Kultur

POP Abgesang auf einen Trottel hre Stimme quäkt so heiser, als triebe sie Isich ständig an den zugigsten Ecken der Welt herum; auf der Konzertbühne zerrt sie ihren Lover ins Rampenlicht und gibt prinzi- piell Auskunft über privateste Dinge, in Mu- sikvideos stülpt sie sich ulkige Perücken über ihren braunen Haarschopf. Scout Niblett ist einer der sonderbarsten Stars des an Sonder- lingen reichen Popgeschäfts, und mit ihren oft zart geflüsterten, dann wieder wild los- donnernden Liedern gelingen ihr Kunst- stücke von eigenwilliger Schönheit. „“ – dieser Trottel kann jetzt abtreten – heißt das aktuelle Album, das die ehemalige Kunststudentin Niblett, 34, gerade erst bei einigen Deutschland-Kon- zerten vorstellte. Betreut hat das Werk der ziemlich berühmte US-Produzent Steve Al- bini. Der ließ einst unter anderem Nirvana und PJ Harvey roh loswuchten, schafft es aber hier zusammen mit dem Gastsänger , zerbrechlich-poetische Niblett- Songs wie „Kiss“ und „Black Hearted Queen“ glamourös aufzupolieren. Und so gerät das Album der Britin Scout Niblett (die mit Vornamen eigentlich Emma Louise heißt) zu einem besonders merkwürdigen, aber auch höchst erfreulichen Triumph des Niblett

Popjahres. GULICK STEVE

ast wäre ich damals, Ende der sechzi- Das Buch meines Lebens menhänge erklärten, besonders oft und Fger Jahre, auf die Tod-der-Literatur- gern die nicht existierenden. Erst viel spä- Kampagne hereingefallen, obwohl ich ter habe ich bemerkt, dass Eich mit den erst kurz zuvor zu schreiben begonnen „Maulwürfen“ auch gegen die eigene hatte. Ernsthaftigkeit agitierte. Vermutlich war Dann aber kam Günter Eich und schütz- er nur heiter, um hinterher wieder besser te mich vor meiner Ernsthaftigkeit. ernst sein zu können. Sein Rettungsbuch hieß „Maulwürfe“ und Ich war von den „Maulwürfen“ derart be- erschien 1968. In diesem Buch stehen vie- geistert, dass ich Günter Eich sofort ken- le ironische, befreiende, absurde Sätze, nenlernen wollte. Man möchte seinem FRIEDRICH B. / SÜDDEUTSCHER VERLAG FRIEDRICH B. / SÜDDEUTSCHER ZEMANN / ULLSTEIN BILD BILD / ULLSTEIN ZEMANN von denen ich viele heute noch auswendig Genazino Eich Retter doch danken, nicht wahr? Und das, kann. Zum Beispiel diese hier: „Ich wache obwohl ich in den „Maulwürfen“ gelesen auf und bin gleich im Notstand. Die Wilhelm Genazino hatte: „Ich habe keine Wohnung, bloß ein Gründe weiß ich nicht genau, verhafte Postfach, besuch mich da!“ aber vorsorglich meine Kinder, Verhaf- über Günter Eichs Die „Maulwürfe“ waren damals erstaun- tungen müssen sein.“ Oder diesen: „End- lich erfolgreich; das Buch erlebte mehre- lich weiß man, was Zeit ist: Solange man „Maulwürfe“ re Auflagen. So dass Günter Eich ein auch trödelt, es wird nicht früher.“ Und zweites Maulwurf-Buch nachschob: „Ein diesen: „Wäre ich kein negativer Schrift- Günter Eich (1907 bis 1972), einer Tibeter in meinem Büro“ (1970). steller, möchte ich ein negativer Tischler der bekanntesten Lyriker und Hörspiel- Der neue Band war allerdings bei wei- sein.“ Und noch diesen: „Die Zusam- autoren der deutschen Nachkriegs- tem nicht mehr so tiefsinnig und abgrün- menhänge sind deutlich, wenn ich auch literatur, präsentierte 1968 mit der dig wie der erste. Danach war es mit den nicht weiß, welche Zusammenhänge.“ ersten Sammlung seiner „Maulwürfe“ „Maulwürfen“ ganz vorbei. Günter Eich Und das 1968! Als es überall von Durch- eine höchst eigenwillige Kurzprosaform. wurde wieder so ernst wie ein gewöhn- blickern wimmelte, die uns die Zusam- licher großer deutscher Lyriker.

158 der spiegel 51/2007