichen Gemeinde in Gyankufa an, so wird er innerhalb dieser Gemeinde bereits nach der Konfirmation als vollständiges Gemeindemitglied gezählt. Übertragen auf die Dorfgemeinschaft, und dort v.a. in Hinblick auf eine mögliche politische Einflußnahme an der Dorfpolitik, hat dies aber keine Bedeutung. Ab dem 18. Lebensjahr tritt der junge Mann in eine Lebensphase ein, in der er, in einem gewissen Rahmen, am politischen Geschehen teilhaben kann. Für diese Personengruppe, zwischen 18 und 40 Jahren, ist der in Kapitel 6.1 bereits angesprochene Asafoakye als Youth Leader zuständig. Tatsächlich entscheidend an der Dorfpolitik mitzuwirken ist allerdings erst ab einem Alter von 40 Jahren möglich, wenn die Phase der Jugend vorüber ist. Ab dem 40. Lebensjahr ist es in Gyankufa möglich in den verschiedenen Komitees tätig zu werden, bzw. im Ältestenrat aufgenommen zu werden. 86

In Kapitel 6 wurden bereits wesentliche Elemente aufgezeigt, die auf die Rolle der Männer in der Dorfgesellschaft hinweisen. Alle Entscheidungsträger, bis auf die Queen Mother sind Männer. Auch die neuen Dorfkomitees werden von Männern dominiert und nur auf Druck von World Vision International wurde die Frauenquote erhöht. Gyankufa wird in allen Belangen durch diese Männer nach außen hin repräsentiert. In most traditional Ghanaian communities women did not take part in decision-making. They were not expected to speak in public and had to ask for permission to do so from elders (BROWN, 1994: 35). Auf der Ebene der Großfamilie wird von den männlichen Familienmitgliedern ein Vertreter gewählt, der dann im Ältestenrat als einer der fünf Subchiefs von Gyankufa, die Interessen seiner Familien vertritt.

Die Charakteristika der Großfamilie wird von NUKUNYA (1992: 12/13) wie folgt beschrieben: a) Extensive recognition of effective kinship ties. b) A large measure of involvement of the kin group in the individuals affairs coupled with mutual dependence of the kin group and the individual on one another. c) Respect for age, an important aspect of which is the involvement of parents in the selection of spouses for their children. d) Male dominance including the practice of polygyny and the access of man to plurality of women and the denial of the same right to women. e) Large families, with which is associated high economic value of children. f) Clear-cut division of labour according to age and sex. g) Socialisation and training processes in which children learned mainly from their parents and older relations. h) Almost complete dependence of the individual’s economic existence on inherited patrimony. i) Early marriage especially for girls. j) Subordination of marriage especially to those of kinship. k) Rigid application of the traditional rules together with a belief in the efficacy of religious and other traditional sanctions. Here, the sanctions against divorce, infidelity and pre-marital sex are paramount. l) Closely related to the above is the high moral code found in traditional societies.

Diese Charakteristika unterliegen allerdings auch gegenwärtigen Transformationsprozessen, so beklagen z.B. viele ältere Menschen, daß seitens der Jugendlichen das Alter in der heutigen Zeit geringer geachtet und respektiert wird. Des weiteren findet die Sozialisation der Kinder und Jugendlichen gegenwärtig verstärkt in der Schule und der Peer Gruppe statt und zu einem geringeren Anteil in der Familie. Scheidung, Untreue und voreheliche Sexualbeziehungen sind zwar noch immer mit einem negativen Stigma behaftet, vor allem bei Fällen von Teenage Pregnancy. In bezug auf eheliche Scheidung ist jedoch festzuhalten, daß in matrilinearen Gesellschaften Scheidungen eher toleriert werden, als in patrilinearen. NUKUNYAS Studie aus der Volta Region im Südosten Ghanas ermittelt z.B. eine Scheidungsrate von ca. 40%. Er führt weiterhin dazu aus: While the rise of the divorce rate can be attributed to the gradual erosion of traditional sanctions, the traditional institutions themselves, at least in the matrilineal societies, did not support marital stability. This is because matrilineal societies do not require stable marriages to recruit members of their descent groups (NUKUNYA, 1992: 27).

Auf die Haushaltsebene in Gyankufa bezogen ergeben sich aus, und neben dem oben Erörterten weitere Implikationen:

87 Der Mann ist in der Regel anerkannter Haushaltsvorstand, wenn er nicht durch den in Kapitel 8 angesprochenen Migrationsprozeß dauerhaft in der Western Region geblieben ist. Im Falle saisonaler Migration bleibt der Mann zumindest formal der Haushaltsvorstand, da er meist die von ihm erwarteten Geldtransferleistungen erbringt. Die tatsächliche Ausübung aller einem Haushaltsvorstand zukommenden Aufgaben werden in seiner Abwesenheit jedoch von der Frau ausgeübt, so das sie effektiv die Rolle des Haushaltsvorstandes übernimmt.

Komplexer wird diese Aufgabenaufteilung noch dadurch, daß es im Wahrnehmungsbereich der Männer nicht akzeptabel ist, ein mehrmonatiges Leben ohne die haushälterische Unterstützung einer Frau zu führen. Deshalb kommt es häufig zu weiteren Eheschließungen. Diese Zweit- oder Drittehefrau begleitet dann den Mann in die Western Region oder stammt aus derselben. Daher kommt es zu einer neuen Dimension von Polygynie. Die Zweite Frau ist keine zusätzliche Arbeitskraft und Unterstützung im Haushalt in Gyankufa, sondern es bilden sich zwei völlig getrennte Haushalte heraus. Ob der jeweilige Mann dann auch seiner moralische Verpflichtung nachkommt, die Familie in Gyankufa finanziell zu unterstützen, hängt sehr stark von seinen persönlichen Präferenzen ab und inwieweit er sich mit der Dorfgesellschaft und damit einhergehend einer gewissen sozialen Kontrolle verbunden fühlt. (a)s a result of polygamous relationship, some wives receive limited assistance from their husband as there is competition among co-wives for scarce resources. Under such circumstances, the bulk of the resources is bound to go to either the senior wife and her children or the favourite wife and her children (BROWN, 1994: 14). Die durchschnittliche Haushaltsgröße in Gyankufa von 8-10 Personen läßt einen Trend vermuten, der weg von der Großfamilie und hin zur Kernfamilie führt. Allerdings ist hierbei zu beachten, das dies ein durchschnittliches statistische Mittel ist, welches keine hundertprozentig objektive Aussagekraft über die realen Gegebenheiten enthält. Besonders für junge Eheleute stellen die relativ hohen Kosten des Hausbau ein unüberwindliches Hindernis dar. Daher ist ein Trend zu beobachten, daß ein Ehepaar solange getrennt, in den jeweiligen Elternhäusern, wohnt, bis der Mann in der Lage ist ein eigenes Haus zu bauen. It has also been noticed that the need for more permanent houses even in the rural areas coupled with the high cost of building materials is forcing many couples and individuals to abandon house-building or ownership as a life-long goal. [...] In other words economic constraints are making it difficult, if not impossible, for couples desiring separate existence in nuclear families to do so, and are rather being forced to remain in the family house. The point being made here is that the nuclear families which are emerging now are trying to be socially isolated but not necessarily geographically (NUKUNYA, 1992: 19). Die Ursache für die relative geringe durchschnittliche Haushaltsgröße in Gyankufa liegt zum einen daran, daß nicht alle Haushaltsmitglieder erfaßt werden können, da die saisonal in der Western Region lebende Haushaltsmitglieder oft nicht mitgezählt werden. Weiterhin leben viele junge Männer, die eine berufliche oder schulische Ausbildung absolvieren (dies findet in der Regel in Sunyani oder Berekum statt) nur zeitweise im Dorf. Zum anderen wurden besonders in den letzten fünf Jahren durch die ökonomischen Aufsteiger, den Kakao Bauern, neue Häuser in Gyankufa errichtet. Bezüglich der letztgenannten Personengruppe wird die These von NUKUNYA daher nicht bestätigt, denn durch den Bau neuer Häuser verkleinern sich die meisten Haushalte. Das Phänomen von am Dorfrand neu errichteter Häuser ist z.B. auch in Asiri zu beobachten.

Hausbau und wenn möglich, der Besitz eines Fahrrads, sind zu wichtigen Statussymbolen für Männer im ländlichen Raum Ghanas geworden. Im städtischen Raum wird von der aufstrebenden ghanaischen Mittelschicht gegenwärtig sogar angestrebt, Luxusgüter wie Fernseher, Videoanlagen und Autos (möglichst deutscher Herstellung) zu erwerben. Damit wird ein weiterer Trend deutlich, nämlich der verstärkte Wunsch materielle Güter zu 88 erwerben. War früher eine hohe Kinderzahl Ausdruck von Reichtum, Wohlstand und ausreichender Altersversorgung, so sind dies nun in Geldeinheiten bewertbare Dinge.

Im folgenden sollen Auszugsweise die Biographien von drei Männern vorgestellt werden:

1. Der Sanitation Officer Das Haus des Sanitation Officer befindet sich in einer peripheren Lage, im nordöstlichen Viertels Gyankufas. Sein Haus ist in einen bautechnisch schlechten Zustand. Es handelt sich um einen offenen Compount, der durch einen notdürftig zusammengehaltenen Lattenzaun begrenzt wird. Das Haupthaus ist mit Wellblech gedeckt, das Nebengebäude lediglich mit Stroh.

Er ist 42 Jahre alt, verheiratet und hat acht Kinder. Das älteste ist 20 Jahre, das jüngste sieben Monate. Im Haus wohnen 12 Personen, neben der Kernfamilie noch seine Mutter und ein Neffe, dessen Mutter in der Western Region ist.

Er hat die Grundschule und zwei Klassen der Mittelschule besucht. Seine Frau hat die Grundschule nach der dritten Klasse abgebrochen. Sein ältester Sohn hat die dritte Klasse der JSS nicht bestanden und ist zur Zeit arbeitslos, d.h. er hilft auf der Farm seiner Eltern. Sein Vater hätte sich allerdings gewünscht, daß er eine technische Ausbildung antreten würde. Alle anderen Kinder besuchen noch eine der Schulen in Gyankufa.

In Gyankufa stehen ihm 50 acres Familienland zur Bewirtschaftung zur Verfügung. 1996 bestellte er zusammen mit seine Frau ca. 2 acres. Er hat keine Kakao-Farm in der Western Region. Seitdem der Cash-Crop-Anbau in Gyankufa durch den Ältestenrat und die Chiefs seit 1993 erlaubt wurde baut er neben den Grundnahrungsmitteln noch Cashew an. Da sein Land sehr fruchtbar ist braucht er keinen Dünger zu verwenden, allerdings haben sich die Brachezeiten auf dem von ihm bestellten Land, von 14 Jahren auf sieben Jahre verkürzt. Um Geld zu erwirtschaften, hat er bisher vor allem Mais verkauft. Dieser wird von Zwischenhändlern direkt in Gyankufa aufgekauft. Er sieht darin Vorteile, da er sich so die Transportkosten spart.

Außer der Farmarbeit hat er keine anderen Einkommensquellen. Seine Frau erwirtschaftet ihr eigenes Einkommen und sie tätigen alle notwendigen Ausgaben, z.B. Haushaltsgegenstände, Kleider und die Schulgebühren gemeinsam. Obwohl er Mitglied in der Kreditvereinigung ist, hat er noch keinen Zugang zu einem Kredit, da er noch nicht genügend Geld eingezahlt hat. Daher muß er z.B. die Cashew Setzlinge aus sonstigen Ersparnissen finanzieren. Pro Woche gibt er ca. 5,- DM aus, wenn jemand aus der Familie krank wird steigt dieser Betrag auf 10,- DM an.

Im Dorf hat er die Funktion des Sanitaion Officers, d.h. er ist dafür verantwortlich, daß innerhalb des Dorfes die Straßen und Plätze sauber gehalten werden, die Vegetation nicht in das Dorf vordringt (Schlangengefahr) und die öffentlichen Toiletten regelmäßig gereinigt werden. Fällt ihm etwas negativ auf, informiert er den Gong-Gong-Beater über den Mißstand. (Anmerkung des Verfassers: Der Gong-Gong-Beater übt die Funktion eines Nachrichtenvermittler aus, in dem er mit einer Glocke ausgestattet durch das Dorf zieht, um die Bevölkerung zusammenzurufen. Dies geschieht z.B. dann, wenn gemeinschaftliche Arbeiten anstehen, die dann in Form von Community Work durchgeführt wird).

Des weiteren ist er innerhalb der Kredit Vereinigung im Education Committee tätig. Dieses Komitee informiert über die Kredit Vereinigung und ist für die Eintreibung von überfälligen Zins- und Rückzahlungsraten zuständig. 89

Sein größtes Problem stellt die hohe Zahl seiner eigenen Kinder dar, da er dadurch finanzielle Schwierigkeiten hat. Er ist sich nicht sicher, ob er den jüngeren Kindern einen Schulbesuch längerfristig bezahlen kann. Um weitere Härten durch eine noch größere Anzahl von Kindern zu vermeiden, möchte er daher zukünftig am Familienplanungsprogramm teilnehmen.

Seiner Meinung nach ist die ökonomische Situation Ghanas momentan schlechter als vor 10 Jahren, da die Märkte zwar besser bestückt, die Konsumgüter aber zu teuer seien.

Seine größte Hoffnung ist, daß er durch die Anpflanzung von Cashew zukünftig ein höheres Geldeinkommen erwirtschaften kann, um vor allem allen seinen Kinder den Schulbesuch zu ermöglichen.

2. Der Linguist des Gyasehene Das Haus des Linguist des Gyasehene befindet sich zwar noch in der Kernzone von Gyankufa, ist aber in einem vergleichsweise schlechte Zustand. Es ist kein geschlossener Compount und ein Teil der Daches ist mit Stroh gedeckt. Es befindet sich im südwestlichen Viertel Gyankufas.

Er ist 80 Jahre alt, ist mit einer Frau verheiratet und hat 11 Kinder. Das älteste Kind ist 30 Jahre, das jüngste 4 Monate. Im Haus wohnen ca. 35 Personen, die alle zur Familie gehören.

Er und seine Frau hatten keinen Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, seine Kinder gehen aber alle zur Schule, bzw. haben diese abgeschlossen. Einige seiner Kinder sprechen sehr gut Französisch, da sie in der Côte d’Ivoire in die Schule gehen.

Er hat sowohl für die Côte d’Ivoire, als auch von Ghana die Staatsbürgerschaft. Er besitzt in beiden Staaten eine Kakaofarm. Neben den Kakaofarmen bestellt er noch ca. 6 acres in Gyankufa mit Grundnahrungsmitteln. Trotz der relativ großen Farm in Gyankufa muß er noch zusätzlich Nahrungsmittel kaufen, um seine große Familie versorgen zu können.

Als junger Mann war er Fahrer für die CPP, der Partei Nkrumahs, wo er auch als Wahlhelfer tätig war. Gegenwärtig betreut er lediglich seine Kakaofarmen und die Farm in Gyankufa. Trotz seines Alters fährt er jedes Jahr in die Western Region und die Côte d’Ivoire, um die Kakaoernte zu überwachen. Er beklagt sich darüber, daß früher die Menschen in seinem Alter nicht mehr auf der Farm arbeiten mußten, da die Kinder dies für die Eltern übernahmen. Heute strebten die Kinder jedoch, aufgrund ihrer Schulbildung, andere Berufe an.

Seine Frau arbeitet auf der Kakao Farm mit und erzielt daraus ihr eigenes Einkommen. Daneben verkauft sie noch Gemüse auf dem Markt, um Fleisch zu kaufen. Am meisten Geld gibt er für die Schulgebühren, die Bücher, Stühle und Uniformen aus. Weiterhin für Nahrungsmittel, Kleider, medizinische Versorgung, Kerosin und Beerdigungen. Er ist in der Lage Geld zu sparen und hat dafür auch ein Bankkonto. Daher hat er auch Zugang zu offiziellen Krediten. Er gibt ca. 20,- DM in der Woche aus.

Er ist der Familienvorstand der Patakro Familie (vgl. Kapitel 6.1) und stellt damit einen der Subchiefs von Gyankufa. Außerdem ist er der Linguist (Sprecher) des Gyasehene der Sumas. Wenn ein Fest stattfinden soll, müssen der Sumahene und der Gyasehene ihn als Hauptverantwortlichen in die Organisation des Festes mit einbeziehen, besonders bei der Organisation des jährlichen Yam-Festes in Suma-Ahenkro.

90 Zukünftig möchte er sich ein größeres und besseres Haus bauen. Für seine Kinder wünscht er sich, daß sie eine gute Ausbildung bekommen und später dann Polizisten, Beamte, Doktoren und Präsidenten werden.

3. Ein ökonomischer Aufsteiger: Kojo Das Haus befindet sich in der nordöstlichen Modernisierungszone Gyankufas. Es ist eines der neusten und besten in Gyankufa. Es hat zwei Stahltore und Glasscheiben und ist vollständig mit Wellblech gedeckt.

Kojo ist nicht in Gyankufa geboren, aber seine Mutter stammt aus Gyankufa. Er ist 55 Jahre alt, mit zwei Frauen verheiratet und hat 13 Kinder. Das ältesten ist 30 Jahre alt und das jüngste 11 Jahre. Im Haus wohnen 11 Familienmitglieder und 4 Fremde, die jeweils einen Raum gemietet haben. Die Miete betrug im September 1996 pro Monat 2,50 DM. Seine jüngere Frau wohnt nicht mit im Haus. Sie wohnt bei ihrer Mutter in einem Dorf bei Drobo, während er in Gyankufa ist. Es ist allerdings seine Pflicht sie auch in dieser Zeit dort regelmäßig zu besuchen. Wenn er in die Western Region geht begleitet sie ihn und die ältere Frau bleibt in Gyankufa zurück.

Er und seine Frauen sind nicht zur Schule gegangen, aber alle seine Kinder besuchen die Schule. Er bewirtschaftet seit 20 Jahren zwei Kakao Farmen in der Western Region, die zusammen ca. 70 acres umfassen. In Gyankufa bewirtschaftet er weitere vier acres, um dort Grundnahrungsmittel anzubauen. Er pflanzt in Gyankufa keine Cash-Crop an, da er der Meinung ist, daß bei verstärkten Cash-Crop-Anbau das Land in Gyankufa für ‘Food-Crops’ langfristig zu knapp wird.

Er besitzt ein Radio und ein Fahrrad. Außerdem hat er ein Bankkonto bei der Ghana Commercial Bank. Diese vergibt aber keine Kredite, somit hat er keinen Zugang zu offiziellen Kreditenmöglichkeiten.

Er übt keine soziale oder politische Funktionen in Gyankufa aus, da er bis vor zwei Jahren fast das ganze Jahr über in der Western Region gewesen ist. Seitdem geht er nur noch für ca. zwei Monate im Jahr seine Kakaofarmen besichtigen. Er hatte nie vor in der Western Region zu bleiben, da dort die Bildungsmöglichkeiten für die Kinder wesentlich schlechter seien als in Gyankufa.

Seiner Meinung nach hat sich die ökonomische Situation Ghanas in den letzen 10 Jahren verschlechtert. Früher gab es zwar weniger auf den Märkten zu kaufen, aber gegenwärtig sei alles so teuer, daß man es sich nicht leisten könne. Die Konsumgüterpreise seien gegenüber dem Einkommen, welches er aus seiner Kakaoproduktion beziehe, real gestiegen.

Er ist ein Anhänger der traditionellen Religion. Durch das Ausbreiten des Christentums befürchtet er einen weiteren Verfall der Traditionen. Positiv sieht er hingegen, daß die Kinder in den Schulen jetzt wieder lernen würden, wo ihre Wurzeln lägen.

Zukünftig möchte er die Ausbildung seiner Kinder fördern. Seine Töchter möchte er mit Nähmaschinen und Material für das Schneiderhandwerk ausstatten, seinen Söhnen möchte er Läden, Geschäfte und Kioske einrichten. 91 13.2.2 Der Status und die Rolle der Frauen in der Dorfgesellschaft

13.2.2.1 Der Status der Frau und die ihn determinierenden Faktoren Wie in der gesamten ghanaischen Gesellschaft verankert, so steht auch in der Dorfgemeinschaft von Gyankufa der Status der Frauen in enger Beziehung zum Alter, der Lebensphase und der Familiensituation. Mit jedem durchschrittenen Stadium eines Lebensabschnitts variiert ihr Status, der im folgenden als Stellung in der Gesellschaft verstanden werden soll.

In Bezug auf das Lebensalter läßt sich eine wachsende Hierarchie in der Gesellschaft mit fortschreitendem Alter feststellen. Den Frauen wird mit zunehmendem Alter mehr Achtung und Wertschätzung entgegengebracht. Es herrscht das Prinzip der Seniorität. Die höchste Anerkennung bekommen alte Frauen nach der Menopause, sie werden z.T. als geschlechtslos angesehen. Diese alten Frauen genießen meist eine größere Unabhängigkeit wie zuvor und können den Männern vergleichbare Rechte erlangen, bzw. entsprechende Aufgaben ausführen wie z.B. vor der Dorfversammlung zu reden (vgl. Kapitel 13.3).

Die Lebensphase ist insofern für den Status von Bedeutung, als daß in der Gesellschaft für junge erwachsene unverheiratete Frauen, junge verheiratete Frauen ohne Kinder, junge verheiratete Frauen mit Kindern, etc. verschiedene Statuszuordnungen etabliert sind. Menstruation, Heirat und Geburt sind einschneidende und von der gesamten Dorfbevölkerung mitverfolgte Ereignisse ihm Leben einer Frau. Eng damit verbunden sind die gesellschaftlichen Erwartungen bzgl. der Erfüllung von häusliche-ehelichen, familiären und sozialen Pflichten. Werden diese Erwartungen erfüllt (z.B. Geburt des ersten Kindes innerhalb von zwei Jahren nach der Heirat), so wird der Frau die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Status zugebilligt, der dann auch ihren sozialen Handlungsspielraum festlegt. Allgemein gilt, daß der Status der Frau mit der Heirat und der Anzahl der Kinder, insbesondere der Söhne, ansteigt.

Auch die Position innerhalb der Familienstruktur beeinflußt den Status der Frau. Meist geht es dabei gleichzeitig um eine Machtstellung bzgl. der Familiensituation, wie folgende Beispiele verdeutliche mögen. → In polygamen Ehen ist z.B. die erste Frau der zweiten Frau übergeordnet. → Die Schwester des Ehemannes darf bestimmte Rechte in Anspruch nehmen wie z.B. die Hilfe ihrer Neffen und Nichten bei Feldarbeiten unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. nur in den Schulferien).

In Gyankufa gibt es zwar recht viele polygamen Ehen (ca. 50%), doch da die zweite (Ehe-) Frau in der Regel in der Western Region wohnt, treten nur selten häusliche Probleme in diesem Zusammenhang auf. Spannungsgeladen ist dagegen oftmals das Verhältnis zwischen der Schwester des Ehemannes und seiner Ehefrau. Entscheidungs- und damit Machtkämpfe kleineren Maßstabs gehören hier fast zum Alltag. Ein Anlaß kann zum Beispiel der Bedarf der Schwester an Arbeitskräften auf ihren Feldern sein, wofür sie die Neffen und Nichten abstellen möchte. Dem steht der Wunsch der Ehefrau und Mutter entgegen, ihre Kinder nicht die Schule versäumen zu lassen. Oder die Ehefrau hat zur selben Zeit einen eigenen Bedarf an (kindlichen) Arbeitskräften in der Landwirtschaft oder im Haushalt. Entsprechend penibel achten diese beiden Frauen auf die Einhaltung des Reziprozitätsgebots unter weitgehender Meidung von zu häufigen oder zu privaten Kontakten. Innerhalb der Familienstruktur bedeutet der Status der einzelnen Mitglieder auch immer eine Machtposition, die es zu erlangen, zu verteidigen oder zu manifestieren gilt. 92 Insgesamt läßt sich feststellen, daß der Status der Frau stark von sozialen und kulturellen Normen und Werten der Gesellschaft definiert wird. Diese Normen und Werte gruppieren sich dabei vor allem um ein im traditionellen Sinn ‘der Norm entsprechendes’ Durchschreiten der einzelnen Lebensabschnittsphasen. Da der Status normalerweise innerhalb des Lebensablaufes zunehmend höhere Ränge durchläuft, nähert sich die Frau fortschreitend an eine gewisse ‘Vollwertigkeit” als Mitglied der (Dorf-)Gemeinschaft an. Diese ‘Vollwertigkeit” haben die Männern dagegen bereits mit Beendigung der Pupertät erreicht. Von dieser Basis gesellschaftlicher Anerkennung aus können sich die Männer mehr um ihre individuelle Statuspflege und -erweiterung kümmern. Dazu gehören z.B. ökonomische Aktivitäten außerhalb der Dorfgemeinschaft wie der Kakaoanbau in der Western Region (vgl. Kapitel 8.2 und 8.3) und die anschließende Demonstration des erworbenen Reichtums durch Renovierung oder Neubau des Gehöfts.

Frauen dagegen betreiben Statuspflege durch das demonstrative Vorleben ihrer Fähigkeit, die Familie zu versorgen und gleichzeitig ökonomisch aktiv zu sein. Dabei wird von der Gemeinschaft erwartet, daß sie auch eine eigene, vom Mann völlig unabhängige, Einkommensquellen besitzen und damit zum Unterhalt des Haushaltes beitragen. Trotz der z.T. sehr hohen finanziellen Beiträge, die durch die Frauen erbracht werden, liegen die meisten Entscheidungsbefügnisse jedoch beim Mann (vgl. Kapitel 13.5).

13.2.2.2 Die Rollen der Frau und ihre verschiedenen Ausprägungen Die Verhaltens- und Vorgehensweisen, die zur Erlangung oder Manifestierung des gesellschaftlichen Status der Frau führen, sind sehr verschiedenartig. Die beschriebene Demonstration ihrer Gemeinschaftsfähigkeit stellen nur eine Facette davon dar. Von großer Bedeutung ist vor allem auch die von der Gemeinschaft scharf beobachtet Erfüllung der zahlreichen, ans weibliche Geschlecht gebundenen, Rollen.

Nach OPPONG / ABU (1987: 68ff.) gibt es fünf für Landfrauen spezifische Rollen, innerhalb derer sie agieren. Sie sind Ehefrau, Mutter, Hausfrau, sie nehmen am Gemeinschaftsleben teil und sie haben einen ihrer Abstammungslinie entsprechenden Platz in der Gesellschaft. Diese fünf traditionellen Rollenzuschreibungen bildeten auch die zentralen Eckpunkte der Lebensinhalte unserer Interviewpartnerinnen. Eine aktuelle Erweiterung erfährt diese Palette von Standardrollen durch den Aufgabenzuwachs, der sich für die Frauen durch die saisonale Migration ihrer Ehemänner in die Western Region (vgl. Kapitel 8.2) ergibt. Durch die Abwesenheit der Männer entstehen für die Frauen zusätzliche Entscheidungs- und Handlungsverantwortungen im Haushalt und in der Landwirtschaft.

Des weiteren übernehmen sie - wenn auch nur monateweise - den Haushaltsvorstand. Diese zusätzliche Aufgabe stellt eine erhebliche Mehrbelastung für die Frauen dar. Sie muß die Situation nicht nur des Überlebens willen notgedrungen befriedigend lösen, sondern sie muß bei der Erfüllung des Mehraufwandes auch neuen Rollenerwartungen entsprechen: nämlich ökonomisch wie auch sozial das Ruder stets sicher in der Hand zu haben. Diese Zusatzbelastung, welche aus der Haushaltsvorstands-Position der Frau erwächst, muß als eine Art Doppelbelastung immer mitberücksichtigt werden, wenn es im folgenden um die Vorstellung der fünf traditionellen Rollen der Dorffrauen geht.

Die Frau als Ehefrau Mit der Eheschließeung und dem damit erfolgenden Eintritt in eine neue Verwandtschaftsgruppe eröffnet sich der Frau ein zweites soziales Agitationsfeld neben der Mitgliedschaft in der eigenen Verwandtschaftsgruppe. Die Heirat stellt somit den Kontakt 93 zwischen zwei Verwandtschaftgruppen her und dient ihnen als Bindeglied. Da bei den untersuchten Ehen in Gyankufa normalerweise das Prinzip der Patrilokalität vorherrscht, die Frau also ins Haus oder Dorf des Ehemannes einzieht, geht damit auch eine soziale Verunsicherung für die Frau einher. Sie muß sich demnach nicht nur vor dem Ehemann behaupten, sondern auch um Anerkennung seitens seiner Verwandtschaftslinie kämpfen. Ihr Verhalten ist dadurch zunächst von Anpassung geprägt, sie ist bemüht, Rollenerwartungen aus dem Umfeld zu erfüllen.

Speziell in bezug auf die Ehe bedeutet dies, daß die Frau sich zunächst untergeordnet und devot dem Mann gegenüber verhält. Die öffentlich gebilligte und positiv bewertete Autoritätsunterworfenheit der Frau gegenüber dem Mann wird in der Anfangsphase einer Ehe deutlich nach außen demonstriert. Aber auch nach innen, innerhalb der familiären Privatsphäre, ist die Frau bemüht, dem Mann keinen Anlaß zur Klage zu geben. Ist die Akzeptanz der neuen Frau in der Verwandtschatfsgruppe des Mannes erst einmel gewährleistet, so beginnt die Frau allmählich, sich dem Ausmaß der Autorität des Mannes zu entziehen und beginnt z.B., haushaltsrelevante Entscheidungen alleine zu treffen. In der Regel toleriert der Ehemann das und erwartet sogar ein gewisses Autonomiebestreben seiner Frau. Denn für die beiden Eheleute steht heutzutage nicht das Bestehen vor der Verwandtschaftgruppe im Zentrum ihres Bemühens, sondern das effektive Zusammenarbeiten als eine wirtschaftliche Einheit. Das Ehemotiv der ‘biologischen Reproduktion der Verwandtschatfsgruppe’ ist mittlerweile der ‘Funktion der ökonomischen Überlebenssicherung’ gewichen (KASMANN/KÖRNER 1992:31).

Damit muß eine Ehefrau gleichzeitig zwei Rollenerwartungen genügen: gemäß den äußeren, öffentlichen Vorstellungen muß sie dem Mann eine sorgsame, treue und gehorsame Ehefrau sein; laut den inneren, privaten Erwartungen des Mannes muß sie der Reproduktion dienen können (fruchtbar sein), und der Ehefunktion der ökonomischen Überlebensgemeinschaft damit gerecht werden, daß sie wirtschaftlich-rationales Geschick besitzt.

Die Frau als Mutter Eng mit der Heirat ist für die Frauen die Mutterschaft verbunden. Für viele Frauen stellt die Heirat einen bloßen gesellschaftlichen, sozialen und v.a. finanziellen Rahmen dar, um Kinder zu bekommen. Die Frauen sehen oftmals weniger ihre eigene Ehe oder die Liebe zu ihrem Ehepartner im Vordergrund. Der Mann wird von ihnen vielmehr als Unterhaltszahler betrachtet. Diese Sichtweise ist allerdings nur bedingt einer intraehelichen Autonomie der Frau zuzuordnen. Denn trotz, und neben dem ganz individuell mehr oder weniger ausgeprägten Kinderwunsch einer jeden Frau, steht sie unter enormen gesellschaftlichen Zwang, den sie z.T. bereits zu einem eigenen moralischen Pflicht-Wunsch verinnerlicht hat. Die materielle Bedeutung von Kindern - potentielle Sicherung der Altersversorgung der Eltern - ist oftmals gleichbedeutend mit der ideellen: Die Mutter erwirbt mit der Demonstration ihrer Fruchtbarkeit ihre ‘Vollwertigkeit’ als Mensch und Gemeinschaftsmitglied und erwirbt v.a. vor der Verwandtschaftgruppe des Ehemanns damit Sozialprestige. Wie wichtig dieser Beweis der biologischen Funktionsfähigkeit ist, zeigt sich in der Tatsache, daß unfruchtbare Frauen meist wie unreife Erwachsene oder gar als Kinder betrachtet und behandelt werden.

Die Frau als Hausfrau Nach den Ergebnissen unserer Befragung zu urteilen, ist bei den meisten Frauen (73%) die Hausarbeit nicht sehr beliebt. Entsprechend versucht sie, die unangenehmsten Arbeiten wie z.B. das Sammeln von Feuerholz oder Wasser an jüngere Familienmitglieder abzugeben. Dies geht z.T. auch nicht anders, da die Ehefrau sonst zeitlich in Engpässe mit dem Kochen oder anderen Haushaltspflichten kommen würde. Dennoch ist die Rollenerwartung des Ehemannes 94 und seiner Verwandtschaft an die Frau auch von anderen Vorstellungen geprägt. Die Frau soll sich möglichst als tüchtige Hauswirtschafterin beweisen, die ihre Aufgaben schnell, gut und souveräen zu meistern versteht. Dazu gehört u.a., daß sie sich über zuviel Arbeit nicht beklagt. Weiterhin soll die Frau gute Beziehungen zur Nachbarschaft unterhalten, den Innenhof des Gehöfts immer in tadellosem Zustand halten - v.a für überraschende Besucher wie uns - und den Haushalt samt seinen Mitgliedern ‘gut’ versorgen, was sich in erster Linie auf einen allabendlich gefüllten Essenstopf bezieht.

Um diese Rollenzuweisungen zu erfüllen, muß die Frau normalerweise neben der Mithilfe auf dem Anbaufeld des Mannes auch ein eigenes Feld bewirtschaften, auf dem sie vornehmlich Gemüse anbaut. Die Aufgabenverteilung bzgl. der Beschaffung der täglichen Nahrung sieht vor, daß die Frau die Zutaten für die Soßen selbst anbauen, bzw. durch Zukauf erwerben muß, während der Mann für den Anbau der Knollenfrüchte, und den Aufbau von Fallen für sporadische Fleischeinlagen verantwortlich ist. Wie bereits eingangs erwähnt wurde, wird von der Frau darüber hinaus erwartet, daß sie durch den lokalen Verkauf der Feldfrüchte ihrer Farm ein eigenständiges kleines Einkommen erwirtschaftet, mit dem sie ebenfalls ihre Beitragspflicht zum Haushaltskonsum ableistet. Das Einkommen der Frau ist zwar relativ klein, dafür aber übers Jahr hinweg relativ konstant. Der Mann hingegen verfügt durch den Verkauf von Cash Crops eher ein größeres Einkommen, welches er dafür aber nur zu einem Zeitpunkt- nämlich nach dem Verkauf der Ernte - erhält. Aus diesem verschiedenen Einkommensaufkommen ergibt sich eine klare geschlechtliche Aufteilung bzgl. der Verantwortung für Haushaltsposten: die Frauen müssen für die täglich anfallenden Kleinigkeiten sorgen, währen die Männer für große Anschaffungen zuständig sind. Die verschiedenen Verpflichtungen werden im einzelnen jeweils auf Grundlage der gesellschaftlichen Normen und Ideale zwischen den Ehepartnern ausgehandelt (vgl. Kapitel 13.5).

Die Frau als Mitglied ihrer Gemeinschaft Bisher trat die Gemeinschaft als mächtige Instanz in Erscheinung, die verantwortlich war für die Zuschreibung von Rollen an die Frauen, die Beobachtung und Bewertung der Einhaltung dieser Rollen und schließlich für die ‘Instandhaltung’ eines Netzes von Normen und Idealen bzgl. dem öffentlichen wie auch dem privaten Verhalten der Frauen. Daneben fungiert die Gemeinschaft jedoch auch als Netzwerk sozialer und ökonomischer Hilfeleistungen und bietet ein - wenn auch nur begrenztes - Forum für die Frauen in bezug auf Freizeitunternehmungen und Zerstreuung außerhalb der Familie. Im Gegensatz zu den Männern haben die Frauen dabei allerdings relativ wenig Freiheiten. Klatsch und Lästerei v.a. der weiblichen Nachbarn und der Gemeinschaft bewirken, daß die Frauen sich davor hüten, aufzufallen und zum Objekt von durch Neid geprägter übler Nachrede werden.

So achten die Frauen sehr darauf, daß sie bzgl. dem ihnen zur Verfügung stehenden Zeitraum für Zerstreuungen zuerst die ‘freiwilligen Pflichten’ der verwandtschaftlichen Besuche im Dorf wahrnehmen. Erst danach steht ihnen die Möglichkeit offen, an sozial legitimierten Ereignissen wie etwa Gottesdiensten teilzunehmen, ohne in die Gefahr von ‘Gerede’ zu kommen. Gerade der Gottesdienstbesuch spielt bei den Frauen von Gyankufa eine zentrale Rolle. Seit der durch WVI beschleunigten Christianisierung (vgl. Kapitel 11.2) sind mittlerweile 95% der Dorfbevölkerung Christen.

Die anderen potentiellen Betätigungsfelder in der Gemeinschaft - wie z.B. Dorfpolitik, Vorstandsposten in der Kirche oder die Mitgliedschaft bei WVI, bzw. der Credit Union - sind dagegen von einer monopolartigen Dominanz der Männer geprägt. Die Beteiligung der Frauen ist hier nur rudimentär und soll in Kapitel 13.4 näher untersucht werden. 95 Die Frau als Mitglied ihrer Verwandtschaft Die Durchführung einer Heirat und die damit zwischen der Ehefrau und der Verwandtschaftsgruppe des Ehemannes hergestellten Beziehungen sind im Leben der Frau immer zweitrangig gegenüber ihrer Verbindung zur eigenen Verwandtschaftsgruppe. Die Beziehung der Frau zur eigenen Gruppe ist persistenter und wird in der Regel auch mehr gepflegt. Der Hauptgrund dafür ist, daß die Herkunftslinie für die Frau nicht nur Heimat im weitesten Sinne bedeutet, sondern ihr auch immer ein Garant für ökonomische Absicherung sein wird. Als Tochter ihres Vaters hat die Frau während ihres ganzen Lebens einen festen Platz im sozialen Gefüge ihrer Abstammungsgruppe. Dadurch kann sie sich einer allgemeinen Gruppensolidarität sicher sein, die ihr im Falle der Scheidung soziale wie auch ökonomische Überlebenssicherung garantiert. Die Rückkehr der Frau aus einer geschiedenen Ehe in die eigene Gruppe bedeutet keinen Prestigeverlust und keine Einschränkung ihrer Rechte wie z.B. die Verfügbarkeit über eine Parzelle Land. Somit bleibt für die Frau auch während einer Ehe die Orientierung zur eigenen Gruppe immer bedeutsam und stärkt ihr den Rücken, sich nicht jedwede Behandlung durch ihren Ehemann gefallen zu lassen.

13.3. Der soziale Aktionsraum von Frauen und Männern Die sozialen Aktionsräume der Männer und Frauen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Öffentlichkeitsorientierung und ihrer Diversifizierung. Der soziale Aktionsraum der Männer ist generell weiter gefächert und vielseitiger wie der der Frauen. Dies zeigt sich z.B. daran, daß Männer sich eigene Kommunikationsräume in Form von Trinkbars geschaffen haben, während Frauen nicht auf vergleichbare exklusive Treffpunkte zurückgreifen können. Um diese und die zahlreichen anderen Ausprägungen der Verschiedenartigkeit männlicher und weiblicher sozialer Aktionsräumen besser verstehen zu können, ist es nötig, sich mit der Entstehung dieser Räume zu beschäftigen.

Die unterschiedliche Ausgestaltung der sozialen Aktionsräume der Erwachsenen wird bereits im Kindesalter grundlegend geprägt. Im Laufe der durchschrittenen Altersstufen eines jeden Kindes, Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommt es zu einer Entwicklung und Veränderung sozialer Aktionsräume. Für die Mädchen und Jungen im Kindes- und Jugendlichenalter (bis zu 18 Jahren) ist i.d.R. die Schule zentraler Ort sozialer Kontakte. Kurz vor Unterrichtsbeginn, in den Pausen und nach der Schule bestehen wichtige Zeiträume für die Pflege von Freundschaften. In ähnlicher Form gibt es diese nur noch abends, nach dem Abendessen beim Spielen im Gehöft oder auf Plätzen zwischen den Gehöften. Ansonsten bleibt den Kindern und Jugendlichen nur wenig Zeit für spielerischen Austausch, da ihre Arbeitskraft in der Landwirtschaft benötigt wird. Dies betrifft in besonderem Masse die Mädchen mehr als die Jungen, da erstere in Landwirtschaft und Haushalt eingebunden sind.

Mit zunehmendem Alter, spätestens ab der Initiation, kommt es zu einer immer deutlicheren Trennung der öffentlichen sozialen Kontakte zwischen Jungen und Mädchen. Da die Initiation die körperliche Reife und den Eintritt in die Erwachsenenwelt symbolisiert, werden allzu nahe Kontakte von Jungs und Mädchen aus der Sicht der Erwachsenen immer mit der Gefahr einer ungewollten Teenage Pregnancy verbunden und sind deshalb von der Gesellschaft mit strengen moralischen Auflagen versehen. Die sozialen Kontakte spielen sich also ab dieser Lebensabschnittsphase zunehmend in der eigenen Geschlechtergruppe ab.

Bei den Mädchen setzt die Menstruation zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein, wodurch normalerweise keine gemeinsame Initiation im Sinne des Eintritts in die Erwachsenenwelt vollzogen wird. Die männliche Jugend ist hingegen von jeglicher biologischen Determinierung ihrer Reife befreit und begeht somit die, den Initiationsritus ersetzende 96 Kommunion, bzw. Konfirmation, nach Altersgruppen gemeinsam. Damit wird die bereits in der Schule angelegte emotionale Bindung weiter ausgebaut und verstärkt. Im Vergleich zu den Mädchen / Jungen Frauen wird zwischen den jungen Männern einer Altersgruppe ein relativ enges Verhältnis angelegt. Verstärkt wird dieses Verhältnis durch gemeinsam durchlebte Abenteuer, wie z.B. mit den Vätern auf die Jagd zu gehen, und durch das Wissen, daß absehbar keine räumliche Trennung durch eine Heirat mit nachfolgendem Ortswechsel entstehen wird. Die jungen Frauen haben dagegen keine vergleichbaren Gemeinsamkeit stiftenden Erlebnisse, und haben die sehr wahrscheinliche Aussicht, daß sie mit Eintritt in die Ehe aufgrund der praktizierten Patrilokalität das Dorf verlassen werden.

13.3.1 Der soziale Aktionsraum der Frauen Mit obigem Beispiel zeichnet sich bereits eine gewisse Enge und Begrenzung der sozialen Aktionsräume der jungen Frauen ab. Die Grundsteine für eine relative Beschränkung der sozialen Interaktionen auf den privaten Bereich werden gelegt, und die später bei Heirat benötigte soziale Anpassungsfähigkeit angelernt. Da die jungen Frauen von Gyankufa in der Regel keine weiterführende Ausbildung außerhalb des Dorfes antreten, ist der auf den Schulbesuch folgende Lebensabschnitt bereits die Heirat. Mit der Heirat begibt sich die Frau in eine Phase sozialer Verunsicherung: sie verläßt Elternhaus, eigene Verwandtschaftgruppe und Freundinnen und muß sich vor der Schwiegermutter und der Verwandtschaft des Mannes behaupten.

Mit Eintritt in die Ehe wird der soziale Aktionsraum der Frau innerhalb der Ehe und der Gesellschaft weitestgehend durch ihren Status und die Erfüllung von Rollen (vgl. Kapitel 13.2) definiert. Innerhalb der Ehe und auf der Haushaltsebene sind die Kinder, oder ebenfalls im Gehöft lebende weibliche Verwandte, primärer sozialer Bezugspunkt. Das Verhältnis der Frau zum Mann ist dagegen v.a. von sozialer Unterordnung und Autoritätsunterworfenheit geprägt. Mit dieser Ungleichheit geht eine relativ ‘geringe soziale Dichte’ (KASMANN / KÖRNER 1992:41) der Beziehung der Eheleute untereinander einher. Die hat zur Konsequenz, daß die Einhaltung von ehelichen Rechten und Pflichten die Art und Weise des gegenseitigen Umgangs dominieren. Die das Eheverhältnis prägende Gehorsamspflicht der Frau hat dabei zweierlei Auswirkungen. Die innereheliche Konsequenz ist ein eingeschränkter Handlungsspielraum. Die nach ‘außen’ gerichtete Wirkung ist dagegen tiefgreifender: Durch die Gehorsamspflicht kann der Mann den Zugang der Frau zur Öffentlichkeit kontrollieren (KASMANN / KÖRNER 1992:43).

Als Ergebnis eines solchen Eheverhältnisses resultiert eine relativ einseitige Orientierung der Frau auf familiäre und private soziale Aktionsräume. Diese Aktionsräume sind in ihrer Ausrichtung auf die Privatsphäre relativ inflexibel, inhaltlich zeigen sie sich jedoch wandel-, bzw, erweiterbar. Dies geschieht hauptsächlich durch eine eventuelle finanzielle Teilunabhängigkeit der Frau durch den eigenständigen Verkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Das selbst erwirtschaftete Einkommen sichert der Frau mehr Mitspracherechte und Entscheidungsbefugnisse. Ihre in die Öffentlichkeit hinein gerichteten Aktivitäten bleiben jedoch sehr eingeschränkt. Denn nicht nur der Ehemann kontrolliert ihren Zugang dazu, sondern die gesellschaftlichen Rollenerwartungen an die Frau schaffen zusätzliche Einschränkungen.

So wird die Frau in der Regel schärfer in ihrem öffentlichen Auftreten und Handeln beobachtet. Außerdem sind Klatsch und Tratsch innerhalb der Dorfgemeinschaft viel eher auf die Frauen als auf die Männer konzentriert, was ihre im Verhältnis zum Mann eingeschränktere Handlungsfreiheiten verdeutlicht. Auch die Gefahr von sozialen Sanktionen betrifft viel eher die Frau wie den Mann. Zum Beispiel wird Kinderlosigkeit einer Ehe immer 97 mit einem Versagen der weiblichen Fruchtbarkeit gekoppelt, während das Thema einer männlichen Impotenz öffentlich ein Tabuthema darstellt, bzw. runtergespielt wird. Das entsprechende soziale Stigma kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein, hat daher alleine die Frau zu tragen: Mit einem solchen Stigma behaftet, wird die Frau normalerweise aus fast allen Bereichen des Gemeinschaftslebens ausgeschlossen oder im schlimmsten Fall sogar aus der Gemeinde verstoßen.

Für die sozialen Aktionsräume der Frauen in der dörflichen Gesellschaft ergibt sich somit insgesamt das Bild einer recht kleinen und eingeschränkten Reichweite. Die Frauen haben keine den Männern vergleichbaren eigenen Kommunikationsräume (wie die Trinkbar) und keine ausgewiesenen Treffpunkte. Faktischer Treffpunkt sozialen Austausches im Alltag der Frau ist die Wasserpumpe. Hier können während der Wartezeit wichtige Neuigkeiten ausgetauscht und soziale Kontakte gepflegt werden. Außerdem spielt der sonntägliche Gottesdienstbesuch noch eine wichtige Rolle, bei dem die Frau auf sozialer Ebene Kontakt zu gleichgesinnten Frauen und Männern hat. Für viele Frauen in Gyankufa stellt dieser Messebesuch, und gelegentliche morgendliche Gebetsstunden, einen Höhepunkt gesellschaftlicher Involviertheit dar und mit entsprechend viel Sorgfalt werden z.B. die für diese Besuche vorgesehenen Kleidungsstücke gepflegt.

Ein zusätzliches Betätigungsfeld der Frauen von Gyankufa ist an der Schnittstelle sozialer und ökonomischer Aktivität angesiedelt: die Mithilfe auf den Farmen anderer Frauen. In Zeiten der Abwesenheit ihrer Männer helfen sich einige Frauen reihum bei schweren oder zeitaufwenigen Arbeiten, oder kümmern sich im Krankheitsfall eines Gruppenmitglieds in einer Art Nachbarschaftshilfe um die Farm der arbeitsunfähigen Frau.

13.3.2 Der soziale Aktionsraum der Männer Wie bei den Mädchen wird auch bei den (jungen) Männern der soziale Aktionsraum hauptsächlich durch die Altersstruktur bestimmt: Da die meisten männlichen Jugendliche (bis ins Alter von 18 Jahren) und der Großteil der Kinder in Gyankufa die Schule besuchen, wirkt diese als zentraler sozialer Ort. Freundschaften werden, sofern sie vorher nicht existierten, in der Schule geschlossen und darüber hinaus weiter gepflegt.

Junge Männer (im Alter zwischen 18 und 25) verbindet auch ein gemeinsamer Schulbesuch auf einer weiterführenden Schule außerhalb von Gyankufa. Berufsbildende Schulen, z.B. in Berekum und Sunyani haben i.d.R. ein großes, z.T. überregionales Einzugsgebiet (bis zu mehreren hundert Kilometern). Dadurch bringt ein solcher Schulbesuch auch immer räumlich weitstreuende Kontakte mit sich.

Generell bilden die unverheirateten jungen Männer (im Alter von 20 bis 30 Jahren) in Gyankufa eine eigene soziale Gruppe. Die sozialen Bindungen werden durch gemeinsame Aktivitäten gefestigt. Das Brettspiel Dame zieht jeden Nachmittag eine große Anzahl junger Männer in seinen Bann. Weiterhin ist das Fußballtraining fest im Zeitplan der Gruppe der jungen Männer institutionalisiert.

Darüber hinaus gibt es noch die Gruppen der verheirateten Männer (i.d.R. ab 25 Jahren aufwärts). Diese leben entweder permanent in Gyankufa und bestellen dort ihre Farm oder sie besitzen eine Kakaofarm in der Western Region und sind deshalb vier bis sechs Monate im Jahr abwesend. Kriterien für eine soziale Verbundenheit in dieser Gruppe sind die allgemeinen Rahmenbedingungen der Lebenssituation:

→ Der Besitz bzw. Nichtbesitz von Kakaofarmen. 98 → Der Zeitpunkt und das spezielle Zielgebiet bei einer durch Cash-Crop-Anbau motivierten Migration. → Die Anhängerschaft in moderner oder traditioneller Religion und die korrespondierende Auswirkung auf die Eheform (polygam - monogam).

Soziale Beziehungen zwischen den Männern werden hauptsächlich am Abend und bei Vollmond (wegen des Lichts) gepflegt. Hausbesuche, in der Regel nach dem Abendessen, sind bei denjenigen Personen wichtig, die keinen Alkohol trinken. Hingegen ist der Besuch einer Bar für Alkohol trinkende Männer ein reizvoller Kontaktort, da dort der lokale Palmweinschnaps konsumiert werden kann. Dies wird z.B. auch daran verdeutlicht, daß bei den von Männern angefertigten Mental Maps immer diverse Bars eingezeichnet wurden.

Bezogen auf die Haushaltsebene ist zu konstatieren, daß der Mann gegenüber seiner Frau weitreichende Handlungsspielräume besitzt. Begrenzt werden seine Handlungsspielräume eher von außen, und zwar durch die Verwandtschaft seiner Abstammungslinie. Besonders die Kinder betreffende Entscheidungen stellen in diesem Zusammenhang ein sensibles Thema dar. Bei den matrilinearen Akan herrscht die kollektive Wahrnehmung vor, daß innerhalb einer Abstammungslinie jeder mit jedem verwandt ist. Dadurch ergeben sich besonders für den Onkel mütterlicherseits Einflußmöglichkeiten auf die Entwicklung der Kinder. Onkel und Tanten werden daher auch mit Mutter und Vater angeredet. Oft entscheiden diese über die Ausbildung eines Neffen oder einer Nichte und tragen auch finanziell dazu bei.

Bezogen auf die Paarbeziehung liegt aber die Entscheidungsgewalt hauptsächlich beim Mann. Eine Frau, die sich in den Augen des Mannes ‘ungehorsam’ verhält, kann gesellschaftlich geächtet werden. Für die Frauen gibt es in der Paarbeziehung vielerlei Tabus, für die Männer hingegen fast keine. Eine außereheliche sexuelle Beziehung ist z.B. für Frauen absolut tabuisiert, bei Männern hingegen wird sie zumindest geduldet. Der moralische Kodex verbietet es zwar auch Männern ‘fremd zu gehen’, in informellen Gesprächen ist aber immer wieder herauszuhören, daß es unter Männer eigentlich zum guten Ton gehört, neben der Ehefrau, noch die eine oder andere, außereheliche sexuelle Beziehung zu pflegen.

13.4 Der politische Aktionsraum der Männer und Frauen Auf die übergeordnete politische Struktur wurde bereits in Kapitel 6 eingegangen, daher soll an dieser Stelle besonders der Handlungsspielraum und der Aktionsraum der Männer, bzw. der Frauen in bezug auf politisch-gesellschaftliche Machtausübung analysiert werden

Wie es für viele andere Dörfer in Ghana ebenfalls typisch ist, wird die Dorfpolitik in Gyankufa von den Männern gemacht. Mit wenigen Ausnahmen hat man es hier geradezu mit einer monopolartigen Dominanz der Männer zu tun. Während die Männer diese Vormachtstellung oftmals mit der Berufung auf die Tradition legitimieren, haben die Frauen keine vergleichbaren Legitimationsansprüche.

Der enge Zusammenhang von poltischer und verwandtschaftlicher Struktur der Dörfer bewirkt, daß Frauen zwar Gegenstand, aber nicht Entscheidungsbefugte der innerdörflichen politischen Konflikte werden konnten. Dorfpolitik bestand traditionell aus der Beilegung von Konflikten um Land und Frauen zwischen Verwandtschaftsgruppen, der Entscheidung zu gemeinsamer Kriegsführung sowie der Wahl traditioneller Führer. Die marginale Position der Frau in der Verwandtschaftsstruktur bedingte ihr Ausgeschlossensein aus dem formalen politischen Entscheidungsprozess (KASMANN/KÖRNER 1992:193).

99 Entscheidungsmitwirkungen von Frauen sind lediglich immer dann gefragt, wenn ein direkter Beitrag von ihnen erwartet wird, wie z.B. bei der Bewirtung von hohen Gästen. Abgesehen davon besitzen die Dorffrauen keine direkten nennenswerten Mitgestaltungsbereiche in Bezug auf die Gemeinschaft betreffende Entscheidungen. Die Belange der Frauen werden jedoch indirekt durch die machtvolle Person der Queen Mother repräsentiert und in die Dorfpolitik eingebracht. Ihre Einflußbereiche sind relativ vielseitig:

Besides playing a crucial role in appointing a chief, she has jurisdiction over certain cases pertaining particularly to marriage and divorce. Her public duties require the use of counsellors, orators, and diplomats, whose number often depends on the range of her responsibilities (YANKAH 1995:77).

Durch die Befugnis, den neuen Chief einzusetzen, übt die Queen Mother Macht an sehr zentraler Stelle aus. Jedoch betreffen solche Entscheidungen mehr das Machtgerangel zwischen einzelnen Verwandtschaftgruppen, die um die Chief-Nachfolge streiten. Somit ist zwar eine Frau Mitwirkende auf oberster Ebene in Bezug auf die sozialpolitische Ordnung und Organisation des Dorfes. Die alltäglichen Belange der Frauen auf unteren Ebenen dörflichen Lebens besitzen jedoch kein institutionalisiertes Diskussions- oder Entscheidungsforum. Auch die weibliche Dorfälteste, welche für Schlichtungen von Konflikten unter Frauen zuständig ist, hat gegenüber den Männern so gut wie keine Machtbefugnisse. Bei größeren oder komlizierteren Problemen müssen diese ohnehin an männlich dominierte Schlichtungsinstanzen (Youth Leader, Chief) weitergeleitet werden.

Sehr deutlich wird die Dominanz männlich-politischer Machtstrukturen, wenn man die Örtlichkeiten des lokalen Policy Making näher betrachtet. Die zentralen Orte primärer Entscheidungsfindung für Probleme übergeordneter Art sind der Palast des Chiefs, das Wohnhaus des Chiefs und das Wohnhaus des Asafoakye. Diesen Plätzen nachgeordnet werden kleinere und private Probleme, sowie die informelle Dorfpolitik an den herkömmlichen Orten männlicher Zusammenkunft diskutiert: die Trinkbar, die Dorfschmiede oder Sitzbankgruppen unter alten Bäumen.

Im folgenden sollen die Örtlichkeiten politischer Entscheidungsfindung näher erläutert werden. Der Chief Palast fungiert als ranghöchste räumlich-politische. Alle offizielle Handlungen, die das Dorfgeschehen betreffen, finden im Chief Palast statt. Dies ist besonders wichtig, wenn politische Delegationen von außerhalb nach Gyankufa kommen. Weiterhin werden z.B. Beerdigungsfeiern im Chief Palast vorgenommen. Insbesondere werden wichtige Persönlichkeiten des Dorfes hier nach ihrem Tode aufgebahrt. Der Chief Palast als permanenter Bau im Zentrum des Dorfes ist gleichzeitig manifestierter Ausdruck von Macht. Das Dorf ist um diesen zentralen Ort herum gebaut.

Seit 1995 wird in der Region um Gyankufa durch ein privates Unternehmen, staatlich unterstützt, Holz eingeschlagen. Gyankufa erhielt von diesem Unternehmen dafür das Angebot als Kompensationszahlung einen neuen Chief Palast zu finanzieren. Der Neubau wird aber nicht an alter Stelle errichtet, da er größer dimensioniert ist als der alte Palast. Allerdings kann hier die Vermutung geäußert werden, daß die Verlegung an die Peripherie Gyankufas ein Zeichen des schwindenden Einflusses und eine Reduktion der Bedeutung der traditionellen Entscheidungsstrukturen ist.

Weitere wichtige Orte dorfpolitischer Machtstrukturen sind das Wohnhaus des Chief und das Wohnhaus des Asafoakye. Alle kleineren, schnell lösbaren Probleme, oder eine erste Problembestimmung wird, wenn es die Jugend (im Alter von 18-40 Jahren) betrifft, im Haus des Asafoakye vorgenommen und besprochen. Wenn die Problemlage die Kompetenzen des 100 Youth Leader übersteigen, oder eine andere Altersgruppe in ein Problem involviert ist, findet zumindest eine erste Standortbestimmung und Problembesprechung im Haus des Chief statt. Wenn dann immer noch keine Problemlösung vorgenommen werden kann, wird der Ältestenrat und die Subchiefs mit in den Problemlösungsprozeß einbezogen.

Bei allen weiterreichenden Problemen, die mit dem modernen Staatsapparat zusammenhängen, oder nur über diesen gelöst werden können, wird, wie bereits in Kapitel 11.1 angesprochen, Chief Commander Manu von der Polizeistation Zongu in Kumasi, über die Sachlage informiert und mit der Lösung des Problems beauftragt. Um die zentrale Stellung von Chief Commander Manu an dieser Stelle noch einmal zu betonen, sei hier beispielhaft angemerkt, daß die FeldforscherInnen von einem Entscheidungsträger in Gyankufa bestimmte Informationen nur mit dem Versprechen erhielten, Chief Commander Manu darüber nicht zu berichten. Die Person hatte offensichtlich Angst davor, sich den Unmut von Commander Manu einzuhandeln.

Zusätzlich können noch informelle Orte der politischen Diskussion identifiziert werden. Als solche sind alte Bäume in den einzelnen Dorfvierteln zu nennen, unter denen sich die älteren Männer regelmäßig zum Gespräch zusammenfinden. In diesen Gesprächen werden alle Ereignisse, von der Neugeburt eines Kindes bis zu den ghanaischen Parlamentswahlen thematisiert. Die verschiedenen Bars dienen als weitere Plattform des sozialen und politischen Austausches.

Die ghanaische Nationalpolitik ist bei den Männern von besonderem Interesse. Wer ein Radio besitzt, zeigt dies in der Regel durch laute Beschallung der Umgebung. Für die Erwachsenen sind die morgendlichen Nachrichten der Ghana Broadcast Co-operation ein wichtiges und oft einziges Medium der Informationsbeschaffung über die Nationalpolitik. 1996 war das Jahr der zweiten Parlamentswahlen in der ‘4. Republik’ und alle befragten Männer erklärten, daß sie wählen gehen wollten.

13.5 Der ökonomische Aktionsraum der Frauen und Männer

13.5.1 Der ökonomische Aktionsraum der Frauen In Kapitel 13.2 wurde darauf hingewiesen, daß von einer Ehefrau erwartet wird, ein eigenes Einkommen durch den Verkauf von Agrarprodukten zu erwirtschaften. Neben der Erwartung der Gesellschaft ist dies auch ein ganz eigenes Bedürfnis der Frau. Denn mit einem eigenen Einkommen verschafft sie sich nicht nur mehr Sicherheit für die Ernährungssituation der Familie, sondern sie gewinnt damit potentiell mehr sozialen Spielraum innerhalb der Ehe. Insofern ist eine gewisse ökonomische Eigenständigkeit der Ehefrau nicht nur für beide Ehepartner unter Versorgungsaspekten nützlich, sondern die Frau erwirbt damit auch mehr Selbstständigkeit in bezug auf Entscheidungsbefugnisse.

Im folgenden soll anhand der Darstellung der wirtschaftlichen Tätigkeiten der Frauen von Gyankufa untersucht werden, inwieweit die zwischen Männern und Frauen etablierten Arbeits- und Aufgabenteilungen einer solchen Selbstständigkeit der Frau tatsächlich auch real-praktische Handlungsräume verleihen. Der Blick richtet sich dabei auf die beobachteten Hauptgebiete weiblicher ökonomischer Aktivität: Die landwirtschaftliche Produktion für den Haushalt, den lokalen Verkauf und Bereitstellung ihrer Arbeitskraft auf den Cash-Crop- Farmen in der Western Region. Die relevanten ökonomischen Einflussebenen sind also überwiegend lokal, bzw. in Ausnahmefällen auch überregional (Western Region) angesiedelt. 101 Bei den Männern hingegen setzt sich der ökonomische Aktionsraum aus mehreren Ebenen zusammen (vgl. 13.5.2).

Grundsätzlich unterhalten die Eheleute in Gyankufa getrennte monetäre Budgets und verfügen auch über relativ verschiedene Einkommensquellen. Die Männer erwirtschaften ihr Geld hauptsächlich aus dem Verkauf von Cash Crops (Kakao aus der Western Region oder auch den gegenwärtig lokal angebauten Cashew-Nüssen und Teak-Holz). Die Frau bezieht ihr Einkommmen dagegen in der Regel nur aus dem lokalen Verkauf von saisonalen agraren Überschussprodukten. Diese stammen meistens von ihrem eigenen Anbaufeld, welches sie zusätzlich zu den Feldern ihres Mannes bewirtschaftet (vgl. Kapitel 7.5).

In Gyankufa gibt es darüberhinaus nur sehr wenige Frauen, die abweichende Einkommensquellen besitzen. Es lebten im Dorf insgesamt eine Kenkey- und zwei Banku- Verkäuferinnen, die neben der Farmarbeit durch diese Nahrungsmittelverarbeitung ein kleines Zusatzeinkomnmen erwirtschaften. Außerdem besitzen zwei jüngere Frauen jeweils einen hairdressing-beauty-salon, welche allerdings unter der Woche nur stundenweise geöffnet sind. Diese beiden jungen unverheirateten Frauen arbeiten ansonsten noch in der Landwirtschaft ihrer Mutter mit. Generell erhält jede Frau zusätzlich zu ihrem eigenen Einkommen auch eine Art Haushaltsgeld von ihrem Mann, dessen Umfang sich nach seinem Einkommen, aber auch nach der Dauer seiner saisonalen Abwesenheit richtet.

Gemäß der unterschiedlichen Höhe der Einkommen der Eheleute ergeben sich daraus ganz bestimmte Verantwortungsbereiche in bezug auf die Verwendung dieses Budgets. In der Regel ist die Frau für alle kleineren und alltäglichen Ausgaben verantwortlich: Nahrungs- und Kochutensilien, Haushaltsgegenstände und bedingt auch Kleidung. Der Mann trägt dagegen eher die Kosten für größere und außergewöhnliche Ausgaben: Kosten für Reisen und Rituale, langfristige Konsumgüter, Unterhalt für höhere Schulbildung der Kinder, Ausbesserungsarbeiten am Haus oder gar für einen Häuserneubau. Die Kosten für die Grundschulbildung der Kinder sowie für Medizin teilen sich normalerweise beide Ehepartner.

Geldeinkommen, die über das zur Existenzsicherung nötige Mindestmaß hinausgehen, können individuell verbraucht werden. Aufgrund der unterschiedlichen Dimensionen der von Männern, bzw. Frauen erwirtschafteten Geldsummen ergibt sich, daß Männer typischerweise ihren Überschuß für Fahrräder oder Prestigegüter wie Radios und Flaschenbier ausgeben, während Frauen meist Kleidung oder Schmuck kaufen.

Die Aufteilung der Beitragspflichten innerhalb des Haushalts ist jedoch nicht nur an die bereits beschriebene relative Verfügbarkeit von Geld durch die beiden Ehepartner gebunden, sondern beruht auch auf der Kontinuität des Einkommens der Frauen. Zwar ist der Absatzmarkt für die Frauen sehr eng, viele Frauen bieten die gleichen Produkte an, die meistens auch zum Kochen verwendet werden. So ist jede Frau einerseits Verkäuferin und andererseits Käuferin auf dem dörflichen Markt. Durch diesen fast regelhaften Austausch von Waren unter den Frauen selbst kann daher kein nennenswerter Gewinn erwirtschaftet werden. Diese Art von Warenökonomie hat allerdings den Vorteil, daß das Einkommen der Frauen auf relativ gleichem Niveau kontinuierlich über das Jahr hinweg zur Verfügung steht. Das Cash Crop determinierte Einkommen der Männer variiert dagegen sowohl in seiner Höhe (in Abhängigkeit von den Weltmarktpreisen) als auch vom Zeitpunkt der Verfügbarkeit her (gesamtes Einkommen auf einmal nach der Ernte).

Die zeitliche Belastung der Frauen ist in der Regel durch ihre alleinige Zuständigkeit für den Haushalt größer wie die der Männer. Dies war immer wieder in verschiedenen Familien durch allgemeine Beobachtungen feststellbar. In der Regel steht die Frau 1 Stunde vor dem Mann 102 auf (5 Uhr versus 6 Uhr) und ist am Abend mindestens 2-3 Stunden länger damit beschäftigt, den Haushalt zu versorgen, bevor sie sich den privaten oder sozialen Aktivitäten widmen kann. Das Forscherteam versuchte schließlich auch genauere Angaben zur zeitlichen Belastung der einzelnen Familienmitglieder mittels einer Zeitbudget-Studie zu erstellen. Solche Studien sind jedoch nur dann sinnvoll, wenn sie zu verschiedenen Zeitpunkten im Jahr angefertigt und anschließend verglichen werden, da die Arbeitsspitzenbelastung über das Jahr hinweg schwankt und damit der wichtigste Faktor für die Zeitlimitierung ist. Außerdem ergeben sich Abgrenzungsprobleme von Situationen multipler Tätigkeiten, d.h. wenn Freizeit und Arbeit sich vermischen wie z.B. beim Entkörnen von Mais in einer Gruppe von Nachbarinnen, mit denen sich die Gehöfts-Frau angeregt unterhält. Deshalb wird hier auf eine genauere Darstellung oder gar Quantifizierung von Arbeits- und Freizeitverteilungen verzichtet. Von der zeitlichen Mehrbelastung der Frau kann jedoch weiterhin ausgegangen werden.

Tiefgreifendere Auswirkungen wie die zeitliche Belastung der Frauen, bringt die zunehmende Spezialisierung der Geschlechter in bezug auf die Anbaufrüchte mit sich. Mit dem Betreiben von Cash-Crop-Anbau in einer anderen Region und der damit verbundenen monatelangen Abwesenheit haben die Männer einen partiellen Rückzug aus der Subsistenzproduktion vollzogen. Die Frauen haben dagegen zusätzliche Verantwortungen und zeitliche Aufwendungen innerhalb der subsistenten Existenzsicherung übernommen. Damit manifestiert sich in der Gegenwart eine Mehrbelastung der Frauen, die sie sogar zeitweise dazu zwingt, Fremdarbeitskräfte anzustellen (vgl. Kapitel 7.5).

Die Folgen dieser geschlechterspezifischen Spezialisierung sind für die Zukunft allerdings noch bedrohlicher. Bereits jetzt nehmen die Männer durch ihre Involvierung in den Handel mit Cash Crops mehr an gesellschaftlichen Veränderungs- und Modernisierungsprozessen teil. Sie reisen durch das Land, um zu ihren Kakao-Farmen zu gelangen, sie erfahren dabei wichtige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Neuigkeiten und partizipieren auch bereits bedingt an anderen, mehr städtisch orientierten Lebensweisen. Die Frauen von Gyankufa haben dagegen kaum Aussichten, sich diesen Veränderungsprozessen anzuschliessen.

Lediglich die Frauen, die im September für 3-4 Wochen zu den Erntearbeiten ihrem Mann in die Western Region nachreisen, um sich als Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, durchbrechen diese Strukturen ein wenig. Auch für sie gibt es durch die Reise potentielle Berührungspunkte mit der modernen, städtischen Welt. Jedoch haben die meisten dieser Frauen weder genug Eigeninitiative noch genügend Selbstbewußtsein, solche Gelegenheiten zum direkten Kontakt mit der fremden, städtischen Welt für sich zu nützen. Darüber hinaus werden die nachreisenden Frauen oftmals von ihrem ältesten Sohn begleitet, der in der Abwesenheit seines Vaters dessen Beschützerfunktion übernimmt und die Mutter auf dem Weg von Gyankufa zur Kakaofarm regelrecht durchs Land schleust.

Insgesamt läßt sich also feststellen, daß die Frauen bisher - und mit gleichbleibender Aussicht für die Zukunft - weitestgehend von Prozessen gesellschaftlicher Veränderung ausgeschlossen sind. Im Vergleich zu den Männern fallen sie bezüglich ihrer Informiertheit und Aufklärung zurück. Damit wird ein Prozeß der Marginalisierung in bezug auf die Teilhabe an der Modernisierung eingeleitet. Allerdings scheint dies ein sehr hoher Preis zu sein, den die Frauen damit für eine nur bedingt selbstgewählte ökonomische Selbstständigkeit bezahlen.

Die durch den Aufgabenzuwachs in der Subsistenzproduktion erfolgte Eigenständigkeit wird von den Frauen zwar durchaus begrüßt, zumindest was den Zuwachs von Handlungs- und Entscheidungskompetenzen angeht. Genauso beklagen sie sich aber über den effektiven 103 Zuwachs an Arbeitsbelastung, der jeden Tag der Abwesenheit des Mannes auf dem ehelichen Feld noch länger werden läßt. Insofern bringt der Zuwachs an Verantwortung, Aufgaben und eventuell noch an eigenem Einkommen kaum positive Effekte: die Frauen werden noch mehr an Arbeit, Haushalt und Familie gebunden und schränken ihre außerhäuslichen sozialen Kontakte noch mehr ein.

13.5.2 Der ökonomische Aktionsraum der Männer Der ökonomische Aktionsraum des Mannes wird auf mehreren Ebenen determiniert. Diese Ebenen können aufgesplittet werden auf eine haushaltsbezogene, lokale, regionale, nationale und globale Ebene. Da die Männer hauptsächlich in der Cash-Crop-Produktion tätig sind, hängt ihr ökonomischer Handlungsspielraum im wesentlichen von den natürlichen Umweltbedingungen, sowie den politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen ab. Grundvoraussetzung für die Erzielung eines Einkommens sind die Quantität und Qualität der Ernte. Diese wiederum wird bestimmt durch die natürlichen lokalen Standortfaktoren und durch lokale, sowie globale Umwelteinflüsse. Die politischen Rahmenbedingungen beeinflussen auf der nationalen Ebene Faktoren wie z.B. Transportkosten und den Abnehmerpreis für die Agrarprodukte. Auf der globalen Ebene schließlich wird der Weltmarktpreis der Exportprodukte, wie z.B. Kakao, gebildet.

Auf diese Rahmenbedingungen hat der einzelne Kleinbauer keine Einflußmöglichkeit und doch bestimmen sie zu einem Großteil über seine Handlungsspielräume. Die interviewten Männer in Gyankufa beurteilten z.B. die ökonomische Situation vor 10 Jahren vergleichsweise besser als heute, da vor allem die Konsumentenpreise niedriger gewesen seien und die Abnehmerpreise von Kakao relativ höher. Durch die Strukturanpassungspolitik wurden die ökonomischen Handlungsspielräume der Männer und ihren Familien, wie bereits in Kapitel 2.4 erläutert, sehr stark eingeengt. Vor allem die Schulgebühren stellen für jeden Haushalt einen hohen Kostenfaktor dar.

Auf der Dorfebene werden die ökonomischen Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume von den politischen Entscheidungsträgern von Gyankufa festgelegt. Sie entscheiden über Landvergabe und Landnutzungssystem. Die Billigung des Anbau von mehrjährigen Cash- Crop Pflanzen in Gyankufa bedeutet z.B. zunächst einen Gewinn für die darin involvierten Männer. Der Gewinn für den jeweiligen Haushalt und besonders für die Frauen hängt allerdings davon ab, inwieweit der Ehemann seine Frau am Gewinn partizipieren läßt. Langfristig werden jedoch die neu eingeführten Cash-Crop-Produkte mit den Food Crops konkurrieren und das Land für Grundnahrungsmittel wird voraussichtlich knapper werden. Dies trifft die Frauen in doppelter Hinsicht. Erstens wird die von den Frauen betriebene Subsistenzproduktion langfristig auf eine unsicher Basis gestellt. Zweitens verringern sich dadurch die Möglichkeiten der Frauen, durch den Verkauf von Gemüse, ein geringes Geldeinkommen zu erwirtschaften.

Die männlichen Entscheidungsträger beurteilen auch die Rangfolge von Entwicklungsmaßnahmen. Während sich die Frauen mehr Wasserpumpen wünschen, ist es für die Männer wichtiger, einen neuen Chief Palast zu errichten. Die von der Holzgesellschaft gezahlte Kompensationsleistung für den Holzeinschlag und die Arbeitskraft der Männer (Community Work) wird daher gegenwärtig dazu genutzt, zunächst diese bauliche Tätigkeit zu realisieren.

Innerhalb des Haushaltes haben die Männer einen sehr großen Handlungsspielraum (vgl. Kapitel 13.5.1). Der Haushaltsvorstand, und damit in der Mehrzahl der Fälle der Mann, entscheidet über die Allokation des Geldes innerhalb der Familie. Er ist verantwortlich für 104 alle größeren Ausgaben, besonders für den Hausbau und die Schulgebühren der Kinder. Von den Frauen wird hingegen eine konstante finanzielle Unterstützung des Haushaltes erwartet. Da sie für die Nahrungszubereitung verantwortlich sind, müssen sie in der Lage sein Zutaten, welche sie selber nicht anbauen, auf dem Markt zu kaufen. Es wird weiterhin erwartet, daß sie ihren Teil zur Finanzierung der schulischen Ausbildung der Kinder beitragen.

Bei allen Fragen zur Ressourcenallokation innerhalb des Haushaltes ist jedoch die Heterogenität der jeweiligen Haushalte zu beachten. Im Zuge der Moderne verlieren durch die Eltern arrangierte Heiraten an Bedeutung und das Modell der moderne Liebesheirat perpetuiert selbst den ländlichen Raum. Auch in ghanaischen Filmproduktionen scheint die Liebesheirat zum Credo der 90er Jahre zu werden. Dieses aus den Industrieländern importierte Image hat einen nicht zu verachtenden Einfluß auf gegenwärtige Transformationen in der traditionellen Haushaltsstruktur. Dies kann zukünftig zu einer Stärkung der Position der Frau führen. In dem Moment, wo - so auf jeden Fall die theoretische und emotionale Sicht - aus Liebe eine Paarbeziehung eingegangen wird, werden Entscheidungen auch eher auf einer partnerschaftlichen Basis getroffen. Solch ein Prozeß würde allerdings auch Gefahren bergen, dann nämlich, wenn der Haushalt als ökonomische Einheit einer Liebespaarbeziehung weicht und gleichzeitig traditionelle soziale Absicherungsnetzwerke geschwächt werden.

13.6 Der geographische Aktionsraum

In den Kapiteln 13.3 bis 13.5 wurden die diversen abstrakten Räume dargestellt, welche die Handlungsspielräume der Männer und Frauen von Gyankufa beeinflußen und eingrenzen. Als soziale, politische und ökonomische Aktionsräume stecken sie zwar in erster Linie ein abstraktes Feld für menschliche Verhaltens- und Handlungsweisen dar; indirekt wird durch das Ausführen dieser Handlungen aber auch ein real existierender Raum beansprucht und von den handelnden Individuen eingenommen. Dieser reale, physische Raum, innerhalb dessen sich menschliches Handeln abspielt, soll hier als der geographische Aktionsraum begriffen werden.

Der geographische Aktionsraum der Einwohner von Gyankufa soll im folgenden als eine Art Synthese aus den Kapiteln 13.3 bis 13.5 dargestellt werden. Es werden dabei nicht nur die Unterschiede des Aktionsraumes der beiden Geschlechter herausgestellt, sondern es soll auch zwischen dorfinternen und dorfexternen geographischen Aktionsräumen unterschieden werden.

Vor der Unterscheidung nach geschlechtlich getrennten Aktionsräumen innnerhalb von Gyankufa seien noch einige allgemeine, jeden Einwohner betreffende Bemerkungen erlaubt. Der geographische Aktionsraum einer erwachsenen Person wird innerhalb Gyankufas ganz allgemein von seiner sozialen und verwandtschaftlichen Stellung bestimmt. So wird es z.B. als verdächtig angesehen, wenn zu viele persönliche Kontakte einer Person in ein anderes als das eigene familiäre Wohnviertel hinein verlaufen. Schnell wird dann von der aufmerksam beobachtenden Verwandtschaft der Verdacht geäußert, daß die betreffende „abtrünnige“ Person sich nicht ausreichend um eigene großfamiliäre Belange kümmert.

Oder es wird zum Beispiel auch erwartet, daß Personen mit gesellschaftlich relevanten sozialen Positionen (z.B. der Youth Leader) sich mindestens einmal am Tag auf der Hauptstraße oder am Marktplatz sehen lassen. Sie sollen damit ihrer gesellschaftlich zentralen Stellung genüge tun, sich über das aktuelle Tagesgeschehen informieren und als Ansprechpartner für informelle Gespräche zur Verfügung stehen. 105

Ganz allgemein und jeden Erwachsenen betreffend gilt außerdem das Gebot, bei räumlichen Bewegungen im Dorf immer die Hauptstraße benutzen. Sonst wird angenommen, daß diese Person etwas zu verbergen habe. Eine Ausnahme bilden die Wege zur oder von der Farm oder wenn man eine eilige Erledigung tätigen muß.

Abgesehen von diesen allgemeinen gesellschaftlichen Regeln ist der dorfinterne geographische Aktionsraum des Mannes weitgehend unbeschränkt. Er hat durch seinen Status (vgl. Kapitel 13.2) und seine legitimierten Positionen im Dorf (vgl. Kapitel 13.4) nahezu zu allen öffentlichen und privaten Örtlichkeiten Zugang. Eine einzige Ausnahme bildet der heilige Schrein, welcher nur von der Fetischpriesterin betreten werden darf. Davon abgesehen besitzt der Mann geschlechtlich verankerte Zugangsrechte zu bestimmten männlich besetzten Raumpunkten wie die Trinkbar, die Schmiede, bestimmte Sitzgruppen für alte oder junge Männer oder der Abfahrtplatz der öffentlichen Transporte. Diese zuletzt genannten Orte sind den Frauen entweder gar nicht oder nicht in gleichem Maße wie den Männern zugänglich und dann meist mit strengen zeitlichen Limitierungen versehen (s.u.).

Den Frauen hingegen stehen - ebenfalls gemäß ihrem Status und ihren Rollen (vgl. Kapitel 13.2) - nicht die gleichen geographischen Aktionsräume zur Verfügung wie den Männern.

Es gibt zum einen rein quantitative Unterschiede. So sollen sich die Frauen möglichst gar nicht oder zumindest nicht zu häufig auf den Plätzen öffentlicher oder informeller Poltitik aufhalten. Und es stehen ihnen insgesamt weniger weiblich besetzte Raumpunkte im Dorf zur Verfügung. Als wichtigster Bezugspunkt weiblichen Austausches wäre hier die Wasserpumpe zu nennen. Daneben gibt es die z.T. nur von Frauen besuchte Kirchengesangsgruppen in der katholischen Kirche oder in reinen Frauengruppen getätigte Farmarbeit in Form von Nachbarschaftshilfe. Insgesamt sind die geographischen Aktionsräume der Frauen jedoch auf das eigene Gehöft, die Farm und Besuche in Nachbargehöften beschränkt. Der lokale Nachmittagsmarkt wird als potentieller „Frauen-Raum“ wegen Zeitmangel der Frauen nicht ausgeschöpft, sie schicken meist ihre älteste Tochter dorthin zum ein- oder verkaufen.

Zusätzlich zu diesen quantitativen Verschiedenheiten zeigen sich auch qualitative Unterschiede zu den Männern. Denn sowohl der Zeitpunkt als auch die zeitliche Begrenzung, sich an einem Raumpunkt aufzuhalten, stellen weitere Kriterien zur Unterscheidung männlicher und weiblicher Aktionsräume dar. So sollen sich die Frauen bei Besuchen in Nachbargehöften z.B. immer sicher sein, daß sie dort nicht einzig und allein auf den Herrn des Hauses treffen, sondern immer auch andere, möglichst erwachsene Personen anwesend sind. Dieses Gebot schränkt die Frauen hinsichtlich des Zeitpunktes ein, zu dem Besuche überhaupt - gesellschaftlich gebilligt - gemacht werden können. Ein Beispiel für die zeitliche Eingrenzung betrifft den Aufenthalt auf öffentlichen, eher von Männern eingenommenen Plätzen. Hier werden Frauen zwar kurzzeitig gebilligt. Dies gilt aber nur solange klar ist, daß sich die Frauen hier nicht in gleicher Weise oder gar ebenfalls zur nachmittäglichen Mußestunde aufhalten wie die Männer und bald wieder diese Örtlichkeitem verlassen, um ihren Pflichten nachzukommen.

Auf dortexterner, regionaler oder gar nationaler Ebene ist der Aktionsraum der Männer wesentlich weitreichender als der der Frauen. Hier werden die Aktionsräume des Mannes im wesentlichen durch ökonomische und infrastrukturelle Bedingungen beeinflußt. Abgesehen von den durch Farmbesitz in der Western Region bedingten Reisen in den Südwesten Ghanas sind die Männer je nach ihrer finanziellen Situation auch sonst viel weitreisender wie die Frauen. So ist z.B. jeder erwachsene Mann ist schon einmal in Berekum und Sunyani gewesen. Viele kennen Kumasi und einige waren sogar schon in der Hauptstadt Accra. Die 106 meisten fahren aus geschäftlichen Gründen oder wegen Verwandtschaftsbesuchen in eine größere Stadt. Einen weiteren wichtigen Anlaß stellen aber auch Krankheiten dar, die in Gyankufa, Drobo oder selbst in Berekum nicht behandelt werden können. Im Fall einer Erkrankung eines Familienmitgliedes begeleitet in der Regel der Mann diese Person zum Arzt in die Stadt, währen die Frau das Haus hütet und den Haushalt versorgt.

Der Bewegungsradius der Frauen hingegen ist deutlich kleiner. Für die Frauen erstrecken sich die außerdörflichen Kontakte und Bezugspunkte fast ausschließlich auf Marktbesuche in Drobo oder Asiri, den beiden südlich, bzw. nördlich von Gyankufa gelegenen Nachbardörfern in 3, bzw. 5 km Entfernung. Und selbst diese Marktbesuche stellen für kaum eine Frau eine Regelmäßigkeit ihres Wochenablaufes dar. Vielmehr verlaufen diese Besuche sporadisch und hängen meist davon ab, ob die saisonale Gemüseernte auf dem lokalen Markt gerade noch oder keinesfalls mehr abgesetzt werden kann. Geschäftliche Reisen betrieb keine der interviewten Frauen, genaue Gründe konnten sie hierfür allerdings nicht angeben. Oft schien sie die Frage nach solchen Reisen an sich schon als außerhalb ihres Lebenskontextes stehend zu erstaunen. Einzig die alljährliche Fahrt zu den Erntearbeiten auf den Kakaofarmen in der Western Region stellte für manche Frauen eine regelmäßige Durchbrechung des dörflichen Lebenskontextes dar (vgl. Kapitel 13.5).

Insgesamt kann abschließend die Vermutung geäußert werden, daß den Frauen mit hoher Wahrscheinlichkeit durch ihre relative Dorfbezogenheit langfristig der Anschluß an moderne, die Gesellschaft verändernden Prozesse erschwert, wenn nicht gar unterbindet. Es sei denn, es kommen vermehrt Impulse von außen in das Dorf hinein wie durch World Vision bereits geschehen. Die konkreten Auswirkungen und Impulse solcher Projektimplementierungen sind jedoch schwer vorhersehbar. Zum Beispiel ist bisher die von World Vision angestrebte verstärkte Frauenbeteiligung in den neuen Dorfkommitees noch nicht realisiert worden. In Gesprächen stellte sich heraus, daß weder die Männer noch die Frauen eine wirkliche Notwendigkeit dazu sahen, eine bestimmte Frauenquote in diesen Kommitees einzurichten, welcher Nutzen daraus entspringen sollte. Viele der befragten Frauen meinten dazu auch, die Männer hätten sowieso mehr Ahnung davon, solche Kommitees „richtig“ zu leiten und hätten vor allem auch die formalen Voraussetzungen (Schriftlichkeit), sich dort einzubringen.

Insofern stehen die momentanen Beschränkungen der sozialen und politischen Aktionsräume in direktem Zusammenhang mit den geographischen Aktionsräumen. Ohne die aktive Teilnahme der Frauen an aktuellen Prozessen der Dorfentwicklung - was eine Erweiterung ihres politischen Aktionsraumes bedeuten würde - wird nicht nur ihr dorfinterner Handlungsspielraum stagnieren. Sondern langfristig wird auch der sich allmählich etablierende Kontakt des Dorfes zur Außenwelt in den Händen der Männer manifestiert werden.

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14 Zusammenfassung

Die Zielsetzung des vorliegende Berichts war es, im Sinne einer Base Line Study die Lebenswelt der Bewohner eines Dorfes in Westghana zu beschreiben, und darüber hinaus deren Handlungsspielräume im Kontext einer Überlebensökonomie zu analysieren. Um die Lebenswelt der Bewohner von Gyankufa in ihrer Komplexität weitgehend erfassen zu können, müssen zum einen die Rahmenbedingungen, die von ‘außen’ die Handlungsspielräume der Menschen, und damit deren Alltagsleben beeinflussen, analysiert werden. Gleichzeitig ist es notwendig, die dorfinternen Strukturen zu untersuchen. Daher wurde dieser Bericht in drei Teile untergliedert. Im ersten Teil wurden die überregionalen, nationalen und globalen Rahmenbedingungen analysiert. Der zweite Teil beschäftigte sich mit der Untersuchung der Wirtschafts- und Sozialstruktur von Gyankufa, mit dem Ziel, aktuelle Wandlungsprozesse und Problemfelder der Dorfbevölkerung zu identifizieren. Der abschließende Teil verengte noch einmal den Fokus der Betrachtung auf die Einheit des Haushaltes und des einzelnen Individuums. Mit der Analyse von Aktionsräumen sollten hierbei schließlich die Auswirkungen der aktuellen Transformationsprozesse auf den einzelnen Menschen untersucht werden.

Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung in bezug auf die aktuellen Transformations- prozesse in Gyankufa können wie folgt zusammengefaßt werden:

Die Lebenswelt der Bewohner von Gyankufa hat sich mit Beginn der Kolonialzeit bis heute rapide verändert. Diese Transformationen wurden maßgeblich durch die Einführung der Warenökonomie und die Produktion von Cash Crops ausgelöst. Durch die britische Kolonialregierung wurde der Anbau von Kakao in Ghana eingeführt. Es setzte in der Folgezeit, eine bis heute anhaltende saisonale Arbeitsmigration der Männer aus Gyankufa in die Western Region ein, da dort die ökologischen Bedingungen für den Kakaoanbau sehr günstig waren und auch gegenwärtig noch vergleichsweise gut sind. Neben den ökologischen Bedingungen war es vor allem auch die Verfügbarkeit von Land, die eine saisonale Migration in die Western Region auslöste. Aufgrund der relativ dichten Siedlungsstruktur in der Region um Gyankufa wurde dort nämlich der Anbau von Cash Crops von den traditionellen Führern verboten, um ausreichend Food Crops für den Subsistenzbedarf produzieren zu können.

Die saisonale Arbeitsmigration in die Western Region - und dies haben die Untersuchungen gezeigt - hatte jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Sozialstruktur von Gyankufa. Diesbezüglich lassen sich gegenwärtig hauptsächlich zwei Transformationsprozesse feststellen. Der erste Prozeß geht mit dem durch die saisonale Migration erweiterten geographischen Aktionsraum der Männer einher. So werden sie zum einen aus dem Verband des Dorflebens in Gyankufa zeitweise herausgelöst und zum anderen in neue Lebenswelten eingebettet. Dadurch werden einerseits neue Werte vermittelt, andererseits die Bindung zum Heimatdorf jedoch nie gänzlich aufgegeben. Die Mehrheit der Migranten kehrt daher auch nach erfolgreicher Etablierung der Kakaofarm nach Gyankufa zurück, um dann nur noch zur Ernteüberwachung in die Western Region zu fahren. In Gyankufa wird schließlich durch den Bau eines neuen Hauses der relative Wohlstand nach außen präsentiert. Gleichzeitig grenzen sich die Kakaobauern sowohl sozial als auch räumlich von der übrigen Dorfbevölkerung ab. Sozial erfolgt dies in dem Sinn, daß bei der Mehrzahl der jüngeren Kakaobauern eine Verschiebung der Familienstruktur - hin zur Kernfamilie - zu beobachten ist. Räumlich wird eine Abgrenzung dadurch vollzogen, daß sich die Neubauten zwar typischerweise in der Peripherie des Dorfes befinden, dies erfolgt jedoch in zwei extra ausgewiesenen Dorfteilen, 108 die sich wiederum in sehr guten Lagen befinden. Somit wird die traditionelle Viertelsbildung, welche die Gebiete der vier Großfamilien Gyankufas widerspiegelt, weitgehend niveliert.

Der zweite, und weitaus bedeutendere Transformationsprozeß in der Sozialstruktur ist in diesem Zusammenhang jedoch die Auswirkung der saisonalen Wanderung auf die Frauen in Gyankufa. Durch die Migration der Männer steigt die Arbeitsbelastung der Frauen stark an. Faktisch werden viele der betroffenen Frauen zu Haushaltsvorständen und müssen das Überleben ihrer Familie in der Zeit der Abwesenheit der Männer sichern. Um dies zu ermöglichen, schränken die Frauen in Gyankufa ihre ohnehin geringe Freizeit weiter ein und arbeiten verstärkt in der Subsistenzproduktion. Während die Männer in der Regel eine zweite Ehefrau in der Western Region haben (d.h. eine zweite Familie, die der Mann finanziell versorgen muß, die sich jedoch gleichzeitig um den Haushalt des Mannes in der Western Region kümmert), fehlt den Frauen in Gyankufa die Arbeitskraft der Männer auf den dortigen Feldern, vor allem zu Arbeitsspitzenzeiten. Die Rodung der Felder (größte Arbeitsbelastung) fällt z.B. in der Zeit an, wenn in der Western Region die Kakaoernte erfolgt.

Neben den oben beschriebenen Wandlungsprozessen können in Gyankufa zusätzlich Transformationen jüngeren Datums in der Agrarstruktur identifiziert werden, die eng mit der Arbeit der internationalen Nichtregierungsorganisation World Vision International (WVI) in Gyankufa verknüpft sind. World Vision führt seit 1986 Entwicklungsprojekte in Gyankufa durch, die vor allem im infrastrukturellen Bereich viele Verbesserungen für die Dorfbevölkerung einbrachten. Besonders im Bildungsbereich wurden neue Möglichkeiten für die Jugendlichen in Gyankufa geschaffen. Neben zwei Grundschulen wurde z.B. auch eine Sekundarstufe eingerichtet, die vielen Kindern und Jugendlichen aus Gyankufa den Zugang zum modernen Bildungssystem ermöglicht. Durch die Arbeit von World Vision wurde allerdings auch implizit ein langfristiger Prozeß der Kommodifizierung von Boden eingeleitet. Da sich jeder Bewohner Gyankufas finanziell an den Entwicklungsprojekten von WVI beteiligen muß, wurde 1993 der Cash-Crop-Anbau in Gyankufa genehmigt, um auch den Bauern, die keine Kakao Farm besitzen, die Erwirtschaftung eines Geldeinkommens zu ermöglichen. Langfristig wird dies zur Folge haben, daß für die Subsistenzproduktion das Land in Gyankufa knapp wird. Hauptbetroffene dieser Entwicklung sind wiederum die Frauen, die durch die saisonale Abwesenheit der Männer zunehmend auf die Subsistenzproduktion angewiesen sind. Das Überleben von etwa der Hälfte der Haushalte in Gyankufa ist zumindest saisonal alleine von weiblichen Haushaltsvorständen abhängig. Daher gilt es für die Zukunft, geeignete Strategien zu entwickeln, um besonders die Position der Frauen in Gyankufa zu stärken, bzw. deren Überlebensökonomie auf eine sichere Basis zu stellen.

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Anhang A

Methodische Vorgehensweise und „Mental Maps“ von Gyankufa

Anhang B

West-Ost-Profil von Gyankufa