Freie und Hansestadt Vertretung beim Bund

994. Sitzung des Bundesrates am 09. Oktober 2020: Die wichtigsten Ergebnisse

Der Bundesrat hat in seiner 994. Sitzung am 09. Oktober 2020, 49 Tagesordnungspunkte be- handelt. Hamburg war durch Ersten Bürgermeister Dr. Tschentscher, Zweiter Bürgermeisterin Fegebank, Senatorin Dr. Leonhard und Staatsrätin Möller vertreten.

Zum Ergebnis der Sitzung wird folgendes mitgeteilt:

TOP 1 Wahl des Präsidiums Am 31.10.2020 endet die Amtszeit des derzeitigen Bundesratspräsidenten Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke (). Für vom 1.11.2020 bis zum 31.10.2021 wurde Ministerpräsident Dr. (Sachsen-Anhalt) zum Präsidenten sowie Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke (Brandenburg) zum 1. Vizepräsidenten und Ministerpräsident (Thüringen) zum 2. Vizepräsidenten gewählt.

TOP 3 Wahl der Vorsitzenden der Ausschüsse Bei der turnusgemäßen Wahl der Vorsitzenden der 16 Fachausschüsse des Bundesrates wurde Senatorin Anna Gallina zur Vorsitzenden des Rechts- ausschusses gewählt, in dem Hamburg traditionell den Vorsitz hat.

A. Gesetzesbeschlüsse des Bundestages

TOP 8 Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grund- buchrechtlichen Vorschriften

Das aus dem Jahr 1951 stammende Wohnungseigentumsgesetz (WEG) soll mit dem nicht zustimmungspflichtigen Gesetz reformiert werden. Das ur- sprüngliche Ziel des Gesetzes, dringend notwendigen Wohnungsbau zu stärken und breiten Bevölkerungsschichten den Erwerb eines „Eigenheims“ zu ermöglichen habe nichts an Aktualität eingebüßt. Es berücksichtigt je- doch nicht die Anforderungen, die durch den notwendigen Ausbau der Elektromobilität entstehen. Bislang müssen alle Wohnungseigentümer einer Ladestation zustimmen. Diese Pflicht zu einstimmigen Entscheidungen und hohe Hürden für die Beschlussfähigkeit haben die Eigentümer- Gemeinschaften oft nahezu gelähmt. Das Gesetz soll diese Vorgänge ver- einfachen und damit Elektromobilität und Barrierefreiheit leichter ermögli- chen. Angesichts der steigenden Zahl an E-Fahrzeugen ist absehbar, dass allein durch öffentlich zugängliche Lademöglichkeiten der Bedarf nicht ge- deckt werden kann.

Der Bundesrat hat das Gesetz passieren lassen, ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses lag nicht vor.

- 2 -

TOP 10 Gesetz zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Uni- on

Das Ziel von Richtlinie und nicht zustimmungspflichtigem Gesetz ist es, das Ressourcenmanagement und die Ressourceneffizienz in Deutschland zu verbessern und insbesondere die Abfallvermeidung zu stärken. Das Gesetz erhöht dafür z. B. die Recyclingquoten bestimmter Abfallströme - insbeson- dere von Papier, Metall, Kunststoff und Glas, aber auch von Siedlungsabfäl- len. Es erweitert zudem die Pflicht zur getrennten Sammlung von Bioabfall, gefährlichen Haushaltsabfällen, Textilien und Sperrmüll. Die minimalen Verwertungsquoten werden in zwei Stufen bis 2025 und 2030 erhöht. Das Gesetz verpflichtet außerdem öffentliche Stellen, künftig bei der Beschaf- fung ökologisch vorteilhafte Erzeugnisse zu bevorzugen. Um das Problem von Ressourcenvernichtung insbesondere bei Retouren anzugehen, müs- sen Händler und Hersteller nun den genauen Umgang mit ihrer Ware doku- mentieren.

Der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuss nicht angerufen. Darüber hinaus hat er, teils mit den Stimmen Hamburgs, zwei Entschließungen ge- fasst, Zum einen soll der Bund den Ländern Hinweise zur genauen Ausle- gung des Gesetzes geben, um sowohl eine rechtssichere Gesetzesanwen- dung als auch eine möglichst trennscharfe Abgrenzung des Abfallrechts vom Produkt- sowie Chemikalienrecht zu ermöglichen. Zum anderen sollen Gewerbetreibende, die ausnahmsweise ihre Abfälle nicht getrennt sammeln, die Beweislast für die Notwendigkeit dafür tragen – und nicht die zuständige Behörde.

TOP 48 Erstes Gesetz zur Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes

Mit dem nicht zustimmungspflichtigen Brennstoffemissionshandelsgesetz war ein CO2 Emissionshandel in Deutschland für die Sektoren Wärme und Verkehr ab dem Jahr 2021 eingeführt worden. Der Bundesrat hatte Ende 2019 steuergesetzlichen Regelungen zur Umsetzung des Klimapakets 2030 nicht zugestimmt. Daraufhin hatte die Bundesregierung den Vermittlungs- ausschuss angerufen. Dabei hatten sich Bundestag, Bundesrat und Bun- desregierung auf eine Erhöhung der Zertifikatspreise für CO2 verständigt. Die Zertifikats-Preise sollten von bisher 10-55 Euro auf 25-65 Euro pro Ton- ne CO2 angehoben werden. Das Gesetz setzt nun diese Ankündigung der Bundesregierung um. Gleichzeitig hatte die Bundesregierung angekündigt, die zusätzlichen Erlöse vollständig zur Senkung der EEG-Umlage und ab dem 1. Januar 2024 auch zur Anhebung der zusätzlichen Entfernungspau- schale für Fernpendler zu verwenden. Des Weiteren wird die Möglichkeit geschaffen, dass die Bundesregierung bereits vor dem 1. Januar 2022 Aus- gleichszahlungen an von Carbon Leakage bedrohte Unternehmen leisten kann.

Der Bundesrat hat das Gesetz passieren lassen, ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses lag nicht vor.

Ergebnisse.doc 2 - 3 -

TOP 49 Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz sieht im Bundeswahlgesetz eine Sonderregelung zur Aufstellung von Kandidaten für die Bundestagswahl in Ausnahmefällen wie der Corona-Pandemie vor. Im Fall einer Naturkatastro- phe oder eines ähnlichen Ereignisses höherer Gewalt sollen Wahlbewerber auch ohne Versammlungen benannt werden können, zum Beispiel durch den elektronischen Versand von Wahlunterlagen oder die Abstimmung per Briefwahl. Nach der bisher geltenden Rechtslage gibt es in derartigen Situa- tionen keine Möglichkeit auf die Durchführung der Kandidatenaufstellung in Versammlungen zu verzichten.

Der Bundesrat hat das Gesetz, das erst am Vormittag der Sitzung des Bun- desrates vom deutschen Bundestag beschlossen wurde, passieren lassen, ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses lag nicht vor.

B. Initiativen der Länder

TOP 12 Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung der Aufgaben des Medizini- schen Dienstes

Mit dem Gesetzentwurf von Schleswig-Holstein und Hamburg soll eine ge- setzliche Grundlage zur Fortsetzung der Unterstützung der Arbeit der Öf- fentlichen Gesundheitsdienste (ÖGD) durch die Medizinischen Dienste bzw. nach alter Rechtslage Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MD) im Rahmen der Ausrufung einer pandemischen Lage ermöglicht wer- den. Die MD haben in den vergangenen Monaten die Arbeit des ÖGD mit bis zu 800 Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Assistenz- und Verwaltungsbereich unterstützt und damit einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie geleistet. Da die Amtshilfe derzeit noch auf freiwilliger Basis der jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der MD erfolgt, schlägt der Gesetzentwurf vor, eine rechtliche Grundlage zu schaffen, insbesondere auch um Interes- senkonflikte zu vermeiden, wenn das Personal für die originären Aufgaben nicht zur Verfügung steht.

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Hamburgs die Einbringung des Ge- setzentwurfes beim Deutschen Bundestag beschlossen.

TOP 13 Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung des Familiennachzuges

Mit der Gesetzesinitiative des Landes soll das Recht des Familien- nachzugs erleichtert werden. Insbesondere sollen Nachzugsbeschränkun- gen wie der Ausschluss des Familiennachzugs zu Inhaberinnen und Inha- bern bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel oder unter Umständen des Ehegattennachzugs zu einer oder einem Deutschen beseitigt werden. Da-

Ergebnisse.doc 3 - 4 -

neben wird der Familiennachzug auch minderjährigen ledigen Geschwistern ermöglicht.

Der Punkt wurde von der Tagesordnung abgesetzt.

C. Gesetzentwürfe der Bundesregierung

TOP 27 Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Ände- rung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerber- leistungsgesetzes

Mit dem zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf soll die verfassungskonfor- me Ermittlung und Ausgestaltung der Regelbedarfe nach dem Zwölften So- zialgesetzbuch und dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sowie der Grund- leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ab dem 1.Januar 2021 sichergestellt werden, indem die Regelbedarfssätze anhand der vorliegen- den Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus 2018 neu ermittelt wer- den. Demzufolge soll beispielsweise der Regelsatz für Einpersonenhaushal- te in der Regelbedarfsstufe 1 ab dem kommenden Jahr 439 Euro und der Regelsatz für Ehegatten mit gemeinsamem Haushalt (Regelbedarfsstufe 2) 395 Euro betragen. Eine weitergehende Erhöhung der Sätze in der an- schließenden Beratung im Bundestag (z.B. auf 446 Euro in der Regelbe- darfsstufe 1) durch Antrag der Koalitionsfraktionen ist bereits angekündigt worden. Die Erhöhungen der Regelleistungen haben auch Auswirkungen auf die Anspruchsberechtigungen anderer, ggf. ergänzender Sozialleistun- gen wie Kinderzuschlag und Wohngeld.

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Hamburgs zu dem Gesetzentwurf Stel- lung genommen. So kritisiert er unter anderem, dass sog. „Aufstocker“ und „verdeckte“ Arme noch als Referenzgruppen bei der Berechnung berück- sichtigt werden. Ergänzend soll der zunehmende Digitalisierungsaspekt bei der Ermittlung der Regelbedarfe stärker berücksichtigt oder ein eigener Leistungsanspruch auf einen Zuschuss neben dem Regelbedarf geschaffen werden. Erhebliche Zweifel gibt es bei der Heranziehung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe als geeignete Grundlage für eine verfassungs- gemäße und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechende Ermittlung der Regelsätze für Familien und insbesondere Kinder.

TOP 29 Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2020

Jedes Jahr wird durch ein Jahressteuergesetz eine Vielzahl von Änderun- gen im Steuerrecht vorgenommen. Im diesjährigen zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf liegen die Schwerpunkte auf dem Einkommen- und Umsatz- steuerrecht. Dies betrifft unter anderem die Verlängerung der Steuerfreiheit der Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld bis Ende 2021. Auch die Regelung für besonders günstig vermieteten Wohnraum soll verbessert werden. Außerdem wird das Verfahren für die im Dezember 2019 beschlos- sene Mobilitätsprämie in die Einkommensteuerfestsetzung integriert. Des Weiteren werden Maßnahmen des aus zwei EU-Verordnungen zur Verein- fachung der Umsatzbesteuerung im E-Commerce bestehenden sogenann- ten Mehrwertsteuer-Digitalpakets in deutsches Steuerrecht umgesetzt.

Ergebnisse.doc 4 - 5 -

Der Bundesrat hat größtenteils mit den Stimmen Hamburgs zu dem Gesetz eine umfangreiche Stellungnahme beschlossen. Darin werden neben zahl- reichen fachlichen Änderungen auch politische Problematiken thematisiert. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Verbesserung des steuerli- chen Gemeinnützigkeitsrechts. Über den Abbau bürokratischer Hürden hin- aus sollen künftig Themen wie Klimaschutz, Flüchtlingshilfe und der Betrieb von Freifunk-Netzen als gemeinnützige Zwecke zählen. Für engagierte Per- sonen soll sich ehrenamtliches Engagement mehr lohnen. So sollen Übungsleiter- und Ehrenamtspauschalen erhöht werden. Zudem wird die Bundesregierung aufgefordert, zu Cum/Ex-Altfällen sowie in Bezug auf die sogenannten Share-Deals, also Steuergestaltungsmodelle bei der Grunder- werbsteuer, zeitnah rechtssichere Lösungen vorzulegen.

TOP 31 Entwurf eines Gesetzes zur Verschiebung des Zensus in das Jahr 2022 und zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes

Mit dem nicht zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf wird der Stichtag des Zensus um ein Jahr verschoben und die erforderlichen Datenlieferungen werden an den neuen Zensusstichtag angepasst. Zudem wird ein neuer Hafttatbestand zur Vorbereitung einer Abschiebungsandrohung geschaffen, welcher die bestehenden Vorschriften der Abschiebungshaft ergänzt. Da- nach ist ein Ausländer, der sich entgegen einem bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbot auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn von ihm eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht oder er aufgrund eines beson- ders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist. Die Haft darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Vorbereitung der Ab- schiebungsandrohung nicht erforderlich ist.

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Hamburgs zu dem Gesetzentwurf eine Stellungnahme abgegeben, in der er die Übernahme der durch die Ver- schiebung entstandenen Zusatzkosten der Länder in Höhe von 36 Prozent (32 Millionen Euro) durch den Bund fordert.

D. Verordnung der Bundesregierung

TOP 16a Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Beschäftigungsverordnung

TOP 16b Sechste Verordnung zur Änderung der Beschäftigungsverordnung

TOP 16a Die Länder Rheinland-Pfalz, , Thüringen und Hamburg sehen in der Verordnungsinitiative die Entfristung der sogenannten Westbalkanregelung ohne Kontingentierung und den Wegfall der derzeit geltenden Vorausset- zung vor, dass Betroffene in den 24 Monaten zuvor keine Asylbewerberleis- tungen bezogen haben dürfen.

TOP 16b Die Bundesregierung hat mit der Änderung der Beschäftigungsverordnung eine erneute Befristung der Westbalkanregelung bis Ende 2023 mit einem neuen Kontingent von 25.000 Staatsangehörigen der Westbalkanländer (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Mon- tenegro und Serbien) vorgeschlagen, die ab 2021 jährlich mit Zustimmung

Ergebnisse.doc 5 - 6 -

der Bundesagentur für Arbeit und Vorrangprüfung zur Ausübung jeder Be- schäftigung einwandern dürfen.

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Hamburgs die Zustimmung zu der un- veränderten Regierungsvorlage beschlossen. In einer begleitenden Ent- schließung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einer Evaluierung der Regelung bis 2023 im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt aufgefordert. Die konkurrierende Mehrländerinitiative erhielt im Bundesrat trotz der Zu- stimmung Hamburgs ebenso keine Mehrheit für eine Zuleitung an die Bun- desregierung, wie eine inhaltlich entsprechende Maßgabe zur Regierungs- vorlage, die diese an die Länderinitiative angleichen sollte. In einer beglei- tenden Protokollerklärung zur Regierungsvorlage haben Rheinland-Pfalz, Bremen, Thüringen und Hamburg betont, dass sie die vorgesehenen Ein- schränkungen (insbesondere die Befristung) migrations- und arbeitsmarkt- politisch nicht für notwendig halten. Da die Regelung jedoch dringend fort- geführt werden müsse, stimme man auch einer befristeten Verlängerung zu.

Ergebnisse.doc 6