Natur- und Umweltschutz Ž’œŒ‘›’ȱŽ›ȱŠž›œŒ‘žĵȬȱž—ȱ˜›œŒ‘ž—œŽ–Ž’—œŒ‘ŠȱŽ›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯ Š—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 Inhaltsverzeichnis

Editorial H. Freund ...... 3

Aus dem Verein

M. Heckroth Berichte 2019 aus den Schutzgebieten des Mellumrats ...... 4 Aus der Redaktion Der Erweiterungsbau auf Mellum ...... 8 Aus der Redaktion Müllsammelaktion auf Mellum ...... 9 Aus der Redaktion Wasser- und Watvogelzählungen beim Mellumrat ...... 10 Aus der Redaktion Zur Person – Arndt Meyer-Vosgerau, Stellv. Vorsitzender des Mellumrats ...... 11 Aus der Redaktion Ankündigungen und Termine ...... 11

Aus Wissenschaft und Forschung

M. Kruse & G. Scheiffarth Der Spülsaum – ein unterschätzter Lebensraum ...... 12 B. Reiff, M. Prinz & H. Freund Die Neophyten auf – Ein Vergleich der Jahre 2006 und 2018 ...... 16 E. Riedle, M. Prinz & H. Freund Ein ungebetener Neubürger im Nationalpark – Das Nadelkraut (Crassula helmsii) auf Wangerooge ...... 21

Aus dem Nationalpark und der Küstenregion

N. Hecker Schutzmaßnahmen für Eisteiche und Kleingewässer auf Wangerooge ...... 29 N. Ahlers Das Biosphärenreservat – Entwicklungsräume für zukunftsfähiges Handeln ...... 31 S. Baumann NSG Sager Meere, Kleiner Sand und Heumoor – Entwicklung in den vergangenen 15 Jahren ...... 33 N. Knipping Kornweihen im Nationalpark ...... 40

Berichte E. Hartwig Altweltaffen-Fossilien vom Nordseegrund ...... 43 E. Hartwig Luftballons sind tödliche „Kost“ für Seevögel ...... 45 Watt°N Das Netzwerk Freiwilliger im Niedersächsischen Wattenmeer ...... 47

2 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Editorial

Liebe Mitglieder und Freunde des Mellumrats, gab nach der letzten Ausgabe schon Verbesserungsbedarf und Änderungswünsche, die zum Teil in der vorliegenden Ein ereignisreiches Jahr neigt sich dem Ende zu und wir Ausgabe umgesetzt wurden. Insgesamt hat sich in der freuen uns das Dezemberheft unserer Vereinszeitschrift Redaktion ein tolles und konstruktives Miteinander vorlegen zu können. Die freundlichen schriftlichen und entwickelt, das sich hoffentlich auch im Heft widerspie- mündlichen Rückmeldungen zur Neugestaltung der Zeit- gelt. Im letzten Vorwort haben wir schon einmal darauf schrift waren dabei in den zurückliegenden Wochen ein hingewiesen, dass wir uns über eine aktive Mitarbeit angenehmer Rückenwind, die Arbeiten zur Gestaltung der der Mitglieder an der Gestaltung des Inhalts unserer neuen Ausgabe anzugehen. Wir hoffen, dass Sie einiges Zeitschrift freuen würden. Wir möchten Sie an dieser für Sie Interessantes aus dem Verein und aus der Region Stelle noch einmal ermuntern, uns ihre Eindrücke, GDULQ¿QGHQZHUGHQ'HU%RJHQVSDQQWVLFKYRP6DJHU Meinungen und Wünsche zur Gestaltung der Zeitschrift Meer bis nach Wangerooge, vom Spülsaum bis in die Welt mitzuteilen. Wir können natürlich nicht versprechen, allen der Neophyta, aber auch Themen wie das Biosphärenre- Wünschen gerecht zu werden, guten Willen aber können servat oder das Netzwerk Watt°N werden in interessanten wir versprechen. Wir freuen uns natürlich auch über Artikeln behandelt. Ich möchte ihre Aufmerksamkeit auch Manuskripte, die aus den Reihen der Mitglieder einge- auf einen eigentlich recht kurzen Artikel lenken, der für reicht werden und die Palette an interessanten Themen unseren Verein aber von großer Bedeutung ist. Im nächsten weiter bereichern. Jahr werden wir das Stationshaus auf Mellum erweitern. Ein Ausbau, der den zukünftigen Freiwilligen auf Mellum Allen Freunden und Mitgliedern des Vereins, aber auch ein attraktives und verbessertes Arbeitsumfeld bietet. An den zahlreichen Unterstützern, Helfern und Freiwilligen der Realisierung dieses Projektes hat eine Vielzahl von möchte ich an dieser Stelle für ihr unermüdliches Engage- Personen mitgewirkt, denen hier herzlich gedankt sei. Ich ment für die Natur danken. Dies ist nicht selbstverständ- möchte an dieser Stelle dennoch einen Menschen beson- lich und kann deshalb auch nicht hoch genug geschätzt ders erwähnen. Ohne den unermüdlichen Einsatz von werden. Udo Funch, der sich trotz zwischenzeitlicher Rückschläge nicht entmutigen ließ, wäre die Finanzierung dieses tollen Wir wünschen Ihnen und ihren Familien ein schönes Weih- Projekts so nicht möglich gewesen. An dieser Stelle unser nachtsfest und einen guten Start in das neue Jahr 2020! herzlicher Dank! Holger Freund und das gesamte Redaktionsteam Für uns als Redaktionsteam war zu Beginn alles neu; Arbeitsabläufe und Aufgabenverteilung mussten wachsen und entwickelt werden, der Zeitaufwand für die redakti- onellen Arbeiten war zu Beginn schwer abzuschätzen. Es

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 3 Berichte 2019 aus den Schutzgebieten des Mellumrates Zusammengestellt von Mathias Heckroth

ie folgenden Berichte aus den einzelnen Schutzge- innerhalb des gemeinsamen FFH-Gebietes ergaben (Neu- D bieten wurden von den jeweiligen Schutzgebiets- fassung NSG-Verordnung Ahlhorner Fischteiche, Gewäs- beauftragten erstellt. Jedes Jahr engagieren sich in den serentwicklungsplan der Hunte-Wasser-Acht bezüglich verschiedenen Schutzgebieten des Mellumrats zahlreiche des Einzugsgebietes der Hunte, insbesondere hier der Freiwillige in der Naturschutzarbeit. Eine kleine Ausnah- Lethe). me bildet das Sager Meer, wo Sabine Baumann, als Beauf- tragte des Mellumrats, alleine die Schutzgebietsbetreuung Die Einwanderung des Jakobkreuzkrautes (Senecio und die Erfassungen durchführt. jacobaea LQGLH%UDFKXQG3XIIHUÀlFKHQZLUGYRQGHU Unteren Naturschutzbehörde (UNB) auf Bestreben des Ohne diese großartige Unterstützung aller Beteiligten Mellumrats inzwischen als Problem behandelt und durch wäre die Vielzahl der Tätigkeiten und Projekte nicht leist- Entnahme bekämpft. Trotzdem sind noch nicht alle Be- bar. Recht herzlichen Dank an alle Mitarbeitende, die die stände beseitigt bzw. unter Kontrolle, da sie sich teilweise Daten ermittelt und unsere Naturschutzarbeit unterstützt DXI3ULYDWEHVLW]DQGHU*UHQ]HGHV16*EH¿QGHQZRGHU haben, namentlich: Kira Arlt, Andreas Bange, Dr. Sabi- (LQÀXVVGHU%HK|UGHHQGHW ne Baumann, Carmen Birke, Jonas Buddemeier, Stefan Czybik, Behrend Dellwisch, Lennard Dietrich, Amelie Die Brutvogelbestände sind relativ konstant (u.a. Baum- Eilers, Matthias Feldhoff, Dr. Dietrich Frank, Jonas Frey, pieper, Braunkehlchen, Feldlerche, Heidelerche, Krick- Felix Friedrich, Malte Georg, Miron Grebenstein, Norbert ente, Neuntöter, Schwarzkehlchen, Wachtel), allerdings Hecker, Kilian Helmbrecht, Talina Helms, Max Hoppe, bestand in diesem Jahr keine Kiebitzbrut. Die Zahl der Michael Hug, Hartmut Janetzky, Noah Jost, Steve Klasan, rastenden Enten war vergleichbar wie in den Jahren zuvor Maja Kruse, Martha Leffers, Volker Lautenbach, Jessica und schwankte von etwa 200 Individuen bis zu Spit- Lorenz, Reno Lottmann, Ralph Martin, Elisabeth Mehler, zenwerten von über 1.000 Enten im Dezember/Januar. Peter Merbt, Pauline Mergel, Dr. Rolf Niedringhaus, Thu Besonders das Kleine Sager Meer ist ein Rückzugsort für Thao Phung, Luise Przibilla, Nike Rautenberg, Benjamin überwinternde Krick- und Pfeifenten, während auf dem Reiff, Joanne Sander, Silke Schmidt Jonas Sohr, Joachim Großen Sager Meer v.a. Stockenten und Gänse rasten. Springsguth, Lenard Stock, Melanie Theel, Jan Ulber, Letztere sind einigermaßen konstant in ihren Zahlen. Julius Weiß, Frederic von Wild, Merle Wißmann und Han- Die zunehmend trockenen Sommer haben erheblichen ne- nah Zanolli. Einen Dank auch an alle, alle die sich bei den JDWLYHQ(LQÀXVVDXIHLQHERWDQLVFKVHKUZHUWYROOH)OlFKH Wasser- und Watvogel-Zählungen (WWZ) beteiligt haben. im Nord-Osten des Heumoores. Früher mit zwei Sonnen- tauarten, Beinbrechlilie und Knabenkräutern sowie den Wollgräsern in gutem Erhaltungszustand, hat sich dieser Sager Meer – Sabine Baumann sehr verschlechtert. Statt der genannten RL-Arten ver- buscht die Fläche zunehmend mit Weiden und Birken, so Im Rahmen der Betreuung wurden die üblichen Arbei- dass in diesem Jahr die wertgebenden Arten weitgehend ten ausgeführt: regelmäßige Kontrollen, Erfassung der fehlten. Darüber gibt es einen Austausch mit der UNB, Brut- und Rastvogelbestände, Kontrolle der Lebensräume dennoch ist die Umsetzung einer Wasserstandsanhebung und Rote-Liste-Arten (RL-Arten) von Fauna und Flora, gegenwärtig schwierig. Zugesagt hat die UNB aber Ent- Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörden kusselungsmaßnahmen im Winter. EHLGHU(QWZLFNOXQJYRQ3ÀHJHSOlQHQXQG0DQDJHPHQW- maßnahmen, Führungen. Die für 2018 geplanten Maßnahmen auf dem Kleinen Sand mussten erneut ausgeschrieben werden und haben Der Beobachtungsschwerpunkt im Gebiet lag in diesem jetzt in der ersten Novemberdekade 2019 begonnen (siehe Jahr auf einer Kartierung der Brutvogelbestände über Beitrag ab Seite 33). die RL-Arten hinaus und der Öffentlichkeitsarbeit bzw. Zusammenarbeit mit der Biologischen Schutzgemein- :LHGHUKROWZXUGHQJHZlVVHUQDKH*UQÀlFKHQPLW schaft Hunte--Ems (BSH), da sich Neuregelungen Flüssiggülle gedüngt. Die negativen Auswirkungen auf

4 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş ein oligotrophes Gewässer wie das Sager Meer sowie der Erstmals brüteten während einer Saison vier Greifvogelar- schlechte Erhaltungszustand der Lethe und des Meerka- ten auf der Insel. Rohrweihe, Habicht, Turm- und Wander- nals wurden bei den Behörden angemahnt und erneut auf falke wurden mit jeweils einem Brutpaar festgestellt. die fehlende Umsetzung der der FFH-Richtlinie und der $X‰HUJHZ|KQOLFKZDUDXFKGLHHUVWH%UXWYRQ/|IÀHUQDXI 9HUSÀLFKWXQJ]XU(UKDOWXQJGHV=XVWDQGHVGHU*HELHWH der Insel. Das Brutpaar zog erfolgreich zwei Junge groß. hingewiesen. Das zwischen Ende April und Ende Juli durchgeführte Bruterfolgsmonitoring bei Heringsmöwe, Lachmöwe und Flussseeschwalbe ergab einen außerordentlich guten – Dietrich Frank Bruterfolg.

Wie im Vorjahr war das Stationsgebäude auf Minsener In der ersten Septemberwoche wurden als Teil der Oog auch während der Wintersaison 2018/19 wegen der Kompensationsmaßnahmen für den Bau des Windparks gefährdeten Standsicherheit nicht nutzbar. 1RUGHUJUQGHHUQHXW3ÀHJHDUEHLWHQDXI0LQVHQHU2RJ durchgeführt. In Folge des trockenen und warmen Som- Ab Mitte März konnte die Station wieder mit Naturschutz- mers war die Vegetation erneut nur wenig aufgewachsen warten besetzt werden. Die ständigen Aufgaben wie u.a. und die Mäharbeiten konnten zügig abgeschlossen werden. Besucherbetreuung, Müllmonitoring, OSPAR-Müllerfas- Mögliche Auswirkungen der bisher umgesetzten Kompen- sung, Brutbestandsermittlung, WWZ wurden regelmäßig sationsmaßnahmen auf die 2019 brütenden Seeschwalben, durchgeführt. Rechtzeitig vor Beginn der Brutsaison und wie etwa Verlagerungen der Brutplätze oder Neuansied- dem Eintreffen der Zwergseeschwalben wurde das in der lungen von Brutkolonien, waren nicht feststellbar. Zwischenzone liegende Strandbrüter-Brutgebiet auf der Am 07. September sammelten ca. 60 Freiwillige der Südspitze abgegrenzt und markiert, sowie mit Informati- Soltwaters e.V. in Zusammenarbeit mit der National- onstafeln und Schildern ausgestattet. parkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer und dem Mellumrat e.V. am von Minsener Oog den ange- Die Brutsaison verlief für die meisten Arten sehr erfolg- schwemmten Müll. reich. Die Witterung war während der Gelegephase und der Kükenaufzucht günstig und eine gute Nahrungsver- Ende September endet die diesjährige Betreuungssaison, fügbarkeit ermöglichte einen guten Bruterfolg. Die in da das Gebäude nur bis zu diesem Zeitpunkt als Wohnge- den Vorjahren zu beobachtenden Bestandsentwicklungen bäude freigegeben ist und somit nicht mehr als Unterkunft setzen sich auch in 2019 fort. So gingen die Brutbestände für die Naturschutzwarte zur Verfügung steht. Aus diesem aller Seeschwalbenarten (s. Abb. 2) und von Sandregen- Grund können im Winterhalbjahr auf Minsener Oog auch SIHLIHU/DFKP|ZH%UDQGJDQVXQG$XVWHUQ¿VFKHUZHLWHU nur sehr eingeschränkt Wasser- und Watvogelzählungen zurück. Die Bestände von Silber- und Heringsmöwe nah- durchgeführt werden. men weiter leicht zu.

Abb. 1: Brutbestandsentwicklung der Seeschwalben auf Minsener Oog von 2009 bis 2019. Quelle: Mellumrat e.V.

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 5 Abb. 2: Zwergseeschwalbe brütend neben Netzresten an der Ostspitze Wangerooge, 11.05.2019. Foto: J. Weiß

Mellum – Jan Ulber Neben den sonstigen Routineaufgaben erfolgte Mitte September eine große Müllsammelaktion (siehe Beitrag Vom 31. März bis zum 01. November waren in diesem auf Seite 9). In Zusammenarbeit mit der WEGA II wurden Jahr 25 Naturschutzwarte auf der Insel Mellum tätig. vier Exkursionen zur Insel durchgeführt. Im Rahmen Die Einsatzzeiten lagen zwischen zwei Wochen und vier eines größeren Projektes zur Erfassung der Flora und Monaten. Routinemäßig liefen wieder die Schutzgebiets- Fauna der Insel Mellum wurde von der Arbeitsgruppe von kontrollen, Strandmüllerfassungen, Gastvogelzählungen, Rolf Niedringhaus (AG Landschaftsökologie, Universität Eiprobensammlungen für Schadstoffuntersuchungen Oldenburg) eine umfangreichere Erfassung der Insekten sowie das Monitoring des Herzmuschelbestandes zur Ein- XD6SLQQHQ.lIHU=ZHLÀJOHU+DXWÀJOHU:DQ]HQ schätzung der Nahrungsgrundlage für muschelfressende Zikaden) durchgeführt. Die Erfassungen werden im Vögel. nächsten Jahr fortgeführt. Die Daten werden zunächst durch Studien-Abschlussarbeiten (BSc. Biologie, BSc. Die Versorgungsfahrten durch Helmo Nicolai und Walde- Umweltwissenschaften, MSc. Biologie, MSc. Landschafts- mar Sievert verliefen zuverlässig und hervorragend. Für ökologie) bearbeitet und zu gegebener Zeit publiziert. eine pünktliche Lieferung der sorgfältig zu verpackenden Lebensmittel, für die Hausmüllentsorgung und den sonsti- gen Service sorgte Harmut Janetzky. Wangerooge – Mathias Heckroth

Insgesamt wurden 43 Brutvogelarten festgestellt. Der Kor- Die diesjährige Schutzgebietsbetreuung auf Wangerooge moranbestand ist mit 173 Brutpaaren (BP) im Vergleich wurde überwiegend von Teilnehmenden am Freiwilligen zum Vorjahr (184 BP) etwas zurückgegangen, ebenso der Ökologischen Jahr (FÖJ) und am Bundesfreiwilligen- /|IÀHUEHVWDQGGHUYRQ%3LP9RUMDKUDXI%3 dienst (BFD) abgedeckt. Zusätzlich wurde die Arbeit von gesunken ist. Die in diesem Jahr durchgeführte Zählung Ehemaligen und Praktikanten unterstützt. der Großmöwen ergab mit 1.228 BP einen weiterhin sin- kenden Silbermöwenbestand. Der Heringsmöwenbestand Die Zusammenarbeit mit dem Nationalpark-Haus, ins- stieg im Vergleich zur letzten Erfassung im Jahr 2017 besondere mit Silke Schmidt, läuft sehr gut. Einmal pro wieder leicht an auf 3.395 BP. Damit bleibt die Herings- Woche treffen sich alle Mitarbeitenden zu einer gemein- P|ZHZHLWHUKLQGHUKlX¿JVWH%UXWYRJHODXIGHU,QVHO'DV samen Besprechung. Die gute Zusammenarbeit zeigt Bruterfolgsmonitoring bei der Silbermöwe ergab einen sich auch durch verschiedene Aktionen, die gemeinsam guten Bruterfolg. Unter den Gastvögeln wurden auch durchgeführt werden, z.B. Bird-Race, Weltzugvogeltag, wieder zahlreiche Seltenheiten beobachtet, u.a.: Rohrdom- Wangerooger Müll-Aktionstage oder Zugvogeltage. Auch PHO EHUÀLHJHQG 6WHSSHQZHLKH3D]L¿VFKH5LQJHOJDQV die Zusammenarbeit mit dem Regionalbetreuer der Natio- Raubseeschwalbe, Mornellregenpfeifer, Waldpieper, nalparkverwaltung, Norbert Hecker, läuft sehr gut. Bartlaubsänger und Blauschwanz.

6 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Abb. 3: Kiebitz und Graugans im Revierkampf, Westinnengroden Wangerooge, 16.04.2019. Foto: J. Weiß

Besondere Ereignisse im Brutgeschehen: Der Brutbestand und soll dann zu einer Düne entwickelt werden. Im Ge- des Kiebitzes lag bei 131 BP (2018: 123 BP), bei der genzug wurde ein benachbarter Bombentrichter für typi- Uferschnepfe ist der Bestand im Westinnengroden (WIG) sche Pionierarten von Kleingewässern, wie den Strandling im Vergleich zum Vorjahr (11 BP) auf 17 BP angestiegen, oder die Kreuzkröte, zu einem nährstoffarmen Gewässer während er im Ostinnengroden (OIG) um 4 BP auf 15 BP optimiert. DEJHQRPPHQKDW%HLP$XVWHUQ¿VFKHULVWGHU%HVWDQGDXI mittlerweile 61 BP gesunken (2018: 140 BP). Die Gründe Das für den Wiesenvogelschutz optimierte Trichterge- dafür sind nicht bekannt. Der Graugansbestand ist auf lände im OIG wurde im August erneut gemulcht. Es ist 137 BP gestiegen (Vorjahr 80 BP) und der Weißwangen- eine positive Entwicklung festzustellen, Gehölzmulch ist bestand auf 16 BP gesunken (Vorjahr 43 BP). weitgehend verrottet und in einigen Bereichen kommen die ersten Gräser durch. Noch handelt es sich um eine Ru- Ein großer Erfolg war wieder die Absperrung zum Strand- GHUDOÀXU$QJHGDFKWLVWHLQH%HZHLGXQJPLW=LHJHQRGHU brüterschutz an der Ostspitze. Dort brüteten zwei Zwerg- Schafen. Entsprechende Rahmenbedingungen müssen seeschwalbenpaare, die zwei Küken erfolgreich großzogen noch mit der Nationalparkverwaltung und dem Domänen- XQGGUHL6DQGUHJHQSIHLIHUSDDUHPLWLQVJHVDPWIQIÀJJHQ amt ausgehandelt werden. Jungvögeln. Die Erhöhung und Verstärkung des Dorf- und Ost- Als weitere Besonderheit ist die Kornweihe zu nennen, grodendeiches durch den NLWKN wurde fortgeführt. deren Bestände auf anderen Inseln weitgehend erloschen Voraussichtlich werden die Bauarbeiten in diesem Jahr sind (siehe Beitrag in diesem Heft ab Seite 40). Ein Paar abgeschlossen. Für die gesetzlich vorgeschriebene Kom- brütete im Sanddorntal und zog zwei Jungvögel auf. pensation wurden u.a. Maßnahmen zur Verbesserung des Erneut führte wieder eine IJGD (Internationale Jugendge- Bruthabitats für Wiesenvögel im Ostinnengroden fest- meinschafts Dienst) Gruppe mit 16 jungen Menschen unter gelegt. Diese wurden allerdings noch nicht vollständig Anleitung der Nationalparkverwaltung und des Mellumrats umgesetzt. 3ÀHJHPD‰QDKPHQLP+HLGHJHELHWGHU,QVHO:DQJHURRJH durch. Diese wurden durch die ausgesprochen kompeten- Die Sanierung des Deckwerks seitens des Wasserstraßen- WHQ+HOIHUGHU$UEHLWVJUXSSHÄ1DWXUXQG/DQGVFKDIWVSÀH- und Schifffahrtsamtes Weser-Jade-Nordsee, im Bereich ge“ der Bielefelder Stiftung proWerk Bethel, fortgeführt. zwischen Hafen und Saline soll 2020 fortgeführt werden. Im Spätsommer wurde im Heidegebiet eine besondere Ein Teil der in diesem Zuge vorgeschriebenen Kompensa- Artenschutzmaßnahme umgesetzt. In einem der Eisteiche, WLRQVPD‰QDKPHQ +HLGHSÀHJHGXUFKGLH%HVHLWLJXQJYRQ GLHZHUWYROOH/HEHQVUlXPHIUEHGURKWH7LHUXQG3ÀDQ- 0,5 ha Kartoffelrose) wurde im November 2019 umge- zenarten sind, hat sich das Nadelkraut (Crassula helmsii) setzt. angesiedelt (siehe Beitrag in diesem Heft ab Seite 21). Das betroffene Gewässer wurde mit einem Bagger verfüllt

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 7 Erweiterungsbau Mellum

Station auf Mellum vor der Erweiterung. Foto: J. Weinbecker

ür den Erhalt und Schutz der im Wattenmeer dringender Handlungsbedarf und so soll an das bestehende FKHLPLVFKHQ7LHUXQG3ÀDQ]HQDUWHQLVW0HOOXPYRQ Stationsgebäude für die bessere Nutzung, mit bis zu 8 großer Bedeutung. Die umfangreichen naturwissenschaft- Personen, ein weiterer Hauptaufenthaltsraum angebaut lichen Arbeiten und das Gebietsmonitoring werden seit werden. Der bisher genutzte Küchen-, Aufenthalts- und Jahrzehnten von Freiwilligen unterschiedlichster Fach- Arbeitsraum liegt dann als separat zu erreichender Raum richtungen durchgeführt und vom Mellumrat koordiniert dahinter und soll dann als zukünftiger Arbeitsraum für und begleitet. Die Attraktivität des Standorts und des die Auswertungen genutzt werden. Der angebaute Raum Naturraums zeigt sich in einer beständig hohen und in den soll als Küchen- und Aufenthaltsraum mit einer groß- letzten Jahren zunehmenden Belegung und Nutzung der ÀlFKLJHQ9HUJODVXQJJHQXW]WZHUGHQ'HU=XJDQJ]XP Station. Ausstattung und Raumangebot der 1952 errichte- neuen Aufenthaltsraum erfolgt über den zu verlängernden ten Station entsprechen aber längst nicht mehr dem übli- Flur. Ergänzend wird im Außenbereich eine zusätzliche chen Standard. Um einen adäquaten Standort im Arbeits- Kompost-Toilette aufgestellt. bereich und Wohnbereich zu erreichen, ist eine moderate Erweiterung und Modernisierung der Station geboten, um Der Anbau ist für die Sommersaison 2020 vorgesehen, auch in der Zukunft den Freiwilligen neben dem Naturer- die Baugenehmigung liegt in Abstimmung mit der Natio- lebnis auch ein attraktives Arbeitsumfeld zu bieten. nalparkverwaltung vor. Finanziert wird das Projekt durch die Stöckmann-Stiftung, der VR-Stiftung der Volksbanken Die jetzige Küche wird derzeit nicht nur als Küche, son- und Raiffeisenbanken, der Barthel-Stiftung und dern auch als Büro- und Aufenthaltsraum, genutzt. Hier ist Eigenmitteln.

Abb 1: Ansicht von Süden. Zeichnung: U. Brandorff Abb 2: Ansicht von Westen. Zeichnung: U. Brandorff

8 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Müllsammelaktion auf der Insel Mellum

m Samstag, den 14.09.2019, machten sich 38 Frei- vollem Magen verhungern (siehe auch Artikel in diesem A willige von Hooksiel aus per Boot zur Insel Mellum Heft ab S. 45). Und als Mikroplastik, das Schadstoffe an auf, um dort Müll zu sammeln. Unter dem Leitungsteam sich bindet, gelangt der Müll schließlich in die Nahrungs- von Hartmut Janetzky, Florian Braun, Lena Nachreiner kette – und letztendlich auch auf unseren Speiseteller. und Stephanie Hirdes wurden die Teilnehmer in drei Am Nachmittag hatten alle Gruppen ihren Inselabschnitt Gruppen aufgeteilt. Ausgerüstet mit je einem Wattmobil, abgesucht und so kamen die Teilnehmer im Inselinneren Jutesäcken und Big Bags ging man zügig an die Arbeit. bei der Station zusammen, um sich mit einem Eintopf und Getränken, die von der Nordsee GmbH gesponsert wurden, Das strahlende Wetter und die Weiten des Wattenmeeres zu stärken. Danach hatte jeder Gelegenheit, die vorbeizie- waren ein zusätzlicher Motivationsschub für alle Be- henden Vögel und die Küstenlandschaft zu beobachten oder teiligten und so schien sich die notwendige Arbeit gar sich schlicht im Sonnenschein auszuruhen. Ein besonderer LQHLQHQVRQQLJHQ7DJHVDXVÀXJYHUZDQGHOQ]XN|QQHQ Höhepunkt war ein Seeadler, der plötzlich über der Insel Doch sobald die Teilnehmer der Aktion begannen, ihren seine Kreise zog. Gegen Abend wurde die Gruppe wieder Blick auf die Müllreste zu konzentrieren, zeigte sich, wie abgeholt und nach Hooksiel gebracht. sehr die vermeintlich unberührte Natur von der Industrie- gesellschaft beeinträchtigt ist. Unentwegt fand man die Am Ende des Tages zogen Organisatoren und Teilnehmende Überreste der sogenannten Dolly-Ropes (Scheuerfäden, ein positives Fazit. Auch wenn der gesammelte Müll die die Fischfangnetze bei Berührung mit dem Meeres- angesichts der geschätzten Gesamtmenge von 600.000 boden schützen sollen); ob als zahllose Einzelfäden oder Kubikmetern Müll in der Nordsee nur ein verschwindend als unentwirrbare Polyethylen-Knäuel. Außerdem wurden geringer Teil ist, tragen Sammelaktionen wie diese dazu Netzreste, Kissen, Plastikstühle, PKW Karosserieteile, bei, die weltweite Problematik des Meeresmülls sichtbar Bauschutzhelme, Abdeckplanen, Plastikblumen, Plastik- zu machen und im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. ÀDVFKHQXQGEHFKHUXQGHLQH)HQGHUERMHJHIXQGHQ Und zumindest für den Moment war der Strand von *HOHJHQWOLFKVWLH‰PDQDXFKDXI+RO]UHVWH*ODVÀDVFKHQ Mellum wieder müllfrei. oder gar einen Löschschlauch. Viele Fundstücke konnten der Havarie des Container-Schiffes „MSC Zoe“ im Januar 'LH$NWLRQZXUGH¿QDQ]LHUWGXUFKGDV$PWIUUHJLRQDOH dieses Jahres zugeordnet werden. Insgesamt wurden 15 Landesentwicklung Weser-Ems. Der an diesem Tag Big Bags gefüllt, der Zählung nach mehr als 11.000 Teile. gesammelte Müll wurde vom Niedersächsischen Landes- Für Tiere stellt der Müll in mehrerlei Hinsicht eine Gefahr betrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz mit dar: etwa indem sie sich in Netzresten verfangen oder einem Landungsboot abgeholt und am Festland entsorgt. Müllteile als vermeintliche Nahrung verschlucken und bei

Teilnehmende der Müllsammelaktion auf Mellum. Foto: H. Behrends

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 9 Wasser- und Watvogelzählungen beim Mellumrat

m Rahmen des niedersächsischen Vogelarten-Er- I fassungsprogrammes werden u.a. an der Küste alle 14 Tage die Wasser- und Watvögel erfasst, so auch in den Schutzgebieten des Mellumrats. An den entsprechenden Zählterminen zählen die Naturschutzwarte des Mellumrats zusammen mit anderen Freiwilligen dann bei Hochwasser die Wasser- und Watvögel.

Bei der Zählung am 03. August 2019 waren auf Wanger- ooge vor allem Alpenstrandläufer (6.080) und Lachmöwen (6.842) ausgesprochen zahlreich. Erfreulich war auch die Vielzahl der Brandseeschwalben (282), der Flusssee- schwalben (493) und der Goldregenpfeifer (946). Insge- samt wurden 32 Arten und ein Gesamtbestand von 23.276 Wasser und Watvogelzlhlung auf Mellum. Foto: /. Bauer Vögeln gezählt. KlX¿JVWH9RJHODUWJHIROJWYRP$XVWHUQ¿VFKHU  GHU Auf Minsener Oog wurde am selben Tag ein Gesamtbe- Lachmöwe (2.061) und dem Brachvogel (1.722). stand von 30.855 Vögeln aus 20 Vogelarten erfasst. Am Insgesamt wurden auf den drei Inseln an einem Tag KlX¿JVWHQZDUHQGHU%UDFKYRJHO  GHU$XVWHUQ- 66.808 Wasser- und Watvögel gezählt. ¿VFKHU  GLH%UDQGVHHVFKZDOEH  XQGGLH Lachmöwe (4.456). Wenn Sie Erfahrungen bei der Erfassung von Wasser- und Watvögeln haben und den Mellumrat bei den Zählungen Auf insgesamt 12.677 Vögel aus 26 Arten kamen die unterstützen möchten, schreiben Sie eine Mail an Erfasser auf Mellum. Dort war die Eiderente (2.434) die [email protected].

Austern¿scher landen am Hochwasserrastplatz an der Ostspitze von Wangerooge. Foto: R. /ottmann

10 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Zur Person – Arndt Meyer-Vosgerau, stellv. Vorsitzender des Mellumrats

rndt Meyer-Vosgerau bezeichnet sich als sehr Ab Anfang 2005 wechselte Arndt Meyer-Vosgerau zur A bodenständig und als Oldenburger durch und durch. Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer Geboren 1952 in Oldenburg, wuchs er auf dem elterlichen und übernahm dort nach ihrer Umstrukturierung die Hof in Huntlosen inmitten der Wildeshauser Geest auf. Leitung des Dezernates Naturschutz und später auch die Seinen späteren Werdegang in Richtung Naturschutz führt stellvertretende Behördenleitung. Diese Funktion hatte er er u.a. auf die schon in der frühen Kindheit täglich erlebte bis zum seinem Ausscheiden aus dem Dienst im Sommer direkte Nähe zur Natur zurück. 2018 inne. Im Frühjahr 2019 übernahm er nun die Funkti- on des stellvertretenden Vorsitzenden in unserem Verein. Nach Zivildienst und Abitur studierte Arndt Meyer- 9RVJHUDX/DQGHVSÀHJHDQGHU78+DQQRYHUXQGVFKORVV das Studium im Jahr 1981 mit dem Diplom ab. Verschie- dene projektbezogene Tätigkeiten in Planungsbüros und Institutionen schlossen sich an. Seine Rückkehr 1983 nach 2OGHQEXUJHPS¿QGHWHUDXFKKHXWHQRFKIUVLFKXQGVHL- ne Familie als Glücksfall. In der Oberen Naturschutzbe- hörde der Bezirksregierung Weser-Ems kümmerte er sich um die Ausweisung neuer Naturschutzgebiete im Rahmen des Landesprogramms zur Verdoppelung der Naturschutz- JHELHWVÀlFKHLQ1LHGHUVDFKVHQGDEHLXDXPGLH6WURKDX- ser Plate und den Dümmer. 1986 wurde er nach Aurich versetzt, um beim dortigen Wasserwirtschaftsamt die ökologische Baubegleitung für die Großbaumaßnahme Leybucht zu übernehmen.

$ENPPHUWHHUVLFKELV]XU$XÀ|VXQJGHU%H]LUNV- regierung Ende 2004 wieder von Oldenburg aus um die Naturschutzgebiete sowie um die Einrichtung von FFH- Gebieten in den südlichen Teilen des Bezirks Weser-Ems. Ein Schwerpunkt blieb aber seine Mitwirkung bei der Arndt Meyer-Vosgerau, seit März 2019 stellv. Vorsitzender des Realisierung der Dümmersanierung. Mellumrats. Foto: Archiv Mellumrat

Ankündigungen und Termine

Mitgliederversammlung des Mellumrat e.V. voraussichtlich am 07. März 2020 Einladung folgt

5. Wangerooger Müllaktionstage 12./13. Juni 2020 Weiter Infos unter www.nationalparkhaus-wangerooge.de

12. Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer 10. – 18. Oktober 2020 Infos & Programm unter www.zugvogeltage.de

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 11 Der Spülsaum – ein unterschätzter Lebensraum Von Maja Kruse & Gregor Scheiffarth

Einleitung Vor diesem Hintergrund wurde die räumliche und zeitliche Dynamik des Auftretens und der Zusammensetzung von arallel zur Wasserlinie im Uferbereich verlaufende Spülsäumen in einem Forschungsprojekt im Studiengang P Ablagerungen werden Spülsäume genannt. Ihre der Marinen Umweltwissenschaften der Universität Ol- genaue Lage verändert sich stetig und wird meist durch denburg auf der Insel Wangerooge bearbeitet. Zur Unter- den höchsten Wasserstand nach der letzten Flut markiert suchung der Nutzung von Spülsäumen als Nahrungsquelle (Abb. 1; JANKE & KREMER 2015). Spülsäume sind ein wurden zusätzlich Vogelbeobachtungen durchgeführt, um unterschätzter und spezieller Lebensraum, welcher durch zu überprüfen, ob diese von Küstenvögeln als Nahrungs- extreme Bedingungen, wie hoher Salz- und Stickstoff- quelle genutzt werden. Eine weitere Arbeitshypothese war, gehalt und starke physikalische Störung durch Wind und dass es wetter- und windbedingte Schwankungen in der Wellen bestimmt wird. Die hier vorkommenden Organis- täglichen Spülsaummenge geben würde. Weiterhin ging PHQELOGHQGDKHUVWDUNVSH]LDOLVLHUWH7LHUXQG3ÀDQ]HQJH- man davon aus, dass Algenmaterial den Hauptbestandteil sellschaften (RUDOLPH 2011). Die Vielzahl an Lebewesen des organischen Materials ausmacht und die Mengen des und organischen Resten bilden nicht nur eine Nahrungs- abgelagerten Materials der Winterspülsäume deutlich grundlage für zahlreiche Kleinstlebewesen im Spülsaum höher sein würden als die täglichen Ablagerungen. selbst und für Vögel, sie sind auch eine Nährstoffquelle für GLHVLFKDQ6WUlQGHQDQVLHGHOQGH3ÀDQ]HQJHVHOOVFKDIWHQ Dieses zweiwöchige Projekt erfolgte in Zusammenarbeit Gefährdet werden diese Bereiche vor allem durch starken mit der AG Geoökologie im Institut für Chemie und Bio- Badebetrieb und die zum Teil maschinell durchgeführten logie des Meeres (ICBM) und der Nationalparkverwaltung Säuberungsarbeiten entlang der Strände (BFN 2011). Niedersächsisches Wattenmeer.

Untersuchungsgebiet und Methoden

Im Rahmen der Untersuchung wurde Wangerooge bei- spielhaft für die Strände der ostfriesischen Inseln ausge- wählt. Strandreinigungen hatten bis zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht stattgefunden. In der Zeit vom 19. März - 01. April 2019 erfolgte die Kartierung des Spül- saums inklusive des Winterspülsaums durch die Doku- mentation der Anzahl und Lage der Spülsäume über eine Länge von etwa 90 m an zwei Strandabschnitten mittels GNSS (Global Navigation Satellite System). Die Lage der untersuchten Strandabschnitte ist in Abb. 2 dargestellt. An jeweils drei zufällig ausgewählten Stellen der Spül- säume wurden auf einer Fläche von 50 x 50 cm Proben genommen. Anschließend wurde das Probenmaterial gesiebt (1,25 mm) und für 72 h bei 50 oC getrocknet, um das Trockengewicht der jeweiligen Bestandteile des Spülsaums zu bestimmen.

Die Nutzungsintensität des Strandes durch nahrungs- suchende Vögel wurde an jeweils fünf Tagen durch eine zweistündige Erfassung (Intervall von 15 min) aller Vögel entlang einer Strecke von jeweils 300 m durchgeführt. Abb. 1: Spülsaum am Strand von Wangerooge. Foto: M. Kruse

12 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Abb. 2: hbersichtskarte über die ,nsel Mellum mit den großen 3rielen, /|fÀerstandorten und /aufwegen zu den Kolonien in der Brutsaison 2018 und dem Beobachtungsturm (NATIONALPARK WATTENMEER 2016).

Abb. 2: /age der untersuchten Strandabschnitte auf Wangerooge.

Ergebnisse Materials stark mit einem mittleren Trockengewicht zwischen 3,07 und 139,54 g/m2. Je höher der Wasserstand, Die Ablagerungen des Winterspülsaums befanden sich desto größer war die Menge des angespülten Materials. zum Zeitpunkt der Untersuchung im oberen Strandbe- (VZXUGHHLQHVLJQL¿NDQWHSRVLWLYH.RUUHODWLRQ]ZLVFKHQ reich entlang des Dünenfußes, wohingegen die täglichen der Spülsaummenge und dem Wasserstand der Nordsee Spülsäume weiter strandwärts lagen und täglich sehr stark festgestellt (rho = 0,826; p < 0,001). variierten.

Zwischen dem 19. März und 01. April 2019 betrug die Trockenmasse des täglichen Spülsaums im Mittel 38,7 ± 68,4 g/m2 (M ± SD), die des Winterspülsaums betrug hingegen 3498,9 ± 3817,7 g/m2 (M ± SD), so dass ein VWDWLVWLVFKVLJQL¿NDQWHU8QWHUVFKLHGYRUODJ $129$ )  100) = 71,52; p < 0,001). Die Trockenmasse des Winter- VSOVDXPVEHVWDQG]XHLQHP*UR‰WHLODXVSÀDQ]OLFKHP Material (ca. 92 %). Dieser Anteil setzte sich aus 86,7 % WHUUHVWULVFKHPXQGPDULQHP3ÀDQ]HQPDWHULDO zusammen, das in dieser Studie nicht weiter differenziert wird. Der Anteil an Muschelschill an der Gesamtmenge betrug etwa 5,4 %. Der tägliche Spülsaum zeigte eine ähnliche Zusammensetzung, wobei der Anteil an Muschel- schill aber hier mit rund 47,8 %, deutlich höher lag (Abb. 3). Weiterhin konnten in den Spülsäumen unter anderem noch Müllpartikel oder Federreste mit gerin- Abb. 3: Zusammensetzung des mittleren Trockengewichts des täglichen Spülsaums (n = 84) und des Winterspülsaums (n = 18) gen Prozentanteilen dokumentiert werden. Im beprobten auf Wangerooge im Zeitraum vom 19. März - 01. April 2019 im Zeitraum variierte die Menge des täglich angespülten Vergleich. Fehlerbalken repräsentieren die Standardabweichung.

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 13 Der Bereich des Spülsaums inklusive des Winterspülsaums Fazit wurde von folgenden Vogelarten für die Nahrungsbeschaf- fung aufgesucht: Rabenkrähe (Corvus corone), Dohle (Co- Spülsäume, als annuelle und instabile Flutmarken sind ein loeus monedula), Silbermöwe (/arus argentatus), Austern- wichtiger, aber bislang noch unzureichend untersuchter ¿VFKHU Haematopus ostralegus), Bachstelze (Motacilla Lebensraum am Strand. In diesem Projekt konnten erste alba) und Sanderling (Calidris alba). Ergebnisse hinsichtlich der Quantität und Qualität der Zu- sammensetzung dieses Lebensraums entlang der Hochwas- VHUXQG6WXUPÀXWOLQLHJHZRQQHQZHUGHQ5lXPOLFKHXQG Diskussion zeitliche Verteilungsmuster sowie Auswirkungen auf die Geochemie und die Nährstoffverfügbarkeit sind noch nicht 'XUFK6WXUPÀXWHQLP:LQWHUXQG)UKMDKUZLUGYLHO hinreichend untersucht und bekannt. Dies soll durch eine organisches Material am oberen Strandbereich abgelagert Ausweitung des Projektes in einer Masterarbeit ebenfalls (RUDOLPH 2011). Dies erklärt, entsprechend der Erwartun- auf Wangerooge untersucht werden. gen, die hohe Biomasse des abgelagerten Winterspülsaums im Vergleich zum täglichen Spülsaum. Die Hypothese, dass Lage und Menge der täglichen Spülsäume durch die Danksagung Wetterbedingungen und den Wasserstand stark variieren, hat sich durch die Untersuchung ebenfalls bestätigt. Je hö- Vielen Dank an den Mellumrat e.V. und die Nationalpark- her der Wasserstand, desto mehr Material wird am Strand verwaltung Niedersächsisches Wattenmeer für die Unter- abgelagert. Bei Winden aus westlicher Richtung liegen die stützung des Projektes, die logistische Unterstützung und Wasserstände in der Nordsee deutlich höher als bei Win- die Unterbringung auf Wangerooge. den aus östlicher Richtung, somit wird auch mehr Material angespült (DIERSCHKE, LOTTMANN & POTEL 2008). Maja Kruse Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Generell bestehen Spülsäume an den Stränden zum Groß- ICBM AG Geoökologie teil aus Algenresten (JANKE & KREMER 2015, BARREIRO ET Schleusenstr. 1 AL. 2011, DUGAN ET AL. 2011). Entgegen der Erwartungen 26382 Wilhelmshaven bestand der Großteil des Spülsaums auf Wangerooge aber [email protected] KDXSWVlFKOLFKDXVWHUUHVWULVFKHPSÀDQ]OLFKHP0DWHULDO Dies ist möglicherweise durch den Untersuchungszeit- Gregor Scheiffarth SXQNW]XHUNOlUHQ'XUFKKRFKDXÀDXIHQGHV:DVVHUZLUG Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer PHKUSÀDQ]OLFKHV0DWHULDOZlKUHQGVWDUNHU6WUPHDXV Virchowstr. 1 den Ästuaren ins Meer getragen und schließlich angelan- 26382 Wilhelmshaven det (RUDOLPH 2011 6ROFKH:HWWHUHUHLJQLVVH¿QGHQYRU [email protected] allem im Winter und Frühjahr statt. Bei weiteren Untersu- chungen müsste überprüft werden, ob sich die Zusammen- setzung des Spülsaums auf Wangerooge im Jahresverlauf Literatur ändert und sich von der Zusammensetzung der Spül- saume entlang der Strände anderer ostfriesischen Inseln BARREIRO, F., GÓMEZ, M., LASTRA, M., LÓPEZ, J. & R. DE LA unterscheidet. Die räumliche Nähe Wangerooges zum HUZ (2011): Annual cycle of wrack supply to sandy Weserästuar bzw. zur Deutschen Bucht oder ausgedehnten beaches: effect of the physical environment. - Vorländern kann hierfür entscheidend sein. Hierzu wäre In: Marine Ecology Progress Series 433: 65-74. allerdings ein deutlich längerer Untersuchungszeitraum erforderlich. BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (BFN) (HRSG.) (2011): Ein- jährige Spülsäume. - Verfügbar unter: https://www.bfn. Die avifaunistische Untersuchung zeigte, wie erwartet, de/lrt/0316-typ1210.html (Zugegriffen am 29.04.2019). dass der Spülsaum durchaus als eine Nahrungsquelle für Vögel fungiert. Über das Jahr, insbesondere im Win- DIERSCHKE, J. & F. BAIRLEIN (2004): Habitat selection of ter, werden die Spülsäume noch von weiteren Arten zur wintering passerines in salt marshes of the German Nahrungsbeschaffung besucht, wie beispielsweise von der . – Journal of.Ornithology 145: 48–58. Schneeammer (Plectrophenax nivalis, Abb. 4), der Ohren- lerche (Eremophila alpestris GHP%HUJKlQÀLQJ Cardu- DIERSCHKE, J., LOTTMANN, R. & P. POTEL (2008): Vögel elis Àavirostris) und dem Strandpieper (Anthus petrosus) beobachten im Nationalpark Niedersächsisches Watten- (DIERSCHKE & BAIRLEIN 2004, DIERSCHKE, LOTTMANN & meer. – 119 S.; Wilhelmshaven (Verlag der Heinrichs- POTEL 2008). hofen-Bücher).

14 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş DUGAN, J. E., HUBBARD, D. M., PAGE, H. M. & J.P. SCHIMEL RUDOLPH, F. (2011): Strandfunde: Sammeln & (2011): Marine Macrophyte Wrack Inputs and %HVWLPPHQYRQ3ÀDQ]HQXQG7LHUHQLP6SOVDXPDQGHU Dissolved Nutrients in Beach Sands. – Estuaries and 1RUGXQG2VWVHHNVWH±6$XÀDJH1HXPQV Coasts 34: 839-850. ter (Wachholtz Verlag).

JANKE, K. & B.P. KREMER (2015): Düne, Strand und :DWWHQPHHU7LHUHXQG3ÀDQ]HQXQVHUHU.VWH±6 Stuttgart (Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart).

Abb. 4: Schneeammer am Spülsaum. Foto: R. /ottmann

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 15 Die Neophyten auf Wangerooge - Ein Vergleich der Jahre 2006 und 2018 Von Benjamin Reiff, Markus Prinz & Holger Freund

Einleitung wenn sie sich in einem möglichst frühen Stadium der Eta- EOLHUXQJEH¿QGHQXQGQRFKQLFKWJUR‰ÀlFKLJDXVJHEUHLWHW m Laufe der Geschichte kam es in Mitteleuropa stets haben (NEHRING ET AL. 2013). I]X7UDQVSRUWHQYRQ3ÀDQ]HQDUWHQLQ*HELHWHLQGHQHQ die jeweiligen Arten vorher nicht heimisch waren. Darun- Methoden und Untersuchungsgebiet WHU¿HOHQ]XP%HLVSLHO1XW]SÀDQ]HQIUODQGZLUWVFKDIW- OLFKH=ZHFNHXQG=LHUSÀDQ]HQIU*lUWHQDEHUDXFK Die Datenerfassung fand zwischen dem 15.07. und unabsichtlich eingeführte Arten, die sich beispielsweise 10.08.2018 auf Wangerooge statt. Zur Kartierung der unbemerkt als Verunreinigung im Saatgut befanden. Einige Neophyten wurden alle öffentlich zugänglichen Wege dieser Arten verwilderten und konnten sich in fremden systematisch begangen. Entlang dieser Wege wurden auf Ökosystemen ansiedeln. Die meisten gebietsfremden Arten Sichtweite möglichst alle Verbreitungsareale von Neo- erweitern die lokale Biodiversität und breiten sich nur phyten aufgenommen. Gebiete wie landwirtschaftlich mäßig aus, ein geringer Prozentsatz von durchschnittlich genutzte Flächen, Gärten und Parks wurden, wie auch 0,2 % der eingeführten gebietsfremden Arten kann sich von HAHN (2006), nicht beachtet. Die Vorkommen von jedoch expansiv ausbreiten und teils gravierende öko- Neophyten wurden, je nach Größe und Wuchsform, ent- logische Schäden verursachen. Diese Arten werden als weder als Punkt- oder Flächenvorkommen aufgenommen invasive Neophyten bezeichnet. Die Ausbreitung invasiver und hinsichtlich der Individuenzahl mit folgender Skala Arten ist, nach der Zerstörung von Habitaten, der global kategorisiert: zweitwichtigste Faktor für den Rückgang von Biodiversi- tät (GENOVESI ET AL. 2010). Auch im Nationalpark Nie- dersächsisches Wattenmeer konnte bereits dokumentiert werden, dass invasive Neophyten nachweislich ökologi- sche Schäden verursachen.

Im Jahr 2006 untersuchte Dirk Hahn erstmalig umfassend die Verbreitung, Ökologie und Vergesellschaftung von Neophyten auf allen ostfriesischen Inseln (HAHN 2006). Auf der Insel Wangerooge konnten dabei 26 neophytische Tab. 1: Schätzskala zur quantitativen Kategorisierung der Indi- Arten nachgewiesen werden, darunter die invasiven Arten viduen eines Vorkommens (Niedersächsischer /andesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz o.A.). Kaktusmoos (Campylopus introÀexus), Kartoffelrose (Rosa rugosa), Japanischer Flügelknöterich (Fallopia Von der Kartierung ausgenommen wurden Vorkommen japonica) und Späte Trauben-Kirsche (Prunus serotina). der Kartoffelrose (Rosa rugosa), des Englischen Schlick- Um anhand dieser Datengrundlage Informationen über grases (Spartina anglica) und der Schwarz-Kiefer (Pinus mögliche Ausbreitungs- oder Rückgangstendenzen der nigra). Vorkommen der Zweijährigen Nachtkerze (Oeno- Neophyten seit dem Jahr 2006 zu erhalten, wurde im Jahr thera biennis) und der Rotkelchigen Nachtkerze (Oenothe- 2018 nach dem Vorbild der Kartierung Hahns erneut das ra glazioviana) wurden nur westlich des Dorfes kartiert. Vorkommen von Neophyten auf Wangerooge umfassend Neben der Kartierung entlang des Wegnetzes wurden kartiert (REIFF 2019). Auf dieser Grundlage können mög- die Neophyten Kaktusmoos (Campylopus introÀexus) liche Bekämpfungsmaßnahmen diskutiert werden, die ein XQG3ÀDXPHQEOlWWULJH$SIHOEHHUH Aronia prunifolia) in wichtiges Mittel des Naturschutzes gegen die Ausbreitung gesonderten Untersuchungsgebieten kartiert. Das Unter- invasiver Neophyten darstellen können. Des Weiteren soll suchungsgebiet des Kaktusmooses deckt die Verbreitungs- geprüft werden, ob sich neue Neophytenarten auf Wan- schwerpunkte der Art aus dem Jahr 2006 (HAHN 2006) gerooge etablieren konnten, um diese gegebenenfalls neu ab. Als diese sind die Dünenbereiche westlich des Dorfes eingeführten, gebietsfremden Arten möglichst frühzeitig sowie Areale an den Wäldern des Kurparkes, die Nordost- zu erfassen. Dies ist besonders wichtig, da invasive Arten dünen und ein Gebiet am Westkopf der Insel zu nennen. tendenziell am effektivsten bekämpft werden können,

16 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Abb. 1: 'ie invasiven Neophyten Aronia prunifolia, /onicera involucrata (oben links und rechts) und Quercus rubra, (unten) stammen ursprünglichen aus temperaten Zonen Nordamerikas und wurden nach dem Jahr 2006 auf Wangerooge eingeführt.

$XFKGLH.DUWLHUXQJGHU3ÀDXPHQEOlWWULJHQ$SIHOEHHUH expansiv auf Wangerooge ausbreiten konnten, auf den erfolgte in einem begrenzten Untersuchungsgebiet, wel- aktuellen schwarzen oder grauen Warnlisten gebietsfrem- ches auf der Grundlage bekannter Vorkommen ausgewählt der Arten des Bundesamts für Naturschutz (BfN) aufge- wurde. führt werden oder von HAHN (2006) als invasiv eingestuft wurden. Als nicht invasiv wurden die restlichen nachge- ZLHVHQHQ1HRSK\WHQNODVVL¿]LHUW(VZXUGHQ$UWHQDOV Ergebnisse LQYDVLYNODVVL¿]LHUWXQGDOVQLFKWLQYDVLY'LH$UWHQ Pinus nigra und Spartina anglica konnten zwar nachge- Im Jahr 2018 konnten 36 verschiedene Neophytenarten wiesen werden, wurden allerdings weder kartiert noch auf Wangerooge nachgewiesen werden. Die Neophyten hinsichtlich der potenziellen Invasivität bewertet. Tab. 2 wurden in die Kategorien „invasiv“ und „nicht invasiv“ zeigt alle Neophyten, die von HAHN (2006) sowie im Jahr unterteilt. Als invasiv wurden im Rahmen dieser Arbeit 2018 gefunden werden konnten. 1HRSK\WHQNODVVL¿]LHUWGLHVLFKHQWZHGHUVHLW

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 17 Tab. 2: Artenliste der Neophyten der Jahre 2006 und 2018 mit Informationen über Anzahl der nachgewiesenen voneinander getrennten Vorkommen sowie der Summe der Flächenvorkommen in Hektar. Rot markiert: Invasive Neophyten. X = Art konnte nachgewiesen werden, wurde jedoch nicht gezählt. 0 = Art konnte nicht nachgewiesen werden

18 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Abb. 2: Von Aronia prunifolia besiedelte Biotoptypen mit Rote /iste Status 1 oder 2 sowie Vorkommen außerhalb dieser Biotoptypen

Aronia prunifolia auf Wangerooge lieren und ausbreiten kann und noch zahlreiche Flächen dieses Biotoptyps im Heidegebiet unbesiedelt sind, ist in Insgesamt konnten 68 Vorkommen des ursprünglich aus dieser Hinsicht mit einer weiteren Ausbreitung zu rechnen. Nordamerika stammenden Neophyten Aronia prunifolia Da Aronia prunifolia in einem solch wertvollen Gebiet auf Wangerooge dokumentiert werden. Aronia prunifolia monodominante Bestände ausbildet und sich vermutlich ist in einigen europäischen Ländern ein etablierter Neo- noch in weitere Gebiete ausbreiten wird, sollte diskutiert SK\WXQGZLUGGRUWWHLOZHLVHRI¿]LHOODOVLQYDVLYHLQJHVWXIW ZHUGHQGLHDNWXHOOEHUHLWVVWDWW¿QGHQGHQ%HNlPSIXQJV- (PRIEDE 2010), in Deutschland jedoch noch nicht. In den maßnahmen zu intensivieren. Niederlanden konnte bewiesen werden, dass dichte und hohe, monodominante Bestände dieser Art der Biodiver- sität schaden, da die darunterliegende Kraut- und Moos- schichten hinsichtlich der Artenvielfalt stark reduziert wer- den (WIEGERS 1984). Da solche dichten Bestände auch auf Wangerooge dokumentiert werden konnten, ist auch hier mit einer Beeinträchtigung der Artenvielfalt zu rechnen.

Die Verbreitung der Art ist lokal auf die südöstlichen Bereiche des Heidegebietes begrenzt. Dabei werden be- sonders Biotoptypen von höchstem naturschutzfachlichem Wert besiedelt. Von den insgesamt 68 Vorkommen liegen 42 in Flächen von Biotoptypen mit Rote Liste Status 2 (stark gefährdet) und fünf Vorkommen in Biotoptypen mit Rote Liste Status 1 (vom Aussterben bedroht, Abb. 2). %HVRQGHUVKlX¿JZLUGGHU%LRWRSW\SÄ&DOOXQD.VWHQ dünenheide“ (KDC) besiedelt, in dem 40 der insgesamt 68 Vorkommen liegen (Abb. 2). Da sich Aronia prunifolia offenbar besonders in diesem Biotoptyp erfolgreich etab- Abb. 3. Aronia prunifolia auf Wangerooge. Foto: B. Reiff

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 19 Fazit Korrespondierender Autor: Benjamin Reiff Es konnte dokumentiert werden, dass sich seit dem Bloherfelder Straße 149 Jahr 2006 einige invasive Arten auf Wangerooge weiter 26129 Oldenburg ausbreiten konnten, andere invasive Arten traten 2018 [email protected] ZHQLJHUKlX¿JDXIDOV1HXH1HRSK\WHQDUWHQ konnten sich seit 2006 auf Wangerooge etablieren, andere YHUVFKZDQGHQ)UMHGHDOVLQYDVLYNODVVL¿]LHUWH1HRSK\- Literatur tenart wurde individuell analysiert, ob Ausbreitungs- und Rückgangstendenzen vorliegen und ob die Art Verbrei- GENOVESI, P., SCALERA, R. & S. BRUNEL (2010): Towards an tungsschwerpunkte in bedrohten Biotoptypen aufweist. early warning and information system for invasive alien Außerdem wurde für jede invasive Art eine Fachliteratur- species (IAS) threatening biodiversity in Europe. – Lux- recherche durchgeführt, um zu erörtern, ob Bekämpfungs- HPERXUJ3XEOLFDWLRQV2I¿FH 7HFKQLFDOUHSRUW (XUR maßnahmen notwendig und realisierbar wären und in pean Environment Agency. Online), 5/2010). einem vertretbaren Verhältnis von Kosten und Nutzen stehen würden. HAHN, D. (2006): Neophyten der Ostfriesischen Inseln - Verbreitung, Ökologie und Vergesellschaftung. – Seit 2006 haben sich die invasiven Arten Senecio inaequi- Schriftenreihe Nationalpark Niedersächsisches Watten- dens, Fallopia japonica, Impatiens glandulifera, Prunus meer 9: 1–176. serotina und Rosa rugosaÀlFKHQPl‰LJZHLWHUYHUEUHLWHW Die Verbreitung der invasiven Arten Campylopus in- NEHRING, S., KOWARIK, I., RABITSCH, W. & F. ESSL (2013): troÀexus, Helianthus tuberosus und Solidago gigantea Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in ist seit 2006 insgesamt zurückgegangen. Der invasive 'HXWVFKODQGZLOGOHEHQGHJHELHWVIUHPGH*HIl‰SÀDQ]HQ Neophyt Heracleum mantegazzianum konnte 2018 nicht – BfN-Skripte (352): zuletzt geprüft am 27.11.2018. mehr nachgewiesen werden, jedoch ist anzunehmen, dass in Zukunft weiterhin Individuen dieser Art auftreten NIEDERSÄCHSISCHER LANDESBETRIEB FÜR WASSERWIRTSCHAFT, werden. Seit 2006 haben sich die invasiven Arten Aronia KÜSTEN- UND NATURSCHUTZ (o. A.): Meldebogen für Arten prunifolia, Crassula helmsii, Quercus rubra und /onicera GHU5RWHQ/LVWH*HIl‰SÀDQ]HQHLQHV*HELHWHV involucrata neu auf Wangerooge angesiedelt. zuletzt geprüft am 15.11.2018.

Es konnte gezeigt werden, dass besonders die Ausbreitung PRIEDE, A. (2010): Factors determining the distribution of der Arten Prunus serotina, Aronia prunifolia, Crassula Aronia prunifolia, an emerging invasive plant species helmsii und Rosa rugosa aus Sicht des Naturschutzes als in Latvia. – Acta Biologica Universitatis Daugavpiliensis sehr problematisch anzusehen ist. Diese Arten haben sich Suppl. 2: 49-59. seit 2006 auf Wangerooge expansiv ausgebreitet, präfe- rieren bedrohte Biotoptypen als Habitate und schaden laut REIFF, B. (2019): Die Neophyten der ostfriesischen Insel Literaturhinweisen nachweislich der Biodiversität in den Wangerooge – Ein Vergleich der Jahre 2006 und 2018. – besiedelten Gebieten. Somit sollten diese Arten hinsicht- Unveröffentlichte Bachelorarbeit der Carl von Ossietzky lich einer Bekämpfung besonders in Betracht gezogen Universität. ICBM AG Geoökologie: 68 S. werden. Falls eine Bekämpfung angestrebt wird, sollte diese nach Möglichkeit in besonders bedrohten Bioto- WIEGERS, J. (1984): Aronia Medik. in The . pen durchgeführt werden. Andere invasive Neophyten, Part II: Ecology of A. x Prunifolia (Marsh) Rehd. – Acta wie beispielsweise Senecio inaequidens, sind zwar weit Botanica Neerlandica 33 (3): 307–322. DOI: 10.1111/ verbreitet, besiedeln jedoch nicht vorzugsweise bedrohte j.1438-8677.1984.tb01822.x. Biotope. So konnten sich beispielsweise auch die invasi- ven Neophyten Fallopia japonica und Impatiens glandu- lifera ebenfalls ausbreiten, jedoch fast ausschließlich in anthropogen geprägten und naturschutzfachlich weniger bedeutenden Bereichen, wie beispielsweise an Straßenrändern.

20 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Ein ungebetener Neubürger im National- park – Das Nadelkraut (Crassula helmsii) auf Wangerooge Von Elisa Riedle, Markus Prinz & Holger Freund

Einleitung nachgewiesen wurde (PETERSEN & POTT 2005: 132). Im Jahr 2017 wurde erstmals auf Wangerooge ein Vorkom- Die Wanderung und Ausbreitung von Arten ist ein men von Crassula helmsii entdeckt (s. a. PRINZ & FREUND D natürlicher Prozess. Dieser veränderte sich allerdings 2018). Da Crassula helmsii auf Wangerooge erst 2017 durch anthropogene Aktivitäten und ganz besonders durch beschrieben wurde, lagen bisher noch keine weiteren Un- die Globalisierung deutlich und wurde so beschleunigt, tersuchungen und somit Erkenntnisse zur Situation auf der dass die natürlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Insel vor. Deshalb wurde der Bestand im Sommer 2018 7LHUXQG3ÀDQ]HQDUWHQLQ]ZLVFKHQXPHLQ9LHOIDFKHV untersucht mit dem Ziel, das Vorkommen von Crassula übertroffen werden. Arten, die in einem Gebiet ursprüng- helmsii auf der Insel aufzunehmen und somit zu prüfen, lich nicht beheimatet waren und nur durch den direkten ob und wieweit es sich dort bereits weiter ausbreiten RGHULQGLUHNWHQ(LQÀXVVGHV0HQVFKHQGRUWYRUNRPPHQ konnte. Dazu wurden der bereits bekannte Bestand und werden als Neobiota bezeichnet (KOWARIK 2010: 21). die weiteren Gewässer auf der Insel Wangerooge kartiert Neobiota, die eine Bedrohung für die indigene Flora (RIEDLE 2019). und Fauna sowie die bestehenden Ökosysteme und /HEHQVUlXPHGDUVWHOOHQZHUGHQODXW'H¿QLWLRQGHU&%' (Convention on Biological Diversity) als invasiv klassi- Untersuchungsgebiet ¿]LHUW 81(3&%'6%677$ ET AL. 2001). Diese invasi- ven Arten sind eine der Hauptbedrohungen der globalen Wangerooge ist eine vielseitige Insel mit unterschied- Biodiversität (KOWARIK 2010: 11). Ökosysteme reagieren lichen Biotoptypen und interessanten Besonderheiten. unterschiedlich sensibel auf „Neubürger“, besonders Durch viele Bunkeranlagen und Geschützstellungen wur- bedroht sind allerdings isolierte Gebiete, wie zum Beispiel de das ursprüngliche Landschaftsbild nachhaltig verändert Inseln (UNEP/CBD/SBSTTA ET AL. 2001). und vor allem der Luftangriff am 25. April 1945 prägt das Gesicht der Insel bis heute (PETERSEN & POTT 2005: 103). Allein in Deutschland gelten 451 Neophyten als etabliert, Schätzungsweise 6.000 Bomben hinterließen unzählige wovon allerdings nur etwa 10 % als invasiv eingestuft Krater (NIEDRINGHAUS ET AL. 2008). Einige dieser Bomben- sind (BFN 2016: 26, 152). Auf den Ostfriesischen Inseln trichter sind bis heute sichtbar und entwickelten sich zu sind Neophyten – darunter auch invasive – ebenfalls ein wertvollen Biotopen. Innerdeichs sind sie oft mit Süß- wichtiges Thema. Sie werden untersucht, beobachtet und wasser gefüllt und beherbergen eine besondere Vegetation teils bekämpft. HAHN (2006) beschrieb die Verbreitung, PLWWHLOVJHIlKUGHWHQ3ÀDQ]HQDUWHQE]ZJHVHOOVFKDIWHQ Ökologie und Vergesellschaftung von fünf invasiven Zudem dienen sie als Laichgewässer für Amphibien und Neophyta (Campylopus introÀexus, Rosa rugosa, Fallo- werden von vielen Wasser- sowie Singvögeln genutzt. pia japonica, Prunus serotina und Crassula helmsii) und Ebenfalls artenreiche Habitate stellen Reste von Eiskuhlen ZHLWHUHQDOVQLFKWLQYDVLYH1HRSK\WDHLQJHVWXIWHQ3ÀDQ- westlich des Inseldorfs im Heidegebiet dar, die größer zenarten auf den Ostfriesischen Inseln, wobei auf Wanger- als die meisten Bombentrichter sind und früher zur Ge- ooge 26 Neophyta gefunden wurden. Eine Neukartierung winnung von Kühleis angelegt wurden. Auf Wangerooge der Neophyta auf Wangerooge erfolgte im Jahr 2018, um gab es insgesamt ca. 500 Gewässer (NIEDRINGHAUS ET AL. die Entwicklung zu beschreiben. Insgesamt konnte für den 2008: 32). Diese enorme Anzahl macht deutlich, dass Zeitraum von 2006 bis 2018 eine Zunahme von 26 auf Wangerooge durch die Bombentrichter und ehemaligen insgesamt 36 Arten dokumentiert werden (REIFF 2019 und Eiskuhlen „über ein für die Inselkette einzigartiges Ge- Artikel in diesem Heft ab S. 16). wässersystem [verfügt]“ (NIEDRINGHAUS ET AL. 2008: 32).

Crassula helmsii stellt auf den ostfriesischen Inseln eine Der grobe Untersuchungsrahmen umfasste Gebiete Besonderheit dar, denn die Art war bislang nur von Nor- westlich des Dorfs: Den Westinnengroden, das Sand- derney bekannt, wo sie Anfang der 2000er-Jahre erstmals dorntal und die Heidegebiete. Ursprünglich existierten

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗşGroßer Brachvogel ± Rasttrupp. Foto: Volker /autenbach21 Crassula helmsii – Nadelkraut

Crassula helmsii ist in der südlichen Hemisphäre heimisch, die Art kommt ursprünglich aus Neuseeland und Australien. In Europa kam das Nadelkraut 1956 zuerst in England vor (DAWSON & WARMAN 1987:  GLHQWHDOV=LHUSÀDQ]HLP*DUWHQXQG7HLFKEDXXQGZXUGHDXFKLQ%RWDQLVFKHQ*lUWHQNXOWLYLHUW (NEHRING ET AL. 6HLWGHPYHUEUHLWHWHVLFKGHU1HRSK\WUDVDQWXQGJUR‰ÀlFKLJVRGDVV%HVWlQGH in vielen Ländern Europas dokumentiert wurden (HUSSNER 2007: 78 f). Auch in Deutschland breitete sich die Art aus und bis Dezember 2013 wurden laut der Datenbank FloraWeb des Bundesamts für Naturschutz an mindestens 62 Stellen Vorkommen gemeldet (BFN 2013). Allerdings lässt sich aufgrund einzelner Nachweise für Regionen oder Bundesländer in der Literatur auf eine durchaus höhere, stetig steigende Gesamtzahl schließen.

$OVHLQ]HOQH3ÀDQ]HLVWCrassula helmsii recht unscheinbar, ihre großen Bestände, die wie grüne Tep- SLFKHZDFKVHQIDOOHQMHGRFKVRIRUWGHXWOLFKDXI $EE 'LH3ÀDQ]HLVWPHKUMlKULJLPPHUJUQXQG VHPLDTXDWLVFKNDQQDOVRVRZRKOLP:DVVHUDOVDXFKDQ/DQGZDFKVHQXQGLVWKlX¿JLQ8IHUEHUHLFKHQ]X ¿QGHQ6LHKDWVXNNXOHQWHJHJHQVWlQGLJHKHOOJUQH%OlWWHUGLHYRQREHQHLQVWHUQI|UPLJHV%LOGHUJHEHQ sowie unscheinbare weiße Blüten, die etwa von Juli bis September erscheinen. Je nachdem ob das Nadel- kraut an Land, im Uferbereich oder unter Wasser wächst, kommt es in verschiedenen Lebensformen vor. Diese sogenannten Ökotypen unterscheiden sich teils stark im Aussehen (DAWSON & WARMAN 1987). Die Art weist eine sehr breite ökologische Amplitude und kann sich durch ihre verschiedenen Ökotypen an unterschiedlichste Standortbedingungen anpassen. Crassula helmsii verbreitet sich vor allem vegetativ über Wurzelausläufer. Sie besitzt eine extreme Wachstums- und Reproduktionsfähigkeit und kann selbst DXVNOHLQVWHQZHQLJHPPJUR‰HQ3ÀDQ]HQWHLOHQQHXH%HVWlQGHELOGHQ DAWSON & WARMAN 1987: 265). Über die generative Ausbreitung durch Samen ist noch wenig bekannt. Es ist jedoch anzunehmen, dass das generative Potenzial enorm ist, was mit der großen Anzahl an Blüten und der daraus resultierenden Anzahl an Samen in den dichten teppichartigen Beständen zu erklären ist. Die Ausbreitung der 3ÀDQ]HQIUDJPHQWHXQG6DPHQNDQQDXIYHUVFKLHGHQH:HLVHHUIROJHQGDEHLN|QQHQ:DVVHU7LHUH oder auch Menschen eine Rolle spielen.

Abb. 1: Crassula helmsii-Bestand als dichter Teppich; einzelner Crassula helmsii-Trieb. Fotos: E. Riedle

22 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Abb. 2: 'as Crassula helmsii-Vorkommen auf Wangerooge an der |stlichsten Eiskuhle. Kartengrundlage: NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR UMWELT (2016)

14 Eisteiche, heute sind nur noch wenige erhalten und übertragen. Die Methodik der Gelände- und Laborarbeiten erkennbar. Die zwei größten, die in der Regel immer mit orientierte sich an der Masterarbeit von PRINZ (2016), um Wasser gefüllt sind, liegen in den Braundünen westlich vergleichbare Daten zu erhalten. Am 16.08.2018 wurden des Inselfriedhofs. Alle Gewässer im Heidegebiet sind von zusätzlich entlang der Kanten der Crassula helmsii- Verlandung und Überwucherung bedroht. In der Vergan- Teppiche im großen Eisteich Bambusstöcke mit Fähnchen genheit wurden einige Bombentrichter auch verfüllt. Aus gesteckt und dies mit Fotos belegt (Abb. 4). Nach zwei diesen Gründen gibt es heute maximal noch die Hälfte der Monaten (17.10.2018) wurden erneut Fotos gemacht, um ehemals 500 Kleingewässer (NIEDRINGHAUS ET AL. 2008: zu überprüfen, wie die Bestände sich entwickelt und ob 32). Die großen Eisteiche sind ebenfalls von Verbuschung VLHVLFKÀlFKHQPl‰LJZHLWHUDXVJHEUHLWHWKDWWHQ RIEDLE EHWURIIHQXQGZXUGHQXQGZHUGHQGXUFK3ÀHJHPD‰QDK- 2019). Die Entwicklung wurde im April und Juli 2019 men freigehalten, um diese wertvollen Biotope zu erhalten. erneut dokumentiert.

Material und Methoden Ergebnisse

Die Geländearbeiten wurden von Anfang Juli bis Mitte Ein Faktor, der die gesamten Geländearbeiten dominierte August 2018 durchgeführt. Die Kernzone des Untersu- XQGGLH(UJHEQLVVHPD‰JHEOLFKEHHLQÀXVVWHZDUGLH:HWWHU chungsgebiets stellte das bereits bekannte Vorkommen lage im Sommer 2018. Es war ein extrem heißer und von Crassula helmsii an der östlichsten Eiskuhle dar. trockener Sommer mit nur sehr wenig Niederschlag. Dies Von dort aus wurde das ganze Dünengebiet westlich des führte dazu, dass nahezu alle Gewässer auf der Insel aus- Dorfs sowie die Wiese im Westinnengroden kartiert. Dazu trockneten. Von den Bombentrichtern waren nur einzelne, wurden ausgehend von den Wegen die gesamten Flächen tiefere, im Schatten liegende noch mit Wasser gefüllt. Aber nach Bombentrichtern, Eisteichen und sonstigen Vertiefun- selbst die größeren Eisteiche verloren sehr viel Wasser und gen abgesucht und diese Stellen mit GPS-Punkten mar- die Eiskuhle mit Crassula helmsii war zeitweise komplett kiert. Die GPS-Daten und dazugehörigen Informationen trocken. Allerdings änderten sich die Wasserverhältnisse (Wasserversorgung, Verbuschung, Biotoptyp, Vegetation, schnell wieder nach wenigen Regentagen im August. So- Crassula helmsii-Vorkommen) wurden in GIS-Karten mit herrschten sehr schwankende Wasserbedingungen.

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 23 Abb. 3: Ein sich vegetativ ausbreitender Crassula helmsii-Teppich (links) und ein Wurzelteppich von mindestens 10 cm H|he (rechts). Fotos: E. Riedle

Ein wichtiges Ergebnis der Kartierung ist, das Crassula 10 m² groß und mindestens sieben weitere Vorkommen helmsii auf Wangerooge weiterhin nur an einem Ge- mit einer Größe von 1 - 3 m² und fünf mit einer Fläche wässer und zwar an der östlichsten Eiskuhle gefunden von weniger als 1 m² waren ebenfalls vorhanden. Somit wurde, welche unmittelbar neben dem Friedhof liegt. Die wuchsen an allen Uferseiten bereits mehr oder weniger Crassula helmsii-Bestände wuchsen hier als dichte, große große Bestände. Die ausgedehnten Matten bestehend aus Teppiche an den Ufern und breiteten sich von dort weiter Crassula helmsii waren auf Wangerooge sehr dicht und ins Gewässer aus (Abb. 2). Meist bildeten sie monodo- KDWWHQHLQHHQJYHU¿O]WH:XU]HOVFKLFKWYRQEHUFP PLQDQWH%HVWlQGHGDQXUZHQLJH3ÀDQ]HQLQGHQGLFKWHQ Höhe (Abb. 3 rechts). Es konnte gut beobachtet werden, Teppichen vertreten waren. An manchen Stellen wuchsen dass außerhalb der Teppiche einzelne lückige Crassula jedoch Weidenröschen-Arten (Epilobium spec.) und vor helmsii-Bestände wuchsen und diese sich mit der Zeit allem an den Rändern kamen auch Kriech-Weiden (Salix LPPHUZHLWHUPLWGHQHLQ]HOQHQDX‰HQVWHKHQGHQ3ÀDQ]HQ repens) vor, die einen Übergang zu den verbuschten verbanden und so stetig ihre Fläche vergrößerten (Abb. 3 Rändern des Eisteichs bildete. An weniger dichten Stellen links). war teilweise Schwimmendes Laichkraut (Potamogeton natans ]X¿QGHQ Dieses Wachstum konnte durch eine Beobachtung der Be- standsentwicklung mithilfe von angebrachten Markierun- Die Eiskuhle hatte 2018 etwa eine Größe von 620 m² und gen sichtbar gemacht werden. Nach zwei Monaten zeigten das gesamte Crassula helmsii-Vorkommen eine Größe von alle Crassula helmsii-Bestände ein deutliches Wachstum ungefähr 135 m². Damit waren rund 22 % des Gewässers über die Markierungen hinaus. Weiterführende Beobach- mit Crassula helmsii bewachsen. Der größte Teppich hatte tungen bis in den Juli 2019 haben diesen anfänglichen eine Größe von über 100 m². Der nächstgrößere war etwa Trend belegt (Abb. 4).

Abb. 4: Bestandsentwicklung des gr|ßeren Teppichs im Süden der Eiskuhle; mit blauen Kreisen sind die Bambusfähnchen auf den Fotos verdeutlicht. Im Juli 2019 konnte nur noch ein Bambusstock aus¿ndig gemacht werden. Fotos links und rechts: E. Riedle, Foto Mitte: F. von Wild

24 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Die generative Ausbreitung wurde nicht weiter unter- net werden. Auch diese Frage ist kaum zu beantworten, sucht, es konnte nur beobachtet werden, dass die Bestände da hierzu die Ausbreitungswege speziell auf Wangerooge während der gesamten Geländearbeiten von Anfang Juli näher untersucht werden müssten. Ein wichtiger Aspekt ist bis Mitte August unzählige kleine weiße Blüten trugen. hierbei die Frage, ob und wenn ja auf welche Weise Vögel Die weiteren untersuchten Kleingewässer wiesen durchaus GLH3ÀDQ]HYHUEUHLWHQN|QQHQ%LVKHUZXUGHQDXI:DQJHU- Standortbedingungen auf, die eine Ansiedlung von Cras- RRJHRIIHQVLFKWOLFKQRFKNHLQH6DPHQRGHU3ÀDQ]HQWHLOH sula helmsii ermöglicht hätten, eine Verbreitung in diese in andere Gewässer eingebracht, wobei die Zeit sicherlich Bereiche ist bislang jedoch nicht erfolgt. ein wichtiger Faktor ist. Da nicht genau bekannt ist, seit wann Crassula helmsii auf Wangerooge vorkommt, kann 'LH$XVEUHLWXQJGHU3ÀDQ]HNDQQDXI:DQJHURRJHEHU es sein, dass die Zeit für eine Ausbreitung in andere Ge- mehrere Wege erfolgen. Vor allem waren viele verschie- wässer noch nicht ausreichte. dene Vögel an den Eiskuhlen zu sehen. Dazu zählten unter anderem Gänse, Enten, Teichhühner, Möwen und =XP=HLWSXQNWGHU0HVVXQJHQQDKPGLH3ÀDQ]HEHUHLWV Singvögel. Sie trinken und fressen, ruhen, mausern und ein Fünftel der Fläche der Eiskuhle ein – mit deutlich EUWHQGRUW(VZXUGHKlX¿JEHREDFKWHWGDVVYRUDOOHP steigender Tendenz, wie die Beobachtungen zur Be- Enten direkt auf Crassula helmsii-Beständen saßen und standsentwicklung belegen. Dies zeigt, dass die Bestände sich dort mauserten. Im ausgetrockneten Eisteich waren sehr dynamisch sind, ein großes Potenzial haben, rasch zu viele Vogelspuren zu sehen, auch direkt von den Crassula wachsen und bei Ausbreitung in weitere, vor allem kleine helmsii7HSSLFKHQDXVJHKHQG,QZLHZHLW3ÀDQ]HQWHLOHDQ Gewässer diese sehr schnell komplett einnehmen könnten. den Füßen oder Federn von Vögeln hängen bleiben oder 'DKHULVWHLQHZHLWHUH$XVEUHLWXQJGHU3ÀDQ]HDXIGHU REVLHYRQGHQ3ÀDQ]HQIUHVVHQNRQQWHLP5DKPHQGLHVHU Insel eine große Gefahr und unbedingt zu vermeiden. Arbeit nicht beantwortet werden.

Problem als invasive Art Diskussion Crassula helmsii hat durch die Bildung monodominanter Crassula helmsii hat sich seit der Entdeckung auf der Insel Teppiche ein großes Potenzial, die einheimische Flora zwar im bekannten Gewässer stark ausgebreitet, aber die komplett zu verdrängen und dadurch die Artenvielfalt zu 3ÀDQ]HLVWELVKHUQLFKWLQDQGHUH*HZlVVHUYRUJHGUXQJHQ verringern (DAWSON & WARMAN 1987: 255). Allerdings Daraus ergeben sich folgende Fragen: geben LEACH & DAWSON (1999: 237) an, dass nur wenige Beweise dafür vorliegen. LANGDON ET AL. (2004: 1351) :LHLVWGLH3ÀDQ]HLQGLH(LVNXKOHJHODQJWXQGVHLW fanden aber heraus, dass das Vorhandensein von Crassula wann wächst sie auf der Insel? helmsii%HVWlQGHQGLH.HLPXQJVUDWHQDQGHUHU3ÀDQ]HQ 2. Warum hat sich die Art nicht in weitere Gewässer deutlich verschlechtert. Ferner hat die Art Vorteile ge- ausgebreitet? JHQEHUGHQPHLVWHQHLQKHLPLVFKHQ3ÀDQ]HQDUWHQGDVLH wintergrün ist und somit im Frühjahr keine neuen Bestän- Die erste Frage kann nicht klar beantwortet werden, es de bilden muss, da die von ihr eingenommenen Flächen können nur verschiedene Hypothesen aufgestellt wer- bestehen bleiben (HUSSNER 2007: 85). Es gibt auch negati- den. Eine Möglichkeit für den Weg nach Wangerooge ve Auswirkungen auf verschiedene Tierarten, da Crassula ZlUHQ9|JHOGLHGHQ7HLFKEHVXFKHQXQG3ÀDQ]HQWHLOH helmsii]XP%HLVSLHOGHUHQSÀDQ]OLFKH1DKUXQJVJUXQGOD- von Vorkommen vom Festland oder der Insel gen verdrängt oder die Ufer verändert, so dass diese nicht mitgebracht haben könnten. Auch das unabsichtliche mehr als Brut- oder Eiablageort dienen können (LANGDON beziehungsweise unbewusste (durch Verschleppen von ET AL. 2004: 1351 f). 3ÀDQ]HQWHLOHQDQ6FKXKHQ.OHLGXQJ RGHUDXFKDEVLFKW- OLFKH GXUFK$XVSÀDQ]HQRGHU(QWVRUJHQYRQ$TXDULHQ Des Weiteren kann eine Vielzahl von Standortparame- RGHU*DUWHQWHLFKSÀDQ]HQ $XVEULQJHQGXUFK0HQVFKHQ tern – wie pH-Wert, Sauerstoffgehalt, Lichtverhältnisse, LVWGHQNEDU6HLWZDQQGLH3ÀDQ]HVLFKGRUWDXVEUHLWHW Wasserdurchmischung und -qualität – durch die Präsenz kann niemand mehr nachvollziehen. Nur der Moment des von Crassula helmsii verändert werden (VAN DER LOOP ET ersten Entdeckens kann genannt werden. Interessant ist die AL. 2018: 343). Auch die hohen Kosten für die Bekämp- nächste Frage, warum sich Crassula helmsii noch nicht in fung von Neophyten stellen eine wirtschaftliche Belastung weitere Gewässer auf der Insel ausgebreitet hat, obwohl dar (DAWSON & WARMAN 1987: 269). Insgesamt ist die zum Beispiel in wenigen Metern Entfernung eine weitere besonders hohe Ausbreitungswahrscheinlichkeit aufgrund große Eiskuhle liegt, in der Bedingungen herrschen, die in der vielen unterschiedlichen Verbreitungswege und der der Literatur und den Untersuchungsergebnissen von PRINZ HQRUPHQ5HSURGXNWLRQVUDWHDXVZLQ]LJHQ3ÀDQ]HQIUDJ- (2016) auf Norderney entsprechend als optimal bezeich- menten ein großes Problem.

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 25 Mellum Foto: F. Braun Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş23 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Ausbreitungs- und Gefährdungspotenzial für die Insel Korrespondierende Autorin: Wangerooge Elisa Riedle Johann-Justus-Weg 88 Die gute Nachricht der Kartierung auf Wangerooge ist, 26127 Oldenburg dass Crassula helmsii noch nicht an einem anderen als [email protected] dem bereits bekannten Gewässer, der östlichen Esiskuhle gefunden wurde. Dort kann man allerdings gut beobach- ten, was es bedeutet, wenn sich die Art an einem Gewässer Literaturverzeichnis etabliert. Es kann nicht genau belegt werden, seit wann die 3ÀDQ]HEHUHLWVGRUWLVWDEHUVHLWLKUHP)XQGZXFKVHQGLH BFN (BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ) (2013): Verbreitungs- Bestände zu einer enormen Größe an. Zum Zeitpunkt der karte Crassula helmsii [Online]. Verfügbar unter: www. Aufnahme im August 2018 waren bereits über 20 % der ÀRUDZHEGHZHENDUWHQNDUWHKWPO"WD[QU  $EIUDJH Fläche der Eiskuhle mit Crassula helmsii besiedelt. Auch datum: 10.12.2018). die Vergleichsbilder von August und Oktober 2018 unter- streichen diese Zunahme und machen deutlich, dass sich BFN (BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ) (2016): Daten zur die Bestände innerhalb von zwei Monaten deutlich vergrö- 1DWXU9HUIJEDUXQWHUZZZEIQGH¿OHDGPLQ ßerten. Somit ist das Ausbreitungspotenzial auf Wangeroo- BfN/daten_fakten/Downloads/Daten_zur_Natur_2016_ ge grundsätzlich bestätigt und sichtbar. Die Entwicklung BfN.pdf (Abfragedatum: 11.01.2019). an der Eiskuhle zeigt, wie gefährlich eine Ausbreitung von Crassula helmsii in weitere der unzähligen Teiche und DAWSON, F. H. & E.A. WARMAN (1987): Crassula helmsii Tümpel auf der Insel wäre. Diese vielfältigen Gewässer (T. Kirk) Cockayne: Is it an aggressive alien aquatic stellen zahlreiche potenzielle Lebensräume für Crassula plant in Britain? – Biological Conservation, Vol. 42: helmsii dar, denn Untersuchungen der Standortparameter 247-272. (RIEDLE 2019) zeigten, dass die Art extrem anpassungsfä- hig ist, was Vergleiche mit vorangegangenen Studien und HAHN, D. (2006): Neophyten der Ostfriesischen Inseln Kartierungen ebenfalls bestätigten. Aufgrund dieser vielen - Verbreitung, Ökologie und Vergesellschaftung. – kleinen, außergewöhnlich wertvollen Feuchtbiotope und Schriftenreihe Nationalpark Niedersächsisches Watten- Gewässer ist die Art für Wangerooge eine besondere Bedro- meer 9: 1–176. KXQJ$XI1RUGHUQH\EUHLWHWHVLFKGLH3ÀDQ]HLQ]ZLVFKHQ VRJUR‰ÀlFKLJHQWODQJYRQ*HZlVVHUQVRZLHDXIWHLOV HUSSNER, A. (2007): Zur Biologie von Crassula helmsii feuchten Wiesen aus, dass kaum noch eine Möglichkeit (Crassulaceae) in Nordrhein-Westfalen (Biology of besteht, ihr Einhalt zu gebieten. Deswegen sollte auf Crassula helmsii (Crassulaceae) in North Rhine-West- Wangerooge unbedingt gehandelt werden, solange die phalia). – Acta Biologica Benrodis, Vol. 14: 77-88. Lage noch überschaubar ist. KOWARIK, I. (2010): Biologische Invasionen: Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa, Stuttgart, Ulmer. Zusammenfassung und Fazit LANGDON, S. J.,MARRS, R. H.,HOSIE, C. A.,MCALLISTER, H. Zwei Ergebnisse sind entscheidend: A.,NORRIS, K. M. & J.A. POTTER (2004): Crassula helmsii in U.K. Ponds: Effects on Plant Biodiversity and 1. Zum Zeitpunkt der Kartierungen war das Vorkommen Implications for Newt Conservation. – Weed Technolo- von Crassula helmsii noch überschaubar, da es sich seit gy, Vol. 18: 1349-1352. seiner Entdeckung im östlichsten Eisteich auf Wangerooge im Jahr 2017 in kein anderes Gewässer LEACH, J. & F. DAWSON (1999): Crassula helmsii in the ausgebreitet hatte. British Isles - An unwelcome invader. – British Wildlife, Vol. 10: 234-239. 2. Der Bestand in diesem Gewässer hatte sich allerdings deutlich vergrößert und nahm im Sommer 2018 mehr NEHRING, S.,KOWARIK, I.,RABITSCH, W. & F.H. ESSL (2013): als ein Fünftel der Fläche ein. Die bestehenden, dichten Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen Matten waren auf eine enorme Größe angewachsen und für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäß- es hatten sich neue kleine Teppiche gebildet, so dass die SÀDQ]HQ%I16NULSW>2QOLQH@%I1 %XQGHVDPWIU 3ÀDQ]HLQ]ZLVFKHQDOOH8IHUVHLWHQEHVLHGHOWH'XUFKGLH Naturschutz) (Hrsg.). Verfügbar unter: www.bfn.de/ Beobachtung der Bestandsentwicklung konnte sichtbar ¿OHDGPLQ0'%GRFXPHQWVVHUYLFHVNULSWSGI gemacht werden, dass das Vorkommen auch weiterhin stark wächst.

28 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR UMWELT, E., BAUEN REIFF, B. (2019): Die Neophyten der ostfriesischen Insel UND KLIMASCHUTZ (Hrsg.), (2016): Umweltkarten Nieder- Wangerooge - Ein Vergleich der Jahre 2006 und 2018. sachsen - Orthophoto [Online]. Verfügbar unter: www. – Unveröffentlichte Bachelorarbeit, Carl von Ossietzky umweltkarten-niedersachsen.de/arcgis/rest/services/Basisda Universität Oldenburg, Institut für Chemie und Biologie ten_wms/MapServer [Abfragedatum: 02.07.2018]. des Meeres, Arbeitsgruppe Geoökologie.

NIEDRINGHAUS, R.,HAESELER, V. & P. JANIESCH (2008): RIEDLE, E. (2019): Vorkommen und Ausbreitungspotenzial Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln: Artenver- des invasiven Neophyten Crassula helmsii (Kirk) zeichnisse und Auswertungen zur Biodiversität. Schrif- Cockayne auf der ostfriesischen Insel Wangerooge. tenreihe Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer 11: – Unveröffentliche Bachelorarbeit, Carl von Ossietzky 1-470. Wilhelmshaven. Universität, Arbeitsgruppe Geoökologie.

PETERSEN, J. R. & R. POTT (2005): Ostfriesische Inseln: UNEP/CBD/SBSTTA,UNEP (UNITED NATIONS ENVI- Landschaft und Vegetation im Wandel. 160 S.; Hannover RONMENT PROGRAMME),CBD (CONVENTION ON BIOLOGICAL (Schlüter). DIVERSITY) UND SBSTTA (SUBSIDIARY BODY OF SCIENTIFIC TECHNICAL AND TECHNOLOGICAL ADVISE) (2001): PRINZ, M. (2016): Habitatansprüche und Ausbreitungs- Status, impacts and trends of alien species that threaten möglichkeiten des invasiven Neophyten Crassula helmsii ecoystems, habitats and species. Sixth meeting, Montre- (T. Kirk) Cockayne auf Norderney - Eine sedimentologi- al, 12-16 March 2001. sche, hydrochemische Untersuchung und Habitatmodelie- rung. – Unveröffentlichte Masterarbeit, Carl von Ossietz- VAN DER LOOP, J. M. M.,HOOP, L. D.,KLEEF, H. H. V. & ky Universität Oldenburg, Institut für Chemie und Biolo- R.S.E.W. LEUVEN (2018): Effectiveness of eradication gie des Meeres, Arbeitsgruppe Geoökologie. measures for the invasive Australian swamp stonecrop Crassula helmsii. – Management of Biological Invasi- PRINZ, M. & H. FREUND (2018): Ein invasiver Exot auf ons: Vol. 9: 343-355. dem Vormarsch!? – Nadelkrautfund auf Wangerooge. – Natur- und Umweltschutz 17/1: 20-21.

Schutzmaßnahmen für Eisteiche und Kleingewässer auf Wangerooge Von Norbert Hecker

m 29. August wurde im Heidegebiet auf der Insel dann zu einer Düne entwickelt. Im Vorfeld wurde fachlich A Wangerooge eine besondere Artenschutzmaßnahme und rechtlich geprüft, ob Maßnahmen gegen Crassula begonnen. In einem der Eisteiche, die wertvolle Lebens- helmsii zwingend erforderlich, durchführbar und Erfolg UlXPHIUEHGURKWH7LHUXQG3ÀDQ]HQDUWHQVLQGKDWVLFK versprechend sind. Das Ergebnis war, dass ein Unterlassen das Nadelkraut (Crassula helmsii) angesiedelt. Dieser der Maßnahme auf Dauer erhebliche negative Folgen für invasive Neophyt kann durch rasches Wachstum Lebens- zahlreiche Kleingewässer und das Feuchtgrünland auf räume vollständig für sich erobern und damit heimische, Wangerooge gehabt hätte. An anderer Stelle versuchsweise KlX¿JJHIlKUGHWH$UWHQYHUGUlQJHQ(VJDOWGLH)HXFKW- durchgeführte Maßnahmen waren bisher nicht erfolgreich: lebensräume auf Wangerooge vor der Ausbreitung des $EJUDEHQ$EÀlPPHQ9HUVDO]HQXQG$EGHFNHQ Nadelkrauts in diesem frühen Stadium zu schützen und das vorhandene Vorkommen auf Dauer zu beseitigen. Die Maßnahme ist auf Wangerooge als Prävention gegen die weitere Ausbreitung im Nationalpark notwendig ge- Deshalb wurde das betroffene Gewässer auf Wangerooge wesen, um die wertvollen angrenzenden Lebensräume zu nach Ende der Brutzeit mit einem Bagger verfüllt und schützen.

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 29 Das Heidegebiet auf Wangerooge nach Abschluss der Maßnahme, 24.09.2019. Foto: N. Hecker

Um das Gewässer verfüllen zu können, wurden randliche Von Vorteil für die Durchführung im Spätsommer war die von Kartoffelrosen bewachsene Dünen von jeglichem trockene Witterung, die eine starke Ausbreitung des Nadel- Bewuchs freigestellt. Die Kartoffelrosen und das Sand- krautes im betroffenen Eisteich in 2019 bisher verhindert Wurzelgemisch wurden in das Crassula-Gewässer verfüllt hat. Trockene Verhältnisse mussten bei der Ausführung und mit einer Sandschicht von ca. 1 m abgedeckt. Das der Maßnahme vorherrschen, damit Bagger, Fahrzeuge, Ergebnis ist Rohboden auf ca. 5.500 m², der sich durch Arbeitsgeräte und Personen nicht mit dem Nadelkraut in 6DPHQÀXJDXVGHQEHQDFKEDUWHQ+HLGHÀlFKHQVSRQWDQ Kontakt kommen. Ein kleiner verschleppter Abschnitt ]X+HLGHXQG*UDXGQHQJUDVÀXUHQHQWZLFNHOQVROO(LQH GHU3ÀDQ]HNDQQDQDQGHUHU6WHOOHHLQJHEUDFKWJUR‰HQ 1DFKSÀHJHZLUGLQGHQQlFKVWHQ-DKUHQHUIRUGHUOLFKVHLQ Schaden anrichten. um die erneute Ausbreitung der Kartoffelrose zu verhin- dern. In 2020 wird eine intensive Kontrolle erforderlich sein, ob sich Crassula helmsii trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Um den Gewässerverlust auszugleichen, wurden benach- in benachbarten Gewässern ausbreitet. Weiterhin wird ab bart vorhandene Gewässer für typische Pionierarten von 2020 ein Monitoring zur Erfolgskontrolle beginnen. Kleingewässern wie den Strandling oder die Kreuzkröte zu nährstoffarmen Gewässern optimiert.

Das Heidegebiet in voller Blüte. Foto: J. Ulber

30 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Das Biosphärenreservat – Entwicklungsräume für zukunftsfähiges Handeln Ein Gespräch mit Jürgen Rahmel, von Norbert Ahlers

rst allmählich scheint sich in der breiten Bildungsarbeit die nachhaltige Regionalentwicklung zu E Öffentlichkeit ein Bewusstsein zu entwickeln, fördern und zukunftsfähige Handlungsfelder zu schaffen. dass die UNESCO die Küstenregion am Wattenmeer Das Motto lautet: „Alles kann, nichts muss!“ zweifach ausgezeichnet hat, zum einen mit dem Status des Weltnaturerbes und zum anderen mit der Auszeich- nung als Modellregion für nachhaltige Entwicklung, auch Biosphärenreservat genannt.

Das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer wird somit durch zwei Säulen gestützt: den Nationalpark (1986) und das Biosphärenreservat (1992). Letzteres ist aber vielen Menschen in der Region noch weitgehend unbe- kannt, fremd oder gilt ihnen schlicht als ein Begriff, mit dem nur Verordnungen, Einschränkungen und Vorga- ben verbunden werden.

Dass dem nicht so ist, erläutert Jürgen Rahmel, Dezer- nent für das Biosphärenreservat in der Nationalparkver- waltung Niedersächsisches Wattenmeer, immer wieder in Informationsveranstaltungen vor Ratsmitgliedern und Bürgern. Zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen Stefanie Lenz (Bereich Junior Ranger) und Astrid Mar- tin (Nationalpark-Partnerinitiative) und dem National- park-Leiter Peter Südbeck sucht Jürgen Rahmel die ca. 30 Küstengemeinden von der Ems bis an die Elbe da- YRQ]XEHU]HXJHQGDVVIUVLHGLH6HOEVWYHUSÀLFKWXQJ zur nachhaltigen Entwicklungsarbeit und der Status einer Modellregion im Sinne des Biosphärenreservates vielmehr eine Chance denn eine Bevormundung und Einschränkung darstellen.

Was aber ist unter einem Biosphärenreservat zu verste- hen?

Ein UNESCO-Biosphärenreservat unterteilt sich in drei Diese Ziele sind nur erreichbar, wenn das Biosphären- =RQHQ.HUQ]RQH3ÀHJH]RQHXQG(QWZLFNOXQJV]RQH reservat in der Gesellschaft eine breite Akzeptanz und (s. Infokasten). Dabei nimmt hier im Gegensatz zum $QHUNHQQXQJ¿QGHW:lKUHQGVLFKLQ]ZLVFKHQGLH%H- Nationalpark die Entwicklungszone die größte Fläche völkerung mit dem Nationalpark Wattenmeer weitgehend ein. Im Falle eines marinen UNESCO-Biosphärenreser- LGHQWL¿]LHUWPXVVXPGDV9HUVWlQGQLVIUGLH,GHHYRP YDWVVROOWHVLHGLH+lOIWHGHUGDULQOLHJHQGHQ/DQGÀlFKH Biosphärenreservat noch in vielen Kommunen geworben ausmachen. Ihr gilt wesentliche Aufmerksamkeit, da werden. Die Bedenken gegenüber dem Biosphärenreservat in ihr Modellprojekte für nachhaltiges Wirtschaften sind jedoch vor allem in Kreisen der Landwirtschaft prä- und Leben entwickelt werden sollen. Ziel ist es, mit sent. Vorbehalte dieser Art äußern aber nicht nur Landwir- freiwilligen Leistungen, Aktionen und entsprechender te, sondern auch andere politische Interessengruppen,

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 31 die vor allem befürchten, dass ihre kommunalpolitischen turerbe zu verhindern und gemeinsam nachhaltige Wege in Handlungsspielräume eingeschränkt werden könnten. GLH=XNXQIW]X¿QGHQ+LHU]XEHVWHKHQEHUHLWVYLHOYHUVSUH- Tatsächlich geht es aber beim Biosphärenreservat um chende Kooperationen mit den Touristikern“, so Rahmel. andere Schwerpunkte. So steht weniger der klassische Na- Das Biosphärenreservat soll zudem eine Brücke zwischen turschutzgedanke im Vordergrund, als vielmehr der Dialog Tourismus und Landwirtschaft schlagen, z.B. mit der um die Einsicht, dass man sich den neuen gesellschaftli- Schaffung und Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten, chen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen wie es in anderen Regionen mit Erfolg praktiziert wird. nur mit verantwortlicher Nachhaltigkeit stellen kann. Die Ohne Zweifel ist es eine Herausforderung, die Einrichtung Idee eines Biosphärenreservats liegt z. B. in der Erpro- einer Entwicklungszone für das UNESCO-Biosphärenre- bung eines Zusammenspiels von nachhaltiger Bildung und servats über den Weg der freiwilligen Mitarbeit von Ge- Soziokultur mit Tourismus und Landwirtschaft. Ist der meinden, und nicht über Verordnungen oder Vorgaben zu Gedanke der Nachhaltigkeit die Leitidee, so können die erreichen. Die Adressaten müssen für die Idee gewonnen, JHQDQQWHQ%HUHLFKHYRQHLQDQGHUSUR¿WLHUHQ besser noch begeistert werden, dass sie sich aus eigener Überzeugung Ziele für ihr Biosphärenreservat setzen und Im Gegensatz zum Nationalpark steht im Biosphärenre- VRGHQHLJHQHQ0D‰VWDEGHU1DFKKDOWLJNHLWGH¿QLHUHQ servat also weniger die Natur, als vielmehr das Wirken Hierauf wird dann der Neuantrag auf Anerkennung des der Menschen im Vordergrund. Konkret geht es darum, Biosphärenreservats basieren. die Kulturlandschaft in der Küstenregion zu erhalten und sie angesichts sich abzeichnender Veränderungen, wie In der praktischen Arbeit heißt dies, verschiedene Ebenen etwa den Klimawandel oder sich ändernder Ansprüche an von Arbeitsgruppen aufzubauen und zu begleiten. Gemein- die Landnutzung, mit entsprechender Umsicht weiter zu sam mit der Biosphärenreservatsverwaltung werden die entwickeln und zu gestalten. Kommunen und deren BürgerInnen aus eigener Initiative ihre Schwerpunkte im Sinne der Nachhaltigkeit und Viel- Tatsächlich hat der Status des UNESCO-Weltnaturerbes falt entwickeln und diese mit anderen Kommunen abstim- der Dynamik des Tourismus an der deutschen Nordsee- men. Hieraus entwickeln sich dann Ziele, Handlungsfelder küste wichtige Impulse gegeben, sowohl ökonomisch als und Projekte. kulturell. Jürgen Rahmel sieht in einem konstruktiven Zusammenspiel von Naturschutz und Tourismus große Die potentiellen Effekte sind offensichtlich: Die Entwick- Chancen für beide Seiten. „Die Geschichte des Tourismus lungszonen, die an den Nationalpark angrenzen, suchen in dieser Region reicht bis ins Ende des 18. Jahrhun- Zusammenhänge und Synergien zu entwickeln. Hieraus derts zurück und tatsächlich ist die Natur durch diesen wird sich dann auch eine Anerkennung und Imageauf- Wirtschaftszweig weit weniger verändert worden als die wertung für die Gemeinden hinter dem Deich mit ihrer soziokulturellen Strukturen. In einer Umfrage von 2006 weltweit ebenso einmaligen Kulturlandschaft ergeben. gaben 11 % der Besucher an, sie wären wegen des Natio- Insofern ist die Intensivierung des Biosphärenreservates nalparks in diese Region gereist. 2019 wird diese Umfrage im Küstenbereich zu begrüßen und die zahlreichen positi- nochmals erhoben und wir rechnen mit Zahlen im Bereich ven Erfahrungen in Biosphärenreservaten wie Mittelelbe zwischen 20 - 30 %. Es gilt allerdings auch, negative und Rhön dokumentieren ermutigende Beispiele. (LQÀVVHHLQHV]XQHKPHQGHQ7RXULVPXVDXIGDV:HOWQD-

Blick über die /eybucht. Foto: R. /ottmann

32 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş NSG Sager Meere, Kleiner Sand und Heumoor – Entwicklung in den vergangenen 15 Jahren Von Sabine Baumann

Zusammenfassung Gebietes zu den Ahlhorner Fischteichen zu gewährleisten. Auch die NSG-Verordnung für die Ahlhorner Fischteiche uletzt wurde 2003 von Holger Brux in der wurde 2019 dahingehend überarbeitet, dass entsprechend Z Zeitschrift Natur und Umwelt über das NSG Sager in die Verordnung als Ziel die Erhaltung oder Wieder- Meere, Kleiner Sand berichtet, das vom Mellumrat seit herstellung eines günstigen Erhaltungszustandes für die 1951 betreut wird. Seitdem haben sich eine Reihe von wertbestimmenden Lebensraumtypen und Tierarten nach wissenschaftlichen Arbeiten, Gutachten und Manage- Anhang I bzw. II der FFH-Richtlinie aufgenommen wer- mentplänen mit dem Gebiet befasst, das inzwischen den. zum Flora und Fauna Habitat (FFH)-Gebiet 12 „Sager Meere, Ahlhorner Fischteiche und Lethetal“ gehört. Der Artikel gibt einen zusammenfassenden Überblick Beschreibung der Entwicklung in den Teilgebieten über deren Ergebnisse und die aktuelle Situation im Gebiet sowie einen Ausblick auf in Zukunft aus meiner Auf 201 ha treffen sich im NSG verschiedene nacheiszeit- Sicht als Beauftragte notwendige Maßnahmen. liche Landschaftselemente wie die Sager Meere als Erd- fallseen im Hochmoor, der Kleiner Sand als Wehsandge- biet mit Sanddüne und Sandheiden und das Heumoor als Einleitung Hochmoor in einer nacheiszeitlichen Ausblasungsmulde mit dem in der Mitte des 19. Jhd. künstlich entstandenen Das Naturschutzgebiet Sager Meere, Kleiner Sand und Sager-Meer-Kanal. Heumoor wird seit 1951 durch den Mellumrat betreut, zuletzt hat Holger Brux darüber in Natur & Umwelt- Die einzelnen Gebiete unterscheiden sich deutlich vonein- schutz Bd. 2, Heft 1 (2003) berichtet. Inzwischen hat ander und sind zudem in sich komplex. Diese Heterogeni- es zur Situation des Gebietes eine Reihe wissenschaft- tät bedingt eine große Artenvielfalt. licher Arbeiten bzw. Bestandserfassungen und Manage- mentplanungen gegeben, die hier zugrunde liegen Allein in den Teilgebieten Sager Meer und Heumoor wur- (s. Literaturverzeichnis). So ist es an der Zeit einen den 49 Biotoptypen auf 171 ha kartiert (NLWKN 2016). Überblick über die zwischenzeitliche Entwicklung zu (V¿QGHQVLFKDOVSULRULWlUH/HEHQVUDXPW\SHQ /57  geben. Moorwälder, Schwingrasenmoore, Feuchte Heiden mit Glockenheide (Erica tetralix), oligotrophe Gewässer der Das Naturschutzgebiet Sager Meere, Kleiner Sand Sandebenen, trockene Sandheiden und Dünen mit offenen und Heumoor liegt in der Gemeinde Großenkneten im 6LOEHUJUDVÀXUHQ(LQJXWHV:HJHQHW]HUVFKOLH‰WGDV*HELHW Landkreis Oldenburg nahe der Lethe und ist Teil des für Besucher. FFH-Gebietes Nr. 12 „Sager Meere, Ahlhorner Fisch- teiche, Lethetal“ (Abb. 1). Obwohl es eher im Schatten der küstennahen weiteren Betreuungsgebiete (Mellum, Die Sager Meere Minsener Oog, Wangerooge) innerhalb des Mellumra- tes liegt, ist es trotzdem ein Schutzgebiet von europa- Die Sager Meere sind zwei Erdfallseen und liegen auf weiter Bedeutung. Die Unterschutzstellung erfolgte einem ausgedehnten Salzstock im südlichen Landkreis bereits erstmalig 1939 (Sager Meere und Kleiner Sand) Oldenburg. Das Große Sager Meer ist mit einer Tiefe bis und wurde in aktueller Form in Anpassung an die zu 22 m der tiefste See Nordwestdeutschlands, seine Was- FFH-Richtlinie 2007 neu verordnet (WE 252) und um VHUÀlFKHEHWUlJWHWZDKD'DV.OHLQH6DJHU0HHU±PLW die Fläche des Heumoores erweitert. 2019 wurde die dem Großen verbunden durch einen schmalen Kanal – hat Letheniederung zusätzlich als Landschaftsschutzgebiet HLQH:DVVHUÀlFKHYRQKDXQGLVWDQGHUWLHIVWHQ6WHOOH ausgewiesen, um eine Verbindung innerhalb des FFH- knapp 9 m tief. Der nährstoffarme Charakter der Geest-

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 33 Abb.1: /age des NSG Sager Meere, Kleiner Sand und Heumoor im /andkreis Oldenburg. Quelle: UNB

VHHQ]HLJWVLFKLQ6FKZLPPEODWWSÀDQ]HQJHVHOOVFKDIWHQ EODWW]RQHPLW6HHXQG7HLFKURVH¿QGHWVLFKDP2VWXIHU und Strandlingsgesellschaften. Das Große Sager Meer ist der Strandling (/itorella uniÀora) und die Gewöhnliche ein typisches oligotrophes, leicht mineralisches Gewässer Teichsimse (Schoenoplectus lacustris). 2014 wurden von der Sandebenen. Neben der kennzeichnenden Schwimm- ALBRECHT (2015) insgesamt 104 der Dauerbeobachtungs-

34 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş Abb.2: Verschiebung der Vegetationszonen aufgrund eines leichten Wasserpegelanstiegs am Nordrand des Kleinen Sager Meeres: Absterbende Bruchwaldzone am Gewässerrand. Foto: S. Baumann

ÀlFKHQYRQMONTAG aus 1971 rekonstruiert und Wieder- Das Kleine Sager Meer hat deutlich steilere Ufer, die von holungsaufnahmen der Vegetation angefertigt, was einen Gagelgebüschen (Myrica gale) und Erlen-Birkenwald Vergleich über einen Zeitraum von 43 Jahren mit einer EHZDFKVHQZHUGHQ'LHVHUEH¿QGHWVLFKLQ]ZLVFKHQLP Kartierung im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde Verfall bedingt durch einen Anstieg des Wasserspiegels (MEYER-RAHMEL ET AL. 2008) ermöglichte. Diese Arbei- aufgrund keiner weiteren Unterhaltung des Sager-Meer- ten waren u.a. Grundlage für die Erstellung eines FFH- Kanals (Abb. 2). Ein Horst der Binsenschneide (Cladium Managementplans 2016. Gegenüber den 1970er Jahren mariscus) steht am Südwestufer des Kleinen Meeres und NDPHQ*HIl‰SÀDQ]HQVLSSHQGD]XNRQQWHQQLFKW LQGHU8PJHEXQJGHU6HHQ¿QGHQVLFKDX‰HUGHPNOHLQHUH mehr festgestellt werden. Insgesamt nahmen Wald- und Moorlilienvorkommen, deren Erhaltungszustand als Ent- Gebüschgesellschaften von 15 % auf 38 % zu, wobei der ZLFNOXQJVÀlFKHQ]X)HXFKWKHLGHQPLW(EHZHUWHWZXUGH Moorwald (von A, „Hervor ragender Erhaltungszustand“ ELV(Ä(QWZLFNOXQJVÀlFKH³ ±HLQSULRULWlUVFKW]HQVZHU- Im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts haben vor allem ter Lebensraumtyp nach der FFH-Richtlinie – die Geest- zwei Faktoren die Ökologie der Seen massiv verändert: seen umschließt und ehemalige Offenbiotope wie Röh- zum einen die Anlage von Entwässerungsgräben für land- ULFKWHXQG:DVVHUSÀDQ]HQJHVHOOVFKDIWHQYHUGUlQJWKDW wirtschaftliche Flächen, die mit ihrem Nährstoffreichtum direkt in die Seen münden, zum anderen die Absenkung Erfreulicherweise konnte bis zuletzt die Vorkommen des des Grundwasserspiegels um 0,7 - 1 m durch den Bau des stark gefährdeten Froschkrautes (/uronium natans) und die Seen nach Norden entwässernden Sager-Meer-Kanals des Strandlings (/itorella uniÀora) bestätigt werden, beide im Jahr 1854. Seit dieser Zeit kommt es zu Verockerungen sind Charakterarten der nährstoffarmen Stillgewässer. und Einträgen aus Mineralisierungsprozessen aus den Das Vorkommen der Wasserlobelie (/obelia dortmanna) umliegenden Mooren in die Meere. Mit der Absenkung existiert jedoch nicht mehr und insgesamt ist ein Rück- des Wasserspiegels setzte auch die Bewaldung der an die gang stickstoffmeidender Moorarten und eine Zunahme Seeufer angrenzenden Flächen u.a. mit Moorwäldern ein, schattentolerierender und waldgebundener Arten festzu- einem heute prioritär zu schützenden Lebensraumtyp. stellen, wobei diese nicht nur auf die natürliche Sukzessi- 'LHVHXPIDVVHQUXQGHLQ)QIWHOGHU7HLOJHELHWVÀlFKH on zurückzuführen sind, sondern auch eine Folge von Eu- und werden mit den Erhaltungszuständen „A“ und „B“ trophierung und Versauerung sind. Der Erhaltungszustand bewertet. des Großen Sager Meeres wird inzwischen aufgrund der Nährstoffanreicherung nur noch mit C (von A, „Hervor- Die Seen werden nach POLTZ (1989) zu 77, 5 % aus UDJHQGHU(UKDOWXQJV]XVWDQG³ELV(Ä(QWZLFNOXQJVÀlFKH³  Grundwasser gespeist, 13 % gelangen durch oberirdische bewertet (FFH-Managementplan 2016). =XÀVVHLQV6\VWHPQXUDXV1LHGHUVFKODJVZDV-

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 35 ser. Da durch die Vorgänge während des Erdfalls, der zur Entstehung der Seen führte, die tieferen geologischen Schichten gestört sind, gelangt tiefes Grundwasser in die 6HHQGDVREHUÀlFKHQQDKH*UXQGZDVVHULVWMHGRFKGXUFK die intensive Landwirtschaft im Einzugsgebiet stark mit Nährstoffen belastet. Der Wassereinstrom erfolgt aus süd- südöstlicher Richtung (Abb. 3). Das oberirdische Wasser- einzugsgebiet der Sager Meere beläuft sich auf 107 ha (allein auf das Große Sager Meer entfallen 70 - 75 ha), das unterirdische Wassereinzugsgebiet beläuft sich auf ca. 500 - 600 ha und der Wasserkörper der Seen wird etwa 1,6 mal im Jahr ausgetauscht (POLTZ 1989).

Die Gewässergüte der Sager Meere wurde von der Hunte- Wasseracht 2019 (mdl. Bericht im Letheforum vom 15.08.2019, leider sind die Daten bisher nicht öffentlich zugänglich) mit 5 (von 1 - 6 entsprechend Schulnoten) angegeben, für den Sager Meerkanal mit 3 - 4. Es ist inzwischen eine Störung der Sauerstoffversorgung des Epilimnions (Verlagerung der Sprungschicht von ca. 14 m, OHLE 1934 in POLTZ 1989) auf etwa 2,5 - 5 m (NOWAK 2015) zu beobachten sowie die Verockerung von Zuläufen und Phosphateintrag. Obwohl der Bisseler Schaugraben an der Ostseite des Großen Sager Meeres nur etwa 4 % zur Wasserversorgung der Sager Meere beiträgt, trägt er fast 50 % der Säurefrachten ein (EIKEN 2004). Eigene Untersuchungen an denselben Probestellen zwischen 2003 XQGHUJDEHQIUGLH=XÀVVHDP*UR‰HQ6DJHU0HHU pH-Werte zwischen 4,5 (Bisseler Schaugraben) und 5,5. Abb.3: Karte des Wasserhaushaltes mit Grundwasserganglinie Gleichzeitig befand sich in seinem Mündungsbereich eine und GrundwasserÀießrichtung. Entnommen aus N/WKN 2016 Sandbank (sie diente lange als Badestelle für Anwohner und zur Schafwäsche), die früher den Seen als Standort der Das Heumoor Wasserlobelie vegetationskundlich besondere Bedeutung gab. Die Entwicklungskonzepte (EIKEN 2004, NLWKN Der Sager-Meer-Kanal entwässert die Sager Meere seit FFH-MANAGEMENTPLAN 2016) setzen deshalb hier mit mehr als 150 Jahren nach Norden durch das Heumoor und stabilisierenden Maßnahmen an: So wird vorgeschlagen, führt das Wasser der Lethe zu. Diese Entwässerung führte GLHLQGLH6HHQPQGHQGHQ=XÀVVH]XVFKOLH‰HQLQHLQHP zu Mineralisationsprozessen. Zudem ist der Moorkörper zweiten Schritt den Wasserspiegel anzuheben und in einem an den sehr steilen Ufern des Meerkanals um bis zu 1 m dritten Schritt über die Wiederanlage der Sager Meers- DEJHVDFNWGDV:DVVHUÀLH‰WVFKQHOODE bäke die ursprüngliche Verbindung zur Lethe wiederher- ]XVWHOOHQVRZLHEHUGHQ$QNDXIYRQ3XIIHUÀlFKHQXQG Im allgemein stark gestörten und von Pfeifengraswie- deren extensive Bewirtschaftung die landwirtschaftlichen VHQGRPLQLHUWHQ+HXPRRU¿QGHQVLFKMHGRFKDXFKQRFK Einträge ins Grundwasser zu reduzieren. Dies betrifft vor regenerationsfähiges Hochmoor, Birken- und Birken- allem Flächen im Südosten der Meere, da von dieser Seite Kiefernmoorwälder mit Pfeifengrasbeständen, Binsen- und her der Grundwassereinstrom erfolgt. Seggenrieder, Staudensümpfe, magere Nasswiesen und *DJHO*HEVFK.OHLQÀlFKLJLVWDXILQVJHVDPWKDLQ Das abgängige Pfeifenbrink´sche Wehr am Beginn des alten Torfstichen die typische Hoch- und Übergangsmoor- Meerkanals und das Unterlassen von Erhaltungsmaßnah- YHJHWDWLRQ]X¿QGHQZLHDOV))++DXSW/HEHQVUDXPW\S men führt seit den letzten Jahren zu einem leichten Anstieg feuchtere „Glockenheide-Moordegenerationsstadien“ des Wasserstandes im direkten Bereich der Sager Meere und Moorstadien mit Schnabelried (Rynchospora alba) und dem Beginn des Meerkanals. Dies ist bereits deutlich mit einer Torfmoosschicht von bis zu 50 %. Im südliche am Absterben des Birken-Erlenbruchwaldes am Uferbe- Teil liegen auch Übergangs- und Schwingrasenmoore als reich der beiden Geestseen zu erkennen (Abb. 2) und führt Wollgras-Torfmoosrasen (KISTERMANN 2006, FFH-MA- zu einer Verschiebung der Vegetationszonen. NAGEMENTPLAN 2016, MEYER-RAHMEL ET AL. 2008).

36 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 2014 wurde von GOEPFERT (2015) die Libellenfauna des Meerkanals mit Schwerpunkt auf Fließgewässerarten kartiert und ausgewählte ökologische Parameter erfasst. 15 Libellenarten konnten als sicher bis wahrscheinlich boden- ständig eingestuft werden, darunter als Leitarten Orthe- trum coerulescens (Kleiner Blaupfeil) und Ceriagrion tenellum (Späte Adonislibelle) sowie Calopteryx splendens (Gebänderte Prachtlibelle), Sympetrum pedemontanum (Gebänderte Heidelibelle) und Platycnemis pennipes (Blaue Federlibelle). Der Makrophytenreichtum und die Brachen im NSG wirken sich positiv auf die derzeitige Libellenfauna aus, weitere Fließgewässerarten fehlen jedoch aufgrund mangelnder Strukturdiversität der Gewässersohle, fehlender uferbegleitender Gehölze und vor allem aufgrund der im Nordteil intensiven Agrarland- Abb.4: Weidenaufwuchs auf einer Fläche mit vormals Glocken- heide-Anmoor im Nordosten des Heumoores. Foto: S. Baumann schaft und fehlender Gewässervegetation (GOEPFERT 2015). Ginster (Genista anglica, G. pilosa) sind mit Erhaltungs- 1HEHQGHQIHXFKWHUHQDOWHQ7RUIVWLFKHQEH¿QGHWVLFKLP zustand A bewertet worden, ebenso die noch offeneren Nordosten des Heumoorkomplexes ein kleiner Bereich Flächen mit Silbergras, Straußgras und zahlreichen mit basen- und nährstoffarmem Sumpf und Glockenheide- )OHFKWHQYRQHKHPDOV  *HIl‰SÀDQ]HQVLS- Anmoor. Dort wurden bis vor einigen Jahren neben Bein- pen wurden von ALBRECHT (2014) auch noch festgestellt, brechlilie, Glockenheide, Moosbeere und Knabenkrautar- GD]XYRQHKHPDOV0RRVDUWHQ'LH*HVDPWÀlFKHGHU ten auch die Sonnentauarten (Drosera rotundifolia, Sandheide hat sich danach von 17 auf 13 % reduziert, die D. intermedia) nachgewiesen. Dieser Bereich ist zuneh- GHU6DQGWURFNHQUDVHQ%RUVWJUDVUDVHQXQG6LOEHUJUDVÀXUHQ mend von vollständiger Vernichtung bedroht (worauf hat von 22 auf 28 % zugenommen (ALBRECHT 2014). Da bereits KISTERMANN 2006 hingewiesen hat). Er ist umgeben jedoch auch eine Zunahme von Grasstadien aufgrund von von Binsen- und Simsenried, was den starken Nährstoffe- durch Eutrophierung eingeleiteter Sukzession zu verzeich- intrag aus dem östlichen angrenzenden Ackerland (Mais- nen ist, wurde das Gebiet erfolgreich in das EU-LIFE- anbau) widerspiegelt. Projekt „Atlantische Sandlandschaften“ in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen aufgenommen und es konnte im Durch die Trockenheit der letzten Sommer ist der Was- November 2019 mit Maßnahmen begonnen werden. serstand, der 2006 bereits 32 cm unter der Gewässerober- kante lag, weiter abgesunken und der Standort verbuscht Aktuelle Maßnahmen im Rahmen des EU-Life-Projektes bereits durch Birken und Weidenaufwuchs (Abb. 4). Hier sind auf Abb. 5 zu sehen. Sie begannen im November besteht dringender Handlungsbedarf durch Verringerung 2019 und umfassen insbesondere ein Schoppern und Plag- des Nährstoffeintrags, Anheben des Wasserstandes und zu- gen, d.h. Entfernung der gesamten Vegetation, von direkt mindest anfänglich auch durch mechanisches Entkusseln, DQGLH+HLGHDQJUHQ]HQGHQ3XIIHUÀlFKHQGDVGHU$XVPD- zur Beseitigung der Gehölze. gerung der Flächen dient, und wodurch die Ausbreitung der Besenheide-Gesellschaften unterstützt werden soll.

Der Kleine-Sand-Komplex

Der Kleine Sand-Komplex unterscheidet sich deutlich von den vorherigen, gewässergeprägten Teilgebieten. Er weist einen hohen Anteil gefährdeter Lebensraumtypen in großer Vielfalt auf und besteht aus einer Reihe seltener Biotop- typen der „Ahlhorner Geest“ wie Sandünen-Biotope mit *LQVWHU6DQGKHLGHQ6LOEHUJUDVÀXUHQ6DQGPDJHUUDVHQXQG Resten von Kratteichenbeständen. Auf 30,5 ha wurden 16 Biotoptypen erfasst.

Sein Charakter als offene Heidelandschaft wird erhalten GXUFK3ÀHJHPD‰QDKPHQ (QWNXVVHOQH[WHQVLYH%HZHL- Abb.5: Plaggen und Schoppern der PufferÀächen am Kleinen- dung durch Schafe). Insbesondere die trockenen Sand- Sand-Komplex im November 2019 im Rahmen des EU-/IFE- heiden mit Besenheide und Englischem und Behaartem Projektes „Atlantische Sandlandschaften“. Foto: S. Baumann

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş 37 Ausblick

Die bereits oben angeführte Ausweisung als FFH-Gebiet bringt ein „Verschlechterungsverbot“ mit sich, d.h., der Erhaltungszustand der FFH-Gebiete muss nach EU-Recht gewährleistet bzw. in positiver Weise entwickelt werden (Art. 6 (1) der FFH-Richtlinie). Der Erhaltungszustand der maßgeblichen Lebensraumtypen der Sager Meere und des Heumoores ist jedoch seit Jahren ungünstig (MEYER- RAHMEL ET AL. 2008, FFH-MANAGEMENTPLAN 2016). Insbe- sondere Nährstoffeinträge in das Gebiet stehen im Fokus der Bemühungen. Inzwischen hat es viele grundlegende und ausführliche Arbeiten zum Zustand des Gebietes Abb.6: Ausbringen von Flüssiggülle am Moorwaldrand im Osten gegeben, jedoch nur sehr wenige konkrete Verbesserungen des Großen Sager Meeres am 28.09.2019. Foto: S. Baumann und Maßnahmen wurden bereits eingeleitet. Lediglich die aktuelle Durchführung des EU-LIFE-Projektes auf dem Kleinen Sand ist ein erster Lichtblick. Allerdings ist der Erhaltungszustand des Kleinen-Sand-Komplexes schon bisher innerhalb des Gesamtgebietes am günstigsten und die Maßnahmen am einfachsten durchzuführen gewesen. In den anderen Teilgebieten besteht dringender Hand- lungsbedarf, worauf auch in allen Bearbeitungen hinge- wiesen wird. Trotz aller Diskussionen und Bewertungen ist keinerlei Verbesserung festzustellen – im Gegenteil: der Erhaltungszustand verschlechtert und die negativen Effekte verstärken sich.

Die dringendsten Maßnahmen, die bereits z.T. vor 25 Abb.7: Einsatz eines Totalherbizids im April 2018 auf einer -DKUHQLP3ÀHJHXQG(QWZLFNOXQJVSODQYRQ ,%/  AckerÀ äche im Norden des NSG. Foto: S. Baumann und erneut im FFH-Managementplan formuliert werden, sind eingeteilt in die Prioritäten I – III sowie zeitlich in kurzfristig bis (5 Jahre), mittelfristig (5 - 10 Jahre) und langfristig (ab 10 Jahre). Davon sollen hier von den dort genannten nur kurzfristige und mit Priorität I zitiert werden. Dies sind:

Der Verschluss südlicher Zuläufe in die Sager Meere Die Polderung des Bisseler Schaugrabens im Osten des Großen Sager Meeres Eine Wasserspiegelanhebung in den Sager Meeren und im Heumoor um rund 70 cm Die Herstellung passierbarer Sohlgleiten im Sager- Meer-Kanal Biotopverbund Abb.8: Blühstreifen an einem Maisfeld am westlichen Rand des NSG im Bereich des Heumoores. Foto: S. Baumann Eine Wiedervernässung des Heumoores  0D‰QDKPHDXIGHQ1XW]ÀlFKHQLPXQGDP.RPSOH[ ländern – an politischem Willen zur Umsetzung der FFH- des Kleinen Sandes Richtlinie gefehlt. Erst der Druck aus Brüssel führte zur Erstellung von Managementplänen, die aber bisher kaum Die notwendigen Maßnahmen sind klar formuliert und umgesetzt werden. wissenschaftlich begründet, jetzt müssen sie zeitnah ange- gangen und umgesetzt werden. Das erfordert einen hohen Einige Verbesserungen lassen sich jedoch auch kurzfristig Verwaltungsaufwand und das Einwerben von Projekt- erreichen. Eine Verringerung des Nährstoffeintrags über geldern, EU-Mitteln etc.. Dafür müssen dringend in den 2EHUÀlFKHQJHZlVVHUOLH‰HVLFK]HLWQDKGDGXUFKEHZHUN zuständigen Behörden Personal bereitgestellt und Gelder stelligen, dass das Ausbringen von Gülle, das nach wie vor freigegeben werden. Hier hat es nach meinem Eindruck auf gewässernahen Flächen erlaubt ist und regelmäßig an bisher vor allem – auch im Vergleich mit anderen Bundes- mehreren Stellen geschieht (Abb. 6), eingeschränkt wird.

38 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱȱŠ—ȱŗŞȱȮȱ ŽȱŘȱȮȱŘŖŗş BRUX, H. (2003): Sager Meere, Heumoor, Wehsandgebiete und Lethetal – Ergebnisse und Bilanz aus sechs Jahren Untersuchungen in einem kaum bekannten Gebiet. Natur und Umweltschutz 2/1:24-33.

EIKEN, C. (2004): Konzept zur Sicherung und Entwick- lung der Sager Meere. Dipl.Arb. FH Osnabrück: 129 Seiten, unveröffentlicht.

GOEPFERT, S. (2015): Der Meerkanal: ein Lebensraum für Fließgewässerlibellen? Status quo und Bewertung eines anthropogenen Fließgewässers in Niedersachsen. Mas- Abb. 9: /uftbild Sager Meere 2013. Foto: Hunte-Wasserverband terarbeit Carl v. Ossietzky Universität Oldenburg, Studiengang Landschaftsökologie, unveröffentlicht. Nach der Neufassung der Gülleverordnung auch im Land Niedersachsen ist es unverständlich, dass in einem Gebiet, HUNTE-WASSERACHT (2019) Gewässerentwicklungsplan das wegen Nährstoffarmut unter europaweitem Schutz 4080 für die Lethe, unveröffentlicht. steht, das Ausbringen von Flüssiggülle in Gewässernähe weiterhin erlaubt ist. Der Passus „ordnungsgemäße Aus- IBL  3ÀHJHXQG(QWZLFNOXQJVSODQXQJÄ6DJHU übung der Landwirtschaft“, der im BNatschG nur völlig Meere, Heumoor und Sandgebiete“: Arten- und bio- XQ]XUHLFKHQGGH¿QLHUWLVWPXVVKLHUIUGDV))+*HELHW topschutzorientierte Fachplanung sowie konzeptionelle klar ausgeführt und eingeschränkt werden. Ebenso werden hEHUOHJXQJHQ]XPÀlFKHQGHFNHQGHQXQGPHGLHQEHU regelmäßig auch auf Flächen direkt im NSG Totalherbi- greifenden Landschaftsschutz mit Hilfe formulierter ]LGHJHVSULW]WEHYRUGLH$FNHUÀlFKHQIUGHQ0DLVDQEDX Leitbilder / Auftraggeber: Bezirksregierung Weser-Ems.- umgebrochen werden (Abb. 7). Andere Landwirte haben IBL Umweltplanung, Oldenburg: 222 S. im Gegensatz dazu bereits vor der aktuellen Diskussion um das Insektensterben immer wieder Blühstreifen entlang KISTERMANN, K.  3ÀHJHXQG(QWZLFNOXQJVNRQ]HSW GHU$FNHUÀlFKHQDQJHVlW $EE %HVRQGHUVIUGLHXP- für das FFH-Teilgebiet Heumoor unter besonderer fangreichen Maßnahmen wie sie im FFH-Managementplan Berücksichtigung von Libellen und Bodenverhältnissen. von 2016 formuliert sind, ist es jedoch unabdingbar v.a. Dipl.Arb., FH Osnabrück, 149 S. die Landwirte vor Ort mit ins Boot zu holen und nach ein- vernehmlichen Lösungen und Wegen für ihre Umsetzung MEYER-RAHMEL, S., KRONZ, S. & U. RAHMEL (2008): zu suchen. Viele Flächen im NSG werden gar nicht oder FFH-Gebiet 012 „Sager Meere, Ahlhorner Fischteiche und nur extensiv genutzt, auch bestehen eine große emotionale Lethe“ – Erfassung der Biotoptypen und Lebensraumtypen. Verbundenheit und ein starker Bezug zur heimatlichen NLWKN-Betriebsstelle Brake-Oldenburg, Oldenburg. Landschaft und – wie immer mit Ausnahmen – ein Ver- ständnis für ihre Besonderheit, die durch jahrhundertelan- MONTAG, A. (1970/71): Naturschutzgebiet Sager Meer – ge Nutzung entstanden ist. Dies gilt es zum Vorteil für alle Vegetationstabellen. 24 Tabellen, NLWKN-Betriebsstelle Seiten und die Allgemeinheit zu nutzen. Hannover-Hildesheim, Hannover, unveröffentlicht.

Dr. Sabine Baumann NLWKN - NIEDERSÄCHSISCHER LANDESBETRIEB FÜR WASSER- Zur Försterei 61 WIRTSCHAFT, KÜSTEN- UND NATURSCHUTZ (2016): 26203 Wardenburg FFH-Managementplan „Sager Meere, Heumoor und [email protected] Kleiner Sand“ FFH-Gebiet Nr. 012, Bearbeiter: Ewers, M. & A. Stölting, in Zusammenarbeit mit G. Schinnerer (LK Oldenburg) und S. Baumann (Mellumrat), 69 S. Literaturverzeichnis NOWAK, K.-E. +UVJ   9RUOlX¿JH%HVFKUHLEXQJGHU ALBRECHT, B.M. (2015): Dynamik Flora & Vegetation Untersuchungsergebnisse am großen Sager Meer. Institut im NSG „Sager Meere, Kleiner Sand und Heumoor“ im Dr. Nowak, Ottersberg. Gutachten i.A. der UNB Land- Landkreis Oldenburg über 40 Jahre - Konzeptentwick- kreis Oldenburg, unveröffentlicht. lung zur Wiederholung von historischen Vegetations- aufnahmen. Endbericht, Hochschule Bremen, Fakultät 5 POLTZ, J. (1989): Zur Limnologie der Sager Meere. Natur und Technik, ISTAB, unveröffentlicht. Mitteilungen aus dem Niedersächsischen Landesamt für Wasserwirtschaft 7: 1-156.

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 39 Die letzten ihrer Art – Kornweihen (Circus cyaneus) auf den nieder- sächsischen Wattenmeerinseln Von Nadine Knipping

s sind wunderbare, faszinierende und unvergessliche Die Ostfriesischen Inseln wurden erst in den 1980er Jahren E Beobachtungen: Kornweihen-Weibchen – wenn sie durch Kornweihen als Brutvögel besiedelt. Es folgte ein im langsam gaukelnden Flug auf der Suche nach einer un- rasanter Anstieg der Brutpaarzahlen bis Ende der 1990er vorsichtigen Wühlmaus oder einem kleinen Singvogel die Jahre auf den Höchststand von 53 Brutpaaren. In den bei- %RUNXPHU6DO]ZLHVHQNDQWHQXQG'QHQWlOHUDEÀLHJHQ den Betreuungsgebieten des Mellumrats, Wangerooge und Oder wenn ein Männchen hoch oben über dem Wangeroo- Mellum, brüteten Kornweihen erstmals 1993 bzw. 1994. JHU+HLGHJHELHWVHLQHQVSHNWDNXOlUHQ%DO]ÀXJYROOIKUW Das Populationswachstum war auch hier zu beobachten. um ein Weibchen davon zu überzeugen, dass er der Beste So lag der maximale Brutbestand auf Wangerooge bei fünf auf der Insel ist. Kornweihenpaaren im Jahr 2004. Spätestens jedoch seit %HJLQQGHUHU-DKUHEH¿QGHWVLFKGLH%UXWSRSXODWLRQ Kornweihen gehören zu den Charakterarten im National- im niedersächsischen Wattenmeer geradezu im „freien park Niedersächsisches Wattenmeer. In ganz Deutschland Fall“. Der Verlust beträgt seit dem Jahr 2000 ganze 93 %! brüten sie nur noch hier in den ausgedehnten, weitgehend 2017 brüteten noch drei Brutpaare. Eins davon auf Norder- ungestörten Dünenlandschaften der Wattenmeerinseln ney, die beiden anderen auf Wangerooge. UHJHOPl‰LJ+LHUIDQGHQXQG¿QGHQVLHQDKH]XRSWLPDOH Brutbedingungen sowie ein ausreichend gutes Nahrungs- Auch aufgrund dieser Bestandsentwicklung in ihrem Kern- angebot, was es ihnen ermöglicht, ihre Jungvögel erfolg- brutgebiet in Deutschland, dem niedersächsischen Watten- reich aufzuziehen. Und dennoch werden im Nationalpark meer, zählen Kornweihen mittlerweile zu den seltensten Beobachtungen von Kornweihen während der Brutzeit Brutvögeln in Deutschland und sind vom Aussterben von April bis Juli immer seltener. bedroht.

Abb. 1: Ausgedehnte und ungest|rte Dünengebiete, wie hier auf Norderney, sind wichtigstes Nahrungshabitat für Kornweihen auf den Ostfriesischen Inseln. Foto: N. Knipping

40 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 Abb. 2: Kornweihen-Männchen. Foto: J. Weiß

Vor dem Hintergrund der nationalen Verantwortung für gebiet auf den Wattenmeerinseln liegen. Denn der Brut- den Schutz und Erhalt dieser äußerst bedrohten Greifvo- erfolg ist langjährig auf relativ hohem Niveau stabil und gelart wurde bereits 2009 in einer ersten Projektphase ein auch die Nahrungssituation, insbesondere das Angebot umfangreiches Forschungsprojekt initiiert, welches die an Wühlmäusen, hat sich im untersuchten Zeitraum nicht *UQGHIUGLHVHQVWDUNHQ5FNJDQJLGHQWL¿]LHUHQVROOWH wesentlich verändert. Zudem können Kornweihen recht Angesiedelt in der AG Landschaftsökologie an der Carl ÀH[LEHODXIHLQYDULLHUHQGHV1DKUXQJVDQJHERWUHDJLHUHQ von Ossietzky Universität Oldenburg, in Kooperation um einen gleichbleibend hohen Bruterfolg zu erzielen. mit der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven und Dies zeigt eindrücklich, dass es sich bei den gewählten niederländischen Forscherkollegen, sind Nadine Knipping Bruthabitaten im Nationalpark durchaus um sehr geeigne- (Uni Oldenburg) und Dr. Julia Stahl (Sovon, Niederlande) te Lebensräume handelt. Das bestehende Schutzkonzept GHQYHUDQWZRUWOLFKHQ(LQÀXVVIDNWRUHQIUGLHVHGUDPD- (u.a. natürlich-dynamische Entwicklung von Lebensräu- tische Entwicklung auf den Grund gegangen und haben men/Prozessschutz, Zonierung, Wegeführung, Rückbau Antworten gefunden. Die Ergebnisse dieser zunächst von von Stacheldrahtzäunen) im Nationalpark sowie die der Niedersächsischen Ornithologischen Vereinigung Anwendung kurzfristiger und gezielter Maßnahmen (z.B. und ab 2013 von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt Wegesperrung zum Schutz von Nistplätzen) können den (DBU), der Niedersächsischen Wattenmeer-Stiftung sowie Schutz von Brut- und Nahrungshabitaten der Kornweihen YRQGHU1DWLRQDOSDUNYHUZDOWXQJ¿QDQ]LHUWHQ/DQJ]HLW- in großem Maße sicherstellen. studie liegen seit Anfang des Jahres vor und wurden im Rahmen einer Abschlusspräsentation Ende Januar 2019 in Der entscheidende Faktor für den Bestandsrückgang, so der Nationalparkverwaltung vorgestellt. ein wesentliches Ergebnis des Populationsmodells, ist offenbar die jährliche Überlebensrate, insbesondere der Ziel und Kernstück des Projektes war die Erstellung eines adulten Kornweihen. Diese ist seit Ende der 1990er Jahre Integrierten Populationsmodells für Kornweihen im Wat- massiv gesunken. Kurzum: Zu viele adulte Kornweihen tenmeer, welches mittels einer kombinierten statistischen sterben außerhalb der Brutzeit, so dass die Gründe für den Analyse aller bereits vorhandenen und in diesem Projekt massiven Rückgang der Brutpopulation weniger im Wat- gesammelten Daten zu Brutpaarzahlen, Reproduktions- tenmeer selbst zu suchen sind, als vielmehr in ihren zum leistung sowie Wiederfunddaten aus langjährigen Berin- Teil noch nicht hinreichend bekannten Rast- und Überwin- gungsprogrammen unter anderem die jährlichen Überle- terungsgebieten u.a. in Südwesteuropa. bensraten von Kornweihen verschiedener Altersklassen schätzt. Kornweihen sind nicht nur in Deutschland massiv in ih- UHP%HVWDQGJHIlKUGHWVRQGHUQEH¿QGHQVLFKLQJDQ](X- Positives Ergebnis dieser komplexen Modellierung ist, ropa in einer besorgniserregenden Bestandssituation. Die dass die Gründe für den starken Rückgang nicht im Brut- in dieser Langzeitstudie offenkundig gewordene komplexe

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 41 Abb. 3: Kornweihen-Weibchen. Foto: N. Knipping DUWVSH]L¿VFKHgNRORJLH]HLJWGDVVHVYRUDOOHPLQWHUQD- lationen mit ganz unterschiedlichen Gefährdungen und tionaler Anstrengungen zum Kornweihenschutz bedarf, Wirkfaktoren konfrontiert sind. Während in Schottland insbesondere einer deutlichen Verringerung der Mortalität jagdliche Verfolgung eine entscheidende Rolle spielt, außerhalb der Brutsaison. Zu den Gründen für eine erhöhte in Irland die Aufforstung ehemalig extensiver Grünlän- außerbrutzeitliche Sterblichkeit gibt es derzeit nur Vermu- der und Moore potentielle Brutlebensräume dezimiert, tungen. Sie reichen von der jagdlichen Verfolgung über können die deutschen und niederländischen Kollegen für Kollisionen mit Windkraftanlagen bis hin zum Verlust von die Wattenmeerpopulation feststellen, dass das Problem störungsarmen, extensiv genutzten und damit nahrungs- nicht im Brutgebiet liegt und die gesunkene Überlebens- reichen Flächen in Rast- und Überwinterungsgebieten wahrscheinlichkeit der Vögel außerhalb der Brutzeit in aufgrund der drastischen Ausweitung einer industriellen den Rast- und Überwinterungsgebieten eine entscheidende Landwirtschaft. Letztlich gilt es, die bestandsrelevanten Rolle spielt. Einig waren sich alle darüber, dass es vor al- Todesursachen schnell zu ermitteln, um auf internationaler lem eine Zusammenführung von Forschungs- und Schutz- Ebene Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. aktivitäten für Kornweihen auf gesamteuropäischer Ebene braucht, mit dem Ziel der Erhaltung einer lebensfähigen In einem ersten Aufschlag für einen gesamteuropäi- Kornweihenpopulation in Europa. Als erster Schritt wurde schen Kornweihenschutz fand im März an der Univer- vereinbart, eine Überprüfung des IUCN-Status (interna- sität Groningen, Niederlande, ein Kornweihen (und tionale Rote Liste) von Kornweihen, demzufolge die Art Sumpfohreulen)-Experten-Workshop statt. Hier trafen (noch) als ungefährdet („Least concern“) eingestuft ist, zu sich Kornweihenforscher und -schützer aus ganz Europa veranlassen. Weitere regelmäßige Treffen dieser Gruppe in zum fachlichen Austausch und berichteten über Status, den kommenden Jahren sind geplant. Trends und Schutz von Kornweihen in ihren Ländern und stellten Ergebnisse ihrer jeweiligen Forschung vor. Auch Wangerooge ist übrigens die letzte verbliebene Insel im Nadine Knipping sowie Gundolf Reichert von der Natio- Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, auf der nalparkverwaltung beteiligten sich mit ihren Beiträgen zur Kornweihen noch brüten und zwar erfolgreich. Warum Situation der Kornweihe in Deutschland und insbesondere ausgerechnet Wangerooge, bleibt unbekannt. Sicher ist, im niedersächsischen Wattenmeer und berichteten über die dass es diese letzten Kornweihen im niedersächsischen Ergebnisse des hier vorgestellten Forschungsprojektes. Wattenmeer mit aller Kraft zu schützen gilt. Ziel des Workshops war vor allem, sich zunächst gegensei- tig auf einen gleichen Informationsstand zur Bestandssitu- Nadine Knipping ation von Kornweihen in Europa und deren Gefährdungen Dorfstr. 60 in den verschiedenen europäischen Ländern zu bringen. 26180 Rastede Es zeigte sich, dass die verschiedenen Kornweihenpopu- [email protected]

42 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 Altweltaffen-Fossilien vom Nordseegrund Zusammengestellt von Eike Hartwig

ussten sie eigentlich, dass der Nordseegrund als see vor allem während der Kaltzeiten, zum Teil aber auch W einer der bedeutendsten Fundstellen für die Rekon- während der Warmzeiten des Quartär zeitweise Teil des struktion des faunistischen Lebens im eiszeitlichen Europa europäischen Festlandes und somit landfest waren. gilt. Eine Vielzahl von Fossilresten von Landsäugetieren und Vögeln aus zeitlich unterschiedlichen Abschnitten des Nun hat Jelle W. F. Reumer von der Universität Utrecht Unter- bis Oberpleistozän (ca. 1.8 Millionen bis 11.600 in den Niederlanden mit Kollegen des Naturhistorischen Jahren, s. Tab. 1) sind bisher in zahlreichen Veröffentli- Museums Rotterdam und der Senckenberg Forschungssta- chungen beschrieben worden (LANGEVELD ET AL. 2018; tion für Quartär-Paläontologie in Weimar der eiszeitlichen MOL ET AL. 2008; MOL 2016 für einen Überblick), wobei Fauna vom Nordseegrund eine weitere Art hinzugefügt: zwischen warmzeitlichen und kaltzeitlichen Faunenkom- Fossilien eines Altweltaffen aus der Familie der Meerkat- SOH[HQXQWHUVFKLHGHQZHUGHQPXVV$PKlX¿JVWHQEHU- zenverwandten (REUMER, MOL & KAHLKE 2019). Gefunden liefert sind dabei Überreste des oberpleistozänen, kaltzeit- wurden die Fossilien einer Makakenart in Sedimenten, die lichen Mammuthus-Coelodonta-Faunenkomplexes. So im Zuge von Aufschüttungsarbeiten auf der künstlich an- fanden sich in Nordseesedimenten u. a. das Wollmammut gelegten Insel „Maasvlakte 2“ zur Hafenerweiterung von (Mammuthus primigenius) und das Wollnashorn (Coelo- Rotterdam und bei der Vervollständigung der Küstenlinie donta antiquitatis) sowie Steppenbison (Bison priscus), bei Hoek van Holland aufgeschüttet wurden. Das Gewin- Rentier (Rangifer tarandus), Riesenhirsch (Megaloceros nungsgebiet der Sande lag hierbei ca. 10 - 20 km seewärts giganteus), verschiedene Arten von Wildpferden (Equus von der heutigen Küstenlinie entfernt. Bei den Fossilien caballus), Höhlenlöwe (Panthera spelaea) und Höhlenbär handelte es sich um zwei fossile Zähne und ein Unterkie- (Ursus spelaeus). In älteren stratigraphischen Schichten ferfragment mit Weisheitszahn, die sich als echte Raritäten wurden manchmal aber auch seltenere Arten gefunden, herausstellen sollten. wie z. B. Waldelefant (Palaeoloxodon antiquus), Wald- nashorn (Stephanorhinus kirchbergensis), Säbelzahnkat- Zur genauen taxonomischen Bestimmung der gefundenen ze (Hoplophoneus primaevus) und das Großwüchsige Affen-Art verglichen die Forscher rezentes Material aus Nilpferd (Hippopotamus amphibius). Die große Zahl an der Sammlung des Phyletischen Museums der Universität Funden von Skelettresten eiszeitlicher Landsäugetiere Jena und konnten die Fossilien der Makaken-Art Macaca deuten allesamt darauf hin, dass Teile der heutigen Nord- sylvanus aus der Familie der Meerkatzenverwandten zu

Tab. 1: Stark vereinfachte Quartärstratigraphie: Blaue Farben zeigen Kaltzeiten, rote Farben zeigen Warmzeiten an. (verändert nach /itt 2005).

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 43 ordnen. Die mit den Fossilien beschriebene Art gehört zu Abschließend meinen die Forscher, dass v. a. der Feuch- den Berberaffen, die vermutlich den noch heute am Felsen te- und Temperaturausgleich des atlantischen Klimas eine von Gibraltar lebenden Berberaffen sehr ähnlich war. oder mehrere Ausbreitungen von Makaken aus dem Mittel- meerraum nach Nordwesteuropa und in den Nordseeraum Doch wie hat die Lebenssituation der neu entdeckten Art EHHLQÀXVVWHQE]ZEHJQVWLJWHQ nach Ansicht der Forscher zur damaligen Zeit ausgesehen (REUMER ET AL. 2019)? Die heutigen Makaken, die als gute Kletterer gerne auf erhöhten Stellen sitzen und sich somit Literaturverzeichnis: sicher fühlen, leben vorzugsweise in Berggegenden mit vielfältiger Vegetation wie trockenem oder mediterranem LANGEVELD, B. W., D. MOL & H. VAN DER PLICHT (2018): Gebüsch, Eichenwäldern oder Beständen aus Nadelbäu- Arctic fox (Alopex lagopus) from the . – Dein men. Felsige Landschaften sind in der Nähe des Fundortes sea 18: 1-5. in den Niederlanden aber auszuschließen, so dass sich die Tiere vermutlich an einen anderen Lebensraum anpassen LITT, T. (Hrsg. 2005): Stratigraphie von Deutschland – mussten. Die Forscher gehen daher von einer bewaldeten Quartär. – Eiszeitalter und Gegenwart 56/1-2: 138 S. oder halboffenen Landschaft aus, in der Bäume die Rolle erhöhter felsiger Ansitze übernahmen. MOL, D., J. DE VOS, R. BAKKER, B. VAN GEEL, J. GLIMMER- VEEN, H. VAN DER PLICHT & K. POST (2008): Kleine Es bleibt abschließend noch die Frage zu beantworten, encyclopedie van het leven in het Pleistoceen. Mammoe- wann die Meerkatzenart das Gebiet der heutigen Nordsee ten, neushoorns en andere dieren van de Noordzeebodem besiedelte? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, - Veen Magazines, Amsterdam: 240 S. da die Fossilien ohne eine eindeutige Zuordnung zu ihrer ursprünglichen Fundschicht vorliegen. Sicher ist MOL, D. (2016): Mammoth fossils recovered from the für das Team um J. Reumer nur, dass die Fossilien aus seabed between the British Isles and the European conti- unterschiedlichen Warmzeiten der Eiszeit stammen: das nent. - Bulletin du Musée d’Anthropologie préhistorique Unterkieferfragment mit Weisheitszahn stammt wohl aus de Monaco, supplément 6: 129-142. der Eem-Warmzeit (Tab. 1), die vor etwa 126.000 Jahren begann und vor 115.000 Jahren endete und nach dem REUMER, J. W. F., D. MOL & R.-D. KAHLKE (2019): First Fluss Eem in den Niederlanden benannt ist. Die beiden ¿QGVRI3OHLVWRFHQHMacaca sylvanus (Cercopithecidae, isolierten Zahnfragmente könnten stratigraphisch älter sein Primates) from the North Sea. - Revue de Paléobiologie, und somit aus einer der älteren Warmzeiten innerhalb des Genève (décembre 2018) 37/2: 555-560. Quartärs stammen.

Nordsee. Foto: R. /ottmann

44 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 Luftballons sind tödliche „Kost“ für Seevögel Zusammengestellt von Eike Hartwig

ie Verschmutzung der Weltmeere durch anthropo- sollte die Beziehung zwischen der Aufnahme von Meeres- D genen Müll ist ein globales Problem und stellt mit müll und der Wahrscheinlichkeit abgeschätzt werden, ob derzeit über 250.000 Tonnen schwimmenden Meeresab- eine „Dosis-Wirkung-Beziehung“ zwischen der Aufnahme fällen eine allgegenwärtige Bedrohung für Meerestiere dar von Meeresmüll und der Überlebenschance von Seevögeln (ERIKSEN ET AL. 2014). Um diese Flut an Abfällen im Meer besteht. einzudämmen, fand Anfang März 2019 in Nairobi/Kenia eine UN-Umweltkonferenz statt, auf der die beteiligten Es wurden insgesamt 1.733 Individuen von 51 Seevogel- Länder ein UN-Abkommen gegen Plastikmüll im Meer arten aus der Gruppe der Procellariiformes/Röhrennasen forderten. Doch leider scheiterte der Versuch, Verhandlun- gesammelt, die aus Fischereibeifang und von Stränden JHQEHUYHUSÀLFKWHQGH6FKULWWH]XU(LQGlPPXQJGHV(LQ- Australiens und Neuseelands stammten. Sie wurden einer trags von Müll in die Ozeane einzuleiten (POLZIN 2019). Autopsie unterzogen und die Todesursache bestimmt. Um die „Dosis-Wirkung-Beziehung“ zwischen Meeresmüll Die Aufnahme von im Meer treibendem Müll, die so- und dem Tod von Seevögeln zu untersuchen, haben die genannte Ingestion, ist eine weit verbreitete Bedrohung Forscher jeden Tod von Seevögeln einer der drei Kategori- für Seevögel, die den treibenden Abfall mit Nahrung en von Ursachen zugeordnet und die Daten in ein Modell verwechseln können (ROMAN ET AL. 2016). Gegenwärtig gegeben. liegen für die Hälfte der Seevogelarten der Welt Daten über die Aufnahme von Plastik-Meeresmüll vor. Zwar gibt (Kat. 1): bekannte Todesursache (z.B. Ertrinken als Bei- es Beobachtungen zur Seevogelsterblichkeit infolge der fang in der Fischerei) ohne Aufnahme von Fremdkörpern, Ingestion von Müll (PIERCE ET AL. 2004) und zahlreiche EHLGHQHQHLQHHLQGHXWLJH,GHQWL¿]LHUXQJP|JOLFKZDU Hinweise, dass die Aufnahme schwere gesundheitliche (Kat. 2): unbestimmte Todesursache, bei denen im Darm bis tödliche Auswirkungen auf Seevögel hat, doch ist ein Meeresmüll vorhanden war, aber auch andere Todesursa- quantitativer Zusammenhang noch nicht begründet, was chen wie Hunger möglich waren und (Kat. 3): bekannte auf die Schwierigkeit zurückzuführen ist, eine „Dosis- Todesursache im Zusammenhang mit der Aufnahme von Antwort-Beziehung“ zwischen Einnahme und Mortalität Meeresmüll, wo es eine Darmblockade gab, oder andere herzustellen. In Ermangelung experimenteller Fütterungs- starke Hinweise darauf, dass die aufgenommenen Fremd- versuche kann die Obduktion von aus vielerlei Gründen körper die Todesursache waren. gestorbener Wildvögel (darunter Hunger, Krankheiten, Verletzungen, Fischereibeifänge und Ingestion von Die Untersuchung der toten Seevögel führte zu folgenden Meeresmüll) die Daten liefern, um eine „Dosis-Wirkung- Ergebnissen: Von den 1.733 untersuchten Seevögeln hatten Beziehung“ abzuschätzen. 557 (32,1 %) Meeresmüll von 1 - 40 Fremdkörpern aufge- nommen. Insgesamt wurden 2.671 Gegenstände bekannter Für diese Abschätzung einer „Dosis-Wirkung-Beziehung“ $UWJHVDPPHOWZREHL+DUWSODVWLNDPKlX¿JVWHQDQ]XWUHI- verwendete ein Team um Lauren Roman vom „Institute fen war mit 92,4 % aller aufgenommenen Gegenstände. for Marine and Antarctic Studies“ der Universität von Tas- Zu weiteren aufgenommenen Gegenständen gehörten manien in Hobart/Tasmanien folgende Methode (ROMAN weiche Kunststoffe wie Verpackungen (2,1 %), Ballon- ET AL. 2019): Sie verglichen Vögel, die an unbestimmten fragmente (2 %), Kautschuke und Schäume sowie andere Ursachen starben, mit denjenigen, bei denen festgestellt synthetische Schäume (1,3 %); Seile (1 %) sowie Abfall aus wurde, dass sie an der Einnahme von Meeresmüll gestor- Fischerei (0,7 %) und anderen Müllarten (0,5 %). Desweite- ben waren (z.B. infolge von Darmblockade). Mit diesen ren ergab die Untersuchung: Bei 1.265 (73 %) der Seevö- Informationen untersuchten die Forscher, ob die aufge- gel war die Aufnahme von Müll nicht die Todesursache nommene, sogenannte „Müll-Last“ am geringsten ist bei (Kat. 1). 13 Vögel starben allein durch die Aufnahme von Seevögeln, bei denen die Ingestion von Meeresmüll als Meeresmüll (Kat. 3), wobei die Verstopfung des Magen- Todesursache ausgeschlossen wurde und in der Reihenfol- 'DUP7UDNWVGLHKlX¿JVWH7RGHVXUVDFKHZDU 9|JHO  ge untersuchter Vögel ansteigt, bei denen dies die mögli- die zu Infektionen oder anderen Komplikationen führte. che bzw. sichere Todesursache darstellte. Mit den Daten Desweiteren lag der Befund eines Vogels mit perforiertem

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 45 Darm vor. Den verbleibenden 455 Vögeln wurde eine dische Parlament zu, die Regierung aufzufordern, das unbestimmte Todesursache (Kat. 2) zugeordnet. Die An- Aufsteigen von Ballons landesweit zu verhindern oder zu zahl von Gegenständen, die von Seevögeln aufgenommen verbieten. 69 von 305 lokalen königlichen Verbänden ha- wurde, stieg in der folgenden Reihenfolge der Kategorien ben angegeben, die traditionelle Freigabe von einer großen auf: Kat. 1 (nicht mit Meeresmüll zusammenhängend) < Anzahl von orangen Ballons während des niederländi- Kat. 2 (möglicherweise mit Meeresschutt zusammenhän- schen Königstages zu verbieten oder ein entsprechendes gend) < Kat. 3 (mit Meeresmüll zusammenhängend). Die Verbot zu beabsichtigen. In den letzten Jahren konnte eine 6HHY|JHOGLHDQ0HHUHVPOOVWDUEHQKDWWHQHLQHVLJQL¿- VLJQL¿NDQWH5HGX]LHUXQJGHU$EIDOOPHQJHQYRQ%DOORQV kant höhere Anzahl von aufgenommenem Meeresmüll im an holländischen Stränden dokumentiert werden. Magen-Darm-Trakt als Vögel mit unbestimmten Todesur- sachen. Zusammenfassend können die Autoren der Studie nach- weisen, dass die Aufnahme von Meeresmüll bei Seevögeln Für eine „Dosis-Wirkung-Beziehung“ ergaben die Daten, zum Tod führen kann und dass die Wahrscheinlichkeit des dass ein Zusammenhang zwischen der Müll-Belastung und Todes mit der Anzahl der aufgenommenen Gegenstände der Wahrscheinlichkeit des Todes durch aufgenommenen steigt. Darüber hinaus heben sie risikoreiche Bestandteile Meeresmüll vorhergesagt werden konnte. Das Modell GHV0HHUHVPOOVKHUYRUXQGLGHQWL¿]LHUHQSROLWLVFKH=LHOH zeigte, dass schon bei einem aufgenommenen Müllgegen- zur Verringerung der durch risikoreiche Müllgegenstände stand die Mortalität eines Vogels um 20,4 % steigt, bei verursachten Sterblichkeit. Die Verringerung des Eintrags neun Bestandteilen steigt das Sterberisiko um 50 % und von Abfällen in die Umwelt, insbesondere von Gegen- bei einem Schwellenwert von 93 Gegenständen liegt es bei ständen mit hohem Risiko wie Luftballons und deren 100 %. Die Ergebnisse zeigten auch, dass nicht alle aufge- Fragmente, würde zweifellos die Sterblichkeit durch die nommenen Müllteile ein gleiches Sterberisiko darstellen: Aufnahme von Abfällen in Meerestieren verringern. Hartplastik war nur für 55 % der bekannten und möglichen Todesfälle verantwortlich, stellte aber die überwiegende Mehrheit (92,4 %) der aufgenommenen Gegenstände. Literaturverzeichnis Weichplastikverpackungen, Ballonfragmente, Kautschuk und synthetische Schäume machten zusammen nur 5,4 % ERIKSEN, M. L.C.M. LEBRETON, H.S. CARSON, M. THIEL, der Gegenstände aus, waren jedoch für 42 % der wahr- C.J. MOORE, J.C. BORERRO, F. GALGANI, P.G. RYAN & J. scheinlichen und bekannten Todesfälle verantwortlich. REISSER (2014): Plastic pollution in the world’s oceans: Luftballons und Fragmente sind also der Meeresmüll, der More than 5 trillion plastic pieces weighing over am wahrscheinlichsten zum Tod führt: wurden Ballons WRQVDÀRDWDWVHD3/R621( oder Ballonteile verschluckt, stellten diese Fragmente die bekannte oder wahrscheinliche Todesursache bei 18,5 % PIERCE, K.E., R.J. HARRIS, L.S. LARNED & M.A. POKRAS der Individuen mit verschlucktem Ballonrest dar. Diese (2004): Obstruction and starvation associated with Fremdkörper führen nach Ansicht der Autoren 32-mal plastic ingestion in a Northern Gannet Morus bassanus and a KlX¿JHU]XP7RGHDOVGDV(LQQHKPHQYRQ+DUWSODVWLN greater shearwater Puf¿nus gravis. - Marine Ornithology 32. was daran liegen mag, dass Hartplastik-Fragmente den Magen-Darm-Trakt relativ zügig passieren, während wei- POLZIN, J. (2019): Plastikmüll-Abkommen vorerst ches Plastik eher zusammengeballt wird und dann letale gescheitert. – Hamburger Abendblatt vom 15.03.2019. Verstopfungen hervorruft. ROMAN, L., Q.A. SCHUYLER, B.D. HARDESTY & K.A. TOWN- Besonders besorgniserregend ist, dass Seevögel bei der SEND (2016): Anthropogenic debris ingestion by Nahrungssuche möglicherweise Ballons auswählen, da avifauna in eastern Australia. – PloS ONE 11/e0158343. VLHLKUHU%HXWHlKQHOQLQVEHVRQGHUH7LQWHQ¿VFKHQ$OOH %DOORQVLQGHU6WXGLHZXUGHQYRQ7LQWHQ¿VFKIUHVVHQGHQ ROMAN, L., B.D. HARDESTY, M.A. HINDELL & C. WILCOX Arten aufgenommen, was darauf hindeutet, dass Weich- (2019): A quantitative analysis linking seabird mortality plastik mit Nahrung verwechselt wurde, was auch von DQGPDULQHGHEULVLQJHVWLRQ±6FLHQWL¿F5HSRUWV anderen Artengruppen bekannt ist (SCHUYLER ET AL. 2012). Die Autoren nehmen daher an, dass die Verringerung von SCHUYLER, Q.A, B.D. HARDESTY, C. WILCOX & K.A. TOWN- Luftballons und Ballonfragmenten im Ozean die Sterblich- SEND (2012): To eat or not to eat? Debris selectivity keit von Seevögeln infolge der Aufnahme von Meeresmüll by marine turtles. Plos One 7/7. direkt verringert. Bestrebungen, Veranstaltungen mit dem Aufsteigen von Luftballons in naturschutzrelevanten und VAN FRANEKER, J.A. (2017): Trends in balloon litter on sensiblen Gebieten zu verbieten, existieren bereits (VAN beaches in the Netherlands 2004-2016. – Wageningen FRANEKER 2017): Im Jahr 2014 stimmte das niederlän- Marine Research/Den Helder.

46 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 Watt°N – das Netzwerk Freiwilliger im Niedersächsischen Wattenmeer

Abb. 1: Gemeinsam fürs Wattenmeer – Netzwerktreffen 2019 in Cuxhaven. Foto: Watt°N

ögel kieken, Strände von Müll befreien, gemeinsam in den letzten 33 Jahren über 1.000 Freiwillige von den V Brutvögel zählen, Heide entkusseln, Flora und Fauna Erfahrungen im praktischen Naturschutz, der Umweltbil- des Wattenmeers erklären, mit jungen Wattforschern durch dung und den Begegnungen an der Küste bereichert. Ein den Schlick stapfen – ein komprimierter Rückblick auf die unglaubliches Potential an Engagement, das mit Watt°N Aktionen und Projekte, die wir als Watt°N-Netzwerk in nun weiter genutzt wird. Viele beschreiben diese Zeit als den letzten Jahren umgesetzt haben. Was uns dazu bewegt prägendes, einzigartiges Erlebnis oder als „sinnvollste und und befähigt hat, sind die vielen Erfahrungen und Kom- vielleicht beste Zeit ihres Lebens“. petenzen, die wir während unseres Freiwilligendienstes in der niedersächsischen Küstenregion sammeln konnten und Unter dem Motto „Freiwillig fürs Watt“ wurden 2015 der Wunsch, weiterhin aktiv für das Wattenmeer zu sein. gemeinsam die ersten Bausteine und Ansätze für unser Netzwerk gelegt. Es fand sich ein Organisationsteam, welches die Koordination des Netzwerks in die Hand Die Entwicklung des Netzwerkes nahm. Seitdem ist Watt°N stetig gewachsen und verbin- det viele Freiwillige aus unterschiedlichen Einsatzstellen Aus dem Wunsch heraus, sich nach dem Freiwilligen- und Jahrgängen. Für unseren Newsletter registrierten sich dienst weiter für das Wattenmeer einzusetzen, gründeten inzwischen über 800 Ehemalige! Der Förderverein Nati- wir 2015 das Netzwerk Watt°N – Netzwerk Freiwilliger onalpark Niedersächsisches Wattenmeer hat die Anfänge im Niedersächsischen Wattenmeer. Organisiert von Ehren- GHV1HW]ZHUNV¿QDQ]LHOOXQWHUVWW]W±LQ]ZLVFKHQVLQGZLU amtlichen, entstand eine Plattform, die den Freiwilligen eine eigene Sparte des Fördervereins. die Möglichkeit gibt, sich nach Abschluss ihres Dienstes weiterhin zu engagieren und an den Prozessen im Watten- Bei Watt°N arbeiten alle ehrenamtlich. Dennoch entstehen meer teilhaben zu können. Kosten bei unseren Projekten, für deren Deckung wir auf private Spenden oder die Unterstützung durch Stiftun- Seit der Gründung des Nationalparks Niedersächsisches gen angewiesen sind. Aktuell werden wir zusätzlich von Wattenmeer 1986 kommen jedes Jahr über 50 junge der niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung und dem Helfer für ein Jahr an die Küste und absolvieren hier einen Förderverein Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer Freiwilligendienst im Natur- und Umweltschutz. Dieser JHI|UGHUWXQG¿QDQ]LHUW Freiwilligendienst ist im Rahmen des Bundesfreiwilligen- dienstes (früher Zivildienst), des freiwilligen ökologischen Im Netzwerk treffen die unterschiedlichsten Menschen Jahrs oder als Langzeitpraktikum möglich. So wurden aufeinander. Die Jüngsten kommen gerade aus ihrem

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 47 freiwilligen Jahr nach der Schulzeit, andere sind seit den hEHUGDV-DKUKLQZHJ¿QGHQQHEHQGLYHUVHQ$NWLRQHQ Anfängen des Nationalparks im Wattenmeer aktiv. Dabei mehrere Treffen statt. Zum einen fährt das Organisati- bringen alle ihre eigenen Erfahrungen, Fähigkeiten und onsteam seit zwei Jahren gemeinsam ein Wochenende Interessen mit. Viele haben in der Umweltbildung in einer weg, um sich auch abseits der ehrenamtlichen Arbeit für der Nationalparkeinrichtungen gearbeitet, andere beim das Wattenmeer kennenzulernen. Zum anderen veranstal- Vogelmonitoring entlang der Küste. Manche kommen für ten wir jährlich ein großes Netzwerktreffen in der Küsten- ein Praktikum im Rahmen ihres Studiums, oder haben region an wechselnden Orten. Hier kommen zwischen 70 einfach privates Interesse am Wattenmeer und wollen sich und 100 Netzwerkler zusammen, um sich gemeinsam an engagieren. einem Wochenende auszutauschen. Die Arbeit im Netz- werk schöpft viel Kraft aus Vernetzung untereinander. Da- So ist es unser Anliegen, das Potential, das in uns allen mit diese Vernetzung nicht nur virtuell passiert, setzen wir schlummert, für das Wattenmeer zu aktivieren. Bei Watt°N verstärkt auf Aktionen vor Ort und führen während dieses möchten wir Interessierte zusammenbringen, unsere Jahrestreffen auch Aktionen durch, wie zum Beispiel prak- Fähigkeiten bündeln und aktiv für den Schutz des Watten- tische Naturschutzmaßnahmen, Diskussionen, Umweltbil- meeres einsetzen. dung für Familien oder biologische Weiterbildung – das Programm bei einem Treffen ist vielfältig, denn wir sind es auch. In diesem Jahr 2019 fand das Netzwerktreffen in Wie sich Watt°N organisiert Cuxhaven statt, davor waren wir in Schillig, auf Spieker- oog und . Aus dem gesamten Netzwerk von über 800 Menschen en- gagieren sich etwa 45 Aktive, unsere sogenannten Teamer, im ehrenamtlichen Organisationsteam. Die Arbeitsweise Was wir tun unserer Teamer ist befreit von hierarchischen Strukturen, XQVHUH.RPPXQLNDWLRQ¿QGHWDXI$XJHQK|KHVWDWW(QW- Wir engagieren uns im praktischen Naturschutz und scheidungen werden durch Mehrheiten getroffen und wir Umweltmonitoring in der niedersächsischen Küstenre- arbeiten vertrauensvoll, eigenverantwortlich und gleich- gion. Dazu organisieren wir zum einen eigene Aktionen berechtigt zusammen. Damit uns dies gelingt, treffen wir (z.B. Entkusselung der Küstenheide auf Wangerooge uns an vier Wochenenden im Jahr in Hannover, um Ideen oder der Herbstputz auf Norderney) und beteiligen uns zu erarbeiten, Aktionen zu planen und Vergangenes zu be- zum anderen auch an Projekten unserer Partner (z.B. sprechen. Darüber hinaus werden regelmäßig Neuigkeiten Müllaktionstage des Nationalparkhauses „Rosenhaus“ auf via Skype ausgetauscht. Unser Organisationsteam gliedert Wangerooge). Zu unseren Partnern zählen der Niedersäch- sich in sechs verschiedene Arbeitsgruppen: Aktionen, sische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Öffentlichkeitsarbeit, Finanzen, Teamkoordination, IT & Naturschutz (NLWKN), der Mellumrat e.V., der National- Webseite und Fundraising. Dabei sind die Übergänge der park Niedersächsisches Wattenmeer und die Alfred Töpfer $UEHLWVJUXSSHQÀLH‰HQG)UNOHLQHUH3URMHNWH¿QGHQVLFK Akademie. Im Bereich Umweltmonitoring unterstützen meist Mitstreiter aus jedem Bereich. wir vor allem die aktuellen Freiwilligendienstleistenden

Abb. 2: Vogelkunde für die Jüngsten – 2017 auf . Abb. 3: Den Naturraum kennenlernen – PÀanzenkurs in Carolinensiel. Foto: Watt°N Foto: Watt°N

48 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 Abb. 4: Alle ziehen an einem Strang – Müllsammelaktion auf Spiekeroog. Foto: Watt°N

bei der Erfassung von Brut- und Rastvögeln und können so kann und wir gegenseitig voneinander lernen. Daher gab unsere Geländeerfahrungen weitergeben. Auch Freiwillige HV]XP%HLVSLHOHLQLJHÀRULVWLVFKH%HVWLPPXQJVNXUVHGD des Mellumrats sind bei Watt°N und halfen den diesjähri- die Nachfrage aus dem Netzwerk groß war. Um uns wei- gen Freiwilligen auf Mellum bei der Brandganserfassung terzuentwickeln, besuchen wir auch andere Naturräume Anfang Mai. Zu den praktischen Aktionen werden alle aus und Nationalparks und schulen uns in Bezug auf das Netz- dem gesamten Netzwerk eingeladen. Der große Pool an werk. So waren wir im vergangenen Jahr im Nationalpark Freiwilligen lässt uns auch anstrengende Projekte mit Harz, haben uns in diesem Jahr die Küstenheide bei Cuxhaven (Wo)Man-Power schaffen. So kann sich jeder des Netz- angesehen und einen Fundraising-Workshop absolviert. werks vor Ort engagieren oder als Teamer in der Netz- werk-Organisation einbringen. Viel von unserer Motivation schöpfen wir aus Begegnun- gen mit anderen Freiwilligen, Naturschützern und Ehren- Unser zweites Teilgebiet umfasst die Bildung für Umwelt amtlichen. Vernetzung und Begegnung im Ehrenamt ist und Nachhaltigkeit. Wir möchten möglichst vielen Men- uns wichtig und essentiell für unsere Arbeit. schen die Schutzwürdigkeit und den Wert des Wattenmeers näherbringen. Dazu helfen wir bei jährlichen Umweltbil- Wir hoffen, euch hier einen guten Einblick in die Arbeit dungsaktionen wie zum Beispiel der Kids Watt Academy und den Geist des Watt°N-Netzwerks gegeben zu haben. in Tossens. Da viele von uns im Bereich der Ökologie des Falls ihr euch weiter ansehen wollt, was wir bisher getan Wattenmeeres gut geschult sind, geben wir unser Wissen haben und was bei uns ansteht, besucht unsere Webseite bei Führungen oder Tagungen weiter, die entweder durch www.wattn.de, abonniert dort unseren Newsletter, schreibt uns oder Partnerinstitutionen organisiert werden. Hier uns eine E-Mail an [email protected] oder schickt eine Möwe sind vor allem unsere jährlichen Netzwerktreffen oder (ohne Gewähr auf Antwort). Ihr seid alle herzlich eingela- die Zugvogeltage gute Anlaufpunkte. Dabei möchten wir den, bei uns mitzumachen, eure eigenen Ideen einzubrin- auch die Begeisterung für das Wattenmeer, die uns alle gen und ein Teil von Watt°N zu werden! Vielleicht habt ihr antreibt, wecken und weitertragen. Wir haben erlebt, dass auch Lust, mit uns gemeinsam etwas umzusetzen?! emotionale Verbundenheit zur Natur und ein nachhaltiger, Wir freuen uns auf euch, eure Rückmeldungen und sehen verantwortungsvoller Umgang mit dieser vor allem durch uns bei der nächsten Gelegenheit am Wattenmeer, das unmittelbare Erleben entsteht und möchten dies daher euer Watt°N-Team. vielen Menschen ermöglichen. Watt°N – Förderkreis Nationalpark Wattenmeer Zu unseren Bildungstätigkeiten gehören auch interne Wei- Virchowstr. 1 terbildungsmaßnahmen. Watt°N setzt sich dafür ein, dass 26382 Wilhelmshaven man sich entsprechend der eigenen Fähigkeiten einbringen

Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 49 Erfahrungen weitergeben Naturerlebnisse ermöglichen Intakte Umwelt erhalten

Ziel der Stiftung „Zukunft Naturschutz – Stiftungsfonds für den Mellumrat e.V.“ ist die Förderung des Natur- und Umwelt- schutzes im Land Oldenburg durch den Mellumrat e.V.. Unterstützen auch Sie den Natur- und Umweltschutz im Oldenburger Land durch eine Zustiftung unter dem Stichwort „Zukunft Naturschutz- Stiftungsfonds für den Mellumrat e.V.“ bei der Regionalen Stiftung der LzO, IBAN: DE69 2805 0100 0001 4090 93 BIC: BRLADE21LZO Zuwendungen an den Stiftungsfonds „Zukunft Naturschutz“ können steuerlich geltend gemacht werden. Auch testamentarische Verfügungen zu Gunsten des gesonderten Stiftungsfonds sind möglich.

Impressum

Herausgeber Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung des Der Mellumrat e.V. - Naturschutz- und Forschungsgemeinschaft - Verfassers, nicht unbedingt die der Schriftleitung dar. Der Bezugs- V.i.S.d.P.: Dr. Holger Freund preis für diese Zeitschrift ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. c/o Der Mellumrat e.V. Zum Jadebusen 179 Bankverbindung/Spendenkonto 26316 Varel-Dangast Raiffeisen-Volksbank, Varel-Nordenham 04451 84191 BIC: GENODEF1VAR [email protected] IBAN: DE85 2826 2673 0121 7658 00 www.mellumrat.de Spenden für den Mellumrat e.V. können laut Freistellungsbescheid Schriftleitung des Finanzamtes Wilhelmshaven vom 24.11.2017 steuerlich Norbert Ahlers, Dr. Holger Freund, Mathias Heckroth abgesetzt werden. Carola Kaltofen, Johannes Voßkuhl, Manuela Voßkuhl [email protected] Diese Zeitschrift ist klimaneutral auf 100 % Recyclingpapier mit Bio-Farben und durch erneuerbare Energien gedruckt. Manuskriptrichtlinien siehe Homepage www.mellumrat.de/projekte/zeitschrift/ Titelbild Wasser- und Watvogelzählung Wangerooge 02.04.2017. International Standard Serial Number Foto: F. v. Wild ISSN 1619-8565 $XÀDJH6WFN Fotos Rückseite J. Weiß. (Seehund/Haussperling/Waldohreule/Neuntöter) Druck www.dieUmweltdruckerei.de

50 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 Ž›ȱŽ••ž–›ŠȱŽǯǯȱȬȱŠž›Ȭȱž—ȱ– Ž•œŒ‘žĵȱȱȱBand 18 – Heft 2 – 2019 51 Der Mellumrat e.V.

Der Mellumrat e.V. ist eine Naturschutz- und Forschungsgemeinschaft, die 1925 zum Schutze der Insel Mellum gegründet wurde. Heute betreut der Verein auch die Inseln Minsener Oog und Wangerooge im UNESCO Weltnaturerbe Nationalpark Wattenmeer, sowie das Natur- schutzgebiet „Sager Meere, Kleiner Sand und Heumoor“.

Er ist ein ehrenamtlich arbeitender Verein, der unter dem Motto „In der Region – für die Region“ Basisarbeit im Natur- und Umweltschutz OHLVWHW(U¿QDQ]LHUWVLFKDXV=XZHQGXQJHQGHV/DQGHV1LHGHUVDFKVHQ Mitgliederbeiträgen und Spenden.

Emblem des Vereins ist die ehemalige Mellumbake, ein 22m hohes Seezeichen, welches 1976 bei Wartungsarbeiten abbrannte.

„Natur- und Umweltschutz“ ist der Titel der Mitgliederzeitschrift, die mit zwei Ausgaben pro Jahr erscheint. In anschaulicher Form werden Ergebnisse der Betreuungs- und Forschungsarbeit sowie andere Aktivi- täten des Vereins präsentiert.

Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt, Spenden können steuerlich geltend gemacht werden. Auch Sie können die Arbeit des Mellumrates durch Ihre Mitgliedschaft oder einer Spende unterstützen.

Der Mellumrat e.V. Zum Jadebusen 179 26316 Varel [email protected]

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