Berlin Auf Dem Weg Nach Niketown
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7. von Borries-imp_ok 15.06.2005 17:01 Uhr Seite 52 7. von Borries-imp_ok 15.06.2005 17:01 Uhr Seite 53 Friedrich von Borries Berlin auf dem Weg nach Niketown Den Nike Swoosh findet man überall Berlin im Sommer 1999, Nike betritt mit der auf den dortigen Bolzplätzen an, bis der Ge- in der Stadt: an den Füßen, in den Bolzplatz-Kampagne den öffentlichen Raum winner im bezirksübergreifenden Finale ermit- Schaufenstern, auf Plakaten, als Auf- der Stadt. In Berlin sind viele Spielplätze mit telt wurde. Die Bezirksbattle war mit den Be- kleber in der U-Bahn. Als global ope- Anlagen zum Fußballspielen ausgestattet, den zirksverwaltungen und Schulämtern koordi- rierendes Unternehmen verfolgt Nike Bolzplätzen. Dies sind einfache Ascheplätze niert. Zu der Kampagne meldeten sich laut innerhalb seiner verschiedenen Märkte mit kleinen Toren und, damit die Bälle nicht Nike 550 Teams à 7 Personen an. „Wir wollten unterschiedliche Werbestrategien, ver- wegfliegen, hohen Metallzäunen. Sie erinnern den Berliner Straßenkickern eine Plattform sucht aber gleichzeitig, eine weltweite an Bilder von Basketballplätzen in der Bronx, geben, um sich sportlich miteinander zu mes- Markenidentität zu kommunizieren. dem Geburtsort der Hip-Hop-Kultur, wie sie sen.“ Die Bolzplätze als Zentrum für Sport, In Berlin wird die Marke durch Inter- aus Musikvideos und Fernsehfilmen bekannt Kreativität und Jugendkultur waren der pas- ventionen in den urbanen Raum als sind. Die Bolzplätze in Berlin sind nicht son- sende Ort für solch ein Straßenfußballturnier. Erlebnis kommuniziert. Berlin ist ein derlich gut besuchte, sondern eher abgenutzte, Die Idee, Bezirke gegeneinander antreten zu europäisches Testlabor, ein Melting abgelebte Räume. Unter dem Slogan „Die Frei- lassen, ist in dem stark ausgeprägten Bezirks- Pot verschiedener Zielgruppen, besitzt heit liegt hinter Gittern“ versuchte Nike im stolz der Berliner Jugend begründet. eine aktive Subkultur und hat das Sommer 1999, diese Bolzplätze in Markenraum Die Plakate zur Kampagne griffen die Ästhetik Image, trendy zu sein. Nike in Berlin zu verwandeln. In der Stadt hingen großfor- von Graffiti und japanischen Manga-Comics zu suchen heißt also, ein Stück der matige Plakate, auf denen verschiedene Bolz- auf. Markige Sprüche wie „Es gibt keine Re- Zukunft von Stadt zu finden. plätze kartiert waren. Kleine Sticker mit dem geln“ und „WIR : Rest“ repräsentierten das Schriftzug „zum nächsten Bolzplatz“ in neon- Image von Streetfightern. Dementsprechend farbener Textmarker-Ästhetik klebten an La- trugen die Mannschaften Namen wie Killers ternenpfählen und Stromverteilerkästen. An oder Westend Tigers, Namen, die an bekannte den hohen Zäunen der Bolzplätze waren Schil- Berliner Jugendgangs wie z.B. die Grant Ma- der im offiziösen Verbotsschilder-Layout mit ster Fighters aus dem Wedding erinnern. Sprüchen wie „Treten auf eigene Gefahr“ und „Flaschen verboten“ angebracht. Auf keinem Subground Battle der Schilder, Aufkleber und Plakate stand der „Fußball Basketball Skateboarding im Unter- Name Nike, nur der Schriftzug Berlin und der grund“ war der Slogan der Subground Battle, Swoosh tauchten als Logo von Niketown Ber- die als dreitägige Aktion im September 2001 lin auf. Die Präsenz der Kampagne im öffentli- die nicht in Betrieb genommene U-Bahnstation chen Raum wurde unterstützt durch Werbung unter dem Reichstag in einen Nike-Erlebnis- in lokal basierten Medien. In Kinospots kick- raum verwandelte. Im Gegensatz zu den vor- ten Jugendliche auf den Bolzplätzen mit Stars herigen Kampagnen, die sich auf Fußball kon- von Hertha BSC, in der „Fuck You“-Hotline des zentrierten, kamen als Sportarten Basketball Jugendsenders Kiss FM, auf der Jugendliche und Skateboarden hinzu. Wie bei der Bezirks- ihre Ex beschimpfen, Lehrer beleidigen oder battle traten in den einzelnen Sportarten einfach ihren Frust ablassen können, wurde Mannschaften aus den verschiedenen Berliner „The Secret Tournament“, Werbeclip das Thema Fußball und öffentlicher Raum in Bezirken gegeneinander an. An mehreren Sta- für Nike, 2002; Regie: Terry Gilliam; fingierten Anrufen von Fußballfanatikern und tionen konnten die Teilnehmer ihre Fähigkeiten Kamera: Nicola Pecorini In einem Käfig im Bauch eines Contai- Fußballgegnern thematisiert. erproben und sich Punkte erarbeiten: So gab nerfrachters, der in einem unbekann- Infolge der Kampagne wurden die Bolzplätze es im Bereich Fußball Wettkampfdisziplinen ten Hafen festgemacht hat, treten 24 von Berliner Jugendlichen so intensiv genutzt, wie Volleyschießen, Geschicklichkeitsparcours Fußballweltstars in acht Teams ge- geneinander an. Es gibt nur eine Re- dass sich Grünflächenämter im darauf folgen- oder Schussgeschwindigkeitsmessungen. Ins- gel: Das erste Tor entscheidet. den Sommer veranlasst sahen, echte Verbots- gesamt nahmen an der Veranstaltung 2000 Ju- Der Skorpion, Symbol für Gefahr und schilder mit Hinweisen zu Hausordnung und gendliche teil. Arglist, dient als Logo eines Turniers, in dem im K.o.-System unerbittlich Ruhezeiten anzubringen. Der U-Bahnhof als mythisch-geheimnisvoller, um den Sieg gekämpft wird. Die Ver- verlassener Ort im Untergrund der Stadt wurde lierer werden über Bord geworfen. Bezirksbattle gemäß den funktionalen Anforderungen der Im Sommer 2000 folgte die Fortsetzung der Sportarten transformiert. Für die Skater wurde Bolzplatz-Kampagne, die Bezirksbattle. Dabei die U-Bahnröhre zur Pipe, für die Basketball- spielten Mannschaften gegeneinander, die Ju- spieler die repräsentative Halle zur Arena. Mit gendliche für die Battle in ihren Bezirken zu- dem Einsatz von Absperrgittern wurde der Cha- sammenstellten. Im K.o.-System traten die rakter der spontanen Inbesitznahme – von der Mannschaften erst in den einzelnen Bezirken jeder Skater träumt – unterstrichen. Slogans 52 | Bauwelt 24 2005 StadtBauwelt 166 | 53 7. von Borries-imp_ok 15.06.2005 17:04 Uhr Seite 54 7. von Borries-imp_ok 15.06.2005 17:05 Uhr Seite 55 wie „Wenn Skateboarden ein Verbrechen ist, hier auf engstem Raum nur der technisch per- Nike jemals gemacht hat“ (Presserklärung geht in den Untergrund“ spielten auf die Er- fekte Spieler, der alle Tricks beherrscht und Nike 2002), bezeichnet. Denn hier waren die fahrungen und Wünsche junger Skater mit öf- sich gleichzeitig mit seinen beiden Mitspie- Elemente Spot (den man sich auf der Webseite fentlichen Räumen wie dem U-Bahnhof an: Al- lern blind versteht. Die Verlierer werden über von Nike kostenfrei herunterladen konnte), Mu- les ist verboten, nichts ist erlaubt. Ein unge- Bord geschmissen: Die Welt hat keinen Platz sik (das Remix von Elvis Presleys A Little Bit nutzter städtischer Raum wird durch Nike von für Verlierer. Im Finale stehen sich Roberto of Conversation erreichte in den US-Charts die den üblichen Kontrollstrukturen befreit und Carlos, Luis Figo und Ronaldo als Os Torna- TOP 10), interaktive Medien (ein Computerspiel zum Erlebnisraum transformiert, das Ganze dos und Thierry Henry, Francesco Totti, Hide- war auf der Webseite von Nike eingerichtet) noch „unter dem Reichstag“, einem wichtigen toshi Nakata als Triple Espresso gegenüber. Tri- und Erlebnisraum (parallel zur WM gab es in Symbol deutscher Geschichte und heute Sitz ple Espresso gewinnt durch einen besonderen 13 Städten Nikeparks) miteinander verknüpft. der Legislative. Subground Battle unter dem Trick. Francesco Totti bückt sich und tut so, Reichstag. Mit Nike ist eben alles ganz anders. als müsste er sich seinen Schuh binden. Noch Nikepark Just do it. bevor Cantona den Ball aus der Hand hat fal- Berlin 2000, Fußball-Europameisterschaft in Die begleitende Kampagne beschränkte die len lassen, nimmt Henry Anlauf und benutzt Belgien und den Niederlanden. Am Standort Außenwerbung nicht auf klassische Plakate, Totti als Sprungbrett. Kaum hat der Ball die des ehemaligen Stadions der Weltjugend in sondern versuchte, die Zielgruppe bei ihrem kleine Luke in der Decke des Käfigs passiert, Berlin-Mitte (Oranienburger Vorstadt) entsteht Sport zu erreichen. So wurden für die Skater fliegt Henry heran und köpft den Ball über das der Nikepark. Das Stadion der Weltjugend ent- Kanaldeckel beklebt, für die Basketballer wur- halbe Spielfeld hinweg ins Tor. Kein Fairplay, stand 1950 auf dem Grundstück einer ehemali- den die Körbe auf den öffentlichen Spielflächen aber auch keine Regelwidrigkeit. Ein intelli- gen Kaserne und wurde anlässlich des ersten zur Werbefläche. Wie auch in der Bolzplatz- genter Trick, eine kreative Art, sich im Wett- Deutschlandtreffens der Jugend als Walter- kampagne die Verbotsschilder ironische Kom- kampf einen Vorteil zu verschaffen. Die letzten Ulbricht-Stadion eröffnet. Zu den X. Weltfest- mentare zu alltäglichen Restriktionen in der Worte des Films, aus dem Off in die Dunkel- spielen 1973 wurde es in Stadion der Weltju- Stadt sind, verweisen auf den Kopf gestellte, heit der Nacht gesprochen, während man sieht, gend umbenannt. Das Stadion der Weltjugend in den vermeintlichen Untergrund zeigende wie drei Gestalten ins Meer geworfen werden: war ein Ort mit dezidierter DDR-Geschichte, Hinweisschilder im nachgeahmten Verkehrs- „The losers go off“ – totale Selektion. aufgeladen mit FDGB- und FDJ-Symbolik, also schilderdesign auf die sport- und spaßfeindli- Genauso wie politische Ideologien und Religio- ein Ort nicht nur des Sports, sondern auch der che Funktionalität von Autoverkehr und städ- nen uns Erklärungsmodelle für unser Leben politischen Erinnerung. Entsprechend der in tischem Alltag. 200 dieser Schilder waren in bieten, erklärt uns Nike, wie die alltägliche den neunziger Jahren herrschenden Praxis, der Stadt