System Der Blütenpflanzen – Neue Zugehörigkeiten, Neue Namen
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ְֵָָֺֿ֢֦֤֦֤֧֧֧֠֠֫֨֠֠֯֩֫֠֠֠֨֬֨ ֶָָֽֽֿ֣֪֭֡֨־ִֶַַָֹֻּֽ־ֲָ System der Blütenpflanzen – Neue Zugehörigkeiten, neue Namen CLEMENS BAYER, THEODOR C.H. COLE, HARTMUT H. HILGER Abstract Since the introduction of molecular analyses in the field of phylogenetic reconstructions, great progress has been achieved in botanical systematics. As a consequence of the recent findings, a number of changes in the circumscription and naming of sev- eral plant families were found to be necessary. This paper provides a brief introduction into the APG system, which became a standard in botany. Zusammenfassung Seit versucht wird, die Stammesgeschichte der Blütenpflanzen anhand molekularer Analysen zu rekonstruieren, hat die bota- nische Systematik erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Als Konsequenz aus den neuen Erkenntnissen ergaben sich Ände- rungen in der Umgrenzung und Benennung von einigen Pflanzenfamilien. Als Standard etabliert sich zunehmend das so genannte APG-System, das hier kurz vorgestellt wird. 1. Phylogenie und Benennung ändert werden. Viele sind skeptisch, ob das nötig Die wissenschaftliche Botanik bemüht sich um sei und ob die neuen Namen dann länger gültig ein System, das die Stammesgeschichte (Phy- bleiben als die alten. Selbstverständlich ist Stabi- logenie) und damit die natürlichen Verwandt- lität auch für moderne Systematiker ein äußerst schaftsbeziehungen zwischen den Pflanzen- wichtiges Ziel. Seit Menschen Pflanzen benen- gruppen möglichst genau widerspiegelt. Seit der nen, hat es aber immer Namens-Änderungen ge- Einführung molekularer Techniken und der An- geben und wird es auch in Zukunft geben, weil wendung computergestützter Auswertungsver- es immer neue Erkenntnisse gibt. Andererseits fahren zur Rekonstruktion der Phylogenie sind wäre es falsch (und wie in anderen Zweigen der wir diesem Ziel in den letzten drei Jahrzehnten Wissenschaften undenkbar), den neuen Er- wesentlich näher gekommen. Insbesondere kenntnissen nicht Rechnung zu tragen. gelang es, verschiedene „künstliche“ Pflanzen- gruppen zu identifizieren, die aufgrund ober- 2. Beispiel Malvaceae flächlicher Ähnlichkeiten oder mangels über- Um zu illustrieren, wie es zu solchen Umbenen- zeugenderer Alternativen zusammengestellt wor- nungen/Zuordnungen kommen kann, soll im den waren. Mit Hilfe der neuen Methoden Folgenden das Beispiel der Malvengewächse kurz konnten die Verwandtschaftsverhältnisse für die erläutert werden. Bis vor wenigen Jahren waren meisten solcher Gruppen erstmals aufgedeckt von den meisten Botanikern außer den Malva- werden. In der Folge war und ist es unvermeid- ceae (den eigentlichen Malven mit Hibiscus, Al- lich, dass manche Pflanzenfamilien, Ordnungen, thaea, Abutilon etc.) noch die Linden-, Woll- Gattungen etc. neu umschrieben, teils auch neu baum- und Kakaogewächse (Tiliaceae, Bomba- benannt werden mussten, um der verbesserten caceae und Sterculiaceae) als eigenständige Kenntnis der Verwandtschaftsverhältnisse Rech- Familien akzeptiert; manche Autoren unter- nung zu tragen: Schließlich will man nicht mit schieden sogar noch mehr Familien. Heute wird veralteten Namen arbeiten, von denen man nicht nur in der Fachliteratur, sondern auch in genau weiß, dass sie für künstliche Gruppen Lehrbüchern und auf Pflanzenetiketten in Bota- stehen, obwohl längst eine nachvollziehbare Zuordnung zu einer stammesgeschichtlich be- gründeten, natürlichen Gruppe vorliegt. Abb. 1 (S.111): Verteilung von Vertretern der ehemaligen Nun stößt es bei Praktikern wie Gärtnern und Familien Tiliaceae (rot), Sterculiaceae (blau), Bombacaceae (grün) und Malvaceae (gelb) in einer Analyse von DNA- anderen Pflanzenfreunden oft auf Unverständnis Sequenzdaten (BAYER et al. 1999) zur Veranschaulichung, oder gar Ablehnung, wenn Pflanzennamen ge- dass diese keine natürlichen Gruppen darstellten. ֠֡֡ ְֵָָֺֿ֢֦֤֦֤֧֧֧֭֠֠֫֨֠֠֯֩֫֠֠֠֨֨ ֶָָֽֽֿ֣֪֭֡֨־ִֶַַָֹֻּֽ־ֲָ ֡֡֡ ְֵָָֺֿ֢֦֤֦֤֧֧֧֮֠֠֫֨֠֠֯֩֫֠֠֠֨֨ ֶָָֽֽֿ֣֪֭֡֨־ִֶַַָֹֻּֽ־ֲָ nischen Gärten, nur noch von einer einzigen, dass sich der größte Teil der bekannten Famili- um die übrigen drei erweiterten Familie Malva- ennamen nicht geändert hat. Die Änderungen ceae gesprochen, so dass beispielsweise Linde, konzentrieren sich vor allem auf Familien, deren Kapok-, Kakao- und Cola-Baum jetzt zu den Umgrenzung schon früher umstritten war oder Malvengewächsen gerechnet werden. für die bezweifelt wurde, dass sie natürliche Ver- Schon seit langer Zeit war unklar und unein- wandtschafts-Gruppen darstellen. deutig, wie man denn die früheren Familien Für diejenigen Familien, deren Umfang Tiliaceae, Sterculiaceae, Bombacaceae und und/oder Stellung sich aufgrund molekularer Be- Malvaceae unterscheiden und gegeneinander ab- funde geändert haben, kann man sagen, dass sich grenzen kann, und manche Autoren hatten dar- ein hohes Maß an Stabilität abzeichnet. Die erste auf hingewiesen, dass es sich nicht um natürliche umfangreiche Analyse zur molekularen Phyloge- Gruppen und eine sinnvolle Gliederung handeln nie der Pflanzen, die von 42 (!) Botanikern ge- könnte. Bestätigt wurde dies durch eine Analyse meinsam veröffentlicht wurde (CHASE et al. struktureller Merkmale, die allerdings keine Al- 1993), hat neben breiter Zustimmung auch Un- ternative zur traditionellen Unterteilung auf- verständnis und Ablehnung bis hin zu Polemik zeigte (JUDD & MANCHESTER 1997). Erst mit ausgelöst, was sich aber auf wenige überra- dem Einsatz molekularer Methoden wurde das schende Befunde bezog. In der Folge und bis Bild so klar, dass eine Neugliederung möglich heute wurden aber unzählige weitere und ge- wurde: Auswertungen von Sequenzanalysen nauere Untersuchungen durchgeführt, welche zweier Chloroplasten-Gene ergaben Gruppen, die meisten auch der gewöhnungsbedürftigen Er- die zwar nicht mit der früheren Gliederung in gebnisse von CHASE et al. (1993) bestätigten. vier Familien, dafür aber mit der Verteilung mor- Deshalb kann man davon ausgehen, dass die An- phologischer Merkmale zusammenpassten zahl der nötigen Namensänderungen zumindest (BAYER et al. 1999). auf Familienniveau geringer bleibt als in der Ver- Nachdem damit klar war, dass die vier Fami- gangenheit. Insofern ist die Umsetzung der Kor- lien in ihrer traditionellen Umschreibung künst- rekturen auch als Beitrag zur Stabilität der lich und nicht haltbar waren, wurde als Pflanzennamen zu sehen. Alternative vorgeschlagen, sie in einer einzigen Die zahlreichen Ergebnisse der Versuche, die Familie Malvaceae unterzubringen und diese in Stammesgeschichte der Pflanzen mit Hilfe mo- neun Unterfamilien zu gliedern (BAYER et al. lekularer Methoden zu rekonstruieren, wurden 1999). Andere mögliche Konsequenzen wären von einer Arbeitsgruppe namens “Angiosperm gewesen, diese Gruppen als Triben oder aber als Phylogeny Group“ (APG) zu einem phylogene- Familien zu behandeln, wie jüngst vorgeschlagen tischen System der Pflanzenfamilien zusammen- wurde (HEYWOOD et al. 2007). Dies hätte aber u. geführt (APG 1998, aktualisiert als APG II, a. den Nachteil, dass man teils neue, teils miss- 2003, und APG III, 2009), das heute als wissen- verständliche Familiennamen verwenden müsste schaftlicher Standard weitgehend akzeptiert wird. (so würden z. B. die Tiliaceae nicht den ge- Ganz summarisch kann man sagen, dass die wohnten Umfang behalten, sondern auf drei untersten Äste des phylogenetischen Baumes die Gattungen reduziert). Inzwischen hat sich der Amborellaceae, Nymphaeales, Austrobaileyales Ansatz einer erweiterten Familie Malvaceae mit und Chloranthales umfassen, alles Gruppen, die neun Unterfamilien weitgehend durchgesetzt. auch schon früher immer wieder als „ursprüng- lich“ angesehen wurde. Dies gilt auch für die fol- 3. Das APG-System gende Gruppe der Magnoliiden (mit Canellales, Im Folgenden soll das aktuelle System der Blü- Piperales, Laurales und Magnoliales). Dann erst, tenpflanzen bis zum Niveau der Familien kurz also als Seitenast innerhalb der Zweikeimblättri- erläutert werden, wobei besonders die wichtig- gen und nicht etwa als deren Schwestergruppe, sten Änderungen gegenüber älteren Systemen dargestellt werden. Die gute Nachricht vorab ist, Abb. 2: Phylogenetisches System nach APG ֢֡֡ ְֵָָֺֿ֢֦֤֦֤֧֧֧֠֠֫֨֠֠֯֩֫֠֠֠֨֯֨ ֶָָֽֽֿ֣֪֭֡֨־ִֶַַָֹֻּֽ־ֲָ ֣֡֡ ְֵָָֺֿ֢֦֤֦֤֧֧֧֦֠֠֫֨֠֠֯֩֫֠֠֠֩֨ ֶָָֽֽֿ֣֪֭֡֨־ִֶַַָֹֻּֽ־ֲָ wie es frühere Systeme nahegelegt hatten, zwei- gen die Monocotylen (Einkeimblättrigen) ab. Sie sind klar abgegrenzt und bilden eine natürliche Einheit; an ihrer Basis steht der Kalmus (Acorus). Die folgenden Gruppen werden (teils unter Aus- schluss der Hornkräuter, Ceratophyllaceae) als „die eigentlichen Zweikeimblättrigen“ (Eudicots) bezeichnet. An ihrer Basis stehen die Hahnen- fußartigen (Ranunculales), die Proteales (wo Lo- tosblumen und Platanen direkt nebeneinander stehen, was anfangs für Irritationen sorgte), Tro- chodendrales und Buxales. In der verbleibenden, größten Gruppe der Zweikeimblättrigen stehen die Gunnerales und Saxifragales an der Basis, die übrigen werden in Rosiden (aus Fabidae und Malvidae) und Asteriden (Lamiidae und Cam- panulidae) gegliedert (APG III, siehe Abb. 2). 4. Wichtige Änderungen In Umfang und Benennung folgender bekann- ter Familien ergaben sich gegenüber früherer Systeme größere Änderungen (siehe auch SCHROEDER 2007, CALLAUCH 2008, HILGER et al. 2010): Die Liliaceae umfassten früher einen großen Teil der einkeimblättrigen Pflanzen. Die meisten davon (sowie die Orchideen) stehen heute in der Ordnung Asparagales. Dort werden u.a. die frühe- ren Agavaceae und die Hyacinthaceae heute zu den Asparagaceae gestellt; die Alliaceae und Agapan- thaceae wurden in die Amaryllidaceae überführt. Für die Euphorbiaceae