Unternehmen in der Digitalen Ökonomie: Web 2.0 - Das Internet von Morgen

User generated content: Rolle und Bedeutung des -Konzepts

Hans Aebersold

Wintersemester 06/07

ETH Zürich

Department of Management, Technology and Economics Inhaltsverzeichnis

Einleitung...... i Inhaltsverzeichnis...... ii 1. ...... 1 Geschichte...... 1 Funktionsweise...... 3 Prinzipien...... 3 Wikipedia ist eine Enzyklopädie...... 4 Neutraler Standpunkt, Verifizierbarkeit Verzicht auf Erstveröffentlichung von Theorien....4 Urheberrecht und Freiheit der Inhalte...... 5 Respektvoller Umgang...... 5 Organisation...... 5 Aufbau der Wikipedia...... 5 Entscheidungsfindung und Organisationsstruktur...... 6 Internationale Zusammenarbeit...... 6 Finanzierung...... 7 Kritik und Probleme...... 7 Qualität und Verlässlichkeit der Inhalte...... 7 Urheberrechtsverletzungen...... 8 Kritik...... 8 Wikipedia im Vergleich zu anderen Enzyklopädien...... 8 Verbreitung der Wikipedia Inhalte...... 9 Formen der Nutzung...... 9 Probleme...... 9 Zensur in China...... 10 Wissenschaftliche Analyse...... 11 Mit Wikipedia verwandte Projekte...... 11 Technik...... 11 Software...... 11 Hardware...... 12 2. Wiki...... 13 Wiki...... 13 Wiki-Syntax...... 13 Bedeutende ...... 14 3. Anwendungen...... 15 Intranets, Groupware, Knowledge Management...... 15 Intellipedia...... 16 Quellen und Literatur...... 17

- i - Einleitung

In einem ersten Teil wird anhand von Wikipedia , dem zurzeit wohl weltgrössten und bekann- testen Wiki Funktion und Wirkungsweise erläutert. Denn wer heute im Internet etwas sucht, sei es eine Arbeit, einen Artikel, oder sonst irgendetwas, benutzt gerne Wikipedia oder ande- re Wikis, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Dann wird in einem weiteren Teil näher auf Wiki, dessen Besonderheiten und Funktionen de- taillierter eingegangen und an einigen Beispielen gezeigt, wie und wo Wikis eingesetzt wer- den und deren Vorteile gegenüber anderen Lösungen aufgezeigt.

- ii - 1. Wikipedia Geschichte Die erste belegte Idee, das Internet zur kooperativen Erstellung einer Enzyklopädie zu ver- wenden, veröffentlichte Rick Gates, ein Internet Pionier, der vor allem durch die von ihm ver- anstaltete The Internet Hunt und den Vorschlag zur Interpedia bekannt ist. Am 22. Oktober 1993 schlug er angeblich in der Usenet-Newsgroup alt.internet.services vor, gemeinsam eine Enzyklopädie im Internet zu erstellen. Aus dieser Idee entwickelte sich das Projekt „Interpedia“, das als Vorläufer der Wikipedia gilt.am 22. Oktober 1993 im Usenet. Das als Inter- pedia diskutierte Projekt, wie auch die 1999 von , einem der bekanntesten Vertreter der Freie-Software-Bewegung, angeregte GNU-Pedia, kamen über das Planungs- stadium allerdings nicht hinaus.

Der Internet-Unternehmer startete im März 2000 seinen Anlauf zu einer Internet- Enzyklopädie. Er engagierte über die Firma , deren Teilhaber und Geschäftsführer Wa- les damals war, den Philosophiedozenten und rief mit ihm als Chefredakteur die ins Leben. Für diese erfolgte die Erarbeitung der Artikel mit einem kleineren Kreis von Fachautoren, und vor der Veröffentlichung wurden alle Artikel einer ausführlichen Prüfung unterworfen. Der Redaktionsprozess lehnte sich stark an den konventionellen Enzyklopädien an. Autoren mussten sich bewerben und ihre Texte anschließend einen langwierigen Peer- Review durchlaufen. Entsprechend langsam entwickelte sich das Projekt. Die Artikel unterlagen anfangs der eigenen Nupedia Open Content License, im Januar 2001 wechselte man auf Drängen von Richard Stallman zur GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Dieser startete aber zeitgleich das GNUpedia-Projekt, wodurch Befürchtungen einer mögli- chen Konkurrenz der beiden Projekte geweckt wurden. Da Nupedia einen sehr bürokrati- schen Arbeitsablauf hatte, waren die Artikel zwar von sehr hoher Qualität, aber das Projekt wuchs nur sehr langsam. Um sich gegenüber GNUpedia, welches später wegen der Namen- sähnlichkeit in Anlehnung an GNU in GNE umbenannt wurde (GNE is Not an Encyclopedia), in eine bessere Ausgangsposition zu bringen, startete Jimmy Wales das Wikipedia-Projekt. Ende 2000/Anfang 2001 wurden sowohl Wales als auch Sanger auf das Wiki-Prinzip aufmerksam gemacht – angestoßen durch Sanger ging daraufhin bereits am 10. Januar ein Wiki innerhalb des Nupedia-Projekts online; nur fünf Tage später, am 15. Januar 2001, war es dann unter der eigenständigen Adresse wikipedia.com erreichbar. Dies gilt als die Geburtsstunde der Wi- kipedia.

Wikipedia war ursprünglich nur als Vorstufe für Nupedia-Artikel gedacht, zog aber viele Ak- teure an und entwickelte eine große Eigendynamik. Der Erfolg führte nicht nur zur Beendigung des GNUpedia-Projektes, sondern auch von Nupedia. Bomis beendete seine Unterstützung im Februar 2002 und Larry Sanger trat kurz darauf sowohl aus dem Nupedia- wie Wikipedia- Projekt aus. In der Folgezeit wurden nur noch zwei Artikel fertig gestellt. Das Projekt wurde im September 2003 beendet. Viele Artikel wurden in die Wikipedia übernommen.

- 1 - Ursprünglich sollte Wikipedia als Plattform zur gemeinsamen Erstellung von Artikeln dienen, die später den Redaktionsprozess der Nupedia durchlaufen sollten. Vor allem aufgrund seiner Offenheit – das Wiki-Prinzip gestattete die Mitarbeit ohne Registrierung – entwickelte sich das Vorhaben so rasant, dass diese Idee immer mehr in den Hintergrund trat.

Am 15. März 2001 kündigte Jimmy Wales auf der Wikipedia-Mailingliste an, Versionen auch in anderen Sprachen einzurichten, unter den ersten waren die französisch- und die deutsch- sprachige Wikipedia. Ende des Jahres 2001 existierte die Wikipedia bereits in 18 verschiede- nen Sprachen. Im Februar 2002 entschied sich Bomis, nicht länger einen Chefredakteur zu beschäftigen und kündigte den Vertrag mit Larry Sanger. Dieser stellte kurze Zeit später seine Arbeit bei Nupedia und Wikipedia ein. Um eine weitere Aufspaltung zu verhindern, erklärte Jimmy Wales im gleichen Jahr, dass die Wikipedia auch künftig werbefrei bleiben solle. Außerdem änderte er die Adresse der Website von wikipedia.com auf wikipedia.org mit der für nicht-kommerzielle Organisationen gedachten Top-Level-Domain .org. Am 20. Juni 2003 schließlich verkündete Wales die Gründung der und übereignete der Non-Profit-Organisation die Server, auf denen die Wikis liefen, und die Na- mensrechte, die bis dato bei Bomis oder ihm persönlich lagen. Mittlerweile existiert Wikipedia in mehr als 220 Sprachen. Im September 2004 überschritt der Umfang des Gesamtprojekts die Grenze von einer Million Artikel, mittlerweile sind es über 5 Millionen. Die deutschsprachige Wikipedia enthält derzeit mehr als eine halbe Million Artikel, die englische mehr als 1,5 Millionen (Stand: November 2006). Die Wikipedia gewann mehrere Preise, darunter im Mai 2004 einen Prix Ars Electronica und ei- nen Webby Award, sowie den Grimme Online Award 2005 und 2006 den LeadAward als Webleader des Jahres sowie den OnlineStar in der Kategorie „News“. In der Nacht zum 23. November 2006 überschritt der deutschsprachige Teil der Wikipedia mit dem Artikel „Janina Korowicka“ die Anzahl von 500.000 Artikeln.

- 2 - Artikelwachstum der deutschsprachigen Wikipedia

Funktionsweise

Artikel in Wikipedia werden direkt im Browser bearbeitet. Wikipedia ist ein Wiki, das heißt eine Website, bei der jeder Benutzer ohne Anmeldung Autor werden, Beiträge schreiben und bes- tehende Texte ändern kann. Eine Redaktion im engeren Sinne gibt es nicht, das Prinzip basiert vielmehr auf der Annahme, dass sich die Benutzer gegenseitig kontrollieren und korrigieren. Der Inhalt ist als Hypertext organisiert. Querverweise und Formatierungsanweisungen geben die Autoren in einer einfachen Syntax ein. So wandelt die Software in eckige Klammern ge- setzte Begriffe ([[Beispiel]]) automatisch in einen Link auf den betreffenden Artikel um. Exis- tiert dieser noch nicht, erscheint der Link in rot und beim Anklicken öffnet sich ein Eingabefeld, in dem der Leser einen neuen Artikel verfassen kann. Diese einfache Verlinkungsmöglichkeit hat dafür gesorgt, dass die Artikel der Wikipedia wesentlich dichter miteinander vernetzt sind als die der herkömmlichen digitalen Enzyklopädien. Neben den im Kontext angebrachten Hyperlinks auf andere Artikel existieren noch weitere Navigationsmöglichkeiten wie Kategorien oder der alphabetische Index, die jedoch eine unter- geordnete Rolle spielen.

Prinzipien

Der vorgegebene Rahmen für die Autoren ist sehr weit gefasst. Die Initiatoren haben nur sehr wenige Richtlinien aufgestellt, die als unumstößlich gelten. Dazu zählt als erster Grundsatz, dass Wikipedia der Schaffung einer Enzyklopädie gewidmet ist. Davon werden andere Aus- richtungen abgegrenzt. Die Grundsätze neutraler Standpunkt, Verifizierbarkeit und Verzicht auf Primärrecherche legen die inhaltliche Ausrichtung der Artikel fest. Die Autoren willigen

- 3 - ferner mit dem Speichern darin ein, ihre Beiträge unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentati- on (GFDL) zu veröffentlichen. Als Verhaltensvorschrift wird von Mitarbeitern gefordert, ihre Mitautoren zu respektieren und niemanden persönlich anzugreifen.

Wikipedia ist eine Enzyklopädie

Wie andere Enzyklopädien verfolgt auch Wikipedia das Ziel, die Gesamtheit des Wissens un- serer Zeit in lexikalischer Form anzubieten. Während frühere, gedruckte Enzyklopädien aus wirtschaftlichen und technischen Gründen Inhalte und Autorenzahl beschränken mussten, unterliegt die Wikipedia keinen solchen Einschränkungen: Festplattenplatz ist billig, die Autoren arbeiten ehrenamtlich oder gemeinnützig. Welche Themen aufgenommen werden und in welcher Form, entscheidet die Community in ei- nem offenen Redaktionsprozess. Konflikte in der Wikipedia kreisen in diesem Zusammenhang meist darum, was Wissen darstellt, wo die Abgrenzung zu reinen Daten liegt und was unter enzyklopädischer Relevanz zu verstehen ist. Abgesehen von groben Leitlinien, die Wikipedia von anderen Werktypen wie Wörterbuch, Datenbank, Link- oder Zitatsammlung abgrenzen, gibt es keine allgemeinen Kriterienkataloge etwa für Biographien, wie sie in traditionellen En- zyklopädien gebräuchlich sind. Im Zweifel wird über den Einzelfall diskutiert. Empfindet ein Benutzer ein Thema als ungeeignet oder einen Artikel als dem Thema nicht angemessen, kann er einen so genannten Löschantrag stellen, der darauffolgend von jedem Interessenten disku- tiert werden kann.

Neutraler Standpunkt, Verifizierbarkeit Verzicht auf Erstveröffentlichung von Theorien

In Wikipedia arbeiten Autoren mit unterschiedlichstem politischen, religiösen und weltanschau- lichen Hintergrund mit, die offene Enzyklopädie schließt von vorneherein niemanden aufgrund seiner Einstellungen aus. Um dabei unweigerlich aufkommende Kämpfe um Artikelinhalte zu verhindern bzw. einen Ausweg daraus zu schaffen, hat Gründer Jimmy Wales die Richtlinie des neutralen Standpunkts (NPOV, von englisch neutral point of view) aufgestellt. Danach soll ein Artikel so geschrieben sein, dass möglichst viele Autoren ihm zustimmen können. Existie- ren zu einem Thema mehrere verschiedene Ansichten, so soll ein Artikel diese fair beschrei- ben, aber nicht selbst Position beziehen. Der neutrale Standpunkt verlangt jedoch nicht, dass alle Ansichten gleichwertig präsentiert werden müssen: Die wissenschaftlich plausiblere An- sicht kann etwa an erster Stelle genannt werden. Wie die Eignung einzelner Artikel für eine Enzyklopädie wird auch die Einhaltung des neutralen Standpunkts durch den sozialen Pro- zess gewährleistet und gerade bei kontroversen Themen oft nur in mühevollen Diskussionen erreicht. Als Lexikon kann Wikipedia nur Inhalte aufnehmen, die bereits an anderer Stelle publiziert sind. Es werden keine Erstveröffentlichungen auf Wikipedia angenommen. Es muss sich um aner- kannte und überprüfbare Quellen handeln.

- 4 - Urheberrecht und Freiheit der Inhalte

Alle Mitarbeiter der Wikipedia erklären sich mit dem Einstellen oder Bearbeiten von Artikeln da- mit einverstanden, von ihnen beigetragene Inhalte unter der GNU-Lizenz für freie Dokumenta- tion zu veröffentlichen. Diese Lizenz erlaubt es anderen, die Inhalte nach Belieben zu ändern und auch kommerziell zu verbreiten, sofern die Bedingungen der Lizenz eingehalten werden und die Inhalte wieder unter der gleichen Lizenz veröffentlicht werden. Die Lizenz macht es damit unmöglich, Wikipedia-Artikel und auf diesen basierende Texte unter Berufung auf das Urheberrecht exklusiv zu verwerten (Copyleft-Prinzip). Für viele Autoren ist dieses aus der Freie-Software-Bewegung bekannte Prinzip ein wesent- licher Grund, bei der Wikipedia mitzuarbeiten. Die Lizenz schreibt ebenfalls vor, Hauptautoren von Artikeln bei Veröffentlichungen außerhalb der Wikipedia zu nennen. Einige engagierte Au- toren, die nicht anonym arbeiten, werden dadurch zusätzlich motiviert.

Respektvoller Umgang

Auch wenn diese Richtlinie als unnötig angesehen werden kann, da der respektvolle Umgang mit anderen Menschen als Selbstverständlichkeit gelten sollte, zeigt die Realität doch, dass diese Richtlinie ihre Existenzberechtigung hat. Besonders die Offenheit des Projektes und der damit verbundene unkontrollierte Zustrom neuer Autoren, die rein schriftliche Kommunikation sowie die unterschiedliche soziale und kulturelle Herkunft der aktiven Benutzer machen es notwendig, sich von Zeit zu Zeit an diese Richtlinie zu erinnern.

Organisation Aufbau der Wikipedia Sowohl die Interpretation der oben aufgeführten Grundsätze als auch weitere Vorgaben werden von der Gemeinschaft der Autoren festgelegt und beruhen vor allem auf sozialen Protokollen. Der Betreiber der Wikipedia, die Wikimedia Foundation, mischt sich in aller Regel nicht in diesen Prozess ein und vertraut stattdessen auf die Selbstorganisation der Gemein- schaft. Organisatorisch gliedert sich die Wikipedia in drei Bereiche, durch Präfixe im Seitennamen un- terschiedene so genannte Namensräume: die eigentliche Enzyklopädie mit den angeschlosse- nen Diskussionsseiten, wo an den Artikeln gearbeitet wird, den Benutzernamensraum, in dem jeder Autor eine persönliche Seite erhält, auf der er sich vorstellen kann, und eine Nachrich- tenseite, auf der andere mit ihm Kontakt aufnehmen können, und den Wikipedia-Namensraum zur Organisation der Arbeitsabläufe. Im Wikipedia-Namensraum finden sich Einführungstexte und das Software-Handbuch, Stilre- geln und Formatkonventionen. Dort entscheidet die Autorengemeinschaft, welche Artikel ge- löscht werden, kürt nach einem Review-Prozess besonders gute Beiträge zu exzellenten Ar- tikeln, die auf der Hauptseite vorgestellt werden, und wählt Administratoren, die erweiterte Software-Funktionen erhalten. - 5 - Entscheidungsfindung und Organisationsstruktur

Die Einflussstruktur der Wikipedia ist komplex und erschließt sich in der Regel erst nach län- gerer aktiver Teilnahme. Sie vereint Züge von Anarchie, Meritokratie, Demokratie, Autokratie und Technokratie. Der anarchische Charakter folgt aus dem Wiki-Prinzip, nach dem jeder, auch anonym, Seiten ändern kann. Soziale Konventionen und größtenteils informelle Organi- sationsprozesse erhalten eine interne Organisationsstruktur aufrecht. Angemeldete Teilneh- mer (hier in ihrer Summe auch Autorengemeinschaft genannt) können sich mit ihren Beiträgen in der Community einen Ruf und Vertrauen erwerben. Neben der Überzeugungskraft ihrer Ar- gumente bemisst sich danach auch der Einfluss, den Teilnehmer auf laufende Diskussionen haben. Formalisiert wird der Prozess durch die Wahl von Administratoren. Besonders engagierte Teilnehmer wählt oder bestimmt die Autorengemeinschaft zu Administratoren mit erweiterten Rechten. Bei Entscheidungen über Regeln wird in der Wikipedia traditionell versucht, einen Konsens zu finden. Praktisch ist ein echter Konsens bei der Vielzahl der Mitarbeiter kaum möglich. Regeln, die über eine ausreichende Legitimität verfügen sollen, müssen von einer großen qualifizierten Mehrheit der Benutzer getragen werden. Die meisten Regeln und Pro- zesse etablieren sich so in der Praxis dadurch, dass viele Teilnehmer einen Vorschlag auf- greifen und anwenden. Andere Entscheidungen werden in Meinungsbildern getroffen, die zwischen Diskussion und Abstimmung anzusiedeln sind. Die Entwicklung der Software, etwa den Einbau neuer Features, bestimmt das von der Com- munity unabhängige Team der Programmierer, das sich aber an den Wünschen der Nutzer o- rientiert. Den größten persönlichen Einfluss – vor allem in der englischen Wikipedia, aber auch in manch anderen Sprachversionen – hat der Gründer Jimmy Wales, der in seiner Rolle als „Benevolent dictator“ lange Zeit Konflikte in der Community als oberste Autorität schlichtete. Einen Teil seiner Aufgaben übertrug er Anfang 2004 in der englischen Wikipedia an ein von den Teilnehmern gewähltes „“. Diesem Schiedsgericht vergleichbare In- stitutionen existieren in mehreren anderen Sprachversionen, u. a. der französischen Wikipe- dia. Die Oberhoheit über Wikipedia hat schließlich die Wikimedia Foundation als Betreiberorga- nisation und Finanzier.

Internationale Zusammenarbeit

Obwohl anfangs nicht geplant, entwickelte sich Wikipedia zu einem mehrsprachigen Unter- nehmen. Sobald sich genug Interessierte finden, wird für eine Sprache ein Wiki angelegt. Über die Grenzziehung zwischen Sprache und Dialekt entstehen in der Community oft heftige Kon- troversen. Ausgestorbene oder Plansprachen sind grundsätzlich zulässig. Die Artikel der durch Interwiki-Links miteinander verknüpften Sprachversionen sind selten übersetzt, son- dern entstehen meist separat. Bedingt durch die Sprachbarriere, besteht zwischen den Spra- chen in der Regel wenig Austausch, die Communitys organisieren und entwickeln sich unab- hängig voneinander. Einzelne Initiativen wie die „Übersetzung der Woche“

- 6 - versuchen diese Barriere zu überwinden und für mehr Austausch zu sorgen. Besonders die Gründung von sorgte für einen Aufschwung in der internationalen Zu- sammenarbeit. Auf den mehrsprachig angelegten Commons arbeiten Wikipedia-Teilnehmer aus allen Sprachversionen am Aufbau eines zentralen Medien-Repository.

Finanzierung

Die Finanzierung der technischen Infrastruktur und des übertragenen Datenvolumens, der Miete für Rechenzentren, Domainregistrierung sowie der Förderung von spezifischen Soft- ware-Entwicklungsaufgaben und gelegentlich auch von Reisekosten erfolgt vollständig durch Spenden. Zur Zeit ist wieder ein Spendenaufruf im Netz beim aufrufen eines Wikipedia Arti- kels zu sehen unter dem Motto: Schenke Wissen und spende für Wikipedia!

Kritik und Probleme Qualität und Verlässlichkeit der Inhalte

Der am häufigsten angeführte Kritikpunkt an der Wikipedia ist, dass jeder Internetnutzer Artikel verändern kann. Während herkömmliche Enzyklopädien mit bezahlten Autoren und redaktio- neller Kontrolle für die Einhaltung von Qualitätsstandards bürgen, bietet Wikipedia keine Ge- währ für die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Artikel. Das prominenteste Beispiel eines Hoax-Eintrags war der Fall des amerikanischen Journalisten John Seigenthaler, dessen falsche Biographie, in der der Kennedy-Berater u. a. der Verwick- lung in den Mordfall Kennedy verdächtigt wurde, erst nach mehreren Monaten von Seigentha- ler selbst entdeckt und anschließend im November 2005 auf seine Beschwerde hin sofort ge- löscht wurde. Der anonyme Autor bekannte später gegenüber der amerikanischen Zeitung USA Today, er habe nur einen Scherz gegenüber einem Arbeitskollegen machen wollen. Die Betreiber der Wikipedia stellen sich auf den Standpunkt, dass aufgrund der Einfachheit, Änderungen vorzunehmen, die Hemmschwelle sinkt, Fehler zu korrigieren. Nach ihrer Ansicht reifen die Artikel somit, da Fehler nach einiger Zeit gefunden und behoben werden. Durch die Fähigkeit der Software, zu jedem Artikel dessen Versionsgeschichte aufzurufen und Quer- verweisen zu folgen, können Leser und Autoren den Werdegang eines Artikels verfolgen und sich damit ein umfassenderes Bild machen. Ebenso kann zu jedem Artikel eine Diskussions- seite abgerufen werden, die nicht in den Artikeltext gehörende Anmerkungen enthält. Die An- nahme der Betreiber von Wikipedia ist, dass Leser das Gelesene hinterfragen und diese An- gebote annehmen. Anders als in herkömmlichen Enzyklopädien sagen Länge und Umfang eines Artikels in Wiki- pedia nichts über seine Bedeutung aus. Während viele Popkultur- oder Computer-Themen in aller Breite dargestellt sind, kann es passieren, dass Wikipedia zu einem zentralen Begriff der Philosophie nur einen mageren, extrem kurzen Eintrag enthält. Ein weiteres Problem stellen Interessengruppen dar, die versuchen, insbesondere politische, religiöse und weltanschauliche Artikelinhalte in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen. Arti-

- 7 - kel zu umstrittenen Themen wie z. B. Sekten oder obskuren esoterischen Theorien könnten deshalb oft nicht dem Neutralitätsgrundsatz entsprechen. Um besonders umstrittene Artikel zu schützen, ist es Administratoren jedoch auch möglich, diese vorübergehend für Bearbeitun- gen zu sperren. Im Januar 2006 wurde bekannt, dass im Jahr zuvor Änderungen an Politiker- biographien vorgenommen worden waren, wovon einige eindeutig auf Computer im US-Kon- gress zurückzuführen waren. Die Änderungen beinhalteten auch Schönfärbungen bzw. ge- zielte Herabsetzungen der beschriebenen Politiker. Dieser Vorfall führte in den USA zur zeit- weiligen Schreibsperrung von IP-Adressen aus dem Kongress sowie zur Entlassung eines verantwortlichen Kongressangestellten. Bereits 2005 waren ähnliche Fälle in der deutsch- sprachigen Wikipedia bekannt geworden, bei denen deutsche Politikerbiographien von Com- putern aus dem deutschen Bundestag bearbeitet wurden.

Urheberrechtsverletzungen Die offene Natur eines Wiki bietet zunächst keinen vorbeugenden Schutz gegen Urheber- rechts- und andere Rechtsverletzungen. Ergibt sich ein Verdacht, so prüfen aktive Nutzer deshalb neue Artikel darauf, ob sie von anderen Websites kopiert wurden. Wenn sich der Verdacht bestätigt, werden diese von den Administratoren nach einer Einspruchsfrist ge- löscht. Hundertprozentige Sicherheit bietet dieses Verfahren jedoch nicht. Der größte be- kannte Fall einer Urheberrechtsverletzung wurde im November 2005 von Mitarbeitern der deutschsprachigen Wikipedia entdeckt. Ein anonymer Autor hatte über zwei Jahre hinweg Beiträge aus Büchern kopiert. Vor allem hat er dazu alte DDR-Lexika benutzt. Besonders die Abteilungen Philosophie, Wirtschaft und Geschichte waren davon betroffen. Über 1.000 Arti- kel wurden zuerst unter Quarantäne gestellt und viele davon gelöscht, nachdem sie sich als direkte Kopien herausstellten. Umgekehrt sind auch schon einige Fälle bekannt geworden, in denen Urheberrechte der Autoren der Wikipedia verletzt wurden, indem Beiträge ohne Quel- lenangaben aus Wikipedia kopiert und in fremde Webseiten eingearbeitet werden.

Kritik Der US-amerikanische Künstler und Medienphilosoph Jaron Lanier kritisiert – u. a. in seinem vielbeachteten Artikel „Digitaler Maoismus“ – kollektivistische Ansätze im Internet und bezieht sich dabei ausdrücklich auch auf Wikipedia. In einem weiteren Artikel in Perlentaucher de wird Kritik an der Handhabung von NoFollow-Links durch Wikipedia geübt.

Wikipedia im Vergleich zu anderen Enzyklopädien Der erste groß angelegte Vergleich der deutschsprachigen Wikipedia mit den etablierten digi- talen Nachschlagewerken Microsoft Encarta Professional 2005 und Brockhaus multimedial 2005 Premium erschien im Oktober 2004 in der Computer-Fachzeitschrift c't (Ausgabe 21/04). Wikipedia erzielte dort im Inhaltstest die höchste durchschnittliche Gesamtpunktzahl, in der Kategorie Multimedia schnitt die freie Enzyklopädie dagegen schlecht ab, ähnliche Wertungen erzielte die deutschsprachige Wikipedia kurz darauf in einem Lexikavergleich der Wochenzei-

- 8 - tung Die Zeit. Beide Tests basierten auf einer kleinen Stichprobe von insgesamt 60 bis 70 Arti- keln aus verschiedenen Themengebieten. Im Dezember 2005 veröffentlichte die Zeitschrift einen Vergleich der englischen Wikipedia mit der Encyclopædia Britannica. Dazu hatten sie 50 Experten gebeten, je einen Artikel aus beiden Werken aus ihrem Fachgebiet aus- schließlich auf Fehler zu prüfen. Mit durchschnittlich vier Fehlern pro Artikel lag die Wikipedia nur knapp hinter der Britannica, in der im Durchschnitt drei Fehler gefunden wurden. Britanni- ca veröffentlichte im März 2006 eine Kritik der Nature-Studie, in der sie dem Wissenschafts- magazin schwere handwerkliche Fehler vorwarf – so seien etwa Artikel herangezogen wur- den, die gar nicht aus der eigentlichen Enzyklopädie, sondern aus Jahrbüchern stammten, die Reviews seien außerdem selbst nicht auf Fehler geprüft worden. Die Zeitschrift Nature wies die Vorwürfe zurück und erklärte, man habe die Online-Ausgaben verglichen, bei der auch die Jahrbuchartikel enthalten seien. Dass die Reviews auf Fehler geprüft seien, habe man nie behauptet. Da die Studie überdies als Blindtest durchgeführt worden sei, träfen sämtliche Kri- tikpunkte auch auf die Reviews der Wikipedia-Artikel zu, das Gesamtergebnis ändere sich so nicht.

Verbreitung der Wikipedia-Inhalte

Formen der Nutzung Zahlreiche Websites nehmen das Angebot der freien Lizenz wahr und spiegeln Wikipedia-In- halte, einige verdienen dabei an der Einblendung von Werbung. Daneben entstanden auch mehrere Versionen für Handy und PDA. So stellt der Medien-Großhandel libri ab Ende September 2006 (unter www.libri.de/wikipedia) die 400.000 Einträge vom Stand Mai 2006 zum kostenlosen Download für Handy, PDA und PC: E-Book im Mobipocket-Format, plattformunabhängig auf Palm, PDA, Smartphone und PC Rea- dersoftware kostenfrei unter libri.de/ebooks In der Offline-Verbreitung spielte die deutschsprachige Wikipedia eine Vorreiterrolle. Mehrere deutschsprachige Wikipedianer stellten sogenannte WikiReader zusammen, Artikelsammlun- gen zu einem Thema, von denen einige in kleinen Auflagen auch gedruckt erschienen. Im Herbst 2004 veröffentlichte der Berliner Verlag Directmedia Publishing in Zusammenarbeit mit der Wikipedia-Community eine CD-Version der Wikipedia, im Frühjahr 2005 folgte eine DVD- Ausgabe, die beide auch frei im Netz zum Download bereitgestellt wurden. Lektorierte Sammlungen von Wikipedia-Texten veröffentlichte in den Jahren 2005 und 2006 die Zenodot Verlagsgesellschaft als Taschenbuchreihe WikiPress.

Probleme Es hat sich gezeigt, dass die GNU-Lizenz für freie Dokumentation, unter der die Wikipedia-In- halte stehen, für die Wiki-basierte Erstellung einer freien Enzyklopädie nur bedingt taugt. Die Lizenz wurde ursprünglich für freie EDV-Dokumentationen entwickelt; bei derlei Dokumenten ist in der Regel die Anzahl der Textrevisionen und der beteiligten Autoren überschaubar. In der Wikipedia hingegen erfahren Artikel zu populären oder kontroversen Themen permanent

- 9 - Änderungen, an denen mitunter eine große Schar von Autoren beteiligt ist. Darüber hinaus sind Artikelverschmelzungen und -aufspaltungen, Übersetzungen aus anderssprachigen Wi- kipediaversionen sowie anonyme Textspenden aus unklaren Quellen an der Tagesordnung. Der komplexe Entstehungsprozess vieler Artikel lässt sich oft nur mühsam rekonstruieren. Einzelheiten der Lizenzbedingungen, wie die Bereitstellung der vollständigen Versionsge- schichte, u.U. auch die Eruierung von Hauptautoren, ferner die Pflicht zur vollständigen Wie- dergabe des Lizenztextes, erschweren die lizenzkonforme Weiternutzung von Wikipedia-Arti- keln. Im Gegensatz zur Praxis bei EDV-Entwicklern gibt es bei der Wikipedia bislang keine „stabile Version“, sondern jeder Edit wird als eigenständige Version betrachtet. Dies lässt die Vers- ionsgeschichte auf eine unpraktikable Größe anwachsen.

Zensur in China Da die chinesische Regierung die Internetaktivitäten ihrer Bürger überwachen will, findet eine chinesische Zensur des Internets statt. Provider sind zur Installation einer Software, auch ge- nannt Große Firewall Chinas, verpflichtet, über die bestimmte Webseiten blockiert werden können. Auch Wikipedia wurde trotz seiner proklamierten Neutralität bereits mehrmals Ziel ei- ner Blockade. Im September 2006 widersetzte sich Wikipedia-Gründer Jimmy Wales einer Aufforderung der chinesischen Regierung, politische Einträge für eine chinesische Version zu blockieren, und positioniert sich damit konträr zu den anderen Internet-Unternehmen wie Google, Microsoft und Yahoo, die sich der chinesischen Zensur beugten und dafür bereits harsch kritisiert wur- den. Er begründete dies damit, dass Zensur der Philosophie von Wikipedia widerspreche. „Wir stehen für die Freiheit von Information und wenn wir einen Kompromiss eingehen würden, würde das ein falsches Signal setzen, nämlich dass es niemanden mehr gibt, der sagt ‚Ich gebe nicht auf‘. Ich würde mir wünschen, dass auch Google diesen Standpunkt teilt“, kritisier- te Wales. Als Reaktion auf seine Haltung startet China eine eigene Internet-Enzyklopädie und sperrt Wikipedia wie der folgende Artikel zeigt:

Wikipedia erfreute sich in China wachsender Beliebtheit, bis die Regierung in Peking Ende 2005 den Zugang sperrte - offiziell, um die Nutzer vor Pornografie- oder Gewaltdarstellungen zu schützen. In China gibt es rund 111 Millionen Internetnutzer. Um diesen riesigen Markt zu nutzen, machen mehrere westliche Internet-Unternehmen Zugeständnisse an die Zensurbe- stimmungen.

Am 14.05.06 hat die größte chinesische Suchmaschine Baidu eine nach dem US-Vorbild Wiki- pedia gestaltete Internet-Enzyklopädie gestartet. Die Inhalte von Baidupedia sind allerdings zensiert. So war ein Abfragen von Begriffen wie der in China verbotenen Falun Gong-Bewe- gung oder des Dalai Lama weder auf Englisch noch auf Chinesisch möglich - jedes Mal er- schien der Hinweis "Diese Seite kann nicht angezeigt werden."

- 10 - Wissenschaftliche Analyse Der Erfolg des offenen Enzyklopädiekonzepts weckte das Interesse vieler Forscher; einen Ü- berblick publizierter Arbeiten gibt die unten verlinkte Bibliographie. Mit dem Historyflow-Ver- fahren visualisierte und analysierte ein Forscherteam von IBM 2003 die Evolution von Artikeln. Martin Wattenberg und Fernanda B. Viégas stellten dabei fest, dass die Community Vandalis- mus erstaunlich schnell beseitigte. Zur Sozialstruktur der Wikipedia-Autoren existieren noch wenig Untersuchungen. Eine Umfra- ge von Würzburger Psychologen ergab einen hohen Männeranteil (88 Prozent) und etwa 50 Prozent Singles. 43 Prozent der Befragten arbeiten Vollzeit. Eine große Gruppe bilden Studen- ten. Zu ihrer Motivation befragt, bewerteten über 80 Prozent die Erweiterung des eigenen Wissens als wichtig bis sehr wichtig. In einer Analyse des Partizipationsverhaltens angemeldeter Teilnehmer stellte Jimmy Wales fest, dass die Hälfte aller Beiträge von gerade einmal 2,5 Prozent der Nutzer stammte. Wales stützte damit seine These von der Wikipedia als „community of thoughtful users“, die er einer Beschreibung der Wikipedia als emergentem Phänomen gegenüberstellte, in dem sich aus den Beiträgen einer Vielzahl anonymer Internetnutzer eher spontan eine Enzyklopädie herausbilde.

Mit Wikipedia verwandte Projekte

Da sich die Wikipedia selbst nur auf enzyklopädische Artikel beschränkt, sind inzwischen Ab- leger entstanden, die sich anderer Textsorten und weiterer Medien annehmen. Ein wichtiger Ableger ist , ein Projekt, das das Wiki-Konzept auf Wörterbücher anwendet. Im Juli 2003 wurde mit dem Ziel, freie Lehrbücher zu erstellen, begonnen. sam- melt Zitate, ist eine Sammlung freier Originalquellen. Seit September 2004 gibt es mit den Wikimedia Commons eine zentrale Datenbank, die Bilder und andere Medien für alle Wikimedia-Projekte gemeinsam zugänglich macht. Ein weiteres Schwesterprojekt, , das sich dem Aufbau einer freien Nachrichtenquelle widmet, wurde Anfang November 2004 ins Leben gerufen. Seit August 2006 läuft die Testphase von Wikiversity, einer Studien- und Forschungsplattform auf Wikibasis.

Technik Software Anfangs verwendete Wikipedia als Software das in Perl geschriebene UseModWiki, das den Anforderungen jedoch bald nicht mehr gewachsen war. Im Januar 2002 stellte Wikipedia auf eine vom deutschen Biologen Magnus Manske geschriebene, MySQL-basierte PHP-Applikation (Phase II) um, die speziell an die Bedürfnisse der Wikipedia angepasst war. Nachdem die Website sich über ein Jahr die Ressourcen mit dem Webangebot von Bomis geteilt hatte, zog die englische Wikipedia, später auch die anderen Sprachversionen, im Juli 2002 auf einen ei- genen Server mit einer von Lee Daniel Crocker überarbeiteten und teils neugeschriebenen

- 11 - Version von Manskes Software (Phase III) um. Diese erhielt später den Namen MediaWiki. Als Betriebssystem werden verschiedene Linux-Distributionen, überwiegend Fedora, mit der Ser- ver-Software Apache, PHP und der Datenbank MySQL eingesetzt. Vorgeschaltete Squid- Caches versorgen nicht angemeldete Besucher, die nur lesen wollen, mit vorgenerierten Sei- ten. Die MySQL-Datenbank läuft auf mehreren Servern mit Replikation im Master-Slave-Be- trieb.

Hardware Mit steigenden Zugriffszahlen erhöhten sich die Anforderungen an die Hardware. Waren es im Dezember 2003 noch drei Server, sind zum Betrieb der Wikipedia und ihrer Schwesterpro- jekte im Mai 2005 mittlerweile über 250 Server in Florida, Amsterdam und Seoul im Einsatz, die von einem Team ehrenamtlicher Administratoren betreut werden. Das Prinzip, die Server nach berühmten Enzyklopädisten zu benennen, wurde 2005 aufgegeben. Regelmäßig kommt es zu Kapazitätsengpässen, die dazu führen, dass Seiten nur sehr lang- sam oder gar nicht geladen werden. Mehrere Unternehmen und Organisationen boten der Wikimedia Foundation ihre Unterstützung an. Im April 2005 erklärte sich der Suchmaschinenbetreiber Yahoo! bereit, 23 Server in seinem Rechenzentrum in Asien für den Betrieb der Wikipedia abzustellen.

Diagramm der Wikimedia-Server-Architekturvom 9. Mai 2006

- 12 - 2. Wikis Wiki

Ein Wiki, auch WikiWiki und WikiWeb genannt, ist eine im World Wide Web verfügbare Seiten- sammlung, die von den Benutzern nicht nur gelesen, sondern auch online geändert werden kann. Dazu gibt es in der Regel eine Bearbeitungsfunktion, die ein Eingabefenster öffnet, in dem der Text des Artikels bearbeitet werden kann. Wie bei Hypertexten üblich, sind die ein- zelnen Seiten und Artikel eines Wikis durch Querverweise (Links) miteinander verbunden. Wi- kis ähneln damit Content Management Systemen. Der Name stammt von wikiwiki, dem hawaii- schen Wort für „schnell“. Mit der Änderbarkeit der Seiten durch jedermann wird eine ursprüngliche und zuvor nicht ver- wirklichte Idee des World Wide Web realisiert. Ein Wiki kann aber auch in Intranets oder auf privaten Rechnern eingesetzt werden. Ein oft gebrachter Einwand gegenüber Wikis besteht in der Möglichkeit des Vandalismus. Bei typischer Wiki-Software ist es Benutzern jedoch möglich, von Vandalen durchgeführte Zerstörungen durch den Aufruf unzerstörter Fassungen der betroffenen Seiten zu beheben. Eine Untersuchung des IBM Watson Center ergab, dass dies bei der wikipedia.org durchschnittlich in weniger als 3 Minuten geschieht.

Geschichte Wikis entstanden als Wissensmanagement-Tool im Umfeld der „Entwurfsmuster“-Theoretiker nach einer Idee aus dem Jahre 1995. Das erste Wiki, WikiWikiWeb genannt, wurde vom US-a- merikanischen Software-Entwickler Ward Cunningham entwickelt. Den Namen wählte er, da er bei der Ankunft am Flughafen auf Hawaii die Bezeichnung "Wiki Wiki" für den dortigen Shuttle-Bus kennengelernt hatte. Dabei übernahm er die Verdoppelung, die im Hawaiischen für eine Steigerung ("sehr schnell") steht. Cunningham betrachtet Wiki weiterhin als eine Ab- kürzung für den eigentlichen Namen WikiWikiWeb. Das Konzept von Wikis ähnelt dem, was sich Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, ca. 1990 ursprünglich unter selbigem vorstellte. Die Informationen sollten online verfüg- bar und sofort bearbeitbar sein. In historischer Perspektive beschreibt er dies in seinem Buch „Weaving The Web“ (deutsch. „Der Web Report“).

Wiki-Syntax

Wikitext in MediaWiki Um den Text lesbarer und gegliedert zu gestalten, gibt es meist Zeichenkombinationen, die dem eingeschlossenen Text eine Formatvorlage zuweisen. Diese so genannten „Tags“ wer- den im Eingabefenster an entsprechender Stelle eingegeben. In der Wikipedia beispielsweise ergibt die Eingabe „ein ''kursives'' Wort“ die Ausgabe „ein kursives Wort“. Die Gesamtheit dieser Tags wird als Wiki-Syntax bezeichnet und unterscheidet sich je nach

- 13 - verwendeter Wiki-Software. Allen Dialekten ist jedoch zu eigen, dass sie sehr viel einfacher aufgebaut sind als das ansonsten im World Wide Web verbreitete HTML. Diese Beschränkung auf das Wesentliche ermöglicht einer großen Gruppe von Menschen, insbesondere auch Computer-Laien, mit wenig Lern- und Schreibaufwand an diesem System teilzuhaben. Zur Vernetzung von Wikis dient das Konzept der InterWiki-Links.

Bedeutende Wikis

Das zurzeit weltgrößte Wiki ist die 2001 gegründete Wikipedia, eine freie Enzyklopädie. Eben- falls bekannt ist das englischsprachige MeatballWiki, in dem unter anderem die Eigenarten und Gesetzmäßigkeiten von Online-Communities diskutiert werden. Im deutschsprachigen Raum bekannte Wikis sind das Stadtwiki Karlsruhe (über 9.000 Artikel) (und andere Stadtwikis), das JuraWiki, der Reiseführer WikiTravel, die Wikipedia-Parodie Ka- melopedia und die Sciencefiction-Datenbanken Memory Alpha (Star Trek), Perrypedia (Perry Rhodan) und Jedipedia (Star Wars).

- 14 - 3. Anwendungen

Intranets, Groupware, Knowledge Management

Wiki Lösungen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit als Intranet basierte Instrumente für z.B. grenzüberschreitendes Projektmanagement, Info Austausch und Knowledge Manage- ment. Die Software ist meistens Open-Source und einfach einzurichten, zu administrieren und zu bedienen. Sie lösen immer mehr komplizierte und teure SW ab. Viel verwendete SW sind Wiki-Media (für Wikipedia selber verwendet), TWiki, Jotspot (heute zu Google gehörend) und eine Vielzahl anderer. Der unkomplizierte Charakter der Wikis ist sicher ein wesentlicher Motivations-Faktor. Noch wichtiger dürfte jedoch die Tatsache sein, dass Wikis die Bildung des Teamgeistes fördern. Bei einem klassischen Knowledge-Management-System werden meist fertige Beiträge in das Intranet gestellt, die der Verfasser dann im günstigsten Fall von Zeit zu Zeit aktualisiert. Im Ge- gensatz hierzu sind Wikis speziell dazu ausgelegt, das gemeinschaftliche Arbeiten und Wei- terentwickeln von Texten zu fördern. Wichtig in Bezug auf die Motivation ist hierbei, dass jeder noch so kleine Beitrag vom Team wahrgenommen wird. Dies geschieht in der Regel über die History-Funktion, die die meisten Wiki-Engines mitbringen.

Natürlich bringt die Offenheit des Wiki-Konzepts auch Probleme mit sich, die ein Unternehmen vor der Einführung eines Wikis bedenken sollte. Insbesondere muss der Schutz sensibler, un- ternehmensinterner Daten berücksichtigt werden. Hierbei scheint es am sinnvollsten, ein für alle Mitarbeiter zugängliches Wiki hinter einer Firewall oder unter weiteren Sicherungsvorkeh- rungen im Intranet einzurichten und so den grundsätzlichen Charakter eines Wikis zu erhalten, gleichzeitig aber die Informationen vor Zugriffen von außen zu schützen.

Zusätzlich zu der Problematik der Zugangsbeschränkung stellt sich auch die Frage, ob ein Wiki zur jeweiligen Unternehmenskultur passt. Durch die grundsätzliche Gleichberechtigung der Benutzer fördern Wikis ein informelles Kommunikationsklima, in dem Konflikte primär durch Diskussion und Konsensbildung beigelegt werden und nicht durch eine festgelegte Hierarchie. Aus diesem Grund stellen Wikis eher für flexible Unternehmen mit einer flachen Hierarchie ein geeignetes Werkzeug dar, während größere, konservative Firmen meist weiterhin auf traditi- onelle Groupware-Lösungen zurückgreifen.

Trotz ihres Potenzials als Kommunikations- und Kollaborationsplattform steckt die Wiki-Technik bezüglich ihres Einsatzes in Unternehmen noch in den Kinderschuhen. Grund dafür dürfte nicht zuletzt ihr noch relativ geringer Bekanntheitsgrad sein. Die durch den Erfolg von Wikipe- dia gestiegene Aufmerksamkeit sowie die Entwicklung von speziell an die Bedürfnisse von Unternehmen angepasster Wiki-Software wie TWiki, "Jotspot" oder "Socialtext" könnten ihrer Anwendung in Unternehmen jedoch zum Durchbruch verhelfen. - 15 - Momentan kann ein Wiki vor allem für kleine und mittlere Unternehmen eine preiswerte und einfach zu bedienende Alternative zu teuren Groupware-Paketen sein. Langfristig ist zu er- warten, dass die Wiki-Technologie um zusätzliche Groupware-Funktionen erweitert oder aber in traditionelle Groupware-Plattformen integriert wird.

Intellipedia

Die Intellipedia ist ein auf Basis des Wiki-Prinzips entwickeltes Informationsnetzwerk der Ge- heimdienste der USA, die in der United States Intelligence Community zusammengefasst sind. Wie bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia wird die MediaWiki-Software verwendet. Betrieben wird Intellipedia unter Führung des Director of National Intelligence und beinhaltete im September 2006 etwa 5.000 Artikel, darunter auch Notizen und Erörterungen administrati- ver Probleme.

Vergleich mit Wikipedia

Das Projekt wurde ursprünglich von der CIA ins Leben gerufen. Der Geheimdienst suchte nach alternativen Informationsverarbeitungen. Anlass hierfür war die Fehlannahme über die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak im Vorfeld des Dritten Golfkriegs. Man kam zu der Erkenntnis, dass die öffentlichen digitalen Netzwerke bei der Erfassung und Verarbei- tung von Informationen den herkömmlichen Techniken der Behörden überlegen sind. Das Wiki- Prinzip unterscheide sich von der traditionellen Verfahrensweise auch dadurch, dass die Veröffentlichung der Informationen einer Bearbeitung vorausgehe. Dadurch erhofft man sich einen schnelleren Erkenntnisgewinn. Anders als Wikipedia ist das Informationsnetzwerk der Öffentlichkeit nicht zugänglich und ausschließlich über das US-Geheimdienst-Netzwerk Joint Worldwide Intelligence Communica- tions Systems verfügbar. Die Artikel sind nicht auf rein enzyklopädische Themen und Lemma- ta beschränkt. Eine anonyme Bearbeitung ist nicht möglich. Zudem bildet der Neutrale Stand- punkt keine Richtlinie für das Verfassen von Artikeln. Stattdessen sollen möglichst viele An- sichten („POVs“= Point of View) eingebracht werden, um daraus einen zwischenbehördli- chen Konsens zu formen.

Intellipedia-Schaufel Beim erstmaligen mitmachen im Netz werden die Mitarbeiter der Intellipedia durch reale und virtuelle Handschaufeln für ihr gardening (engl. „Gartenarbeit“), also das verdienstvolle Enga- gement, ausgezeichnet. Die Idee basiert auf dem barnstar-System, einer Sammlung von Be- nutzerauszeichnungen der englischen Wikipedia.

- 16 - Quellen und Literatur

1. Wikipedia

Tim Berners-Lee, Mark Fischetti: Weaving the Web: The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web (dt. Der Web-Report. Der Schöpfer des World Wide Webs über das grenzenlose Potential des Internets. Aus dem Amerikanischen von Beate Majetschak. Econ, München 1999. SBN 3-430-11468-3).

Christian Eigner, Helmut Leitner, Peter Nauser: Online-Communities, Weblogs und die soziale Rückeroberung des Netzes, Nausser & Nausser 2003, ISBN 3901402373

Erik Möller: Die heimliche Medienrevolution – Wie Weblogs, Wikis und freie Software die Welt verändern, Heise 2004, ISBN 3-936931-16-X

Anja Ebersbach, Markus Glaser und Richard Heigl: WikiTools. Kooperation im Web, Springer 2005, ISBN 3-540-22939-6

Christoph Lange (Hrsg.): Wikis und Blogs – Planen, Einrichten, Verwalten, Computer- und Li- teraturverlag 2006, ISBN 3-936546-44-4

Henriette Fiebig (Hrsg.): Wikipedia. Das Buch. Zenodot Verlagsgesellschaft 2005. (WikiPress ; 1). ISBN 3-86640-001-2

Ingo Frost: Zivilgesellschaftliches Engagement in virtuellen Gemeinschaften? Eine systemwis- senschaftliche Analyse des deutschsprachigen Wikipedia-Projektes. Herbert UTZ Verlag 2006. ISBN 3-8316-0609-9. [2]

Jaron Lanier, Digital Maoism: The Hazards of the New Online Collectivism (in: "Edge - The Third Culture" vom 30.05.2006), Deutsche Übersetzung in der Süddeutschen Zeitung vom 16.06.2006 http://www.edge.org/3rd_culture/lanier06/lanier06_index.html http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/306/78228/

Antworten dazu von Douglas Rushkoff, Quentin Hardy, Yochai Benkler, Clay Shirky, Cory Doctorow, Kevin Kelly, Esther Dyson, Larry Sanger, Fernanda Viegas & Martin Wattenberg, Jimmy Wales, George Dyson, Dan Gillmor, Howard Rheingold http://www.edge.org/discourse/digital_maoism.html http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia

- 17 - Christoph Mayerl, Warum Wikipedia mit dem NoFollow Link das Netz zerschießt (perlentaucher.de vom 30.08.2006) http://www.perlentaucher.de/artikel/3345.html

Weisheit der Massen - Quelle für wissenschaftliche Arbeiten? Telepolis vom 01.09.2006 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23435/1.html

Die anarchische Wiki-Welt DIE ZEIT vom 07.09.2006 http://www.zeit.de/2006/37/wikipedia

Letztes Update - Wikipedia und die Print-Enzyklopädien. Die WELT vom 2.11.2006. http://www.welt.de/data/2006/11/01/1095006.html

2.Wiki http://de.wikipedia.org/wiki/Wikis

Wikis und WCMS http://richard.cyganiak.de/2002/wiki_und_wcms/wiki_und_wcms.pdf

Tanz der Gehirne E. Möller http://humanist.de/erik/tdg/ http://www.wikiservice.at/gruender/wiki.cgi?WikiVerzeichnis

3. Anwendungen Intranet, Groupware, Knowledge Management

Michael Pietroforte Wikis lösen klassische Knowledge-Management-Systeme ab IT im Unternehmen, 4/2005

Jan-Paul Köster Wikis bündeln das Mitarbeiterwissen Computerwoche, 10.2005 http://www.computerwoche.de/produkte_technik/software/567421/index.html

- 18 - Intellipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Intellipedia http://magazine.web.de/de/themen/computer/internet/aktuell/3178012,cc=0000054803000317 80121RiRzz.html http://www.onlinekosten.de/news/artikel/23540 http://www.gcn.com/print/25_29/42090-1.html http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23850/1.html

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