PR0GRAMMZEITUNG
Kultur im Raum Basel
Dezember 2004 Kulturförderung an Basler Schulen Nr. 191 | 18. Jahrgang | CHF 6.90 | Euro 5 | Abo CHF 69 20 Jahre ‹Flamencos en route› Grossauftritt der lokalen Kunstszene
KARO® Agenda 2005
Organisationstalente mit visuellem Mehrwert Die einfühlsam gestalteten Zeitplaner regen zum Schauen und Nachdenken an, bieten aber gleichzeitig uneingeschränkte Funktionalität. Die in limitierter Auflage erscheinenden Agenden bieten ein grosszügiges Kalendarium, eine Jahresübersicht und viel Platz zum Schreiben. Sie haben ■ robuste Deckel aus Rohkarton oder transparentem, ■ weissem Kunststoff. ■ ■
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LEAF THREE ISLANDS LEAF LAX STANKIEWICZ
21.9.2004 bis 16.1.2005 Museum Tinguely, Basel, www.tinguely.ch June Leaf 2003, Foto: A. Pardey. Das Museum Tinguely wird getragen von der F. Hoffmann-La Roche AG, Basel. 9 . 3 S a ➞ aur s S arlo , Carmela!› von C von , Carmela!› y aus ‹¡A Filmstill GEFRAGT: IDEEN FÜR DIE ZUKUNFT der ProgrammZeitung zusammengestellt und redigiert, in der baz publi- ziert und über ein noch zu definierendes Modell finanziert wird» (aus Hauskultour und Editorial dem Gesprächsprotokoll von Michael Koechlin). Tatsächlich hat es im vergangenen Frühling einmal Anzeichen einer Seit einem Monat bieten wir, die ProgrammZeitung, eine neue Dienst- möglichen Kooperation zwischen baz und ProgrammZeitung gegeben; leistung an, die sofort auf ein breites (auch mediales) Interesse stiess allerdings hat sich durch unsere Kritik an der Neuausrichtung der baz und bereits rege genutzt, verbreitet und empfohlen wird: unsere täg- deren Interesse an einer Zusammenarbeit verflüchtigt. Für Chefredaktor liche Kulturagenda für den Raum Basel, die alle Interessierten kostenlos Ivo Bachmann ist sie heute «nicht mehr vorstellbar», wie Michael Koech- abonnieren können (➞Fussnote). Die Lancierung und der Erfolg dieses lin in Erfahrung bringen konnte. Wir nehmen das mit Bedauern zur Projekts sind im Kontext der hiesigen Mediensituation zu sehen. Die Kenntnis. Im Interesse der Kulturszene und des versprochenen, aber Basler Zeitung (baz) hat ihrer Leserschaft die Information über diese nie eingelösten «besseren Leserservice» der baz würden wir durchaus neue Dienstleistung bisher vorenthalten. Ebenso wie weitere Informa- Hand dafür bieten. Allerdings nicht um den Preis einer unabhängigen tionen und Leserbriefe zum aktuellen Kulturstreit, der längst zu einem Redaktion! Das müsste den beiden Herren eigentlich recht sein, die an- überregionalen Thema geworden ist – jüngst auch in der Süddeutschen, geblich selber viel Wert auf «Relevanz, Mut, Aktualität, Primeurs und in Facts, WoZ und NZZ am Sonntag. Lesernähe» legen, wie Matthias Hagemann kürzlich in einem Referat Nachdem sich abzeichnete, dass die baz trotz massiven Protests an ihrer die Qualität seiner Zeitung umschrieb. Agenda-Politik, d.h. an der Selbsterfassungs- und Kostenpflicht für Ver- anstaltungshinweise ab 1. November, festhalten würde, spitzte sich die Plattformen für Visionen Lage zu. Zwar machte sie Konzessionen (vereinfachte Eingabe und Gratis- Wenn die baz in diesen nahe liegenden und einfachen Vorschlag nicht eintrag bei einem Inseratevolumen von jährlich 20 000 Franken), die einwilligen mag, obwohl dabei alle Seiten nur gewinnen würden, muss aber nur den Grossveranstaltern entgegenkamen. Eine Spaltung des rasch eine andere Lösung gefunden werden. Der Boykott wurde bis Ende Widerstands wurde damit nicht erreicht, pünktlich zum 1. November Jahr beschlossen, doch was geschieht danach? Es ist gewiss in nieman- setzten über hundert Kulturschaffende und -betriebe ihre Boykottdro- des Interesse, dass die einzige Basler Tageszeitung dieser Grösse an Be- hung um, platzierten gemeinsam ein ganzseitiges Inserat in der baz und deutung verliert. Es gibt keine vergleichbare Alternative, und es wird verweigerten ihre Angaben. Dies zwang die Zeitung immerhin zu einer auch so bald keine geben. Zwar zirkuliert derzeit eine Petition für eine Stellungnahme, in welcher Herausgeber Matthias Hagemann u.a. die ‹Basler Ausgabe der NZZ› – eine Stammtischidee, welche aber eine Be- ProgrammZeitung als Drahtzieherin der Aktion ortete, weil deren Ko- findlichkeit zeigt, die weit über die Kulturszene hinausreicht. Diese Be- ordinator, Daniel Jansen, nicht nur im Sudhaus tätig ist, sondern auch findlichkeit unterschätzt die baz-Leitung. Sie realisiert nicht, dass ihr unsere Anzeigen betreut – was wir längst klar deklariert hatten. Hage- Verständnis von Kultur in einer Kulturstadt wie Basel nicht genügt. Mit manns Kurzschluss bescherte uns eine beispiellose Sympathiewelle und einem (ausgegrenzten) Kulturmagazin ist es nicht getan! war in diesem Sinne beste Werbung. Wir dankten es ihm mit einem Dass die Kulturszene selbst auch nicht in bester Verfassung ist, zeigte Leserbrief, der freilich nicht abgedruckt wurde. Das baz-Inserat er- kürzlich das öffentliche Podium zu den Kultur-Sparplänen im Sudhaus zeugte fast ausschliesslich positive Publikums-Reaktionen, die auf einer Warteck. Statt Energie, Kreativität und Fantasie waren Selbstmitleid, eigens eingerichteten E-Mail-Adresse eintrafen. Resignation, Egoismus und Feindseligkeit spürbar – keine positiven Signale an potenzielle Verbündete und keine Hilfen zur Entwicklung Ein Vorschlag zur Güte von selbstbewussten, gemeinsamen Strategien. Dazu bedarf es regel- Seit Anfang November erscheint das baz-Kulturmagazin nun mit einer mässiger Plattformen, z.B. eines ‹Jour fixe›; ab März werden wir ihn zu- drastisch geschrumpften, so bedeutungslosen wie beliebigen Rubrik sammen mit dem Ressort Kultur und dem Literaturhaus wieder be- ‹ausgehen› – was zwar eine eindrückliche Solidarität der Szene zeigt, leben. Auch das Vorstadt-Theater, die Kaserne Basel und das Theater aber im Grunde niemandem dient. Es fanden deshalb weitere Ge- Basel laden zu einer monatlichen Gesprächsrunde ein, die dem geisti- spräche der Veranstalter statt, an denen sich übrigens auch die renom- gen Klima der Stadt nachspüren will; die erste ist just den ersten hun- mierten Häuser wie das Theater Basel und die Museen beteiligten. Dass dert Tagen der baz gewidmet. Immerhin gibt es so ein paar Ansätze, wel- dabei zuweilen die Themen allzu emotional vermischt wurden und die che Begegnungen und Austausch pflegen, anregen, vertiefen wollen. Kritik an der neuen baz-Agenda in eine Gesamtblattkritik ausartete, Mit Sicherheit entstehen dann auch Ideen für die Zukunft. sorgte für zusätzliche Diskussionen. Schliesslich wurde der baselstädti- sche Kulturbeauftragte, Michael Koechlin, gebeten, als Vermittler in den | Dagmar Brunner Verhandlungen mit der baz zu fungieren. Der Vorschlag, den er dort im Podium ‹Wird Basel Provinz?›: Mo 6.12., 20.00, Theater Basel ➞S. 22 Namen der Veranstalter unterbreitete, kam für uns nicht ganz über- raschend: Diese «befürworteten grundsätzlich und einstimmig die Kon- zeptidee (Vorschlag Dominique Thommy), dass die Seite ‹ausgehen› von
Kostenlos, aber wertvoll: Die tägliche Kulturagenda für den Raum Basel. Abonnieren Sie unter www.programmzeitung.ch/heute
DEZEMBER 2004 | PROGRAMMZEITUNG | 3 IMPRESSUM
ProgrammZeitung Nr. 191 Gestaltung Dezember 2004, 18. Jahrgang, ISSN 1422-6898 Susan Knapp, Karo Grafik und Verlag Auflage: 6 500, erscheint monatlich St.Johanns-Vorstadt 15, 4056 Basel Einzelpreis: CHF 6.90, Euro 5 T 061 261 5 261, F 061 261 5 260 Jahresabo (11 Ausgaben inkl. ‹kuppler›): [email protected] CHF 69, Ausland CHF 74 Kommunikation Ausbildungsabo: CHF 49 (mit Ausweiskopie) kreisvier communications, Thiersteinerallee 29, Förderabo: ab CHF 169* 4018 Basel, T 061 286 99 11, F 061 286 99 19 Tagesagenda: www.programmzeitung.ch/heute www.kreisvier.ch Herausgeberin Redaktionsschluss Ausgabe Januar ProgrammZeitung Verlags AG Veranstalter-Beiträge ‹Kultur-Szene›: Mi 1.12. Gerbergasse 30, Postfach 312, 4001 Basel Redaktionelle Beiträge: Fr 3.12. T 061 262 20 40, F 061 262 20 39 Agenda: Fr 10.12., Inserate: Mo 13.12. [email protected] Erscheinungstermin: Do 30.12. www.programmzeitung.ch Verkaufsstellen ProgrammZeitung Verlagsleitung Ausgewählte Kioske, Buchhandlungen und Klaus Hubmann, [email protected] Kulturhäuser im Raum Basel Redaktionsleitung Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Dagmar Brunner, [email protected] Fotos übernimmt die Redaktion keine Kultur-Szene Haftung; für Fehlinformationen ist sie nicht COVER: Ein Flengel in der Backstube Barbara Helfer, [email protected] verantwortlich. Textkürzungen und Bildver- änderungen behält sie sich vor. Die AutorInnen db. Vor zwei Jahren gab Brigitta Garcia Lopez Agenda verantworten den Inhalt ihrer Beiträge ein Bilderbuch heraus, das von einem Schoko- Ursula Correia, [email protected] selbst. Die Abos verlängern sich nach Ablauf lade liebenden Schutzengel erzählt (‹Flieg, Inserate eines Jahres automatisch. Flengel, flieg›, Atlantis-Verlag). Die Figuren Daniel Jansen, [email protected] * Die ProgrammZeitung ist als gemeinnützig und das Dekor der Geschichte formte sie aus anerkannter Kulturbetrieb auf finanzielle Plastilin, arrangierte sie zu erstaunlich leben- Administration/Redaktion Urs Hofmann, [email protected] Unterstützung angewiesen. Beiträge dig wirkenden Szenen und liess sie fotografie- von mindestens CHF 100 über den Abo-Betrag ren; ein enormer Aufwand! Nun posiert der Korrektur hinaus sind als Spenden vom steuerbaren naschende Flengel mit Fliegerbrille und pelz- Karin Müller, [email protected] Einkommen abziehbar. Helfen auch Sie uns durch ein Förderabo (ab CHF 169). besetzten Stiefeln auch auf einem besonderen Druck Adventskalender (➞Notiz S. 16). Schwabe AG, Farnsburgerstrasse 8, Muttenz Die ProgrammZeitung dankt allen Foto: Felix Streuli T 061 467 85 85, www.schwabe.ch Unterstützenden herzlich für ihre Beiträge.
Jäh bei den
Der neue Jäggi. Im Nu in anderen Welten. Der neue, doppelt so grosse Jäggi bietet jetzt noch mehr Raum zum Eintauchen, Blättern und Schmökern sowie eine brandneue Papeterieabteilung. Herzlich willkommen an der Freie Strasse 32!
4 | PROGRAMMZEITUNG | DEZEMBER 2004 1 INHALT . 5 S el ➞ as ches Museum B Museum ches oris t er Pinguinen›, Naturhis t REDAKTION Immer unterwegs Brigitta Luisa Merki und ihr Ensemble zeigen ‹Caprichos Flamencos› | Felizitas Ammann 11 Un Kooperation willkommen Wie wird die Kultur an den Basler Schulen gefördert? | Monika Wirth 14
ellung ‹ Reflexion und Vernetzung Die lokale Kunstszene lädt zu Begegnung und Austausch ein | Sibylle Ryser 18 st
Trommelfell Jazz-Ereignisse: Klaviertrios im Bird’s Eye, live und auf CD | Tom Gsteiger 6 Notizen Kurzmeldungen, Tipps und Hinweise | Dagmar Brunner (db) und Urs Hofmann (uh) 6–19
onderaus Gesamtkunstwerke Barockmusik aus Frankreich steht im Zentrum diverser Veranstaltungen | Alfred Ziltener 7 S Die Politik der Gefühle Hans Weingartners Spielfilm ‹Die fetten Jahre sind vorbei› | Michael Lang 8 Universum des Klangs Thomas Riedelsheimers Dokfilm über die Perkussionistin Evelyn Glennie | Judith Waldner 9 Gastro.sophie ‹Veramente italiano› schmeckt die Kost im Restaurant Bella Italia | Oliver Lüdi 10 Wortgast Weihnachten erinnert uns immer auch an unsere eigene ‹Menschwerdung› | André Feuz 10 Einladung zum Mitdenken Der ‹Basler Stadtphilosoph› Hans Saner wird 70 Jahre alt | Martin Zingg 12 Litera-pur Erika Burkarts Gedicht ‹Das verlorene Buch› 13 Mit Kinderaugen Zsuzsa Banks bemerkenswerter Roman ‹Der Schwimmer› | Oliver Lüdi 13 Fenster in andere Welten Der Kinderbuchfonds Baobab setzt auf aussereuropäische Literatur | Dagmar Brunner 15 Transparent und filigran Marianne Kohler kreiert fantasievolle Gebilde aus Glas | Dagmar Brunner 16 Wo Stadtentwicklung spriesst Das ‹Gundeldinger Feld› ist zum attraktiven Treffpunkt geworden | Anna Wegelin 17 Schönheit und Substanz Die Jubiläumsschrift der Baselbieter Denkmalpflege | Barbara Lenherr Wenger 19 Rocknews Der Newsletter des Rockfördervereins RFV | Patrik Aellig 20
KULTUR-SZENE Musik Diverse Gastseiten der Veranstaltenden 22—51 Allegra-Club 29 Feldenkrais & Tanz 31 Plattform.bl 37—44 Basel Sinfonietta 42 Forum für Zeitfragen 33 Basler Madrigalisten 35 Kulturbüro Rheinfelden 36 Film The Bird’s Eye Jazz Club 29 Naturhistorisches Museum Basel 51 Kult.kino Atelier | Camera | Club | Movie 45 Capriccio Basel 35 Offene Kirche Elisabethen 33 Landkino 39 Danzeria 29 Parterre 28 Stadtkino Basel 46 Gare du Nord 41 Parkcafépavillon Schützenmattpark 28 Theater | Tanz Gesellschaft für Kammermusik 35 Sportmuseum Schweiz 50 Basler Marionetten Theater 40 Kuppel 29 Unternehmen Mitte 32 Burghof Lörrach 27 Neuer Basler Kammerchor 34 Volkshochschule beider Basel 31 Das Neue Theater am Bahnhof | NtaB 25 Sinfonieorchester Basel 35 Werkraum Warteck pp 30—31 Kaserne Basel 22 Kunst SERVICE Scala Basel 23 Aargauer Kunsthaus Aarau 49 Museen | Kunsträume 52—54 Theater Basel 24 ARK | Ausstellungsraum Klingental 48 Restaurants, Bars & Cafés 55 Theater Palazzo Liestal 40 Dichter- und Stadtmuseum Liestal 43 Veranstalteradressen 56—57 Theater Roxy 38—39 Fondation Beyeler 47 Theater im Teufelhof 28 AGENDA 58—79 Kunst im Gefängnis | Schällemätteli 48 Théâtre la Coupole | St. Louis 27 Kunsthalle Basel 46 Treibstoff 05 — Theatertage Basel 25 Kunstmuseum Basel | 47 Vorstadt-Theater Basel 23 Museum für Gegenwartskunst
Ortsmuseum Trotte 43 Römerstadt Augusta Raurica 42
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DEZEMBER 2004 | PROGRAMMZEITUNG | 5 MUSIK tmüller at Mat
TROMMELFELL Be Klaviertrios im Bird’s Eye o: ot
Das Basler Bird’s Eye ist der einzige mir bekannte Jazzclub, der seine Aktivitäten auf einer eigenen CD-Reihe dokumentiert. Die Bedingungen für Aufnahmen könnten kaum optimaler sein, Vallon, F olin Vallon, verfügt das Lokal doch über ein eigenes Tonstudio. Selbstver- C ständlich kann die Serie ‹Live at Bird’s Eye› das Konzerter- lebnis, die Tuchfühlung mit den MusikerInnen vor Ort nicht ersetzen; ihre Funktion besteht vielmehr darin, ein paar denk- würdige Momente zu verewigen und so den Geist des Clubs nach aussen zu tragen. Auf der neuesten CD (Vol. 6)sind ausschliesslich ‹Piano Trios› zu hören. Die Besetzung mit Klavier, Bass und Schlagzeug zieht sich spätestens seit den 1940er-Jahren wie ein roter Faden durch die Jazzgeschichte. Als herausragende Innovatoren des Klaviertrio-Jazz, der wirklich ein Jazzgenre sui generis darstellt, dürfen so unterschiedliche Pianisten wie Bud Powell, Oscar Pe- terson, Bill Evans, Paul Bley, Chick Corea, Keith Jarrett und Brad Mehldau gelten. Die Bird’s-Eye- CD ist nun ein weiterer Be- weis dafür, dass sich auch in Europa eine starke Klaviertrio-Jazz- Sellins Landsmann Franck Amsallem mit einem ungewöhn- Szene mit einem breiten Ausdrucksspektrum gebildet hat: Von lichen Arrangement von Dizzy Gillespies ‹Con Alma› besorgt. den sieben Trios wird nur gerade eines von einem US-Pianisten, Besonders aufhorchen lassen zwei junge Ausnahmetalente aus dem langjährigen Rollins-Adlatus Mark Soskin, präsidiert. der Schweiz: Während sich Colin Vallon als unpathetischer Bal- Die CD beginnt mit einem Husarenritt des Heisssporns Dado ladeninterpret mit Tiefgang empfiehlt, verrät Vera Kappeler in Moroni: Ohne Energieverlust flitzt der italienische Swing-Turbo ihrer Auseinandersetzung mit Carla Bleys ‹Syndrome› ein aus- durch ‹Sweet Georgia Brown›. Doch es werden auch leisere geprägtes Flair für unkonventionelle Wendungen. Töne angeschlagen, so präsentiert der Kölner Jürgen Friedrich Colin Vallon wird, begleitet von Patrice Moret (Bass) und Samuel mit ‹Bittersuite› eine wunderbare Komposition, die in ihrer Rohrer (Drums), bis Mitte Dezember jeden Dienstag und Mitt- sehnsuchtsvollen Melancholie an Kenny Wheeler erinnert, und woch im Bird’s Eye zu Gast sein. Vallon ist nicht nur ein enorm der französische Feingeist Hervé Sellin lässt uns an seinen inspirierter Improvisator, sondern auch ein ausdrucksstarker ‹Japanese Secrets› teilhaben. Für den Schlusspunkt der CD ist Komponist. Mit ‹Les Ombres› (Unit) hat er dieses Jahr ein viel beachtetes Debüt vorgelegt. | Tom Gsteiger
Neue CD ‹Live at Bird’s Eye, Vol. 6›: Piano Trios, CHF 30 MUSIK-NOTIZEN
Engagierter Hip-Hop Pfiffige Vokalkunst Sinnliche Nachtmusik uh. Harlem Golden Singers der anderen Art db. Sie haben schon in der Knabenkantorei zu- db. Seit Jahrzehnten engagiert sich der ameri- sind die Beastie Boys. Die drei New Yorker Hip- sammen gesungen, treten seit sieben Jahren kanische Lauten- und Sarod-Spieler und Kom- Hopper Michael Diamond, Adam Horovitz als Vokalensemble bei privaten und öffent- ponist Ken Zuckerman für die klassische nord- und Adam Yauch bilden das vorweihnachtliche lichen Anlässen auf und sind auf kontinuier- indische und die mittelalterliche europäische Kontrastprogramm zu ihren Gospel singenden lichem Erfolgskurs: The Glue, fünf Stimm- Musik; beides unterrichtet und vermittelt er in Landsleuten. Zusammen mit Run DMC halten talente zwischen 21 und 25. Als Mitwirkende reger Unterrichts- und Konzerttätigkeit und sie den Branchenrekord: Seit 20 Jahren verset- am Charivari-Musical ‹Stärnestaub› und durch hat dafür auch von indischer Seite höchste An- zen sie ihre Beats mit Anleihen aus Rock, Funk zwei CDs lokal bekannt geworden, konzertie- erkennung erhalten. Als langjähriger Meister- und Jazz, spielen live oder ab Computer, zu ren sie mittlerweile im In- und Ausland, u.a. schüler von Ustad Ali Akbar Khan leitet er in dritt oder auch zu zehnt, und längst haben sie im Casinotheater Winterthur, in Freiburg, Basel das Ali Akbar College of Music, dem mit Grand Royal ihre eigene Plattenfirma. Be- Stuttgart, Darmstadt und demnächst in Berlin, auch ein ‹Salon de Musique› angeschlossen reits 1998 verhalf ihnen die irritierte Musikin- wohin sie als einzige Schweizer Formation ans ist. In Seminaren, Workshops, Vorträgen und dustrie auf die Titelseite des Wall Street Jour- internationale A-cappella-Festival eingeladen Konzerten bietet das Institut Gelegenheit, die nal, weil die Band Aufnahmen ihrer Konzerte wurden. Mit ihrem aktuellen Programm, das indische Musik und ihre virtuosen zeitgenös- für den Gratis-Download von ihrer Homepage fast ausschliesslich aus charmant, schwung- sischen VertreterInnen kennen zu lernen. Zu- zur Verfügung stellte. Die Musiker mit jüdi- voll und witzig vorgetragenen, teils skurrilen dem publiziert Zuckerman CDs, die Zeugnis schen Wurzeln sehen auch über die Platten- Eigenkompositionen besteht, werden Gregor von der reichhaltigen indischen Klangwelt und teller hinaus: Seit Jahren unterstützen sie die Beermann, Tumasch Clalüna, Jonas Göttin, von der stupenden Improvisationsgabe ihrer tibetische Unabhängigkeitsbewegung mit Be- Florens Meury und Oliver Rudin sodann er- SpielerInnen ablegen. Bisher fünf Tonträger nefizkonzerten und Einnahmen aus dem Ver- neut in Basel zu hören sein. sind erschienen, darunter eine Begegnung von kauf ihrer Songs. Und der neue alte Präsident Konzert The Glue: Sa 18.12., 20.15, Theater Basel, indischen Râgas mit mittelalterlichen Liedern. ist nicht ihr Präsident: «White House, what are Kleine Bühne. Weitere Infos: www.theglue.ch Die neuste CD enthält traumhafte ‹Râgas d’équi- you brewin’?» noxe›, die zwischen Nachtende und Tagesbe- Konzert Beastie Boys: Fr 17.12., St. Jakobs- ginn angesiedelt sind. halle. Billette via Ticket-Corner. Ken Zuckerman, T 061 272 80 32 CD ‹To the 5 Boroughs›, Capitol Records, 2004 [email protected] 6 | PROGRAMMZEITUNG | DEZEMBER 2004 MUSIK y er ow on Nigel L › v aladins s P e u Rameaus ‹L u Rameaus igurinen z f tüm Kos
GESAMTKUNSTWERKE Barockmusik aus Frankreich Lehre, Forschung, Praxis Der französische Barock steht auch im Zentrum einer gemein- Eine Oper, ein internationales Symposium und eine Reihe von samen Veranstaltungsreihe der Schola Cantorum Basiliensis Konzerten stellen französische Musik um 1700 vor. (SCB), des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Die Barockoper boomt: Monteverdi und Händel finden ein be- Basel (MWI) und des Musikmuseums Basel, mit Jordi Savall als geistertes Publikum, auch in Basel, wo die Gattung seit Jahren Künstler ‹in residence› und einem internationalen Symposium. kontinuierlich gepflegt wird. Allerdings wurde hier seit über Zum Programm gehören zahlreiche öffentliche Anlässe, z.B. zwanzig Jahren keine französische Barockoper mehr aufge- zwölf ‹Jours fixes› mit Dozierenden der SCB und externen Fach- führt, und selbst in Frankreich sind diese Werke selten auf der leuten. Peter Reidemeister etwa erläutert die Kunst des Bühne zu sehen. Die Basler Operndramaturgin Bettina Auer hat improvisierenden Präludierens, Sharon Weller spricht über die dafür eine doppelte Erklärung. Zum einen seien die Stücke sehr Gestik auf französischen Bühnen um 1700, und Martin Kirn- aufwändig: Es brauche prächtige Dekorationen und spekta- bauer stellt zusammen mit Studierenden die Gattung des ‹Tom- kuläre Bühneneffekte – und vor allem zusätzlich zu Chor und beau›, des musikalischen Nachrufs, vor. Orchester das Ballett; in ihrer besonderen Verbindung von Ge- Das mit hochkarätigen Fachleuten besetzte öffentliche Sympo- sang und ausgedehnten Tanzpassagen sei die ‹Opéra-ballet› ein sium beschäftigt sich mit dem Einfluss der französischen Ba- höfisches Gesamtkunstwerk. Zudem erfordere sie ein lange rockmusik im übrigen Europa. Behandelt werden Fragen des In- nahezu ausgestorbenes Stimmfach, den Haute-contre, einen strumentenbaus und der Gesangstechnik, es geht um die besonders hohen Tenor. Ausstrahlung des höfischen Balletts bis nach Schweden und um Doch nun scheint die Gattung auf neues Interesse zu stossen. französische Elemente in der Musik Vivaldis, Telemanns und Jean-Baptiste Lullys ‹Roland› in Lausanne, Jean-Philippe Ra- natürlich Bachs. Das Eröffnungskonzert ist Elisabeth Jacquet de meaus ‹Les Indes galantes› und ‹Les Boréades› in Zürich sorg- la Guerre gewidmet. Daniela Dolci führt mit ihrem Ensemble ten für volle Häuser. Und im Theater Basel hat Rameaus ‹Les ‹Musica fiorita› und dem auf historische Tänze spezialisierten Paladins› Premiere, mit dem Barockorchester La Cetra unter der Ensemble ‹Il ballarino› Kammer- und Tanzmusik der heute Leitung von Konrad Junghänel und dem Regisseur Nigel Lo- weitgehend vergessenen Hofkomponistin auf. In einem Mit- wery. Es sei schon lange ein Wunsch des Hauses gewesen, nach tagskonzert wird die heute nur noch Spezialisten vertraute Händel und Monteverdi in den letzten Spielzeiten ein französi- ‹Trompette marine› vorgestellt, ein einsaitiges Streichinstru- sches Werk aufzuführen, erzählt Auer. Den Ausschlag für ‹Les ment, das sich am französischen Hof grosser Beliebtheit er- Paladins› habe die mitreissende Komik dieser parodistischen freute. Am Abend werden MusikerInnen der SCB ‹Pièces en ‹Comédie-ballet› gegeben. trio› von Marin Marais, François Couperin und anderen spielen. Die Oper basiert auf einer burlesken Episode aus Ariosts ‹Or- Die letzte Begleitveranstaltung gilt Charakterstücken von Ma- lando furioso›: Der alte Anselme will sein Mündel Argie heira- rais, interpretiert vom Gambisten Paolo Pandolfo, von Rolf Lis- ten, doch diese liebt den Ritter Atis; in einem tollen Spiel von levand, Theorbe, und Giorgio Paronuzzi am Cembalo. In einer Verwechslungen, Verkleidungen und Zaubereien verhilft die Nocturne wird zudem mit ‹Le roi danse› ein neuerer Spielfilm Fee Manto ihrem Schützling Atis zum Liebesglück. Lowery, gezeigt, der sich französischer Barockmusik als Soundtrack be- kommentiert Auer, sei mit seinem englischen Humor der pas- dient. Zwei besondere Führungen im Musikmuseum runden sende Regisseur für dieses Stück und könne sich so richtig aus- das Angebot ab. | Alfred Ziltener toben. Choreograf und Co-Regisseur ist Amir Hosseinpour, mit dem Lowery schon mehrfach zusammengearbeitet hat. Unter Oper ‹Les Paladins›: Do 16.12., 20.00 (Premiere), Theater Basel ➞S. 24 den SängerInnen finden sich Basels Opernliebling Maya Boog Jours fixes: Mo, 18.00—19.30, Musik-Akademie (29.11., 6.12.04; 17., 24. als Argie und die Haute-contres Tom Allen und Jeffrey Thomp- und 31.1.05, weitere Daten ab April). Internationales Symposium mit Konzerten: Sa 11. bis Di 14.12., Musik- son, die bereits mit Dirigenten wie William Christie und Mark Akademie. Weitere Infos: T 061 264 57 57, www.musakabas.ch/scb oder Minkowski gearbeitet haben. www.unibas.ch/mwi
DEZEMBER 2004 | PROGRAMMZEITUNG | 7 FILM e sind vorbei› ahr en J ett till aus ‹Die f Films
DIE POLITIK DER GEFÜHLE Hans Weingartners Spielfilm ‹Die fetten Jahre sind vorbei› vinz, die Sache eskaliert, ist absehbar. Zumal Entführung ein wesentlich kapitaleres Delikt ist als ein Einbruch ohne Gefähr- Als ein Einbruch zu einer Entführung eskaliert, gerät ein klassen- dung von Leib und Leben. kämpferisches WG-Trio in emotionale Irrungen und Wirrungen. Die jungen Berliner Jan (Daniel Brühl) und Peter (Stipe Erceg) Ohne ideologischen Ballast sind eigentlich rechtschaffene Kerle. Allerdings haben sie eine Regie in ‹Die fetten Jahre sind vorbei› führt der Wiener Hans ungewöhnliche Art, Gesellschaftskritik zu üben: Sie spionieren Weingartner (34), der 2001 mit ‹Das Weisse Rauschen› seinen in vornehmen Stadtbezirken die Sicherheitseinrichtungen von ersten Spielfilm vorgelegt hatte. Ihm gelingt dank einer hetero- Villen aus, legen sie lahm und brechen ein. Doch geht es ihnen genen Besetzung und einer clever, immer wieder ironisch ver- nicht um Beute. Es macht den beiden schlicht Spass, das Schicki- brämten Inszenierung das Porträt von zeitgenössischen Jugend- micki-Mobiliar umzustellen und mit dieser symbolischen Geste lichen, die zwar gesellschaftliche Feindbilder haben, jedoch gegen Luxus und Materialismus zu protestieren. Am Tatort hin- anders als die SympathisantInnen der klassischen Protestbewe- terlassen sie dann Botschaften wie «Die fetten Jahre sind vor- gungen der Sechziger- und Siebzigerjahre über kein plausibles bei» oder «Sie haben zu viel Geld». Und unterzeichnen mit «Die ideologisches Rüstzeug verfügen, das ihre Handlungen auch Erziehungsberechtigten». nur im Ansatz rechtfertigen würde. Die durchaus originellen Aktionen verunsichern die Betroffe- Weil vieles vom Zufall abhängt, entbehrt die ganze Angelegen- nen, denn allein die Tatsache, dass Fremde in die Intimsphäre heit nicht einer gewissen Komik. Bald wird etwa ersichtlich, eingedrungen sind, hat etwas Unheimliches. Und weil nie etwas dass der nicht unsympathische Hardenberger (glänzend ge- gestohlen wird, empfinden es viele Heimgesuchte als peinlich, spielt vom Theaterschauspieler Burghart Klaussner) aufgrund die Polizei zu informieren. Der klassenkämpferische Schaber- früherer Erfahrungen rasch kapiert, dass er trotz der wenig nack wäre wohl noch lange weitergegangen, wenn dem WG-Duo komfortablen Lage Trümpfe in der Hand hat: Dem Revoluzzer von nicht die Launen der Liebe in die Quere gekommen wären: Als einst kann in Sachen Protest gegen das Establishment schliess- Peter ohne seine Freundin Jule in die Ferien verreist, beginnt lich kaum eine/r etwas vormachen. Kommt dazu, dass er – je diese eine Liaison mit Jan, der ihr beim Renovieren der Woh- länger der Aufenthalt auf kleinstem Raum auf der Alp dauert – nung hilft. Aus nachvollziehbaren Gründen will Jule auch ge- erkennt, dass das Kernthema nicht die abstrakte politische Klas- nauer wissen, was die Jungs in ihrer Freizeit so alles treiben. Als senkampf-Diskussion ist, sondern die Tatsache, dass es allent- sie es weiss, will sie mehr: Sie möchte an einer Aktion teilneh- halben gewaltig menschelt: Hardenberger (der jovial immer men, und zwar aus ganz persönlichen Gründen an einer ganz wieder betont, dass sein Herz politisch auch auf der linken Seite bestimmten Adresse! schlägt) registriert, dass es im emotionalen Getriebe der Dreier- Trotz Bedenken – aber von Liebesgefühlen trunken – geht Jan kiste arg knirscht. Logisch: Wenn zwei Männer plötzlich ihre auf Jules Vorschlag ein. Das ist der Beginn einer dramatischen Liebste teilen sollen, kommt einiges durcheinander. Story: Im Lauf der Aktion kehrt der steinreiche Geschäftsmann Und so liegt die Faszination von ‹Die fetten Jahre sind vorbei› Hardenberger vorzeitig heim und ertappt die Eindringlinge in auch in der kammerspielähnlich abgehandelten Frage: Wer flagranti. Er wird daraufhin gekidnappt und ohne Konzept auf kriegt die Frau? Und letztlich in der Dialektik zwischen politi- eine österreichische Alp verschleppt. Dass nun, tief in der Pro- schen Gefühlen und der Politik der Gefühle. Das ist zwar nicht ganz neu, aber allemal anregend und intelligent gemacht.
| Michael Lang
Der Film läuft ab Anfang Dezember im Kultkino Atelier
8 | PROGRAMMZEITUNG | DEZEMBER 2004 FILM ound› ouch the S T aus ‹ Filmstill
UNIVERSUM DES KLANGS Dokumentarfilm ‹Touch the Sound› NOTIZEN
Nach ‹Rivers and Tides› legt Thomas Riedelsheimer ein herausragendes Werk über die Klangwelten der Perkussionistin Evelyn Glennie vor. Filme gegen Gewalt an Frauen Es gibt Momente, da geht einem sogar simples Zeitungsrascheln auf die Nerven. An- db. Im Rahmen der internationalen Kampagne dererseits kommt es durchaus vor, dass selbst lauter Verkehrslärm nicht stört, weil ‹Stoppt Gewalt gegen Frauen› zeigen 15 Schwei- man ihn kaum wahrnimmt. Geräusche und Töne werden eben je nach Stimmung und zer Kinos in Zusammenarbeit mit Amnesty In- Situation unterschiedlich empfunden. ternational thematisch passende Filme. Unter Zwar sind die Ohren – anders als die Augen, die geschlossen werden können – stets dem Motto ‹Hinschauen› wurden 20 Doku- mentar- und Spielfilme aus 13 Ländern ausge- ‹auf Empfang›. Allerdings geht man eher selten bewusst hörend durch den Alltag. Das wählt, die vom Leiden vieler Frauen, aber auch gilt jedoch nicht für die Britin Evelyn Glennie: Sie scheint gleichsam in einer Welt der von der Kraft des Widerstands, der Hoffnung Klänge zu leben. Als Mädchen hat sie ihr Gehör nahezu verloren, heute ist sie eine der und der Liebe erzählen. Mit der Kampagne will international gefragtesten Perkussionistinnen. Das tönt wie ein Widerspruch, doch Amnesty die geschlechtsspezifische Gewalt als das körperliche Handikap der Musikerin ist eigentlich gar keines. So erklärt Evelyn Menschenrechtsverletzung bewusst machen Glennie im Film ‹Touch the Sound: «Alle anderen Sinne werden zu dem Sinn, den und Initiativen dagegen auf allen Ebenen stär- man verloren hat; das ist es, was den mysteriösen sechsten Sinn ausmacht. Es entsteht ken, denn «wer hinschaut, kann etwas verän- eine Art von Sinn, von dem wir nicht wissen, dass er existiert, bevor einer der anderen dern». In Basel ist eine stattliche Auswahl im Sinne verschwindet.» Neuen Kino zu sehen. ‹Touch the Sound› ist kein Film über einen Menschen, der ein körperliches Gebrechen Filmreihe ‹Hinschauen›: Do 2. bis Do 30.12., je- weils 21.00, Neues Kino, Klybeckstrasse 247, überwunden, der ‹es trotzdem geschafft hat›. Wie für die Perkussionistin spielt es www.neueskinobasel.ch oder www.amnesty.ch auch für Regisseur Thomas Riedelsheimer keine wesentliche Rolle, wie gut das Gehör Int. Tag der Menschenrechte: Do 10.12. der Künstlerin ist, die im Mittelpunkt seines neuen Werkes steht. Vielmehr hat er einen Film darüber realisiert, dass Klänge an sich nicht nur hör-, sondern auch fühlbar sind. Schaurig-schräge Filme Evelyn Glennie nimmt sie durch ihren Körper wahr, interagiert sozusagen mit deren db. Bereits zum 7. Mal lädt das Mini-Filmfesti- Schwingungen. val Clair-obscur LiebhaberInnen des Besonde- ren zu einem langen Wochenende ein. Es prä- Fühlbare Töne sentiert Filme, die zwischen Nonsense und Eine Industriehalle in Deutschland. Hier treffen sich Evelyn Glennie und Fred Frith, Satire pendeln, mit Tabus spielen, augenzwin- um eine improvisierte CD einzuspielen. Bilder einer Rolltreppe, eines über den Boden kernd Abgründe und Grauzonen ausloten. gezogenen Rollkoffers, Impressionen aus einem Warenhaus in Asien, vom Meer. Rie- Diesmal geht es z.B. um Frauenknast und delsheimer hat die Musikerin begleitet, in die USA, nach Japan, Deutschland, Gross- Flugzeugentführung, Gewalt an Stofftieren, britannien. Sie spielt, allein oder mit anderen. Dazu kommen Szenen, in denen sie einen tiefgekühlten Norweger und einige ver- über ihre Arbeit spricht und über ihre Sicht der Dinge. Wie schon in ‹Rivers and Tides› störende Vorlieben. Aus dem ‹digitalen Fried- hof›, dem Internet, haben die beiden Organi- (2001), Riedelsheimers Film über Andy Goldsworthy und dessen ‹Natur›-Kunst, geht satoren Patrick Bühler und Christian Platz es dem Regisseur auch in seinem neuen Werk nicht darum, sein Sujet zu erklären, son- zudem die «doofsten, sinnlosesten, verrückte- dern darum, es erfahrbar zu machen. sten, geschmacklosesten, provokativsten Kurz- Das Unterfangen, Töne und Geräusche zu versinnbildlichen, ist eine spezielle Her- film-Ergüsse» zusammengestellt. Nichts für ausforderung. Riedelsheimer, der auch für Kamera und Schnitt zeichnet, meistert sie Zartbesaitete also. über weite Strecken verblüffend gut. In der gekonnten Verbindung von dokumentari- 7. Clair-obscur Filmfestival: Do 16.12. ab 20.15, schen mit assoziativen Szenen gelingt es ihm, Berührungen mit Tönen zu evozieren, Fr 17.12. ab 20.00, Sa 18.12. ab 18.00, Café Im- ein Universum der Klänge auf die Leinwand zu bringen. Mit ‹Touch the Sound› ist ihm primerie, St. Johanns-Vorstadt 19. Zutritt ab 18 Jahren, Eintritt frei. Programminfos unter ein sinnlicher Film gelungen, der die Sinne schärft. | Judith Waldner www.clair-obscur.ch Der Film läuft ab Ende Dezember im Kultkino Atelier
Infos zu Evelyn Glennie: www.evelyn.co.uk. Konzert Fred Frith: Fr 17.12., 20.30, Sphères, Hard- turmstrasse 66, Zürich. Reservation: [email protected]
DEZEMBER 2004 | PROGRAMMZEITUNG | 9 KOCHKUNST | LEBENSKUNST
GASTRO.SOPHIE Veramente italiano
Vieles spricht für Italien. Eine Sprache wie Musik, die Sonne, das Meer und dieses Vermögen, sich wie kein anderes Land im Chaos einzurichten. Und vergessen wir nicht Italiens Küche. Kaum eine andere kann mit wenigen Grundprodukten eine solche Fülle von Geschmack, Sinnenfreude und Glück auf die Teller bringen. Glück – zu hoch gegriffen? Hier nicht, handelt es sich doch nach unserer Überzeugung um das echteste aller echt italie- nischen Lokale, die man in Basel finden kann. Und ich schwöre es: Als wir das Bella Italia verliessen, waren wir richtig glücklich. Okay, man soll die Potenz eines Espressos nicht unterschätzen. Aber da war mehr als dieser auch andernorts in ansprechender Qualität zu findende Glück- und Muntermacher. Da sind zuallererst Patron Giovanni und die famose Augusta am So, und jetzt können wir finalmente zur Hauptsache kommen, Herd. Wie Giovanni Furiato hinter der Theke die dampfende zum Essen. Abends findet der Gast mittels Speisekarte zu seinem Pasta schöpft, Landsleute begrüsst oder ein schlecht gelauntes Glück – pasta, pesce, pizze, carne etc., aber auch manch ande- Baby mit einem herzhaften mediterranen Backenkniff augen- res, nicht Speisekarten-Notorisches, das Augusta und Giovanni blicklich zum Lachen bringt: Das macht ihm so schnell keine/r in petto haben. Sie sind gut italienisch superflexibel. Mittags nach. Schon gar nicht ohne italienisches Blut im Leib. Da sind aber wird alles ganz einfach: Salat und Antipasti, drei Sorten weiter dieser mittags bis auf den letzten Platz besetzte Saal, eine Teigwaren, ein Hauptgang mit Fisch oder Fleisch und ein Des- Kantine, das Leben darin, das Lachen und an nicht wenigen sert. Und was für eine Pasta! Genau so, wie sie sein muss, tutto Tischen eben diese Sprache, die Musik sehr nahe kommt. Was fatto in casa, das merkt man. Wie überhaupt alles ausgezeichnet in toto zu einem, sagen wirs technisch, fantastischen Geräusch- ist, das sieht und schmeckt man. Wenn ich Ihnen jetzt noch den pegel führt. Von dem unvermeidlichen Fernseher in der Ecke Menüpreis verrate: 20 Franken, ohne den Hauptgang nur 15 – oben lässt sich daher nicht sagen, ob er stumm gestellt ist oder was gibts da noch zu überlegen? | Oliver Lüdi, glücklich nicht. Da sind schliesslich Maler- und Mechanikerhosen neben der üblichen Bürokluft, junge Leute und Ältere – ein prächtig Restaurant & Pizzeria Bella Italia, Rümelinbachweg 14, T 061 281 01 06 gemischtes Publikum, an dem jeder Meinungsforscher seine So bis Fr 11.30—14.00, Mi bis Fr auch 17.30—22.00, Sa nur abends Restaurant Bella Italia, Foto: Susan K. Cooperville Freude hätte. Und da ist nicht zuletzt die lange Geschichte des Lokals, in dem die Missione Cattolica über Jahrzehnte italieni- schen Gastarbeitern einmal pro Tag eine warme Mahlzeit anbot.
WORTGAST ein fliessender Übergang von den Schoggi- Osterhasen zum Schokoladen-Baumschmuck. Menschwerdung Weihnachten beginnt also im Frühling. Kürzlich hat mir ein Freund eine Postkarte ge- Ich bringe sie nicht zusammen, die selbster- schickt: «Warum Weihnachten feiern? An je- nannten Götter und die Düfte und Lichter der dem Tag wird ein Mann geboren, der sich für Weihnachtszeit. Die Lichter von Weihnachten Gott hält ...». Das hat etwas: Die Welt ist voll und die Blitze von Raketen, das Dröhnen von von kleinen Göttern, einige arbeiten in der Maschinen und die Weihnachtslieder. Wirtschaft, in der Kirche oder werden als Prä- Die Weihnachtsgeschichte wird im Johannes- sidenten gewählt ... Sie halten sich für Götter, Evangelium in spezieller Weise erzählt: «Das aber verhalten sich nicht so: Abgesehen vom Wort ward Fleisch», so wird die Mensch- Machtgebaren haftet ihnen wenig Göttliches werdung Gottes beschrieben. Das Wort wird an. Sie sind nicht kreativ, weder liebend noch Mensch, wird Realität und verändert so die fürsorglich, nicht friedvoll und auch nicht Wirklichkeit. Dass Wörter und Worte die ‹gut›, sondern nur bestimmend und überheb- Wirklichkeit verändern, leuchtet ein. Darum lich. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit, reden, schreiben und lesen wir, darum kom- sondern jahraus, jahrein. munizieren wir. Das ‹Wort›, das in ganz unter- Weihnachten sei ein gutes Thema für diesen schiedlicher Art ‹Fleisch› wird: Im Film, Thea- ihrer ‹Menschwerdung› bei. ‹Wortgäste› sozu- Beitrag, wurde mir gesagt. Passend zur Jahres- ter, bei Konzerten, in der Literatur – in der sagen. Damit die Wirklichkeit sich verändere zeit. Advent – ‹Ankunftszeit›. Doch Weihnach- Kultur, die ja auf eine Veränderung der Wirk- und zu einem Fest der Liebe und des Friedens ten hat schon lange begonnen: Mitte Novem- lichkeit zielt, auch wenn es sich dabei um die werde, nicht bestimmt durch die selbsternann- ber, als die Tannenbäume aufgestellt und die veränderte Wahrnehmung der Wirklichkeit ten Götter, die grossen und die kleinen. Und Beleuchtung gehängt wurden. Oder im Okto- handelt. Nicht nur in der Adventszeit, sondern das nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern ber, als in den Läden die ersten Brunsli und jahraus, jahrein. täglich, jahraus, jahrein. Zimtsterne zu kaufen waren. Oder im August, So ist jeder Mensch Wort, das Fleisch wird ein In diesem Sinne wünsche ich Ihnen frohe als die Vorbereitungen für den Ausverkauf Stück Kultur, das die Welt verändert. Ein Wort, Weihnachten, immer wieder – nicht nur zur nach Weihnachten auf Hochtouren liefen. Das das nicht überall gehört wird. Die Offene Kir- Weihnachtszeit. ‹Ankommen› von Weihnachten ist gleichsam che Elisabethen gibt mit ihren Angeboten dem | André Feuz, reformierter Pfarrer Wort ‹Mensch› Raum und Sprache, lässt die Offene Kirche Elisabethen Vergessenen zu Wort kommen, trägt so zu
10 | PROGRAMMZEITUNG | DEZEMBER 2004 MUSIK | TANZ tin sma Fois und Maria Mar sma Fois e z, Adriana Mar z, Adriana Almudena Hernande
IMMER UNTERWEGS 20 Jahre Flamencos en route Erbe ihrer Lehrkräfte fort und sucht auf eigene Weise weiter nach Möglichkeiten, aus der traditionellen Formensprache eine zeit- Brigitta Luisa Merki, diesjährige Trägerin des Hans-Reinhart- genössische Bühnensprache mit hohem künstlerischem An- Rings, zeigt in Birsfelden ‹Caprichos Flamencos›. spruch zu kreieren. Inhaltlich wie formal lässt sie sich für ihr Bereits 20 Jahre ist es her, seit Brigitta Luisa Merki in Baden die Tanztheater vom aktuellen Zeitgeschehen wie von anderen ‹Flamencos en route› gründete. Seither überzeugt das Ensem- Künsten – und nicht zuletzt vom modern dance – inspirieren. ble mit kontinuierlicher Qualität und konsequenter Suche nach So entstanden bisher 18 Produktionen, die international Erfolge eigenem Ausdruck in der Bewegungssprache des Flamenco. feierten – auch in Spanien. Zum Jubiläum wurde ihnen das Theaterjahrbuch 2004 gewid- Sehnsucht und Formensuche met, das die Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur her- Die Jubiläumsproduktion ‹Caprichos Flamencos› wurde im Ok- ausgibt. Merki erhielt zudem den Hans-Reinhart-Ring, der seit tober in Baden uraufgeführt, wohin die Truppe nach ihren aus- 1957 jährlich zur «Würdigung hervorragender Verdienste um gedehnten Tourneen immer wieder gern zurückkehrt. Der zwei- das Theater» vergeben wird. Diese höchste Schweizer Auszeich- teilige Abend spannt nicht nur in geografischer Hinsicht einen nung für Theaterschaffende ging vor zwei Jahren überraschend Bogen, sondern zeigt zudem die beiden Pole, zwischen denen an Anna Huber, nach 45 Jahren endlich an eine Tanzschaf- sich ihre Arbeit bewegt. Gastchoreograf Joaquin Ruiz versteht fende der freien Szene. Umso erfreulicher ist es, dass nun mit das Capricho als kleine Verrücktheit, «cucharada de locura». Mu- der Choreografin Brigitta Luisa Merki wiederum der Tanz und sik und Tanz sind um volkstümliche Elemente und szenische das schwierige Arbeiten in der freien Szene geehrt werden. Einlagen erweitert und lassen die Tänzerpersönlichkeiten mit Spanischer Star aus der Schweiz Witz und Charme zur Geltung kommen. Trotz Erfolgen und einem treuen Fanpublikum bleibt das Da- Brigitta Luisa Merki dagegen hat aus strengen Formen das span- sein einer freien Gruppe risikoreich: Hartnäckigkeit, Mut und nungsvolle und gleichzeitig in sich stimmige ‹Centauras y Fau- Ausdauer sind gefragt. Eine so lange regelmässige Zusammen- nos› geschaffen. Dazu trägt der eindringliche Gesang von Keiko arbeit ist ungewöhnlich und nicht zuletzt das Verdienst von Ma- Ooka und Nieves Dìaz bei, getragen vom leichthändigen Spiel nager Peter Hartmeier, der das Ensemble immer irgendwie über der Gitarristen Juan Gòmez und Pablo Garcìa. Merki hat das Wasser halten konnte. Erstaunlich ist auch die Vorgeschichte der Thema der Centauras weiterentwickelt: Es ist ein Bild für die Truppe, die 1984 aus Kursen der legendären Berner Flamenco- menschliche Sehnsucht ebenso wie für die Zweiteilung des Kör- tänzerin und -pädagogin Susana und des aus Ostpreussen stam- pers in der Technik des Flamenco. Die Weiterarbeit am Stoff hat menden Musikers Antonio Robledo entstand. In den Vierziger- das Stück dichter und zwingender gemacht – und zeigt auf jahren zog die klassische Ballerina Susana nach Paris und schöne Weise, dass ‹Flamencos en route› weiterhin unterwegs Madrid. Dort fand sie, wonach sie gesucht hatte: Flamenco, den sind. Geografisch wie inhaltlich. | Felizitas Ammann spanischsten aller Tänze. Sie und ihr Bühnenpartner José galten Flamencos en route mit ‹Caprichos Flamencos›: Fr 3. bis So 5.12., Thea- in der Folge weltweit als das Spanischtanzpaar der Epoche. Als ter Roxy Birsfelden ➞S. 38 Erste waren sie sich der Künstlichkeit der Bühnensituation be- wusst, suchten nach einer neuen Sprache und kreierten Bühnen- Buch: Hansueli W. Moser-Ehinger (Hg.), ‹Tanzcompagnie Flamencos en route›, Editions Theaterkultur Verlag, Basel 2004. 212 S., 88 Abb., gb., werke, die nicht mehr Folklore und doch aus dem Wesen des CHF 30, ISBN 3-908145-48-1 Flamenco heraus geschaffen waren. 1984 gründete Susanas Schülerin Brigitta Luisa Merki in Baden die ‹Flamencos en route› und übernahm zehn Jahre später von Susana auch die künstlerische Leitung. Seither führt sie das
DEZEMBER 2004 | PROGRAMMZEITUNG | 11 LITERATUR | PHILOSOPHIE g Anderhub
Geor NOTIZEN o: ot
Buchszene im Wandel db. Während Jäggi erneut expandiert hat, steht die anthroposophische Buchhandlung Pega-
Hans Saner, F Hans Saner, sus vor einem Neubeginn: Inhaber Beat Hutter wird seinen Laden am Leonhardsgraben zum Jahresende schliessen und mitsamt seinem Sortiment zu Bider & Tanner ziehen. Die Ge- schäftsaufgabe nach knapp 20 Jahren erfolgt aus wirtschaftlichen Gründen; der Neustart ab 1. Februar 2005 sichert aber sowohl Hutters Knowhow wie sein Spezialgebiet und eine treue Stammkundschaft. – Nicht ganz planmässig EINLADUNG ZUM MITDENKEN einziehen kann das Literaturhaus an seinem Hans Saner zum 70. Geburtstag neuen Ort. An der Barfüssergasse wird derzeit zwar tüchtig umgebaut, aber die Eröffnung Der ‹Basler Stadtphilosoph› ist ein ebenso genauer wie praktischer und engagierter dürfte sich bis März/April hinauszögern. In- Denker und Anreger. zwischen gastiert man an unterschiedlichen Seine Neugier, so scheint es, macht vor nichts und niemand Halt, und seine Reputation Orten, z.B. in der Allgemeinen Lesegesell- ist nicht minder gross. Er ist weit herum bekannt, hält Vorträge, diskutiert, moderiert, schaft (ALG) am Münsterplatz. Die hat ihrer- publiziert – viele sehen in Hans Saner längst so etwas wie ‹unseren Stadtphilosophen›. seits eine sanfte Renovation der Bibliotheks- Dass es ein Amt dieser Art nicht gibt, ist vermutlich unser Glück. Aber dass viele sich räume vorgesehen, sobald die Mittel dafür diesen Posten überhaupt vorstellen können, hat wohl auch mit ihm zu tun. Seit Jahr- zusammen sind. Die Institution, die zwar alt zehnten gehört Hans Saner zum intellektuellen Stadtbild Basels, ohne darin aufzu- (gegründet 1787), aber keineswegs verstaubt gehen. Er ist präsent – auf diskrete und zugleich unübersehbare Weise. ist, zählt 800 Mitglieder, beherbergt rund Von einem Philosophen erwarten wir ja unter anderem, dass er eine bestimmte Sorte 170 000 Bücher, 160 Zeitungen und Zeit- von Problemen – wenn nicht löst, so doch auf eine Weise benennt, beschreibt und da- schriften, ist 365 Tage im Jahr geöffnet und allen Interessierten zugänglich. mit begrifflich traktiert, dass eine Lösung mindestens vorstellbar wird. Manchmal Referat zur Geschichte der ALG: Di 30.11., kann schon die genaue Beschreibung eines Problems zu dessen Lösung beitragen. In 19.30, Münsterplatz 8. seinen Vorträgen und Essays, aber auch als Diskutierender führt Saner das immer wie- ALG-Tage der offenen Tür, mit Kaffee & Gebäck: der vor, und das Angenehme, also Schöne an seinen Denkbewegungen liegt jeweils Sa 11./So 12.12., 14.00—18.00. darin, dass er Philosophie auf ein sehr praktisches Niveau übersetzt, in einer präzisen, Literaturhaus-Abend für Pablo Neruda: Do 9.12., klaren und gänzlich uneitlen Sprache. Saner ist stets darauf bedacht, die Probleme, die 19.30, ALG er diskutiert, auf Augenhöhe zu bringen, ohne Simplifizierung oder gar Anbiederung. Gedanken-Findlinge Ihm gelingt das auf unaufgeregte Weise, indem er jeweils erst mal das Begriffsbesteck db. ‹Dir gehört nur, was du geben kannst›, auslegt und sorgfältig reinigt von den Schlacken eines meist gedankenlosen Ge- heisst der Aphorismen-Band von Stefan Brot- brauchs – um dann loszulegen. beck. Ein Titel, der am Schluss des Büchleins abgerundet wird durch den Satz: ‹Es wird dir Philosoph und Literat geschenkt, was du empfangen kannst.› Zwi- Dem Denker Hans Saner hören auch jene gerne zu, die sich von philosophischen Fach- schen diesen beiden Aussagen stehen weitere, gesprächen sonst schnell einmal abschrecken lassen. Er kommt ohne Posen aus, das die sofort zur Sache kommen, einen aufmer- nimmt für ihn ein, und er ist nicht angewiesen auf das bisweilen angestrengte und an- ken und innehalten lassen, Widerhaken sind strengende einschlägige Vokabular. Wie nur wenige seiner Zunft kann er komplexe im Gedankentrott. Und dadurch anregen zum und oft strittige Themen auf eine Weise diskutieren, die sie nicht an simple Lösungen Nach- und Weiterdenken. Es sind Fundstücke verrät. Seine Arbeiten kreisen um Geburt und Tod, um Erziehung oder Fantasie oder des Bieler Autors und Philosophen, der u.a. im Spiel oder Altern, um Fragen der Solidarität und der sozialen Integration. Seine Texte Unternehmen Mitte das Café Philo leitet; sind auch darum genau, weil sie die Weitläufigkeit ihrer Gegenstände nicht aus den überraschende, verspielte, treffende, sperrige, Augen verlieren und folglich keine abschliessenden Auskünfte erteilen wollen, son- ansprechende Wendungen, die ebenso alltags- dern Einladungen formulieren, diesen Fragen selber nachzugehen. wie geschenktauglich sind. Stefan Brotbeck, ‹Dir gehört nur, was du geben Hans Saner ist übrigens Solothurner, Bürger von Kleinlützel. Dort hat er kürzlich den kannst›, Aphorismen. Pforte Verlag, 2004. Kunstpreis des Kantons Solothurn für das Jahr 2004 entgegennehmen dürfen. Der Preis 137 S., br., CHF 24 (CHF 20 000) gilt ausdrücklich dem Philosophen und dem Literaten Saner, eine Kombi- Café Philo mit Stefan Brotbeck: So 5.12., 11.30, nation, die nicht treffender sein könnte. Eine schöne Fügung, diese Auszeichnung, so Mitte ➞S. 32 kurz vor dem 70. Geburtstag, den er am 3. Dezember feiert. Und bei dieser Gelegenheit erscheint auch sein neues Buch ‹Erinnern und Vergessen› mit Essays, die Karl Jaspers, Hannah Arendt und Friedrich Nietzsche gelten: Sie zeigen auf, unter welchen histo- rischen Umständen diese drei gedacht haben, und sie berühren dabei grundsätzliche Fragen, die unverändert aktuell geblieben sind – es lohnt sich jede Zeile! Den Jubilar live erleben kann man u.a. an einem Fest, das sein Verlag und das Litera- turhaus für ihn ausrichten; Saner wird dabei aus seinen Werken lesen. | Martin Zingg
Hans Saner, ‹Erinnern und Vergessen›. Essays zur Geschichte des Denkens. Lenos Verlag, Basel 2004. 252 S., gb., CHF 36. Fest mit Lesung: Di 7.12., 19.30, Imprimerie, St. Johanns-Vorstadt 19
12 | PROGRAMMZEITUNG | DEZEMBER 2004 LITERATUR
MIT KINDERAUGEN Buchbesprechung
Wer beim Lesen eines Buches alles ganz genau wissen, jederzeit chronologisch und psychologisch im Bild sein will, wer gern an der Hand der Erzählerin durch einen Roman spaziert und sich jedes Stirnrunzeln erklären lässt – dem sei von ‹Der Schwimmer› abgeraten. Er ist aus der Sicht eines Kindes geschrieben, und Kinder sehen die Welt anders. Glücklicherweise. Auch haben sie es nicht so mit den Jahren und Jahreszahlen. Ihnen ist manchmal ihre ganze Kindheit ein einziger langer Sommer mit zitternder Er- wartung und unendlichen Tagen. Oder auch ein Winter, der nicht aufhören will. Die Assoziation der Jahreszeiten kommt nicht von ungefähr, sie spielen in ‹Der Schwimmer› eine wichtige Rolle. Wie das Wasser, der Regen, der Schnee und vor allem: das Warten. Das Warten auf die Mutter, die in den Westen geflüchtet ist, sich einfach in einen Zug gesetzt und ihre Familie verlassen hat. Worauf der Vater mit seinen zwei Kindern Kata und Isti durch das Ungarn der Sechzigerjahre vagabundiert, mal hier, mal dort bei Verwandten unterkommt, nicht lange bleiben kann oder will. Kata erin- nert sich dann, mutmasslich als junge Frau, an diese Jahre, an ihren sonderbaren kleinen Bruder Isti, den sie sehr liebte, an ihren Vater, der da war und doch nicht da war. An ihre Mutter, die nicht da und doch stets anwesend war. Das ist eines jener Bücher, bei denen man sich nicht allzu lange beim Inhalt aufhält. LITERA-PUR Ich meine, man handelt ihn gegenüber Freunden und Bekannten in zwei, drei Sätzen Das verlorene Buch ab. Um dann mehrfach zu beteuern, dass das Buch gut sei, wirklich gut, dass sie es aber selbst lesen müssten. ‹Der Schwimmer› ist ein Roman, bei dem es hauptsächlich Ausgeliehen? Doch wem? darum geht, wie er gemacht ist. Und er ist eben gekonnt gemacht. Weil er virtuos mit Verlegt? Verloren? Schärfe und Unschärfe spielt und sich den kindlichen Blick zu eigen macht, der vieles Wie deutlich sich dem Verlierer anders und genauer sieht. Folgerichtig gibt es in diesem Roman eine Reihe von wun- Verlorenes zeigt. derbaren Details, die für manches stehen mögen – für Aufbruch, Freiheit, Hoffnung Vergiffen, sagt die Buchhändlerin, auch antiquarisch und Verzweiflung –, die aber nicht erklärt werden. Das ist denn auch Zsuzsa Bánks nicht zu beschaffen. grosses Verdienst: nicht zu erklären, sondern zu beobachten. Und zu erzählen, dabei Lücken und Leerstellen aussparend, die uns Raum lassen, zu ergänzen, uns unseren Bibliotheken? Ein Alptraum Teil zu denken. Dadurch und nicht zuletzt durch ihren lakonischen Stil, erzielt die von faustischem Streben und Staub. Autorin die grösstmögliche Wirkung, berührt uns, erzeugt eine Reihe von ergreifen- Was bleibt mir andres zu tun, als es innen zu suchen, den Momenten. nachts, zur Hohlspiegelzeit Mit einiger Anstrengung liesse sich nach so viel Bewunderung dann doch auch noch in Absenz von Sätzen etwas Kritisches sagen. Vielleicht, dass Zsuzsa Bánks Erstling allzu komponiert und glatt nach Bildern und Namen zu schürfen und gekonnt daherkommt, ähnlich der Lesung der Autorin beim Basler Literaturfesti- im Mythenhort val und ihren Statements, die sie sozusagen druckreif formulierte. Aber kann ein derart der Vergesslichkeit. spitzfindiger Gedanke ihre Meisterschaft wirklich schmälern? Nein, nein, nein. | Erika Burkart Die in Deutschland lebende Autorin wurde für ihren bemerkenswerten Roman mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Aspekte- Aus ‹drehpunkt› Nr. 120, Beitrag zum Schwerpunktthema ‹Danach› Literaturpreis. Man versteht warum, lässt sich jedoch selbst durch so viel Preislob nicht vom Lesen abhalten. | Oliver Lüdi
Zsuzsa Bánk, ‹Der Schwimmer›, Roman, S. Fischer 2002. 284 S., gb., CHF 33.40 Fischer TB 15248, CHF 16.50
ANZEIGE Geschenktipp aus dem Narrenschiff Umberto Eco sammelt und kommentiert in diesem reich bebilderten Band, was Schriftsteller, Lyriker, Künstler und Philosophen zum Thema Schönheit geschrieben oder dargestellt haben und vermittelt damit einen äusserst vielseitigen Einblick in die unterschiedlichen ästhetischen Ideale von der Antike bis zur Gegenwart. Ein kunstgeschichtliches Werk, aber auch ein Bilderbuch für Erwachsene. Buchhandlung Schwabe AG Umberto Eco (Hrsg.) Die Geschichte der Schönheit Im Schmiedenhof 10 Carl Hanser Verlag, 2004 CH-4001 Basel Tel. 061 261 19 82 438 S., gebunden, Fr. 69.– Fax 061 263 91 84 3-446-20478-4 [email protected]
DEZEMBER 2004 | PROGRAMMZEITUNG | 13 JUGEND | KULTURVERMITTLUNG 001 t 2
NOTIZ d, Augus Jugendfilmtage o: Ronald Wiedemann o: Ronald eonhar
db. Ende Jahr läuft die Anmeldefrist zur Teil- Fot nahme am bedeutendsten Schweizer Nach- wuchsfestival für Filmschaffende ab. Einge- reicht werden können Filme bis max. 20 Minuten Länge in fünf Kategorien. Die von ei- ner Vorjury ausgewählten Arbeiten sind an den 29. Jugendfilmtagen zu sehen, die Mitte April in der Roten Fabrik in Zürich stattfin- den. Die besten Einsendungen werden mit einem Goldenen Panther prämiert und auch finanziell unterstützt. Infos: www.jugendfilmtage.ch ‹Der falsche Tod› am Gymnasium L am Gymnasium Tod› er ‹Der falsche at Musikthe KOOPERATION WILLKOMMEN Kultur an Basler Schulen Doch nicht nur in der Kommission ‹Schule und Theater› wird kulturell geackert, auch im Erziehungsdepartement BS enga- Bei der Kulturförderung an den baselstädtischen Schulen sind giert man sich. So werden aus Projektmitteln der Ressorts Kultur engagierte und erfinderische Lehrpersonen gefragt. und Schulen immer wieder einzelne Anlässe unterstützt, z.B. «Aktive Kultur an den Schulen wird nicht zentral gesteuert, son- der ‹Gare des enfants›, ein Musikprojekt von und mit Kindern im dern vor Ort getragen», sagt Hans Georg Signer, Leiter Ressort Gare du Nord, das Primarklassen besuchen konnten. Und vom Schulen beim Basler Erziehungsdepartement. Und damit ist Ressort Prävention des Polizei- und Militärdepartements flat- schon sehr viel über die Kulturförderung im hiesigen Schulsy- terte den Eltern von OS-SchülerInnen letzthin ein Angebot der stem gesagt. Sie hängt vom Engagement der Lehrkräfte, aber Theaterfalle ins Haus, die mit ihrem Forumtheater u.a. für das auch von der Bereitschaft der Jugendlichen ab. Dezentral und Thema Gewalt sensibilisiert, während die trinationale Cannabis- privat wird die Kultur also vielerorts gefördert. Ausstellung im Museum der Kulturen von der Abteilung Jugend, Zum Beispiel in der Kommission ‹Schule und Theater›, präsi- Familie und Prävention des Justizdepartements finanziert wurde. diert vom Rektor des Gymnasiums Leonhard, Peter Litwan. Ausdrucksfähigkeit fördern Einerseits regelt die Gruppe die Verteilung der Gutscheine des Vom Kindergarten bis zur Maturklasse entstehen zudem an den Theaters Basel, die SchülerInnen der 8. bis 12. Stufe ermög- meisten Schulen eine Fülle von Eigenproduktionen. «Die ein- lichen, alle Schauspiele sowie die Produktionen im Schauspiel- zelnen Schulhäuser haben dafür keine Mittel zur Verfügung», haus und auf der kleinen Bühne für einen Fünfliber zu be- erklärt Doris Ilg, Rektorin der Primarschule Grossbasel West. suchen. Für einen kleineren Kreis, die EMOS-Klassen der Das Erarbeiten des Stücks, der Kostüme und des Bühnenbilds Orientierungsschule und die GymnasiastInnen mit Schwer- finde im Rahmen des regulären Unterrichts statt und erfordere punktfach Musik, gibts auch Extrabons für die Oper. «Diese ein enormes zusätzliches Engagement. Dies bestätigt auch Hans Förderung ist ein Geschenk des Theaters Basel, sie steht nicht Georg Signer. Für Abschlussaufführungen an der DMS oder an im Subventionsvertrag», sagt Litwan. den Gymnasien habe sich ein regelrechter Markt von freien Re- Zum andern steht der Theaterkommission jährlich ein Kredit gieführenden etabliert. von 40 000 Franken zur Verfügung. Damit werden Anbieter der Finanziert werden solche grösseren Vorhaben auf verschiedenen freien Theaterszene unterstützt, die sich bei der Kommission Wegen. «Die LehrerInnen müssen Erfindungsgeist entwickeln, jedes Jahr mit ihren Produktionen bewerben. Wenn Klassen – um zu Geld zu kommen», sagt Signer. So können Theaterkurse dies betrifft nun alle Stufen – eine Aufführung etwa vom Jungen als Freifach geführt werden, SchülerInnen machen sich ans Theater Basel, dem Figurentheater Vagabu oder dem Basler Ma- Akquirieren von Inseraten, und «bei ganz grossen Kisten» hat rionettentheater besuchen wollen, zahlen die SchülerInnen Signer, damals noch Rektor des Gymnasiums Leonhard, auch ebenfalls fünf Franken, den Rest übernimmt der Kredit. Eine schon Fachleute in Teilpensen angestellt. Zum Beispiel bei der Produktion kann aber auch für eine gewisse Anzahl Vorstellun- Uraufführung des Musiktheaters ‹Der falsche Tod› von Lukas gen an eine Schule geholt werden. Holliger und Matthias Heep. Rund 200 Jugendliche, etliche Keine eigene Stelle Lehrkräfte und ein Komponist, ein Choreograf, ein Dramaturg Eine wichtige Rolle bei der Information über die Angebote der und viele mehr standen dafür ein Jahr lang im Einsatz. «Es gibt freien Szene übernimmt das Basler Schulblatt. Dort nämlich nichts Nachhaltigeres in der Bildung, als die Ausdrucksfähig- wird den Kleintheatern Raum für Inserate und von ihnen ver- keit von SchülerInnen zu fördern.» Deshalb möchte Signer auch fasste redaktionelle Texte gegeben. Peter Litwan bedauert es, im neuen Leitbild der Basler Schulen einen Kulturartikel veran- dass die Kulturförderung in baselstädtischen Schulen nicht zen- kern. Zentrale Idee ist, dass die Schulen die Chancen der Kul- tral und professionell – wie etwa mit der Stelle Kulturelles in turregion Basel nutzen – und die Kulturschaffenden umgekehrt Schulen (KiS) im Baselbiet – geregelt ist (➞ProgrammZeitung die Chance ergreifen, mit den Schulen zu arbeiten. «Wenn diese 11/04). «Eine Stelle allein nützt natürlich noch nichts», sagt er, Leitidee als attraktiv empfunden wird, dann müssen auch Struk- «die nötigen Finanzen müssten auch bereitstehen.» turen und Mittel geschaffen werden, um sie umzusetzen.» | Monika Wirth
Ressort Schulen BS, T 061 267 56 30, [email protected] 14 | PROGRAMMZEITUNG | DEZEMBER 2004 LITERATUR | JUGEND | KULTURGESCHICHTE t) s) chnit s us eiter (link eiter A 2 ( 5 athrin Haunr K o: ot ommer im ‹du› 7 ommer im ‹du› on Anna S Hausmädchen, F tration v tration
Illus NOTIZEN
Andere Kindergeschichten FENSTER IN ANDERE WELTEN db. Nach Schwerpunkten zu Hieronymus 15 Jahre Buchreihe Baobab Boschs ‹Garten der Lüste› (Jubiläumsausgabe Nr. 750) und zum Thema ‹Blut› (Nr. 751) wirft Die Vermittlung von aussereuropäischer Literatur steht im Zentrum der Aktivitäten das Kulturmagazin ‹du› im Doppelheft von des Kinderbuchfonds Baobab. Dezember/Januar Schlaglichter auf die Kind- ‹Die Kinder des Baumes›, ‹Katzen wäscht man nicht›, ‹Der sprechende Kürbis›, ‹Das heit. Namhafte Wort- und Bildschaffende wur- Vogelauge›, ‹Der Wanderzauber›, ‹Das Nashornspiel› – die Buchtitel der Reihe Baobab den eingeladen, eine Kindergeschichte zu ver- sind oft bildhaft und regen sofort zu Assoziationen an. Über 40 Werke aus 20 Ländern fassen – am liebsten eine, die sie selbst als sind seit 1989 in deutscher Übersetzung erschienen, eine kleine Bibliothek, die zu Kinder gern gehört hätten. Die achtzehn abge- Kopfreisen in ferne Winkel der Welt einlädt. druckten Exklusiv-Beiträge stammen nicht von Seit über 30 Jahren setzt sich der in Basel domizilierte Kinderbuchfonds Baobab für Kinderbuch-Profis, sondern von AutorInnen die Verbreitung von Kinder- und Jugendmedien ein, die differenziert und überzeu- aus aller Welt wie Ismail Kadare, Andrej Kur- gend vom Leben in andern Kulturen erzählen. Vor allem aus Afrika, Asien, Mittel- und kow, Tatjana Tolstaja, John le Carré, Wilhelm Genazino, Herta Müller, Julie Zeh, Colum Mc- Südamerika stammen die AutorInnen der Geschichten, die von rund zehn ehrenamtli- Cann, Fatou Diome, Felicitas Hoppe – und ver- chen Fachkundigen ausgewählt, geprüft und von der Baobab-Geschäftsführerin sprechen ein besonderes Lesevergnügen. Helene Schär herausgegeben werden. Jährlich erscheinen drei bis vier neue Titel, aus du 752 ‹Kindergeschichten›, 114 S., br., CHF 30, der Originalsprache übersetzt, beim Zürcher Atlantis Verlag. Die aktuellen Novitäten www.dumag.ch etwa berichten einfühlsam von Freuden und Nöten in Tansania, Libanon und Ägypten. Vorlesende Erwachsene können von diesen Einblicken in fremde Länder, Sitten und Geschichte der Schrift Philosophien ebenso profitieren wie junge Leseratten. db. Zu einem ebenso lehrreichen wie anschau- lichen Rundgang durch 5 000 Jahre Schreib- Den interkulturellen Austausch fördern kultur lädt die Basler Papiermühle ein. Das Der Kinderbuchfonds Baobab ist eine Arbeitsstelle der entwicklungspolitischen Orga- Schweizerische Museum für Papier, Schrift nisationen Erklärung von Bern (EvB) und Terre des hommes Schweiz und wird finan- und Druck hat seine Dauerausstellung zur Ent- ziell von Bund, kirchlichen und sozialen Einrichtungen sowie Privaten getragen. wicklung der Schrift gründlich überarbeitet Helene Schär, die vor knapp 25 Jahren bei der EvB begann, konnte die Stelle kontinu- und präsentiert sie gut verständlich und attrak- ierlich ausbauen und weiterentwickeln. Seit Mai 2004 wird sie tatkräftig unterstützt tiv gestaltet mit ausgesuchten Originalobjek- von Sonja Matheson, die zuvor während sechs Jahren bei Terre des Hommes Schweiz ten der eigenen Sammlung und Leihgaben. Zu sehen sind etwa sumerische Keilschrifttafeln, als Kampagnenleiterin wirkte. Die gelernte Verlagsbuchhändlerin mit redaktionellen Stelen mit ägyptischen Bildzeichen, eine Op- und journalistischen Erfahrungen (z.B. bei der ProgrammZeitung) verantwortet u.a. ferschale mit Maya-Inschriften aus dem 9. den Baobab-Katalog ‹Fremde Welten›, ein Verzeichnis empfehlenswerter Kinder- und Jahrhundert und chinesisches Papiergeld aus Jugendmedien zu den Themen Afrika, Asien, Lateinamerika und Rassismus, das alle dem 14. Jahrhundert. Dabei kann man z.B. er- zwei Jahre neu herausgegeben wird und in Zusammenarbeit mit drei regionalen Lese- fahren, wer das Alphabet erfand, woher die gruppen und rund dreissig ehrenamtlichen RezensentInnen entsteht. Schrift kommt und wie man Hieroglyphen Daneben aktualisiert Sonja Matheson die ansprechende Website und betreut die zwei liest. Daneben bietet das kleine, feine Museum, neuen Projekte ‹Bücherwürmer› und ‹Offene Bibliotheken›. Ersteres ist eine Art Lese- das 2005 seinen 25. Geburtstag feiert, erhel- club für Kinder und Jugendliche, in dem diese unter Anleitung ein aussereuropäisches lende Einblicke in die Traditionen der Papier- Buch auswählen, diskutieren und sich dabei mit dem Fremden und den eigenen Vor- herstellung, des Setzens und Druckens, die urteilen auseinander setzen. Zwei Pilotgruppen gibt es im Raum Basel bereits, weitere man vor Ort gleich selbst ausprobieren kann. Zudem ist im Shop eine Fülle edler Papier- sind geplant. Das Projekt ‹Offene Bibliotheken› schliesslich will Gemeinde- und Quar- waren erhältlich. tierbibliotheken anregen, ein fremdsprachiges Sortiment für MigrantInnen anzubie- Dauerausstellung ‹Abenteuer Schrift›: Basler ten und sich aktiv um dieses Publikum zu bemühen – ein viel versprechendes Vor- Papiermühle/Papiermuseum, St. Alban Tal 37, haben, das freilich noch am Anfang steht. | Dagmar Brunner www.papiermuseum.ch
Die Neuerscheinungen sind im Buchhandel erhältlich. Infos: Kinderbuchfonds Baobab, Laufen- strasse 12, T 061 333 27 27, www.baobabbooks.ch Die aktuelle Kampagne von Terre des hommes Schweiz (➞Abb.) ist minderjährigen Hausangestellten gewidmet. www.terredeshommes.ch
DEZEMBER 2004 | PROGRAMMZEITUNG | 15 KUNST | HANDWERK | NATUR erdon v
NOTIZEN en Glasperlen. füllt oph Lehmann, Y oph Lehmann, t Edelsteine und Pinguine db. 165 AusstellerInnen aus dem In- und Aus- land haben sich zur diesjährigen Mineralien- o: Chris börse angemeldet und präsentieren Minera- Fot lien, Fossilien und Meteoriten sowie rohe und geschliffene Schmucksteine aus aller Welt, dazu Goldschmiedearbeiten, Werkzeuge und Fachliteratur. Die Sonderschau ist dem Thema ‹Schweizer Jura› gewidmet und bietet Einblick in dessen reichhaltige Fossilienwelt. Auf Wunsch kann das Publikum mitgebrachte Funde und Erbstücke bestimmen und kontrol- lieren lassen, z.B. von Fachleuten des Natur- ge mit Materialien e aus mundgeblasenen, historischen Museums. Dieses veranstaltet ett eine Woche später im eigenen Haus ein spezi- TRANSPARENT UND FILIGRAN Halsk elles Programm zum ‹Internationalen Tag der Glaskunst Behinderten›. Blinde, gehörlose oder sonstwie behinderte Kinder und Erwachsene erfahren Marianne Kohler kreiert fantasievolle Gebilde aus Glas, die nicht nur den Weihnachts- mit geeigneten Mitteln Vertiefendes zum baum aufwerten. Thema ‹Pinguine›, mit der sich auch die aktu- Wenn wir aus dem Fenster oder in den Spiegel schauen, denken wir nicht daran, dass elle Ausstellung befasst. Glas einmal etwas Flüssiges war und dass Glasmachen mehr ist als ein Handwerk … 35. Int. Basler Mineralien- und Fossilienbörse: Sie habe schon immer Glaskünstlerin werden wollen, sagt Marianne Kohler. Und hat Sa 4.12., 10.00—18.00 und So 5.12., 10.00—17.00, sich nicht mit einer einzigen Ausbildung begnügt. Der Lehrzeit als Apparate-Glasblä- Messe Basel, Halle 4.1, www.mineralien-basel.ch serin in Zofingen folgten ein Studium in Hüttentechnik an einem technischen College Tag der Behinderten: Fr 10.12., 14.00—18.00. Sonderausstellung ‹Unter Pinguinen›: bis So in England, dann ein Praktikumsjahr bei Maestro Gianni Toso in Murano/Venedig, ein 17.4.05 ➞S. 51. www.nmb.bs.ch hartes Fabrikjahr in der Glasi Hergiswil (als erste Frau inmitten stolzer Obwaldner Traditionalisten) sowie ein Jahr in verschiedenen US-amerikanischen Glasstudios, Andere Adventskalender Kleinbetrieben, in denen sie viel gelernt habe. Mit dieser Palette an Erfahrungen hätte db. Richard Reich ist ein vielseitiger Mensch sich die Bernerin schon in jungen Jahren problemlos selbständig machen können, mit Humor: Sportjournalist, ehemaliger Leiter aber das wollte sie (noch) nicht, weil eine Glasschmelze dauernd in Betrieb sein muss des Zürcher Literaturhauses, Autor und seit und man folglich ziemlich angebunden ist. Stattdessen professionalisierte sie ihre diesem Sommer auch Verleger. Zusammen mit der Kinderbuchlektorin und Journalistin künstlerische Ader, absolvierte die Fachklasse für Freie Kunst an der Schule für Ge- Gerda Wurzenberger hat er mitten in Zürich staltung Bern, zeichnete, malte, arbeitete in Wachs, machte Kunst am Bau – und hatte den Verlag Die Provinz gegründet, dessen Spe- Erfolg, wie verschiedene Preise, Ankäufe (u.a. vom Kunstkredit Basel-Stadt) und Aus- zialgebiet Adventskalender sind. Irgendwie stellungen im In- und Ausland beweisen. Daneben fand sie noch Zeit für eine Familien- ‹anders›, aber doch zur Jahreszeit passend gründung mit zwei Kindern. sollten sie sein, und das ist auf Anhieb gelun- Neues aus Altem gewinnen gen. Das erste Verlagsprogramm wird von fünf Heute arbeitet Marianne Kohler in erster Linie als freie Künstlerin und betreibt das bekannten Schweizer KünstlerInnen bestrit- ten, die vier Kalender für verschiedene Vorlie- Glasblasen als Broterwerb im eigenen Atelier und indem sie z.B. auf dem Ballenberg ben und Alter kreierten: Käthi Bhend einen ge- Kurse gibt. Seit 20 Jahren hat sie während der Herbstmesse auch einen Stand auf dem heimnisvollen Bild-Kalender, Hannes Binder Petersplatz, an dem sie ihre Glaswaren verkauft: Weihnachtskugeln und hängende Ob- und Klaus Merz einen anregenden Lyrik-Ka- jekte zu Dekorationszwecken, die freilich immer ein wenig besonders sind und genau lender, Brigitta Garcia Lopez einen schrägen darum auch eine treue Kundschaft haben. Weder kitschig noch pompös, sondern fröh- Schokoladen-Kalender (➞Coverfoto) und Car- lich, leicht, verspielt sind diese Figuren, die mit geometrischen oder Farbmustern ver- loni einen witzigen Sport-Kalender mit Zita- sehen sind, oft begleitet von liebevoll schrägen Tier- und Fabelwesen. ten. Sorgfältig gemacht, dürften sie auch Ad- Und dann ist da noch der Schmuck, den Marianne Kohler als Brücke zwischen Hand- ventsmuffeln gefallen. werk und Kunst bezeichnet: eigenwillige Halsketten, von denen es nie zwei gleiche Bhend: ‹Das Geheimnis der Eule›, CHF 28; Bin- gibt – wie überhaupt alle ihre Werke Unikate sind. Sie bestehen aus geblasenen und der/Merz: ‹Vom Himmel hoch›, CHF 28; Garcia Lopez: ‹Ein Flengel in der Backstube›, CHF 36; gedrehten, transparenten oder farbigen Glasperlen, die manchmal mit Bestandteilen Carloni: ‹Advent, Advent, das Flutlicht brennt›, aus altem Schmuck (Strass) oder Naturmaterial (Holz, Horn, Muschel) kombiniert CHF 28. Erhältlich im Buchhandel. werden. Grosse Perlen sind wegen des Gewichts hohl und haben meist ein Innenleben: www.advents-kalender.ch Papier- und Fotoschnipsel, Ballonfetzen, Gummibänder – so genannter ‹Abfall›, den Marianne Kohler in ihrem Alltag findet und kreativ rezykliert. Denn im Grunde möchte sie die Welt nicht mit noch mehr Überflüssigem belasten und lässt daher Neues vielfach aus Altem entstehen; aktuell z.B. witzige Engel aus Glasscherben –, aber auch anderes, an dem man sich ganzjährig erfreuen kann. | Dagmar Brunner
Glaswerkstatt Marianne Kohler, Oetlingerstrasse 69, T 061 692 64 34. Atelier-Ausstellung: Fr 10.12., 17.00 (Vernissage), bis Do 23.12., jeweils Mo bis Fr 14.00—18.00, Sa 11.00—17.00 Ausserdem: Einzelausstellung mit Glaskunst und Malerei bei Galerie Faucon, 23, Grand Rue, La Neuveville: bis Do 23.12., Di bis So 15.00—18.00
16 | PROGRAMMZEITUNG | DEZEMBER 2004 KULTURRÄUME eld eiräume: Gundeldinger F r e F Maschinenhallen, heut rüher Maschinenhallen, F
WO STADTENTWICKLUNG SPRIESST Vier Jahre Gundeldinger Feld als die Sulzer Burckhardt AG ihre Maschinenfabrik an die Gun- deldinger Immobilien AG verkaufte, die sie ihrerseits der Wie die Kantensprung AG eine Industriebrache in ein Quartier- ebenfalls neu gegründeten Kantensprung AG mit einem Bau- zentrum mit stadtweiter Ausstrahlung umwandelte. rechtsvertrag für 90 Jahre zur Umnutzung übergab. Matthias Die Kantensprung AG ist der Zeit immer ein wenig voraus. Ihr Scheurer über ein bemerkenswertes Stück Stadtentwicklung: vor vier Jahren begonnener erster Quantensprung, die Umnut- «Das Gundeldinger Feld ist heute, was die Maschinenfabrik zung des Gundeldinger Felds in einen quartierbezogenen Raum früher war: Ein Symbol der Zeit und ein Kristallisationspunkt für nachhaltige Arbeit, Freizeit und Kultur, ist noch nicht ein- im Quartier.» mal ganz abgeschlossen, da will sie Anfang 2005 in einer Vor- Gute Kontake mit Banken und Behörden ortsgemeinde bereits ein nächstes Projekt auf dem Areal einer Während er das ‹Feld› auf die Formel «Quartier-Zentrum mit Konkurs gegangenen Aluminiumfabrik in Angriff nehmen. Das stadtweiter Ausstrahlung» bringt, betont Barbara Buser die Um- ‹Walzwerk› in Münchenstein ist rund dreimal so gross wie das wandlung von einer «Blackbox» in einen öffentlich zugäng- Gundeldinger Feld, das mit seinen (zu 85 Prozent überbauten) lichen «Freiraum» mit einem markanten Kinderschwerpunkt, 12 700 Quadratmetern im zweitdichtest besiedelten Quartier der ein einmaliges Raumgefühl vermittle. Das Erfolgsrezept Basels bereits stattliche Ausmasse hat. Was hier entlang der setzt sich aus konsequenter Planung und Umsetzung sowie Bruderholzstrasse zwischen der Gundeldinger- und der Dor- guten Kontakten mit den «kooperationsbereiten» Banken und nacherstrasse in kurzer Zeit alles entstanden ist, ist schlicht be- den Behörden zusammen. Obwohl das Gundeldinger Feld wie eindruckend. ein wild spriessender Garten wirken mag, hat ihn die Kanten- 65 Mietparteien mit 220 Arbeitsplätzen zählen die Architektin sprung AG, die ihr Büro natürlich auch hier hat, getreu ihrem Barbara Buser und der Geschäftsführer Matthias Scheurer von Gesamtkonzept bepflanzen lassen: 50 Prozent der Nutzfläche der Kantensprung AG, die gleichzeitig Initiantin, Bauherrin sind für Büros und Dienstleistungsbetriebe reserviert, 20 Pro- und Verwalterin des Areals ist. Ausgewählt wurden sie nach zent für Werkstätten, Ateliers und Gewerbe und 10 Prozent für drei Kriterien. Barbara Buser, welche die Kunst der sanften Kultur und Veranstaltungen. Bleiben noch die 20 Prozent für Umnutzung bereits mit der Bauteilbörse und beim Unterneh- Wohnen, welche die Bauherrin zurzeit beschäftigen. Konkret men Mitte unter Beweis gestellt hat und seit fünfzig Jahren im geht es um die mit der Zonenplanung zusammenhängende Gundeli zuhause ist: «Unsere MieterInnen müssen entweder Frage, ob die von Kunstschaffenden und HandwerkerInnen etwas fürs Quartier tun, ökologisch ausgerichtet sein oder inte- zwischengenutzten Hallen 1 und 2 an der Gundeldingerstrasse grativ in jedem Sinne arbeiten.» Ob Umweltorganisation oder abgebrochen und Privatwohnungen erstellt werden sollen. Bar- Tonstudio, Trendbeiz oder Take-away, Billighotel oder Atelier, bara Buser dazu kurz und diplomatisch: «Wir sind momentan Spielaktion oder AusländerInnenverein – das ‹Feld› ist weit und am Abklären, ob das Sinn macht oder nicht.» wird mit der geplanten Eröffnung des Restaurants Blinde Kuh Heute kann die zentrale Kantenspringerin ohne zu zögern sagen: im Februar nächsten Jahres sowie einer Kletterhalle noch wei- «Für uns ist die Situation so, wie wir sie erträumt haben.» Auch ter. Nur einen Wunsch sieht Barbara Buser noch nicht erfüllt: in finanzieller Hinsicht: Man sei «absolut not for profit», also ein Kino, wie es der Filmpalast war oder das Neue Kino ist. weder rein noch überhaupt nicht kommerziell, und geniesse Symbol der Zeit das Vertrauen der InvestorInnen (je drei Pensionskassen und Das Gundeldinger Feld wurzelt tief in der Erde, die in der jüngs- drei Private). Matthias Scheurer fügt an, dass Umnutzungen ten Geschichte dreimal umgepflügt worden ist. Bis 1890 war oft scheiterten, weil die Banken kein Geld gäben und die Behör- hier tatsächlich ein freies Feld. Dann kam das Industriezeitalter, den das geltende Baureglement nicht uminterpretieren wollten das von der Kantensprung und Anverwandten im Mai letzten oder könnten. Basel sei in dieser Hinsicht eine positive Aus- Jahres mit dem Ausstellungsprojekt ‹Kompressionen› doku- nahme, sagt er mit Verweis auf zwei mit dem Gundeldinger mentiert und gewürdigt wurde. Und am 1. November 2000 be- Feld verwandte Projekte, den Werkraum Warteck pp und die gann, gemäss Matthias Scheurer, das postindustrielle Zeitalter, Ateliergemeinschaft Grenze, ohne die die Stadt um vitale Kul- turräume und Arbeitsstätten ärmer wäre. | Anna Wegelin
Gundeldinger Feld, Dornacherstrasse 192, T 061 333 70 70 [email protected], www.gundeldingerfeld.ch
DEZEMBER 2004 | PROGRAMMZEITUNG | 17 KUNST 2 00 s 2 te s ouver te or P
Überhaupt wollen die OrganisatorInnen der Reflexion, auch des eigenen Tuns, mehr Platz einräumen. Welchen Stellenwert ha- ben die Portes ouvertes für Basel und die Region? Geplant ist REFLEXION UND VERNETZUNG eine Dokumentation zum Thema. Auch die Organisation wird Portes ouvertes und Regionale neu strukturiert, es soll nicht länger für jede Ausgabe ein gänz- lich neues Team antreten. Die Portes ouvertes sollen zudem bes- Offene Ateliers und die grosse Jahresausstellung laden zu Be- ser in die Kunstlandschaft eingebunden werden, etwa indem an gegnungen mit der lokalen Kunstszene ein. der Regionale sichtbar gemacht wird, wer auch an den Portes Der Dezember ist der Monat des Traditionellen. Dazu gehören ouvertes teilnimmt. Mehr Kontinuität, mehr Reflexion, mehr nicht nur Sankt Nikolaus, Christkind und Grosseinkäufe, auch Vernetzung: die Ansätze sind viel versprechend. die Kunstwelt kennt ihre rituellen Termine. In Basel sind dies die Regionale und die Portes ouvertes. Letztere finden nur alle Chance zur Profilierung Ihre Befindlichkeiten reflektieren und die Zukunft diskutieren zwei Jahre statt, heuer zum 6. Mal, mit an die 200 Teilnehmen- will auch die andere Grossveranstaltung: die Regionale. Auf Ini- den. Die Regio hat dabei eine erfreuliche Zunahme erfahren. tiative des Medienforums Plug-in wurde eine Reihe von Thesen Nebst der Neugier auf das Arbeitsumfeld und die Begegnung an die Veranstaltenden verschickt und Feedback eingeholt. Auf mit Kunstschaffenden waren es vor zwei Jahren auch die Ate- dieser Basis soll an einem Podium mit VertreterInnen der Insti- liergespräche, die viel Publikum anlockten. Diesmal gibt es vier tutionen gemeinsam mit Publikum und Kunstschaffenden aus- solche Gespräche, an denen eingeladene Fachleute mit von ihnen gelotet werden, wohin sich die Regionale entwickeln will. Lange gewählten KünstlerInnen diskutieren. Zeit war sie eine vorweihnächtliche Jekami-Veranstaltung mit Kunst und Design dem Titel ‹Weihnachtsausstellung›, unter Peter Pakesch wan- Anders als bei der Regionale wird bei den Portes ouvertes auf delte sie sich zur (kontrovers rezipierten) Spartenshow. Vor fünf eine Jurierung verzichtet und auf die Eigendefinition als ‹Kul- Jahren entwickelte man die heutige dezentrale Form mit demo- turschaffende/r› gesetzt. Einerseits ermöglicht dies weniger kratischem Auswahlverfahren: Die Institutionen haben unter- bekannten KünstlerInnen den Schritt in die Öffentlichkeit, vor einander auszuhandeln, wer welche Werke zeigt. Dieses Jahr allem aber eine Erweiterung des Spektrums, das sich vermehrt sind es elf Ausstellungsorte in der trinationalen Regio, aus 500 in Richtung Design öffnet. Das Organisationsteam ist so inter- Dossiers wurden 182 Positionen eingeladen. disziplinär wie sein Gegenstand: Kunst- und Kulturgeschichte, Die Regionale hat keine Koordinationsstelle, die Organisation Bildende Kunst und Wirtschaftswissenschaften bilden den Hin- liegt bei Ehrenamtlichen und den Kunstvereinen BS und BL, die tergrund der ehrenamtlichen VeranstalterInnen. sich administrativ und finanziell am meisten engagieren. Die Erstmals initiieren sie ein Podiumsgespräch; sein Thema – demokratische Auswahl bringt Rollenprobleme mit sich, gerade Kunst und Design – ist nicht nur Reflex auf das Spektrum der für die beiden grossen Player, die Kunsthalle Basel und das Portes ouvertes, es ist in Kunstszene wie Designwelt virulent. Kunsthaus Baselland. Dass KuratorInnen ihre Wahl verhandeln Die GrenzgängerInnen zwischen den Disziplinen sind in der und mit wesentlich kleineren Mitspielern einen Konsens finden jüngeren Generation zahlreich – Sylvie Fleury, Matthew Barney, müssen, kann angesichts des erwähnten Engagements frus- Andrea Zittel, Nic Hess, Lang/Baumann, Boycottlettes ... die trierend sein. Zudem bedeutet das Verfahren einen Verlust an Liste wäre endlos. Längst hat sich die Diskussion von Kopier- Deutungshoheit. Man kann darin aber auch eine Chance zur vorwurf und Kommerzialisierungsverdacht verabschiedet und Profilierung der verschiedenen Kunsträume mit ihren unter- interessanteren Fragen – etwa nach Überschneidungen und Be- schiedlichen Konzepten sehen. | Sibylle Ryser einflussungen – zugewendet. So will auch das Organisations- team «nicht von einer Versus-Situation ausgehen», wie Gian- Portes ouvertes: Sa 4.12. (Kleinbasel, Riehen, Südbaden) und So 5.12. (Grossbasel, Baselland, Elsass), 11.00–19.00. Eröffnungsparty mit Bars, Cosimo Bove und Natascha Luraschi betonen. Fürs Podium DJs, Lounge und Performances: Fr 3.12., ab 21.30, nt-Areal. Podiums- geladen haben sie Mitglieder von Uni und HGK, JungdesignerIn- gespräch mit anschliessender Party: Sa 4.12., 20.00, nt-Areal. Infos: nen und Kunstschaffende. Mit von der Partie ist auch Klaus Litt- www.portesouvertes-basel.ch mann, bekannter Jongleur zwischen Kunst und Kommerz. Regionale 5: So 28.11. bis So 2.1.05, elf Veranstaltungsorte im Dreilän- dereck ➞S. 46, 48. Infos: www.regionale5.net Podium ‹Zukunft Regionale›: Do 2.12., 20.00, plug-in, www.iplugin.org
18 | PROGRAMMZEITUNG | DEZEMBER 2004 ARCHITEKTUR | KUNST | MEDIEN al 62 st ch von 19 ch von lege, Lie lege, f es NOTIZEN
Berg- und Talfahrt chulhaus A uh. Eine (Basler) Zeitschrift, zusammenge- onale Denkmalp z: S t stellt mit dem Ziel, dass sie wieder zerteilt an K chut wird, das ist Sodbrand. Die dreissig Postkarten
o: im Panoramaformat, vornedrauf ein Bild zum
Fot Thema, auf der Rückseite ein eigenständiger
onalem S Text, ergeben in ihrer Summe das Magazin. t
an Herausgetrennt sprechen seine Einzelteile für sich, gemeinsam beleuchten sie zweimonat- er k t lich einen Gegenstand von verschiedenen Sei- Un ten, z.B. ‹Fieber› (Nr. 1) oder ‹Fleisch› (Nr. 2). Bild und Text bestehen unabhängig voneinan- der und bilden trotzdem eine untrennbare Ein- SCHÖNHEIT UND SUBSTANZ heit. Ein/e Fotograf/in ist jeweils für die bild- 35 Jahre Denkmalpflege Baselland liche Umsetzung des Themas verantwortlich, das bewusst offen gehalten ist. So bleibt das Mit einer ungewöhnlichen Jubiläumsschrift vermittelt die Baselbieter Denkmalpflege Spektrum der Texte breit. Einzelne erklimmen Einblicke in ihre Arbeit. qualitative Höhen, andere verharren im Tal. Gleich drei Jubiläen feiert dieses Jahr die Denkmalpflege Basel-Landschaft: ihr 35- Überraschendes ist Programm. Nicht alles soll jähriges Bestehen, die erste Schutzverordnung vor 40 und die erste staatliche Kom- leicht verdaulich sein – Sodbrand wird als Ne- mission vor 80 Jahren. Grund genug also, innezuhalten und sich eine ‹Denk-Mal- benwirkung in Kauf genommen. Pause› zu gönnen. Dass dies in adäquatem Rahmen geschehen und von bleibendem Sodbrand Nr. 3 zum Thema ‹Alpen›: ab Do 2.12., 20.00 (Vernissage), Bar Rouge, Messeturm. Charakter sein soll, versteht sich. Was also liegt näher, als ein Buch zu kreieren, das die Danach gratis in ausgewählten Lokalen oder Leistungen der vergangenen Jahre illustriert? für CHF 18.60 im Buchhandel erhältlich. Dieses liegt nun vor und verrät gleich auf den ersten Blick, dass es nicht das ist, was www.sodbrand.com
Spötternaturen gerne gehabt hätten. Weder ein klassizistisches Schlösschen, noch ein Ausserdem neu: ‹Der Anker›, das «Stadtblatt putziger Riegelbau ziert das Titelbild. Ganz und gar unspektakulär präsentiert sich der für Alltagskultur» im traditionellen Zeitungs- Umschlag dieser Jubiläumsschrift, eher bodenständig sogar und ein wenig hemdsärm- format, s/w, mit essayistischen Texten, Kolum- lig. Zu sehen sind ein bewaldeter Hügel mit der Skizze eines Häuschens, auf der Rück- nen, Kurzgeschichten, Fotos und Comics. Nr. 1 seite ein unfertiger Raum mit offenem Farbkessel und Kabelrolle. Auch das Inhalts- (6/04) zum Thema ‹Fussball›, Nr. 2 (10/04) ‹Wurst und Brot› zur Herbstmesse. Erscheint verzeichnis fällt aus dem Rahmen der Vorurteile. Zwar wimmelt es darin von ca. alle 3 Monate und ist kostenlos erhältlich. Denkmälern, diese aber lauten: ‹Denk-Mal: Erinnerungen›, ‹Denk-Mal: Geschmacks- www.deranker.ch fragen› oder auch ‹Denk-Mal: Hoffnungen› und entpuppen sich als kurze Pausen, die – an jedes Kapitel anschliessend – eine Art Reflexions-Plattform bieten. Hier kommen Experiment Grafik Betroffene, Handwerker, Insider oder einfach Beobachtende zum Zug und äussern uh. Wenn die Freitag-Taschen-Brüder, Roger sich mal kritisch, mal lobend zu den verschiedenen Themen. de Weck und Kuno Lauener einer Zeitschrift zur 25. Ausgabe gratulieren, dann ist über deren Heikle Gratwanderung Form, Inhalt und Ausdauer schon einiges ge- Das Buch sollte keinesfalls eine «schulterklopfende Festschrift» werden, forderte die sagt: Grafik, Text und Coolness kombiniert, er- kantonale Denkmalpflegerin Brigitte Frei-Heitz. Vielmehr wollte man vergangene gebe ‹soDA›, das selbsternannte «magazine Meilensteine zusammen mit der interessierten Öffentlichkeit Revue passieren lassen, for mental lifestyle». Viermal jährlich richtet sich bewusst kontroversen Meinungen aussetzen. Für die nötige Distanz sorgte dabei sich die in Zürich domizilierte Redaktion an der Historiker und Publizist Daniel Hagmann. Als Projektleiter und Verfasser einer «Leserinnen und Leser mit Interesse und Neu- Mehrzahl der Texte hat er zusammen mit Schreibenden der Denkmalpflege ein Buch gier für die visuelle Kultur». Auch der Werber- zirkel Art Directors Club Schweiz hat seine geschaffen, das sowohl interessierte Laien als auch SpezialistInnen anzusprechen ver- Freude am Magazin und zeichnete es im ver- mag. Mit zahlreichen Beispielen angereichert, sind die Texte publikumsnah, jedoch gangenen Jahr mit einer Goldmedaille in der nicht populistisch-anbiedernd geschrieben. Kategorie Design aus. Alles Gold, was glänzt? Angefangen mit einem geschichtlichen Rückblick auf die letzten 80 Jahre, befassen sie Die grafische Gestaltung des Hefts, eine Spiel- sich im zweiten und umfangreichsten Teil mit Themen und Methoden der heutigen wiese für Berufsleute, ist dem Text eine gleich- Denkmalpflege. Deutlich wird dabei die wackelige Gratwanderung der denkmalpflege- wertige, herausfordernde Partnerin. Die Jubi- rischen Arbeit, die einerseits schützerische Absichten zu verfolgen hat, andererseits läumsausgabe zeigt: Der Text folgt häufig der aber die Entfaltung der lebenden Bevölkerung nicht blockieren darf. In Allschwil bei- Ästhetik und ist nicht immer von derselben spielsweise, wo der Ortsbildschutz-Gedanke besonders augenfällig wird, kommt eine souveränen Lockerheit (zum Beispiel der Per- Arbeitsgruppe zur Überzeugung: «Wenn bauliche Veränderungen oder gar Ersatzneu- sien-Reisebericht). Risiko und Experiment im- bauten nötig sind, dann sollen diese unsere Zeit ausdrücken können.» Was dereinst plizieren auch die Möglichkeit des Scheiterns. soDA Nr. 25, ‹Illustré›, 112 S., farb., br. CHF 18. von unserer Zeit geschützt werden wird, kann oder soll, ist ein Thema, das der letzte Jahresabo CHF 80 (beinhaltet drei Ausgaben Teil des Buches aufnimmt. Hier werden verschiedene Szenarien skizziert, die zwar zu je CHF 18 und eine limitierte Spezialaus- nicht vollkommen unrealistisch sind, trotzdem aber ein leichtes Schmunzeln hervor- gabe zu CHF 50). www.soda.ch rufen, vor allem aber zum Nachdenken anregen. | Barbara Lenherr Wenger
‹Vom Schönen zum Substantiellen — Die Entwicklung der Denkmalpflege im Kanton Basel-Land- schaft seit ihren Anfängen›, Kommission Quellen und Forschungen, Band 86, Verlag des Kantons Basel-Landschaft, 2004. 180 S., Abb., geb., CHF 34, ISBN 3-85673-279-9
DEZEMBER 2004 | PROGRAMMZEITUNG | 19 1:1RDCKNEWS NewsletterNewsletter desdes RRFFV (Rockförderverein der Region Basel) , / tRockfo, derver ein dc; RFV.MitgliedeiRFV-Mitglieder wwollenollen rm mehreh r Lo Lobbyingbbying 1=te Mitte November feierte der RFV sein zehnjährigesiori Bestehen mit einem Jubiläumsapero in der Kuppel. Bei dieser Gelegenheit konnte der RFV seinem Mitarbeiter und frisch gewählten SP-Grossrat Tobit Schäfer zur Wahl gratulieren. Überhaupt waren die Grossratswahlen ein Erfolg für die Kulturszene: gewählt wurden mit Tino Krattiger (SP) und Conradin Cramer (LDP) zwei weitere Exponenten aus dem Referendumskomitee gegen das neue Gastgewerbegesetz.
Andere Vertreterinnen aus dem Kreis von Kulturstadt Jetzt liegen weit vorne auf nachrückenden Plätzen und dürften in den nächsten Jahren ebenfalls ins Parlament einziehen. Zwar können von den Gewählten kurzfristig noch keine Wunder erwartet werden, der Trend aber ist klar: die Stimme der urbanen Kultur ist in Zukunft in der Politik stärker vertreten. Kulturfeindliche Parlamentsentscheide wie das neue Gastgewerbegesetz sind mit der generellen Verjüngung des Rates weniger wahrscheinlich geworden.
Die im Sommer durchgeführte Mitgliederumfrage stellt dem RFV insgesamt ein gutes Zeugnis aus. Der Förderungsgedanke ist bei den Mitgliedern verankert, besonders geschätzt wird der RFV als Anlaufstelle für Szeneinfos. Über 80 Prozent der Antwortenden beurteilen die Arbeit des RFV als gut bis sehr gut. Aber es gibt auch kritische Stimmen: ein Viertel der Antwortenden sind der Ansicht, der RFV habe ihnen persönlich «ausser viel Papier nichts» gebracht.
Als verbesserungswürdig bezeichnet werden das Lobbying und die Kommunikation. Für die Zukunft wünschen sich die Mitglieder mehr Einsatz für Auftrittsmöglichkeiten und eine Intensivierung der Lobbyarbeit. Mit der Vertretung im Grossen Rat ist hier ein Anfang gemacht. Die detaillierten Resultate der Umfrage sind auf der inzwischen ausgebauten und neu gestalteten Website www.rfv.ch publi- ziert. Das RFV-Team wird sich im Januar eingehend mit der Umfrage befassen und auf die Resultate reagieren.
ock- Prominenz am RFV-Aparo
ausbeuten- baz
Kulturpolitik im negativen Sinne betreibt die Basler Zeitung mit ihrem Entscheid, die täglichen Einträge im Veranstaltungskalender kostenpflichtig zu machen. Die Unterstüt- zung der regionalen Kulturszene scheint im gross angekündigten Kulturmagazin leider nicht viel zu gelten. Über 100 regionale Kulturbetriebe haben ihre Empörung in einem ganzseitigen baz-Inserat deutlich gemacht. Auch der RFV hat sich der Protestaktion an- geschlossen — in der Hoffnung, dass die baz doch noch Vernunft annimmt und auf ihren Entscheid zurückkommt.
Danach sah es beim Redaktionsschluss dieser Roclmews es allerdings nicht aus: die baz hat alle Kompromissvorschläge abgelehnt, unter anderem auch die Datenübernahme aus dem Internet-Kalender der ProgrammZeitung. Die Daten hätten ohne redaktionellen Aufwand für die baz bezogen werden können, so wie es der RFV für die eigene Website macht. Die Sturheit der baz lässt den betroffenen Veranstalterinnen und dem Publikum nur die Suche nach Alternativen: Neben dem Monatskalender bietet die Programmzei- tung den Kultur- und Ausgehinteressierten unter www.programmzeitung.ch/heute einen täglichen Ausgehkalender. Bleibt die Frage, wie es finanziell und inhaltlich um eine Ta- geszeitung bestellt ist, die sich diesen Service nicht mehr leisten will — oder kann? "ASLER "AND #OMPILATION DES 2&6
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