Günter Mittag UM JEDEN PREIS Im Spannungsfeld Zweier Systeme
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Günter Mittag UM JEDEN PREIS Im Spannungsfeld zweier Systeme DAS NEUE BERLIN Diese Leseprobe ist urheberrechtlich geschützt. Sie darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung weder ganz noch auszugsweise kopiert, verändert, vervielfältigt oder veröffentlicht werden. ISBN 978-3-360-02179-3 © für diese Ausgabe Das Neue Berlin, Berlin, 2015 © Aufbau Verlag GmbH & Co.KG , Berlin, 1991 Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin, unter Verwendung eines Fotos von ullstein bild – Mehner Die Bücher des Verlags Das Neue Berlin erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de Inhalt Gerhard Schürer über Günter Mittag 9 Vorwort 17 ERSTER TEIL Ablauf der Ereignisse – Rückblick und Reminiszenzen Die Ereignisse im Oktober 1989 Mein politisches Aus 23 Im Politbüro – zehn Tage zuvor 26 Die Vorentscheidung 34 Vorverurteilung auf dem 10. Plenum 36 Führungswechsel nach »bewährtem« Muster 41 Die Zeit der Urlaubsvertretung Besonnenheit statt Gewalt 51 Die Ereignisse in Dresden 55 Die kritischen Tage vor der Wende 56 Das Informationsmonopol der Staatssicherheit 57 Vorgeschichte der Krise Aktuelle Zuspitzungen – Reisefrage und Vorgänge nach den Kommunalwahlen 61 Der verpasste Anschluss 63 Heiße Eisen und Dauerbrenner 66 Warnungen schon in den 70er Jahren 78 Politisch und ökonomisch von äußeren Konstellationen total abhängig 82 Ansätze zur Kooperation mit dem Westen Die Mauer, die Ökonomie und das Signal von Strauß 89 Die Schuldenlast und der Milliardenkredit 90 Übergang zur Kooperation mit der Bundesrepublik 96 Honeckers Reise in die Bundesrepublik – Vorgeschichte und Resultate 97 Gestattungsproduktion, Joint Venture, Kompensationsgeschäfte 110 Die Reise durch den Raketenzaun 115 Moderne Technologien 124 Autarkiebestrebungen oder Kooperation? 128 Ernste Signale Die Erdölpreiserhöhungen 133 Prioritäten: Landesverteidigung und innere Sicherheit 136 Widerstände gegen Reformversuche Leistungsorientiertes Denken unerwünscht 139 Der lange und vergebliche Weg zu einem ökonomischen System 142 Zwischenspiel im Ministerrat 152 Kombinatsbildung 155 Gorbatschow und die Reformen in der UdSSR 160 Rettung durch die Perestroika? 168 Hatte der Sozialismus in der DDR eine Überlebenschance? Unterschätzt: die Folgen der Teilung 171 Werden und Vergehen der DDR – mit dem Schicksal der Sowjetunion verbunden 172 Das Einserseits und das Andererseits 174 Der Abstand zum wissenschaftlich-technischen Weltniveau 178 Nachtrag zu den Oktobertagen Krenz, der Mann ohne Konzeption 184 Von Ulbricht zu Honecker 194 ZWEITER TEIL Die DDR-Wirtschaft im Spannungsfeld äußerer Bedingungen und innerer Widersprüche Geschichte und Gegenwart Die DDR – ein Produkt der Nachkriegszeit 203 Folgen des Kalten Krieges: Ökonomische Verluste und deformierte Wirtschaft 212 Welche historischen und politischen Bedingungen wirkten auf die DDR-Volkswirtschaft? 216 Die Krim-Gespräche 227 Wie waren die realen Liefermöglichkeiten aus den RGW-Ländern? 229 Unrealistische Träume von der Unangreifbarkeit 238 Widersprüche zwischen Konsumtion und Akkumulation Die Hauptaufgabe: Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik 243 Die Reine Lehre und das »Teufelswerk« wissenschaftlich-technische Revolution 246 Ein Ausweg: Mikroelektronik 249 Wohnungsbauprogramm – Ziele und Möglichkeiten 255 Die Kirche und kirchliche Einrichtungen 262 Zu wenig für produktive Investitionen – zu viel für Sicherheit und Sondervorhaben 264 Export – Import 271 Umwelt und Ökonomie 273 Folgen veränderter außenwirtschaftlicher Bedingungen Es summiert sich: neue Betonschwellen, Getreideimporte, illegaler Geldumtausch, Exportstützung 278 Nach wie vor: mehr Ausgaben als Einnahmen 280 Die Zahlungsbilanz verschlechtert sich weiter 293 Hoffnungen und Scheitern der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik 298 Wie wurden wirtschaftspolitische Fragen im Politbüro behandelt? Planungsabläufe und Kompetenzen 305 Die Qualität der vorgelegten Planentwürfe 307 Die Meinung des Vorsitzenden des Ministerrats 311 Frühsommer 1989 – Zuspitzung der Widersprüche bei der Volkswirtschaftsplanung 315 Es geht nicht ohne Subventionsabbau 318 Mahnungen, Warnungen – aber keine Lösungswege 320 Leistungsdefizit aus Mangel an Investitionen 323 Wunschdenken 325 In Verantwortung von Regierung und Staatlicher Plankommission 331 Wirtschaftssekretär und Wirtschaftskommission – Grenzen des Handelns 335 Leitungsfragen Mangelnde Befugnis – oder Selbsteinschränkung? 340 »Sie sollen das zusammenbinden« – die Arbeit der Staatlichen Plankommission 345 Statistik 346 Gab es eine »Kommandowirtschaft«? 348 Die Ware-Geld-Beziehung 350 Der aufgeblähte Planungsapparat – Kennziffern statt Eigenverantwortung 352 Bilanz und Ausblick War also alles umsonst? 358 Eine hypothetische Frage 360 Anmerkungen 363 Gerhard Schürer über Günter Mittag Günter Mittag hat mein Schicksal wie kaum ein anderer be- einflusst In seinem Buch »Um jeden Preis« beschreibt er un- sere Zusammenarbeit und charakterisiert die Arbeit der Staat- lichen Plankommission unter meiner Leitung Einiges wird dabei sachlich richtig dargestellt, vieles jedoch entstellt und negativ wiedergegeben Dennoch will ich das Folgende nicht als eine Attacke auf sein Buch verstanden wissen, schon aus dem Grund, weil Gün- ter Mittag sich nicht mehr wehren kann Ich möchte jedoch auf eine ausführliche Charakteristik der Persönlichkeit Günter Mittags und seiner Handlungsweise nicht verzichten, da er viele Kapitel der DDR-Geschichte gravierend mitgeschrieben hat Mindestens zwei Drittel seines Buches halte ich für wert- voll, weil die Aussagen auf gründlichen Analysen beruhen und Materialien und Einschätzungen berücksichtigen, die von Wissenschaftlern und Praktikern sowie aus Berichten der Regierungsorgane und der Abteilungen des ZK der SED stam- men, die offensichtlich von seinem langjährigen wissenschaft- lichen Mitarbeiter, Professor Claus Krömke, mit verlässlicher Sachlichkeit zusammengestellt worden sind Das betrifft z B die Darstellungen zur ungenügenden produktiven Akku- mulation der Wirtschaft, zum Anspruchsdenken statt Leis- tungsforderungen, zu den Unwägbarkeiten der sogenannten zweiten Lohntüte, in der für jeden Bürger fast ein zweites Ein- kommen steckte, das kaum jemand als solches betrachte, und zu den ausufernden Subventionen, die sich unter Honecker fast auf das Achtfache erhöhten All das kann ich bestätigen Wenn er jedoch von sich und seiner Arbeit auf der einen Seite und von der Betonfraktion Stoph und Co im Politbüro auf der anderen Seite spricht, wenn er Egon Krenz als beson- 9 ders machthungrig beschreibt, wie er nur selber war; wenn er, der Ulbricht und Honecker wie Götzen verehrte, nun ein »widersprüchliches Verhältnis« zu ihnen gehabt haben will, wenn er dabei den »sich weiter verschärfenden Mangel an Verständnis und Realitätssinn in Bezug auf die ökonomischen Tatsachen« bei seinem Idol Honecker bemängelt, und wenn er abschließend beklagt, dass die Wirtschaftskommission nichts zu sagen gehabt hätte und den inkompetenten Ministern nur mit »Ratschlägen« hatte helfen können, steht die Wahrheit auf dem Kopf und wird zur infamen Lüge Die Unterteilung des Politbüros und der Regierung in eine Fraktion von Betonköpfen: Stoph, Mielke, Krolikowski und Neumann; in eine ideologische: Krenz, Schabowski, Tisch und Naumann und in die der Inkompetenten und Bürokraten: Schürer, Junker und andere Minister, mag Mittag, als er das alles 1990 in verbitterter Stimmung aufschrieb, so empfunden haben Als die DDR noch bestand, hat er darüber ganz anders gedacht, sonst hätte er sich schon damals anders verhalten Seit Jahren hat Günter Mittag angeblich den Zusammenbruch der DDR vorhergesehen und schon frühzeitig über eine Konföde- ration der beiden deutschen Staaten nachgedacht Warum hat er dann darüber nicht gesprochen, sondern im Gegenteil jeden »zusammengedonnert«, der sich auch nur vorsichtig mit die- sem Gedanken befasste? Über die komplizierte und einflussreiche Persönlichkeit Mittags, der 1926 in Stettin (Sczeczin) geboren wurde und der seit 1951 im Apparat des ZK tätig war, 1963 Kandidat und 1966 Mitglied des Politbüros wurde und von 1962 bis 1973 sowie von 1976 bis 1989 Wirtschaftssekretär des ZK war, habe ich schon berichtet Dennoch fällt es mir schwer, diesen groß ge- wachsenen Mann mit seiner stattlichen Erscheinung, seinem schon mit 40 Jahren schlohweißen Haar und seiner Ausstrah- lungskraft gerecht einzuschätzen Er hatte mehrere Gesichter, taktierte ständig, verfasste in seiner Laufbahn nicht ein einzi- ges Dokument selbst, deprimierte Menschen durch schärfste 10 Kritik und kannte persönlich mit einer Ausnahme keine Freundschaften Geistig erreichte er nicht das Niveau Apels, war aber noch um ein Vielfaches ehrgeiziger als er und setzte Parteibeschlüsse rücksichtslos gegen jedermann durch Er war geradezu besessen von dem Willen, als zweitmächtigster Mann in der DDR zu gelten und möglichst einmal im Leben auch die Nummer Eins zu werden Bei der sowjetischen Führung, die ihn zu Breshnews Zeiten für einen Agenten des Westens hielten, buhlte er um Aner- kennung, und auch im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe wollte er eine »führende« Rolle spielen Auf seinen vielen Auslandsreisen nahm er Container, gefüllt mit wertvollen Gastgeschenken, mit, um sich in eine gute Position zu brin- gen Verhandlungen mit westlichen Politikern, Wirtschafts- managern und Industrieverbänden führte er stets im Auftrag Erich Honeckers, deshalb hielt man ihn nicht nur in der Bun- desrepublik Deutschland für den kompetenten Wirtschafts- fachmann der DDR, dem auch der Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, so seine Aussage, ein Ministeramt anvertraut hätte