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HANDBUCH ZUR UMGESTALTUNG DES LUEGER-DENKMALS HANDBOOK FOR A REDESIGN OF THE LUEGER MONUMENT

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Impressum

Eigentümer, Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus Redaktionsleitung: Jasmina Hirschl, Lilly Panholzer Redaktion: Ruben Demus, Lukas Frankenberger, Jakob Glasner, Veronika Kocher, Alexander Korab, Martin Krenn, Georg Wolf 1010 Wien, Oska-Kokoschka-Platz 2 Übersetzung: Tim Sharp, Marina Brandtner Lektorat: Martin Betz, Armin Baumgartner

Verein „Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus“: Ruben Demus, Lukas Frankenberger, Jakob Glasner, Jasmina Hirschl, Veronika Kocher, Alexander Korab, Martin Krenn, Lilly Panholzer, Georg Wolf Mitwirkende: Sabine Duschnig, Iris Hummer, Mona Liska, Ursula Malina, Elke Elisabeth Reiserbauer, Michaela Scheiflinger, Peter Schlager, Daniel Stuhlpfarrer, Elena Waclawiczek, Paul-Lukas Wagner, Maria Wambacher Das Projekt wurde an der Universität für Angewandte Kunst in der Klasse Kunst und kommunikative Praxis (Barbara Putz-Plecko) im Rahmen der von Martin Krenn geleiteten Lehrveranstaltung „Wider das Vergessen“ entwickelt und umgesetzt.

1. Auflage 2011 © Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Abdrucks oder der Reproduktion einer Abbildung, sind vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheber_innenrechtlich geschützt. Jede Verwendung ohne Zustimmung des Arbeitskreises ist unzulässig. Die Bildrechte der eingereichten Projekte liegen bei den Teilnehmenden. Abb. S. 172: Rudolfine Lackner; Abb. S. 189: Denkmalpflege GmbH; Abb. S. 197, 203: Filmarchiv Austria

Umschlagbild: © Laurenz Feinig, Lilly Panholzer 2010 Layout und grafische Gestaltung: Ursula Malina Druck: flyeralarm.at, 2351 Wr. Neudorf

ZVR: 662773619

www.luegerplatz.com

2 INHALT / CONTENT

04 VORWORT Matthias Reichelt 10 FOREWORD  #ÐNAEJAREOQAHHA&NNEP=PEKJ=HOJH=OOVQN/AŃATEKJ  &J#=RKQNKB=3EOQ=H&NNEP=PEKJ=O$NKQJ@OBKN/AŃA?PEKJ 14 HANDBUCH ZUR UMGESTALTUNG 15 HANDBOOK FOR A REDESIGN Heide Hammer, Kurto Wendt 110 „Scheiß auf Kunst, ich will Revolte.“ Harald D. Gröller 115 „Fuck art, I want revolt.“ 16 Die vielen Facetten des Personenkults um Karl Lueger 18 The many facets of the Karl Lueger personality cult Ljubomir Bratic 124 Zum vergangenen und gegenwärtigen Populismus Zusammengestellt von Alexander Korab 129 On Past and Present Populism 20 Facetten in Zitatform Eva Blimlinger Hannes Leidinger, Verena Moritz 138 Karl Lueger, 3,5 Grad und der Denkmalschutz 22 Antisemitismus in Österreich – Ein Überblick 143 Karl Lueger, 3,5 Degrees and the Protection of Monuments 28 Anti-Semitism in Austria – An Overview Ein Gespräch der / a discussion by „Plattform Geschichtspolitik“ Heidemarie Uhl 154 Die Bausubstanz angreifen 38 Aus dem Lot. 160 Attacking the Fabric !AJGI¼HANQJ@NAŃATERA"NEJJANQJCOGQHPQN 45 Out of True. Jasmina Hirschl, Elisabeth Kittl, Veronika Kocher,  *KJQIAJPO=J@/AŃA?PERA*AIKNE=H QHPQNA /Q@KHłJA)=?GJAN )EHHU-=JDKHVAN  !AN,LAJ =HH@AON>AEPOGNAEOAOVQNĽ2ICAOP=HPQJC@AO Aleida Assmann Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus 56 Ein Weckruf im Herzen der Stadt und Rassismus“ zu phallusartiger Manier Interventionen rund um das Karl-Lueger-Denkmal in Wien  1DA,LAJ =HHKBPDA-NAOOQNA$NKQLPK/A@AOECJPDA  4=GAQL =HHEJPDA%A=NPKBPDA EPU Lueger Statue into a Monument against Anti-Semitism  &JPANRAJPEKJO KJ?ANJEJCPDA(=NH)QACAN*KJQIAJPEJ3EAJJ= and Racism about Phallus-like Manner. Verena Krieger 68 Prinzip Palimpsest 184 UNTERSTÜTZER*INNENSTATEMENTS / SUPPORTERS Künstlerische Strategien zur Transformation problematisch gewordener Denkmäler 197 PRESSE 75 The Palimpsest Principle Artistic Strategies for Transforming 208 EINREICHUNGEN / SUBMISSIONS Monuments that Have Become Problematic 286 REGISTER Interview mit / with Diedrich Diederichsen 86 Die Politik des Monuments: 288 DANKSAGUNG Naturalismus, Minimalismus und ihre Alternativen 90 The Policy of the Monument: Naturalism, Minimalism and its Alternatives

3 VORWORT

Mitten im ersten Bezirk Wiens steht an prominenter Stelle seit 1926 ein Denkmal zu Ehren des ehemaligen Wiener Bürgermeisters und Anti- semiten Dr. Karl Lueger. Dieses Denkmal steht symptomatisch für den österreichischen Umgang mit der Geschichte des Antisemitismus und Rassismus.

Seit dem Frühjahr 2009 setzen wir uns als Arbeitskreis Eine weitere Parole, mit der Lueger warb, lautete: „Wien für die Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahn- ist deutsch und muss deutsch bleiben.“2 Die Umgangs- mal gegen Antisemitismus und Rassismus ein. Um dem sprache, durch die die Nationalität im Vielvölkerstaat defi- Anliegen Nachdruck zu verleihen, schrieben wir einen niert wurde, bildete dabei den Ausgangspunkt seiner internationalen Open Call aus. Politik: Nicht deutsch sprechenden Wiener_innen wurde energisch abverlangt, die deutsche Sprache zu gebrau- chen. Auch veranlasste Lueger eine Ergänzung des Wie- BEDEUTUNG KARL LUEGERS ner Einbürgerungsgesetzes von 1890. Dem Einbürge- Antisemitismus hat in Wien eine lange Tradition, die weit rungspassus wurde der Eid der Bewerber_innen hinzu- vor die Zeit des Nationalsozialismus zurückreicht. In den gefügt, „den deutschen Charakter der Stadt nach Kräften 3 1880er Jahren erkannte der Jurist Dr. Karl Lueger die aufrecht“ zu erhalten. Außerdem wurde die Zeremonie Wirkungskraft einer demagogisch-rhetorisch eingesetz- des Bürgereides im Rathaus mit einer feierlichen Bekräf- ten „Judenfeindlichkeit“ und nützte sie für seinen Auf- tigung des Grundsatzes, dass Wien eine deutsche Stadt stieg zur Macht in Wien. Der Antisemitismus als Konglo- sei, verbunden. merat verschiedenster Strömungen, die sich in der Christ- Am Stubenring steht das größte der für Lueger gebau- lichsozialen Partei bündelten, brachte Lueger schließlich ten Denkmäler. Es verherrlicht seine Leistungen und von 1897 bis 1910 in das Amt des Wiener Bürgermeisters. verschweigt seine antimagyarische und antisemitische Lueger propagierte, dass die katholische Kirche „Schutz Haltung und Propaganda. und Schirm gegen die jüdische Unterdrückung“ sei und Gestaltet wurde das Denkmal von dem Bildhauer Josef „das christliche Volk von den schmachvollen Fesseln der Müllner (1913 geplant, aber erst 1926 errichtet), der auch Judenknechtschaft befreien“ werde.1 den mittlerweile versetzten und umgestalteten „Sieg- friedskopf“ in der Universität Wien (ehemaliger Neonazi-

1 Vgl. Rede Luegers von 1899 in „Weiningers Versammlungsplatz und bis heute traditioneller Burschen- Nacht“, Europa-Verlag, Wien 1989 schafter-Treffpunkt) und eine Hitler-Büste für die Aula 2 zitiert nach Hamann 1998, S. 429. 3 ibd. der Akademie der bildenden Künste anfertigte.

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Passant_innenbefragung am 25. Mai 2009

Durch die Pflege und Duldung des Denkmals wird das Der Personenkult rund um Lueger findet sich im heutigen Wirken Luegers verharmlost. Sein Antisemitismus und Stadtbild auch noch an anderen Stellen. So ist ein Teil seine Demagogie werden bis heute kaum thematisiert. der Wiener Ringstraße nach ihm benannt, und es exis- tieren zahlreiche weitere Lueger-Denkmäler in und außer- Evelyn Polt-Heinzl macht den Umstand der mangelnden halb von Wien. Aber nicht nur sein Name und Abbild, österreichischen Selbstreflexion in ihrem Artikel „Er hat auch seine Rhetorik wirkt bis in die Gegenwart hinein. seine Fehler, aber er ist ein Genie“ in der „Neuen Zürcher So findet sich zum Beispiel der Slogan der rechtspopu- Zeitung“ deutlich: listischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) „Wien „Dass im traditionell roten Wien Wahlen anstehen, ist eine darf nicht Istanbul werden“ schon bei Lueger, nur hieß es Erklärung, aber keine Entschuldigung dafür, dass noch damals „Groß-Wien darf nicht Groß-Jerusalem werden“. 2010 Luegers politische Instrumentalisierung des Antise- mitismus, also ein Indiz politischer Unmoral, mit dem non- chalanten Verweis, er sei eigentlich „gar nicht so“ ge we- 4 Evelyn Polt-Heinzl in „Er hat seine Fehler, aber er ist ein Genie“, am 29. April 2010, www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/er_hat_ sen, zum entlastenden Argument uminterpretiert wird.“4 seine_fehler_aber_er_ist_ein_genie_1.5588712.html (21. 5. 2011)

5 VORWORT

/ "&10(/"&0 ,-"+ ))2+!!&0(200&,+ „Der Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denk- mals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassis- mus in Österreich“ wurde an der Universität für Ange- wandte Kunst in der Klasse Kunst und kommunikative Praxis im Rahmen der von Martin Krenn geleiteten Lehr- veranstaltung „Wider das Vergessen“ im März 2009 gegründet. Unter dem Motto „Wir gestalten für Sie um“ stellten wir am 25. Mai 2009 mittels einer großen fahrbaren Werbe- tafel die baldige Umgestaltung des Lueger-Denkmals am Lueger-Platz in Aussicht. Dazu interviewten wir Passant_innen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen, wie die Öffentlichkeit auf einen solchen Vorschlag reagiert. Am 9. Dezember 2009 lud der „Arbeitskreis zur Umge- staltung des Lueger-Denkmals“ zu einem Pressegespräch zur Eröffnung des Open Calls. Hier sprachen unter an- deren auch prominente Unterstützer_innen des Vorha- bens wie Gerald Bast (Rektor der Universität für ange- wandte Kunst Wien), Lisl Ponger (Künstlerin), Doron Rabinovici (Schriftsteller und Historiker), Heidemarie Uhl (Historikerin) und Verena Krieger (Kunsthistorikerin). Der Open Call lud im Sinne einer „sozialen Plastik“ Inte- ressierte ein, ihre Umgestaltungsideen einzureichen und öffentlich zur Diskussion zu stellen. Da die Stadt Wien bis heute weder den oft diskutierten Lueger-Ring umbenannte, noch irgendwelche kritische Kommentierungen am Lueger-Denkmal vornahm, soll(te) der Open Call auch Druck auf die Verantwortlichen aus- üben und der Stadtregierung die Chance bieten, sich neu zu positionieren.

Passant_innenbefragung am 25. Mai 2009

6 207¶$"!"0,-"+ ))0 Bis zum Einreichschluss am 31. März 2010 gingen schließlich 220 Einreichungen ein. Der Großteil kam aus „Politiker_innen, die sich des Antisemitismus bedienen, Österreich, ein Viertel aus europäischen Ländern, drei dürfen nicht durch Denkmäler geehrt werden. Die Tat- Vorschläge erreichten uns aus den USA. sache, dass es passiert, soll aber auch nicht verschwie- gen werden. Deshalb fordert der Arbeitskreis, dass das Eine Jury, bestehend aus Aleida Assmann (Literatur- und Wiener Denkmal für Altbürgermeister Lueger nicht ein- Kulturwissenschaftlerin, Universität Konstanz), Gerald Bast fach abgerissen, sondern in ein Mahnmal gegen Antise- (Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien), Eva mitismus und Rassismus in Österreich umgebaut wird.“ Blimlinger (Historikerin, Universität für angewandte Kunst Wien), Felicitas Heimann-Jelinek (Chefkuratorin Jüdisches Die Ausschreibung für die Umgestaltung des Lueger- Museum Wien), Johanna Kandl (Künstlerin, Universität Denkmals stellte folgende Bedingungen: „Das Mahn- für angewandte Kunst Wien), Lisl Ponger (Künstlerin), mal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich Doron Rabinovici (Schriftsteller und Histo riker) und Mit- soll Karl Lueger als historische Person thematisieren. gliedern des Arbeitskreises (eine Stimme), prämierte Am Lueger-Platz soll ein Mahnmal entstehen, das sich schließ lich den Entwurf „Schieflage“ des Künst lers Kle- gegen jede Form antisemitischer und rassistischer Agi- mens Wihlidal. tation wendet. Sowohl die historischen Umstände als auch die gegenwärtige Situation können hierbei zum Seine Einreichung sieht vor, Statue und Sockel um Gegenstand des umgestalteten Lueger-Denkmals wer- 3,5 Grad nach rechts zu neigen. Die Jury begründet ihre den.“ Entscheidung damit, dass der Entwurf die Unsicherheit der Stadt Wien im Umgang mit Karl Lueger verdeutliche und Der Open Call löste ein großes Medienecho aus. Es folg- den aktuellen Stand der Diskussion zeige. Die Schiefl age ten zahlreiche Radio- und Fernsehauftritte des Arbeits- verweist auf den problematischen Umgang der Stadt kreises sowie Treffen mit Journalist_innen aus Öster- Wien mit ihrer antisemitischen Vergangenheit. Durch den reich, Deutschland und den USA. Eingriff wird der vertikale Charakter des Monuments gebrochen und der Mythos um Lueger als Vaterfigur Wiens hinterfragt.

Erfassen der Einreichungen

7 VORWORT

Interne Jurysitzung Offizielle Jurysitzung (Arbeitskreis: eine Stimme)

Die Presseaussendung mit dem Titel „Lueger-Denkmal Lueger politisch instrumentalisierten Antisemitismus, soll gekippt werden“5 sorgte erneut für reges Medien- lehnte aber gleichzeitig eine Umgestaltung oder Umbe- interesse, und schon bald diskutierte Wien darüber, wann nennung ausdrücklich ab. Die FPÖ forderte nicht sehr das Lueger-Denkmal denn nun gekippt werde. Die Grünen überraschend: „Lueger-Denkmal darf nicht anger ührt wer- befürworteten die Umsetzung des gewählten Vorschla- den“.6 ges im Wiener Wahlkampf. Bürgermeister Häupl (SPÖ) konnte sich eine Schiefstellung nicht vorstellen, sprach Kurz vor den Wahlen in Wien äußerte sich Kulturstadtrat sich aber immerhin für das Aufstellen einer erklärenden Mailath-Pokorny in einem Zeitungsinterview sehr positiv Tafel beim Denkmal aus. Die ÖVP betonte die Wichtigkeit über den Vorschlag der Schiefstellung des Lueger-Denk- einer historischen Kontextualisierung bezüglich des von mals.

6 Vgl. „Lueger-Denkmal darf nicht angerührt werden“, APA-OTS, 5 Vgl. „Lueger-Denkmal soll gekippt werden“, APA-OTS, 12. 5. 2010, www.ots.at/presseaussendung/OTS_20100512_ 12. 5. 2010, www.ots.at/presseaussendung/OTS_20100512_ OTS0183/fp-matiasek-lueger-denkmal-darf-nicht-angeruehrt- OTS0126/lueger-denkmal-soll-gekippt-werden werden

8 STADT WIEN UND BÜROKRATIE Zeitgleich veröffentlichten wir alle eingereichten Umge- staltungsvorschläge auf unserer Website. Der Arbeitskreis nahm infolge der Ereignisse Kontakt mit der Kulturabteilung der Stadt Wien auf, welche sich Die Medien reagierten auf diese Aussendung mit zahl- anfangs sehr interessiert zeigte. Für die Finanzierung reichen Artikeln und Interviews, wo über Für und Wider könne bei KÖR (Kunst im öffentlichen Raum Wien) an- der Schiefstellung spekuliert wurde. Im Gegensatz dazu gefragt werden. schwiegen die verantwortlichen Politiker_innen – und das tun sie bis heute. Bei einem späteren Treffen mit der Kulturabteilung hieß es dann aber, bevor mit den nötigen Vorarbeiten begonnen Wir wollen durch die Publikation eine weitere öffentliche werden könne, müsse das Bundesdenkmalamt für die Diskussion anregen, um, gemeinsam mit unseren Unter- Umgestaltung sein Einverständnis geben. Über die Eigen- stützer_innen, die Umgestaltung des Lueger-Denkmals tumsverhältnisse bezüglich des Denkmals konnte keine herbeizuführen. Auskunft gegeben werden. Die harmlose Fassade, die das Lueger-Denkmal bisher Der Landeskonservator für Wien setzte uns davon in umgab, wurde jedenfalls durch den Open Call bereits Kenntnis, dass er für eine Schiefstellung keine Genehmi- nachhaltig beschädigt.// gung in Aussicht stellen könne. Die Begründung: „Das Erscheinungsbild des Lueger-Denkmals würde dadurch nachhaltig beeinträchtigt.“ Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich Um die Absage schriftlich zu erhalten und die nächsthö- Ruben Demus, Lukas Frankenberger, Jakob Glasner, Jasmina here Instanz, das BMUKK (Bundesministerium für Un- Hirschl, Veronika Kocher, Alexander Korab, Martin Krenn, Ursula Malina, Lilly Panholzer, Georg Wolf terricht, Kunst und Kultur) mit dem Anliegen zu konfron- tieren, versuchten wir dennoch einen Antrag zu stellen. Daraufhin wurden wir vom Bundesdenkmalamt informiert, dass nur die Eigentümerin des Denkmals, die Stadt Wien, einen Antrag stellen könne. Der Arbeitskreis entschied sich, die Gemeinderatswah- len am 10. Oktober 2010 abzuwarten. Die neu gebildete Koalition zwischen den Grünen und der SPÖ schien für unser Projektvorhaben die ideale Konstellation. Am Tag der Koalitionserklärung verfassten wir folgende Presse- aussendung: „Umgestaltung des Lueger-Denkmals steht nichts mehr im Wege! Der Arbeitskreis zur Umgestal- tung des Lueger-Denkmals beglückwünscht die neue rot-grüne Stadtregierung und fordert sie auf, aktiv zu werden. (...) Nun ist der Zeitpunkt gekommen zu han- deln. Die Stadt Wien muss als Denkmal-Eigentümerin beim Bundesdenkmalamt einen Antrag stellen ...“

9 FOREWORD

Since 1926 a monument in honour of former mayor of political strategy: non-German-speaking Viennese were Vienna and noted anti-Semite Dr. Karl Lueger has occu- vigorously pressurized into using German. pied a prominent site in the middle of the city’s first Lueger also instigated changes in the Vienna naturalisa- district. This monument is symptomatic of the way in tion laws of 1890. The provisions stated that anyone who which the history of anti-Semitism and racism is dealt wished to become a citizen of Vienna had to have a with in Austria. spotless police and business record, have a fixed abode Since spring 2009 we have been working as a pressure in Vienna for ten years and be able to prove that they group towards changing the Lueger monument into a had paid their taxes for the same length of time. They monument against anti-Semitism and racism. In order to had to be economically self-supporting and swear an emphasise the importance of our concern we organized oath to the mayor “that they would fulfil all the duties of an international Open Call. a citizen as laid out in the municipal laws and, to the best of their knowledge and abilities, they would work to- wards the well-being of the municipality”. An addition was 0&$+&#& + ",#(/))2"$"/ made to this passage in the oath: “and to do everything Anti-Semitism has along tradition in Vienna that stretches in their power to uphold the German character of the back to well before National Socialism. In the 1880s law- city”2. Furthermore, the ceremony of taking the citizen’s yer Karl Lueger realized how effective an anti-Jewish oath in the City Hall was bound up with a formal declara- position could be in demagogic speeches and used it to tion of the principle that Vienna was a German city. further his political career. It was anti-Semitism – a com- The monument on Stubenring is the largest that was posite of various currents that came together in the built to him. It glorifies his achievements and is silent Christian Socialist Party – that finally brought Lueger to about his anti-Hungarian and anti-Semitic attitudes and power and made him mayor of Vienna from 1897 to propaganda. The monument was designed by sculptor 1910. Josef Müllner – planned in 1913, but actually built in Lueger propagated that the Catholic Church was “ref- 1926 – who also made the Siegfried head sculpture in uge and shield against Jewish oppression” and that it the University of Vienna, a former neo-Nazi meeting would “liberate a Christian people from the ignominious place and which has remained so for the duelling stu- chains of servitude to the Jews”. A further slogan used dent societies even today. In the meantime, though, it by Lueger was “Vienna is German and must remain Ger- has been moved and redesigned. Müllner also made a man”.1 The vernacular that defined nationality in the multi- bust of Hitler for the assembly hall of the Academy of ethnic Habsburg empire formed the starting point for his Fine Arts in Vienna.

1 Quoted from Hamann 1998, 429. 2 ibd.

10 By tolerating and maintaining the monument Lueger’s  1&,+ ,-"+ ))+!!&0 200&,+ influence is played down. Even today, his anti-Semitism The Pressure Group to Transform the Lueger Monument and demagogy are almost never a subject of debate. In into a Monument against Anti-Semitism and Racism her article “Er hat seine Fehler, aber er ist ein Genie [He was constituted in March 2009 at the University of Ap- has his faults but he’s genius]” in the “Neue Zürcher plied Arts by the Art and Communication Practices class Zeitung” Evelyn Polt-Heinzl indicates clearly the circum- during a course headed by Martin Krenn with the title stances of this lack of Austrian self-reflection: “Wider das Vergessen [Forgetting once again]”. “That there are up-coming elections in traditionally red On the 25 May 2009, with the slogan “We are renovat- Vienna is an explanation but not an excuse for the fact ing for you” written on a mobile advertising hoarding, we that still, in 2010, Lueger’s political instrumentalization held out the prospect of redesigning the Lueger monu- of anti-Semitism, i.e. an indication of political immorality, ment in the near future. In conjunction with that, we continues to be dealt with by the nonchalant retort that made interviews with passers-by in order to get an im- he “wasn’t like that” really and this is reinterpreted into pression of how the public reacted to the proposal. an exonerating argument.”3 On the 9 December 2009, the Pressure group held a The personality cult around Lueger can also be found in press conference at which number of supporters of the other places in the city. Thus a section of the Vienna project spoke. These included Gerald Bast (Rector of the Ring is named after him and there are numerous other University of Applied Arts Vienna), Lisl Ponger (artist), Lueger monuments both in and outside of Vienna. How- Doron Rabinovici (writer and historian), Heidemarie Uhl ever, it is not just his personality that has been perpetu- (historian), and Verena Krieger (art historian). ated into the present, but also his rhetoric: thus the slo- gan of the right-wing populist Freedom Party of Austria The Open Call was an invitation to interested persons to (FPÖ) “Vienna must not become Istanbul” was already submit proposals for re-designing the monument as a used by Lueger, although at the time it was “Greater “social sculpture” and to put their proposals up for pub- Vienna must not become Greater Jerusalem”. lic discussion. Since the City of Vienna had neither re- named the often discussed Lueger Ring, nor undertaken any form of critical commentary with regard to the Lue- ger monument, the Open Call was, and is, intended to exert pressure on the city authorities as well as offer them the opportunity to re-consider their position.

3 Evelyn Polt-Heinzl in „Er hat seine Fehler, aber er ist ein Genie“, am 29. April 2010, www.nzz.ch/nachrich- ten/kultur/aktuell/er_hat_seine_fehler_aber_er_ist_ ein_genie_1.5588712.html (21.05.2011)

11 FOREWORD

"5 "/-10#/,*1%",-"+ )) The submission foresees that the statue and the pedes- tal will be tilted 3.5 degrees to the right. The jury stated “Politicians who make use of anti-Semitism should not that they reached their decision on the grounds that the be honoured with a monument. The fact that that has design made clear the city’s uncertainty of how to deal taken place should also not be kept secret. For this rea- with Karl Lueger and reflected the state of current dis- son the Pressure group demands that the Vienna monu- cussions. The tilt refers to the problematic way in which ment to former mayor Lueger should not simply be de- the official Vienna deals with its anti-Semitic past. The molished, it should be redesigned into a monument intervention breaks the vertical character of the monu- against anti-Semitism and racism in Austria. ment and questions the myth of Lueger as a father fig- The Open Call for submissions to re-design the Lueger ure for the city. monument sets the following conditions: “The Monu- The press release with the title “Lueger monument to ment against Anti-Semitism and Racism in Austria will be tilted”4 once again drew lively media attention and thematise Karl Lueger as a historical person. It will be shortly thereafter there were discussion in Vienna as to sited in Lueger Square and will oppose all forms of anti- when the Lueger monument was going to be tilted. The Semitic and racist agitation. Both historical conditions Green Party was in favour of implementing the chosen and the current situation can be reflected in the redesign proposal during the Vienna election campaign. The in- of the Lueger monument.” cumbent mayor Michael Häupl (Austrian Socialist Party The Open Call attracted a strong media response and – SPÖ) could not imagine it being tilted but at least men- numerous radio and television appearances followed. tioned the possibility of installing a clarifying plaque on The pressure group also met with journalists from Aus- or near the monument. The Austrian People’s Party tria, Germany and the US. (ÖVP) emphasised the importance of historical contex- tualization of Lueger’s political instrumentalization of By the closing date, 31 March 2010, a total of 220 sub- anti-Semitism but at the same time explicitly rejected mission had been made, the majority from Austria, a the proposal to redesign or rename. The FPÖ (Freedom quarter from other European countries, and three pro- Party of Austria) not very surprisingly demanded: “Hands posals came from the US. Ultimately a jury consisting of off the Lueger monument”.5 Just prior to a municipal Aleida Assmann (literature and cultural studies, Univer- election the City Councillor for Culture, Mailath-Pokorny, sity of Constance), Gerald Bast (Rector of the University indicated in an interview that he was positively disposed of Applied Arts, Vienna), Eva Blimlinger (historian, Uni- towards the suggestion of tilting the Lueger monument. versity of Applied Arts, Vienna), Felicitas Heimann-Je- linek (head curator of the Jewish Museum, Vienna), Johanna Kandl (artist, University of Applied Arts, Vienna), Lisl Ponger (artist) Doron Rabinovici (writer, essayist, and historian), and members of the pressure group (one 4 See: “Lueger-Denkmal soll gekippt werden”, APA-OTS, vote) selected the design “Schieflage [Tilted]” by Vien- 12 May 2010, www.ots.at/presseaussendung/OTS_ 20100512_OTS0126/lueger-denkmal-soll-gekippt-werden nese artist Klemens Wihlidal. 5 See: “Lueger-Denkmal darf nicht angerührt werden”, APA-OTS, 12 May 2010, www.ots.at/presseaussendung/ OTS_20100512_OTS0183/fp-matiasek-lueger-denkmal- darf-nicht-angeruehrt-werden

12 &16,#3&"+++! 2/"2 / 6 The media reacted to the press release with numerous articles and interviews, speculating on the pros and con- As a result of these events, the Pressure group made tras of the tilted monument. In contrast, there was si- contact with the City of Vienna authorities which initially lence from all the politicians responsible. That silence showed great interest. An application for financing the has lasted till today. project could be adressed to KÖR (Public Art Vienna). At a further meeting with the Department of Culture it was By publishing this book, we want to encourage a wider said that before the necessary preliminary work could public discussion and, with the help of our supporters, be done, the Bundesdenkmalamt [Federal Department we want to bring about the redesign of the Lueger mon- for the Protection of Heritage Buildings and Monuments] ument. In any case, the harmless façade which has sur- would have to give its consent. No information could be rounded the Lueger monument to date has been last- given as to the ownership of the monument. ingly damaged by the Open Call.// The regional (Vienna) custodian informed us that no author- ization for a “tilting” would be forthcoming. The grounds: Pressure Group to Transform the Lueger Monument “The appearance of the Lueger monument would be into a Monument against Anti-Semitism and Racism permanently affected”. Nevertheless, in order to receive Ruben Demus, Lukas Frankenberger, Jakob Glasner, a written rejection so as to be able to confront the next Jasmina Hirschl, Veronika Kocher, Alexander Korab, Martin Krenn, Ursula Malina, Lilly Panholzer, Georg Wolf higher authority (the Federal Ministry for Education and the Arts) we submitted an application. As a result we were informed by the federal authorities (Bundesdenk- malamt) that only the owner of the monument, the City of Vienna, could submit an application. The Pressure group decided to wait for the outcome of the municipal elections on 10 October 2010. The newly- formed coalition between the Green Party and the SPÖ appeared to us to be an ideal constellation for our pro- ject. The day the coalition was formed we sent out a press release: “Nothing stands in the way of redesigning the Lueger monument. The pressure group sends congratu- lations to the new red-green city government and calls upon it to actively take up the issue (…) The time is ripe for action. As owner of the monument the City of Vienna must now submit an application to the Federal Department for the Protection of Historical Monuments”. Simultane- ously we published all the submitted proposals on our website.

13 Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich HANDBUCH ZUR UMGESTALTUNG

Diese Publikation stellt keine bloße Projektdokumentation Matthias Reichelt behandelt das nationalsozialistische dar, sondern versteht sich als Beitrag zum Denk- und Mahn- Erbe in Gestalt von Kunst, Denkmälern und Architektur. maldiskurs. Das Handbuch umfasst alle eingereichten Heide Hammer und Kurto Wendt zeigen Widersprüch- Umgestaltungsideen, kontextualisiert durch Beiträge von lichkeiten auf, die sich durch die Ausschreibung in Form Gastauto r*in nen, Unterstützer*innenstatements, Auszüge eines Wettbewerbes ergaben, „scheißen auf die Kunst“ aus dem Pressespiegel und einen Text zu den vielen Fa- und wollen Revolte. cetten des Personenkults um Karl Lueger, verfasst von Ljubomir Bratic beschäftigt sich mit dem Einfluss von Harald D. Gröller. Zudem greifen die Autor*innen ver- Lueger auf den heutigen Rechtspopulismus in Öster- schiedene Entwürfe in ihren Texten auf und kommentie- reich und wie diesem entgegengetreten werden kann. ren die Ideen der beteiligten Künstler*innen. Dabei interessiert ihn, wie eine visuelle Irritation der Re- flexion dienen kann. Hannes Leidinger und Verena Moritz geben einen Über- Eva Blimlinger gibt einen Einblick in die Entstehungsge- blick über die Geschichte des Antisemitismus in Öster- schichte des Denkmalschutzes auf gesetzlicher Ebene in reich und gehen auf die Rolle Luegers in diesem Zusam- Österreich. menhang ein. Die Plattform Geschichtspolitik untersucht in einem Ge- Heidemarie Uhl befasst sich in ihrem Beitrag mit dem spräch Geschichtspolitiken im öffentlichen Raum, die Bedeutungswandel, den Denkmäler im öffentlichen Raum Funk tion des Denkmalschutzes sowie einige Prinzipien in der Erinnerungskultur seit den 1980er Jahren vollzogen zur Umgestaltung problematischer Manifestationen. haben und der damit einhergehenden Sensibilisierung im Rudolfine Lackner sucht anhand des Protokolls zum Work- Umgang mit identitätsstiftenden Absichten. shop „Revolutionäre Systeme Aktualisieren / Tatsysteme Aleida Assmann zeigt drei unterschiedliche Optionen Konfrontieren III“ in der VBKÖ im Herbst 2010 mit am auf, wie mit ideologisch nicht mehr tragbaren Denkmä- Open Call beteiligten Künstlerinnen nach Antworten auf lern im öffentlichen Raum verfahren wird: das negieren- Fragen zur Situation von feministischen und genderspe- de Verges sen, das affirmative Erinnern sowie das histo- zifischen Themen im Denkmaldiskurs und in der andro- rische Erinnern. zentrischen (Zeit-)Geschichte. Verena Krieger beschreibt in ihrem Text „Prinzip Palimp- Auf www.luegerplatz.com finden sich alle Entwürfe un- sest“ Strategien zur Transformation von problematisch gekürzt zum Download, mehr Material zur Passant*innen - gewordenen Denkmälern. befragung vom 25. Mai 2009, eine Videodokumentation Diedrich Diederichsen spricht über Beispiele im Umgang des Pressegespräches sowie ein Kurzbiografie Luegers. mit Gedenkstätten, Denk- und Mahnmälern und beleuch- Wir freuen uns sehr, dass es gelungen ist, die Fördermittel tet vor allem empathische Zugänge von Künstler*innen zusammenzutragen, um das vorliegende Handbuch in und Rezipient*innen. dieser Form realisieren zu können. Wir bedanken uns ganz herz lich bei allen Unterstützer*innen und wünschen eine anre gende Lektüre!//

14 Pressure Group to Transform the Lueger Monument into a Monument against Anti-Semitism and Racism

HANDBOOK FOR A REDESIGN

This publication is not simply a project documentation. Heide Hammer and Kurto Wendt point out the contra- It is intended to be seen as a contribution to the discourse dictions that arose from the Open Call being in the form relating to monuments and memorials. It contains all the of a competition: “Fuck art,” they say, “we want revolt”. submitted projects contextualized by articles by guest Ljubomir Bratic is concerned with Lueger’s influence on authors, supporter statements, excerpts from press re- present-day right-wing populism in Austria and how this views and an article on his cult of personality written by can be countered. In this context he is also interested in Harald D. Gröller. In addition the text authors take up and how visual irritation can generate reflection. comment on the ideas of participating artists. Eva Blimlinger gives insights into the origins of the legal Hannes Leidinger and Verena Moritz have formulated an structures of architectural and monument protection in overview of the history of anti-Semitism in Austria and Austria. examine Lueger’s role in this connection in more detail. The Plattform Geschichtspolitik examines the history- Heidemarie Uhl’s article is concerned with the changes of politics of public space, the function of monument pro- meaning that monuments and memorials in public spaces tection, and some of the principles involved in redesign- have undergone since the 1980s and the associated ing problematic manifestations in a conversational form. sensitization in dealing with identity-generating intentions. Rudolfine Lackner, together with participating women Aleida Assmann points out the three different options artists, looks for answers to questions relating to the available for dealing with monuments in public spaces situation of feminist and gender-specific subject matter in which are no longer acceptable from an ideological point the monument discourse and the (contemporary) andro- of view: negating oblivion, affirmative memory, and his- centric history using the minutes of the workshop “Up- torical memory. dating Revolutionary Systems / Confronting Perpetrator Systems III” in the Austrian Association of Women Art- Verena Krieger describes the “palimpsest principle” in her ists (VBKÖ) in 2010. article – strategies of transforming monuments which have become problematic. At www.luegerplatz.com all designs (unabridged) are available for download along with material on interviews Diedrich Diederichsen talks about examples of how me- with passers-by on the 25 May 2009, a video documen- morial sites, individual monuments and memorials are tation of the press conference and a short text about dealt with and casts light on approaches by artists and Luegers life. recipients that place special reliance on empathy. We are very happy that we managed to raise the funds Matthias Reichelt deals with the National Socialist inher- which enabled us to realize the handbook in its present itance in the form of art, monuments, and architecture. form. We would like to thank all those who provided support and wish everyone an exciting read.//

15 Harald D. Gröller DIE VIELEN FACETTEN DES PERSONENKULTS UM KARL LUEGER

Vor rund 100 Jahren starb mit Karl Lueger wohl einer der visualisierten, wem sie das soeben Konsumierte ver- umstrittensten Politiker Österreichs, der sich als Wiener dankten. Bürgermeister zum einen sehr um die städtische Kommu- Hinzu kommt etwas, was man heute wohl als geschickte nalentwicklung verdient gemacht hat, sich zum anderen Corporate Identity bezeichnen würde, nämlich Luegers für die Erlangung und Festigung seiner Macht aber der charakteristischer Bart, der ihn auf allen Darstellungen ausgrenzenden und diskriminierenden Politik eines popu- leicht identifizieren ließ/lässt. Und von diesen gab und listischen Antisemitismus und Antimagyarismus bedient gibt es reichlich, wie z. B. diverse Gemälde (z. B. von hat. Diese Ambivalenz zu Lebzeiten Lueger, kombiniert Wilhelm Gause), Porträts, Ansichtskarten, Karikaturen, mit der postmortalen Instrumentalisierung seiner Person Reliefs etc. ist u. a. dafür verantwortlich, dass auch rund ein Säkulum Ja, es gibt sogar Altarbilder (z. B. in den Kirchen am Zen- nach seinem Tod seine Beurteilung im kollektiven Gedächt- nis umstritten ist, was u. a. an der immer wieder heftig tralfriedhof, in Lainz und in Hietzing) auf denen Lueger diskutierten Frage nach der Umbenennung der Dr.-Karl- dargestellt ist. Sie verdeutlichen eine weitere Ebene des Lueger-Ringes in Wien deutlich wird. Nun, wie entwi- Kults um den christlichsozialen „Volkstribun“, die religiös- ckelte sich dieser Personenkult rund um Karl Lueger? sakrale. Da verwundert es auch schon kaum mehr, dass es für den „Herrgott von Wien“ – ein weiterer Spitzname Schon Lueger selbst betrieb als eine der auffälligsten Luegers – sogar ein eigenes Glaubensbekenntnis gibt, politischen Figuren in der Zeit der Entstehung der Mas- dass mit den Worten „Ich glaube an Dr. Lueger“ be- senparteien etwas, was man heute als normales Mer- ginnt. Des Weiteren prägte sein Name auch den öffent- chandising bezeichnen würde, was aber zu seiner Zeit lichen Raum Wiens, z. B. durch die 1907 erfolgte Umbe- in dem von ihm und seinem Umfeld betriebenen Umfang nennung des Rathaus- in den Karl-Lueger-Platz, durch absolut innovativ war. Sei es die Illusion der Verfügbarkeit, diverse Tafeln mit der Inschrift „Errichtet unter Bürger- die er seinen weiblichen Anhängern durch seine Ehelo- meister Karl Lueger“. Außerdem wurden verschiedene sigkeit bzw. die Geheimhaltung seiner Beziehungen gab, Denkmäler, Büsten etc. für Lueger errichtet, der auch sei es der für ihn von Eduard Nerradt komponierte „Lue- schon zu seinen Lebzeiten Gegenstand literarischer ger-Marsch“, der bei verschiedensten Veranstaltungen Werke (u. a. von Andreas Eckhart, Karl Conte Scapinelli) abgespielt wurde, seien es – um nur ein Beispiel der wurde. äußerst umfangreichen diesbezüglichen „Devotionalien- landschaft“ zu nennen – die Lueger-Teller, die bei Wahl- Nach dem Tode Luegers, dem ein langes und öffentliches kampfveranstaltungen als „Trägersubstanz“ für Würstel Dahinsiechen vorangegangen war, wurde er vonseiten und Senf ausgeteilt wurden und die dem Esser nach Ver- der Christlichsozialen als Mahnung zur Parteieinheit ver- zehr der Speise in Form des Porträts Luegers am Teller wendet, was auch notwendig war, da ihr Konzept ganz auf

16 die Person Luegers – der in der multiethnischen Reichs- Bevölkerung der nunmehrigen Ostmark (bzw. der Alpen- haupt- und Residenzstadt Wien den Paradedeutschen und Donaugaue), wobei man sich hier u. a. auch des Österreichs repräsentieren sollte – zugeschnitten war Mediums Film bediente, was zur Produktion des NS- und es zu dieser Zeit praktisch kein Parteiprogramm gab. Films „Wien 1910. Die letzten drei Tage im Leben des Volksbürgermeisters Karl Lueger“ führte. Nach dem Zerfall der Habsburger-Monarchie, der Über- nahme der Stadtverwaltung Wiens durch die Sozialdemo- Nach 1945 wurde Lueger bzw. seine Zeit zunächst – dem kraten und dem Auftreten einer anderen charismatischen Trend der Zeit entsprechend, man denke nur an die Hei- christlichsozialen Führungspersönlichkeit, Dr. Ignaz Seipel, matfilmromantik etc. – völlig unkritisch-verklärt behan- ging der Kult um Lueger in den 20er Jahren etwas zu- delt (beispielsweise in Maria Stöcklers „Lueger-Lied“ oder rück. Ausnahmen bildeten dabei zum einen der Literatur- im Theaterstück „Der Pumera“). Auch auf dem Gebiet sektor, da verschiedene historisch-biografische Lueger- der Biographik wurde – mit wenigen Ausnahmen – Lue- Romane (z. B. von Edmund Daniek und Theodor Heinrich gers populistische Hetze durch seine kommunalpoliti- Meyer) entstanden, zum anderen die Errichtung des monu- schen Leistungen quasi „entschuldigt“. Eine kritische Ausei- mentalen Lueger-Denkmals am Stubenring, welches 1926 nandersetzung (dazu wäre z. B. ein Kurzauftritt eines als eingeweiht wurde. Lueger verkleideten Schauspielers im Film „1. April 2000“ zu zählen) fand zu dieser Zeit nur bedingt statt. Vermehrte Eine Renaissance erlebte der Lueger-Kult ab dem Jahr Aufmerksamkeit wurde Lueger dann in den 1980/90er 1934 mit der Schaffung des christlichen Ständestaates Jahren (u. a. anlässlich seines 75. Todestages) – in Form und der Forcierung eines Österreich-Bewusstseins. Dies von Ausstellungen, Kranzniederlegungen etc. – zuteil. zeigt sich z. B. an der Umbenennung des Ringabschnittes Allerdings ist erst in letzter Zeit ein Trend bemerkbar, in den Dr.-Karl-Lueger-Ring oder der von höchsten politi- sich mit Lueger, seinen Leistungen, aber auch seinem schen Repräsentanten protegierten Aufführung des Volks- gefährlichen Populismus wirklich differenzierter zu be- stücks „Lueger, der große Österreicher“ von Hans Nade- schäftigen, wozu zum einen die amerikanischen und rer. Nun wurde Lueger eben als Paradeösterreicher instru- englischen Lueger-Biografien (Geehr, Boyer), zum ande- mentalisiert, was sich z. B. im Bereich der Numismatik ren Projekte wie z. B. „The Vienna Mirror – das starke und dahingehend bemerkbar machte, dass 1935 – zu seinem verwundbare Herz der Demokratie“ von Bernd Fasching 25. Todestag – eine sein Porträt tragende Doppelschil- (2003), „Zeitfenstern in die Vergangenheit“ von Erich lingmünze zur Ausgabe gelangte, wobei diese Serie u. a. Koller (2009) ihren Teil dazu beitragen. Auch das gegen- Münzen von Dollfuß, Seipel, aber auch Prinz Eugen, wärtige Projekt zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals Mozart oder Haydn umfasste. Hinzu tritt eine Verklärung in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus der Lueger-Zeit, wovon verschiedene Lieder (das be- in Wien und Österreich intendiert u. a. eine kritische und kannteste ist wohl „Der Doktor Lueger hat mir einmal die differenzierte Auseinandersetzung mit Lueger, aber auch Hand gereicht“ in der Interpretation von Hans Moser) mit der diesbezüglichen Erinnerungskultur, wozu ihm ein Zeugnis abgeben. gutes Gelingen zu wünschen ist.// Nach dem sog. „Anschluss“ diente Lueger, der von Hitler in „Mein Kampf“ als der „gewaltigste[ ] deutsche[ ] Bür- germeister aller Zeiten“1 bezeichnet wurde, der NS-Pro- 1 Hitler, Adolf: Mein Kampf. Zwei Bände in paganda als regionales Identifikationsangebot für die einem Band. München: Eher, 1937, S. 78

17 Harald D. Gröller

THE MANY FACETS OF THE KARL LUEGER PERSONALITY CULT

When, about a hundred year ago, Karl Lueger died, one In addition there was something which would nowadays of Austria’s most controversial politicians died with him. be called corporate identity, viz, Lueger’s characteristic On the one hand, as mayor of Vienna he was deserv- beard. This allowed him to be easily identified in any of edly known for his intense concern with the city’s mu- the representations. There were, and are, a wealth of nicipal development and, on the other, for making use of these: diverse paintings (e.g. by Wilhelm Gause), portraits, the exclusory and discriminatory political strategies of a postcards, caricatures, relief’s, etc. And yes, there are populist anti-Semite and anti-Hungarian to obtain, and even altarpieces (e.g. in the Vienna central cemetery, in maintain, power. This ambivalence during his lifetime, Lainz and in Hietzing) in which Lueger is depicted. They combined with the instrumentalization of his figure after explain a further level of the cult round the Christian his death, is responsible the fact that around a century Socialist “people’s tribune” – the religious/sacred. Little after his death his place in the collective memory is con- wonder that there is a creed for the “Lord God of Vienna”, tested. This is illustrated, for example, by the repeated and another of Lueger’s nicknames. It begins, “I believe in heated discussions about renaming the Dr. Karl Lueger Dr. Lueger”. Additionally his name is inscribed in public Ring in Vienna. So how did this personality cult develop places all over Vienna e.g. the 1907 renaming of Rat- around Karl Lueger? hausplatz [City Hall Square] into Karl Lueger Platz [Square] and the diverse plaques with the inscription “Built dur- Even Lueger himself, as one of the most conspicuous ing the administration of Mayor Karl Lueger”. Apart from political figures of the era when parties appealing to the those, various monuments, busts etc. were erected to masses were being formed, engaged in something Lueger who was also the subject of literary works – by, which nowadays would be regarded as a normal part of for example, Andreas Eckhart and Karl Conte Scapinelli merchandizing. However, at the time it was absolutely – even when he was still alive. innovative because of the extent to which he and those surrounding him carried it out. Whether it was the illu- After Lueger’s death, which took place after a long pro- sion of availability he presented to his female followers cess of wasting away in public, he was used by the because of his bachelor status (or keeping his relation- Christian Socialists as an exhortation for party unity. This ships secret), the Lueger March composed for him by was necessary because their whole strategy was tailor- Eduard Nerradt which was played at various events or – made for Lueger as the person representing classic Ger- to name but one example from an extremely wide selec- manic Austria in the multi-ethnic capital and royal seat, tion from the raft of devotional objects – the Lueger Vienna. At the same time the party programme was plates distributed at election meetings. With their por- almost non-existent. traits of Lueger these carried sausages and mustard and visualized exactly who the eaters had to thank for the After the collapse of the Habsburg monarchy, the mu- meal they had just consumed. nicipal administration was taken over by the social dem-

18 ocrats. The appearance of another charismatic Christian ple, Maria Stöckler’s “Lueger Lied [Lueger Song]” and socialist leader, Dr. Ignaz Seipel meant that the Lueger in the theatre play “Der Pumera”. In the sphere of biog- cult experienced a certain decrease in the 1920s. There raphy Lueger’s populist agitation was, with a few excep- were exceptions though, such as in the literature sector tions, also “excused” because of his political achieve- where various historical-biographical novels were writ- ments for the city. At that point in time critical confronta- ten (e.g. by Edmund Daniek and Theodor Heinrich Meyer) tion only took place in a very qualified manner. The short and in the monumental Lueger statue ensemble on the appearance of an actor dressed as Lueger in the film Stubenring that was unveiled in 1926. “The 1st of April 2000” might be considered in this cat- egory. Lueger was given much more attention again in The Lueger cult experienced a renaissance from 1934 the 1980s and 1990s (amongst other things because of on when the Christian corporatist state came into being the 75th anniversary of his death). This took the form of and an “Austrian consciousness” was being heavily exhibitions, wreath laying ceremonies etc. However, it pushed. This can be seen in e.g. changing the name of is only recently that a trend has developed towards one section of the Ring into Dr. Karl Lueger Ring or in treating Lueger and his achievements – but also his dan- the performance of the popular theatre piece “Lueger, gerous populism – in a really differentiated way. In this the Great Austrian” which was promoted by the highest vein the American and English Lueger biographers (Geehr, political representatives. Now Lueger was being instru- Boyer) on the one hand and projects such as Bernd mentalized as a prime example of an Austrian. This was Fasching’s “The Vienna Mirror – das starke und verwund- something that could be seen in the area of numismat- bare Herz der Demokratie [The strong and vulnerable ics when, in 1935, on the twenty-fifth anniversary of his heart of democracy]” (2003), “Zeitfenstern in die Ver- death, his portrait was issued on a double schilling coin gangenheit [Time Windows to the Past]” by Erich Koller in a series which included, amongst others, coins with (2009) have made their contributions. The current pro- Dollfuss, Seipel, but also Prince Eugene, Mozart and ject of transforming the Karl Lueger statue into a monu- Haydn. Besides that, a romanticisation of the Lueger era ment against anti-Semitism and racism in Vienna (and took place as attested to by various songs, the best Austria) aims at a critical and differentiated confrontation known of which is certainly “Dr. Lueger once shook my with Lueger and the associated memorial culture and I hand”, interpreted by Hans Moser. wish it success in that endeavour.// After the so-called “Anschluss” Lueger – named by Hitler in “Mein Kampf” as the “greatest German mayor” – served Nazi propaganda aims as a regional figure of LITERATUR / REFERENCES identification for the population of what was now the Berger, Günther: Bürgermeister Dr. Karl Lueger und seine Beziehungen Ostmark (or Alpen- and Donaugaue [Alpine or Danube zur Kunst. Wien [u. a.]: Lang, 1998. Boyer, John W.: Karl Lueger (1844-1910): Christlichsoziale Politik als Administrative Areas]. The mediums used here included Beruf. Eine Biografie. Wien: Böhlau, 2010. film and thus to the production of the Nazi film “Vienna Dewald, Christian/Loebenstein, Michael/Schwarz, Werner 1910. The Last Three Days in the Life of the People’s Michael(Hrsg.): Wien im Film. Stadtbilder aus 100 Jahren. Wien: Wien Museum/Czernin, 2010. Mayor Karl Lueger”. Geehr, Richard S[tockwell]: Karl Lueger. Mayor of Fin de Siècle Vienna. Detroit: Wayne State University Press, 1990. After 1945 Lueger (and his time) were dealt with in a Schorske, Carl Emil: Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de siècle. completely uncritical and romanticised way in, for exam- Ins Deutsche übers. von Horst Günther. Frankfurt/M.: S. Fischer, 1982.

19 Zusammengestellt von Alexander Korab

FACETTEN IN ZITATFORM

„Den Antisemitismus der Herren Dr. Lueger und Genos- „So unbedenklich er die niedrigsten Instinkte der Menge sen halte ich nicht für waschecht und gebe ihm keine und die allgemeine politische Atmosphäre seine Zwecke lange Lebensdauer; denn wenn sich die Juden taufen zu nutzen wusste, im Herzen war er, auch auf der Höhe lassen, so sind sie liebwerte Parteigenossen im Lager seiner Popularität, sowenig Antisemit als zu der Zeit, da der Christlichsozialen.“ er im Hause des Dr. Ferdinand Mandl mit dessen Bruder Georg von Schönerer bei einer Versammlung des Ignaz und anderen Juden Tarock spielte. Es gab und gibt Bundes deutscher Landwirte in Dürnstein (1897) Leute, die es ihm als Vorzug anrechnen, dass er auch in seiner stärksten Antisemitenzeit persönlich für viele Juden „Die antisemitische Bewegung ist eines der bedenk- eine gewisse Vorliebe beibehalten und daraus gar kein lichsten Übel des öffentlichen Lebens in Österreich, und Hehl gemacht hat: Mir galt gerade das immer als der in Wien gibt es keine verderblichere Triebkraft dafür als stärkste Beweis seiner mora lischen Fragwürdigkeit.“ den bigotten, hochfahrenden Wortführer Burgermeister Arthur Schnitzler: Jugend in Wien (Autobiographie 1920, hrsg. 1968) Dr. Lueger, der leider auch über die Rede gewalt des ge- borenen Demagogen verfügt.“ Sir Horace Rumbold (1829–1913), „Jedenfalls lernte ich langsam den Mann und die Bewe- englischer Botschafter in Wien. gung kennen, die damals Wiens Schicksal bestimmten: Dr. Karl Lueger und die christlich-soziale Partei. Als ich „Da kommt dieser Mann und schlachtet – weil ihm nach Wien kam, stand ich beiden feindselig gegenüber. sonst alle anderen Künste misslangen – vor der aufheu- Der Mann und die Bewegung galten in meinen Augen lenden Menge einen Juden. Auf der Rednertribüne als ‚reaktionär‘. Das gewöhnliche Gerechtigkeitsgefühl schlachtet er ihn mit Worten, sticht ihn mit Worten tot, aber musste dieses Urteil in eben dem Maße abändern, reißt ihn in Fetzen, schleudert ihn dem Volk als Opfer in dem ich Gelegenheit erhielt, Mann und Werk kennen- hin. Es ist seine erste monarchisch-klerikale Tat: Der all- zulernen; und langsam wuchs die gerechte Beurteilung gemeinen Unzufriedenheit den Weg in die Judengassen zur unverhohlenen Bewunderung. Heute sehe ich in weisen; dort mag sie sich austoben. Ein Gewitter muss dem Manne mehr noch als früher den gewaltig sten diese verdorbene Luft von Wien reinigen. Er lässt das deutschen Bürgermeister aller Zeiten.“ Donnerwetter über die Juden niedergehen.“ Adolf Hitler: Mein Kampf (S. 54–65), 1924/25 Felix Salten: Das österreichische Antlitz (1910)

20 „Sehen Sie, wenn man sich die Geschichte wirklich in „Als tatkräftiger Bürgermeister des Fin-de-Siècle-Wien den Einzelheiten ansieht, dann stellt man fest, dass sie genießt Karl Lueger (1844 bis 1910) noch heute hohe immer komplizierter wird. Das ist eben nicht so einfach, Popularität. Vor kurzem gedachte man in Österreich wie man es sich heute macht: „Der ist gut, und der an- seines 100. Todestags und vergaß über allem Lobreden, dere ist böse.“ So einfach ist es nicht, denn Hitler hat dass es der religiöse Antisemit Lueger war, der in Wien sich seine antisemitischen Thesen und auch die Art, wie dem völkischen Antisemitismus den Weg ebnete.“ er damit als Volkstribun umgegangen ist, bei dem großen Evelyn Polt-Heinzl, Kulturhistorikerin: NZZ-Online (29.4.2010) Volkstribun von Wien, bei Dr. Karl Lueger, dem Bürger- meister von Wien, abgeschaut. Lueger war damals das Haupt der christlich-sozialen Partei, also einer katholi- „Die antisemitische Rhetorik, deren Lueger sich in der schen Partei. Hitler war aber alles andere als ein Katholik Öffentlichkeit bediente, war krud, beleidigend und nicht und ein Freund der Kirche. Er hat sich aus allen Parteien selten herzlos. (...) Dass das öffentliche Herumhacken das herausgenommen, was er für gut gehalten hat. Er auf den Juden eine abscheuliche Praxis war, dass sie hat sich bei dieser katholischen Partei, die er ansonsten unschuldigen Menschen eine psychologische Bürde als Partei abgelehnt hat, von Lueger, den er in „Mein auferlegte (...) und dass sie ein Vorbild für künftige Poli- Kampf“ später auch als den größten Bürgermeister aller tiker abgab, die eine viel stärkere Neigung hatten, die Zeiten gepriesen hat, sogar diese Art der Agitation eines Dinge wörtlich zu nehmen, ist eine Last, die der öster- Volkstribuns abgeschaut.“ reichische „Christliche Sozialismus“ auf ewige Zeiten Dr. Brigitte Hamann, Historikerin, im Gespräch mit mit sich herumschleppen muss.“ Martin Möller, Bayerischer Rundfunk am 21.7.1999 John W. Boyer, Karl Lueger – Christlich-Soziale Politik als Beruf (2010)

„Ja, der Ring. Die Rückkehrerin geht an der Universität vorbei, die sich auf dem Teil der Ringstraße befindet, der „Er war der erste Demagoge, der alle Quellen der Volks- nach einem berüchtigten Antisemiten benannt ist. Wenn tümlichkeit rauschen hörte und sie zu finden wusste, er sie ihren Spaziergang fortsetzt, um schließlich im Café riss durch seine Reden die Massen unwiderstehlich mit Prückel einzukehren, so stößt sie dort noch einmal auf sich. Er war ein Meister der modernen Volkstümlichkeit, ihn, oder gleich zweimal, erst als Denkmal und dann als und wie stark auch der Anteil seiner persönlichen Eigen- der Platz, auf dem das Denkmal steht. Für die unbefan- art daran gewesen sein mag, so bleibt genug an bloßer generen Wiener wiegen die anderen Verdienste des Technik zurück, die jedem Parteiführer zugänglich ist. Bürgermeisters Karl Lueger wohl schwerer, als dass er Prophetische Worte, denn ein junger Mann aus Linz sollte ein Vorläufer und Vorbild für Adolf Hitler gewesen ist. sich diese Technik bald aneignen.“ Schämt sich denn niemand ein bissel für die dreifache Anna Ehrlich (2010): Karl Lueger – Die zwei Gesichter Ehrung?“ der Macht (S. 9) Ruth Klüger: Unterwegs verloren – Erinnerungen (2008)

21 Hannes Leidinger, Verena Moritz

ANTISEMITISMUS IN ÖSTERREICH – EIN ÜBERBLICK

Gemäß einer Umfrage, die Anfang der 1990er Jahre durchgeführt wurde, gaben mehr als 30 Prozent der befragten Österreicher an, keine Juden als Wohnungsnachbarn haben zu wollen.

Wenngleich seit damals der Anteil der Befragten, die im Als schließlich der Josephinismus gegen Ende des Rahmen von diversen statistischen Erhebungen zum 18. Jahrhunderts die Aufklärung in den Dienst des Abso- Antisemitismus in Österreich auf diese oder ähnliche lutismus stellte, basierte die religiöse Toleranz, die auch Weise ihre Vorurteile zum Ausdruck bringen, zurückgeht, den „Mosaischen“ zuteil wurde, weniger auf humanen sind gängige Stereotype und Feindbilder nach wie vor Zielsetzungen als vielmehr auf der kalkulierten Staatsrä- nicht vom Tisch. Dass abgelehnte Minderheiten häufig son. Die Integration wichtiger Bevölkerungsgruppen ge- quantitativ überschätzt werden, zeigt sich dabei immer schah vor allem aus ökonomischen und machtpolitischen wieder. Nur etwa 15 Prozent schätzten zwischen 1970 Überlegungen. Nicht die Achtung des Fremden, sondern und 1990 die Zahl der Juden in Österreich – tatsächlich die Vereinheitlichung der „Volksmassen“ mit einer unver- waren es 0,1 Prozent – richtig ein. Alle anderen gingen kennbaren Tendenz zur „Germanisierung“ stand im Vor- von bis zu fünf, zehn oder sogar mehr Prozent der Gesamt- der grund. bevölkerung aus.1 Die Vorurteile gegenüber „den Juden“ reichen weit in Die Integration wichtiger Bevölkerungsgruppen die Vergangenheit zurück. Die mittelalterlichen und früh- geschah vor allem aus ökonomischen und neuzeitlichen Landesfürsten teilten die Abneigung gegen machtpolitischen Überlegungen. die „Israeliten“ mit weiten Teilen der Gesellschaft, wäh- rend sie die „tüchtigen Geschäftemacher“ als Geldgeber bisweilen durchaus zu schätzen wussten. Ansonsten Die weitgehende rechtliche Gleichstellung des Juden- dominierten Aberglaube und Fanatismus, Haltungen, die tums brachte dann aber ohnehin erst die Liberalisie- auch unter den Habsburgern wiederholt zu Verfolgung, rungsphase ab den 1860er Jahren. Die „allerhöchste“ Ermordung und Vertreibung der „Christusmörder“ führ- Dynastie nahm die Entwicklung zwiespältig auf. Im katho- ten. lischen Herrscherhaus fehlte es auch weiterhin nicht an Vorbehalten. Kaiser Franz Joseph selbst hielt sich jedoch von einer zunehmend rassisch begründeten Judenfeind- lichkeit fern.

1 Bruckmüller 1996, S. 595.

22 Im Zeitalter des Nationalismus, des Entstehens der Mas- Karl Lueger, Gründervater der Christlichsozialen Partei, senparteien und des politischen Katholizismus wurden wurde nicht nur zur „Überfigur“ seiner eigenen Partei. „deutsch-völkische“ und christlichsoziale Vereinigun gen Der „schöne Karl“, dem John W. Boyer in seiner inst- zu Trägern eines radikaleren Antisemitismus. „Der Jude“ ruktiven und erhellenden Biografie Geltungssucht und als Hassobjekt reflektierte die Komplexe, Bedrohungs- einen ausgeprägten Willen zur Macht, demokratisches bilder und Problemlagen jeder historischen Epoche. Mo- Sendungsbewusstsein, aber auch einen autokratischen der nisierungsgegner und -verlierer sahen daher gegen „Herrschaftsstil“ bescheinigt, wusste die Massen hinter Ende des 19. Jahrhunderts in den Angehörigen der „an- sich.3 dersartigen Rasse“ Zerstörer des „bewährten“ Alther- ge brachten, Befürworter der „zügellosen“ Rede- und Presse freiheit, „verdächtige“ Exponenten der „bedrohli- Lueger, der 1897 das Bürgermeisteramt antrat, chen“ Urbanität und des „unpatriotischen“ Kosmopolitis- wurde ob seiner Beliebtheit bei der Wiener mus sowie „wurzellose Profiteure“ des „gierigen Kapitalis- Bevölkerung bereits zu Lebzeiten zum Mythos. mus“. Dabei galt grundsätzlich: „Der österreichische Anti- semitismus als Massenbewegung bekam seinen An- sporn durch die Wirtschaftskrise der späten siebziger und frühen achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts […].“2 Lueger, der 1897 das Bürgermeisteramt antrat, wurde ob seiner Beliebtheit bei der Wiener Bevölkerung be- Obwohl vor allem der rassisch geprägte Antisemitismus reits zu Lebzeiten zum Mythos. Um die Figur des „Stadt- einer von Georg von Schönerer angeführten alldeutschen vaters“ entstand ein regelrechter Personenkult. Lueger, Partei wegen seiner Kompromisslosigkeit und Radikali- der richtungsweisende Entscheidungen in der Kommu- tät im historischen Gedächtnis haften blieb und sich die nalpolitik traf und das Erscheinungsbild Wiens dadurch Konzentration auf diese politische Kraft auch hinsichtlich nachhaltig veränderte, verstand es überdies, sich als des Werdegangs von Adolf Hitler aufzudrängen schien, Anwalt der Sorgen des „kleinen Mannes“ darzustellen. blieb die Zahl der sogenannten „Schönerianer“ relativ Dabei bediente beziehungsweise bestätigte er vorhan- gering. In „Hitlers Wien“ gab nicht der vom späteren dene Vorurteile und machte sich eine antisemitische „Führer“ verehrte Schönerer den Ton an, sondern andere, Rhetorik zu eigen, weil sie ihm den erwünschten Zu- zahlenmäßig stärkere „Bewegungen“. spruch bei den Wahlen brachte. Peter Pulzer, Verfasser Diese neuen Massenparteien bündelten den Protest der von Standardwerken zum österreichischen Antisemitis- Menschen, die die liberale Ära vor allem mit Unsicher- mus, unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass mit heiten und wirtschaftlichem Niedergang assoziierten. „judenfeindlicher“ Politik nirgends in Europa ähnliche Christlichsoziale und Sozialdemokraten offerierten vor Erfolge zu erzielen gewesen waren wie in Österreich. diesem Hintergrund allerdings weltanschauliche Orien- Außerdem charakterisiert er die „Spielart“ des österrei- tierungen, die unterschiedlicher nicht sein konnten und chischen Antisemitismus als „von Anfang bis Ende über- beide Parteien bald zu unversöhnlichen Gegnern machten. wiegend christlich-konservativ“.4 Dass Karl Lueger gleichsam hinter den Kulissen den Anti- 2 Pulzer 1990, S. 128. semitismus als „Pöbelsport“ bezeichnete, unterstreicht 3 Boyer 72010, S. 5. 4 Pulzer 1990, S. 125. sein populistisches Kalkül im Umgang mit „dem Volk“.

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Eine Verharmlosung dieses politischen Opportunismus lösern diffuser Ängste. Parallel zur Verschärfung der Le- erscheint nicht zuletzt in Hinblick auf seine Langzeitwir- bensmittelkrise begann man den Flüchtlingen vermehrt kung kaum angebracht. Dass auch Arthur Schnitzler als ihre Versorgung durch den Staat zu neiden, und außer- aufmerksamer Beobachter des österreichischen „All- dem galten die Neuankömmlinge häufig als Überträger tags antisemitismus“ mit seinem unterschiedlich aus ge- von Krankheiten. Auch nach Kriegsende blieben die Res- form ten Diskriminierungen dem Wiener Bürgermeister sentiments bestehen. Obwohl die hilfsbedürftigen Opfer beschei nigte, realiter gar kein Antisemit gewesen zu der Kampfhandlungen zum größten Teil noch vor dem sein, wird oft angeführt, um Luegers politische Praxis Untergang des Habsburgerreiches in ihre Heimatgebiete als für die damalige Zeit üblich darzustellen. Häufig aus- zurückgekehrt waren, galten jene restlichen maximal gespart wird aber, dass Schnitzler gerade diesen „selek- 30.000 Personen, die in der k. u. k. Haupt- und Residenz- tiven Antisemitismus“ verurteilte und als Beweis für die stadt geblieben waren, als Hauptverantwortliche für die „moralische Fragwürdigkeit“ des Bürgermeisters be- Misere der „Umbruchszeit“. Versorgungskatastrophe und trachtete.5 Bolschewismusgefahr lastete man in Wien einer verhält- nismäßig kleinen Zahl von „Heimatlosen“ an, die höchs- tens 1,4 Prozent der Stadtbevölkerung ausmachten. Anti- Dass Karl Lueger gleichsam hinter den Kulissen semitische Organisationen starteten eine regelrechte Hetzkampagne.7 Christlichsoziale Mandatare wie Leo- den Antisemitismus als „Pöbelsport“ bezeich- pold Kunschak, der lange Parlamentsabgeordneter und nete, unterstreicht sein populistisches Kalkül nach 1945 Nationalratspräsident war, verlangten die Aus- im Umgang mit „dem Volk“. weisung der „Heuschrecken, die das Land kahlgefres- sen“ hätten.8 Von der Sozialdemokratie, die sich in ihrem Programm Wenngleich es in Luegers Wien beim „Verbalantisemi- rassistischer Parolen enthielt, kamen indes widersprüch- tismus“ blieb und die rechtliche Stellung der Juden liche Signale. Einerseits fühlten sich jüdische Bürger schon nicht angetastet wurde, trug der Antisemitismus in den aufgrund der „bürgerlichen“ Hasstiraden von der „eman- Jahrzehnten vor dem Aufstieg der NSDAP zweifelsohne zipatorischen Kraft des Sozialismus“ angezogen. Spezi- zu jenem Klima bei, in dem die fatale Radikalität des ell als Mitglieder der Parteiführung sahen sie sich zudem nationalsozialistischen Rassismus gedeihen konnte. „Die selbst als „Brunnenvergifter“, „Bolschewiken“ und revo- österreichischen Nazis“, so der Zeithistoriker Bruce lutionäre „Volksverhetzer“ diffamiert. Andererseits ent- Pauley, „schufen nur eine Synthese aller früheren For- sprach die regierende Linke trotz ihrer neuen Machtpo- men des religiösen, wirtschaftlichen und rassischen Anti- sition den Forderungen der populistischen „Tribünen- semitismus. […] Vom Antisemitismus der Worte war es wetterer“. Ganz allgemein zeigte sich, dass sozialdemo- nur ein kleiner Schritt zum Antisemitismus der Tat.“6 kratische Mandatare durchaus der Versuchung des Anti- Neue Ressentiments gegen die Juden kamen dann im Zuge des Ersten Weltkriegs zum Tragen. Zwischen 1914 und 1918 wurden die rund 150.000 jüdischen Kriegs- 5 Ehrlich 1990, S. 99. flüchtlinge aus dem Nordosten der Donaumonarchie zur 6 Pauley 1993, S. 389 f. 7 Hoffmann-Holter 1995, S. 275. Zielscheibe unterschiedlicher Aggressionen und zu Aus- 8 Hoffmann-Holter 1995, S. 166.

24 semitismus erlagen. Bei Wahlen und in Landtagssitzun- post“ die Tat des Sohnes „ehrbarer Schlossereheleute“ gen schimpften sie über „Börse- und Pressejuden“, als „Vollstreckung eines Volksurteiles“ entschuldigte, wodurch sie die parteiübergreifende Kapitalismuskritik der sich lediglich „bei der Wahl der Mittel vergriffen“ mit dem allgegenwärtigen Rassismus verknüpften. So- habe, stand bei den Verhandlungen vor einem Wiener zialistische Funktionäre „stärkten, kaum weniger als der Geschworenengericht eher das Opfer als der Angeklagte christlichsoziale Antisemitismus, antijüdische Ressenti- am Pranger. Für unzurechnungsfähig befunden, wanderte ments in der Bevölkerung und ebneten damit der national- der Mörder in eine Irrenanstalt, die er bereits nach ein- sozialistischen Agitation den Weg“. Dennoch dürfen die einhalbjährigem Aufenthalt wieder verlassen konnte.10 sozialdemokratischen Äußerungen mit dem „Ausmaß und der Bedeutung“ einer wesentlich aggressiveren Trotz Versammlungsverbotes kam es dann im August „Judenfeindschaft der bürgerlichen Parteien nicht gleich- 1925 anlässlich des 14. Zionistischen Weltkongresses in gesetzt werden“.9 Wien zu „Ausschreitungen“ und „Straßenexzessen“, wie die bürgerlich-liberale „Neue Freie Presse“ berichtete, In der Zwischenkriegszeit boten sich den Christlichsozia- die sich in dieser Situation allerdings mehr um das Image len und Deutschnationalen noch mehrere Gelegenhei- der Alpenrepublik in der internationalen Öffentlichkeit, ten, um die Radikalität ihrer Standpunkte unter Beweis um die Gastronomie und den Fremdenverkehr sorgte. zu stellen. Als im März 1925 der Journalist und Schrift- Für die Sachschäden, die Zertrümmerung von Geschäf- steller Hugo Bettauer, der in seinen Texten an sexuellen ten und Cafés in der Innenstadt, machte das Blatt trotz- Tabus rührte, von einem Mitglied der noch kleinen und dem nicht bloß die „jugendlichen Radaubrüder“ und zersplitterten NS-Bewegung ermordet wurde, zeigten „Schlä gertrupps“ verantwortlich. „Beklagenswerterwei- sich schlaglichtartig die Zusammenhänge zwischen kirch- se“, so die „Neue Freie Presse“, „sehen wir Kreise, die lichen Moralvorstellungen, Sittlichkeitsfanatismus, Anti- im Zentrum der christlichsozialen Bewegung wirken“, semitismus und frühem Faschismus. Trotzdem rechtfer- eine „Haltung einnehmen, die von den Draufgängern als tigten selbst „gemäßigtere“ Kräfte das Verbrechen als Zustimmung gedeutet werden konnte“.11 Ungeachtet verständliche „moralische Empörung“ über den „Porno- solcher Kritik forderte die „national gesinnte“ Christlich- graphen“ Bettauer. Während die christlichsoziale „Reichs- soziale Partei im Programm vom Februar 1926 „die Pflege deutscher Art“ und die Bekämpfung der „Übermacht des zersetzenden jüdischen Einflusses auf geistigem Sozialistische Funktionäre „stärkten, kaum und wirtschaftlichem Gebiete“.12 weniger als der christlichsoziale Antisemitis- mus, antijüdische Ressentiments in der Be- Im „Austrofaschismus“ grenzte man sich zwar aus unter- völkerung und ebneten damit der national- schiedlichen Gründen vom „Dritten Reich“ ab und be- tonte in der Verfassung des „Ständestaates“ die formal- sozialistischen Agitation den Weg“. rechtliche Gleichbehandlung aller Staatsbürger. Anderer- seits aber verschaffte sich der Antisemitismus gleich- sam über die Hintertüre Geltung. Flüchtlinge aus „Hitler- 9 Hoffmann-Holter 1995, S. 211–213. deutschland“ bekamen von der öffentlichen Hand keine 10 Botz 1976, S. 130–137. Unterstützung. In vielen Berufsbereichen galten zumin- 11 Neue Freie Presse, 18. 8. 1925, S. 1. 12 Kriechbaumer 2006, S. 307. dest inoffiziell bereits „Arierparagraphen“.

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Mit dem Einmarsch der Wehrmacht und der NS-Macht- Als nach der „Shoah“ aus eben diesem „Osten“ die ergreifung wurde dann ein bislang unbekanntes Aggres- Überlebenden vor neuen Pogromen in die wiedererstan- sionspotenzial frei. Selbst Nationalsozialisten aus dem dene Alpenrepublik flüchteten, trafen sie dort denselben „Altreich“ waren von den „Leidenschaften“ ihrer öster- Ungeist an, der nach „Auschwitz“ geführt hatte. Das reichischen Kollegen überrascht. Die Exzesse der „Reichs- schlechte Gewissen gegenüber den Opfern, die Angst kristallnacht“ vom 9. November 1938 in Wien versetz- vor den Forderungen nach Rückstellung „arisierten“ ten die deutschen „Nazis“ regelrecht in Erstaunen. Tat- Vermögens und der Neid gegenüber dem angeblichen sächlich könnte – so die Meinung einiger Historiker – „Wohlleben“ der von alliierter Seite unterstützten „Dis- gerade die „Ostmark“ als eine Art „Schreckenslabor“ placed Persons“, kurz „DPs“, mischte sich mit den altbe- des Holocausts gedient haben: Früh entstanden in Wien kannten Vorurteilen. Leopold Kunschak trat erneut in mit der Vertreibung der Juden aus ihren Wohnungen Erscheinung, um nach siebenjähriger NS-Herrschaft „un- gleichsam Ghettos. Pläne, die „missliebigen Israeliten“ ter heulendem Beifall“ zu verkünden, dass er „immer Anti- semit gewesen“ sei und es „weiterhin bleibe“. Wie nach dem Ersten Weltkrieg meinte er: Die „polnischen Ju- den“ sollten „nicht nach Österreich kommen“, die ande- Mit dem Einmarsch der Wehrmacht und der ren aber „brauchen wir auch nicht“.14 NS-Machtergreifung wurde dann ein bislang unbekanntes Aggressionspotenzial frei. Selbst In allen großen Parteien regten sich mehr oder minder deutliche Gefühle der Abneigung gegenüber den „Zu- Nationalsozialisten aus dem „Altreich“ waren wanderern“. Neben VP-Mann Kunschak erklärte Karl von den „Leidenschaften“ ihrer österreichi- Renner, er werde es „nicht zulassen, daß eine neue jü- schen Kollegen überrascht. dische Gemeinde aus Osteuropa hierher“ komme und sich hier etabliere, „während die eigenen Leute Arbeit brauchen“.15 Der VdU (Verband der Unabhängigen), Vor- läuferorganisation der FPÖ, stellte sich 1949 gleich ein- in Konzentrationslager nahe der ehemaligen Kaiserhaupt- mal mit einem Wahlflugblatt vor, in dem gegen das ver- stadt zu bringen, ließ man fallen. Der Sieg über Polen meintliche „Schlemmerleben“ einer, so wörtlich, „jüdi- bot die Möglichkeit, die „feindliche Rasse“ dorthin zu schen Stinkrasse von Schiebern und Betrügern“ gehetzt transportieren. Immerhin aber mag, wie der angloame- wurde.16 rikanische Österreich-Experte Steven Beller vermutet, An „verbalen Ausrutschern“ und antisemitischen „Re- die „Wiener Initiative zu der Politik der Massendeporta- flexen“ fehlte es auch in den kommenden Jahrzehnten tion von Juden ‚in den Osten‘ und ihrer späteren Ver- nicht. Die Waldheim-Affäre 1986/87, die bestimmte nichtung beigetragen haben“.13 Kreise unter anderem als eine „jüdische Verschwörung“ interpretierten, oder die Diskussionen rund um die Frage der Restitution jüdischen Vermögens seien hier stellver- tretend für etliche andere Beispiele davor und danach 13 Beller 2007, S. 225. 14 Zit. nach Albrich 2002, S. 76. angeführt. 15 Zit. nach Albrich 2002, S. 84. 16 Zit nach Adunka 2002, S. 16.

26 Dass „die österreichische Volkskultur antijüdisch gezeich- Bereits vor zehn Jahren war nicht einmal net ist“, scheint der historische Befund also unter Be- die Hälfte der im Rahmen einer Studie über 17 weis zu stellen. Allerdings verlagern sich die Feindbil- den Antisemitismus in Österreich Befragten der nunmehr zunehmend auf Migranten und Flüchtlinge, in der Lage, den Begriff „Holocaust“ korrekt während das Wissen über die Auswüchse des Antise- mitismus im 20. Jahrhundert zu schwinden droht. Be- zuzuordnen. reits vor zehn Jahren war nicht einmal die Hälfte der im Rahmen einer Studie über den Antisemitismus in Öster- Vor dem Hintergrund des 100. Geburtstags des „legen- reich Befragten in der Lage, den Begriff „Holocaust“ dären“ Wiener Bürgermeisters Karl Lueger fand eine korrekt zuzuordnen.18 Warnungen vor einer sinnentleer- Reihe von Veranstaltungen statt, neue Biografien wurden ten Erinnerungskultur werden parallel dazu mitunter zu präsentiert und verschiedene Einschätzungen zu Wirken Unrecht zurückgewiesen. Vor Jahrzehnten schon aber und „Nachwirken“ Luegers abgegeben. Einige Interpreta- haben tatsächlich Berufene sich sorgenvoll über den tionen orientierten sich mehr oder weniger an der Mei- künftigen Umgang mit der Vergangenheit geäußert und nung Anton Pelinkas, wonach die Figur Lueger keiner das „Verschwinden der letzten Überlebenden der Shoah“ Moralisierung bedürfe. Es gehe, so der Politikwissen- mit dem „geschichtliche[n] Erkalten einst lebendiger schafter, vielmehr „um das Verstehen“.20 Freilich bleibt Erfahrung“ in Zusammenhang gebracht. Die Gefahren die Befürchtung, dass eine breitere Öffentlichkeit dieses eines abstrakten „Musealisierungs“- oder Historisierungs - „Verstehen“, das eine tiefergehende Auseinanderset- prozesses hatte der jüdisch-österreichische Schriftstel- zung mit Lueger und seiner Zeit voraussetzt und damit ler Jean Améry, selbst Opfer des NS-Terrors, vorausge- etwa John W. Boyers Lueger-Biografie gleichsam zur ahnt und in einem kurzen Text eindringlich beschrieben. Pflichtlektüre erhebt, mit einem Geschichtsverständnis „Irgend einmal“, so Améry, „wird alles sein, als wär´ es gleichsetzt, welches Amérys „Horrorvorstellung“ von der nie gewesen. Geschichtliche Entropie wird alles Gesche- Historie als dem lediglich „Geschichteten“ nahekommt. hene gleichsam im Wärmetod erstarren lassen. Mörder Dann nämlich könnte kaum mehr übrigbleiben als das und Ermordete werden kahl und kalt im Nichtigen neben- „Verstehen“ eines in Luegers Wien allgegenwärtigen einander sein, die einen nicht schlechter als die ande- Antisemitismus, der – aus der Zeit heraus begriffen – ren. Kosmische Indifferenz, niedergelegt in Aufsamm- gewissermaßen als alternativlose beziehungsweise lungen schierer Daten, wird alles umfangen: Geschichte zwangs läufige Erscheinung „akzeptiert“ wird. Vielleicht wird das Geschichtete sein, Mensch und Gegen-Mensch kann Alfredo Barsuglias Denkmalentwurf, der eine Re- ruhen dann in der Grabesstille des Abgelebten.“19 flexion der Lueger‘schen politischen Praxis anbietet und der „abstrakten“ Erinnerung ein konkretes Beispiel der Rhetorik des 1910 verstorbenen Bürgermeisters gegen- überstellt, derartigen Missinterpretationen entgegen- wirken.//

17 Hanisch 2005, S. 31. 18 URL: http://www.shortnews.de/id/255193/Oesterreich- und-der-Antisemitismus-Umfrage… (8. 2. 2011). 19 Améry 2005, S. 129. 20 Pelinka 2010.

27 Hannes Leidinger, Verena Moritz ANTI-SEMITISM IN AUSTRIA – AN OVERVIEW According to a survey undertaken at the beginning of the 1990s, more than 30 percent of those Austrians asked stated that they would not want Jewish neighbours.

Although since then the proportion of respondents who, In any case, the extensive legal equality extended to during various statistical surveys on anti-Semitism in Jews did bring with it the first phase of liberalization in Austria, expressed their prejudices in this or similar the 1860s. The “supreme” dynasty received this devel- ways has gone down, the prevalent stereotypes and opment with mixed feelings. In the Catholic ruling house hostile images of others are still an issue. Over and over there was certainly no lack of reservations. However, again the numbers of the rejected minority were over- Emperor Franz Joseph personally distanced himself estimated. Between 1970 and 1990 only 15 percent ac- from an increasingly racist hostility to Jews. curately estimated the number of Jews in Austria at the In the age of nation states, the creation of mass political correct figure of 0.1 per cent. All others assumed it to parties, and political Catholicism, “deutsch-völkische [Ger- be five, ten, or even more percent of the population.1 man nationalist and populist]” and Christian Socialist or- Prejudice against “the Jews” has a long history. Medi- ganizations became propagators of radical anti-Semitism. eval and early modern aristocracy shared their aversion “The Jew” as an object of hate reflected the complex- to “Israelites” with large parts of society while definitely es, images of menace, and problematic issues of every valuing the “capable businessmen” as financiers at the historical epoch. Thus towards the end of the nineteenth same time. Otherwise superstition and fanaticism dom- century, opponents of modernization and those who lost inated, attitudes that repeatedly led to persecution, mur- by it saw in members of the “other races” destroyers of der, and expulsion under the Habsburgers too. “proven” tradition, proponents of “unrestrained” freedom of speech and the press, “suspicious” exponents of a When, towards the end of the eighteenth century, “menacing” urbanity and an unpatriotic cosmopolitan- Josephinism finally placed the enlightenment in the ser- ism as well as “rootless profiteers” of a “greedy capital- vice of absolutism, religious toleration also extended to ism”. Here the guideline is that “as a mass movement, those of “Mosaic (Jewish)” faith. This was not so much Austrian anti-Semitism won its spurs during the eco- based on humanitarian principles as on calculated rea- nomic crises of the late 1870s and early 1880s […]”2 sons of state. The integration of important groups with- in the population took place for mainly economic rea- sons and the exigencies of power politics. Thus what took the foreground was not respect for Others, but much more the “harmonization” of the masses with an 1 Bruckmüller 1996, 595. unmistakeable tendency towards “Germanization”. 2 Pulzer 1990, 128.

28 Although the characteristic racist anti-Semitism of the all his worries. In this context he made use of, or con- All German Party led by Georg von Schönerer has re- firmed, prevalent prejudices and made anti-Semitic mained alive in historical memory because of its uncom- rhetoric his own personal style because it brought him promising and radical nature and because its concentra- the necessary popularity during elections. In this con- tion on political power in relation to Adolf Hitler’s career nection, Peter Pulzer, author of standard works on Aus- appeared to thrust itself into the centre of attention, the trian anti-Semitism, underlines the fact that nowhere actual number of “Schönerians” remained relatively small. else in Europe would “anti-Jewish” political strategies In “Hitler’s Vienna” it was not the future Führer’s much have given rise to the success it enjoyed in Austria. In admired Schönerer who set the tone, but other “move- addition he characterizes the Austrian “variety” of anti- ments” that were numerically stronger. Semitism as being “overwhelmingly Christian and con- servative from beginning to end”.4 These new mass parties bundled protest by those peo- ple who associated the liberal era with insecurity and That Karl Lueger termed anti-Semitism a “rabble sport” economic crashes more than anything else. However, behind the scenes simply underlines his populist strat- against this background Christian Socialists and Social egy in dealing with “the masses”. Considering its long Democrats offered ideological orientation that could not term effects, down-playing this political opportunism have been more different and which very soon made does not seem to be appropriate. That Arthur Schnitzler – a the two parties irreconcilable opponents. keen observer of “everyday anti-Semitism” in Austria with its various currents of discrimination – certifies that in Karl Lueger, founding father of the Christian Socialist reality the Vienna mayor was not an anti-Semite is often Party, did not only become the “iconic figure” of his advance in order to depict Lueger’s political praxis as own party. In his instructive and enlightening biography, being in keeping with the times. However, it was ex- John W. Boyer attests to “Handsome Karl” having a actly this form of “selective anti-Semitism” that Schnitzler craving for recognition, a pronounced will to power, a was condemning and he regarded it as evidence for the democratic sense of mission, but also an autocratic mayor’s “morally dubiousness”, something that is often “style of leadership” coupled with the knowledge of ignored.5 how to gather the masses behind him.3 Because of his popularity, Lueger, who took over the office of mayor in Although in Lueger’s Vienna it went no further than “ver- 1897, became a legend during his own lifetime. A genu- bal anti-Semitism”, and the legal position of Jews re- ine personality cult came into being round the figure of mained unchanged, there is absolutely no doubt that the the “city father”. Moreover Lueger, who made pioneer- anti-Semitism in the decades before the rise of the ing municipal policy decisions and lastingly altered the NSDAP contributed to a climate in which the fatal radi- way Vienna looks, understood very well how to depict calism of National Socialist racism could flourish. “The himself as an advocate of the “man in the street” with Austrian Nazis,” says contemporary historian Bruce Pauley, “simply created a synthesis of all earlier forms of religious, economic, and racist anti-Semitism. […] From the anti-Semitism of words it was but a short step 3 Boyer 72010, 5. 6 4 Pulzer 1990, 125. to an anti-Semitism of acts”. 5 Ehrlich 1990, 99. 6 Pauley 1993, 389f.

29 ANTI-SEMITISM IN AUSTRIA – AN OVERVIEW

New resentment was directed towards Jews as a con- ranters”. Generally speaking, it can be shown that social sequence of the First World War. Between 1914 and democratic members of parliament definitely fell prey to 1918 around 150.000 Jewish war refugees from the the temptations of anti-Semitism. During elections and north-eastern part of the Danube monarchy became the in parliamentary sessions they grumbled about “stock target of various forms of aggression and a trigger for market and press Jews” which linked cross-party criti- diffuse fears. In parallel with the worsening food crisis, cism of capitalism with omnipresent racism. Socialist the refugees began to be envied for their state-supplied functionaries “strengthened anti-Jewish resentment in provisions and, in addition, the newcomers were often the populace to an extent that was scarcely less than regarded as carriers of disease. These resentments did the Christian Socialist anti-Semitism and thus cleared not diminish at the cessation of war. Even though the the way for National Socialist agitation”.9 majority of the victims of military action in need of help During the interwar years Christian Socialists and had returned to their homes before the fall of the Habs- German Nationalists were offered a number of opportu- burg monarchy, the remaining – at most 30,000 – per- nities to prove the radicalness of their standpoints. When, sons who stayed in the empire’s capital city were given in March 1925, journalist and writer Hugo Bettauer, who the blame for the misery of the “upheavals”. Due to sup- touched on sexual taboos in his writings, was murdered ply catastrophes and the threat of Bolshevism Vienna by a member of the still small and fragmented Nazi was burdened with a relatively small number of “home- movement, the connection between moral attitudes, less”, they accounted for 1.4 percent of the city inhabit- public-decency fanaticism, anti-Semitism, and early fas- ants at the very outside. Anti-Semitic organizations began cism immediately became clear. Even “moderate” forces a veritable campaign of persecutions.7 The Christian justified the crime as understandable “moral indigna- Socialist MPs such as Leopold Kunschak, long-standing tion” about the “pornographer” Bettauer. While the member and post-1945 National Assembly President, Christian Socialist “Reichspost” excused the act of this demanded the expulsion of the “locusts who are strip- son of an “honourable locksmith couple” as the “carrying ping the land bare”. 8 out of the will of the people” even though he had admit- In the meantime the Social Democrats sent out contra- tedly made a “mistaken choice as to the means”, during dictory signals in their party programme that contained the jury trial in Vienna it was the victim who was in the racist slogans. On the one hand, because of the “bour- dock. Found unsound of mind, the murderer was placed geois” tirades of hate, Jewish citizens felt drawn to the in a psychiatric institution which he was able to leave “emancipatory power of socialism”. Members of the after one and a half years.10 party leadership in particular saw themselves being de- famed as “muckrakers”, “Bolsheviks” and revolutio- nary “inciters of the masses”. On the other hand, despite their new position of power, the ruling left fulfilled the qualifications for being populist “speaker’s platform

7 Hoffmann-Holter 1995, 275. 8 Hoffmann-Holter 1995, 166. 9 Hoffmann-Holter 1995, 211–213. 10 Botz 1976, 130–137.

30 Then, in August 1925, despite a ban on assemblies, of the 9 November 1938 in Vienna completely amazed there was, during the 14th Zionist World Congress in Vienna, the German Nazis. In fact, in the opinion of some histo- “rioting” and “excessive street unrest”, as the liberal rians, it is possible that the “Ostmark” served as a “lab- conservative “Neue Freie Presse” reported although it was oratory of terror” for the Holocaust: the equivalent of more concerned about the repercussion for the interna- ghettos were formed in Vienna very early by Jews hav- tional image of the alpine republic, its gastronomy and ing their homes confiscated. Plans to transport the “un- tourism. Nevertheless, the paper did not simply lay the popular Israelites” to a concentration camp close to the responsibility for the damage to property, the destruction capital of the empire were dropped. Victory over Poland of shops and cafés in the city centre on “young row- provided an opportunity to transport “hostile races” dies” and “thugs”. “Unfortunately”, said the “Neue Freie there instead. At any rate it may be the case that, as the Presse”, “we observe circles working at the centre of Anglo-American Austrian expert Steven Beller suspects, the Christian Socialist movement” taking “a stance that the “Viennese initiative contributed to the policies of the might be interpreted by hotheads as approval”.11 In mass deportation of Jews “to the East” and their sub- spite of criticism of this kind, the Christian Socialist Party, sequent extermination”.13 in its programme of February 1926, encouraged the “na- When, after the “Shoah”, the survivors fled to the alpine tionally minded” to “cultivate German customs” and com- republic from the “East” because of new pogroms, they bat “the supremacy of debilitating Jewish influence on encountered the same demon that had led them to spiritual and economic areas”12. “Auschwitz”. Bad consciences in relation to the victims, For various reasons the borderline between the “Dritten fear of demands for restitution of “Aryanized” property, Reich” and the “corporate state” were kept upright dur- and envy at the alleged “good living” of the displaced ing “Austro-fascism” by the latter emphasising the for- persons (DPs) who were given support by the allies, mal guarantee of the legal equality of all its subjects in mixed with long-embedded prejudices. After seven its constitution. At the same time anti-Semitism was years of Nazi rule Leopold Kunschak appeared once allowed to slip in by the back door. Refugees from again and to “tumultuous applause” proclaimed that he “Hitler’s Germany” were given no public support. In had “always been an anti-Semite” and “would remain many professions there was an “Aryan clause”, if only so”. “Polish Jews” should not “come to Austria and we an unofficial one. don’t need the others either”.14 With the Wehrmacht invasion and the Nazi seizure of power, a previously unrecognised potential for aggres- sion was unleashed. Even Nazis from the “Altreich” were surprised by the “passions” of their Austrian coun- terparts. The excesses during the “Reichskristallnacht”

11 Neue Freie Presse, 18. 8. 1925, 1. 13 Beller 2007, 225. 12 Kriechbaumer 2006, 307. 14 Quoted from Albrich 2002, 76.

31 ANTI-SEMITISM IN AUSTRIA – AN OVERVIEW

In all of the bigger parties there was a feeling of aver- meaningless memorial culture are from time to time un- sion, greater or lesser in extent, towards the “immi- justly repudiated. Decades ago real experts had already grants”. Alongside Kunschak (People’s Party), Karl Ren- made the connection between the “disappearance of ner declared that he would “not permit a new Jewish the last survivors of the Shoah” with the “historical community to come here from Eastern Europe”, and to melting away of previously living experience” and ex- become established when our own people are in need of pressed worries about future ways of dealing with the work”.15 The VdU (Verband der Unabhängigen [Association past. The dangers of abstract processes of “museumi- of Independents]), the precursor organization to the FPÖ zation” or historicization were anticipated by the Jewish [Freedom Party of Austria], introduced itself immediately Austrian writer, Jean Améry, himself a victim of the Nazi in an election flyer in which the incited people against terror, and described by him in a short text. “At some- the supposed “life of luxury” of the, verbatim, “stinking time or other”, says Améry, “everything will be as if it Jewish race of black marketeers and swindlers”.16 had never been, historical entropy will petrify everything that happens in a heat death. Murderers and murdered In succeeding years there was no lack of “verbal slips” will be bare and cold alongside each other in a void, the and anti-Semitic “reflexes” either. The Waldheim affair one no worse than the other. Cosmic indifference, laid in 1986/87, interpreted by some circles as a “Jewish down in collections of pure data, will embrace every- conspiracy”, or the discussion of the question of restitu- thing: history will be stacked, human and anti-human tion of Jewish property are instances that stand for a will then rest in the funereal silence of death”.19 number of other examples, both before and after. The historical record seems to prove that “Austrian Against the background of the hundredth anniversary of popular culture is marked by anti-Semitism”.17 However, the “legendary” Viennese mayor, Karl Lueger, there there is an increasing shift in the negative images of were a number of events, new biographies were pre- Others towards immigrants and refugees while at the sented, and various appraisals made as to Lueger’s ef- same time knowledge of the outgrowths of anti-Semitism fect and “side effects”. A number of interpretations in the twentieth century is threatening to disappear. more or less oriented themselves on Anton Pelinka’s Even ten years ago, less than half of those asked during opinion that, as a figure, Lueger needs no moralization. a study of anti-Semitism in Austria were able to put the According to the political scientist, the concern is much term “Holocaust” in context.18 In parallel, warnings of a more one of “understanding”.20 Of course, the fear re-

15 Quoted from Albrich 2002, 84. 16 Quoted from Adunka 2002, 16. 17 Hanisch 2005, 31. 18 URL: http://www.shortnews.de/ id/255193/Oesterreich-und-der-Antisemi- 19 Améry 2005, 129. tismus-Umfrage… (8. 2. 2011). 20 Pelinka 2010.

32 mains that the wider public will equate this “under- LITERATUR / REFERENCES standing”, one that presumes an in-depth examination Adunka, Evelyn: Antisemitismus in der Zweiten Republik. Ein Überblick with Lueger and his time and thus advances, for exam- anhand einiger ausgewählter Beispiele. In: Wassermann, Heinz P. (Hg.): Antisemitismus in Österreich nach 1945. Ergebnisse, Positionen und ple, John W. Boyer’s Lueger biography to more or less Perspektiven der Forschung, Innsbruck 2002, 12–65. compulsory reading, with an understanding of history Albrich, Thomas: Fremd und jüdisch. Die osteuropäischen Überlebenden des Holocaust – erste Projektionsziele des Nachkriegsantisemitismus. that comes close to Améry’s “horror vision” of history In: Wassermann, Heinz P. (Hg.): Antisemitismus in Österreich nach 1945. as mere “layers”. In that case there would be almost Ergebnisse, Positionen und Perspektiven der Forschung, Innsbruck 2002, 66–95. nothing left to do except to “accept” the “understand- Améry, Jean: Das Unverjährbare. In: Ders.: Werke 7: Aufsätze zu Politik ing” of the omnipresent anti-Semitism in Lueger’s und Zeitgeschichte. Herausgegeben von Stephan Steiner, Stuttgart 2005, Vienna taken in the context of its times as having no 127–130. Beller, Steven: Geschichte Österreichs, Wien/Köln/Weimar 2007. alternative or being an inevitable phenomenon. Perhaps Botz, Gerhard: Gewalt in der Politik, München 1976. Alfredo Barsuglia’s design for the monument, which Boyer, John W.: Karl Lueger (1844–1910). Christlichsoziale Politik als offers a reflection on Lueger’s political praxis and con- Beruf. Eine Biografie, Wien/Köln/Weimar 2010. fronts “abstract” memory with a concrete example of Bruckmüller, Ernst: Bastion – Brücke. In: Ders./Urbanitsch, Peter (Hgg.): 996–1996. Ostarrichi – Österreich. Menschen, Mythen, Meilensteine. the rhetoric of the mayor who died in 1910, can counter- Österreichische Länderausstellung. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge Nr. 388, Horn 1996, 593–595. act misinterpretations of this nature.// Ehrlich, Anna: Karl Lueger. Die zwei Gesichter der Macht, Wien 2010. Hanisch, Ernst: Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesell- schaftsgeschichte im 20. Jahrhundert, Wien 2005. Hoffmann-Holter, Beatrix: „Abreisendmachung“. Jüdische Kriegsflücht- linge in Wien 1914 bis 1923. Wien/Köln/Weimar 1995. Kriechbaumer, Robert (Hg.): „Dieses Österreich retten ...“. Die Protokolle der Parteitage der Christlichsozialen Partei in der Ersten Republik, Wien/ Köln/Weimar 2006. Moritz, Verena / Moser, Karin / Leidinger, Hannes: Kampfzone Kino. Film in Österreich 1918–1938, Wien 2008. Pauley, Bruce: Eine Geschichte des österreichischen Antisemitismus. Von der Ausgrenzung zur Auslöschung, Wien 1993. Pelinka, Anton: Karl Lueger: Mythos und Gegenmythos, in: Der Standard/ Album, Printausgabe 6./7. März 2010. Pulzer, Peter: Spezifische Momente und Spielarten des österreichischen und Wiener Antisemitismus. In: Botz, Gerhard / Oxaal, Ivar / Pollak, Michael (Hg.): Eine zerstörte Kultur. Jüdisches Leben und Antisemitismus in Wien seit dem 19. Jahrhundert, Buchloe 1990, 121–140. Rathkolb, Oliver: Die paradoxe Republik. Österreich 1945 bis 2005. Wien 2005.

Hannes Leidinger, geb. 1969, Studium der Geschichte in Wien, Mag. Dr., Lehrbeauftragter an der Universität Wien. Hannes Leidinger, born 1969, studied History in Vienna, Mag. Dr., lectureship at the University of Vienna. Verena Moritz, geb. 1969, Studium der Geschichte und Slawistik in Wien, Mag. Dr., Lehrbeauftragte an der Universität Wien. Verena Moritz, born 1969, studied History and Slavonic Studies in Vienna, Mag. Dr., lectureship at the University of Vienna.

33 "&+/"& %2+$"+02 *&00&,+0

Aus den zwei „Lichtsäulen“ ist die Originaltonaufnahme der Rede des Bürgermeisters Karl Lueger, bei der Versammlung des christlich-sozia- len Arbeitervereins vom 20. 7. 1899 in Wien, zu hören. Neben der Soundinstallation wird auf den „Lichtsäulen“ je eine Kupfer platte montiert, auf der die Denkmal – Rede sowie der Titel der Arbeit Memories, nothing changed und eine Information in Deutsch, Alfredo Barsuglia Englisch, Hebräisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Türkisch, Im Konzept „Denkmal – Memories, Arabisch und in Brailleschrift ge- nothing changed“ bleibt das Lueger- schrieben steht. Denkmal in seinem Erscheinungs- Der Titel „Denkmal“ bezieht sich bild unverändert, d. h. es werden auf „Nachdenken“. Der Untertitel keine baulichen Veränderungen „Memories, nothing changed“ vorgenommen. Das Lueger-Denk- macht bewusst, dass Antisemitis- mal ist ein Mahnmal, eine Erinne- mus und Rassismus bis heute poli- rungsstätte, ein Denkmal. Das tisch instrumentalisiert werden. Konzept „Denkmal – Memories, nothing changed“ will die Vergan- „Hier in unserem Vaterlande Öster- genheit nicht umgestalten, inter- reich liegen die Verhältnisse so, pretieren oder beschönigen, son- daß sich die Juden einen Einfluß dern reflektieren. erobert haben, der über ihre Zahl

34 terreich herrscht, ist darum durch Arbeit, um den verhaßten Mann zu die Juden entfacht, alle Anfeindun- stürzen (Hoch Lueger!) und ihre gen unserer Partei rühren daher, Fahnen wieder auf dem Rat- weil wir der Herrschaft der Juden hausturm aufzupflanzen. endlich einmal zu Leibe gerückt (Bravo!)“

sind. Darum sind Juden, Sozi und [Dr. Karl Lueger, Rede vom 20. 7. 1899, Deutschnationale jetzt so an der Weiningers Nacht, Europa-Verlag, Wien 1989]

und Bedeutung hinausgeht. (Zwi- schenruf: Sehr wahr!) In Wien muß der arme Handwerker am Samstag nachmittag betteln gehen, um die Arbeit seiner Hände zu verwerten, betteln muß er beim jüdischen Mö- belhändler. (Sehr richtig!) Der Ein- fluß auf die Massen ist bei uns in den Händen der Juden, der größte Teil der Presse ist in ihren Händen, der weitaus größte Teil des Kapi- tals und speziell des Großkapitals ist in Judenhänden, und die Juden üben hier einen Terrorismus aus, wie er ärger nicht gedacht werden kann. Es handelt sich darum, in Ös- terreich vor allem um die Befreiung des christlichen Volkes aus der Vor- herrschaft des Judentums. (Leb- haftes Bravo! Redner mit erhobe- ner Stimme:) Wir wollen auf dem Boden unserer Väter freie Männer sein und das christliche Volk soll dort herrschen, wo seine Väter ge- blutet haben. (Tosender Beifall.) Al- ler Zwist, auch der bei uns in Ös-

35 "&+/"& %2+$"+02 *&00&,+0

Lueger to the Stars sein Wirken nur aus den Zeitungs- berichten. In Verbindung mit dem MALMOE Ausflug fand in dem erwähnten Anknüpfend an den großen Erfolg Orte eine von Ernst Vergani, dem von „Letter to the Stars“ in Öster- Herausgeber des antisemitischen reich – Erinnern und Gedenken zu Tagblattes „Deutsches Volksblatt“, Mega-Events zu machen und die einberufene Volksversammlung Inhalte derselben an „die Sterne“ statt, an welcher außer den tau- zu adressieren – will MALMOE nun send Wiener Ausflüglern einige auf diesen Event-Zug aufspringen tausend Bauern aus den Bezirken und schlägt ein noch nie dagewe- Tulln, Kirchberg und Krems teilnah- senes und alles übertreffendes men.“ (Kunschak 1937/1952: 47) Projekt vor. Während Luftballons Bei diesem „Antisemitenausflug“ zerplatzen und Blumen verblühen, hielt Kunschak dann, als das freie wird das Lueger-Geschoss wie ein Wort für alle verkündet worden Schwert über unseren Köpfen war, eine Rede, deren Inhalt uns schweben, jederzeit bereit, auf verschwiegen wird, die aber den dieselben zurückzufallen. offiziellen Redner Karl Lueger im- merhin so sehr begeisterte, dass er Kunschaks Namen notierte und „GELEGENTLICH DES ERSTEN GROSSEN ihn zu einem Besuch in seine Kanz- ANTISEMITENAUSFLUGES ...“ lei in Wien einlud. Leopold Kunschak1 „Ich wurde sofort angemeldet und Leopold Kunschaks Memoiren im nächsten Augenblick saß ich dem „Steinchen vom Wege“ sind 1937 großen Volksführer gegenüber; ein erstmals erschienen und wurden Gefangener des Zaubers, der von 1952 in unveränderter Form neu seiner Wesensart ausströmte. In aufgelegt. der halben Stunde, die wir zusam- Auf Seite 47 beginnt somit in bei- mengesessen, wurden die Fäden den Ausgaben die Geschichte sei- gesponnen zu einer engen und in- ner Bekanntschaft mit Karl Lueger nigen Freundschaft für ein ganzes mit folgenden Worten: Leben.“ (Kunschak 1937/1952: 48) „Gelegentlich des ersten großen Kein Wunder, denn wie Karl Lueger Antisemitenausfluges2 nach Kirch- war Leopold Kunschak ein typischer Außenansicht des Lueger-Geschosses berg am Wagram kam ich mit katholischer Antisemit, der den unter Verwendung eines Holzschnitts von Bayard & de Neuville („Reise um Dr. Lueger in persönliche Bezie- Antisemitismus vor allem in seinen den Mond“, Jules Verne). hung, bis dahin kannte ich ihn und propagandistischen Möglichkeiten

36 voll ausschöpfte, durchaus an „GELEGENTLICH DES LETZTEN GROSSEN Ghettoisierungen dachte, jedoch ANTISEMITENAUSFLUGES...“ nie direkt zu Gewaltsamkeiten auf- Karl Lueger rief. Das Credo von Lueger war, Der Vorschlag „Lueger to the Stars“ dass das säkularisierte Judentum beabsichtigt, das Lueger-Denkmal Schuld an den wirtschaftlichen in Wien auf seinen letzten „großen Nöten trage und sich alle Christen Antisemitenausflug“ zu schicken. und christlichen Nationalitäten der Indem die Statue inkl. jenem Sockel- Monarchie gegen den jüdischen teil, der mit Karl Lueger beschriftet Kapitalismus zusammenschließen ist, mit einer Geschossform um- sollten. Sein im Gegensatz zum mantelt wird (ca. 8 m hoch), ist es modernen rassischen Antisemitis- bereit, „zu den Sternen“ geschos- mus altmodischer religiöser, kultu- sen zu werden. Das Lueger-Ge- reller und ökonomischer Antisemi- schoss soll in die Erdumlaufbahn tismus wurde für Jahrzehnte die einschwenken, allerdings – im integrierende Kraft des politischen Gegensatz zu Satelliten – ohne per- Katholizismus in Österreich, dem manente Steuerungsmöglichkeit. Antisemitismus verdankte Lueger Das Steuerungsmodul soll eine Innenansicht des Lueger-Geschosses, unter Verwendung eines Holzschnitts seine Popularität. Die Grenzen zwi- Lebensdauer von max. 100 Jahren von Bayard & de Neuville („Von der schen religiösem und rassischem haben. Damit ist sichergestellt, Erde zum Mond“, Jules Verne) und Antisemitismus sind allerdings sehr dass das Lueger-Geschoss danach einer Skizze von Mona Liska dünn und durchlässig. Kunschak be- irgendwann auf die Erde zurückfal- hauptete zwar einmal (nach 1945!), len wird. Dieser Absturz wird Opfer 1 Leopold Kunschak (ÖVP) 1871–1953. 1918– er sei immer Antisemit, aber nie fordern, da seine Größe – selbst 1934 Abgeordneter zum Nationalrat und Klub- obmann der christlichsozialen Parlamentsfrak- Rassenantisemit gewesen, betrach- wenn der Absturz in einem Ozean tion ab 1934, bekannt für seine Analysen des erfolgt – zumindest zu Flutwellen Austrofaschismus, z.B. meinte er, „die berufs- tet man seine Ausführungen ge- ständische Ordnung ist ein wahrhaftigeres nauer, stimmt das jedoch nicht, weil und Erdbeben führen wird. Um das Stück Demokratie, als es jene bis 1934 im parlamentarischen Staat war; sie ist naturge- er „in der durch Geburt erworbe- zu verhindern, müssen sich alle wachsene Demokratie“ (Kunschak 1937, zit.n. nen Zugehörigkeit zu einer Gruppe Staaten der Erde mit dem Lueger- Ludwig Reichhold: „Leopold Kunschak“, 1988). Dennoch hat er bis heute den Ruf eines „Op- (...) ein schweres Verschulden sah. Geschoss befassen und Möglich- positionsführers“ im Austro faschismus. Dieser Antisemitismus (...) unter- keiten finden, es unwirksam zu 2 1887 trat Karl Lueger der kleinen katholischen machen. Reformgruppe „Christlichsozialer Verein“ bei, schied sich nur noch durch das übernahm bald die Führung und baute den Fehlen irgendwelcher, weiterrei- Der restliche Sockel bleibt stehen. Verein innerhalb weniger Jahre zu einer Mas- senpartei aus. Die Gruppe nannte sich bis chender Ausführungshandlungen Darauf wird ein Terminal errichtet, 1893 stolz nach dem damals modernen Be- von dem Antisemitismus, der in der es ermöglicht, den Standort des griff „die Antisemiten“, bevor sie sich offiziell Christlich soziale Partei nannte. Intern behielt die Gaskammern von Auschwitz Lueger-Geschosses im Orbit sowie man die Be zeichnung „die Antisemiten“ bei. führte.“ (Anton Pelinka: „Stand die Fortschritte bei der Lösung des Dieser Verein ist gemeint, wenn es um den „Antise mi ten aus flug“ geht. (Brigitte Haman: oder Klasse?“, 1972) Absturzproblems zu verfolgen. „Hitlers Wien“, 1998)

37 Heidemarie Uhl

AUS DEM LOT. DENKMÄLER UND REFLEXIVE ERINNERUNGSKULTUR.

„Die Nachwelt ist ja immer unberechenbar.“ Felix Salten: Lueger-Denkmal. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, 19. 9. 1926

Robert Musils bekanntes Diktum, nichts sei so unsicht- Mittlerweile haben die Zeichensetzungen einer neuen bar wie Denkmäler1, bedarf der Modifikation: Seit den Denkmalkultur für die Opfer des Holocaust die Zentral- 1980er Jahren ist eine neue Aufmerksamkeit für Denk- räume europäischer Städte (und darüber hinaus) ero- mäler zu beobachten, eine Sensibilisierung für die iden- bert.4 Diese Projekte zählten zu den wichtigsten Aufga- titätsstiftende Absicht, die diesen Objekten im öffentli- ben städtischer Kulturpolitik, ihre Situierung und Gestal- chen Raum innewohnt. Denkmäler sind in neuer Form tung stand im Mittelpunkt monate-, zum Teil jahrelanger gesellschaftlich sichtbar geworden, weil sie offenkundig politischer Kontroversen und medialer Auseinanderset- nicht mehr mit den Erinnerungsbedürfnissen einer neuen zungen.5 Generation in Einklang stehen. Der Zerfall der Nachkriegs- mythen und die Entwicklung der Holocaust-Erinnerung Denkmäler sind in neuer Form gesellschaftlich zum zentralen Bezugspunkt einer neuen Erinnerungskul- sichtbar geworden, weil sie offenkundig nicht tur ließ die bestehende Denkmallandschaft in neuem mehr mit den Erinnerungsbedürfnissen einer Licht erscheinen. „Ehren und/oder Anstoß nehmen“2, die Kritik an Leerstellen, vor allem am Fehlen von Zeichen neuen Generation in Einklang stehen. des Gedenkens für die Opfer der Shoah einerseits und an problematischen Aussagen bestehender Denkmäler (vor Die Frage des angemessenen Erinnerns an den „Zivili- allem Kriegerdenkmäler) andererseits, wurde zu einem sationsbruch Auschwitz“6, dem negativen Angelpunkt wesentlichen Stimulus für die Gedenk-Initiativen der der Moderne, wurde vor allem auch zur Herausforde- „generation of memory“ des ausgehenden 20. Jahrhun- rung für die Kunst.7 derts.3

4 Vgl. Young 1994. 5 Zum Konflikt um das Berliner Denkmal-Projekt 1 Musil 2004, S. 63. vgl. Kirsch 2003, Leggewie/Meyer 2005. 2 Mai/Schmirber 1989, S. 7. 6 Diner 1988. 3 Winter 2000. 7 Fenz 2002.

38 Die Wiederkehr des Interesses an Denkmälern in der Nation12 betonen. Wenn Eric Hobsbawm die Praxis des öffentlichen Debatte wie auch in der zeitgenössischen „Erfindens von Traditionen“ („invention of tradition“) nicht Kunst ist ein Phänomen der 1980er Jahre. Noch wenige als Antithese zur Moderne, sondern als geniun modernes Jahre zuvor wurde das „Ende der Denkmäler“ prokla- Phänomen darstellt, aus dem die jungen Nationalstaaten miert, sie galten als anachronistisch, von der Obrigkeit des 19. Jahrhunderts ihre Legitimation bezogen,13 wenn gesetzt, als Instrumente politischer Propaganda, vollends Pierre Nora mit seinem bahnbrechenden Projekt der „Lieux diskreditiert durch die monumentale Denkmalflut des de mémoire“ Frankreichs14 eine neue Form der Natio- Nationalsozialismus.8 Ihre „soziale Energie“9 erschien nalgeschichte „vermittels der Analyse alles dessen, was erloschen, ihre Gegenwartsrelevanz nur noch marginal die Eigentümlichkeiten eines Landes ausmacht“, vor- bzw. beschränkt auf partikulare Gruppen-Traditionen und legt15, dann geschieht das auf der Basis eines neuen deren Rituale (Gedenkfeiern, Kranzniederlegungen). Ins- Verständnisses von Gedächtnis als Ausdruck der kollek- gesamt schien Denkmälern nur noch ein historischer tiven Identität einer Gesellschaft. Wert zuzukommen. Dieser Befund korrespondiert mit einem generell gerin- Das Bild der Vergangenheit ist dynamisch: gen Stellenwert des Blicks in die Vergangenheit in den Bestimmte historische Ereignisse und Perso- Gesellschaften der Moderne, geprägt durch Fortschritts- nen werden zu Bezugspunkten „unserer“ optimismus und Zukunftsgewissheit. Mit der „Erschöp- Geschichte, während andere dem Vergessen fung der utopischen Energien“10 sollte sich hingegen in den 1980er Jahren Gedächtnis als neue Pathosformel des anheimfallen. ausgehenden 20. Jahrhunderts herauskristallisieren. Die Amnesie einer zukunftsorientierten Moderne wurde von Denkmäler, Rituale und Jahrestage, ja sogar Bauwerke, einem neuen Historismus, einer „Vergangenheitsbeses- Museen und Sportereignisse (wie die „Tour de France“) senheit“11 abgelöst, die nun – unter postmodernem Vor- etc. werden nun als Inventar des Symbolhaushalts einer zeichen – neuerlich die Dimension der Geschichte in den Nation betrachtet und analysiert.16 Fokus des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Die für unsere Frage entscheidende Fokussierung von Interesses rückte. Gedächtnis auf die Verschränkung von kultureller For- Die rasche Karriere von „Gedächtnis“ als neuem Leitbe- mung, gesellschaftlicher Funktion und moralischer Di- griff in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften mension hat Jan Assmann in seinem 1988 publizierten gibt Einblick in das Faszinosum dieser Perspektive. In Aufsatz „Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität“ dieser Phase werden die wissenschaftlichen Schlüssel- vor genommen. Der von Aleida und Jan Assmann ge- texte veröffentlicht, die die Relevanz von Vergangenheit prägte Begriff des „kulturellen Gedächtnisses“ erklärt für die „imagined community“ (Benedict Anderson) der halt bare kulturelle Formung, Institutionalisierung und

8 Vgl. Adam 1993, S. 10; Steiner 1989. 12 Vgl. Anderson 1988. 9 Zum Konzept der „Zirkulation sozialer Energie“ 13 Vgl. Hobsbawm 1984; Hobsbawm 1998. vgl. Greenblatt 2000. 14 Nora 1984–1992. 10 Habermas 1985. 15 Nora 1990, S. 10. 11 Hyussen 1994, S. 11. 16 Vgl. Uhl 2010.

39 AUS DEM LOT. DENKMÄLER UND REFLEXIVE ERINNERUNGSKULTUR.

Ritualisierung („Pflege“) als Voraussetzung für die Weiter- Denkmäler sind besonders aufschlussreiche gabe von Wissensbeständen über die Generationenfolge Ausdrucksformen des kulturellen Gedächtnis- hinweg. Erinnerungskultur ist somit ein soziales Phäno- ses, denn sie geben wie kein anderes Medium men, das einem permanenten Transformationsprozess Einblick in die gesellschaftlichen bzw. geschichts- unterliegt. Konfliktpotenziale sind dabei inhärent, denn in der Definition des kulturellen Symbolhaushalts wird zu- politischen Machtverhältnisse, die ihrer Errich- gleich das Werte- und Normensystem einer Gesellschaft tung zugrunde liegen. verhandelt. Assmann bezieht sich explizit auf Maurice Halbwachs, wenn er postuliert, dass Gedächtnis immer aus einem „gegenwärtigen Bezugsrahmen“ rekonstruiert und in Prozesse der aktuellen Identitätsstiftung einbezo- Vor dem Hintergrund des Zusammenhangs von Gedächt- gen wird. Das Bild der Vergangenheit ist dynamisch: Be- nis und Gesellschaft kommt die Kategorie des Denkmals stimmte historische Ereignisse und Personen werden zu erneut ins Spiel: Als Repräsentationsform des kulturel- Bezugspunkten „unserer“ Geschichte, während andere len Gedächtnisses – um auf die Terminologie von Aleida dem Vergessen anheimfallen. „In ihrer kulturellen Über- und Jan Assmann zurückzugreifen – gibt sie Auskunft lieferung wird eine Gesellschaft sichtbar: für sich und für über die jeweiligen historischen Bezugspunkte eines andere. Welche Vergangenheit sie darin sichtbar werden Kollektivs. Reinhart Koselleck bezeichnete bereits 1979 und in der Wertperspektive ihrer identifikatorischen An- in einem wegweisenden Aufsatz Denkmäler als „Iden- eignung hervortreten lässt, sagt etwas aus über das, was titätsstiftungen der Überlebenden“19, die „mehr über die sie ist und worauf sie hinauswill“, resümiert Jan Ass- Zeit ihrer Errichtung aus[sagen] als über die Vergangen- mann.17 Ein ähnliches Postulat stellt Andreas Huyssen heit, auf die sie sich beziehen“.20 Denkmäler vermitteln seinen Überlegungen zur Renaissance des Denkmals in somit Einblick in die Bestände des „heißen Gedächtnis- der Postmoderne voran: „Die Art und Weise, wie wir ses“21 und damit auf jenen gegenwärtigen „sozialen Be- erinnern, bestimmt uns in der Gegenwart, (...) (wir) brau- zugsrahmen“22 (Maurice Halbwachs), in dem jede Gesell- chen die Vergangenheit zur Konstruktion und Veranke- schaft ihre Vergangenheit rekonstruiert. rung unserer Identität und zur Ausbildung unserer Vor- stellung von der Zukunft.“18 Aus dieser Perspektive wird das neue gesellschaftliche, wissenschaftliche und künstlerische Interesse an der Kategorie des Denkmals verständlich: Mit diesen Erin- nerungszeichen im öffentlichen Raum verbindet sich ein Handlungsfeld, das in paradigmatischer Form Gesell- schaft, Politik und Ästhetik verschränkt. Denkmäler sind besonders aufschlussreiche Ausdrucksformen des kul- 17 Assmann 1988. turellen Gedächtnisses, denn sie geben wie kein anderes 18 Huyssen 1994, S. 9. Medium Einblick in die gesellschaftlichen bzw. geschichts- 19 Koselleck 1979. politischen Machtverhältnisse, die ihrer Errichtung zu- 20 Spielmann 1989, S. 112. 21 Zur Unterscheidung von heißem und grunde liegen. kalten Gedächtnis vgl. Maier 2002. 22 Vgl. Halbwachs 1985.

40 Definiert man Gedächtnis als gesellschaftlich kommuni- Diese soziale Verweisfunktion macht auch den Streit- ziertes Wissen über die Vergangenheit23, so ist dieses wert von Denkmälern26 aus: Durch die Errichtung eines Wissen nicht vorgegeben bzw. einheitlich, sondern wird Objekts im öffentlichem Raum, d. h. auf einem Grund- in einem contested space generiert. Im Kommunikati- stück, das sich nicht im Besitz einer Privatperson, son- onsraum einer Gesellschaft, einer Nation zirkuliert eine dern im öffentlichen Eigentum befindet, wird ein Denk- Vielzahl von unterschiedlichen Narrationen über die Ver- mal zum Indikator für das Ausmaß an gesellschaftlicher gangenheit. Vor allem wenn es sich um umstrittene, trau- bzw. politischer Unterstützung, die seine Proponenten matische Bezugsereignisse der nationalen Geschichte erhalten haben. Eine Vielzahl von Bedeutungsschichten handelt, verdichten sich diese „Verhandlungen“ um das bestimmt seinen symbolischen Ort im sozialen Raum: Gedächtnis einer Gesellschaft zu kontroversen Debat- Das Ausmaß an Verbindlichkeit jenes Geschichtsbildes, ten, nicht selten zu geschichtspolitischen „Skandalen“. das mit einem Denkmal zum Ausdruck gebracht werden In diesen Auseinandersetzungen – und das macht ihren soll, und damit dessen Relevanz zeigt sich vor allem an Streitwert aus – geht es immer auch um eine verbindliche, den dafür aufgewendeten öffentlichen Ressourcen und, normative Interpretation der gemeinsamen Vergangen- damit verbunden, dem künstlerischen Anspruch; den heit.24 Trägergruppen – beteiligen sich öffentliche Stellen an dem Projekt (die Stadt, das Bundesland, der Staat), oder handelt es sich um die Initiative partikularer Gruppen Die Denkmallandschaft eines Ortes, einer Stadt (Parteien, Verbände) – und der Situierung prominent im gibt Einblick in die Machtressourcen, mit denen urbanen Zentralraum oder an der (tatsächlichen oder die unterschiedlichen Deutungen der Vergan- symbolischen) Peripherie.27 genheit ausgestattet sind. Denkmäler sind insofern Medien für „Hierarchie der Erin- nerung“28, sie geben Auskunft über Deutungshegemo- nien, aber auch über Marginalisierungen und „Schwei- Denkmäler und andere Zeichensetzungen im öffentlichen gestellen“. Raum (wie z. B. Straßennamen) repräsentieren nun die soziale Ordnung dieses Wissens um die Vergangenheit, Die Geschichtsdeutungen und Sinnstiftungen, die sich denn sie verknüpfen die Ebene der Diskurse mit den mit einem Denkmal verbinden, lassen sich allerdings nicht gesellschaftlichen Machtverhältnissen.25 Sie sind immer mit seiner Errichtung festschreiben. Denkmäler sind in auch Indikatoren für den Kampf und die Deutungsmacht: Die Denkmallandschaft eines Ortes, einer Stadt gibt Ein- blick in die Machtressourcen, mit denen die unterschied- 23 Assmann 1988, S. 9. 24 Vgl. Marchart 2005. lichen Deutungen der Vergangenheit ausgestattet sind. 25 Zur Verknüpfung einer semantischer Analyse von nationalen Welche Gruppierungen können ihre Sichtweise der Ver- Vorstellungen und der symbolischen Praxis von Denkmal- gangenheit durchsetzen, als normativ und verbindlich bewegungen vgl. Tacke 1995. 26 Diesen Begriff hat Gabi Dolff-Bonekämper in Bezug auf Denkmäler erscheinen lassen? Wie drücken sich gegenläufige bzw. entwickelt. Vgl. Dolff-Bonekämper 2010. marginalisierte Positionen aus, welche Gruppen sind 27 Dies zeigt sich beispielsweise an der Debatte um Alfred Hrdlickas „Mahnmal gegen Krieg und Faschismus“ am Wiener Albertinaplatz, nicht repräsentiert? die (zumindest vordergründig) im Wesentlichen um die Frage des Standorts geführt wurde. Vgl. Jenni 1992. 28 Nora 1990, S. 24.

41 AUS DEM LOT. DENKMÄLER UND REFLEXIVE ERINNERUNGSKULTUR. komplexe Zuschreibungsprozesse eingebunden, deren Vor allem aber ist es die weitgehende Absenz von Zei- Dynamik aus dem Spannungsverhältnis von synchronen chen der Erinnerung an die bislang kaum gewürdigten Konkurrenz- bzw. Gegenerzählungen einerseits und ande- Opfer des Nationalsozialismus – Jüdinnen und Juden, rerseits aus den diachronen Verschiebungen von erinne- Roma und Sinti, Zeugen Jehovas, Behinderte, Homose- rungskulturellen Kontexten bzw. ganz generell der Trans- xuelle, sogenannte „Asoziale“ –, die nun zum Motor von formation von Denkmustern über die Vergangenheit resul- Denkmalinitiativen aus der Zivilgesellschaft wird, nicht tiert. Insofern sind Denkmäler nicht als singuläre Objekte selten werden diese Projekte von öffentlichen Stellen aufzufassen, sondern als Knotenpunkte in einem viel- aufgegriffen. Der Entstehungsprozess des Berliner Holo- stimmigen Gedächtnisraum. caust-Denkmals von einer Privatinitiative zum ersten gesamtstaatlichen Denkmal der Bundesrepublik Deutsch- In den 1980er Jahren bildet, wie erwähnt, das Zerbre- land ist dafür symptomatisch.32 chen der europäischen Nachkriegsmythen und die neue Bedeutung des Holocaust als Bezugspunkt eines „nega- Das neue Interesse am „Ehren und/oder Anstoßnehmen“ tiven Gedächtnisses“ den Hintergrund für Denkmalinitia- war in den „westlichen“ Ländern vornehmlich durch die tiven ebenso wie für Denkmal-Kritik. Vielfach sind die Neuerrichtung von Denkmälern geprägt. In Osteuropa Projekte dieser „neuen Erinnerungskultur“ auch eine sollte nach 1989 das Ende der kommunistischen Dikta- Reak tion auf Denkmäler einer „falschen Trauer“29, wie sie turen im Sturz und in der Entfernung der Symbole der vor allem die Kriegerdenkmäler mit ihrer positiven Sinn- überwundenen Macht zum Ausdruck gebracht werden. gebung des Kriegsdienstes in der deutschen Wehrmacht Denkmalsturz ist charakteristisch für politische System- im Zweiten Weltkrieg ausdrücken.30 Das wohl bekann- brüche33, der Sturm auf die Symbole der Machthaber im teste Beispiel der Distanzierung durch die Errichtung öffentlichen Raum wird – insbesondere auch durch die eines Gegendenkmals ist Alfred Hrdlickas „antifaschis- mediale Vermittlung – zum Katalysator und zum öffentli- tisches Mahnmal“ am Hamburger Dammtordamm chen Signal für das Zusammenbrechen von Machtstruk- (1985/86) unmittelbar vor dem Kriegerdenkmal des Infan- turen. Nach der revolutionären Phase folgten Verhand- terie-Regiments 76, das 1936 errichtet worden war.31 lungen auf kommunaler, regionaler oder staatlicher Ebene um den Verbleib, eine partielle Veränderung (etwa das Entfernen des roten Sterns auf Partisanendenkmälern) Das neue Interesse am „Ehren und/oder oder den Abriss (zum Teil unter Transferierung der Sta- tuen in Denkmalparks) von Denkmälern, die Aufschluss Anstoßnehmen“ war in den „westlichen“ über die Prozesse der Inklusion und Exklusion von his- Ländern vornehmlich durch die Neuerrichtung torischen Bezugspunkten in den gesellschaftlichen Trans- von Denkmälern geprägt. formationsprozessen geben.34

32 Leggewie/Meyer 2005. 33 Vgl. Speitkamp 1997. 34 Vgl. exemplarisch Hofmann 2010; Sapper/Weichsel 2008. 29 Vgl. Dahmer 1984. Dies zeigt sich vor allem im Umgang mit den Zeichenset- 30 Vgl. Uhl 2004, Gärtner/Rosenberger 1991. zungen aus der DDR-Zeit im öffentlichen Raum in Berlin 31 Vgl. Schubert 1989. nach 1989. Vgl. Jordan 2006; Till 2005; Huyssen 2003.

42 Denkmalstürze sind symptomatisch für krisenhafte, revo- Zu den Ringstraßen-Denkmälern, die nachhaltig in unsere lutionäre Phasen, in denen politischer und symbolischer Gegenwart hineinragen, noch Teil der „heißen“ Ge- Machtsturz korrelieren. Für Transformationen einer longue schichte“ und in ihren Bedeutungskontexten an den Ge- durée sind jedoch subtile, kaum aufmerksamkeitserre- genwartshorizont anschließbar sind, zählt das 1926 errich- gende Veränderungsprozesse charakteristisch: Prozesse tete Denkmal für Karl Lueger, das immer wieder für des Verblassens der erinnerungspolitischen Aufladung, Kritik und Kontroversen sorgt: Das ehrende Angedenken des Veraltens der ästhetischen Formensprache, des Ver- gilt ja nicht nur dem erfolgreichen Kommunalpolitiker, lusts an sozialer Energie, die zur Errichtung eines Denk- sondern inkludiert naturgemäß auch den populistischen mals geführt hat. Es sind eher diese langfristigen, diskre- Antisemiten. Die Initiative zur Neugestaltung des Denk- ten Prozesse, die Denkmäler – nicht selten ungeachtet mals ging von Studierenden und Lehrenden der Univer- ihrer Monumentalität oder ihres prominenten Standor- sität für angewandte Kunst aus und gibt beispielhaft tes – in die „Unsichtbarkeit“, an die Peripherie der gesell- Einblick in das politische, kulturelle und ästhetische Selbst- schaftlichen Erinnerungskultur rücken. Aber auch da bei verständnis der „generation of memory“, die diese neue werden sie zu aussagekräftigen Zeichen des Gedächt- Erinnerungskultur trägt. nisses – als Indikatoren für das Erkalten einer Gedächt- nisformation, für den Übergang von Gedächtnisorten aus der lebendigen gesellschaftlichen Erinnerung in das Das ehrende Angedenken gilt ja nicht Archiv, das „Speichergedächtnis“ (Aleida Assmann).35 Die nur dem erfolgreichen Kommunalpolitiker, „Unsichtbarkeit“ der Denkmäler des 19. Jahrhunderts, sondern inkludiert naturgemäß auch den in ihrer Entstehungszeit Ausdruck der Obsession des populistischen Antisemiten. modernen Nationalstaates für die Legitimierung aus der Geschichte, ist ein Beispiel dafür. Ihre Bedeutungen sind heute vielfach nicht mehr lesbar – die Denkmäler der Wiener Ringstraße sind ein gutes Beispiel dafür: Trotz Die Kritik an der Nonchalance, mit der einem „legendären“ ihrer Präsenz im städtischen Zentralraum sind ihre Be- Bürgermeister seine Vorreiterrolle in der Funktionalisie- deutungskontexte und Intentionen dem kulturellen Ver- rung von Antisemitismus für politische Zwecke37 nach- gessen anheimgefallen. Die geschichtspolitischen Kon- gesehen wird, verbindet sich mit der Sensibilität für jene kurrenzverhältnisse zwischen den unterschiedlichen Aus- Symbole, die „unsere“ Identität, unsere Geschichte zum prägungen und Spielarten von Liberalismus, Deutsch- Ausdruck bringen sollen. Dieses Engagement ist inso- nationalismus und Habsburg-Patriotismus, die diesen fern auch von einem „need for identity“ getragen – die Denkmalpark der politischen und gesellschaftlichen Eli- Identifizierung gilt allerdings einer Stadt, die aus der Ge- ten Wiens seit Mitte des 19. Jahrhundert geprägt haben, schichte gelernt hat und deren Haltung gegen Rassis- lassen sich nur noch mithilfe wissenschaftlicher Litera- mus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit auch in tur dechiffrieren.36 ihrer Symbolpolitik zum Ausdruck kommen sollte. Das Projekt agiert aber nicht nur im Feld von Erinne- rungskultur und Geschichtspolitik, sondern auch im Feld 35 Zur Unterscheidung zwischen Funktions- und der Kunst und ermöglicht auch hier Einblick in den state Speichergedächtnis vgl. Assmann 1999, S. 134ff. 36 Kristan 1998. of the art avancierter Projekte im öffentlichen Raum. Die

43 AUS DEM LOT. DENKMÄLER UND REFLEXIVE ERINNERUNGSKULTUR.

Ausschreibung spricht dezidiert nicht von einer Neuge- Damit wird dieses Projekt – ungeachtet seiner Realisie- staltung, sondern von einer „Umgestaltung des Lueger- rung – zu einem Zeichen für jene reflexive Haltung, die Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und gegenwärtig zunehmend zu beobachten ist: Der Ab- Rassismus in Österreich“.38 Es geht somit nicht darum, schied von den „großen Erzählungen“, die Pluralisierung der Pathosformel des Denkmalkults des 19. Jahrhun- von Narrativen hat auch die klaren Dichotomien im Sinn derts (in deren Tradition das Lueger-Denkmal steht) nun von „Ehren und/oder Anstoßnehmen“ unterminiert. Im die Pathosformel des Denkmalsturzes oder des Gegen- postmodernen Denken steht das Konzept „Geschichte“ denkmals entgegenzusetzen. Das Ergebnis des Wettbe- insgesamt auf einem unsicheren Boden, bisherige Gewiss- werbs zeigt vielmehr den bewussten Verzicht auf plaka- heiten wurden durch die Erkenntnis der Kontingenz und tive Gesten: Der Entwurf von Klemens Wihlidal sieht Zeitgebundenheit auch des eigenen Blicks in die Vergan- vor, die Statue und einen Teil des Sockels um 3,5 Grad genheit infrage gestellt.40 nach rechts zu neigen. Der Entwurf, so die Begründung Das Projekt Umgestaltung des Lueger-Denkmals zeigt, der Jury, drücke die „Unsicherheit der Stadt Wien im dass auch auf dem Boden einer „unsicheren Geschich- Umgang mit Karl Lueger“ und den „problematischen te“41 geschichtspolitische Interventionen möglich und Umgang der Stadt Wien mit ihrer antisemitischen Ver- notwendig sind, vielmehr: Vor dem Hintergrund der ver- gangenheit“ aus.39 lorenen Gewissheiten geht es erneut darum, Gedächt- nis als politisches Projekt zu re-definieren. Womöglich sind es gerade ästhetische Konzepte, die darauf adäquat Der Abschied von den „großen Erzählungen“, zu reagieren vermögen.// die Pluralisierung von Narrativen hat auch die klaren Dichotomien im Sinn von „Ehren und/ oder Anstoßnehmen“ unterminiert.

Der Entwurf operiert mit den Mitteln einer dezenten, unaufgeregten und zugleich grundsätzlichen Intervention, die ausdrückt, dass etwas an diesem Denkmal nicht „stimmt“, dass ein Geschichtssymbol aus dem Lot ge- raten ist. Nicht Korrektur, Überschreiben, Kontrastieren durch Gegen-Erzählungen ist hier intendiert, sondern die 37 Vgl. zuletzt: Boyer 2010, v. a. S. 123–177. Reflexion darüber, wie mit den problematischen Über- 38 Ausschreibung zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein resten vergangener Erinnerungskulturen umgegangen Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich. http://luegerplatz.com/ausschreibung.html werden soll. 39 Zit. n. Lueger-Denkmal soll gekippt werden. Gewinner der Ausschrei- bung zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in Mahnmal gegen Anti- semitismus und Rassismus schlägt vor, es in dauerhafte Schieflage zu versetzen. http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20100512_ OTS0126/lueger-denkmal-soll-gekippt-werden 40 Vgl. exemplarisch: Conrad/Kessel 1994; Conrad/Kessel 1998. 41 Vgl. Goertz 2001.

44 Heidemarie Uhl OUT OF TRUE. *,+2*"+10+!/"#)" 1&3"*"*,/&) 2)12/"

“Posterity is always unpredictable.” Felix Salten: Lueger-Denkmal. In: Neue Freie Presse, morning paper, 19 September 1926

Robert Musil’s well-known dictum that nothing is so in- projects were among the most important tasks of urban visible as monuments1 needs to be qualified. Since the cultural politics, and their location and design were cen- 1980s monuments have been attracting renewed atten- tral issues of political controversies and media conflicts tion, there has been a new sensitization for the identity- that lasted for months and sometimes years.5 More generating intention inherent in these objects in public than anything, the question of appropriate remembrance space. Monuments have become socially visible in new of “Auschwitz as a rupture in civilization”6, the negative forms because they are obviously no longer in harmony crux of modernity, became a challenge for art.7 The re- with the memorial needs of a new generation. The dis- surgence of interest in monuments in public discourse integration of the post-war myths and the development as well as in contemporary art is a phenomenon of the of Holocaust memory as a central point of reference in 1980s. Only a few years previously the “end of monu- a new memorial culture showed the existing landscape ments” had been proclaimed. They were regarded as of monuments in a new light. Looked at from the close anachronistic, put in place by the authorities, as instru- of the twentieth century, “honouring or being annoyed”2 ments of political propaganda, and as completely dis- , the criticism of empty spaces, and the lack of any signs credited by the enormous flood of monuments during of remembrance for the victims of the Shoah on the one National Socialism.8 Their “social energy”9 appeared to hand, and the problematic statements made by existing be exhausted, their contemporary relevance only mar- monuments (especially war memorials) on the other, ginal or restricted to particular group traditions and their were the essential stimulus for the memorial initiatives rituals (memorial ceremonies, wreath laying). Altogether of the “generation of memory”.3 it seemed that monuments could only be credited with historical value. In the meantime the markers of a new memorial culture for the victims of the Holocaust have conquered central spaces in European cities (and further afield).4 These

4 See Young 1994. 5 On the conflict about the Berlin Memorial cf. Kirsch 2003, Leggewie/Meyer 2005. 6 Diner 1988. 7 Fenz 2002. 1 Musil 2004, 63. 8 Cf. Adam 1993, 10; Steiner 1989. 2 Mai/Schmirber 1989, 7. 9 On the concept of the “circulation if social energy” 3 Mai/Schmirber 1989, 7. see Greenblatt 2000.

45 ,21,#1/2"*,+2*"+10+!/"#)" 1&3"*"*,/&) 2)12/"

These findings corresponded to the generally low es- troduced by Aleida and Jan Assmann, describes the teem that looking to the past had in modern society persistence of cultural formations, institutionalization, which was characterized by progress-led optimism and and ritualization (“maintenance”) as being a precondi- certainty in the future. However, with the “exhaustion tion for handing down bodies of knowledge from gen- of utopian energies”10 in the 1980s, memory was to eration to generation. Consequently memorial culture is crystallize out as the new pathos formula for the waning a social phenomenon which is subject to a continuous twentieth century. The amnesia of a future-oriented mo- process of transformation. Potential for conflict is inher- dernity was replaced by a new historicism, an “obses- ent here since the definition of the symbolic household sion with the past”,11 which once again shifted the focus of culture is simultaneously dealt with as being the value of social and scientific interest onto the dimension of and normative system of a society. Assmann is making history, though now under the sign of postmodernity. explicit reference to Maurice Halbwachs when he pos- tulates that memory is always reconstructed from a The meteoric career of “memory” as a new lead con- “frame of reference in the present” and involved in pro- cept in the humanities and social and cultural sciences cesses of constructing current identity. The image of the lends insight into the fascination of this perspective. In past is dynamic: specific historical events and people this phase key academic texts were published that em- become points of reference for “our” history while others phasised the relevance of the past for the “imagined vanish into forgetfulness. “A society becomes visible in 12 community” (Benedict Anderson) of the nation. If Eric its cultural tradition for itself and for others. Which past Hobsbawm depicts the practice of the “invention of tra- it becomes visible in, and the value perspective it allows dition” as a genuinely modern phenomenon from which to emerge from its identity-generating appropriations, the young nation states of the nineteenth century de- says something about what it is and what it is driving rived their legitimacy and not as the antithesis of moder- at,” summarizes Jan Assmann.17 Andreas Huyssen pre- 13 nity, and if Pierre Nora, with his pioneering project of fixes his consideration of the renaissance of monuments 14 France’s “Lieux de mémoire”, presents his new form in postmodernity with a similar postulate, “The way in of natio nal history “by means of analysing everything which we remember determines how we are in the pre- 15 that is characteristic for a country”, then all this is tak- sent (…) (we) need the past to construct and anchor our ing place on the basis of a new understanding of mem- identity and to provide instruction for our conception of ory as the expression of the collective identity of a soci- the future.”18 ety. Monuments, rituals, and anniversaries, even build- ings, museums, and sporting events (such as the Tour de France) etc. are regarded and analysed as items in the inventory of the nation’s symbolic household.16 10 Habermas 1985. For the purposes of the question we are posing, Jan 11 Hyussen 1994, 11. 12 See Anderson 1988. Assmann undertook the decisive focusing of memory 13 See Hobsbawm 1984; Hobsbawm 1998. on the entanglement of cultural formation, social func- 14 Nora 1984–1992. tion, and moral dimension in his 1988 essay “Kollektives 15 Nora 1990, 10. 16 See Uhl 2010. Gedächtnis und kulturelle Identität [Collective Memory 17 Assmann 1988. and Cultural Identity]”. The term “cultural memory”, in- 18 Huyssen 1994, 9.

46 The category of the monument comes back into play not infrequently, to historico-political “scandals”. During against a background of the interplay of memory and these confrontations – and that is what the controversy society: as a form of representing cultural memory to is about – the issue is also always about a binding, nor- use Aleida and Jan Assmann’s terminology it provides mative interpretation of a common past.23 information about the collective’s prevailing historical Monuments and other markers in public space (e.g. points of reference. In a groundbreaking essay from street names) represent the social order of this knowl- 1979 Reinhart Koselleck called war memorials “identity edge of the past because they link levels of discourse formation for the survivors”.19 They “say more about the with social relationships of power.24 They are also always time in which they were erected than about the past to indicators for struggle and the power of interpretation: which they refer”.20 Thus monuments provide insight the monument landscape of a place, a city, gives insight into “hot memory” and therefore into the current “social into the resources of power with which the various inter- frame of reference”21 (Maurice Halbwachs) by which pretations of the past are equipped. Which groups are every society reconstructs its past. able to enforce their view of the past so as to make it From this perspective the resurgent social, scientific, appear normative and binding? How are contrary or mar- and artistic interest in monuments as a category be- ginalized positions expressed and which groups remain comes understandable: a field of action is connected unrepresented? with this symbol of memory in public space, one which These socially referential functions are also part of the intertwines society, politics, and aesthetics in a paradig- “dispute value” of monuments:25 By being a constructed matic form. Monuments are a particularly instructive object in public space – on a plot of land that is not in form of expressing cultural memory because, more than private ownership, but is public property – a monument any other medium, they provide insight into the social or becomes an indicator for the extent of the social or po- socio-political relationships of power underlying their litical support its proponents have received. A large construction. number of layers of meaning determine its symbolic lo- If memory is defined a socially communicated knowl- cation in social space: the extent of its debt to the view edge about the past,22 this knowledge is neither prede- of history that is intended to be expressed in a monu- termined nor homogenous, but generated within a con- ment. Thus its relevance can most clearly be seen in the tested space. A nation circulates a multitude of different public resources utilized (including the associated artis- narrations about the past within society’s parameters of tic aspirations) and the groups responsible: did public communication. This is especially true when they con- authorities participate in the project – municipal, provin- cern disputed, traumatic, referential events of national cial, federal – or was it the initiative of specific groups history. In that case the “negotiations” concerning soci- such as parties or associations? Location is also crucial: ety’s memory coalesce into controversial debates and, is it located at a central urban site or at the periphery, in

23 See Marchart 2005. 24 On the links between a semantic analysis of national 19 Koselleck 1979. conceptions and the symbolic practices of the memorial 20 Spielmann 1989, 112. movements see Tacke 1995. 21 See Halbwachs 1985. 25 In relation to monuments this term was introduced by 22 Assmann 1988, 9. Gabi Dolff-Bonekämper. See Dolff-Bonekämper 2010.

47 ,21,#1/2"*,+2*"+10+!/"#)" 1&3"*"*,/&) 2)12/" both a literal and metaphorical sense?26 In this way mon- are often taken up by public authorities. The transforma- uments mediate “hierarchies of memory”, they provide tion of the Berlin Holocaust Memorial from a private information about interpretive hegemonies, but also about memorial initiative to one to be undertaken by the Fed- marginalization and “places of silence”. eral Republic of Germany as a whole is symptomatic here.31 In “Western” countries the renewed interest in However the interpretations of history and the ascrip- “honouring or being annoyed” was principally marked tions of meaning that monuments bring together cannot by the building of new monuments. In Eastern Europe be permanently inscribed when they are constructed. after 1989, the end of the communist dictatorships was Monuments are integrated into complex processes of expressed by toppling and removing the symbols of the ascription which are the result of a dynamic derived power that had been overcome. Iconoclasm is charac- from the relationships of tension which arise between teristic for a fractured political system,32 storming the synchronous competing or counter narrations on the symbols of those in power in public space becomes – one hand, and from diachronic shifts of contexts in me- especially when broadcast by the media – a catalyst and morial culture or the general transformation of patterns a public signal of the collapse of power structures. In the of thought about the past on the other. In this respect post-revolutionary phase there were negotiations at monuments cannot be understood as singular objects, communal, regional, or state level about the retention, but as junctions of a multiple-voice memorial space. partial modification (such as the removal of the red star As mentioned above, the 1980s saw the breakdown of from partisan memorials), or demolition (sometimes in European post-war myths and the Holocaust acquiring a the form of transferring the statues to a monument new meaning as a point of reference for a “negative park) of monuments which provide information about memory” as the background for monument initiatives the processes of inclusion and exclusion of historical and, equally, monument critiques. In many respects these points of reference during processes of social transfor- “new memorial culture” projects are a reaction to mon- mation.33 uments evincing “false mourning”28 most notably war Iconoclasm is symptomatic for critical, revolutionary memorials which gave a positive meaning to service in phases in which there is a correlation of political and the German armed forces in the Second World War.29 symbolic power. However, for long-term transformations Perhaps the best known example of achieving distance by means of erecting a counter-monument is Alfred

Hrdlicka’s “antifascist monument” sited at Hamburger 26 This can be seen, e.g. in the debate over Alfred Hrdlicka’s Dammtordamm (1985/86) immediately in front of the “Mahnmal gegen Krieg und Faschismus” located in Albertina- th platz in Vienna and carried out in the main – at least on the war memorial to the 76 Infantry Regiment which was suface – on the question of siting. Cf. Jenni 1992. erected in 1936.30 27 Nora 1990, 24. 28 See Dahmer 1984. However, it is the widespread and general absence – to 29 Cf. Uhl 2004, Gärtner/Rosenberger 1991. date – of markers to the memory of the victims of Na- 30 See Schubert 1989. 31 Leggewie/Meyer 2005. tional Socialism – Jews, Roma and Sinti, Jehovah’s Wit- 32 See Speitkamp 1997. nesses, the disabled, homosexual, so-called “asocials” 33 See e.g. Hofmann 2010; Sapper/Weichsel 2008. This can that now, more than anything else, becomes the motor be see most clearly in the way the physical symbols of the GDR in public spaces in Berlin after 1989 were dealt with. of civil society monument initiatives with projects which See: Jordan 2006; Till 2005; Huyssen 2003.

48 of subtle, almost unnoticeable processes of change are monument has repeatedly provided fuel for criticism characteristic: a slow fading of the political charge of and controversy: the being remembered in honour not memorialization, the formal language of aesthetic pres- only applies to the success of the local politician, it natu- entation becoming obsolete, loss of the social energy rally includes the populist anti-Semitic aspect too. The necessary for the building of monuments. It is because initiative to redesign the monument was started by the of the tendencies inherent in these long-term, discrete students and teaching staff of the University of Applied processes that monuments are pushed into “invisibility” Arts in Vienna and offers an exemplary insight into the on the periphery of social memorial culture, often despite political, cultural, and aesthetic self-understanding of the their monumentality or prominent location. But they be- “generation of memory” that underpins this new me- come meaningful symbols of memory in this case too morial culture. The criticism of the nonchalance with – as indicators of the cooling of memorial information, which a “legendary” Lord Mayor and his pioneering role in of the transition of the sites of memory as they shift the functionalization of anti-Semitism for political ends36 from active social remembering to the archive of “stored is still looked up to connects up with a sensitivity to memory” (Aleida Assmann).34 The “invisibility” of nine- symbols which are supposed to express “our” identity, teenth century monuments which, when they were built, our history. In this respect the engagement is also sus- were the expression of the obsession of the modern tained by a “need for identity”– an identification which nation state for being legitimated by history, is an example applies to a city that has learned from history and should, of this. Often their meaning is unreadable for us today therefore, be capable of expressing its position against – the monuments on the Vienna Ring are a good exam- racism, anti-Semitism, and xenophobia in its political ple: despite their presence at central locations within symbolism. the urban space, the context and intention from which However, the project does not only operate in the areas they drew their meaning has fallen prey to cultural for- of memorial culture and the politics of history, but also getting. The historically and politically competitive rela- in the sphere of art. It thus enables insight into “state of tionship between the different forms of liberalism, Ger- the art” projects in public space. The competition does not man nationalism, and Habsburg patriotism which, since talk of re-making but quite decisively about a “re-design the mid-nineteenth century, have left their mark on this of the Lueger statue into a monument against anti-Sem- monument park of Viennese political and social elite, itism and racism in Austria”.37 Thus the intention is not can now only be decoded with the help of expert aca- to counteract the formulaic pathos of the nineteenth demic literature.35 century (the Lueger monument is part of this tradition) The monument to Karl Lueger, erected in 1926, belongs with the formulaic pathos of iconoclasm or counter among the category of Ring monuments that continue monument. In fact, the results of the competition show to intrude on our present. They are still part of “hot his- a conscious repudiation of simplistic gestures: Klemens tory” and, in their wider context, can still be regarded as Wihlidal’s design foresees that the statue and part of the connected to our contemporary horizon. The Lueger pedestal be tilted out of true by 3.5 degrees. The design,

36 See: Boyer 2010, esp. 123–177. 34 On the difference between functional and stored 37 Ausschreibung zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals memory see Assmann 1999, 134ff. in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in 35 Kristan 1998. Österreich. http://luegerplatz.com/ausschreibung.html.

49 ,21,#1/2"*,+2*"+10+!/"#)" 1&3"*"*,/&) 2)12/" the jury stated, expresses the “the uncertainty of the LITERATUR / REFERENCES City of Vienna in dealing with Karl Lueger” and the Adam, Hubertus: „Denkmäler und ihre Funktionsweise“. In: Denkmal und “problematic way the City of Vienna deals with its anti- Erinnerung. Spurensuche im 20. Jahrhundert. Anregungen für Schülerin- 38 nen- und Schülerprojekte, hg. vom Bundesministerium für Unterricht und Semitic past”. Kunst, Abteilung für Politische Bildung, Wien 1993 (= Informationen zur Politischen Bildung. Sonderheft), 9–13. The design operates by means of a discreet, calm, and Anderson, Benedict: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines erfolg- simultaneously fundamental intervention that expresses reichen Konzepts, Frankfurt am Main / New York 1988 [Imagined commu- what is not “upright” about this monument, that it is a nities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, 1983]. historical symbol out of true. It is not correction, over- Assmann, Aleida: Erinnerungsräume: Formen und Wandlungen des kultu- rellen Gedächtnisses, München 1999. writing, or contrasting by mean of counter-narration that Assmann, Jan: „Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität“. In: Kultur is intended here, but rather a reflection on how to deal und Gedächtnis, hg. von Jan Assmann / Tonio Hölscher, Frankfurt am Main with the problematic remnants of past memorial culture. 1988, 9–19. Boyer, John W.: Karl Lueger (1844–1910). Christlichsoziale Politik als That means that this project – whether or not it is actu- Beruf. Eine Biographie, Wien/Köln/Weimar 2010. ally realized – becomes a sign of a reflexive stance that Conrad, Christoph / Kessel, Martina: „Geschichte ohne Zentrum“. In: dies. (Hg.): Geschichte schreiben in der Postmoderne. Beiträge zur aktuel- is becoming increasingly observable: by taking leave of len Diskussion, Stuttgart 1994 (= Reclams Universal-Bibliothek 9318), “master narratives”, the pluralization of narratives has 9–36. also undermined the clear dichotomy of “honouring or Conrad, Christoph / Kessel, Martina: „Blickwechsel: Moderne, Kultur, Geschichte“. In: dies. (Hg.): Kultur und Geschichte. Neue Einblicke in being annoyed”. In postmodern thought the concept of eine alte Beziehung, Stuttgart 1994 (= Reclams Universal-Bibliothek 9638), “history” as a whole stands on shaky ground and, with 9–40. Dahmer, Helmut: „Die Sinngebung des Sinnlosen. Pietät und Weihe knowledge of contingency and being time bound, previ- fördern falsche Trauer“. In: Die Zeit, 26. Oktober 1984, 58. ous certainties, including one’s own view of the past, Diner, Dan (Hg.): Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt have been called into question.39 am Main 1988. Dolff-Bonekämper, Gabi: „Gegenwartswerte. Für eine Erneuerung von The project of redesigning the Lueger monument shows Alois Riegls Denkmalwerttheorie“. In: DENKmalWERTE. Beiträge zur Theo- that even on the basis of “uncertain history”40 historico- rie und Aktualität der Denkmalpflege. Georg Mörsch zum 70. Geburtstag, hg. von Hans-Rudolf Meier / Ingrid Scheurmann, Berlin/München 2010, political interventions are both possible and necessary 27–40. and even more: against the background of lost certain- Fenz, Werner: „Denkmal, Mahnmal, Erinnerungszeichen. Positionen ties it has become necessary to redefine memory as a am Schnittpunkt künstlerischer und gesellschaftlicher Verantwortung“, 2002 http://www.uni-graz.at/werner.fenz/texte/denkmalmahnmal.html political project once again. And it is just possible that it (17. 3. 2011). is the aesthetic concepts that will be exactly the right Gärtner, Reinhold / Rosenberger, Sieglinde: Kriegerdenkmäler. Vergan- genheit in der Gegenwart, Innsbruck 1991. reaction.// Goertz, Hans-Jürgen: Unsichere Geschichte. Zur Theorie historischer Referentialität, Stuttgart 2001. Greenblatt, Stephen: „Einleitung: Die Zirkulation sozialer Energie“. In: ders.: Verhandlungen mit Shakespeare: Innenansichten der englischen Renaissance. Frankfurt am Main 2000, 9–33 [Shakespearean Negotiations: The Circulation of Social Energy in Renaissance England, 1988] 38 Quoted from Lueger-Denkmal soll gekippt werden. The winner of the competition to re-design the Lueger monument proposes to Habermas, Jürgen: „Die Krise des Wohlfahrtsstaates und die Erschöp- give it a permanent tilt. http://www.ots.at/presseaussendung/ fung utopischer Energien“. In: ders.: Die Neue Unübersichtlichkeit, OTS_20100512_OTS0126/lueger-denkmal-soll-gekippt-werden Frankfurt am Main 1985, 141–163 39 See e.g.: Conrad/Kessel 1994; Conrad/Kessel 1998. Halbwachs, Maurice: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, 40 See Goertz 2001. Frankfurt am Main 1985.

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Heidemarie Uhl, PD Mag. Dr., geb. 1956, Historikerin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften/Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte (www.oeaw.ac.at/ikt). Lehraufträge an den Universitäten Wien und Graz. Heidemarie Uhl, PD Mag. Dr., born 1956, historian at the Austrian Academy of Sciences / Institute for Culture Studies and History of Theatre (www.oeaw.ac.at/ikt). Lectureships at the University of Vienna and the University of Graz.

51 "&+/"& %2+$"+02 *&00&,+0

Simultane Pluralität §2 Der hier eingereichte Entwurf aus den Differenzen und der Band- zur Umgestaltung des Denkmals in breite der vorhandenen Positionen Südosttangente (Nanna Neudeck, Titusz Tarnai) ein Mahnmal gegen Antisemitis- der an dieser Gesellschaft Betei- mus und Rassismus bezieht eine ligten bezieht. §1 Jede bauliche Manifestation heutige Gegenposition zu der mar- (Umsetzung, Realisation) im An- §3 Der Entwurf setzt an, die Idee ginalisierenden, selbstgerechten schluss an einen Entwurfsprozess des Ausschlusses umzukehren, Eindimensionalität in Luegers Den- beinhaltet das Ausschließen von indem er der Sicherung eines mög- ken. Dr. Lueger ist aus heutiger alternativen Zukünften. lichst hohen Spektrums an Positio- Perspektive als eine Person zu nen vorderste Priorität einräumt. verstehen, die die Erosion einer Die Stadt ist ein ideologisches Öko- pluralistischen Gesellschaft her- system. Dieses soll weder durch beigeführt hat, die ihre Vitalität eine gestraffte, kompetitive Mono- kultur ersetzt werden, noch in einen Ideenzoo verwandelt werden. Da- her muss ein Paradigmenwechsel in der Methodik der Entschei- dungsfindung erprobt werden. Dabei wird der konvergente Kon- sens, der eine singuläre Lösung als gemeinsame Basis präsentiert, durch eine simultane Pluralität ersetzt. Eine Überlagerung von Positionen ergibt sich aus dem Anspruch, ein Beziehungssystem von Standpunkten durch eine pro- duktive Redundanz zu schaffen, in der das Spektrum der Einzelbei- träge möglichst breit gefächert ist und die einzelnen Positionen er- kennbare Elemente bleiben.

52 fentlichkeit insofern zugänglich gemacht werden, als dass er dazu aufruft, benützt und bespielt zu werden. Hierfür werden diverse äußere Abgrenzungen aufgebro- chen und die jetzt versperrten Grünflächen zugänglich gemacht. Die verschiedenen Modelle, So- ckelelemente und Anbringungsme- chanismen sind nicht repräsentative Modelle einer monumentalen Ver- zierung, sondern benutzbare Archi- tektur und somit aktiv in das soziale Leben miteingebunden. Es soll ein §4 Das Monument auf dem Lueger- geprägt: die Anzahl der Positionen, Umfeld der gelebten Aufarbeitung Platz soll insofern erweitert werden, gleichgestellt mit dem Grad des und des aktiven Diskurses entste- als dass diesem die Realisation politischen Engagements einer hen – ein Ort, an dem Kinder spie- ALLER eingereichten Projekte – in politisch-räumlich planungsaktiven len und Menschen zusammenkom- verkleinertem Maßstab – gegen- Bevölkerung. men. übergestellt wird. Sowie Gesell- §5 Der Offenheit wird ein Denkmal schaft ihre Vitalität aus der Vielfalt gesetzt, und der Gedanke der öf- an Positionen schöpft, so definiert fentlichen, unrestriktiven Ausschrei- sich auch ein gesellschaftspolitisch bung dieses Wettbewerbes konse- und künstlerisch relevanter Diskurs quent fortgeführt. Die historische über Pluralität. Der konsequentes- Aufarbeitung der Figur des Dr. Karl te Weg, Mechanismen, die zu au- Lueger ist als kollektiver, vielschich- toritären Systemen führen, auszu- tiger Ansatz zu verstehen, das schließen, ist es, alle Möglichkei- Mahn mal als kollektives Zeichen ten zuzulassen. Das bestehende für eine Zukunft ohne ausschlie- Monument manifestiert implizit ßende Praktiken (Sexismus, Ras- das Heroische. Lueger wird auf sismus und Antisemitismus sind eine (mehr oder minder) benevo- z. B. gegenwärtig relevante Symp- lente urbane Vaterfigur reduziert. tome). In der Aufbearbeitung des Denk- mals wird das Heroische durch die §6 Die Präsentation eines Interven- Gegenüberstellung einer Flut von tionskataloges darf nicht getrennt alternativen STANDPUNKTEN rela- vom Ort geschehen. In diesem tiviert. Die Gestalt des Platzes wird Sinne ist auch die Platzgestaltung durch einen wesentlichen Faktor zu verstehen. Dieser soll der Öf-

53 "&+/"& %2+$"+02 *&00&,+0

Heimaterde zweintopf / Eva Pichler, Gerhard Pichler

Um der bedenklichen Realität, dass bis heute aufhetzerischer Antisemi- tismus auf dem hohen Sockel und am ehrwürdigen Straßenschild Platz einnehmen darf, gerecht zu wer- den, ist eine prozesshafte Kette an „entwöhnenden Interventionen“ nötig. Zu ihrem Ende gelangt, wird an diesem Ort kein wie auch im- mer gestaltetes Denkmal mehr Berechtigung finden. Vielmehr entsteht eine klaffende Wunde, die über Jahre hinweg durch nichts zu kaschieren ist. Eine generelle Abstrahierung der Statue bedeutet die erste Stufe dieser Entwöhnung. Durch Verschalung des Monuments mit einfachen Holzplanken, die die wertvolle Bronze ersetzen, wird die „Personifizierung“ des Bösen in Gestalt des populistischen Bürger- meisters Karl Lueger zugunsten einer viel absoluteren Schuld auf- gegeben, die jeden Einzelnen be- trifft. Zugleich kündigt dieser

54 Kaschierungsversuch eine ver- sche und zukünftige Problemfelder bruch vorhersehbar ist, der wieder- meintliche Habhaftwerdung, ein scheinen ausgemerzt. Verschwun- um alle mitreißen könnte. Sich Dichtmachen und Wegsperren den. Dieser Schein trügt. Diesem dieser Risse, dieser Tendenzen antisemitischen Gedankenguts an. Gedankengut ist nicht beizukom- immer gewahr zu bleiben ist uner- Eine Geste, die im folgenden Akt men. Es arbeitet auch unter der lässlich. Sie eben nicht oberfläch- noch verstärkt wird, wenn auf dem Oberfläche stetig weiter. Unter dem lich zu verschließen, die Augen gegenüberliegenden Wiesenstück perfekt planierten Überzug entste- nicht von ihnen abzuwenden, ist ein Loch ausgehoben und das ver- hen Risse, Verwerfungen. Sie las- unser aller Pflicht. allgemeinerte „Holzschandmal“ dort sen den gewonnenen kollektiven begraben wird. Der Platz bleibt nun Freiraum wiederum unbenutzbar endlich gereinigt zurück. Histo ri- werden. Gefährlich. Weil ein Ein-

55 Aleida Assmann

EIN WECKRUF IM HERZEN DER STADT INTERVENTIONEN RUND UM DAS KARL-LUEGER-DENKMAL IN WIEN

DER STURZ DER DENKMÄLER Sockel stürzt, lässt in aller Regel die Sockel stehen, weil diese neutrale Trägermaterie wiederverwendet werden Nach einem politischen Systemwechsel geht es nicht kann. Neue Anwärter warten auf einen Platz im Raum der nur den ehemaligen Machthabern, sondern auch den Stadt und im kulturellen Gedächtnis der Gesellschaft, Denk mälern an den Kragen. Wenn eine Gesellschaft im die nach solchen Systemwechseln aus der Verbannung Begriff ist, von einem politischen System auf ein anderes und Vergessenheit in die öffentliche Anerkennung und umzustellen und ihre ideologischen und normativen Grund- Bekanntheit gehoben werden. Die politische Neuorien- lagen zu verändern, wird es für die Bewohner einer Stadt tierung erzwingt die Entscheidung eines Entweder-oder: zunehmend unerträglich, weiterhin mit der Verherrlichung von Werten konfrontiert zu werden, von denen man sich soeben distanziert hat und die man nun im Vollzug eines Wer Denkmäler vom Sockel stürzt, lässt in aller radikalen Neubeginns möglichst rasch dem Vergessen Regel die Sockel stehen, weil diese neutrale überantworten möchte. Das Ergebnis dieses Impulses Trägermaterie wiederverwendet werden kann. ist der wohlbekannte Bildersturm, den wir in den letzten Jahrzehnten in vielen postsozialistischen Gesellschaften nach dem Sturz der Sowjetunion erlebt haben. In abrupte Das neue System ersetzt dabei flächendeckend das Ungnade fielen in den ehemaligen Ostblockstaaten nicht ältere. Das Problem bei diesem lückenlosen Austausch nur die ehemaligen Machthaber, sondern mit ihnen auch ist jedoch, dass mit der Bereinigung und Begradigung ihre historischen Vorbilder und Identifikationsfiguren, der falschen Vergangenheit auch die historischen Spuren deren Denkmäler als symbolische Stützen des Regimes der Erinnerung an sie gelöscht werden. Deshalb müssen prominent sichtbar in der Stadt verteilt waren. Stalin- und wir im öffentlichen Raum mindestens drei Optionen unter- Lenin-Statuen stürzten von ihren Sockeln, Straßen und scheiden: Plätze wurden nach 1989 umbenannt. In Moskau vollzog sich der Denkmalsturz mit deutlich geringerem revolutio- närem Eifer. Der Chef des Geheimdienstes, Dserschinski, zum Beispiel, stand noch bis Mitte der 90er Jahre auf einem öffentlichen Platz in der Stadtmitte von Moskau. 1 Feliks Edmundowitsch Dserschinski war der Chef Inzwischen ist er stillschweigend pensioniert worden, der ersten Geheimpolizei Russlands (1917–1926). Auf- die Statue verbringt ihren Lebensabend in einem idylli- grund seines gnadenlosen Einsatzes im Ausmerzen konterrevolutionärer Kräfte wurde er als das „Schwert schen Statuenpark in der Stadt.1 Wer Denkmäler vom der Revolution“ bezeichnet.

56 UÊdas negierende Vergessen weil dekorative Elemente im Stadtbild, die die Bewoh- (die Abräumung von Denkmälern) ner obendrein an wichtige, meist heroische Stationen in UÊdas affirmative Erinnern der Geschichte ihrer Stadt erinnern. (die Neuaufstellung von Denkmälern) und Neben der Alternative von Affirmation und Negation UÊdas historische Erinnern bzw. Errichten und Abreißen von Denkmälern gibt es also (die Rückstufung, Folklorisierung noch einen dritten Weg: die Aneignung durch Historisie- und Kontextualisierung von Denkmälern) rung. Die meisten Denkmäler früherer Epochen müssen Die Fragen des affirmativen Erinnerns und negierenden gar nicht vom Sockel gestoßen werden, weil sie einem Vergessens sind wiederholt behandelt worden, angefan- schleichenden Prozess der Historisierung unterliegen. gen mit Orwells radikalen Thesen in seinem Roman 1984 Sie dürfen bleiben, weil sie nicht mehr primär als Träger zur Abschaffung von Geschichte und zur Herstellung von Botschaften wahrgenommen werden. Deshalb stört einer Tabula rasa als Projektionsfläche für gegenwarts- es auch nicht, wenn diese Botschaften der Gegenwart konforme Vergangenheitsmanipulationen. Die flächen- explizit widersprechen. Da der Bruch mit den von ihnen deckende Erneuerung der politischen Symbolsprache ist verkörperten Werten und Zielen längst vollzogen wurde, jedoch eher der Ausnahmefall. In aller Regel bestehen tun sie der Gegenwart keinen Abbruch und müssen des- Denkmäler im öffentlichen Raum einfach fort, erstens, halb auch nicht abgebrochen werden. In dem Maße, wie weil es gar nicht so einfach ist, sie alle abzutragen, wenn ihr affirmativer Identifikationswert verfallen ist, ist ihr histo- ihre historische Stunde abgelaufen ist, und zweitens, rischer Identitätswert gestiegen. Auf eine nicht kompro- weil sie so sehr zum Teil des „built environment“ gewor- mittierende Weise verkünden sie Botschaften aus einer den sind, dass sie allmählich zum festen, unverlierbaren anderen Welt und sind geschätzt als nostalgische Erin- Bestand des Stadtbildes gehören. Keiner käme auf die nerungstücke an eine glorreiche Vergangenheit oder als Idee, in einer modernen Demokratie alle Reiterstandbilder pittoreske Versatzstücke im Palimpsest des Stadtbildes. früherer Epochen vom Sockel zu reißen, die Ausdruck einer vergangenen Phase imperialer und monarchischer Unter diesen historisch gewordenen Denkmälern gibt Politik sind. Diese Denkmäler sind fest mit der Stadt es jedoch auch solche, deren Status problematisch ist. verwachsen und prägen ihr Bild. Sie werden heute, wie Sie verkörpern eine Vergangenheit, die noch nicht wirk- zum Beispiel der Goldene Reiter in Dresden,2 als pitto- lich historisch geworden ist, weil ihre Botschaften in einer reske historische Identitätssymbole erlebt und nicht mehr unausgesprochenen Form noch Teil der Gegenwart primär als Träger politischer Botschaften. In ihrer Ausstat- sind. Wo es sich dabei um kompromittierende Botschaf- tung und Formensprache sind diese Denkmäler attraktive, ten handelt, bleiben diese so lange ungebrochen, wie ihre Geltung nicht explizit infrage gestellt wird. Solche Denkmäler sind reif für einen Reflexionsprozess, in dem sich offenbart, was von ihnen als Bestandteil der eige-

2 Der Goldene Reiter auf dem Neustädter Markt ist das bekannteste nen Geschichte im öffentlichen Bewusstsein noch aner- Denkmal Dresdens. Es zeigt Kurfürst Friedrich August I. von Sach- kannt wird und was dem eigenen Selbstbild und den sen (genannt August der Starke; zugleich König August II. von Polen, 1694–1733) in der damals bereits historisierenden Haltung Werten der Gegenwart explizit widerspricht und deshalb eines Caesaren im römischem Schuppenpanzer. 1956 wurde das zu demen tieren ist. Reiterstandbild wieder aufgestellt und neu vergoldet. In den Jah- ren 2001–2003 wurde die Plastik erneut restauriert.

57 "&+4" (/2#&*%"/7"+!"/01!1

74&0 %"++12/2+!$"0 %& %1" Nicht nur die Künstler begannen, sich mit der

In diese letzte Kategorie der Denkmäler mit ungeklärtem Person des Wiener Bürgermeisters auseinander- historischem Status im Niemandsland zwischen Vergan- zusetzen, auch die Politiker, Behörden, Stadträte genheit und Gegenwart gehört das Standbild von Dr. Karl und Bewohnerinnen der Stadt wurden notge- Lueger auf dem gleichnamigen Platz. Die Stadt Wien ist drungen in diesen Prozess einbezogen. besonders reich an Denkmälern unterschiedlicher Epo- chen. Jeder Denkmalsetzer hatte das Ziel, seine Botschaft unsterblich zu machen und sie nachhaltig ins Gedächtnis der Gesellschaft einzuschreiben. Dieses Programm ist allerdings unrealistisch; es kann schon deshalb nicht ein- Stadt wurden notgedrungen in diesen Prozess einbezo- gelöst werden, weil die Aufmerksamkeitskapazität der gen. Karl Lueger und sein Standbild wurden zum Gegen- Anwohner und Passanten radikal begrenzt ist. Denkmä- stand genauer Wahrnehmung. In einem Spiel der krea- ler, die als imposante Träger von Botschaften errichtet tiven Imagination galt es, alternative Posen und Rahmun- wurden, verwandeln sich unweigerlich zurück in „Natur“. gen für das Denkmal zu erfinden, die zu einer anhalten- Sie werden Teil des fraglos Gegebenen und unterschei- den Debatte führten. Der Name, der in der Alltagskom- den sich darin meist kaum noch von den Bäumen, die sie munikation nur einen Orientierungspunkt in der Stadt umgeben. Die Statue des ehemaligen Wiener Bürger- bezeichnete, kam plötzlich aus der Geschichte zurück in meisters Dr. Karl Lueger ist umrankt von ausladenden die Gegenwart. Mithilfe von Wikipedia informierte man Ästen knorriger alter Platanen, die auf bestem Wege sind, sich über Luegers Biografie, andere griffen zu dicken das Denkmal in die Natur zurückzuholen. Büchern. In Blogs und auf Internetseiten wurde seine Person diskutiert. Lueger verwandelte sich damit von Denkmäler haben, nachdem sie einmal aufgestellt wur- einem bloßen Namen zu einem Gegenstand öffentlichen den, die Eigenschaft, stumm vor sich hinzudämmern und Interesses und gegenseitiger Belehrung und Bewertung. von den Bürgern meist nur noch als Ruheplatz, Wegmarke Das Standbild wurde auf diese Weise wiederbelebt und oder Treffpunkt wahrgenommen zu werden. Deshalb ten- in die Debatten der Gegenwart einbezogen. dieren sie trotz ihrer großen Gesten und ihres ostentati- ven Pathos letztlich zur Unauffälligkeit. Ihre schiere Dauer und Unbeweglichkeit verleiht ihnen, wie Musil bereits DEMENTIEREN STATT DEMONTIEREN betonte, keine außergewöhnliche Aura, sondern Unsicht- barkeit. Diese fortschreitende Naturwerdung des Denk- Warum der Weckruf für die schlafende Statue? Worum mals ist durch die Ausschreibung zur Umgestaltung des ging es genau bei dieser Debatte? Das Ziel der Debatte Karl-Lueger-Denkmals im Jahre 2010 jäh unterbrochen ist die Neupositionierung des Lueger-Denkmals in der worden. Der Aufruf, sich diesen Platz anders vorzustel- Geschichte und im Selbstbild der Stadt. Dafür musste es len, als er ist, hat viele Menschen zum Hinsehen ange- nicht versetzt, wohl aber durch Rahmungen und Insze- stoßen. Es war wie ein Weckruf im Herzen der Stadt. nierungen neu ins Bewusstsein gehoben werden. Es galt Nicht nur die Künstler begannen, sich mit der Person des hier genauer zu klären und zu unterscheiden, was an Wiener Bürgermeisters auseinanderzusetzen, auch die dieser Statue zu einem unbestrittenen Teil der Wiener Politiker, Behörden, Stadträte und Bewohnerinnen der Stadtgeschichte geworden ist und was an ihr als prob-

58 lematische historische Last aufzuarbeiten ist. Der histo- ist oder aus einer Migrantenfamilie stammt.3 Diese neuen rische Lueger, Bürgermeister der Stadt Wien zwischen Entwicklungen haben zu einer Veränderung des Selbst- 1897 und 1910, hat durch seine großen Modernisie- bildes des Landes und der Stadt geführt, die mit der rungsprojekte einen festen Ort im historischen Gedächt- Tradition des antisemitisch und fremdenfeindlich instru- nis der Stadt. Aber nicht alles, wofür der Name Lueger mentierten Populismus, wie sie von Lueger verkörpert steht, kann in der Gegenwart noch affirmiert werden. wird, in einen scharfen Gegensatz geraten ist. Wer die Die Anerkennung seiner historischen Rolle schließt in Errungenschaften von Luegers Person und seiner Re- diesem Fall die Dementierung seiner politischen Positio- gierungszeit retten will, muss sich heute explizit von nen mit ein. Lueger gilt heute als ein früher Vertreter des diesem anderen Teil seines Erbes distanzieren, denn Populismus. Darunter versteht man eine politische Stra- Schweigen bedeutet in diesem Fall nicht nur Duldung, tegie, die mithilfe von Feindbildern Bedrohungsgefühle sondern auch Anerkennung und Fortschreibung dieser in der Bevölkerung schürt, um Wählerstimmen für eine gefährlichen Tradition. Dementieren bedeutet nicht demo- nationalistische Politik der Stärke zu mobilisieren. In die- lieren. Die Distanzierung von Lueger sollte nicht zu einer sem Aspekt enthält das Denkmal eine problematische, Beseitigung seiner Statue führen, weil dann mit dem Stein ja gefährliche Aussage, die eine fortgesetzte affirmative des Anstoßes zugleich auch die Geschichte entsorgt Identifikation mit dieser Person verunmöglicht. Solange wäre. Geschichte aber muss im Stadtraum in heteroge- das Denkmal in seiner Stummheit verharrt, kann kein nen Schichten erhalten bleiben, um das historische Be- wirklicher Denkprozess in Gang gebracht werden. Genau wusstsein für sowohl Kontinuitäten als auch Brüche zu das ist das Ziel der Ausschreibung gewesen. Durch die schärfen. Der Bruch mit Lueger, der bisher aus Mangel künstlerischen Interventionen und Inszenierungen wurde Aufmerksamkeit auf das Denkmal gelenkt und dieses in die aktuellen Debatten der Gegenwart einbezogen. Wer die Errungenschaften von Luegers Person Das aus seinem Tiefschlaf gerissene Lueger-Denkmal ist zum Gegenstand von Disputen und Debatten gewor- und seiner Regierungszeit retten will, muss sich den, die das Selbstverständnis der Stadt und seiner Bür- heute explizit von diesem anderen Teil seines gerinnen unmittelbar betreffen. Österreich befindet sich Erbes distanzieren, denn Schweigen bedeutet auf dem Weg in eine Einwanderergesellschaft; in Wien in diesem Fall nicht nur Duldung, sondern auch hat bereits jeder fünfte Bewohner einen ausländischen Anerkennung und Fortschreibung dieser gefähr- Pass. Fast 1,5 Millionen Menschen (17,8 Prozent), die lichen Tradition. heute in Österreich leben, sind entweder in dieses Land eingewandert oder als Kinder von Einwanderern gebo- ren. Für die Stadt Wien gilt, dass jeder dritte Bewohner (597.200 Personen) entweder in die Stadt eingewandert

3 Statistisches Jahrbuch für Migration & Integration 2010 (www.statistik.at).

59 "&+4" (/2#&*%"/7"+!"/01!1 an Information, Aufmerksamkeit und Interesse in der hat eine doppelte Wirkung: Nach innen stellt sie eine Wiener Bürgerschaft nicht vollzogen wurde, kann nun, Verbindung her zwischen Karl Lueger und der Geschich- nachdem der Weckruf erschallt ist, öffentlich vollzogen te Wiens mit neuen Bewohnern der Stadt und ihren und durch ein symbolisches Zeichen sichtbar gemacht Schicksalen, und nach außen vermittelt sie diese neues- werden. te Episode der Stadtgeschichte in den öffentlichen Raum, in dem es bislang noch kaum ein symbolisches Zeichen für diese aktuelle Entwicklung gibt.4 Mit einfa- )2"$"/&++"2"/$"0"))0 %#1 chen Mitteln schlägt die Denkmal-Inszenierung eine Brücke zwischen der Vergangenheit und Zukunft der Ein interessanter Beitrag zu dieser Debatte ist der Ent- Stadt Wien; sie erzählt an einem öffentlichen Platz die wurf „Eine zeitgemäße Rüge“ in der Liste der einge- Geschichte der Stadt auf eine symbolisch anschauliche reichten Bewerbungen. Er stammt von einem Designer- und informative Weise weiter und verwandelt damit ein Team, für das Lucienne Roberts verantwortlich zeichnet. statisches Denkmal in einen dialogischen Denkort. Der Entwurf sieht eine Neugestaltung des Lueger-Plat- zes vor, die die Statue mit einem Kreis unterschiedlicher Der Entwurf „Eine zeitgemäße Rüge“ ist von der Jury farbiger Figuren in gleicher Größe umgibt, die dem Lue- nicht ausgewählt worden, weil diese nicht die Mehrheit ger-Denkmal schematisch nachgebildet sind. Der einsa- der Stimmen auf sich vereinigen konnte und nur eine me Lueger wird auf diese Weise zum Teil einer Konstel- Lösung rea lisiert werden kann. Man könnte jedoch er- lation, mit der er in einen kommunikativen Austausch wägen, diese Idee im Sinne einer einmaligen oder auch versetzt wird. Er „unterhält“ sich auf Augenhöhe mit wiederholbaren Aktion zu realisieren. Diese Gestal- zehn „Personen“ unterschiedlicher Herkunft, die als Mi- tungsidee könnte sich als ein effektiver Weckruf bewäh- granten in der Stadt leben. Die schematischen Figuren ren und dem Trend aller Denkmäler, in den Dämmerzu- werden individualisiert durch ein rechteckiges durch- stand der Unbewusst heit zurückzufallen, wirksam ent- sichtiges Fenster, das in die Konstruktion eingearbeitet gegentreten. Sie würde den Platz für eine Weile verwan- ist. Es ist auf Augenhöhe der Besucher des Platzes an- deln und damit Aufmerksamkeit, Interesse und Neugier gebracht, bietet ein (wechselndes) Informationsfeld, in mobilisieren. Die eine oder andere Bespielung des Plat- dem alte und neue Einwanderungsgeschichten der Be- zes könnte dazu beitragen, sein Potenzial als Denkort wohner der Stadt vorgestellt werden. Diese Installation noch weiter zu verwirklichen.//

4 Christiane Hintermann, „Schulbücher als Erinnerungsorte der österreichischen Migrationsgeschichte. Eine Analyse der Kon- struktion von Migrationen und MigrantInnen in GW-Schulbüchern“, in: GW-Unterricht 119, 2010, 3–18.

60 Aleida Assmann A WAKE-UP CALL IN THE HEART OF THE CITY &+1"/3"+1&,+0 ,+ "/+&+$1%"(/))2"$"/ MONUMENT IN VIENNA

1%"!"01/2 1&,+,#*,+2*"+10 square in central Moscow until the mid-1990s. In the meantime he has been silently pensioned off, the statue After a change in the political system, it is not only the spending its twilight years in an idyllic sculpture park in physical integrity of the former rulers that is threatened, the city.1 As a rule those who pull down statues leave but also that of their monuments. If a society is in a the pedestals because, as neutral supports, they can be transitional stage, changing from one political system to re-used. After a system change of this nature, new can- another and overturning its ideological and normative didates – returning from exile and oblivion to be elevated principles, it becomes increasingly intolerable for the to the public recognition and fame – await a place in the inhabitants of a city to continue to be confronted with the public spaces of the city and the cultural memory of glorification of those values they have so recently taken society. The political re-orientation forces either/or deci- leave of and which they would like to forget as rapidly sions: the new system replaces the old across the as possible while implementing a radical new beginning. board. However, the problem with this total exchange The result of this impulse is the well-known iconoclasm lies in the cleansing and straightening of the false past we experienced in the last few decades in many post- which also erases traces of historical memory. For this socialist societies after the fall of the Soviet Union. It reason we have to distinguish between three options was not only the former rulers that fell into disfavour in for public space: the former Eastern Bloc states, but also the monuments to historical models and figures of identification which UÊnegating remembrance had given symbolic support to the regime and were on (removal of monuments) prominent display throughout the city. Stalin and Lenin UÊaffirmative recall statues fell from their pedestals, and after 1989, streets (re-erecting monuments) and squares were re-named. In Moscow the destruction UÊhistorical remembrance (down-grading, of monuments was carried out with markedly less revo- “folklorization” and contextualization of lutionary fervour. For example, the head of the secret monuments). service, Felix Dzerzhinsky, continued to stand in a public

1 Felix Edmundovich Dzerzhinsky was head of the first Russian secret police (1917–1926). Because of his merciless commit- ment to eradicating counter-revolutionaries he was dubbed the “Sword of the Revolution”.

61 4("2- ))&+1%"%"/1,#1%" &16

The questions of affirmative recall and negating remem- In addition to the alternatives of affirmation and nega- brance have been dealt with repeatedly, beginning with tion, erecting and demolishing monuments, there is also Orwell’s radical thesis in his novel 1984 about the aboli- a third way: appropriation through historicization. Most tion of history and the creation of tabula rasa as a projec- monuments from earlier epochs do not have to be torn tion surface for manipulating the past so as to conform from their pedestals because they are subject to a to the present. The total replacement of the symbolic creeping historicization. They can be allowed to stay be- language of politics is, however, an exceptional case. As cause they are no longer seen as having the primary a rule monuments are left intact in public space because function of communicating messages. For this reason it in the first place it is not easy to remove them when is not disturbing when these messages explicitly contra- their time in history is up, and, in the second, they have dict contemporary ones. Since the break with the values become so much a part of the built environment that and aims they embody is already long past, they do not they have gradually become so deeply embedded in the greatly impact the present and thus do not have to be urban environment it would be unthinkable to be with- dismantled. Their value as historical identification has out them. In a modern democracy no one would think risen to the same degree that their value as affirmative of tearing down an equestrian statue – the expression identification has declined. They convey messages from of a past phase of imperial and monarchical rule – from another world in a non-compromising way and are val- its pedestal. These monuments have grown to be part ued as nostalgic reminders of a glorious past or as pic- of the city and have set their stamp on its image. Nowa- turesque set pieces in the palimpsest of the cityscape. days, as with the Golden Horseman of Dresden,2 they However, amongst the monuments that have become are experienced as picturesque, historical symbols of historical there are some which have become problem- identification and no longer as the means of transporting atic. They embody a past that has not really become political messages. The features and forms of these historical because their message is still a part of the monuments are attractive as decorative elements in the present in some non-articulated way. Where the issue cityscape that remind inhabitants of important, usually concerns compromised messages, these will remain heroic, events in the history of their city. intact for as long as their validity is not explicitly ques- tioned. Monuments of this nature are ripe for a process of reflection which reveals what part of them is still ac- knowledged in the public consciousness and what ex- plicitly contradicts their own self-image and the values of the present and, for that reason, has to be denied.

2 The Golden Horseman on Neustädter Markt is Dresden’s best known monument. It shows Elector Fredrick August I of Saxony (known as August the Strong; he was simultane- ously King August II of Poland, 1694–1733) as a Roman emperor in typical scale armour, a historicizing stance even then. 1956 the equestrian statue was re-erected with new gold plating. From 2001-2003 it was restored once again.

62 "14""++12/"+!%&01,/6 objects of a closer inspection. The interplay with the creative imagination demands the invention of alterna- The statue of Karl Lueger which stands in the square of tive poses and environments for the monument and this the same name belongs in this final category of monu- fuels the continuing debate. The name which, in everyday ments with unresolved historical status, in the no-man’s- communication, was only a point of orientation in the land between the past and the present. The City of city suddenly returned from history to become part of Vienna is particularly rich in monuments from various the present. Some gathered information about Lueger’s periods. Each monument had the aim of making its sub- biography from Wikipedia, others reached for heavy text immortal and to inscribe it into society’s memory. tomes. His personal details were discussed in blogs and However, this programme is unrealistic. It is a promise on web sites. Lueger was transformed from a mere that can never be redeemed because the attention span name to an object of public interest and the subject of of local residents and passers-by is severely limited. mutual explanations and evaluations. In this way the Monuments that were erected as an imposing means statue was revived and included in present debates. of conveying messages inevitably undergo a transfor- mation and revert back to “nature”. They become part of an unquestionable state of affairs and thus are almost !&0 )&*"/&+01"!,#!"*,)&1&,+ indistinguishable from the trees that surround them. The statue of the former Lord Mayor of Vienna, Karl Lueger, Why a wake-up call for the somnambulant statue? What is entwined in the spreading branches of gnarled old exactly was this debate about? The aim of the debate is plane trees that are well on the way to reclaiming the to re-locate the Lueger monument in city’s history and statue for nature. self-image. To do that it is not necessary to remove it, but it certainly does mean creating a new awareness for Characteristically, once they have been erected, monu- it by (re-)framing and (re-)staging it. The context de- ments quietly become semi-comatose and are usually mands precise clarification and differentiation: which perceived by the populace as places of rest, signposts, part of this statue has become an uncontested part of or meeting places. For that reason they have a tendency the history of Vienna and which part is a problematic to be ultimately inconspicuous in spite of their imposing historical burden that requires reassessment? The his- gestures and ostentatious pathos. As Musil empha- torical Lueger, the Lord Mayor of the city between 1897 sised, durability and immovability do not impart an aura and 1910, has a fixed place in the city’s historical mem- of exceptionality, but of invisibility. With the announce- ory because of his large-scale modernization projects. ment in 2010 of the competition to redesign the Karl But not everything that the name Lueger stands for can Lueger monument, its progressive return to nature was be affirmed in the present. In this case recognition of his suddenly interrupted. The call to imagine the square historical role includes a disclaimer about his political other than as it is caused many people to look at it. It positions. Nowadays Lueger is regarded as an early rep- was a wake-up call in the heart of the city. It was not resentative of populism, including the political strategy only artists who began to examine the personal history of stirring up feelings of threat by using images of “ex- of the Vienna mayor. Politicians, authorities, municipal ternal” antagonists in order to win votes for nationalistic councils, and inhabitants were all forced to become part policies of strength. This aspect of the monument con- of this process. Karl Lueger and his statue became the tains a problematic, even dangerous, message that

63 4("2- ))&+1%"%"/1,#1%" &16 makes a continued affirmative identification with this molishing. Distancing oneself from Lueger should not person impossible. As long as the monument persists lead to removal of his statue since this would not only in its silence, it is impossible to initiate a real process of dispose of the bone of contention but of history too. But thinking. And that was the aim of the competition. At- in urban spaces history must be preserved in heteroge- tention is directed to the monument because of the ar- neous layers in order to sharpen historical awareness of tistic interventions and re-stagings and in this way it both continuities and breaks. The breaks with Lueger becomes part of a continuing debate in the present. which, up till now, had not taken place due to the lack of information, attention, and interest of Viennese citizenry can now – after the wake-up call has sounded – be car- Torn from its sleep, the Lueger monument has become ried out publicly and made visible in symbolic form. the subject of disputes and debates which directly af- fect the self-image of the city and its citizens. Austria is on the way to becoming an immigrant society. Already )2"$"/&++"4 ,*-+6 every fifth inhabitant of Vienna has a foreign passport. One interesting contribution to the debate is design “A Almost 1.5 million (17.8 percent) of the people who live modern rebuke” on the list of the submitted proposals. in Austria today are either immigrants or were born here It comes from a designer team headed by Lucienne as the children of immigrants. For the city of Vienna the Roberts. The design foresees re-designing the Lueger figures show that every third inhabitant (597,000 per- Square by surrounding the statue with a circle of same- sons) is either an immigrant to the city or comes from size figures in different colours that are copies of the an immigrant family.3 These new developments have Lueger monument. In this way the lone Lueger would led to changes in the self-image of the country and city. become part of a constellation in which he would enter It is in sharp contrast to the populist tradition which Lue- into a communicative exchange. Eye to eye, he “talks” ger embodies and which instrumentalizes anti-Semitism to ten “people” from various places, immigrants who and xenophobia. Whoever wishes to save Lueger’s per- live in the city. The schematic figures are individualized sonal reputation and his period of office must explicitly by means of a rectangular window inserted in the con- distance themselves from the other part of his legacy struction. It is at eye level for visitors to the square and because in this context silence is not just toleration, but offers a (changing) informational space in which old and an acknowledgement and continued re-inscription of new immigrant narratives of city inhabitants are present- this dangerous tradition. Disclaiming does not mean de- ed. This installation has a double effect: inwardly, it makes a connection between Karl Lueger and the his- tory of Vienna with the new inhabitants of the city and their fates. Outwardly, it mediates this most recent epi- sode of city history in public space where there have been almost no symbolic markers for these current de- 3 Statistical Yearbook for Migration & velopments.4 This re-staging of the monument using Integration 2010 (www.statistik.at). 4 Christiane Hintermann, “Schulbücher als Erinnerungsorte der österreichischen Migrationsgeschichte. Eine Analyse der Konstruktion von Migrationen und MigrantInnen in GW-Schulbüchern”, in: GW- Unterricht 119, 2010, 3-18.

64 simple means builds a bridge between Vienna’s past and its present; in a public space it retells the history of the city in an illustrative and informative way and thus negotiates a static monument into a dialogic site for thinking. The submission “A modern rebuke” was not chosen by the jury because it was unable to command the majority of votes and because only one idea can be realized. It would be possible, however, to consider implementing this proposal in the form of a one-off or repeatable event. This redesign concept might prove to be effec- tive as a wake-up call and as a counter-measure to hold in check the trend all monuments succumb to of once again falling into a comatose state. It would transform the square for a time and thus mobilize attention, inter- est, and curiosity. One or another temporary transforma- tion of the monument could contribute to further realiz- ing its potential as a site for thinking.//

Aleida Assmann, geb. 1947, Studium der Anglistik und Ägyptologie in Heidelberg und Tübingen, Promotion 1977, Habilitation 1992, seit 1993 Professorin für Anglistik und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz Aleida Assmann, born 1947, studied Anglistics and Egyptology in Heidelberg and Tübingen, conferral of doctorate 1977, postdoctoral lecture qualification 1992, since 1993 professor for Anglistics and General Literature Science at the University of Constance.

65 "&+/"& %2+$"+02 *&00&,+0

A modern rebuke structure in ways that are engaging OUR PROPOSAL and accessible, producing an out- Lucienne Roberts, John McGill @ Lucienne Roberts + Our proposal leaves the current come that is serious and sensitive statue intact. By adding elements without being open to criticism as ,2/--/, % to it our intention is to instigate a an act of vandalism. The essential re-examination and to alter its This brief asks designers to consider message of the new monument meaning. how the statue of Karl Lueger, cur- has to be one of inclusion, not only rently standing in Lueger Platz, Vien- of all races, but also of those invited We propose encircling the current na can be transformed into a mon- to re-evaluate their views. statue with a series of simplified ument against anti-Semitism and figures, also on plinths, that are on Vienna has much to be proud of. racism. In this context we have eye level with the original statue At the time that this monument taken ‘transform’ to mean ‘amend’ and form a collective that dilutes was originally erected it was the or ‘alter’ and have borne in mind the impact of the previous monu- first major European city to be run that ‘transformation’ can indicate ment. Each figure looks at Lueger, by the socialists, with investment ‘conversion’ as much as ‘metamor- as if challenging him. in homes and amenities that sig- phosis’ or ‘renewal’. nalled enormous belief in the posi- Men, women, children, old and The argument for change is clear tive benefits of change. Embracing young; we suggest that each would and compelling, and to us unargua- change now will signal openness represent a current Viennese resi- ble – but this is not the case for and mark a clear break with the dent from either a long distant or everyone. We have therefore con- more infamous aspects of the recent immigrant family. A plaque on sidered how to amend the existing city’s history. the supporting plinth would briefly tell their story. Made from fibre- glass or a variety of substrates, and coloured boldly and differently, these forms celebrate the rich diversity of the human race, while foreground- ing the characteristics that are com- mon to us all. Visually simple but striking and con- temporary in feel and production processes, this transformation is open to literal and metaphorical readings.

66 Persönlichkeit aus dem geschicht- lichen Kontext herauszunehmen, denn sie bleibt durch ihre Taten für immer mit der Geschichte ver- bunden. Die Idee war: – eine optimale künstlerische Lö- sung zu finden, die die aktuelle Situation in der heutigen Gesell- schaft widerspiegeln bzw. ihr entsprechen könnte; Ich gehöre der Generation an, die Gegenwart der Vergangenheit – eine Form zu finden, die einen sich noch recht gut an den Abriss (Drei-Fahnen-Platz Wien) temporären Charakter hätte und von Denkmälern erinnern kann. Es zugleich sämtlichen permanen- Ilona Keil war die Zeit des großen Zusam- ten Ansprüchen gerecht werden menbruchs, als die Sowjetunion könnte; IDEE & KONZEPT zerfiel und viele kleine Länder an- fingen für ihre Unabhängigkeit zu – passende Worte zu finden, die „Für Recht und Freiheit sollte ich kämpfen. Man wünschte sich im- weniger belastet sind und nicht sagen; aber verstünden das die mer weniger, an gemeinsame Ver- erdrückend wirken könnten (denn Menschen, dann wäre keine Not, gangenheit erinnert zu werden, solche Worte wie „die Wahrheit“, und es bedürfte der Rede nicht.“ denn man strebte zur besseren, „die Freiheit“, „die Gerechtig- Ludwig Börne hatte diese Worte im helleren Zukunft. Die in Stein und keit“, „die Brüderlichkeit“ schei- 19. Jahrhundert in seinem Artikel Bronze verewigten ideologischen nen so oft verwendet worden zu über die damalige Gesellschaft in Funktionäre hatten keinen Platz sein, dass der Eindruck entsteht, Frankfurt, mit ihren Vorurteilen und mehr in dieser neuen Zukunft. sie könnten allmählich an ihrer ihrem Hass gegen die Juden, ge- Bedeutung verloren haben); schrieben. Seit dem ist viel Zeit – Der Abriss von Denkmälern sollte reich an Kriegen, Genoziden, Ver- zu einer gewissen Vergessenheit – ein Zeichen nicht nur gegen brechen gegen die Menschlichkeit nach einem einfachen Prinzip „aus Rassis mus zu setzen, sondern – vergangen, aber seine Worte sind den Augen – aus dem Sinn“ füh- auch einfache Entscheidungen genauso aktuell heute wie damals. ren. Aber es ist nicht so leicht, eine im Alltagsleben zu hinterfragen.

67 Verena Krieger

PRINZIP PALIMPSEST (¶+01)"/&0 %"01/1"$&"+72/1/+0#,/*1&,+ -/, )"*1&0 %$"4,/!"+"/!"+(*¢)"/

Das Denkmal im heutigen Sinne ist eine Hervorbringung der Moderne: Im 19. Jahrhundert schuf sich gerade im deutschsprachigen Raum das aufsteigende Bürgertum damit sein originäres Repräsentationsmedium.

Zwar hat es in der Antike und dann vor allem im absolu- chene Nationalgedanke mit demokratischen Zielsetzun- tistischen Zeitalter öffentliche Standbilder gegeben, doch gen gepaart.2 Nach dem Scheitern der bürgerlichen dienten diese der Repräsentation von Herrschaft. Im Vor- Revolution 1848 und der Herausbildung der modernen märz hingegen wurden mit der entstehenden bürgerli- Nationalstaaten traten die demokratischen Intentionen chen Öffentlichkeit zunehmend auch Individualdenk- im Denkmalbau zurück, und die nationalmonarchische mäler für bürgerliche Personen, insbesondere für Künst- Repräsentation stand im Vordergrund. So ist etwa die ler, Musiker und Geistesgrößen, geplant oder realisiert.1 Wiener Ringstraße zwar mit einer Vielzahl von Denkmä- Neben den fürstlichen Auftraggebern traten als Initiato- lern für Kultur- und Geistesgrößen ausgestattet, doch ren bürgerliche Vereine auf, die für die finanziell aufwän- sind die repräsentativsten Plätze Fürsten und Feldherren digen Denkmalprojekte oft über Jahre hinweg Spenden- vorbehalten. sammlungen und Veranstaltungen organisierten. Denk- mäler wur den nicht nur zu Kristallisationspunkten des sozialen und kulturellen Lebens des Bürgertums, sie MODERNE UND KONSERVATIVE ASPEKTE erhielten auch eine politische Funktion. Mehr oder min- DES LUEGER-DENKMALS der verdeckt war der in den Denkmälern mitausgespro- Es ist charakteristisch, dass das Denkmal für den Wiener Oberbürgermeister Karl Lueger, das bereits seit seinem Tod 1910 geplant wurde, unter der Monarchie nicht ver- wirklicht werden konnte, weil die Idee eines großen Denkmals an prominenter Stelle für einen Bürgerlichen als zu gewagt erschien: Der damals geplante Aufstel- lungsort an der Ringstraße vor dem Rathaus galt als nur 1 Vgl. u. a. Habermas 1962; Mittig-Plagemann 1972. 3 2 Nipperdey 1968. dem Kaiser gebührend. So wurde das Lueger-Denkmal 3 Pötzl-Malikova 1976, S. 128 f. erst 1926, also nach Gründung der Republik, errichtet,

68 und als Standort wurde ein weniger zentraler, gleichwohl tische Maßnahmen genutzt hatte. Das Setting führt also ebenfalls an der Ringstraße gelegener Platz gewählt. die traditionelle Kombination von herrschendem Wohl- Man beachte auch, dass der Bürgermeister stehend und täter und Untertanen als Empfängern der Wohltaten nicht sitzend dargestellt ist – die „thronende“ Sitzposi- fort. Nicht dargestellt sind freilich jene, gegen die sich tion war traditionell ein fürstliches Privileg und ließ sich des Bürgermeisters antisemitische Ausfälle richteten. offenbar auch in den 20er Jahren nicht ohne weiteres auf einen bürgerlichen Politiker übertragen. 4"++!"+(*¢)"/-/, )"*1&0 %4"/!"+ Das Lueger-Denkmal vereint in sich Aspekte der Neue- rung ebenso wie der Tradition. Neu ist schon die Tatsache Denkmäler sind Manifestationen ihrer Zeit, in ihnen arti- an sich, dass es ein sehr großformatiges Standbild für kulieren sich die politischen, sozialen und ästhetischen einen Bürger an einer prominenten Stelle ist. Neu ist Interessen jener, die über die Initiative und die Mittel auch der Stil, in dem das Denkmal ausgeführt wurde: verfügten, sie zu errichten. Wenn sich die Zeiten geän- Bei der sachlichen, auf barocken Dekor verzichtenden dert haben, werden diese Interessen in ein neues, viel- Darstellungsweise tritt eine konservativ-gemäßigte Mo- fach kritisches Licht gerückt. Zweck und Gestalt eines Denkmals werden gegebenenfalls erneut zum Gegen- derne zutage. Modern ist auch, dass Lueger im bürger- stand kritischer Räsonnements einer bürgerlichen Öf- lichen Anzug gezeigt wird; im 19. Jahrhundert war die fentlichkeit. So ist es nun – spät genug – beim Lueger- Frage des richtigen „Kostüms“ der Geehrten – antikisch- Denkmal der Fall. Nach der Erfahrung des Nationalsozia- idealisch oder realistisch – ein Streitfall gewesen, so lismus ist es unerträglich geworden, dass einem aggres- zeigt z. B. das 1846 errichtete Denkmal für Franz I. auf siven Antisemiten und erklärten Vorbild Hitlers unver- dem inneren Platz der Wiener Hofburg den österreichi- mindert gehuldigt wird. schen Kaiser in einer römischen Toga.4

Während das Lueger-Denkmal durch seinen Naturalis- mus dagegen absticht, bleibt es in anderer Hinsicht Nach der Erfahrung des Nationalsozialismus ist traditionell-konservativ. Denn in seiner Gesamtanlage es unerträglich geworden, dass einem aggres- übernimmt es den Typus des monarchischen Denkmals, siven Antisemiten und erklärten Vorbild Hitlers wie er etwa im Maria-Theresia-Denkmal verwirklicht unvermindert gehuldigt wird. wurde, d. h. die bronzene Figur des Geehrten befindet sich auf einem hohen, in sich gestuften architektoni- schen Sockel, dessen Seiten mit plastischen Darstellun- gen seiner Untergebenen geschmückt sind. Während der Sockel des Maria-Theresia-Denkmals mit individuel- len Vertretern von Militär, Politik, Verwaltung und Wis- senschaft bevölkert ist, handelt es sich beim Lueger- Denkmal um allegorische Figuren: Ein junger Arbeiter, 4 Der ursprünglich beauftragte Bildhauer Johann Nepomuk ein Greis, eine Witwe mit Kindern und ein jugendlicher Schaller hatte ein realistisches Kostüm vorgesehen, Ferdinand I. Landarbeiter repräsentieren diejenigen Teile der Bevöl- erteilte dann den Auftrag an Pompeo Marchesi, der dessen Wunsch nach einem „griechisch-römischen“ Kostüm erfüllte. kerung, denen Lueger durch wirtschafts- und sozialpoli- Vgl. Telesko 2008, S. 114–121.

69 PRINZIP PALIMPSEST

Dass Denkmäler aufgrund veränderter historischer Be- Aus der Perspektive einer aufgeklärten Moderne sind dingungen, neuer Moralvorstellungen oder politischer Kulturdenkmäler demgegenüber Dokumente historischer Mehrheiten problematisch werden, ist nichts Ungewöhn- Realitäten, die im Positiven wie im Negativen für unser liches, und es spricht auch nicht per se gegen die Denk- heutiges Dasein relevant sind, daher bewahrt und ggf. mäler. Vielmehr dokumentiert sich darin der geschichtliche kritisch aufgearbeitet werden sollten. Abtragung kann Wandel, handele es sich dabei um veränderte Machtver- nur im äußersten Fall ein adäquates Mittel des Umgangs hältnisse oder um einen neuen Reflexions- und Bewusst- mit den Zeugnissen vergangener Epochen sein, etwa seinsstand. Wenn ein Denkmal aufgrund geänderter wenn es sich um eine Verherrlichung des Nationalsozia- Werte und Überzeugungen fragwürdig geworden ist, lismus handelt. In den letzten Jahrzehnten ist das Be- gibt es verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen. wusstsein dafür gewachsen, dass sich im verantwor- Die in der Geschichte vorherrschende Form des Um- tungsvollen Umgang mit Kulturdenkmälern wesentlich gangs ist die des Ikonoklasmus. Von jeher sind Bilder die Gedächtniskultur einer Gesellschaft manifestiert.6 oder Statuen aus religiöser oder politischer Motivation Teils in eigenem, teils in öffentlichem Auftrag haben daher zerstört worden. So wurde im antiken Rom versucht, verschiedene Künstlerinnen und Künstler Projekte ent- missliebig gewordene Kaiser oder Tyrannen dem öffent- wickelt, die sich mit bestehenden, problematisch gewor- lichen Gedächtnis zu entreißen, indem man ihre Porträts denen Bauten oder Denkmälern auseinandersetzen und umarbeitete und Namensinschriften tilgte. Anhänger der diesen eine neue künstlerisch-politische Dimension hin- Reformation beschädigten und vernichteten im 16. Jahr- zufügen, ohne sie zu zerstören oder zu beschädigen. Die hundert Darstellungen von Christus und den Heiligen, so entstandene Form des Umgangs mit problematisch weil sie deren liturgische Verwendung als abergläubi- gewordenen Artefakten möchte ich mit dem Begriff des schen Götzendienst betrachteten. Auch im 20. Jahrhun- Palimpsests fassen. Palimpseste sind antike oder mit- dert gibt es viele Beispiele von politisch oder religiös telalterliche Manuskripte, die wiederverwendet wurden, motiviertem Kulturvandalismus und Bildersturm, hierzu d. h. bei denen die ursprüngliche Schrift auf dem Perga- gehört die Vernichtung von Werken der als „entartet“ ment abgekratzt oder abgewaschen und mit neuem Text diskreditierten modernen Kunst durch die Nationalsozi- überschrieben worden ist. Dabei sind die unteren Schreib- alisten ebenso wie die Zerstörung der Buddhastatuen schichten vielfach lesbar geblieben, sodass etliche Texte von Bamiyan durch afghanische Taliban.5 Ein Beispiel für Ikonoklasmus nach einem Wandel der vorherrschenden Palimpseste sind antike oder mittelalterliche politischen Anschauungen ist die massenhafte Zerstö- rung von Marx- und Leninstatuen in den Ländern des Manuskripte, die wiederverwendet wurden, ehemaligen sog. Ostblocks nach 1989. In diesen Ver- d. h. bei denen die ursprüngliche Schrift auf nichtungsaktionen – mitunter hat man die Statuen sogar dem Pergament abgekratzt oder abgewaschen enthauptet – tritt ein archaisch anmutendes Bildver- und mit neuem Text überschrieben worden ist. ständnis zutage, das dem Abbild eine Macht zuspricht, die ihm genommen werden soll.

6 Vgl. Heidemarie Uhl, „Gedächtnis“ und die Wiederkehr des Denkmals in der Postmoderne, in: Hintergrund, 5 Vgl. Gamboni 1998. Bd. 42, 2009, S. 8–15.

70 überliefert wurden, die andernfalls der Vergessenheit GEGENDENKMAL – REFLEXIONSRAUM – anheimgefallen wären. Das Palimpsestieren hat somit 2* ,!&"/2+$„(12)&0&"/2+$ nicht nur einen auslöschenden, sondern auch einen be- In den letzten Jahrzehnten sind eine ganze Reihe von wahrenden Charakter. Im Prozess des Überschreibens künstlerischen Strategien im Umgang mit problematisch entsteht eine komplexe Gemengelage von unterschied- gewordenen Denkmälern entwickelt worden, die nach lichen Bedeutungsschichten, die aus verschiedenen his- dem Prinzip des Palimpsests funktionieren – einige davon torischen Epochen stammen. Wie ein Palimpsest besteht möchte ich exemplarisch vorstellen. Die erste Variante auch eine Stadt wie Wien aus vielen historischen Schich- lässt sich unter dem Begriff des „Gegendenkmals“ fas- ten (Gebäude, Platzanlagen, Denkmäler, Straßenverläufe sen; für sie steht Alfred Hrdlickas Projekt eines skulptu- etc.), die über- und nebeneinanderstehen und in denen ralen Ensembles als kritisch kommentierendes Gegen- verschiedene Epochen präsent sind und abgelesen wer- stück zu einem Kriegerdenkmal aus der Zeit des Natio- den können. nalsozialismus in Hamburg.7 Das 1936 errichtete, über- aus monumentale Denkmal für das Hamburgische Wie ein Palimpsest besteht auch eine Stadt 76. Infanterieregiment zeigt, versehen mit der Inschrift wie Wien aus vielen historischen Schichten, „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müs- die über- und nebeneinanderstehen und in sen“, eine in Viererreihen gestaffelte Soldatenkolonne, denen verschiedene Epochen präsent sind die um einen gewaltigen Betonblock herummarschiert. und abgelesen werden können. Als Hrdlicka 1983 von der Stadt Hamburg den Auftrag für eine künstlerische Umgestaltung des Denkmalareals erhielt, konzipierte er ein Ensemble aus vier Komplexen, die auf expressiv-gegenständliche Weise den durch den Auch der Lueger-Platz ist ein solches komplexes Gebilde Nationalsozialismus hervorgebrachten Tod und die Zer- aus verschiedenen historisch-kulturellen Schichten, vom störung anhand folgender Themen ausdrücken sollten: Stubentor über das Lueger-Denkmal bis zum Café Prückel das Sterben der Soldaten, die Bombardierung Ham- etc., wie ein Palimpsest ermöglicht er eine simultane burgs, die Leiden in den Lagern sowie das faschistische Wahrnehmung der Epochen und eröffnet damit die Mög- Frauenbild verbunden mit Menschenexperimenten. Auf lichkeit zu Reflexion und Kritik. Wünschenswert ist eine kritische Rezeptions- und Erinnerungsarbeit, durch die Die erste Variante lässt sich unter dem Begriff der historischen Bedeutungsschicht des Denkmals eine des „Gegendenkmals“ fassen; für sie steht neue Schicht der Reflexion und Erfahrung hinzugefügt wird. Eine solche Palimpsestarbeit zielt darauf ab, den Alfred Hrdlickas Projekt eines skulpturalen im Lueger-Denkmal unkritisch transportierten Antisemi- Ensembles als Gegenstück zu einem NS- tismus und patriarchalischen Autoritarismus „unschäd- Kriegerdenkmal. lich“ zu machen – dies jedoch nicht durch Unsichtbar- machung des Denkmals, sondern vielmehr durch Sicht- barmachung der unsichtbar von ihm repräsentierten 7 Zur Entstehungsgeschichte des Denkmals: Dieterich Schubert, Ideologie und durch die Evokation von Widerspruch „Hamburger Feuersturm“ und „Fluchtgruppe Cap Arcona“. Zu Alfred Hrdlickas „Gegendenkmal“, in: Plagemann 1989, gegen diese Ideologie. S. 150–170.

71 PRINZIP PALIMPSEST dem Grundriss eines zerborstenen Hakenkreuzes soll- des Ersten und des Zweiten Weltkrieges umzugestalten. ten diese vier Todesdarstellungen so auf dem Gelände Die 1929 errichtete Gedenkstätte hatte bereits mehrere aufgestellt werden, dass sie den Blick auf das Nazi- Transformationen erfahren. Ursprünglich bestand sie aus Denkmal verstellen bzw. ergänzen. Realisiert wurde nur einem ringförmig von Kalksteinsegmenten mit eingravier- ein Teilprojekt: die fünf Meter hohe Bronzewand „Feuer- ten Namen von Gefallenen umgebenen runden Platz, in sturm“, die die Bombardierung Hamburgs thematisiert, dessen Zentrum auf einem runden Sockel mit der Inschrift verbunden mit einem Marmorblock, der einen gemarter- „Die Gefällten sind es, auf denen das Leben steht“ ein ten Frauenleib zeigt, sowie dem größeren Marmorblock nackter kniender Jüngling aus Bronze stand. In der NS- „Fluchtgruppe Cap Arkona“, der den Untergang eines Zeit wurde die Figur demontiert und der Platz in Lange- Schiffes mit KZ-Häftlingen thematisiert. Der Block zum marckplatz umbenannt, unter Bezug auf eine fürchterli- Soldatentod kam nicht mehr zustande. Hrdlickas Mahn- che Schlacht im Ersten Weltkrieg, die dem Nationalsozi- mal war von Beginn an sehr umstritten hinsichtlich seiner alismus zur Kriegsverherrlichung diente. In den fünfziger gestalterischen Qualität und auch hinsichtlich dessen, Jahren fügte man eine Metallschale und Gedenktafeln inwieweit hier der politische Anspruch tatsächlich einge- für die Toten des Zweiten Weltkriegs sowie für die vom löst ist.8 Ungeachtet dessen steht das Projekt aber für Nationalsozialismus „politisch und rassisch Verfolgten“ die Idee des Gegendenkmals, d. h. hier geht es um die hinzu. Der ideologische Name der Anlage wurde erst im Hinzufügung eines kritisch kommentierenden, ja dras- Zusammenhang mit dem Auftrag an Holzer rückgängig tisch widersprechenden Gegenstücks zu dem proble- gemacht. Jenny Holzer erweiterte den Denkmalplatz um matischen Objekt. eine Gartenanlage, deren Beete- und Wegestruktur aus konzentrischen Kreisen besteht, die über ein zentrales Kreuz gelegt sind, sodass das Kreismotiv aufgegriffen Weniger kontradiktorisch als vielmehr poetisch und um das Kreuz assoziativ erweitert wurde. In diese ist der 1994 eröffnete „Black Garden“ von Anlage ließ sie Bäume, Sträucher und Bodendecker ein- Jenny Holzer. pflanzen, die farblich dunkel sind, sodass der Garten eine ungewöhnlich düster-melancholische Atmosphäre erhielt. Im Zentrum steht ein schwarzfruchtiger Apfel- Weniger kontradiktorisch als vielmehr poetisch ist der baum, die Wege wurden mit rotem Ziegelsplitt bestreut. 1994 eröffnete „Black Garden“ von Jenny Holzer. Sie Als Gegenakzent innerhalb dieses „schwarzen“ Gartens hatte den Auftrag der Stadt Nordhorn erhalten, die städ- wurde vor der Gedenktafel für die „politisch und ras- tische Gedenkstätte für die Gefallenen der Kriege 1870/71, sisch Verfolgten“ ein kleiner „White Garden“ angelegt. Weiterhin wurden im Garten fünf Bänke aufgestellt, in deren roten Sandstein Texte der Künstlerin eingemeißelt sind, die auf eine sehr emotionale Weise Gewalterfah- rung und Tod thematisieren.9 Die ganze Anlage soll nicht als Gegendenkmal, sondern als Ort der Trauer und Ver- 8 Eine scharfe und m. E. zutreffende Kritik übt Jürgen Hohmeyer: „Das Hakenkreuz als statische Krücke. senkung dienen. Das Soldatendenkmal mit seiner kriegs- Zu Alfred Hrdlickas ‚Gegendenkmal‘“. In: Plagemann 1989, S. 171–176. verherrlichenden Inschrift ist in einen Reflexionsraum 9 Vgl. Sachs 2002. eingebunden, der ihm eine neue Bedeutung verleihen soll.

72 Die dritte Variante einer palimpsestartigen logie des Nationalsozialismus an, verleiht dem Motiv künstlerischen Arbeit an historischen Objekten jedoch den neuen Sinn, dass es eben um die Menschen 10 möchte ich als „Umcodierung“ bezeichnen, ein geht, die auf diesem Boden leben. Haackes Projekt zielt also darauf ab, die problematische, gleichwohl zum his- Beispiel hierfür ist Hans Haackes künstlerische torischen Bestand des Bauwerks gehörende Inschrift Intervention am Berliner Reichstag. „Dem deutschen Volke“ durch Um- und Übercodierung gewissermaßen zu „entschärfen“. Der Vorschlag löste Die dritte Variante einer palimpsestartigen künstlerischen eine lebhafte politische Kontroverse im Parlament wie Arbeit an historischen Objekten möchte ich als „Umco- in der medialen Öffentlichkeit aus, jedoch fand er 2000 dierung“ bezeichnen, ein Beispiel hierfür ist Hans Haackes im Bundestag eine knappe Mehrheit und wurde noch im künstlerische Intervention am Berliner Reichstag. Haacke selben Jahr realisiert. Die Debatte selbst wurde vom war 1998 vom Deutschen Bundestag eingeladen wor- Künstler als Teil seiner Intervention betrachtet und wird den, ein Konzept für die Gestaltung des nördlichen Licht- in einem Buch sowie fortlaufend auf einer Website hofs im Reichstagsgebäude zu entwerfen. Sein Vor- doku mentiert.11 schlag lautete, in dem Hof einen großen flachen Kasten zu installieren, aus dessen Mitte in weißen Leuchtbuch- staben die Worte „Der Bevölkerung“ nach oben strah- Das letzte und jüngste Beispiel lässt sich am len, sodass sie vom Plenarsaal und anderen Räumen aus ehesten mit den Begriffen der „Sichtbarma- lesbar sind. Alle Bundestagsabgeordneten sollten aus chung“ und „Aktualisierung“ charakterisieren. ihrem jeweiligen Wahlkreis Erde mitbringen und um die Leuchtbuchstaben herum in den Kasten hineingeben, der spontane Pflanzenwuchs sollte sich selbst überlas- Das letzte und jüngste Beispiel lässt sich am ehesten sen werden. mit den Begriffen der „Sichtbarmachung“ und „Aktualisie- rung“ charakterisieren. Das „Institut für Kunst im öffent- Die Leuchtschrift bezieht sich formal und inhaltlich auf lichen Raum Steiermark“ hatte einen Wettbewerb zur die über dem Hauptportal des Reichstags befindliche – Umgestaltung eines ehemaligen KZ-Außenlagers von während des Ersten Weltkriegs nachträglich angebrachte Mauthausen in Aflenz an der Sulm initiiert. In dem Lager – Inschrift „Dem deutschen Volke“ und nimmt dieser waren fast 1.000 Menschen zur Schwerstarbeit in den gegenüber eine Sinnverschiebung vor: Wie diese Inschrift eines Steinbruchs gezwungen worden, viele wa- dient sie dazu, die Parlamentsabgeordneten daran zu ren durch die Zwangsarbeit oder Exekutionen umge- erinnern, wem sie mit ihrer Arbeit verpflichtet sind, je- kommen. In den letzten Jahrzehnten hatte man auf dem doch wird das völkisch-nationale Konzept eines „blutmä- Gelände teilweise neue Gebäude errichtet und das ehe- ßig“ kohärenten deutschen Volkes ersetzt durch das malige Lager ansonsten verfallen und von Pflanzen über- moderne bürgerliche Verständnis von Bevölkerung als der Summe der auf einem Staatsterrain lebenden Men- schen unabhängig von ihrer Herkunft und Staatsangehö- 10 Ausführlich zu den Konnotationen des Materials Erde: Monika Wagner: rigkeit. Diese Umcodierung wird verdoppelt durch die „Ein Mischling für den Bundestag – Erd- und Steingemenge als Symbole Verwendung von Erde: Im Kontext von Volk/Bevölke- politischer Einheit“. In: Diers/König 2000, S. 22–34. 11 Diers/König 2000. www.bundestag.de/kulturundgeschichte/kunst/ rung spielt dies sehr direkt auf die Blut-und-Boden-Ideo- kuenstler/haacke/derbevoelkerung/

73 PRINZIP PALIMPSEST wuchern lassen. Das von Helmut und Johanna Kandl Die vom „Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger- eingereichte und 2009 realisierte Siegerprojekt konzen- Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und triert sich auf eines der wenigen noch sichtbaren Relikte Rassismus in Österreich“ verwirklichte Ausschreibung ist des Lagers: das Wachtpostenhaus. Die Ruine wurde von der konzeptuellen Haltung des Palimpsest-Prinzips baulich gesichert und mit einer darüber angebrachten getragen. Und viele der vorliegenden Einreichungen ha- großen roten Leuchtschrift „Wächterhaus“ wieder öffent- ben auf diesen Impuls reagiert und lassen erkennen, wie lich sichtbar gemacht. Das Wort „Wächterhaus“ greift produktiv und vielfältig ein solcher Umgang mit proble- dabei die ursprüngliche Funktion des Gebäudes auf, ver- matisch gewordenen Kulturobjekten sein kann. Manche leiht ihm aber eine neue, aktuelle Bedeutung: Es dient Vorschläge sehen relativ weitgehende Eingriffe an dem zur Warnung und Mahnung vor ähnlichen antihumanitären Lueger-Denkmal vor, etwa es mit einem Gerüst zu um- Tendenzen in der Gegenwart. Aufgestellte Tafeln und aus- stellen, die Figur vom Sockel zu heben oder die Bronze gelegte Broschüren geben Informationen zur Geschichte verwittern zu lassen. Andere möchten es mit Gegen- der Anlage, und im Inneren werden auf einem Bildschirm denkmälern konfrontieren, seien es monumentale sym- aktuelle Menschenrechtsverletzungen thematisiert, wo- bolträchtige Anlagen oder auch kleinformatige Installatio- bei die Filmbeiträge regelmäßig aktualisiert werden. Da- nen. Manche Einreichungen schlagen prozessuale Ver- mit will das Künstlerpaar, über einen allgemeinen Appell änderungen vor, bei denen die Natur zum Einsatz kommt, („Nie wieder“) hinausgehend, das „Denk mal mit dem wie zum Beispiel die Überwucherung des Denkmals mit Heute verbinden“.12 Pflanzen, oder bei denen ein diskursiver Prozess in Gang gesetzt werden soll, in dem sich die Wiener BürgerIn- nen aktiv dazu verhalten können. Wieder andere schla- DAS LUEGER-DENKMAL PALIMPSESTIEREN gen subtile Hinzufügungen z. B. von projizierten Worten Mit diesen vier Arbeiten habe ich exemplarisch einige oder Textpassagen vor, die darauf abzielen, neue Sicht- künstlerische Strategien vorgestellt, die in unterschied- weisen auf das Denkmal zu ermöglichen. licher Weise nach dem Palimpsest-Prinzip vorgehen. Ihnen sind jeweils spezifische Qualitäten und Möglich- Viele der vorliegenden Einreichungen haben keiten eigen, gemeinsam ist ihnen, dass sie auf eine vor- gefundene Situation nicht zerstörerisch, sondern kritisch- auf diesen Impuls reagiert und lassen erkennen, transformatorisch reagieren. Zahlreiche weitere künstle- wie produktiv und vielfältig ein solcher Umgang rische Projekte und strategische Varianten ließen sich mit problematisch gewordenen Kulturobjekten hinzufügen. Letztlich ist die Summe der Möglichkeiten sein kann. unendlich, basiert doch jede qualitätsvolle künstlerische Arbeit auf der präzisen Auseinandersetzung mit den ge- gebenen konkreten Gegebenheiten und ihrem histori- Die Vielfalt der Vorschläge dokumentiert, wie groß die schen und ästhetischen Kontext. Vorgefertigte Schemata Spannbreite der Möglichkeiten eines kreativen und pro- sind hier nicht zu gebrauchen. duktiven Umgangs mit problematisch gewordenen Denkmälern ist. Nun gilt es, sie im Einzelnen zu disku- tieren und den politischen Willen zur Umsetzung des 12 Helmut und Johanna Kandl über ihr Projekt, siehe: www.doew.at/aktuell/aflenz.html Besten zu fassen.//

74 Verena Krieger *,!"/++! ,+0"/31&3"0-" 10 OF THE LUEGER MONUMENT THE PALIMPSEST PRINCIPLE /1&01& 01/1"$&"0#,/1/+0#,/*&+$ It is telling that the monument for Lord Mayor of Vienna *,+2*"+101%1%3" " ,*"-/, )"*1& Karl Lueger, in planning since his death in 1910, could not be realized during the monarchy because the idea of a large monument to a commoner on a prominent site Monuments as we know them today are products of appeared too audacious: the location chosen at the the modern age and it is with them that the rising mid- time, the Ring in front of the Town Hall, was deemed as 3 dle classes of the nineteenth century – specially in the more appropriate for the Emperor. For this reason the German-speaking area – created their own original me- Lueger monument was not erected until 1926, after the dium of representation. Although there had been stat- establishment of the republic, and the location that was ues in classical times and, above all, during the age of chosen was slightly less central although it, too, was a absolutism, these served as the public representation square on the Ring. Care was also taken to depict the of lordly authority. In contrast, with the inception of a mayor standing and not sitting – the “enthroned” sitting bourgeois public in the Vormärz period, an increasing position was the traditional privilege of princes and ap- number of monuments for middle class individuals, in parently, even in the 1920s, could still not simply be particular for artists, musicians, and great thinkers were taken up by a bourgeois politician. planned or realized.1 Middle class associations appeared The Lueger monument unites aspects of reform as well and alongside princes commissioned financially costly as of tradition. The new is represented by the large- monument projects, often having organized campaigns scale – for a commoner – sculpture in a prominent loca- for donations for years beforehand. Thus monuments tion. The style in which the monument is executed is also not only became the crystallization point of the social new: a restrained and conservative modernity makes its and cultural life of the middle classes, they also took on appearance in the functional portrayal which renounces a political function, articulating the idea of nation state all use of Baroque decoration. The modern approach can coupled, more or less covertly, with democratic objec- also be seen in the fact that Lueger is shown in a bour- tives.2 After the failure of the bourgeois revolution in geois suit. In the nineteenth century the question of the 1848 and the establishment of the modern nation-state, right “costume” – antique and idealistic or realistic – was the democratic intentions in monuments retreated and conflicted, so that, for example, the monument to Franz I representations of the national monarchy came to the which was erected in 1846 in the inner courtyard of the fore so that although the Vienna Ring has numerous Vienna Hofburg showed the Austrian Emperor in a Roman monuments to great cultural and intellectual figures, toga.4 While the naturalism of the Lueger monument the most prestigious squares were reserved for princes stands in glaring contrast to that, it remains traditional and generals. and conservative in other respects. The overall ensem-

3 Pötzl-Malikova 1976, 128f. 4 The sculptor who was originally commissioned, Johann Nepomuk Schaller, foresaw a realistic costume. Ferdinand I re-assigned the 1 See e.g. Habermas 1962; Mittig-Plagemann 1972. commission to Pompeo Marchesi who was prepared to carry out his 2 Nipperdey 1968. wish for a “Greco-Roman” costume. See: Telesko 2008, 114–121.

75 1%"-)&*-0"01-/&+ &-)" ble, however, exhibits characteristics of a typical monar- way of reflecting, or new state of mind, they are docu- chical monument as exemplified in the Maria Theresia ments of historical change. If a monument has become monument, i.e. the bronze figure of the person being dubious because of changed values and convictions, honoured is elevated on a high, stepped pedestal deco- there are various ways of dealing with it. Historically, the rated with relief depictions of his subordinates. Whereas predominant form of dealing with it is iconoclasm. In the pedestal of the Maria Theresia monument is peo- every era pictures and statues have been destroyed pled with individual representatives of the armed forces, from religious or political motives. Thus in ancient Rome politics, administration, and sciences, the Lueger monu- attempts were made to efface unpopular emperors or ment shows allegorical figures: a young worker, a very old tyrants from the collective memory by erasing their man, a widow with children, and a youthful farm hand. names und re-working the portraits. In the sixteenth These represent the sections of the population that bene- century supporters of the Reformation damaged and fited from Lueger’s economic and socio-political meas- destroyed depictions of Christ and the saints because ures. Thus the setting perpetuates the traditional com- they considered their use in the liturgy as superstitious bination of benevolent ruler and subjects as the recipi- idolatry. The twentieth century has also produced many ents of good deeds. Those who were subjected to the examples of politically or religiously motivated cultural mayor’s anti-Semitic invective are not depicted, of course. vandalism and iconoclasm. The destruction of works of modern art discredited by the Nazis as “degenerate” belong in this category, as does the demolition of the &#*,+2*"+10 " ,*"-/, )"*1&  Buddha statues of Bamiyan by the Taliban in Afghanistan.5 Monuments are manifestations of their times. They arti- An example of iconoclasm after a change in the prevailing culate the political, social, and aesthetic interests of those political climate is the post 1989 mass destruction of who initiate and provide the means for them to be erected. statues of Marx and Lenin in the former Eastern Bloc. A When times change these interests are then seen in a seemingly archaic understanding of images comes to the new, and often critical, light. On occasion the function fore in these acts of destruction – including the occasio nal and form of a monument once more becomes the sub- beheading of a statue – one which ascribes a power to the ject of critical consideration by a middle class public. image that of necessity must be taken from it. And so it is – overdue – in the case of the Lueger monu- In contrast, from the perspective of enlightened moder- ment. After the experience of Nazism it has become nity, cultural monuments are documents of historical intolerable that undiminished homage continues to be realities – positive or negative – which, because they are paid to an aggressive anti-Semite and declared example relevant to our present day lives, should be preserved for Hitler. and, if necessary, overhauled. Removal can only be re- That monuments should become problematic due to garded as the appropriate method of dealing with these changed historical circumstances, new moral ideas, or testimonials of past epochs in the most extreme cases political majorities is not unusual and does not, per se, such as when the intention is to glorify National Social- say anything against them. On the contrary, where we ism. Over the last few decades an awareness has been are dealing with a change in the balance of power, a new growing that the memorial culture of a society is mani- fested in a fundamental way in the treatment of its cul- 5 See: Gamboni 1998. tural monuments.6 Because of this various artists – part-

76 ly on their own initiative, partly by public commission – ,2+1"/*,+2*"+1„/"#)" 1&3"0- "„ have become involved with existing buildings and mon- /" ,!&+$„/")&71&,+ uments which have become problematic and have Over the last few decades a whole series of artistic added new artistic and political dimensions without de- strategies have been developed that work on the princi- stroying or damaging them. I would like to call this form ple of the palimpsest and deal with monuments that have of dealing with artefacts which have become problem- become problematic. I would like to present some of atic palimpsests. Palimpsests are ancient or medieval them as examples. The first variation could be described manuscripts which were re-used by scratching or wash- by the term “counter-monument”. Alfred Hrdlicka’s pro- ing off the original writing on the parchment and then ject of a sculptural ensemble as a critical counterpart to over-writing them with a new text. The process often a war memorial of the Nazi period in Hamburg is an ex- left the previous layers of writing legible so that, in cas- ample of this.7 The massive memorial to the Hamburg es where they would have otherwise fallen into oblivion 76th Infantry Regiment carries the inscription “Germany they, too, have been handed down. Thus the “palimp- must live, even if we have to die”. It shows a column of sesters” did not only have the function of erasing, but soldiers, four abreast, marching around a huge block of also that of preserving. The process of over-writing cre- concrete. When Hrdlicka was commissioned by the City ates a complex state in which different layers of mean- of Hamburg in 1983 to redesign the area round the mon- ing from different historical epochs have been mixed. ument, he planned an ensemble consisting of four com- Just like a palimpsest, cities such as Vienna consist of plexes which, through the choice of subject, was in- various historical layers (buildings, squares, monuments, tended to convey the death and destruction produced the routes taken by the streets etc.) that are situated by National Socialism in an expressive, representational above and alongside each other so that various epochs way: the death of the soldiers, the firebombing of Ham- are present and construable. Lueger Square is one of burg, the suffering in the camps and the fascist ideal of these complex ensembles of various historical and cul- a woman conjoined with experiments on humans. tural layers, from Stubentor via the Lueger monument These four depictions of death were to be placed at to Café Prückel etc. As with a palimpsest it enables the points on the plan of a shattered swastika that would simultaneous perception of periods and thus opens up obscure the view of, or supplement, the Nazi monu- opportunities for reflection and critique. Critical recep- ment. Only parts of the project were realized – the five tion and remembrance work would be desirable in order meter high bronze wall, Firestorm, that thematizes the to add new layers of reflections and experience to the bombing of Hamburg connected to a marble block historical layers of meaning that the monument already showing a tortured female body, and a larger block of has. Palimpsest work of this nature is aimed at render- marble, Fluchtgruppe Cap Arkona [Refugee Group from ing the uncritically perpetuated anti-Semitism and patri- the Cap Arkona], that has as its subject the sinking of a archal authoritarianism “harmless”, not by making the monument invisible but, rather, by making the invisible 6 See: Heidemarie Uhl, “Gedächtnis” und die Wiederkehr des ideology it represents visible and by evoking contradic- Denkmals in der Postmoderne, in: Hintergrund, vol. 42, 2009, tions countering its ideology. 8–15. 7 On the origins of the monument see: Dieterich Schubert, “Hamburger Feuersturm” and “Fluchtgruppe Cap Arcona”. On Alfred Hrdlicka’s “counter-monument”, see: Plagemann 1989, 150–170.

77 1%"-)&*-0"01-/&+ &-)" ship with concentration camp prisoners on board. The cover species planted that give the garden an unusually block with the death of the soldiers was never made. gloomy and melancholic atmosphere. At the centre Right from the beginning Hrdlicka’s monument was very there is a black apple tree, the paths were covered in red controversial with regard to the quality of its design and brick chippings. As counterpoint within the “black” garden in respect of how far it actually fulfilled its political claims area a “White Garden” was laid out to accommodate a too.8 Despite that, the project stands for the notion of a memorial plaque for “those persecuted because of their counter-monument and thus we are concerned here race or political beliefs”. In addition, five benches of red with the addition of a critical – one might say contradic- sandstone were placed in the garden, each with a text tory – counterpart to the problematic object. carved into it by the artist which deals with subject of Less contradictory and much more poetic is the Black experiences of violence and death in a very emotive 9 Garden by Jenny Holzer, opened in 1994. She received way. The entire complex is not intended to serve as a a commission from the City of Nordhorn to re-design the memorial but, rather, as a site for grieving and contem- municipal memorial to those who fell in the in the wars plation. The military monument with its inscription that 1870/71, and in the First and Second World War. The glorifies war is integrated into a reflective space that is memorial, erected in 1929, had already gone through a intended to give it a new meaning. number of transformations. Originally it consisted of a The third variation of a palimpsest-like art work on a his- circular area surrounded by a ring of limestone seg- torical object I would like to call “re-coding”. An exam- ments engraved with the names of the fallen. A naked ple can be seen in Hans Haacke’s artistic intervention bronze youth, kneeling on a circular pedestal stood at with the Berlin Reichstag. In 1998 Haacke was invited the centre. Engraved on it was the inscription “Life by the German Reichstag to develop a concept for the stands on those who fell”. During the Nazi period the design of the northern interior courtyard of the Reich- figure was removed and the area renamed Langemarck stag building. His proposal foresaw a large, flat box be- Square referring to a dreadful battle during the First ing installed which contained the words “Der Bevölke - World War which the Nazis used to glorify war. In the rung [To the Population]” in illuminated letters so that it 1950s a metal bowl and memorial plaque was added for would be visible from the plenary chamber and other the dead of the Second World War and those who were rooms. All MPs were asked to bring earth from their “politically and racially persecuted” under the Nazis. The electoral districts which was to be placed around the ideological name of the complex was only reversed with letters. The growth of vegetation was to be left to the Holzer commission. Jenny Holzer extended the me- chance. In form and content, the illuminated letters refer morial area with a garden in which the flower beds and to the inscription over the main door to the Reichstag pathways were laid out in a series of concentric circles which reads, “Dem deut schen Volke [To the German superimposed on a central cross so that the circular mo- Nation/People]”. It was placed there during the First tif is picked up and associatively expanded by it. In this World War and Haacke’s work attempts to cause a shift area she had dark-coloured trees, shrubs, and ground- in meaning in relation to it. As with the inscription,

8 A pointed and I think accurate criticism is levelled by Jürgen Hohmeyer: “Das Hakenkreuz als statische Krücke. Zu Alfred Hrdlickas ‘Gegendenkmal’”. In: Plagemann 1989, 171–176. 9 See: Sachs 2002.

78 Haacke’s illuminated words serve to remind MPs for fall into disrepair and was overgrown. The winning pro- whom they are working though here the racial/national ject, submitted by Helmut and Johanna Kandl and real- concept of a coherent German nation linked by “blood” ized in 2009, concentrated on one of the few remaining is replaced by a modern civil society notion of popula- relicts of the camp that was still visible: the guardhouse. tion, the sum of all those living within the territory of a The ruin was structurally secured and then made pub- state, independent of their origins and nationality. This licly visible by means of large, red, illuminated letters re-coding is doubled by the use of the earth: in the con- saying “Wächterhaus [Guardhouse]” above them. The text of nation/people vs. population it refers directly to word “Wächterhaus” accepts the original function of the Nazi “Blut und Boden [blood and soil]” ideology the building but gives it a new, more current meaning: it though it gives the motif a new meaning – it concerns serves as a warning and moral imperative against similar all those who live on this land.10 Thus Haacke’s project anti-humanitarian tendencies in the present. Plaques is aimed at “defusing” the problematic inscription, “Dem and available brochures provide information about the deutschen Volke” that is nevertheless part of the his- complex and inside on a screen ongoing breaches of torical substance of the building by re- or over-coding it. human rights are thematized. These filmic contributions The proposal set off a lively political controversy, both in are regularly up-dated. This is part of both artists’ inten- parliament and in public media. However in 2000 there tion to go beyond the general appeal of “never again” was a small majority in the Bundestag in favour of it, and and to “connect the monument to the present”.12 it was realized that same year. The debate itself was seen by the artist as a part of his intervention. It was documented in a book as well as being continuously PALIMPSESTING THE LUEGER MONUMENT 11 uploaded onto a website. With these four works I have given examples of artistic The final and most recent example can be best charac- strategies that make use of the palimpsest principle in terized by using the terms “making visible” and “bring- different ways. Though each has its own specific quali- ing up to date”. The “Institut für Kunst im öffentlichen ties and potentialities, they have in common the fact Raum Steiermark [Institute for Art in Public Space in that they react to the existing situation in a critical and Styria]” initiated a competition for re-designing one of transforming way without destroying it. Numerous oth- the former Mauthausen satellite concentration camps in er art projects and strategic variations could be added Aflenz an der Sulm. Almost 1,000 people from the camp here. In the final analysis the sum of possibilities avail- were forced to do heavy work in the galleries of a stone able is infinite though every quality art work has to be quarry. Many of them died from the work or were exe- based on a precise consideration of the concrete condi- cuted. Over the past decades some new buildings had tions and their historical and aesthetic context. Pre-fab- been erected and the former camp had been allowed to ricated schemes have no place here.

10 For a detailed account of the connotations of earth as a material see: Monika Wagner: “Ein Mischling für den Bundes- tag – Erd- und Steingemenge als Symbole politischer Einheit”. In: Diers/König 2000, 22–34. 11 Diers/König 2000. www.bundestag.de/kulturundgeschichte/ 12 For Helmut and Johanna Kandl on their project kunst/kuenstler/haacke/derbevoelkerung/ see: www.doew.at/aktuell/aflenz.html

79 1%"-)&*-0"01-/&+ &-)"

The competition organized and carried out by the “Pres- LITERATUR / REFERENCES sure Group to Transform the Lueger Statue into a Mon- Diers, Michael / König, Kasper (Hg.): „Der Bevölkerung“. Aufsätze und ument against Anti-Semitism and Racism in Austria” is Dokumente zur Debatte um das Reichstagsprojekt von Hans Haacke, Frankfurt am Main 2000 sustained by the conceptual stance of the palimpsest Gamboni, Dario: Zerstörte Kunst. Bildersturm und Vandalismus im principle. Many of the present proposals reacted to this 20. Jahrhundert, Köln 1998 impulse and make it clear just how productive and di- Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen verse an approach of this nature can be in respect of zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied/Berlin 1962 cultural objects which have become problematic. Some Hintergrund, Bd. 42: Denkmäler, hg. vom Architekturzentrum Wien, 2009 of the proposals foresee a relatively extensive interven- Mittig, Hans-Ernst / Plagemann, Volker (Hg.): Denkmäler im 19. Jahr- tion in the substance of the monument, surrounding it hundert. Deutung und Kritik, München 1972 with scaffolding, lifting the figure off its pedestal, or al- Nipperdey, Thomas: „Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert“. In: Historische Zeitschrift, 206, 1968, 530–585 lowing the bronze to deteriorate under the influence of Plagemann, Volker (Hg.): Kunst im öffentlichen Raum. Anstöße der 80er weather, to mention but three examples. Others want Jahre, Köln 1989 to confront it with a counter-monument whether as Pötzl-Malikova, Maria: Die Plastik der Ringstraße. Künstlerische Entwick- monumental and highly symbolic installation or as a lung 1890–1918, Wiesbaden 1976 small-format one. Some submissions propose proces- Sachs, Angeli C. F.: „Neue Formen der Erinnerung. Zwei Mahnmale von Jenny Holzer und Sol LeWitt in Deutschland“. In: www.kunsttexte.de sual changes which make use of nature, where plants (3/2002-1) overgrow the monument, for example, or where the Telesko, Werner: Kulturraum Österreich. Die Identität der Regionen in intention is to start up discursive processes in which der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts, Wien 2008 Viennese citizens can become actively involved. Yet oth- ers suggest subtle additions e.g. projected words or textual passages that are aimed at the monument so that it can be seen in a new way. The diversity of the proposals documents just how wide a spectrum of pos- sibilities there is in dealing creatively with monuments that have become problematic. Now the concern is to discuss them individually and to resolve to find the po- litical will in order to implement the best one.//

Verena Krieger, geb. 1961, ist Universitätsprofessorin für Kunstgeschichte an der Universität für angewandte Kunst Wien. Verena Krieger, born 1961, is a university professor for art history at the University of Applied Arts Vienna.

80 No more heroes Corina Vetsch

Ist es möglich, auf die Ambivalenz änderungen des bestehenden Denk- Ich habe anhand von Skizzen erste vermeintlicher Heldenfiguren ge- mals vor, die nach ca. einem halben Veränderungsvorschläge, die das stalterisch hinzuweisen? Jahr partizipatorisch durch NGOs, Denkmal zu einem Mahnmal wer- Schulklassen, Vereine oder Einzel- den lassen können, festgehalten. Wie kann vor Rassismus, Neofa- personen weitergeführt werden. schismus oder auch Sündenbock- Sie bestehen aus textilen oder an- denken gewarnt werden? Das Projekt müsste über einen deren Materialien, die an der Skulp- Mein Umgestaltungsvorschlag ist größeren Zeitraum weiter betreut, tur befestigt oder ihr aufgesetzt für die Zeit unmittelbar nach dem koordiniert und dokumentiert wer- werden. Wettbewerb gedacht und sieht eine den mit dem Ziel, eine langfristige Vielzahl temporärer, reversibler Ver- Lösung zu finden.

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Transforming the the background of monumentalisa- In tackling the problem of a monu- Karl Lueger Statue tion one can identify the human ment built for former Mayor of Vi- drive to deny the biological process enna, Karl Lueger, the work takes a Igor Ruf of dying, decay, and oblivion. Such problem-oriented approach. Proces- monuments often reflect the totali- sual in nature, the work is an inter- According to Lewis Mumford, a tarian regimes they were made in. vention affecting the existing mon- monument gives a false sense of It is this perception of the tradition- ument (with a permit from the Fed- continuity, a deceptive assurance al monument as a totalitarian mani- eral Department for the Protection of life. Instead of change and bio- festo that prompts us to all our be- of Heritage Buildings and Monu- logical regeneration, a monument liefs, yearnings, and ideas. ments) through planting ivy (Latin stays static, mummifying history name HELIX HEDERA). and its politically questionable ide- Therefore, it must be continuously als1. The permanence of stone or questioned, examined, and disput- The intention is to plant ivy seeds brick enables a monument to sub- ed, so that following generations around the pedestal of the monu- jugate time, which in fact results in can avoid repeating the fatal mis- ment. This would require prelimi- the subjugation of the present. In takes of history. nary digging up of the concrete and

82 asphalt. The work presupposes a In a few years, and with occasional Finally, simply by growing, the ivy minimal initial intervention and tending, the whole monument will develops an independent structure minimal financial outlay. Planted in be wrapped in ivy. In a strictly de- which causes the monument to specified places, and given time, fined monument-in-park context, atrophy and to metamorphose its the ivy will actively transform the element of unpredictability appears, form. Only its contours remain vis- monument. Within a year the plant as deviation from typical horticul- ible. On a semantic level, ivy con- will grow to a height of approxi- tural activities becomes a place of quers the territory of negative mem- mately one meter. challenge. ory/emotion and, in the words of Hildegard von Bingen, “it takes over the disease from the patient”. Over decades, or even centuries, with the destructive strength of its roots, ivy destroys the monument’s sub- stance – a petrified idea. The pro- cess of growing turns the ivy itself into a creative act. There is no monument that is un- touchable per se. The nature of a monument depends primarily on the public’s perception. The agree- ment to accept the illusions im- posed by a regime. Once a society decides to demystify ideals which have been previously imposed by a regime monuments become vul- nerable and thus a blank space to which new meaning can be as- signed.

1 Mumford, Lewis, The culture of cities, Harcourt, Brace, 1938.

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WARTUNG Stefanie Busch, Kathrin Krahl, Lena Krahl

Der Antisemitismus Luegers provo- schen Jüd_innen, wird durch die dersetzung mit einer historischen ziert und verleitet zu schnellen Person Lueger nicht repräsentiert. Epoche des Antisemitismus dienen. Lösungen: Sprengung, Enthaup- Er war Stichwortgeber für Hitler Die österreichische Gesellschaft ist tung, Stürzen, Absenken … Nach und die Nationalsozialist_innen, aber auch Teil des industriell ange- einer Auseinandersetzung mit der pflegte jedoch einen traditionellen, legten Mordes an Jüd_innen ge- Person Lueger und dem durch ihn religiösen Antisemitismus. Die Per- wesen. Wien hat eine traurige Ge- personalisierten Antisemitismus, sonalisierung des österreichischen schichte des Antisemitismus – be- erscheint eine dieser schnellen Antisemitismus durch Lueger, wird kannt sind die Repressalien gegen Lösungen nicht mehr adäquat. Die durch die Shoa konterkariert. Er Jüd_innen mit dem „Anschluss“ Shoa, die Ermordung der europäi- kann ausschließlich der Auseinan- an das Deutsche Reich. Der Anti-

84 semitismus wurde im städtischen schen Wandels. Es repräsentiert Raum Wiens sofort vollstreckt: man aber auch eine zeitliche Dimension, ließ sie die Straßen schrubben. die jenseits des Sprengens liegt. Unser Entwurf für ein Denkmal Der europäische Antisemitismus gegen Antisemitismus und Rassis- tradiert sich in den gegenwärtigen mus dockt an die Sauberkeitsvor- Gesellschaften fort und schafft es stellungen der Wiener_innen an zu einer Adaption hin zu einem und soll ihr ästhetisches Grund- Antisemitismus nicht trotz, son- empfinden stören. dern wegen Auschwitz. Das Ge- rüst macht somit auf ein Defizit, Unser Entwurf ist ein Gerüstbau, eine Baustelle aufmerksam – kann der zehn Jahre im städtischen sie aber nicht beheben. Eine Dauer- Raum Wiens aufgestellt sein soll. baustelle rund um das bestehende Das Lueger-Denkmal wird, von der Denkmal konfrontiert die Wiener_ linken Seite aus, zur Hälfte in ein innen nicht nur mit ihrer Verbre- Baugerüst gekleidet. Das Denkmal chensgeschichte während des bleibt somit sichtbar, aber es kommt Nationalsozialismus, sondern the- zu einer Irritation. Das Gerüst unter- matisiert gleichzeitig den aktuellen liegt keiner Funktionalität – es ist Antisemitismus. Der Sauberkeits- weder betretbar, noch in irgend- diskurs und -zwang der Wiener_in- einer Weise für Bautätigkeiten nen verhilft der Intervention im konzipiert. Es werden kaum Böden städtischen Raum zu ihrer Monu- eingezogen, so dass nicht darauf menta lität, indem sie stört und gestanden werden kann, und es nach Lösungen schreit. franst an den Seiten aus. Wir be- dienen uns des Gerüstes, einem Die Auseinandersetzung mit Anti- allgegenwärtigen städtischen Mo- semitismus kann aber gar nicht in biliar, das zu Beginn der Intervention der Dekonstruktion oder Demonta- noch Normalität vermittelt. Das ge eines Herrn Lueger liegen, son- Gerüst symbolisiert die Möglichkeit dern in der Auseinandersetzung einer Veränderung, Montage, Er- der österreichischen Gesellschaft. neuerung oder Abtragung. Als Es gibt keine saubere Lösung des künstlerisches Vokabular ist es das Gedenkens! Synonym jedes mentalen-städti-

85 DIE POLITIK DES MONUMENTS: NATURALISMUS, MINIMALISMUS UND IHRE ALTERNATIVEN

Bei diesem Interview handelt es sich um eine redigierte Fassung eines Gesprächs, welches Lukas Frankenberger, Jasmina Hirschl, Veronika Kocher, Martin Krenn und Georg Wolf mit Diedrich Diederichsen an der Akademie der bildenden Künste geführt haben.

AK: Warum beschäftigen Sie sich mit dem Thema Damit wird auf eine kulturindustrielle Strategie der Beein- Mahnmäler/Denkmäler und seit wann? druckung gesetzt, die den Rezipienten weder die Einfüh- DD: Vor einigen Jahren hat mich die Auseinandersetzung lung noch die ästhetische Verarbeitung überlässt. Das um das Berliner Holocaust-Mahnmal interessiert, aber allein wäre noch nicht kitschig, es ist nur aus vielen auch die Bedeutung minimalistischer Gestaltungsele- Gründen nicht angemessen, denn es entspricht einem mente in zeitgenössischer Gedenkkultur. Am Schluss hat kulturellen Umgang mit Vergegenwärtigung, mit Erinne- es ja dann ein Architekt gebaut und kein Künstler. Hier rung, mit Gedenken, der ganz gebräuchlich ist, der für in Wien bin ich eben durch die öffentliche Diskussion alle möglichen Formen von Verarbeitung eingesetzt wird über dieses Projekt wieder auf das Thema gekommen. und unter anderem auch kulturindustriell besetzt ist. Dazu kommt, dass in diesem Falle ja nicht nur dieses Prinzip von Repräsentation eines historischen Vorgangs AK: 2005, in einem Falter-Interview mit Robert Misik, bezeichnen Sie die Gedenkkultur in dieser Stadt als durch eine einzelne Narration eingesetzt wird, sondern kitschig und nennen das Hrdlicka-Mahnmal als ein dass diese Narration, in der Art und Weise, wie sie re- Beispiel dafür. Was meinten Sie damit, und wie sehen präsentiert und suggeriert wird, auch noch einer drasti- Sie die Situation heute? schen theatralen Versuchsanordnung folgt, die darauf DD: Es wäre erstmal zu klären, was man als Gedenkkul- hinausläuft, dass es zu einer empathischen Identifikation tur beschreiben wollte, etwa in der Bezugnahme der mit den Opfern kommt. Das aber finde ich das beson- Städte auf den Nationalsozialismus. Da wäre das Hrdlicka- ders Skandalöse, weil es über das Kitschige hinausgeht. Denkmal vor der Albertina ein Extrem, ein anderes wären Bis dahin wäre es kitschig, dass aus der Gestaltung die- die aus der Barlach-Tradition kommenden stilisierenden, ser Szene des straßenwaschenden Juden, in der die evangelisch/protestantischen Empathie-Mahnmäler/Denk- Gestalt so differenziert ist in ihrem Naturalismus, die mäler, wie man sie in Deutschland oft findet. Hrdlicka Binnendifferenzierung viel stärker ist als ihre Bewertung will in einer naturalistischen Bildsprache eine spezifi- oder die Möglichkeit einer reflexiven Distanzierung. Sie sche, konkrete Narration produzieren, als müsste man der gewährleistet aber nicht einmal diese Gefühlsreaktion, Öffentlichkeit erstmal am Beispiel zeigen, wie schreck- mit der eh nur ein reduziertes und problematisches Ge- lich es war, sodass die von anderen Informationen ganz denken möglich ist, aber eines immerhin, bei dem es zu unbewegten Passanten nun von einem naturalistischen einer empathischen Identifikation mit den Opfern und zu Denkmal von der Unmenschlichkeit, von der Faktizität einer Verurteilung der Täter kommt. Aber dieses Denk- des Horrors überzeugt werden. mal lässt auch die Möglichkeit einer hämischen Identifi-

86 kation offen! Die Szene ist in sich so geschlossen, dass das ist noch nicht das eigentliche Skandalon dieser Ar- man um sie herumgehen, sich in alles einfühlen kann. beit. Der Punkt ist der, und das ist natürlich spezifisch Man könnte auch Täter sein, das ist durch keinerlei Maß- für den Naturalismus, dass hier mit Konventionen von nahmen geklärt. Erkennbarkeit und Wiedererkennbarkeit kooperiert und paktiert wird, mit sozusagen szenischen Darstellungen AK: Die Errichtung des „Mahnmals gegen Krieg und im Zweidimensionalen wie im Dreidimensionalen. Diese Faschismus“ von Alfred Hrdlicka war ja sehr umstrit- werden automatisch in der Konvention gelesen, und in ten. 1983 wurde zwischen der Gemeinde Wien und der Stabilität dieses Eindrucks, dieses Gedankens, wird Alfred Hrdlicka ein Vertrag über die Errichtung des der Kontext ignoriert. Und das könnte einfach eine Soli- Denkmals abgeschlossen. Es folgten Jahre des Wider- darisierung mit dem Täter ermöglichen. Die komische standes dagegen, vor allem vonseiten der Tageszeitun- Ambivalenz, die der Naturalismus herstellt, ist es, über gen „Krone“ und „Presse“. Kritisiert wurde nicht, dass den Detailreichtum eine Art von lesbarer Realität zu er- das Mahnmal „kitschig“ wäre, sondern dass eine An- zeugen – die den imaginierend projizierenden Betrachter klage gegen die Täter_innen in den Vordergrund rücken eine Art von interpretatorischer Vorentscheidung fällen würde. Damals sah sich die große Mehrheit der Öster- lässt; eine Vorentscheidung, die aus der Narration kommt, reicher_innen als Opfer des Zweiten Weltkriegs. Das nicht aus der Platzierung des Ganzen als Objekt in Bezug Denkmal konnte erst 1988 errichtet werden. auf Öffentlichkeit. Das Schandfleck-Problem für Rechte Die Figur des straßenwaschenden Juden, die sich auf entsteht dadurch, dass solange das Ganze als Mahnmal die Erniedrigung der jüdischen Stadtbewohner_innen in in der Diskussion ist, der Kontext natürlich klar ist, näm- Wien im März 1938 bezieht, wurde allerdings zu einem lich dass es gegen sie gelesen wird. In diesem Augen- Symbol einer sich wiederholenden Erniedrigung, spä- blick wird die Möglichkeit einer flanierenden bis hämi- testens in dem Moment, als sich jausnende Tourist_in- schen Rezeption, die sich einen Kontext aus der Tatsa- nen auf die kauernde Figur setzten. Auch die Notmaß- che herstellt, dass hier etwas „wie im Leben“ erzählt nahme, die Statue mit Stacheldraht zu bedecken, löste werden und daher frei gelesen und bewertet werden das Problem nicht, vielmehr führte sie zu einer Asso- kann, gar nicht mitgedacht. Eine solche Rezeption ist per ziation mit der Dornenkrone Christi. se nicht übel, kann ganz demokratisch verlaufen; es ist Bei der Lueger-Statue, die wesentlich früher entstan- aber schlimm, ihr die Shoah als Material zur Verfügung den ist und von dem faschistischen Bildhauer Josef zu stellen. Müllner entworfen wurde, finden sich ebenfalls natura- Eine andere Sache ist natürlich die: Ein zentrales Ele- listische (allerdings idealisierte) Darstellungen des ehe- ment jeder Skulptur ist ihr Sockel, also der Sockel defi- maligen Bürgermeisters und von Wiener Arbeiter_in- niert ihre jeweilige Funktion – und das ist eigentlich Ver- nen. Welche Möglichkeiten ergeben sich hier nun Ihrer herrlichung. Also in dem Moment, in dem ein Sockel da Ansicht nach für eine Umgestaltung dieser Statue in ist, ist das, was auf dem Sockel drauf ist, verherrlicht, ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus? selbst wenn das gar nicht die skulptural gestaltete Stra- DD: Kitschig ist die Idee, eine bestimmte Art von Empa- tegie ist. thie in einer Arbeit, die mit Gedenken zu tun hat, ins Zentrum zu rücken. Die Empathie mit dem Opfer als AK: Es gab Vorschläge, den Sockel wegzunehmen, einzige Möglichkeit zu sehen, das find ich kitschig, aber bzw. Lueger auf den Boden zu stellen ...

87 DIE POLITIK DES MONUMENTS: NATURALISMUS, MINIMALISMUS UND IHRE ALTERNATIVEN

DD: Würde der Lueger auf dem Boden stehen, dann zum Beispiel ja gerade diese Gebräuche, diese Gebrauchs- wäre ja denkbar, dass weitere Kontextualisierungen pas- weisen, immer begrüßt und unterstützt. Jede Art von sieren, und die können in alle möglichen Richtungen Gebrauch und Gebrauchsspuren wäre auch unabhängig gehen. Wenn aber ein Sockel da ist, finde ich das mit von der jeweils ursprünglichen Aussage zu sehen. dem gekippten Ganzen natürlich sehr viel besser als das Gedenkkulturen im Umgang mit dem Nationalsozialismus Wegnehmen. Denn das Entfernen des Sockels ist et- zeigen in den letzten zehn bis zwanzig Jahren, dass Ge- was, das man mit jedem Monument, das glorifizieren genwartskunst, GegenwartskünstlerInnen sich zumeist sollte, machen kann. Da kann man im Nachhinein immer anhand zweier Entwicklungen beschreiben lassen: sagen, den Sockel hat er sich nicht verdient, der Lueger. Zum einem gibt es wieder ein Bedürfnis, konkret zu wer- Das ergäbe eine Möglichkeit, sich ihm von Bürger zu den und etwas zeigen zu wollen, also etwa mit Symbo- Bürger zu nähern. Aber es geht ja darum, ihn sozusagen len zu arbeiten wie dem Buch und der Bibliothek, was anders zu markieren, insofern denk ich, dass das Entzie- ich zwar nicht so schlimm finde wie Naturalismus, aber hen des Sockels eigentlich nicht reichen kann. doch auch als Problem sehe, und auf der anderen Seite die Sprache des Minimalismus. Es hat mich zunächst AK: Kennen Sie geglückte Beispiele für den Umgang gereizt, das Berliner Holocaust-Mahnmal zu unterstüt- mit Denkmälern/Mahnmälern? zen. Da die Gegenbewegung des sich neu gründenden, DD: Mir fallen jetzt sehr viele Beispiele ein, die aus dem wiedervereinigten Deutschlands auch mit dieser Schand- Aktivismus kommen. Als mit Holz verkleidet wurde, das fleck-Argumentation und ihren Verwandten auftrat, muss- dann irgendwann wieder von den Ordnungskräften ent- te man es erstmal unterstützen. fernt wurde. Bis hin zu dem, was natürlich auf lange Sicht Die minimalistische Sprache der Skulptur hat den Punkt, beeinflussen kann: wie dieses sogenannte Kriegerdenk - keine Referenzen zu produzieren, sondern nur auf sich mal aus der Nazizeit, das in Hamburg auf dem Stephans- selbst zu verweisen. Das ist aber ein Spannungsfeld: Sie platz steht. Auf dem Denkmal steht der Satz: „Deutsch- kann nicht zugleich auf sich selbst verweisen und ein land muss leben, und wenn wir sterben müssen.“ Dieser Holocaust-Mahnmal sein. Das heißt, in dem Moment, in Satz ist berühmt geworden, weil sich die Gruppe Slime dem sie ein Holocaust-Mahnmal ist, hört sie auf, auf sich auf ihn bezogen hat und aus ihm gemacht hat: „Deutsch- selbst zu verweisen. Sie lädt dann dazu ein, Projektionen land muss sterben, damit wir leben können“, und das zu produzieren. Die Formensprache und die künstleri- wiederum gehört zu den vielen Punkten, wo durch Skan- schen Strategien des Minimalismus können eine ange- dalisierung etwas im Gedächtnis geblieben ist. Alle ge- messene Reaktion darstellen, die sagt: Ich bin nichts worfenen Farbbeutel, jede Art von Aggression gegen anderes als das, was ich bin: ein Denkmal, keine Einla- dieses Denkmal oder Mahnmal haben dazu geführt, dass dung zu sentimentalen, hämischen oder kitschigen Ge- sich die Stadt Hamburg nicht mehr darum gekümmert schichten, ich bin ernst. Andererseits ist sie damit nur hat. Und es verfällt, das sieht wirklich interessant aus. die Sprache des Denkmals an sich, nicht dieses konkre- Also diese Erosion, die jetzt stattfindet, die ist ganz gut, ten Falls. Das sind auch Grenzen für diese Strategie. besser, als wäre es abgerissen worden. Künstlerinnen und Künstler, die mit oder im öffentlichen AK: Bei dem Wettbewerb für das „Denkmal für die Raum gearbeitet haben, fingen irgendwann an, antizipie- ermordeten Juden Europas“ wurde ja auch ein Entwurf rende Reaktionen mit einzubeziehen. Richard Serra hat mit dem Titel „Bus stop“ eingereicht, wo von Berlin aus

88 zu Gedenkorten und -stätten gefahren werden könnte. Also dieser blinde Fleck, den ich haben muss, um über- Auch ein anderer Entwurf mit dem Titel „Überschrie- haupt leben zu können – zu agieren, andernfalls ich mich gar ben“, bei dem ein Kilometer Autobahn strecke mit Pflas- nicht orientieren kann –, der ist zugleich das, worüber tersteinen versehen werden sollte, entzog sich dem typi- ich aufgeklärt werden muss. Worüber ich stolpern muss. schen Verständnis eines Mahnmals. Was bedeutet es, Das kann man sich nicht vorstellen als ein zu vollenden- der NS-Verbrechen an einem Ort zu gedenken? Kann des Projekt. Wir können ohne blinde Flecke nicht leben, das, etwa als touristischer Magnet, sogar Erinnerung aber von Kunst kann man fordern, blinde Flecke – vorü- an die NS-Morde verharmlosen? Wenn nun tatsächlich bergehend – auszuleuchten. so ein Autobahnkilometer mit Pflastersteinen belegt wäre, dann würde offizielles Gedenken in den Alltag AK: Was halten Sie von Strategien, die versuchen hineinspielen und der Normalisierung des Erinnerns durch Provokation Aufmerksamkeit zu erregen, von entgegenwirken. Wie sehen Sie diese Situation? sogenannten Aufregern? DD: Ja, da gibt es auch noch viele andere Probleme, die DD: Dazu braucht man Leute, die eben Probleme mit mit dem Mahnmal zusammenhängen. Deutschland ihrem Vater haben (lacht), die eine Konfrontation mit kauft sich sozusagen auf ästhetische Weise eine Los- einem Mächtigeren hervorrufen. Die man nicht als Glei- sprechung, ein gutes Gewissen. Ich würde aber sagen, cher/Gleiche herstellen kann und damit gleichzeitig die dass dieses symbolische Wehtun – die Autos, die dann Macht anerkennt. Man produziert nicht von seiner eige- ein bisschen hoppeln – dann auch etwas frivol ist. nen Souveränität aus, und das, finde ich, ist ein großes Problem an der Provokation. Es gibt oder gab viele pro- AK: Wie definieren Sie das Politische in der Kunst, und wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang unser vokative Akte, die natürlich eine Berechtigung hatten, Projekt ein? eine befreiende oder stabilisierende Funktion zu gene- DD: Was das ganze Projekt betrifft, gibt es eine Position, rieren, aber sie sind von ihrer ödipalen Konstruktion her die sagt, der öffentliche Raum ist nicht mehr strukturiert beschränkt. durch seine architektonische, monumentale, stadtplane- rische Vorgeschichte. Das ist zwar die Touristen-Attrak- AK: Wir fragen, weil relativ viele provozierende Ent- tion, aber daran orientiert sich niemand mehr. Das ist nur würfe dabei waren, die auch in der Jurysitzung sehr Kulisse, ein blinder Fleck, dort, wo ich nicht hinsehe – kontrovers diskutiert wurden. das, was in meinem Alltag nicht mehr beachtet wird, DD: Also, ich sehe Provokation in einem guten Sinne in aber trotzdem ständig Bedeutung produziert. Gerade diese der Richtung von Richard Serras Haltung, in seinen Ar- Bedeutungsproduktionen, die ich als irrelevant ausge- beiten im öffentlichen Raum die Aggression einzukalku- blendet habe, die mich nicht erreichen und von denen ich lieren, die Konfrontation selber möglich zu machen und an nehme, dass sie auch andere nicht erreichen, beste- ihr einen Ort zu geben. Sie liegt meiner Meinung nach chen durch eine besondere Hartnäckigkeit. Sie werden in einer abgerüsteten Zeichensetzung, einer abgerüste- nicht infrage gestellt und sie werden nicht verändert ten Setzung. Obwohl man darüber streiten kann, wie durch Rezeption. Solche Elemente zu stärken oder zu abgerüstet das ist und ob die Zulassung ihres Gebrauchs markieren, also das Unmarkierte zu markieren, ist sozu- die richtige Art ist, damit umzugehen. Ob Provokation sagen die zentrale Hauptaufgabe von Kunst im öffentli- gegen Macht etwas vermag? Eher im Gegenteil, ich fin- chen Raum oder in gewisser Weise von Kunst überhaupt. de, sie stärkt Macht eher.//

89 THE POLICY OF THE MONUMENT: NATURALISM, MINIMALISM AND ITS ALTERNATIVES

This interview is an edited version of a conversation that Lukas Frankenberger, Jasmina Hirschl, Veronika Kocher, Martin Krenn and Georg Wolf had with Diedrich Diederichsen at the Academy of Fine Arts in Vienna.

AK: What is your interest in the subject of monu- Here, reliance is being placed on a strategy of impressing ments/memorials and how long have you been inter- recipients, leaving them no space for either a genuine ested in them? empathy or an aesthetic reflection. This is characteristic DD: A few years ago I became interested in the debate for cultural industrial formats and is inappropriate for about the Berlin Holocaust Memorial, but also in the many reasons. One is the rather conventional way, it function of minimalism in contemporary memorial cul- resembles the prevailing cultural ways of dealing with ture. In the end it was built by an architect, not an artist. visualization, memory, and commemoration, which are The public discussion about this topic here in Vienna in general use in completely different and also on very has re-awakened my interest. banal occasions. In addition, it is not just that in this case the principle of representing a historical process is nar- rowed down to one single narration, but that this narra- AK: 2005, in a Falter interview with Robert Misik you tion – in the way it is represented and suggested – is called the memorial culture here (in Vienna) kitschy also subjected to a drastic theatrical constellation which and cited the Hrdlicka memorial as an example. What is supposed to lead to an empathetic identification with did you mean by that and how do you see the situation the victims. And that, I think, is particularly scandalous now? because it is worse than kitschy. It is kitschy to the ex- DD: First one has to clarify what to describe as memo- tent that, in its naturalism, the design of the scene – the rial culture, for example in relation to monuments in the Jew washing the street – is so differentiated, and its cities with connections to National Socialism. One ex- internal differentiation is so strong that it precludes both treme here is the Hrdlicka memorial in front of the Al- any evaluation of it or the possibility of reflective dis- bertina. The other would be the stylized, Lutheran Prot- tancing. But cannot even guarantee this emotional reac- estant empathy memorials deriving from the Barlach tion, which in any case only permits a reduced and prob- tradition that one so often finds in Germany. Hrdlicka lematic commemoration, though admittedly one that at wanted to use naturalistic imagery in order to produce a least leads to an empathetic identification with the vic- specific, concrete narration as if it was necessary for tims in one of the perpetrators’ countries, not articulat- the public to be presented with an example of how ter- ing this problem at all. But this memorial also leaves rible it was for the very first time, and passers-by who open the possibility of an evil identification. The scene have been quite unmoved by other information would is so closed that circling it one can empathize with eve- become convinced of the inhumanity by the facticity of rything. One might also be a perpetrator. This is some- the horror in this naturalistic memorial. thing that is never resolved within the work.

90 AK: The construction of the “Monument against War ambivalence that naturalism, with its richness of detail, and Fascism” by Alfred Hrdlicka was very controversial. generates. It produces a kind of easily readable reality In 1983 a contract to erect a monument was signed by that allows viewers to arrive at a kind of interpretive the City of Vienna and Alfred Hrdlicka. There were years preliminary decision by imagining and projecting. This of opposition to it, especially by the daily papers the preliminary decision derives from the narration and not “Krone” and the “Presse”. The monument was not from the siting of the whole as an object in a public only criticized for being kitschy, but also from the point context. For the right the disgrace issue comes from of view that it foregrounded the denunciation of the the fact that as long as the discussion concerns the perpetrators. At that time the majority of Austrians monument as a whole, the context is naturally clear, considered themselves to be victims of the Second and it will be read in opposition. At this point no thought World War. The monument was not erected until 1988. is given to possibilities of reception. These range from However, at the moment the first tourists sat eating that of the informal flaneur to the malicious disparager sandwiches on the cowering figure of the Jew wash- and create a context from the fact that what is being ing the street – a reference to the humiliation of Jewish narrated here is “as it is in life”, making it free to be read inhabitants of Vienna in March 1938 – it became sym- and evaluated at will. Reception of this nature is not bad bolic for an on-going humiliation. Even the stop-gap per se, and may take place in a thoroughly democratic solution of covering the figure with barbed wire does way; but it is dreadful to make the Shoah available as not solve the problem, but rather exacerbates it be- material for this process. cause of the association with Christ’s crown of thorns. Another point is, of course, that a central element of In the case of the Lueger statue which was erected every sculpture is its pedestal, i.e. that the pedestal de- significantly earlier and designed by the fascist sculp- fines its current function – and that really is glorification. tor Josef Müllner, one also finds a naturalistic – and Thus at the moment a pedestal comes into play, what- idealized – depiction of the former Lord Mayor and ever is placed on it is glorified even if that fact has noth- ing to do with the sculptural design strategy. Viennese workers. From your point of view what do you think the possibilities are for it to be re-designed AK: There were proposals to remove the pedestal or into a monument against anti-Semitism and racism? to bring Lueger down to ground level … DD: It is kitschy to foreground a specific kind of empa- DD: If Lueger was to stand on the ground, it is conceiv- thy in a work that has to do with commemoration. I find able that further contextualization would take place and it kitschy to see only one possible way of empathizing that could go in all possible directions. If the pedestal with the victims. But that is not the real scandal of this were to stay in situ, I think the tilting of the whole mon- work. The point is that here, in what can be called sce- ument would be much better than removing something. nic representations in two and three dimensions, a pact Removing a pedestal can be done with every monu- or cooperation is made with the conventions of recogni- ment that is intended to glorify. In retrospect one can tion. This is naturally typical for naturalism. These repre- always say that Lueger does not deserve the pedestal. sentations are automatically read within those conven- That would appear to present the possibility of ap- tions and the context is ignored because of the impres- proaching him, citizen to citizen. But in fact the intention sion which is generated. Stated simply, that might lead is to mark him as different, and in this respect I think to solidarity with the perpetrators. This is the strange that removing is actually insufficient.

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AK: Do you know of any successful examples of how cause the counter-movement of the newly-founded and to deal with monuments/memorials? reunified Germany also advanced this “disgrace” argu- DD: I could think of very many examples that have come ment and others related to it. out of activism: one monument was clad in wood, The minimalist language of the sculpture pointedly re- though at some point that was taken down by the au- fuses to produce any references. It is simply self-refer- thorities again. There have been instances where long- ential. This, however, creates a field of tension: it can- term influences were at work such as the case of the not be self-referential and a Holocaust Memorial at the so-called veteran memorial from the Nazi era that same time. That means that as soon as it is a Holocaust stands in Stephansplatz in Hamburg. There is a sen- Memorial it ceases to be self-referential. It then invites tence on that memorial that says “Germany must live the production of projections. Minimalist formal lan- even if we must die”. This sentence became famous guage and artistic strategies can represent an appropri- because the group Slime changed it into “Germany ate response that says: I’m nothing more than what I must die so that we can live”. That, in turn, leads us to am: a memorial, not an invitation to sentimental, ma- many instances where something sticks in one’s mem- levolent, or kitschy stories, I’m serious. On the other ory because of the scandal it created. All the paint hand this is just the language of memorials per se and not of this particular case. Those are also the limitations bombs and other forms of aggression directed at this of this strategy. monument or memorial have led to a situation where the City of Hamburg no longer takes care of it. It is falling AK: For the competition for a memorial for the Jews into disrepair and that looks very interesting. So a pro- of Europe there was also a proposal submitted with cess of erosion taking place is much better than if it had the title “Bus Stop”. It foresaw a service which would been demolished. start in Berlin and take people to other memorial sites. At some point in time artists who worked with, or in, Another submission with the title “Überschrieben public space started to anticipate reactions and take [Overwritten]” proposed that a kilometre of motorway them into account. Richard Serra, for example, always be set with cobblestones. Both of these are outside welcomed and encouraged these uses, these ways of the typical definition of a memorial. What does it mean using his work. Any kind of use, or traces of use, would when one commemorates the victims of Nazi crimes have to be considered independent of the original state- in one place? Can that act as a tourist magnet and ment that the object made. downplay the Nazi murders? If a kilometre of motor- In the last ten or twenty years of dealing with National way was actually cobblestoned, then official commem- Socialism memorial cultures have shown that art and oration would become part of everyday life and would artists can usually be characterized on the basis of two counteract the normalization of remembrance. How do developments: on the one hand there is once again a you view this situation? need to be concrete, to show something, to work with DD: Yes, there are also many other problems connected symbols such as books and libraries. I don’t think this is with the memorial. One could say that Germany buys as bad as naturalism, but I do consider it to be a prob- absolution, a clean conscience, in an aesthetic way. But lem. On the other hand there is the language of mini- I would also disagree with these little symbolic distur- malism. Initially I was attracted to supporting the Berlin bances – cars that are bumped around a bit. That is a little Holocaust Memorial. It was imperative to support it be- frivolous.

92 AK: How would you define the political element in art AK: What do you think of strategies that attempt to and how do you see our project in this respect? draw attention by provocation by so-called “agitators”? DD: As far as the whole project is concerned, there is a DD: For that you need people who have problems with position which says that public space is no longer struc- their father (laughs), who want a confrontation with tured by its past architectural, monumental, or urban someone more powerful, someone who cannot be con- planning history. These are the tourist attractions, but structed as an equal, and this simultaneously acknowl- no one really orientates themselves by them anymore. edges their power. I think that is the problem with prov- They are only scenery, a blind spot which I avoid looking ocation. One isn’t producing from a position of self-sov- at, something I pay no attention to in my everyday life, ereignty. Of course, there are, or were, many justifiable but which, despite that, continues to produce meaning. provocative acts undertaken in order to generate a liber- It is exactly this production of meaning that I have cut ating or stabilizing function, but their inherent oedipal out as irrelevant, that doesn’t reach me, and which I as- construction places limitations on them. sume doesn’t reach others either, that is compelling in its exceptional persistence. It is never questioned and AK: We ask because some relatively provocative de- does not change through reception. One might say that signs were submitted. These made for controversial the central and key task of art in public space and, in a discussions during the jury session. certain way, of art as a whole, is to strengthen or mark DD: Well, I see provocation in a good sense when it goes elements of this nature, i.e. to mark the unmarked. in the direction of Richard Serra’s attitude, when he cal- So this blind spot, without which I would not be able to culates aggression into his work in public space, making live at all – it would be impossible to orientate myself the confrontation itself possible and providing a place otherwise or to act – is something that I need to have for it. In my opinion it lies in a “disarmed” setting of signs, elucidated at the same time, something I have to stum- a disarmed settlement. Although one could argue about ble over. One cannot imagine it as a completed project. just how disarmed it is, and whether allowing it to be We cannot live without this blind spot, but one can de- used is the right way to deal with it. Is provocation di- mand that art illuminates it, even if only temporarily. rected against power capable of achieving anything? I think rather the opposite, that it tends to strengthen that power.//

Diedrich Diederichsen, in den 80er Jahren Redakteur von Musikzeitschriften (Sounds, Spex), in den 90ern Hochschullehrer u. a. in Weimar, Pasadena, Stuttgart, Offenbach und München. Seit 2006 Professor für Theorie, Praxis und Vermittlung von Gegenwartskunst an der Akademie der Bildenden Künste, Wien. http://diedrich-diederichsen.de Diedrich Diederichsen, in the 80s editor of music magazines (Sounds, Spex), in the 90s university teacher in Weimar, Pasadena, Stuttgart, Offenbach, Munich and other places. Since 2006 professor for theory, practice and communication of contemporary art at the Academy of Fine Arts, Vienna. http://diedrich-diederichsen.de

93 "&+/"& %2+$"+02 *&00&,+0

LUEGERINNER Wir verstehen das gegebene „Denk- Ästhetisch betrachtet ist der Karl- mal“ und seine einhergehende Lueger-Platz nicht nur wegen seines c_able – Teresa Alonso Novo, Pamela Campagna, David Cañavate, Thomas Scheiderbauer, Marcus Schande als „monumentales Hono- Monuments, sondern als Ganzes Spiegel rieren des Untolerierbaren“. Wir ausgesprochen hässlich. Seine kritisieren daran, dass es sich dabei Struktur – mit dem „Denkmal“ als Unseren Vorschlag zur Umgestal- nicht um Kunst handelt, sondern zu huldigender Achse, mit seinen tung oder Neukontextualisierung um ein Macht- und Propaganda- „monologischen Bänken“ und knie- des Lueger-Denkmals und seines werkzeug, das, wie wir es sehen, hohen Betreten-Verboten-Hecken, Platzes verstehen wir als zwischen- einzig dazu gut ist, die Bürger/-in- seiner Lage inmitten des Straßen- menschlich-räumliche Erweiterung nen und deren Öffentlichkeit zu verkehrs und seinem schönen, alten von etwas Bestehendem/im Weg verzerren und zu zersplittern. Baum, der aus gewisser Sicht Lue- Stehendem zu etwas Entstehen- ger auch noch eine Art Heiligen- dem/den Weg und das Gespräch Vom „monumentalen Honorieren schein schenkt – wirkt wie aus Freimachendem: vom „Text“ zum und Zersplittern“ zum „partizipativen einer stehen gebliebenen Zeit. Kontext, von Macht zum „Machen“. Manifestieren und Solidarisieren“.

94 Dieser Umstand ließ uns nicht nur des Problems begeben, man/frau das Monument, sondern den ge- muss Lueger im Rücken („hinter samten Platz hinterfragen. Einer- sich“) haben, um das Ganze erfas- seits geht es für uns um die Um- sen und überblicken zu können. gestaltung des Denkmals, in Kon- DIE ZYLINDER sind die räumliche sequenz dessen muss es aber und kommunikative „Umkehrung“ auch um die Neuformulierung des der Trommel. Ist die Trommel das ganzen Platzes gehen, will diese diskursive, internationale Element, Umgestaltung offen und zugäng- so sind die Zylinder das dialogische, lich sein bzw. zu Öffentlichkeit ein- partizipative und lokale Element. laden. Die Proportion entspricht im Durch- DIE TROMMEL bildet das primäre messer optisch der „Bronze-Wucht“ Element unserer Umgestaltung. Luegers. Alle Zylinder sind frei be- Konzeptuell bezeichnen wir sie als spielbare „Manifestationssäulen“, „reflexive Umarmung und Einkrei- das heißt, dass sich jedwede Pas- sung des Problems“. Räumlich sant/-innen auf ihnen auf jede er- stellt sie das zentrale Gegen-Mani- denkliche Weise zum Ausdruck fest zum Gegebenen dar und ver- bringen können. Die Zylinder sind steht sich als Statement und Einla- im Gegensatz zu Lueger „weich“, dung: Die Trommel formt sich aus das heißt ihre Oberflächen erlau- 25 identisch proportionierten, frei- ben auch Ritzen, Tackern, etc. Aus stehenden Stellen, die Lueger wort- dem selben Grund können die wörtlich die Schau stehlen, bzw. Oberflächen auch einfach ausge- ihm visuell schon von fern das tauscht werden, sollte es im Laufe „Fundament“ seiner Macht neh- der Realisierung und im Austausch men. Sie umkreisen sein Denkmal mit den Partner/-innen1 zur Ent- und bilden ein internationales Mani- scheidung kommen, dass die fest und eine Einladung zu einem Zylinder-Reflexionen gesammelt ebensolchen. Jede Stelle wieder- werden. Alle Zylinder beginnen 1 Unter Partner/-innen verstehen wir lokale holt einen kurzen, aufklärenden oben mit einem „Frageband“2. Institutionen, welche sich dem Projekt nahe- Text in einer anderen Sprache und Diese wollen die Passanten/-innen stehend fühlen und mit uns gemeinsam in Workshops offene Fragen beantworten versucht so im größtmöglichen fragen, bzw. ermutigen, sich auf wollen. Wir verstehen diese Workshops als ein zentrales, konzeptuelles Werkzeug von Umfang der Sache gerecht zu wer- den Zylindern zu äußern. Auf jedem LUEGERINNER. den. Gelesen werden können die Zylinder-Frageband erscheint eine 2 Frageband-Skizzen (die definitiven Fragen Stellen nur von innen, das heißt andere, in alle 25 Trommel-Spra- sollen in Workshops mit den Partner/-innen ermittelt werden): Was ist Rassismus? – Gibt man/frau muss sich ins „Innere“ chen, übersetzte Frage. es eine überlegene Rasse? – Wie verhinderst du Rassismus? – Werde ich durch andere manipuliert? – Wer sind die Volksverhetzer/- innen von heute?

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mis en boules Stefan Ritter

REMAPPING KARL LUEGER 1. Städtischer Raum: Die Symmetrie „mis en boules“ verdeckt und ver- von Platz und Denkmal wird aufge- fremdet Lueger, und doch ist es „When you take off that uniform hoben. Die abweisende Erhebung angewachsen, sogar mit ihm zu- ain‘t nobody gonna know you was des Denkmals wird mit einer Ball- sammengewachsen. Es warnt uns a Nazi and that don‘t sit well with struktur überbrückt, die zum Ver- vor Luegers schrecklichem Ver- us. So I‘m gonna give you a little weilen, Sitzen und Spielen einlädt. mächtnis, das weiter wachsen something you can‘t take off.“ wird, sollten wir es nicht aktiv be- Lt. Aldo Raine, Inglourious Basterds, 2. Form: Dem Realismus des Denk- arbeiten. Quentin Tarantino, 2009 mals wird die abstrakte, platonische Ästhetisch spielt „mis en boules“ Geometrie der Kugel gegenüberge- mit der Ambivalenz zwischen dem stellt. Durch die Duplizierung und ikonischen Pop eines Koons-Pup- Vervielfachung dieser primären Form pys und dem Grotesken eines wird die Singularität der selbstver- Geschwürs. Die Addition von „mis herrlichend hegemonial männlichen en boules“ zum Lueger-Platz hat Inszenierung Luegers kontrastiert das Ziel, die bisherige Wahrneh- und hinterfragt. mung auf das des Denkmals auf 3. Botschaft: Statt einen Mann zu mehreren Ebenen zu brechen: feiern, steht der Luegerplatz nun vielmehr für einen Prozess. Statt einer statischen Pose, besteht nun eine dynamische und räumliche Struktur: Wächst „mis en boules“ von Lueger herunter oder auf ihn hinauf?

96 97 Matthias Reichelt

FÜR EINE VISUELLE IRRITATION ALS ANLASS ZUR REFLEXION

Der Umgang mit dem nationalsozialistischen Erbe in Gestalt von Kunst, Denkmälern und Architektur wurde in Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren heftig diskutiert.

Die Debatten entzündeten sich an der Frage, ob man Die jungen, zeitgenössischen deutschen Nazikunst überhaupt zeigen dürfe. Diese Fragestellung Künstler, deren Arbeiten nun in der Sammlung zielte ironischerweise auf eine Ausstellung, die sich Brekers Werken an die Seite gestellt waren, 1974 in kritischer Absicht der Frage „Kunst im Faschis- fürchteten um ihren Ruf. mus“ stellte und die Kontinuität in den ökonomischen Strukturen zwischen Nationalsozialismus und dem Kapi- talismus in der bundesrepublikanischen deutschen Ge- von einem engmaschigen Netz aus Konzentrations- und 1 sellschaft nach 1945 herausarbeitete. Außenlagern und Zwangsarbeiterunterkünften überzo- Später, in den 1980er Jahren, sorgte Peter Ludwig, der gen gewesen war. Alleine in Berlin hatte es 600 Zwangs- Schokoladenfabrikant und – bei nicht wenigen Künstlern arbeitslager und 27 KZ-Außenlager gegeben.3 dank seiner extensiven Ankaufspolitik beliebte – Samm- Die Debatten wurden in dem Land geführt, das recht ler und Mäzen, wegen seiner demonstrativen Wertschät- schnell nach der Befreiung vom Faschismus eine restau- zung von Arno Brekers Kunst für Aufregung. Um Breker, rative Politik eingeschlagen hatte und dessen Staatsap- der zwar in großbürgerlichen Kreisen immer seine An- parate nicht nur von vielen Alt-Nazis aufgebaut, sondern hänger behalten hatte, war es ruhig geworden, und er auch lange Jahre kontrolliert wurden. Diese hatten lange war aus dem Ausstellungsbetrieb weitestgehend ver- eine Thematisierung der jeweiligen Berufsgruppen in 2 bannt. Durch Ludwigs Auftragspolitik – er und seine der NS-Zeit erfolgreich verhindert. Eine kritische Aufar- Frau ließen durch Breker Porträtbüsten anfertigen – sollte beitung der NS-Geschichte des Auswärtigen Amtes Breker, neben Thorak der einflussreichste Bildhauer des wurde z. B. erst unter dem von Bündnis 90/Die Grünen NS-Regimes, wieder salonfähig gemacht werden. Die jungen, zeitgenössischen deutschen Künstler, deren Ar- beiten nun in der Sammlung Brekers Werken an die Seite gestellt waren, fürchteten um ihren Ruf.

1 Diese Kontroversen, die eine große Resonanz in den Vgl. Frankfurter Kunstverein 1975. 2 Vgl. Grasskamp 1988. Feuilletons hatten, fanden in einem Land statt, das früher 3 Endlich/Lutz 1995, S. 125.

98 gestellten Außenminister Joseph Fischer 2005 als eine habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.“6 begründete seiner letzten Amtshandlungen in Auftrag gegeben. Gegen Joseph Fischer 1999 die deutsche Beteiligung an dem die im Oktober 2010 erschienene Studie der Historiker- weder von der UN legitimierten noch von den NATO- kommission4 setzte sich Felix Gaerte, ein ehemaliges Richtlinien zu rechtfertigenden Kosovo-Krieg und in Folge Mitglied von NSDAP und SS, zur Wehr.5 die Bombardierung Serbiens.

Außerdem nutzten der Staat und seine Behörden überall Die Geschichte des „Dritten Reichs“ war immer so prä- Gebäude der NS-Architektur, von denen nur die Haken- sent, dass es kein Entrinnen gab und sich die Politik im- kreuze beseitigt worden waren. In jeder Ecke konnte mer wieder distanzierend und erinnernd auf die „dunk- man nach der Geschichte „graben“, was viele Initiativen len Jahre“ beziehen musste. von unten wie die „Geschichtswerkstätten“ verdienst- vollerweise auch taten. Kurz und gut, das ganze Land war im Grunde ein Museum mit unzähligen Anschau- ... der Trick, den Anschluss in eine Unterdrü- ungsobjekten, deren sich die Initiativen annahmen, um ckung umzumünzen und sich als Opfer der sie mit antifaschistischer Haltung zu Objekten einer Er- NS-Expansionspolitik zu gerieren (...), hat Öster- zählung über Antisemitismus, Rassismus, Militarismus und Genozid zu machen. Die detaillierten Schilderungen reich lange davor bewahrt, sich an die eigene dienten sowohl der Erinnerung als auch der Mahnung, antisemitische Nase zu fassen und sich seiner in Zukunft wachsam zu sein. Wozu sollte sonst der Auf- Geschichte zu stellen. wand der Aufarbeitung und Erinnerungen dienen, wenn nicht dazu, eventuell etwas für die Zukunft daraus zu lernen? Das hatte ja bereits der Schwur der Überleben- Das war in Österreich etwas anders. Vorsichtig beurteilt, den des KZ Buchenwald intendiert: Nie wieder Faschis- scheint der Prozess der kritischen Selbstbefragung und mus, nie wieder Krieg. Auch wenn daraus kaum Lehren Aufarbeitung in Österreich zögerlicher abgelaufen zu gezogen wurden – siehe Wiederbewaffnung und exten- sein. Denn der Trick, den Anschluss in eine Unterdrückung siver Rüstungsexport –, so gilt bis heute das Gebot, die umzumünzen und sich als Opfer der NS-Expansionspo- Demokratie als gelernte Lektion aus den Erfahrungen litik zu gerieren, und dabei völlig den bereits vorher exis- mit dem Faschismus herauszustellen. In der politischen tenten „3/4 faschistischen Ständestaat“7 zu ver drängen, Rhetorik der diversen Bundesregierungen taucht der hat Österreich lange davor bewahrt, sich an die eigene kontrastierende Verweis auf die NS-Zeit zwecks Legiti- antisemitische Nase zu fassen und sich seiner Geschich- mierung immer wieder auf. Absurderweise auch dort, te zu stellen. Literaten, Künstler und Theaterleute – eine wo eine zum Buchenwald-Schwur völlig gegenteilige Minorität – durchschauten freilich die List. Hans Lebert Lehre gezogen wird. Denn ausgerechnet mit dem Ver- ließ schon 1960 in seinem epochalen Roman „Die Wolfs- weis „Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich haut“ einen Heimkehrer namens „Unfreund“ ein kollek-

4 Conze/Frei/Hayes/Zimmermann: Das Amt 2010. 6 Fried, Nico 2005. 5 Döscher, 2011. 7 Fried, Erich 1992, S. 49.

99 FÜR EINE VISUELLE IRRITATION ALS ANLASS ZUR REFLEXION tives Verbrechen an fünf Zwangsarbeitern in dem Dorf len Ressentiment, verbinden kann, ist gerade am Beispiel „Schweigen“ aufdecken.8 Später erinnerten neben an- Karl Lueger zu demonstrieren. Da er als Bürgermeister deren Künstlern Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek aus seiner antisemitischen Position keinen Hehl gemacht in ihren Arbeiten an die begeisterte Unterstützung der hatte, kann diese Haltung als bekannt vorausgesetzt NS-Rassen- und Expansionspolitik durch Österreich. werden. Das Denkmal würdigt Karl Luegers Wirken in Allerdings hat dies scheinbar nicht zu einem hegemonia- seiner Funktion und schließt, solange das nicht explizit len Schuldbewusstsein beigetragen. Anders ist es kaum ausgeschlossen und kritisch „gewürdigt“ wird, automa- erklärbar, dass der legendäre Bürgermeister und Antise- tisch seinen Antisemitismus mit ein. Aus diesem Grund mit Karl Lueger immer noch so prominent und unange- wäre eine völlige Entfernung falsch und würde eine fochten geehrt wird. Chance für eine dialektische Aufklärung und einen even- tuellen Lernprozess verschenken. Das hat die Initiative „Schämt sich denn niemand ein bissel für die dreifache klugerweise bedacht und deshalb angemahnt, dass das Ehrung?“9, fragte sich die amerikanische Literaturwissen- „Wiener Denkmal für Karl Lueger nicht einfach abgeris- schaftlerin und Autorin Ruth Klüger bei einem Besuch in sen, sondern in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Wien. Für die hier geborene Jüdin, die mit ihrer Mutter Rassismus in Österreich umgebaut werden soll“.11 mehrere Lager, darunter Auschwitz, überlebte, aber Vater und Halbbruder verlor, bleibt Wien die Stadt „der Vertrei- bung“.10 Das Denkmal würdigt Karl Luegers Wirken in Wie viel leichter wäre Ruth Klüger der Besuch ihrer Ge- burtsstadt gefallen, hätte sie einen bewussten und his- seiner Funktion und schließt, solange das nicht torisch-kritischen Umgang mit dem früheren Bürger- explizit ausgeschlossen und kritisch „gewürdigt“ meister und Antisemiten Karl Lueger feststellen können. wird, automatisch seinen Antisemitismus mit ein. Bis heute jedoch hat Luegers offener Antisemitismus seinem Ruhm keinen Abbruch getan. Deshalb setzt die Initiative „Arbeitskreis zur Umgestal- Arye Wachsmuth setzt mit seinem Entwurf auf eine kri- tung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Anti- tische Kommentierung zu Karl Lueger und hat jedem semitismus und Rassismus in Österreich“ der Universi- Anflug von Denkmalsturz widerstanden. Vielmehr schlägt tät für angewandte Kunst in Wien ein spätes, aber umso er vor, das Lueger-Denkmal in einen neuen architektoni- notwendigeres Zeichen. Sie ist nicht nur ein Beitrag zum schen und geistesgeschichtlichen Kontext zu stellen. An Verstehen von Geschichte, sondern auch zur Korrektur beiden Enden einer durch das Zentrum des Lueger- als Zeichen von Aufklärung und Reflexion. Die komplexe Denkmals gelegten Achse (nur sichtbar im Entwurf) soll und ambivalente Situation, die die Moderne auch mit jeweils ein Element aus zwei im spitzen Winkel aufein- dem Antisemitismus, einem durch und durch irrationa- ander stoßenden Wänden platziert werden, die als Pro- jektions- und Informationsflächen dienen. Abgeleitet ist

8 Lebert 1991. diese Form in mehreren Schritten aus einem Objekt in 9 Klüger 2008, S. 198. Dürers „Melencolia“, das von Wachsmuth in ein flächi- 10 Klüger 2008, S. 195. ges Hexagramm übertragen wurde und aus dem er den 11 Vgl. Ausschreibung, http://luegerplatz.com/ ausschreibung.html Davidstern entwickelt.

100 FÜR EINE VISUELLE IRRITATION ALS ANLASS ZUR REFLEXION

An den vier Wänden sollen die vier Elemente der Aufklä- steckt in den Familien geäußert und gehören auch zum rung und Information positioniert werden. Zum einen die Alltag in der Schule. Auf der Agenda steht, sie zu entde- LED-Leuchtschrift des Foucault-Zitats „Es gibt keinen cken und zu enttarnen und das Bewusstsein dahinge- Gegensatz zwischen dem, was getan wird, und dem, hend zu schärfen und zivilgesellschaftliches Engage- was gesagt wird.“, eine Texttafel zum Deklarationsmal, ment und Handeln dagegen zu organisieren. eine Video-Text-Installation mit persönlichen und frem- den Erzählungen zu Erfahrungen mit Antisemitismus und Rassismus sowie eine Computer-Medienstation mit his- torischen Details zu Lueger und der Auflistung aktueller Xenophobe, rassistische und antisemitische rassistischer Vorfälle durch eine entsprechende Aktivis- Tendenzen existieren in den verschiedenen tengruppe. Schichten, werden publik und versteckt in Der Schwerpunkt von Wachsmuths Entwurf liegt auf den Familien geäußert und gehören auch der Konfrontation des Lueger-Denkmals mit Informatio- zum Alltag in der Schule. nen, die das hegemoniale Bild von Lueger korrigieren und seinen Antisemitismus herausarbeiten sowie des- sen Virulenz durch aktuelle Berichte über rassistische Ein visueller und künstlerisch eindrucksvoller Eingriff und antisemitische Vorfälle belegen. könnte die Umdrehung von Lueger (wie z. B. von Iris und Die von Wachsmuth intendierte Integration eines Dekla- Rosa Andraschek angeregt) oder die Demontage der rationsmals erscheint mir sehr widersprüchlich. Es soll Figur vom Sockel und eine Positionierung neben dem Wiens „unverrückbare, jetztzeitige Haltung zur Geschich- Sockel (Manfred Erjautz) sein. Ein derartiger Umgang te des Antisemitismus und Rassismus“ belegen.12 Geht mit Lueger käme einer optischen Degradierung und es nicht eher darum, eine fast über alle Zweifel erhabene Infragestellung gleich und wäre besonders geeignet, die und hegemonial verehrte Person zurechtzurücken und ambivalente Situation aus blinder Verehrung und reflexi- die in der Person enthaltenen Widersprüche offenzule- ver Kritik zu vermitteln. Diesen Effekt erreicht auch in gen, die Verehrung historisch-kritisch zu hinterfragen hervorragender Weise der prämierte Entwurf von Kle- und als Verklärung und Verdrängung offenzulegen? An- mens Wihlidal, der das Lueger-Denkmal um 3,5 Grad zu lass für eine kritische Kommentierung ist ja, dass eine neigen beabsichtigt. Dabei wird das Denkmal als kultur- Ablehnung jeglichen Rassismus und Antisemitismus historisches Objekt aber nicht wirklich beschädigt, wie eben leider keine Selbstverständlichkeit zu sein scheint das im Fall einiger anderer Entwürfe geschähe. Die Schief- (wie u. a. auch der Erfolg der FPÖ nahelegt). Xenophobe, lage des Lueger-Denkmals würde einer Ungewissheit rassistische und antisemitische Tendenzen existieren in über die weitere Entwicklung im Prozess um das Denk- den verschiedenen Schichten, werden publik und ver- mal Ausdruck verleihen. Je nach Entwicklung der gesell- schaftlichen Verhältnisse könnte das Denkmal endgültig gestürzt werden oder bei einer Rehabilitierung Luegers wieder eine völlige Aufrichtung erfahren.//

12 Vgl. Wachsmuth 2010.

101 Matthias Reichelt IN FAVOUR OF A VISUAL IRRITATION AS GROUNDS FOR REFLECTION

How to deal with the National Socialist legacy in art, These controversies, which created a widespread re- monuments, and architecture was hotly debated in Ger- sponse in the culture sections of newspapers, took place many in the 1970s and 1980s. Discussions flared up in a country that had been previously covered with a questioning whether it was permissible to show Nazi dense network of concentration camps, their satellites, art at all. Ironically this question was directed at an exhi- and quarters for forced labour. In Berlin alone there were bition which, in 1974, took on the question of “art under six hundred forced labour camps and twenty-seven sat- fascism” with critical intent, and it brought out the con- ellite camps.3 tinuities of economic structure under Nazism and capi- The debate was conducted in a country that had taken 1 talism in post-1945 FRG society. up restorative policies relatively soon after being liber- Later, in the 1980s, Peter Ludwig, a chocolate manufac- ated from fascism, and its apparatus of state was not turer, collector, and patron of the arts – well-liked by only built up by old Nazis, but controlled by them for a more than a few artists because of his extensive acqui- long time. For many years they successfully prevented sitions – created quite a stir with his demonstrative high serious attention being paid to incumbent professional estimation of Arno Breker’s art. It had grown quiet groups during the Nazi period. A critical re-consideration around Breker who, along with Thorak, was one of the of the Nazi history of the Foreign Ministry, for example, most influential sculptors of the Nazi regime, despite only became possible when Minister of Foreign Affairs the fact that he still had adherents in upper middle class Joseph Fischer – of the Bündnis 90/Die Grünen party – circles. To all intents and purposes he had been banned commissioned a study in 2005 as one of his last official from exhibiting.2 Ludwig’s commissions policy – both actions. The study, produced by a commission of histo- he and his wife had busts made of themselves – was rians4 in 2010, was counter-attacked by Felix Gaerte, a intended to make Breker socially acceptable once again. former member of the NSDAP (National Socialist Ger- The young, contemporary German artists whose works man Workers Party) and the SS.5 in the collection would now be shown alongside that of In addition, the state and its bureaucratic apparatus made Breker, were worried about their reputation. use of buildings all over the country that were examples of Nazi architecture and had simply had the swastikas removed. It was possible to “dig” down into the history in almost every corner, something which, to their merit, 1 See Frankfurter Kunstverein 1975 many such as the grass roots “Geschichtswerkstätten 2 See Grasskamp 1988 [history workshops]” actually did. In a nutshell, the whole 3 Endlich/ Lutz 1995, 125 4 Conze/Frei/Hayes/Zimmermann: Das Amt 2010 country was basically a museum with countless exhib- 5 Döscher 2011 its which the initiatives collected in order to make them

102 part of a narration about anti-Semitism, racism, milita- that the country was already a “three-quarters fascist rism, and genocide from an anti-fascist standpoint. Their corporate state”,7 saved Austria from having to exam- detailed descriptions serve both as memories and as a ine their own turf and face up to their own history for a warning to be vigilant. What else can the effort of re- long time. Of course, a minority saw through the trick examination and remembering be about, if it is not re- – writers, artists, and theatre people. As early as 1960 garded as teaching us something that may be useful in Hans Lebert, in his epochal novel Die Wolfshaut [The the future? That was the intention behind the oath of Wolfskin], had a homecomer called “Unfreund” [Non- the Buchenwald concentration camp survivors: Never friend] uncover a collective crime on five forced labour- again fascism; never again war. Even if this teaching is ers in the village of “Schweigen” [Silence].8 Later, writers almost ignored – look at rearming and weapons exports such as Thomas Bernhard and Elfriede Jelinek reminded – the precept that today’s democracy is the result of the country of the enthusiastic support for Nazi race and learning from the experience of fascism is still regarded expansionist policies in Austria, though this apparently as valid. References to the contrast with the Nazi period did nothing to contribute to a hegemonic feeling of guilt. repeatedly surface in the political rhetoric of the diverse There is really no other way to explain why the legend- federal governments and are used as legitimation. That ary Lord Mayor and anti-Semite Karl Lueger still remains also happens in places where, absurdly, completely the so uncontestedly prominent and revered. opposite lesson is learned to that in the Buchenwald oath. In 1999 Joseph Fischer justified German participation in “Isn’t anyone ashamed of the triple honour?”9 asked the Kosovo War and, as a result, the bombing of Serbia, the American literary specialist and writer Ruth Klüger by, of all things, a reference to “I did not just learn: never when she visited Vienna. Having been born Jewish in again war. I also learned: never again Auschwitz”.6 It Austria and, with her mother, survived a number of camps was a course of action neither legitimated by the UNO including Auschwitz, but lost her father and half-brother, nor in compliance with NATO guidelines. Vienna remains for her the city “of the expulsion”.10 How much easier it would have been for Ruth Klüger to The history of the Third Reich was always so present visit the city of her birth if she had been able to detect a there was no way to escape it, and politicians were con- conscious and historically critical way of dealing with the tinuously forced to distance themselves from, and re- former mayor and anti-Semite, Karl Lueger. Up to the member, the “dark years”. present day Lueger’s anti-Semitism has done little to It was different in Austria. Expressing it cautiously, it damage his reputation. It is for that reason that the appears that the process of critical self-questioning and “Pressure Group to Re-design the Lueger Statue and turn re-examination there only took place hesitantly. The trick it into a Monument Against Anti-Semitism and Racism of converting the Anschluss into an invasion/oppression in Austria” initiated at the University of Applied Arts in and behaving as if the country had been the victim of Vienna is a late, but all the more necessary, signal. It is Nazi expansion, while completely suppressing the fact not only a contribution to understanding history, but

7 Fried, Erich 1992, 49 8 Lebert 1991 9 Klüger 2008, 198 6 Fried, Nico 2005 10 Klüger 2008, 195

103 &+#3,2/,#3&02)&//&11&,+0$/,2+!0#,//"#)" 1&,+ also a corrective one, a sign of clarification and reflection. becomes a declarative monument, one is a video and The complex and ambivalent situation that can even link text installation with narrations dealing with experiences contemporary times with anti-Semitism – a thoroughly of anti-Semitism and racism, both personal and from irrational ressentiment – can be demonstrated using foreigners, and one is a computer (media) work station Karl Lueger as an example. Since, as mayor, he made presenting historical details about Lueger and a list of no secret of his anti-Semitic position, it can be assumed current racist incidents maintained by an appropriate ac- that this attitude is known. The monument publicly hon- tivist group. ours his works in his function as mayor and, since it is not explicitly excluded and critically acknowledged, this The focal point of Wachsmuth’s design lies in confront- automatically includes his anti-Semitism. For this rea- ing the Lueger monument with information that acts as son a complete removal would be wrong and would a corrective to the hegemonic image of Lueger and squander a chance to effect a dialectic resolution and brings out his anti-Semitism and its virulence in the form initiate a potential learning process. The initiative was of current reports of racist and anti-Semitic incidents. intelligent enough to recognise this and thus calls for the The intended integration of the declarative monument “Viennese monument to Karl Lueger to be re-designed that Wachsmuth proposes seems to me to be contra- into a monument against anti-Semitism and racism in dictory. It is supposed to substantiate Vienna’s “unshake- 11 Austria and not simply demolished”. able, present attitude to the history of anti-Semitism In his design Arye Wachsmuth relies on critical com- and racism”.12 But is the issue not, however, about ad- mentary of Karl Lueger and resisted any hint of icono- justing the reputation of a person who is still regarded as clasm. Instead he proposes setting the Lueger monu- being almost above suspicion, whose standing is almost ment in an architectural, intellectual, and historical con- hegemonic? Is it not about revealing the person’s con- text. At both ends of an axis that runs through the cen- tradictions? About questioning this standing critically in tre of the Lueger monument – only visible in the design its historical context and revealing it to be glorification drawings – he intends that one element of each of the and repression? The reason for critical commentary is two walls that stand at an acute angle to each other will that the rejection of every form of racism and anti-Sem- be used as a projection and information surface. This itism is unfortunately not something that can be as form is derived, in a number of steps, from an object in much taken for granted as it appears – as the success of Dürer’s Melencolia – which is transposed into a flat the FPÖ confirms. Xenophobic, racist, and anti-Semitic hexagram from which he develops a Star of David. tendencies exist in various social strata, they are ex- pressed in public, or privately at home, and they are also His four elements of explanation and information are to part of everyday school life. The agenda consists of dis- be placed on these four walls. One will have LED letters covering them, exposing them, in honing awareness, and with a Foucault quotation: “There is no contradiction counteracting them by organizing actions and involve- between what is said and what is done”, one text panel ment in civil society. A visually and artistically impressive intervention might also turn Lueger upside down (as e.g. Iris und Rosa Andraschek suggested) or dismantle 11 See competition details at: http://luegerplatz.com/ ausschreibung.html the figure and (re)place it alongside the pedestal instead 12 See Wachsmuth 2010 (Manfred Erjautz). Dealing with Lueger in this way is

104 equivalent to an optical degradation and challenge and LITERATUR / REFERENCES would be particularly suitable for conveying the ambiva- Conze, Eckart/Frei, Norbert/Hayes, Peter/Zimmermann, Moshe: Das lent situation which is made up of admiration and reflec- Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010. tive criticism. This effect is also achieved in an outstand- Döscher, Hans-Jürgen: „Der Fall Gaerte“. In: Die Zeit, Nr. 10, 3. 3. 2011, 19. ing way by the winning design by Klemens Wihlidal who Endlich, Stefanie / Lutz, Thomas: Gedenken und Lernen an historischen intends to tilt the Lueger statue 3.5 degrees. This pro- Orten. Ein Wegweiser zu Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialis- cess does not really damage the monument as a his- mus in Berlin, Berlin 1995. toric cultural object, as it was the case with some of the Frankfurter Kunstverein (Hg.): Kunst im 3. Reich. Dokumente der Unter- werfung, Frankfurt 1975. other designs. The tilt to the Lueger monument would Frankfurter Kunstverein (Hg.): Betrifft: Reaktionen. Anlaß: Kunst im also lend uncertainty to further developments in respect 3. Reich. Dokumente der Unterwerfung, Frankfurt 1975. of the statue. Depending on how social relationships Fried, Erich: Mitunter sogar Lachen, Berlin 1992 (1986). develop, the monument might later be definitively top- Fried, Nico: „Ich habe gelernt: Nie wieder Auschwitz“. pled or, if rehabilitated, Lueger might even be (re)righted.// In: Süddeutsche Zeitung, 24. 1. 2005.

Grasskamp, Walter: „Arno Breker ins Museum?“ In: Arbeit in Geschichte – Geschichte in Arbeit, hg. von Kunsthaus und Kunstverein Hamburg, Hamburg 1988, 21–32.

Klüger, Ruth: unterwegs verloren. Erinnerungen, Wien 2008.

Lebert, Hans: Die Wolfshaut, Wien/Zürich 1991.

Wachsmuth, Arye: Konzept, http://opencall.luegerplatz.com/einr/201/ detail.pdf

Matthias Reichelt, geb. 1955, lebt als freier Kulturjournalist und Kurator in Berlin. Matthias Reichelt, born 1955, free lance journalist on culture and art and curator, lives in Berlin.

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Lueger exklamieren sind hier ein geeigneter historischer Kontext. Das Deklarationsmal ge- Arye Wachsmuth gen Antisemitismus und Rassis- Vor-Gedanken: Die Stadt Wien sollte mus sollte als Zeichen sowohl nach nicht darüber nachdenken, ob oder innen wie nach außen verstanden wie sie zu bestimmten Ereignissen werden. Dies erscheint umso wich- der Geschichte steht (Denkmal), tiger, da sich Geschichte bzw. Vor- sondern wie sie in stimmiger Weise geschichte, wenn auch nur in Tei- ein Zeichen setzen kann, das ihre len, zu wiederholen droht – siehe unverrückbare, jetztzeitige Haltung z. B. die enorme politische Verbal- zur Geschichte des Antisemitismus Hetze gegen Immigrant_innen und und Rassismus in Wien belegt die Schürung von rassistischen (Deklarationsmal). Das Lueger- Ressentiments zwecks Stimmen- Denkmal und die Person Luegers fang in Wahlkämpfen.

106 Inhaltliche und formale Aspekte: Fähigkeiten der Kunst. Dabei geht geschützten, eigenen Umfeld zu Absicht ist es, eine Form für eines es ihm auch darum, „jenen unver- hören sind – umso mehr, wenn sie oder mehrere Objekte mit einem meidlichen Erfahrungen Sprache zu sogar bewusst als Mittel der Argu- „kristallinen Charakter“ zu schaf- geben, die das menschliche Maß mentation eingesetzt werden. Diese fen – passend zur komplexen Be- überschreiten“ und um „Erzählen sehr persönlichen Beispiele aus dem trachtungsform einer „amorph-brü- als Erinnern ans nicht bezogene eigenen Erlebten verweisen auf die chigen“ Geschichte. Diese wird Dasein“.3 Der Blick wird auf den Proximität eines jeden von uns zu dem anthropomorphen Lueger- Blick selbst gerichtet, um sich den dieser Art von Vorurteilen. Denkmal wie ein Spiegel vorgehal- Möglichkeiten des Verstehens, trotz ten und wendet sich gegen patriar- der oder gerade durch die „Einheit 1 Dies ist nicht zu verwechseln mit etwaigen chal-auratische Heldenverehrung, der Widersprüche“, anzunähern.4 esoterischen Deutungen. 2 Peter Weiss, Ästhetik des Widerstands gegen unreflektierte Geschichts- (Frankfurt/Main: edition suhrkamp, 1988), darstellung. Kapitel III, S. 132 3 Hartmut Böhme, „Zur literarischen Rezeption VIDEO-TEXT-INSTALLATION: von Albrecht Dürers Kupferstich ‚Melen co - Die entwickelten Formen der Ele- lia I’“, in: Jörg Schönert und Harro Segeberg mente basieren auf mehrfachen In Form einer Videoanimation, oder (Hrsg.), Polyperspektivik in der literarischen Moderne (Frankfurt/Main: Bern: New York, Transformationen und Dekonstruk- eines LED-Bandes mit hoher Auflö- Paris: Peter Lang, 1988). tionen von geometrischen Objekten. sung, sollen verschiedene, mehr- 4 Jochen Vogt, „Die Ästhetik des Wider- stands“, in: Joachim Kaiser (Hrsg.): Haren- Ausgangspunkt hierfür ist das poly- sprachige Texte öffentlich und per- berg – Das Buch der 1000 Bücher (Dort- edrische Objekt, das Albrecht Dürer manent lesbar gemacht werden. mund: Harenberg, 2002). in seinem Kupferstich Melencolia I Die animierten und bewegten Texte darstellt. Eine Projektion der Flächen stellen ein Panorama und eine Spur dieses sehr ungleichmäßigen Ob- dar. Für diese Texte wurden per- jektes ergibt wiederum ein Hexa- sönliche Erlebnisse in Form ganz gramm, bekannt als jüdisches, kurzer Geschichten zusammenge- christ liches bzw. auch als Symbol tragen. Zusätzlich denkbar wären anderer Kulturen1. ähnliche Texte mit Erlebnissen an- derer Personen. Dürer thematisiert mit diesen Ver- zerrungen und Objekttransformatio- Es sollen keine medial bekannten nen die „innere Wahrnehmung“ der Vorfälle oder gar Skandale klischee- Dinge. Dieses Thema greift Peter haft reproduziert werden. Vielmehr Weiss in seinem Roman-Essay Die soll aufgezeigt werden, dass nicht Ästhetik des Widerstands (1975) nur einschlägig bekannte, ewig- literarisch auf, um die Auflehnung gestrige Personen zu antisemiti- gegen den Faschismus zu beschrei- schen oder rassistischen Vorurteilen ben.2 Die Skizzierung von Dürers fähig sind. Es ist mitunter erschre- Melencolia führt Weiss zu verschie- ckender, wenn diskriminierende denen Interpretationen über die Bemerkungen im vermeintlich

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Luegers, ausgeführt durch sein „dankbares“ Volk. Ohne den indivi- duellen Bezugspunkt, der Figur ihres geistigen und politischen Überva- ters, tritt ihre zweifelhafte Subs- tanz, bzw. die „Leere“ der heroisch anmutenden Stereotypen, verstärkt in den Vordergrund.

Durch den de-kontextualisierenden Eingriff zeigt sich der Sockel des Denkmals als reine Darstellung populistischer Phrasen. „Entkrönt“ wird er zu einem Denkmal seiner selbst, in dem nicht die guten Taten eines vermeintlichen „Heroen“, sondern die hohle Form ihrer popu- listischen Propaganda sichtbar wird. Lueger über Wien – schwebend Katinka Theis, Regina Weiss

In der temporären Intervention Durch das Anheben der Figur ver- „Lueger über Wien – schwebend“ liert der Sockel des Denkmals das wird die Figur des Politikers Karl Zentrum seines hierarchischen Lueger mithilfe eines Kranfahrzeugs Aufbaus, wodurch die dargestell- vom Sockel seines Denkmals ge- ten Figuren-Gruppen ihren überge- hoben und in einen symbolischen ordneten Bezugspunkt verlieren. Schwebezustand versetzt. Die Be- Ihrer allegorischen Funktion, bezo- wegung verharrt in der Ambivalenz gen auf die zentrale Figur Luegers, zwischen „Selbstüberhöhung und enthoben, verweisen sie nur noch Aufstieg“, sowie zwischen mögli- auf sich selbst. chem „Absturz und Fall“. So neigt sich die schwere Figur fast bedroh- Im Gegensatz zur porträthaften lich nach vorne, einem fernen Ziel, Darstellung der Figur Karl Luegers, imaginären oder reellen Betrach- weist die Formensprache der Figu- ter_innen zu: ein „Heilsbringer“, ren am Sockel des Denkmals eine der sein „Evangelium“ verkündet, plakative Stereotypisierung auf. Dar- ein „Agitator in Aktion“. gestellt werden die politischen Taten

108 de-konstruktion : steigender Schleife dynamisch den z. B. wiederum aus dem Baustel- kontextualisierung Platzraum durchdringen, queren lenbereich, gedruckt auf Netzmate- und kreuzen, je nach Blickwinkel rial, das zwischen Gerüststangen Maria Theresia Litschauer anders, mehrfach die Figur des verspannt wird, an denen aber Denkmals und streichen so dessen auch und variabel andere Displays, Der Ruf nach „Umgestaltung des gedenkpolitische Semantik durch. Lautsprecher, etc. befestigt werden Lueger-Denkmals in ein Mahnmal können, um weitere komplexe Ver- gegen Antisemitismus und Rassis- Durchgestrichen wird der Darge- weisungszusammenhänge zu in- mus in Österreich“ ist eine künst- stellte in Frage gestellt und in wei- szenieren. lerische Herausforderung, die zu- terer Konsequenz die Benennung nächst nach Klärung der Aufgaben- des auf ihn lautenden Platzes als Neben permanenten, auf die Ge- stellung verlangt. Abgesehen von bedenklich ausgesetzt. Anders ge- schichte referierenden Rezeptions- einer gesetzlichen Regelung des sagt – das technisch-konstruktive feldern können wechselnde und Denkmalschutzes, laut der die Verfahren der Gerüstinstallation ergänzende Botschaften, Manifesta- Transformation eines Denkmals verweist auf eine dekonstruktive tionen, Statements, etc. im Kontext verboten ist, erscheint die Frage Praxis, deren formalästhetisch-zei- eines sich fortwährend ereignenden nach einem Monument, einem chensprachliche Lesbarkeit durch Widerstands gegen Antisemitismus traditionellen, objektgebundenen eine vielschichtige Kontextualisie- und Rassismus in die Gerüststruk- Verständnis geschuldet, dem sich rung des Referenzsubjekts Lueger tur integriert werden, wodurch das eine zeitgenössische Kunstpraxis erweitert wird. Differenzierte Dar- Kunstwerk partiell einem dauernden versagt. stellungen zeitgeschichtlicher, kunst- Wandel unterliegt, der den Platz als historischer, etc. Forschung können eine Art politisch-zivilgesellschaftli- Vorgeschlagen wird eine stadt- unter Verwendung verschiedener che Vigilanz und Widerstandskultur räumliche Intervention, die dekons- Medien zu lesen gegeben werden; etabliert. truktiv auf das Denkmal referiert und dessen Kontextualisierung vermittelt sowie zugleich ein mar- kantes Zeichen in das, dem histo- ristischen Ringstraßenparcour ein- geschriebene Platzambiente setzt.

Der Entwurf zeigt eine minimalisti- sche Installation aus Baugerüst- komponenten, die sich in ihrer for- malen und materialsprachlichen Distinktion in den Ort einschreibt und dessen Ästhetik radikal stört.

Metallstangen, zu einer rhizomati- schen Struktur montiert, die in an-

109 Heide Hammer, Kurto Wendt

„SCHEISS AUF KUNST, ICH WILL REVOLTE.“1

Der Wettbewerb provoziert. Die gewählte Form regte nicht nur zu 220 Umgestaltungsentwürfen an, sie bedingt einen Sog medialer Aufmerk- samkeit, der von der Suggestion der Gleichheit getragen wird.

Sind die Bedingungen und die Zielorientierung weidlich des Spiels, und in der Art, „wie die bildende Kunst im definiert, stehen die Kandidat*innen in einer Linie und sozialen Milieu aufgenommen wird“, treten die vorder- befolgen die Spielregeln. Der politisch lauteren Absicht, gründigen „Motive von Nützlichkeit“, ihre „praktische das Orientierungsangebot eines öffentlichen Platzes Ab sicht“ in ein Verhältnis zur „agnoale[n] Leidenschaft“, vom Denkmal für einen Antisemiten in Richtung Mahn- der Wettkampf funktioniert.2 Es mag die konkrete Aus- mal gegen Antisemitismus und Rassismus umzudeuten, schreibung einige zu einer Auseinandersetzung mit dem steht die Tradition des Wettbewerbs im Feld der Künste Thema motiviert haben und so die Einsicht in die Notwen- entgegen. Gefordert werden fertige Konzepte, aus dem digkeit des Eingreifens im Nachdenken um eine treffliche so entstandenen Potpourri wird eine Blüte prämiert. Irri- Lösung der Aufgabe gekommen sein. Zugleich wird durch tation, Diskursivierung und veränderte Praxen werden den Rahmen des künstlerischen Wettbewerbs die Aktion den Rezi pient*innen zugedacht, jedenfalls bleiben die delegiert, ausgerechnet an die städtische Verwaltung, Teilneh mer*innen in ihrem Denken und Produzieren ver- deren oberste (historische) Instanz damit desavouiert einzelt. In dieser Anordnung als Konkurrent*innen eines werden würde. Auswahlverfahrens wird weder die eigenmächtige Hand- lung begünstigt noch eine kollektive Sabotagepraxis ini- tiiert. Mitnichten werden die Teilnehmer*innen durch ihre Es mag die konkrete Ausschreibung einige inhaltliche Auseinandersetzung zu politischen Akteur*in- zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema nen – gerade die Ernsthaftigkeit des Spiels, die Seriosität motiviert haben ... des Wettbewerbs macht sie zu Absolvent*in nen eines Bewerbungsprozesses, eine Kanalisierung von Radikali- tät mit der Aussicht, als Sieger*in soziale, künstlerische Credits zu erwerben. Der Wettbewerb gehört zur Sphäre

1 Eines von vielen Graffiti, die in der Nacht auf den 2 Johan Huizinga: Homo ludens. Vom Ursprung der 22. Sept. 2009 am Campus der Uni Zürich gesprayt Kultur im Spiel. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt wurden. 200921, S. 185 ff.

110 Wären die aktuellen politischen Repräsentant*innen vor- Agoraphobie ein überschaubares Testgelände zu bieten, wiegend an der touristischen Nutzung der Stadt interes- würden wir eine dahingehend unmissverständliche Um- siert, müsste der Siegerbeitrag umgehend realisiert wer- gestaltung begrüßen.4 Wer wirklich daran hängt, kann sich den. Die Neigung des Gegebenen um 3,5 Grad ist eine ein Stück mit nachHause nehmen – bei der Berliner Mauer einfache und somit hübsche Formel, sie entspricht der hat das Prinzip gut funktioniert. Denkmäler sind gleich- Sehnsucht nach einfacher Darstellung kritischer Positio- sam Allgemeingut, diesen Vorschlag würden wir auch nen. Der Unmöglichkeit der Umdeutung dieses Denk- für das faschistische Siegesdenkmal in Bozen favorisie- mals ebenso wie der Entsorgung einer politischen Hal- ren.5 Ein schiefer Lueger – wer denkt dabei nicht an den tung widmeten sich differenzierter Karin Schneider und Turm? – wäre vielmehr ein schönes Schaustück der Stadt, Tal Adler 3 mit ihrem Vorschlag eines Figurenparks rassis- die erläuternden Worte der Fremdenführer (eine Selbst- tischer und antisemitischer Skulpturen und Monumente, bezeichnung) müssten lediglich um den Wettbewerb und die den nämlichen Platz um Lueger überfüllen und so ei- die bestimmt interessanten technischen Details der nen „Rassismusplatz“ bilden würden. Die Künst ler*in- Umsetzung ergänzt werden. nen verweisen auf den „Szobor Park“ (Memento Park) in Buda pest, der touristische Attraktivität und Auseinan- der setzung mit der sozialistischen Geschichte Ungarns Nicht nur die Sehnsucht nach Einfachheit, verbinde. In der Beschreibung des Dilemmas „Erase-and- sondern auch die nach Radikalität ist überaus re place or comment-and-contextualize“ werden die Ge- beständig, und gern dele gieren politische mein samkeiten im Umgang mit unliebsamen Erinnerun- Aktivist*innen die Erfüllung dieses Wun sches gen und ihren Versatzstücken gefasst und zugleich die an Künstler*innen. Realisierung einer Entscheidung hervorgehoben. Eine tatsächliche Konkretisierung eröffnet einen neuen Be- zugsrahmen, die Großzügigkeit und Offenheit des Parks Nicht nur die Sehnsucht nach Einfachheit, sondern auch wird durch die innerstädtische Beklemmung kontrastiert, die nach Radikalität ist überaus beständig, und gern dele- die nicht nur Anrainer*innenproteste erwarten lässt. Neben gieren politische Aktivist*innen die Erfüllung dieses Wun- der nach wie vor verlockendsten Lösung, den Platz ein- sches an Künstler*innen. Diese unterliegen dem Zwang, fach zu räumen und der hierorts offenbar kultivierten von den vielen Mitteln des politischen Aktivismus keines zu verpassen und dabei ihre eigenen Anteile zu positio- nieren. Kunst und Politik in einer wirksamen Kollektivität zusammenzuführen und daraus mehr als performative Aktionen zu machen wäre oft geboten und kratzt doch an Imagefragen neoliberaler Verwertung von Kunst oder politischer Dünkel, worin Kunst zum ästhetischen Auf- 3 http://opencall.luegerplatz.com/einr/055/detail.pdf putz von Politik reduziert wird. Die im Kunstdiskurs be- 4 Eine oberflächlich ähnliche Wirkung erzielt Karl Ingar ständige Neigung, „Politik“ als die vielversprechendste Röys’ prägnanter Plan mit seinem Vorschlag „Unter- mensch“: 1. Dig a hole directly under existing statue, Sau durchs Dorf zu treiben, stellt keine Politisierung der 2. Lower statue into hole, 3. Put a lid on it Kunst dar, sondern unterstreicht lediglich das markante http://opencall.luegerplatz.com/einr.php?e=098&n=r 5 Ich danke Monika Platzer (Meran) für diesen Hinweis. Urteil der Antiquiertheit politischer Künstler*innen. Der

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gewandte Umgang mit marktförmigen Versatzstücken dort versammelten sich allwöchentlich schlagende Bur- von Politik ohne jede Absicht politischer Intervention ver- schenschafter zum „Coleurbummel“, hier wird der Kaf- sichert der geneigten Öffentlichkeit die Harmlosigkeit feegenuss im Prückel nicht sichtbar von stolzen Anti de- der Kunst. Das Resultat dieser schizophrenen Aufforde- mo kraten gestört. Die Anpassungsleistung an gängige rung ist ein Gestus der Radikalität, der in den engen Gren- For mate und die längst internalisierten Produktionsbe- zen des kapitalistischen Regimes immer das Credo knap- dingungen in Kunst und Kultur wurden durch die Ent- per Ressourcen und zwingender Ausschlüsse reprodu - scheidung zum üblichen Contest zwar vorweggenommen, ziert. Die Aufforderung, politisch, kreativ, emotional und die Spielfunktion der Kunstäußerungen somit erhöht, begeistert zu sein, wird im Korsett der Konkurrenz in doch so konnte trotz fehlender politischer Bewegung ein Siegen und Niederlagen gemessen, und das Verhältnis öffent licher Diskurs erzeugt werden. von Gewinn und Verlust hängt entschieden von ererbten Das wesentlich präsentere Ärgernis eines amtlichen Hin- Kapitalien ab. weises auf Karl Lueger ist der gleichnamige Ringstra- ßenabschnitt und damit auch die Adresse der Universität Wien. Unterhaltsam und wenig überraschend, dass Kultur- 6 Die Aufforderung, politisch, kreativ, emotional stadtrat Andreas Mailath-Pokorny die an ihn „herange- tragene Initiative, das Lueger-Denkmal schrägzustellen, und begeistert zu sein, wird im Korsett der Kon- sehr interessant“ findet. „Wir schauen, ob das technisch kurrenz in Siegen und Niederlagen gemessen ... machbar ist. Was den Lueger-Ring anbelangt, habe ich eine Historikerkommission gebeten, sich die Fülle der Wiener Straßennamen anzuschauen.“ Nun ist bereits jetzt eine „Online-Abfrage – Wiener Straßennamen und ihre Dass der Ausschreibung zur Umgestaltung des Lueger- historische Bedeutung“7 auf der Homepage der Stadt Platzes so viel mediale Aufmerksamkeit geschenkt wurde, Wien möglich, und auch das Buch ‚Lexikon der Wiener liegt neben der Brisanz der inhaltlichen Auseinanderset- Straßennamen’ wird dort mit dem Hinweis auf die Aus- zung um Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsver- zeichnung mit dem Theodor-Körner-Förderungspreis 2004 ständnis auch am symbolischen Kapital der Institution beworben, aber bestimmt gibt es noch viele Details zu Universität und der nominierten Juror*innen. Doch erst historischen Persönlichkeiten zu erforschen, mit einem die Form des Wettbewerbs bot den Chronik- und Kultur- wie auch immer gearteten politischen Willen zur Umbe- ressorts die Möglichkeit, Interventionen gegen Rassis- nennung hat das nichts zu tun. mus und Antisemitismus als politische Notwendigkeit zu begreifen und explizit zu thematisieren. Denn anders als beim „Siegfriedskopf“ (ebenfalls ein Heldendenkmal von Josef Müllner), dem schon mal die Nase abgehackt oder ein Schweinskopf aufgesetzt wurde, rührte das Denkmal Luegers bisher kaum zu entsprechenden Hand- lungen. Anders als das „Haupt des gefallenen Siegfried“ 6 Die Presse vom 23. 7. 2010, S. 11: „Vertriebene Vernunft wieder nach Wien holen“, Interview von Erich Kocina mit fungiert Luegers Statue auch nicht als ständig aktuali- Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. sierte Referenzadresse von Rechtsextremist*innen – 7 http://www.wien.gv.at/strassenlexikon/internet/

112 Einst gab es auch in Wien einen Stalin-Platz8, konkret Würde sich also die Universität Wien binnen vom 12. April 1946 bis 18. Juli 1956. Dann trugen auch Jahresfrist eine neue Adresse wählen und zur die deutlichen Distanzierungen der Industriellenvereini- Güte und um unnötige Verwirrungen zu vermei- gung, deren Haus der Industrie bis zum 27. Juli 1955, den, ergänzend ein „vormals Dr.-Karl-Lueger- der letzten Sitzung des Alliierten Rates, diesem als Sitz diente, zur Rückbenennung bei. Nach Abzug der Alliier- Ring 1“ setzen, wäre damit viel gewonnen. ten dauerte es also nicht mal ein Jahr, bis die Industriel- lenvereinigung den Adresszusatz auf ihrem Briefkopf (vormals Schwarzenbergplatz 4) als wieder reguläre, dynamischen Teile der ideologischen Struktur, welche wenn auch wenig innovative Anschrift verwenden konnte. Meinung bilden und beeinflussen, darunter: „die Biblio- „Dankbarkeit ist keine politische Kategorie“, der Satz theken, die Schulen, die Zirkel und Clubs unterschiedli- von Bruno Kreisky ist auch auf den früh grassierenden cher Art bis hin zur Architektur, zur Anlage der Straßen Antikommunismus anzuwenden, denn naheliegender und zu den Namen derselben“.11 Bei ihm setzt das Pro- wäre es doch gewesen, den Alliierten für die Befreiung letariat diesem „fantastischen Komplex“ der herrschen- des Landes zu danken und den historischen Bezug auf den Klasse den „Geist der Abspaltung“, den „fort schrei- die Verdienste Karl Philipps von Schwarzenberg in der tende[n] Erwerb des Bewusstseins der eigenen geschicht- Völkerschlacht bei Leipzig ruhen zu lassen, zudem kann lichen Persönlichkeit“ entgegen. Wenn Angehörige der sich die nach wie vor politisch präsente Familie am Reiter- Universität Wien nun zumindest mit ähnlicher Vehemenz standbild des Feldherrn aus 1867 erfreuen. Würde sich wie einst die Industriellenvereinigung die Adresse des also die Universität Wien binnen Jahresfrist eine neue Hauses mit der selbstbewussten Aneignung des sym- Adresse wählen und zur Güte und um unnötige Verwir- bolischen Gewichts der Institution verbinden, kann die rungen zu vermeiden, ergänzend ein „vormals Dr.-Karl- Stadtregierung kaum lange zögern, um die gesetzten Lueger-Ring 1“ setzen, wäre damit viel gewonnen. Ein Veränderungen zu legalisieren. Ruth Klüger fragt im Ka- Jahr sollte genügen, um sich auf eine Markierung zu pitel ‚Wiener Neurosen’12: „Schämt sich denn niemand einigen, die dem Leitbild der Universität entspricht. Ob ein bissel für die dreifache Ehrung?“, und erwähnt Ring/ mit der Neubenennung auf die ‚Vertriebene Vernunft’10 Uni versität, Denkmal und Platz. Selbst für eine vorläufige hingewiesen oder gar eine sehr lebendige Aktivistin ge- Ant wort müsste erst der Komplex von Scham und ehrt wird, z. B. Ute Bock, mag den Gremien der Institu- Schuld thematisiert werden, ein weites Feld psychoana- tion überlassen bleiben. Ohnehin sollte man sich von der lytischer Betrachtung, das keinesfalls ersatzweise betre- Annahme verabschieden, dass die Bezeichnung für immer ten werden sollte, etwa lediglich, um kontrastierende gelten muss. Antonio Gramsci analysierte bereits die Handlungen zu vermeiden.

8 http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzenbergplatz 9 Die Alliierten-Straße im 2. Bezirk erinnert seit 1909 an die Alliierten Franz I. (Kaiser Alexander von Russland und König Friedrich Wilhelm von Preußen), die er 1814 hier getroffen haben soll. (siehe: http://www.wien.gv.at/ strassenlexikon/internet/) 11 Antonio Gramsci: Gefängnishefte, Bd. 2. Heft 3 – § 49. 10 Friedrich Stadler (Hg.): Vertriebene Vernunft. Emigration Hamburg/Berlin: Argument 1991. und Exil österreichischer Wissenschaft 1930–1940. 12 Ruth Klüger: unterwegs verloren. Erinnerungen. Wien: Wien: Jugend und Volk 1987. Zsolnay 2008, S. 198.

113 Ľ0 %"&002#(2+01 & %4&))/"3,)1"ļ

Ob nun die Konzentration auf den Platz und das Denkmal tung der ‚revolutionären’, der praktisch-kri tischen Tätig- Luegers eine Ersatzhandlung ist und dem Vorhaben hö- keit“, die nach Marx als „menschliche sinnliche Tätigkeit, here Erfolgschancen eingeräumt werden, darin also eine Praxis, nicht subjektiv“ gefasst wird.15 Auch hier geht es Taktik liegt, die aus der bescheidenen Aufmerksamkeit nicht um die Revolution, sondern um politische Auseinan- etwa in den Bemühungen um die Umbenennung der dersetzungen entlang kategorieller Distinktionsangebote, Arnezhoferstraße in Selma-Steinmetz-Straße abgeleitet womit auch aktuell eine Ethnisierung von vermeintlichen wird ist also keine künstlerische Frage, sondern mehr oder tatsächlichen sozialen und ökonomischen Konflikten eine der politischen Überzeugung. Nur in der Verken- gelingt. Rassismus und Antisemitismus sind keine Meinun- nung dieser Tatsache kann etwa Heinz Sichrovsky den gen, die unterschiedlich explizit vertreten werden. Die prämierten Entwurf unter „pubertärer Aktionismus“13 Performanz dieser Politik bedingt in letzter Konsequenz, summieren. Auch Friedrich Achleitner ist „nicht dafür, dass Personengruppen konstruiert werden, welchen dass man die Geschichte baulich korrigiert. Das Denk- selbst „das Recht, Rechte zu haben“ (Hannah Arendt) ver- mal ist so, wie es ist. (…) Es schiefzustellen, ist unnötig wehrt wird. Auch gegenwärtig feiert die FPÖ mit rassis- wie ein Kropf.“14 tischen Parolen Wahlerfolge – der ÖVP ist hingegen in Wien die Nachahmung misslungen, neben die parteipo- litischen Kämpfe (oder Verwaltungsmaßnahmen) treten Auch Friedrich Achleitner ist „nicht dafür, aktivistische oder künstlerische Initiativen, und wer sich dass man die Geschichte baulich korrigiert.“ der „Aussicht auf Eman zipation, auf Verbesserung und Richtigstellung des Lebens“16 nicht verschließt, versucht in diesem Sinne zu wirken. Dass die Wirkung nicht in ein- Die beiden Meinungen belegen nur, dass es mitunter fallsreich hervorgebrachten diskursiven Ereignissen be- schwerfällt, das Vehikel im medialen Rennen vom Ziel stehen bleibt, wird durch einige Wettbewerbsbeiträge zu unterscheiden. Im Ringen um eine Verschiebung der erleichtert, die eine direkte Umsetzung oder Adaptierung gesellschaftlichen Hegemonie kommt zwar der Presse erlauben. Riad Pramenkovics Entwurf „Denkma(h)l“17 er- eine herausragende Bedeutung zu – für Gramsci ist sie muntert zum Anfüttern von Vögeln, eine einfache und der dynamischste Teil der oben erwähnten ideologischen kostengünstige Variante, um behördliche Maßnahmen zu Struktur, doch die Zielorientierung liegt in der „Bedeu- befördern.//

13 News Nr. 47/10 vom 25. 11. 2010, S. 103. 16 Johannes Agnoli in einem Interview von Christoph 14 Falter Heureka Nr. 04/10 vom 20. 10. 2010, S. h18. Jünke, Neues Deutschland, 9./10. Mai 1998, S. 14, („h“ ist verdächtig) Quelle: http://www.glasnost.de/autoren/athan/agno- 15 Karl Marx: Thesen über Feuerbach. MEW Bd. 3, li98.html S. 533. Berlin: Dietz 1978. 17 http://opencall.luegerplatz.com/einr.php?e=168&t=d

114 Heide Hammer, Kurto Wendt “FUCK ART, I WANT REVOLT.“1

The competition is provocative. Not only did the chosen “visual art is received into the social milieu”, its superficial form act as the motivator for 220 proposals for redesign- “motives of usefulness” and its “practical intent” stand in ing the monument, it generated an eddy of media atten- relation to “passionate suffering”.2 It may be that this parti- tion that carries a suggestion of equality. A certain uni- cular competition motivated some to engage with the formity is imposed on the candidates when there is a subject matter and that while considering the perfect so- thorough definition of the conditions and aims and they lution to the problem, they gained insight into the neces- follow the rules. The politically valid intention to reinter- sity for an intervention. At the same time because of the pret the orientation provided by a monument to an anti- framework of the artistic competition, action is delegated Semite in a public square and turn it into a prescriptive to the city administration of all things – the body whose memorial against anti-Semitism and racism stands in con- ulti mate (historical) authority is being repudiated by it. flict with the tradition of competitions in the field of art. If the current political representatives are mainly inter- Finished concepts are required here, and from the pot- ested in the touristic use of the city, then the winning pourri that results one bloom will be the award winner. proposal would have to be realized without delay. Tilting Irritation, discursivity and changed praxis are assigned to the existing monument by 3.5 degrees is a simple, and viewers, but in any case participants remain isolated both thus an attractive, formula which fulfils the desire for a in their thought processes and their production. As com- straightforward depiction of critical positions. The focus petitors in a selection process within this structure, doing of the differentiated proposal by Karin Schneider and Tal something from one’s own volition is not promoted nor is Adler3 shows the impossibility of reinterpreting this mon- a collective practice of sabotage initiated. During their en- ument and, equally, of disposing a political attitude. They gagement with the contents, participants do not become suggest a statue park with more racist and anti-Semitic political actors in any way and it is exactly the seriousness monuments and memorials. That would fill up Lueger of the game, the respectability of the competition, that Square and transform it into a Racism Square. The artists makes them into graduates of an application process, a refer to “Szobor Park” (Memento Park) in Budapest which channelling of radicalness aimed at providing the winner links a tourist attraction with consideration of Hungary’s with social and artistic credit. The competition belongs in socialist history. In describing the dilemma between “erase- the sphere of games. It functions by means of the way and-replace or comment-and-contextualize”, the empha- sis is on what the ways of dealing with unpleasant mem- ories – including their “set decoration” – and the simulta-

1 One of the many grafitti slogans sprayed on the walls neous realization of a decision have in common. A real of the University of Zurich on 22 Sept. 2009. concretization opens up new ways of relating, the spa- 2 Johan Huizinga: Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2009, 185ff ciousness and openness of the park is contrasted with 3 http://opencall.luegerplatz.com/einr/055/detail.pdf the constrictions of the city centre in a way that leads to

115 ļ#2 (/1 &4+1/"3,)1ļ expectations of protest that are not limited to those in the without any intention of engaging in political intervention immediate vicinity. In addition to the persistent tempta- reassures the well-disposed public of the harmlessness tion of solving the problem by simply emptying the of art. The result of these schizophrenic demands is a square, and thus offering a contained test site for the appa- gesture of radicalness in which the narrow borders of the rently cultivated agoraphobia that exists here, we would capitalist regime reproduce the credo of increasingly scarce welcome any unequivocal redesign that goes in this di- resources and compelling exclusions. The aspiration is rection.4 Anyone really attached to the monument can never to make demands for everyone to be political, crea- take a piece of it home, a principle that worked well in the tive, emotional, and enthusiastic. Those are measured in case of the Berlin wall – monuments are common prop- victories and defeats within the corset of competitive- erty. This would be our favourite proposal for the monu- ness, where the relationship of gain and loss most decid- ment commemorating the fascist victory in Bolzano.5 A edly depends on inherited capital. leaning Lueger – who can resist thinking of the tower? – That the open call for proposals to redesign Lueger would be much more of an attractive showpiece for the Square drew so much media attention lies not only in the city, the explanatory words of the tourist guide (a self- topicality of the debate about racism, anti-Semitism, and description) would only have to be supplemented with by different understandings of history, but also in the sym- references to the competition along with a few interest- bolic capital of the university as an institution and the jury ing technical details. members who were nominated. But it was the form of It is not only the yearning for simplicity that political activ- the competition that provided the chronicle and culture ists persistently and happily delegate to artists but also departments of the media with an opportunity to compre- the desire for radicalness. The artists are then subject to hend the political necessity of interventions against rac- a compulsion not to miss out any of the means available ism and anti-Semitism and to explicitly thematize them. to political activism and, at the same time, to position their Unlike the case of the “Siegfried Head” – also a war me- own contribution. To bring art and politics together in a morial by Josef Müllner – that once had its nose chopped compelling collective, and thus engage in more than a off or, on another occasion, a pig’s head stuck on top of it, performative action, is something that is often necessary the Lueger monument has almost never incited anyone and would certainly scratch the image of neoliberal ex- to equivalent action. Contrary to the “Siegfried Head”, ploitation of art or illuminate the political darkness under Lueger’s statue has never been a continuously updating cover of which art is reduced to providing an aesthetic reference site for right wing extremists. The former was polish to politics. The consistent tendency in art discourse where the duelling student fraternities met to begin their to pick the most promising idea and to run with it, does weekly “colour walks” whereas here in Lueger Square, not represent a politicization of art but, rather, underlines enjoying a nice cup of coffee in Café Prückel in not visibly the remarkable judgement of antiquated political artists. disturbed by proud anti-democrats. The effort of adapting The skilful handling of market-formed set pieces of art to current forms and the long-internalized conditions of production in the area of art and culture is anticipated by the decision to hold the customary contest – thus in- 4 Karl Ingar Röys‘ succinct plan, contained in his proposal „Untermensch [Subhuman]“ is aimed a superficially similar effect: „:1. Dig a hole creasing the play function of the artistic positions – but directly under existing statue, 2. Lower statue into hole, 3. Put a lid on it„. http://opencall.luegerplatz.com/einr.php?e=098&n=r this made it possible to generate a public discourse de- 5 Thanks to Monika Platzer (Merano) for this reference. spite the lack of a political movement.

116 A significantly greater presence – and thus more of an anticommunism – which began early – since it would cer- outrage – is the official recognition of Karl Lueger by giving tainly have been more obvious to thank the allies9 for lib- his name to a section of the Ring. This is also the address erating the country than to re-emphasise the historical of the University of Vienna. It is entertaining but not par- reference to the services of Karl Philipps von Schwarzen- ticularly surprising that the city councillor responsible for berg at the multi-national Battle of Leipzig. So the Schwar- culture, Andreas Mailath-Pokorny6, found “the proposal zenberg family, which still has a political presence, can submitted by an initiative to tilt the Lueger monument continue to enjoy the 1867 equestrian statue to the gen- very interesting”. “We will take a look at it to see if it is eral. If the University of Vienna would choose a new ad- technically feasible. Concerning the Lueger Ring, I have dress within the next year and, in order to avoid unneces- asked a commission of historians to look at the whole sary confusion employed a “previously Dr. Karl Lueger wealth of street names in Vienna.” Now it is possible to Ring 1”, it would represent a great gain. One year should directly query an “online databank – Vienna street names be enough to agree on a marker that lives up to the uni- and their historical meaning”7 as part of the City of Vienna versity’s requirements. Whether to make a reference to website. On the same site the book “Lexi kon der Wiener the “Vertriebene Vernunft [exiled reason]”10 or perhaps Straßennamen [Lexicon of Viennese Street Names] is honour a living activist e.g. Ute Bock, is something that advertised. Attention is drawn to the fact that the book can be left up to the institutional committees. In any case won the Theodor Körner Prize in 2004. There are cer- one has to say goodbye to the assumption that the name tainly many details about historical figures that one can will always be there. Antonio Gramsci has already ana- research, but that has nothing to do with any kind of po- lysed the dynamic parts of the ideological structures that litical will towards renaming. There used to be a Stalin form and influence opinion including “libraries, schools, Square8 in Vienna. It existed from 12 April 1946 to 18 July the circles and clubs of various kinds through to architec- 1956. Then the Industriellenvereinigung [Federation of ture and the placement and naming of streets”.11 In his Austrian Industry], whose Haus der Industrie [House of analysis, proletarians counter this “fantastical complex” Industry] served as the venue for the final sitting of the of the ruling classes with a “spirit of separation” and the Allied Council on the 27 July 1955, emphatically distanced “progressive acquisition of consciousness of one’s own themselves from it. This gave impetus to a renaming. After historical personality”. If members of the University of the allies had withdrawn, it took less than a year before Vienna would proceed with a similar vehemence to that the Federation of Austrian Industry could use the addition which the Federation of Austrian Industry once used re- to their letterhead (previously Schwarzenbergplatz 4) as garding its address and linked it with the self-confident the main address once again despite it lacking imagina- appropriation of the symbolic weight of the institution, tion. “Thankfulness is not a political category.” This sen- the city government would not be likely to delay long in tence from Bruno Kreisky can be applied to a pervasive legalizing the fait accompli. In the chapter “Wiener Neu-

9 Since 1909 Alliierten Straße [Allies Street] in Vienna‘s 2nd district has been reminding people of the allies of Franz I (Emperor Alexander of 6 Die Presse 23 July 2010, 11: „Vertriebene Vernunft wieder Russia and King Fredrick William of Prussia) who are said to have met nach Wien holen“, Interview by Erich Kocina with Councillor here in 1814 (see: http://www.wien.gv.at/strassenlexikon/internet/) Andreas Mailath-Pokorny. 10 Friedrich Stadler (ed.): Vertriebene Vernunft. Emigration und Exil öster- 7 http://www.wien.gv.at/strassenlexikon/internet/ reichischer Wissenschaft 1930–1940. Vienna: Jugend und Volk 1987. 8 http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzenbergplatz + 11 Antonio Gramsci: Gefängnishefte, vol. 2. issue 3 – §49. Hamburg/Berlin: http://en.wikipedia.org/wiki/Schwarzenbergplatz Argument 1991.

117 ļ#2 (/1 &4+1/"3,)1ļ rosen [Viennese Neuroses]”12 Ruth Klüger asks “Is no one critical activity” which, according to Marx, is understood ashamed by this triple honour?” and mentions the Ring/ as being “human, sensory activity, praxis, and not subjec- University, monument, and square. To formulate even a tive”.15 Since we are not talking about THE revolution preliminary answer would require thematizing the com- here, but about political confrontation along the gradient plex of shame and guilt, a wide field of psychoanalytic of available categorical distinctions, which is also current- observation that should not, for example, be entered as ly successful in investing apparent of real social and eco- a substitute merely in order to avoid contrasting action. nomic conflicts with ethnic overtones. Racism and anti- Whether or not the concentration on the square and the Semitism are not opinions which are differentially and Lueger monument is a substitute action (and because it explicitly represented. The final consequence of the per- encompasses a strategy derived from the limited atten- formance of these policies requires that groups of people tion given to the efforts to change the name Arnezhofer- have to be constructed that are denied “the right to have straße into Selma Steinmetz Straße, the enterprise ac- rights”(Hannah Arendt). Even at the present time the corded a higher chance of success) is not so much a FPÖ [Freedom Party of Austria] is able to celebrate elec- question of art but more one of political conviction. Only toral successes because of racist slogans – though the a misunderstanding of this fact could have led Heinz ÖVP [Austrian People’s Party] was unsuccessful in copy- Sichrovsky, for example, to sum up the winning entry as ing the recipe – and alongside the party political fights (or “adolescent actionism”.13 Friedrich Achleitner is also administrative measures) there are activist or artistic ini- “against correcting historical buildings. The monument tiatives. Everyone who refuses to shut themselves off is as it is. (...) To tilt it is totally superfluous”.14 These from “the prospect of emancipation, of the improvement two opinions simply confirm that from time to time it is and correction of life”16 tries to work with this in mind. difficult to distinguish the vehicle in the media race from The fact that the effects produced by imaginative discur- the goal. Although the press is ascribed an exceptional sive events are not enduring is eased by some of the importance in the struggle for social hegemony – Gramsci competition submissions which permit direct realization considers it the most dynamic part of the above-men- or adaptation. Riad Pramenkovic’s proposal “Denkma(h) tioned ideological structure – the goal orientation lies in l“17 encourages feeding the birds, a simple and econom- the “significance of the ‘revolutionary’, the practical and ical variant to promote measures by the authorities.//

15 Karl Marx: Thesen über Feuerbach. MEW vol. 3, 533. Berlin: Dietz 1978. 16 Johannes Agnoli in an interview by Christoph Jünke, Neues Deutschland, 9/10 May 1998, 14, source: http://www.glasnost.de/autoren/athan/agno- 12 Ruth Klüger: unterwegs verloren. Erinnerungen. li98.html Vienna: Zsolnay 2008, 198. 17 http://opencall.luegerplatz.com/einr.php?e=168&t=d Trans. note: The title 13 News No. 47/10 from 25 Nov. 2010, 103. plays with the word „Denkmal“, memorial/monument and turns it into 14 Falter Heureka No. 04/10 from 20 Nov. 2010, h18. „denk“ + „mahl“, literally, think meal.

Heide Hammer, * 1973, Philosophin, bevorzugt kollektive Wissens- und Textproduktion. Arbeitsschwerpunkte: Feministische Theorie, politische Philosophie und Literatur. Heide Hammer, * 1973, philosopher, prefers collective production of knowledge and words. Key activities: Feminist theory, Political Philosophy and Literature. Kurto Wendt, *1965, lebt und werkt als Lektor, Autor, Journalist in Wien. Kurto Wendt, *1965, lives and works as author, journalist and lector in Vienna.

118 Denkma(h)l Riad Pramenkovic

Die Neugestaltung des Lueger- Denkmals thematisiert die ge- schichtliche Entwicklung von Denk - mälern: „Schicht“ um „Schicht“ lagert sich im Laufe der Zeit an. Als Teil der Stadt Wien zeigt es, wie der Umgang mit antisemitischen und rassistischen Themen war/ist. Mein Entwurf soll das derzeitige Denkmal, dessen geschichtliche Hintergründe „verdeckt“ sind, weiter „mit neuen Schichten über- ziehen“. Es soll mit flüssigem Tau- benfutter übergossen werden, das möglichst viele Tiere anlockt, die einerseits selbst Luegers Statue „verdecken“, andererseits „natür- lich“ auch „etwas“ hinterlassen, was das Monument ständig weiter „verändert“.

119 "&+/"& %2+$"+02 *&00&,+0

Rassismusplatz Can the traces of history that have 1&*",# %+$" Austrian Racism Square contaminated the present (and thus Because there are many monu- also the future) evaporate? Can their Tal Adler, Karin Schneider ments commemorating racists, dominance be broken by telling an- fascists, and anti-Semites in Aus- other story, bringing “other“ (maybe THE DILEMMA tria, and as many initiatives and more hidden) voices into the open, proposals to change or remove Erase-and-replace or comment-and- give the public space of a memorial them from public space, we wish contextualize – these are the ques- to the ones WE want to commem- to devote Dr. Karl Lueger’s square tions that confront those who are orate, to build an alternative tradi- to this realignment of awareness. dealing with the fate of memorials, tion for an alternative future? sculptures, monuments, and street We offer to trace and collect all It is definitely worth trying, making names representing problematic sculptures and monuments of Aus- Vienna a nicer-looking city, a bit figures and times in history. Unfor- trian racists and to install them one more cosmopolitan, where every- tunately, in Austria there are more by one, next to each other, in this one is welcome, a city that takes than enough of these monuments, square.1 Should space run out, we responsibility for its past. However, street names, etc. Should all of will stack them on top of each other history will not change if its protag- these be erased and replaced? Or and/or go underground and continue onists become invisible, if their should there be another sign placed to install them there. Dr. Lueger memorials and representations dis- next to each sculpture and plate, will continue to stand in the same appear from the public perception. commenting its existence and place, among his fellow racists in Quite the contrary: Masking out and trying to explain the motives and this over-crowded sculpture garden: denying was the way Austrians historical consequences? Will the the first Austrian Racism Square. usually dealt with their racism and future see a row of signs comment- The square will be visited by vari- National Socialist history. At school ing and explaining each other? ous groups of all ages, coming to pupils do not learn about the long learn not only the chapters of Aus- Dr. Karl Lueger, who acted as a tradition of Anti-Semitism. Sadly trian racism, but also about dec- model for Hitler, probably does enough, even without deleting ades of denial, hypocrisy, and lies. not deserve the honour of a public and replacing these memorials or memorial. However, will removing street names of anti-Semites and it and replacing it with a memorial racist Austrian figures, most peo- against racism or anti-Semitism ple do not know the stories behind also remove his impact on history? them.

1 As a reference to our proposal for the “Aus- trian Racism Square”, please visit the Hun- garian “Szobor Park” (Statue Park) in Buda- pest, an original tourist attraction and educa- tion site for the statues of ‘real socialism’, built by Hungarians as a way of dealing with the Stalinist history.

120 The site will become a museum for IN THE MEANTIME 0,2/ "0"$ the history of racism in Austria with Until the proposed Austrian Racism Dietrich, Christa: Regimentsdenkmäler als an activities programme, on-going Symbole für Reichseinheit und militärische Tra- Square is established we will cre- research, and guided tours explain- dition. Eine Wiener Sonderentwicklung in der ate an extension to the official Aus- ausgehenden Monarchie. In: Steinernes Be- ing the origins of the different sculp- wusstsein. Ed. Stefan Riesenfellner. Böhlau: trian tourist guided tours program. tures and their stories. This institu- Wien 1998 The guides using this extension will tion could complement the “Haus Vasek, Thomas: Das Schwein des Siegfried. take visitors and tourists in Vienna Die Auseinandersetzung um das Heldendenk- der Geschichte”, which is already mal in der Aula der Uni Wien. In: Uninfo, Rechts- through relevant spots in the city in planning by the city of Vienna.2 extremismus an Österreichs Universitäten. and recount the history of racism, Wien 1996 The city of Vienna will be able to fascism, anti-Semitism, National Vasak, Alexandra: Sichtbare Erinnerung. Der Umgang mit Denkmälern in Österreich. Peter take pride in itself, not in an anti- Socialism, and the extreme right- Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften: Semite Mayor, but because of be- wing in Austria, as well as reveal- Frankfurt am Main 2004 ing able to deal with its history with ing the mechanisms of denial, sup- courage, honesty, and maybe a bit pression, and fantasy.3 of humour as well.

3 For example: The police prison on Roßauer Lände for the struggle against Austro-fas- cism and National Socialism and, in front of the prison, the “Deutschmeisterdenkmal” for the militarism of the Habsburgs and Dr. Karl Lueger; the anti-aircraft towers/bunkers as an example of the Nazi era in Vienna being simultaneously present and ignored; the memorials like the one for the City of Vienna Victims in the Central Cemetery and the Al- fred Hrdlicka “Monument against War and Facism” in Albertinaplatz showing that the focus of Austria’s commemoration politics was not the Holocaust itself but the thesis that “Austria was the first victim of the Na- zis”; the “Siegfried Head” (which used to be in the main assembly hall of the University of Vienna) as the most prominent example for the discussion of re-contextualization and the artistic approach in this debate; some of the many problematic street names like Josef Weinheber Platz in the fifteenth/sixteenth 2 The “Haus der Geschichte” is a controversial districts or Arnezhoferstraße in the second project of the City in Vienna. Most of the district; and last, but of course not least, some controversy has been centred around the of the known homes of the radical right-wing question of whether the proposed “Haus “Burschenschaften [duelling student fraterni- der Geschichte” has to focus on the Holo- ties]” will be visited, like the huge “Roter Hof” caust or not. of the Teutonia in the eighth district.

121 "&+/"& %2+$"+02 *&00&,+0

Braune Erde Jakob Glasner

Auf dem Lueger-Platz soll ein Erd- das Gedenken formen und spie- haufen von der Stadt Wien aufge- geln deshalb ihren Auftrag zurück schüttet werden. Dieser wird das an die Auftraggeber, an die hinter Lueger-Denkmal für ein paar Monate den Institutionen stehenden Bür- unter sich verschwinden lassen. ger. Am Ende bleibt, von keinem Im Laufe der Zeit tragen entweder sichtbaren Artefakt mehr gestützt, Umwelteinflüsse oder vielleicht bloß der grundlegende Satz: Nichts sogar erzürnte Lueger-VerehrerIn- kann auf Dauer an unserer Stelle nen die Erde ab und die Person sich gegen das Unrecht erheben.“1 Luegers wird neu „freigelegt“. Mein Entwurf gibt sich nicht der Il- Meine Entscheidung für ein tempo- lusion hin, ein zeitloses Mahnmal räres Mahn mal möchte ich mit gegen Antisemitismus und Rassis- einem Zitat von Hajo Schiff über mus schaffen zu können. Vielmehr die Arbeit von Jochen Gerz und reflektiert er die Problematik eines Esther Shalev-Gerz begründen: klassischen „steinernen“ Denk- „Aber Jochen Gerz und Esther und Mahnmals und versucht des- Shalev-Gerz gehen noch weiter: sen Stärken – nämlich diskursive Sie misstrauen allen definitiven Prozesse auszulösen – zu isolieren. Ausformungen in Bild, Objekt und Sprache und verstehen sich eher als Initiatoren von Prozessen. Sie wollen auch als künstlerische Fach- 1 www.fhh1.hamburg.de/Behoerden/ Kultur behoerde/Raum/artists/gerz. leute keine Stellvertreterschaft für htm (14. 3. 2010)

122 Die Intervention versucht eine Grat- wanderung zwischen einer einfach umzusetzenden, den Denkmal- schutz nicht verletzenden und einer provozierend utopischen Forderung zu sein, um ausreichend Diskus- sionsstoff, für alle beteiligten ideo- logischen Lager liefern zu können. Meine Intervention beinhaltet so- mit auch die Forderung, den Wett- bewerb alle zehn Jahre zu wieder- holen, um (jungen) KünstlerInnen die Chance zu geben, aktuelle Erkennt- nisse der Lueger-Geschichtsfor- schung und des Kunst- und Denk- maldiskurses in einer Umgestal- tung zusammenzuführen.

123 Ljubomir Bratic

ZUM VERGANGENEN UND GEGENWÄRTIGEN POPULISMUS

„Die Geschichte ist Gegenstand einer Konstruktion, deren Ort nicht die homogene und leere Zeit, sondern die von Jetztzeit erfüllte bildet.“ (Walter Benjamin, 1991, 701)

Neulich befand ich mich auf dem Wiener Ring, mehr In der Vorlesung vom 2. 2. 1983 beschäftigte er sich mit zufällig als absichtlich, in der Gesellschaft eines Arbei- der „falschen parrhesia“ als Bestandteil der Demokratie. ters der ersten Generation Arbeitsmigranten aus Jugo- Die Charakteristika einer unwahren Rede in der Antike slawien. Wir saßen in seinem Auto und fuhren vom waren: Erstens, jeder darf sprechen und, was sehr wichtig Mexikoplatz in Richtung Ottakring. Entlang des Ringes ist, tatsächlich spricht jeder. „Jeder“ bezog sich damals redeten wir über die monumentalen Bauten der Minis- und bezieht sich heute, in anderer Form, aber doch nur terien, Akademien, Hotels und Museen. Da sagte er: „All auf diejenigen, die einen gleichberechtigten Zugang zum das haben wir aufgebaut!“ „Wie?“, fragte ich. „Nun, es Staat haben. Damals konnten die Sklaven nicht reden, sind alles Bauten, die mit der Kraft der Arbeiter aufge- denn sie waren, wie Aristoteles feststellt, „belebtes baut wurden und mit der Kraft derjenigen, die seit jeher Werk zeug“, und heute können die MigrantInnen nicht damit ihr Brot verdienen mussten.“ Er sprach nicht von reden, weil sie nur in ihrer Funktion als Arbeitskraft ein seinen, sondern von deren Bauten, und er sah sich als Teil der Gesellschaft sind. In der gegenwärtigen Gesell- ein Teil des Wir, das über die MigrantInnen hinaus zu schaft kann also behauptet werden, dass jeder, der die denjenigen zählt, die seit jeher solche Bauten bauen nationalstaatliche Voraussetzung erfüllt und der die Nut- mussten, um Brot zu verdienen. An dieses Gespräch zung der Sprache zwecks Anhäufung der Herrschaft erinnerte ich mich, als ich den folgenden Text zu schrei- beherrscht, reden kann. Die Voraussetzung der Teilhabe ben begann. an einer nationalstaatlich organisierten Struktur ist die Staatsbürgerschaft, d. h. diejenigen, die keine Staatsbür- gerschaft haben, haben keine Meinung im Rahmen des ÜBER POPULISMUS Nationalstaates. Jedenfalls können sie diese nicht er- folgreich, d. h. auf die Strukturen wirkend, kundtun. In- 1983 hielt Michel Foucault am „Collège de France“ eine sofern spielen die Meinungen der MigrantInnen, der Vorlesung mit dem Titel: „Die Regierung des Selbst und der anderen“.1 Das Hauptthema der Vorlesung war die parrhesia, die Möglichkeit, in einer freien Rede die Wahr- 1 Foucault, Michel (2009) Die Regierung des Selbst und heit zu sagen, deren Bedingungen und Charakteristika. der anderen. Frankfurt am Main. 232–236.

124 großen Gruppe, die ohne Staatsbürgerschaft dasteht, ristikum der populistischen Rede bezieht sich auf die keine relevante Rolle in einem populistischen Spiel. Nun Person des Populisten selbst. Es besagt, dass es in dem scheint es so zu sein, dass sich in so einer Situation Redeakt nicht auf Mut ankommt, sondern dass sich eine derjenige durchsetzt, der bestimmte Regeln beachtet. populistische Rede auf eine Art List gründet. Der Popu- Das ist das zweite Charakteristikum der falschen parrhesia list geht davon aus, dass die Verkündung der Wahrheit in der Antike, und es lautet: Wer sich durchsetzen will, sekundär ist. Ihm geht es vor allem um die Verführungs- muss die gängige Meinung, d. h. die Meinung der Mehr- techniken für die Menschen. Diesen Leuten, die die heit2, vertreten. Das allerwichtigste Charakteristikum Möglichkeit der freien Rede nicht dazu benutzen, um die dieser Art von Rede ist die Berücksichtigung der vorherr- Wahrheit zu sagen, sondern die anderen zu überzeugen, schenden Meinung. Eine Meinung muss nicht etwas mit geht es, indem sie den Gefühlen und Meinungen der Wahrheit zu tun haben, sondern sie entspricht dem ge- Entscheidungsträger schmeicheln, darum, ihre eigene genwärtigen affektiven Zustand der Mehrheit. Sicherheit und ihren eigenen Erfolg dadurch zu sichern. Die Berufung der gegenwärtigen politischen Kaste auf den Willen des Volkes hat genau diesen Beigeschmack der Eigennützigkeit. Lueger und alle anderen populisti- Die Appellation an die Affektivität der anonym schen Politiker vor ihm und nach ihm haben bis heute gewordenen breiten Volksmassen ist eine der eines gemeinsam: Die Entscheidungen, die sie persön- wichtigsten Propagandamaßnahmen der moder- lich treffen, werden permanent mit einer Berufung auf nen Demokratien. das Volk gerechtfertigt. Es sind immer Interessen des Volkes, die vertreten und betont werden, und immer erfolgt alles im Respekt vor dem Volk. Die drei Charak- Die Tatsache, dass viele reden können, heißt lange nicht, teristika der falschen parrhesia oder des Populismus sind dass derjenige, der redet, die Wahrheit sagen muss. Vor also: Jeder (die Zugehörigkeit zur nationalstaatlichen allem, weil die Wahrheit sich nicht immer mit der Affek- Struktur voraussetzend) darf reden. Diese Rede richtet tivität deckt. Die Appellation an die Affektivität der ano- sich nach der vorherrschenden Meinung, und sie hat als nym gewordenen breiten Volksmassen ist eine der Funktion die Erhaltung oder Eroberung der Macht sei- wichtigsten Propagandamaßnahmen der modernen De- tens desjenigen, der redet. Entlang dieser Raster können mo kratien. Das zweite Charakteristikum des Populis- alle sich in demokratischen Strukturen einnistende Po- mus in der Antike bezieht sich also auf die Notwendig- pulisten eingeordnet werden. keit der Berücksichtigung der Meinungen, die durch ihre Anwesenheit und ihr Stimmrecht die Handlungsoptio- nen der Herrschenden legitimieren. Das dritte Charakte- $"$"+4¢/1&$"/" %10-,-2)&01"+ Was verteidigen die rechtsextremen populistischen Par- teien europaweit? Nicht die Interessen einer Klasse, 2 Lueger vertrat diese Meinung der Mehrheit, indem er zur einem Volks- nicht die Interessen einer Minderheit und nicht direkt die tribun wurde: „Er griff die Feinde seiner Wähler an, verstärkte ihre Anti- pathien, nicht nur gegen Politiker, sondern auch gegen nationale und Interessen des Kapitals, sondern immer und überall den religiöse Minderheiten, ,die Reichen da oben‘, ,den Pöbel da unten‘, Nationalstaat. In diesem Sinne unterscheiden sie sich die ,Ungläubigen‘ und die ,Fremden, die uns die Frauen, Wohnungen, Arbeit usw. abnehmen‘.“ (Hamann, 2001, 407) von anderen alten Parteien, die entlang der Linien der

125 ZUM VERGANGENEN UND GEGENWÄRTIGEN POPULISMUS

Klassenkämpfe im 19. Jahrhundert entstanden sind und Die historische Verharmlosung trifft da auf die dementsprechend die Interessen einer bestimmten gegenwärtige Rechtfertigung. Beide sind Kinder Klasse wahrnehmen, zumindest was die offizielle ideo- unserer Tage. logische Position betrifft. Die FPÖ (schon unter Jörg Haider) bindet sich unmittelbar an keine Klasse mehr. Sie bindet sich an den Nationalstaat, der durch die Glo- balisierung eine Transformation erlebt. Die FPÖ knüpft an das vorhandene Ressentiment der an den Protektio- extremen Popu lismus: „Die Populisten übertreiben in nismus gewöhnten Lohnabhängigen innerhalb der Nati- ihrer Hetze, aber was den Sachverhalt betrifft, da haben onalstaaten an. Sie knüpft dabei nicht an die Klasse, sie recht! Man muss die Sorgen der Menschen ernst sondern an die Ängste eines Großteils der Mehrheitsbe- nehmen!“ Und die Ernstnehmung der Menschen (natür- völkerung an – an die Ängste und auch an das Bewusst- lich nur „unserer“ Menschen) erfolgt, indem weitere sein der Nachkriegsgeneration, dass es nie mehr so sein Verschärfungen der Diskriminierungen für die MigrantIn- wird, wie es einmal war. Die populistische Lösung von nen in Gesetzesform gebracht werden. Die historische Jörg Haider für diese Situation hieß „Ausländer raus!“. Verharmlosung trifft da auf die gegenwärtige Rechtfer- Diejenige von seinem Nachfolger heißt „Islam raus!“. tigung. Beide sind Kinder unserer Tage. Beide haben Dazwischen passierte der 11. 9. 2001, Huntingtons eine lange Tradition und stehen in einer Kontinuität zu „Kampf der Kulturen“ und die Invasion im Irak und in den Ereignissen in der Zeit von Lueger. Denn bezogen Afghanistan. Während Haider in aristokratischer Manier auf Lueger zu sagen „Juden als Gruppe zu konstruieren, 4 die Reichen um sich scharte und gleichzeitig der Nation um sie dann rechtlos zu machen“ ist eine typische Deu- in einer patriotischen Geste den Knochen „Ausländer“ tung eines Sachverhaltes aus der Position des quasi zum Fressen vor warf, geht Strache einen anderen Weg. neutralen Politikwissenschafters. Dem stellt Arthur Strache setzt auf die volksnahen Bürgerinitiativen: gegen Schnitzler eine Version gegenüber, die das Subjekt der die Moscheen, gegen die Sexarbeit, für Selbstschutzbe- anderen ins Zentrum rückt – nicht diejenige des Staates, wegungen usw. Er teilt die popkulturellen Codes mit die beim Politikwissenschafter als Handlungssubjekt urban sozialisierten Schichten, nur eben von der rechts- fungiert. Die Position des Subjekts der Betroffenen sagt extremen Seite her; und aus einer konservativen Position uns Folgendes: „Wenn man Ihnen einmal den Zylinder heraus, wo es darum geht, den Nationalstaat zu erhalten, einschlägt auf der Ringstraße, weil Sie, mit Verlaub, eine und nicht aus einer progressiven, wo es darum geht, etwas jüdische Nase haben, werden Sie sich schon als Jude getroffen fühlen.“5 Die Konstruktion der Gruppen, diesen zu verändern. Veränderungen fordert Strache nur die rechtlos gemacht werden, kann eben auch dazu füh- beim Filz, also dort, wo das Ganze, eben „unser“ Natio- nalstaat oder „unser“ Wien, seiner Meinung nach nicht gut funktioniert. H. C. Strache ist ein nationalistischer rechtsextremer Populist. So wie es bezogen auf Lueger 3 eine allgemeine gesellschaftliche Tendenz zur Verharm- Polt-Heinz, Evelin 29. 4. 2011, 19. 4 Vgl. Pelinka, 6. 3. 2010, A3. losung gibt – Tenor dabei: „Er hat seine Fehler, das wis- 5 Arthur Schnitzler, Zitat aus dem Roman „Der Weg sen wir, aber er ist ein Genie“3 –, so gibt es auch ver- ins Freie“. Zitiert nach Evelin Polt-Heinzl: „Er hat seine Fehler, aber er ist ein Genie.“ In: NZZ, Nr. 98, harmlosende Erklärungsversuche gegenüber dem rechts- 29. 4. 2010, 19.

126 ren, dass diese Gruppen in Konzentrationslagern enden. gegenwärtig in der österreichischen Einwanderungspo- In dieser Hinsicht kann Lueger und jedweder rechtsext- litik eine Polarisierung: eine Verstärkung des Drucks auf reme nationalistische Politiker durchaus als Vorfahre die Unterschichten, durch die Verunmöglichung eines (oder Nachfahre) von Hitler begriffen werden. Er ist nicht Familiennachzugs, durch die Erschwerung der Heirat nur, wie es in „Mein Kampf“ heißt, der „gewaltigste aller außerhalb Österreichs, durch die Unmöglichkeit des Kin- deutschen Bürgermeister“, wobei sich diese Gewalttä- dernachzugs, durch die von rassistischer Gesetzgebung, tigkeit auf die Fähigkeit, die Masse für sich zu vereinnah- aber auch von Vorurteilen geprägte Justiz und, nicht ver- men, bezieht, sondern auch einer, der klare Position gessen, auch durch den Zwang, Deutsch zu erlernen, entlang der Linien der nationalen Frage bezogen hat. „Es durch die Zwangsdeutschkurse. Die Parole der Innenmi- gibt uns, und es gibt die anderen. Das hier ist unser nisterin Maria Fekter „Deutsch vor Einzug!“ steht in der Staat. Sie gehören – egal wie lange sie hier aufhältig sind Tradition der von Karl Lueger geforderten Germanisie- – nicht hierher. Wir bekämpfen sie mit den Mitteln, die rung für alle Neuankömmlinge6. Diese wurde von der uns gegenwärtig zur Verfügung stehen. Jede Zeit hat ihre Freiheitlichen Partei Österreichs übernommen. Der Po- eigenen Mittel. Die Mittel unserer Vorfahren waren viel- pulismus Luegers hat direkte Nachfolger nicht nur in der leicht brachial, aber sie haben Erfolge damit erzielt.“ Das rechtsextremen Szene, sondern auch in dem gewöhnli- ist die Position eines Nationalisten. Sie war konstitutiv, chen Konservativismus einer Österreichischen Volks- sowohl für Lueger als auch für Hitler und genauso für partei gefunden. Die Innenministerin schafft sogar den Haider, und sie ist gegenwärtig für Strache. Spagat zwischen Populismus und Brutalität. Genau die- se Brutalität scheint den Nerv der öffentlichen Meinung zu treffen. Zur Durchsetzung der Maßnahmen des Re- !&"0&121&,+&+²01"//"& % gierens bedarf es heutzutage des Populismus. Es lässt Die gegenwärtige Art der Migration nach Österreich sich behaupten, dass wir uns – trotz aller Differenzen – in kann als überwachte Einwanderung bezeichnet werden. der Tradition befinden, die ihren Ausgang in der Konsti- Generelles Ziel davon ist: Den Armen soll durch die bü- tuierung des demokratischen Nationalstaats nahm. Karl rokratischen Maßnahmen der Zugang versperrt werden. Lueger war eine der möglichen populistischen Figuren Denjenigen Armen, die sich – bedingt durch die Anwer- dieser Staatsform. Die von Haider oft wiederholte Figur bung im Rahmen der wirtschaftlichen Hochkonjunktur des kleinen Mannes war eine Erfindung Luegers. Eine in den 1960er Jahren – schon da befinden, sollte gleich- seiner Parolen war: „Dem kleinen Mann muss geholfen zeitig das Leben möglichst schwergemacht werden, werden!“ (Hamann, 2001, 400–401). Die Anleihe davon sodass sie sich zum Auswandern entscheiden. Für die lässt sich auch bei Strache beobachten: Seine Parole dritte große Gruppe der Armen, diejenigen, die illegali- „Wien darf nicht Istanbul werden!“ kann als ein direkter siert wurden, gibt es ein restriktives Abschieberegime. modernisierter Nachfolger von Luegers Parole „Groß- Die Gefängnisse sind überfüllt mit MigrantInnen. Es Wien darf nicht Groß-Jerusalem werden!“ (Hamann, kann durchaus behauptet werden, dass der gegenwär- 2001, 404) gesehen werden. tige österreichische Staat eine Verdrängungsstrategie gegen die sozial schwachen MigrantInnen verfolgt. Dem- gegenüber werden die Fachkräfte und ausländischen Finanzkräfte nach Österreich gerufen. Somit haben wir 6 Vgl. Boyer, 9. 1. 2010, A2.

127 ZUM VERGANGENEN UND GEGENWÄRTIGEN POPULISMUS

DIE ENTGEGENSETZUNG auf einer ganz bestimmten ideologischen Grundlage fußt. Die Auseinandersetzung um die Zeichen, eben die Form, Die Frage, die sich hier stellt, ist die, inwiefern es mög- die diese Grundlage sichtbar macht, ist nichts anderes lich ist, den Populisten wie Lueger, Haider und Strache als die Auseinandersetzung um deren Inhalt. Somit wird entgegenzutreten. Die Auseinandersetzung mit den Zei- ein Nachweis geliefert, dass die Verwaltung nicht über chen, die die öffentlichen Räume markieren, ist eine der Ordnung der Dinge und Ordnung der Körper steht, Möglichkeit der Intervention. Wenn wir annehmen, wie sondern aus einem klar definierbaren Standpunkt die Walter Benjamin betont7, dass es einen Unterschied gibt Ordnungen zu erhalten trachtet. Die Denkmäler sind zwischen der Geschichte, die seitens der Sieger ge- nicht für alle gleichermaßen da. Für die Beherrschten schrieben wird, und derjenigen der Beherrschten, dann sind sie ein Zeichen der Beherrschung, und für die Herr- geht es vor allem darum, diese Ungerechtigkeit in Erin- scher wiederum symbolisieren sie deren Herrschaft. nerung zu rufen. Wie kann es sein, dass es einen Karl- Lueger-Ring, einen Karl-Lueger-Platz, ein Karl-Lueger- Denkmal und eine Karl-Lueger-Gedenkkirche gibt und nicht das Gleiche z. B. für Sigmund Freud, der durch die radikalisierte Fortsetzung von Luegers Denkart aus Wien Die Auseinandersetzung um das Lueger-Denk- vertrieben wurde und in der Emigration starb? Es ist so, mal in Wien zeigt gerade das: Wir leben nicht in weil das Weltbild von Karl Lueger nach wie vor ein Be- einer Gesellschaft, die für alle gleich ist, sondern standteil der vorherrschenden Ideologie ist. Ein Denk- in einer höchst artifiziellen Unfreiheit und Un- mal oder ein Name eines Ortes stehen für eine in Schrift und Stein ausgerichtete Ordnung. Sie erfüllen einen gleichheit. Raum mit dem Sinne und bestätigen eine bestimmte Form der Existenz. Sie machen aus etwas Unbestimm- tem, aus so einem Raum ohne Namen, etwas Kodifizier- tes, für die Allgemeinheit Nachvollziehbares. Dieses In diesem Sinne können wir die Benjamin‘sche Maxime Nachvollziehbare ist wiederum eine Orientierung, es „Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich bietet den TeilnehmerInnen der Allgemeinheit eine Stütze ein solches der Barbarei zu sein“8 verstehen. Die Ausei- in ihrem Alltag, und es ist eine Anhaltemöglichkeit, nandersetzung um das Lueger-Denkmal in Wien zeigt wenn es darum geht, die eigene ideologische Position gerade das: Wir leben nicht in einer Gesellschaft, die für zu festigen. Es geht in den sozialen Auseinandersetzun- alle gleich ist, sondern in einer höchst artifiziellen Unfrei- gen um die Denkmäler und die Bezeichnungen (z. B. heit und Ungleichheit. Die bestehenden Denkmäler und Straßennahmen) darum, diesen Sachverhalt in Erinne- die Bezeichnungen der Orte und Räume sind genau ein rung zu rufen. Damit wird erinnert, dass die Verwaltung Zeichen für diese mangelnde égaliberté.//

7 Benjamin, Walter: Über den Begriff der Geschichte. In: Benjamin, W.: Abhandlungen. Gesammelte Schrif- ten. Band I/2, Frankfurt am Main, 1991, 693–704. 8 Benjamin, 1991, 696.

128 Ljubomir Bratic ON PAST AND PRESENT POPULISM “History is the subject of a construction whose site is not DKIKCAJAKQO AILPUPEIA >QPPEIAłHHA@>UJKSPEIA‡ (Walter Benjamin, 2003, 295)

Recently I found myself on the Vienna Ring, more by ditions and characteristics. In the lecture of 2 February accident than choice, in the company of a worker from 1983 he was concerned with “bad parrhesia” as an ele- the first generation of migrant workers from Yugoslavia. ment in democracy. In classical antiquity the character- We were sitting in his car and driving from Mexico istics of untruthful speech were: firstly, everyone can Square towards Ottakring. Going round the Ring, we speak and, importantly, everyone does actually speak. talked about the monumental buildings, the ministries, Then, as now, “everyone” means all of those who have academies, hotels, and museums. He said, “We built all equal rights of access to the state. At the time slaves that.” “What?” I asked. “They are all buildings built with could not speak because they were, as Aristotle stated, worker’s energy, the labour of those who have always “living tools”. Nowadays migrants cannot speak because had to earn their daily bread like that.” He talked not it is only thanks to their function as manpower that they about his buildings, but about their buildings, but he saw are part of society. Thus in present society it is possible himself as a part of a “we” that was greater than im- to assert that everyone can speak providing they fulfil migrants and included all those who had to build such the requirements of the nation state and are in com- buildings in order to earn their daily bread. I recalled that mand of the language so as to be able to accumulate conversation as I started to write this article. power. Citizenship is a precondition for participating in the organisational structure of the nation state so those who are not citizens have no opinion within its frame- ABOUT POPULISM work. In any case they will be unable to successfully In 1983 Michel Foucault gave a lecture in the Collège de articulate an opinion and thus unable to affect the struc- France with the title “The Government of Self and Oth- tures. In this respect the opinions of migrants – that ers”.1 The main subject of the lecture was parrhesia, the large group without citizenship – is irrelevant to the possibility of speaking the truth in free speech, its con- populist game. So it appears that, in a situation like this, only those who comply with certain rules are able to

1 Foucault, Michel: The Government of Self and Others, assert themselves. Palgrave Macmillan, (2010) 2 Lueger represented this majority opinion by becoming The second characteristic of bad parrhesia in classical the “people’s tribune”: “He attacked the enemies of antiquity is this: whoever wants to assert themselves his voters, strengthened their antipathy not only to poli- ticians, but also to national and religious minorities, ‘the has to represent current opinion and thus the opinion of rich up there’, ‘the rabble down there’, ‘unbelievers’, the majority.2 The most important attribute of this way and the ‘foreigners who take away our women, housing, work, etc.’”. (Hamann, 2001, 407) of speaking is how it takes into account predominant

129 ON PAST AND PRESENT POPULISM opinion. An opinion does not necessarily have anything 2//"+1/&$%14&+$-,-2)&010 to do with truth, but corresponds instead to the current What are the extreme right wing populist parties de- affective state of the majority. The fact that many are able fending throughout Europe? Not class interests, not the to speak does not mean that those who do are obliged interests of a minority, and not (directly) the interests of to speak the truth, most of all because truth does not capital, but always and everywhere the interests of the always coincide with affectivity. Calling on the affectivity nation state. In this sense they differ from the other of the broad mass of people who have become anony- older parties which were established in the nineteenth mous is one of the most important propaganda meas- century along the lines of class struggles and therefore ures of modern democracies. Thus this second charac- represent – at least as far as the official, ideological po- teristic of populism in classical antiquity relates to the sition is concerned – the interests of a particular class. necessity of taking into account the opinions of those That the Freedom Party of Austria (FPÖ) no longer had who, because of their presence and right to vote, legiti- any direct connection to a class was already the case mate the courses of action taken by those who govern. under Jörg Haider. It is bound to a nation state which is The third characteristic of populist speech relates to the undergoing a transformation because of globalization. populists themselves. This stipulates that courage is The FPÖ connects up with the existing resentment har- not a significant factor in the act of making a speech and boured by wage earners who are used to protectionism that populist speech-making is based on a kind of ruse. within the nation state. In doing so, it does not tie into The populist assumes that telling the truth is secondary. class, but into the fears that a large part of the majority Above all else he is concerned with the techniques of population has, the fears and awareness of a post-war seducing people. People who use the possibilities of free generation that things will never be the same as they speech in order not to tell the truth, but to convince others were. For Jörg Haider the populist solution in this situa- by flattering the feelings and opinions of decision makers tion was: “Out With The Foreigners”. For his successor instead, are mostly concerned with ensuring their own the slogan is: “Out With Islam”. In between there was security and success. The appeals of the current political 9/11, Huntington’s The Clash of Civilizations, and the caste to the will of the people have exactly this after- invasions of Iraq and Afghanistan. Whereas Haider sur- taste of self-interest. Lueger and all the other populists rounded himself with the rich in an aristocratic manner before him have one thing in common: decisions they and simultaneously threw the bones of “foreigners” to made personally were consistently justified by referring the nation as a patriotic gesture, Strache has taken a to the people. It is always the peoples’ interests that are different path. He relies on grass-roots citizen initia- represented and emphasised, and everything takes place tives: against mosques, against sex workers, for self- with reference to the people. The three characteristics defence groups etc. He shares pop cultural codes with of bad parrhesia or populism are as follows: Everyone groups with anurban socialization, though from an ex- (assuming they are members of a nation state) is al- treme right-wing stance – or from a conservative posi- lowed to speak. This speaking is dependent on predom- tion if the concern is the preservation of the national inant opinions and has the function of preserving or ac- position – not from a progressive one, where the aim quiring power for the speaker. All populists embedded would be to effect change. Strache only demands within democratic structures can be located on this grid. changes in respect of perks and corruption, that is,

130 where the whole, i.e. “our” nation state or “our” Vienna sor) to Hitler. He was not only the “greatest of all Ger- does not function properly. H. C. Strache is a nationalis- man mayors”, as it says in Mein Kampf – where the tic, extreme right wing populist. Just as there is a gen- greatness consisted not only in the ability to fool the eral tendency in society to play things down (as in the masses for his own advantage – but he also took a clear case of Lueger) – “He has his faults, we know that, but position in the national question. “There is us and there he’s a genius”,3 there are also attempts to explain ex- is them. This, here, is our country. They do not belong, treme right wing populism away by downplaying it – no matter how long they have actually lived here. We “The populist campaigns do exaggerate, but as far as fight them with all the weapons we have at our disposal the facts are concerned, they’re right. People’s worries now. Each period has its own weapons. The means have to be taken seriously”. And people’s – “our” peo- used by our forefathers were perhaps brutal, but they ple, of course – worries are taken seriously, by yet more were effective.” That is the position of a nationalist. It anti-immigrant discriminatory measures in the form of was constitutive, for Lueger just as it was for Hitler. And laws. Here historical down-playing meets present-day it was exactly like that for Haider, as it is now for Strache. justifications. Both are children of our times. Both have a long tradition and are part of a continuity that includes events in Lueger’s time. To say that Lueger “con struct(ed) THE SITUATION IN AUSTRIA 4 Jews as a group in order to put them outside the law,” The current form of migration to Austria can be called is to support a typical interpretation of the facts from immigration under surveillance. The general aim is to the position of a quasi neutral political scientist. Arthur use bureaucratic measures to block access by the poor. Schnitzler, on the other hand, confronts that position Those of them who are already here because they were with another version, one which puts the subject of the recruited during the economic boom of the 1960s are to Other at the centre instead of the state which, in the have their lives made as difficult as possible so that account of the political scientist, functions as a subject they decide to emigrate. For the third large group of the with the potential to act. This position of the affected poor, those who have been rendered illegal, there is a subject tells us the following, “If someone knocks your restrictive deportation regime. The prisons are over- top hat off while you are walking along the Ring, be- crowded with migrants. There is no doubt that it can be cause – if you excuse me for saying it – you have some- asserted that the present Austrian state pursues a strat- thing of a Jewish nose, you will certainly feel yourself egy of ousting socially weak migrants. In contrast, spe- 5 affected as a Jew.” The construction of groups that cialists and foreign investment are being brought to have their rights taken away from them may lead to Austria. Therefore current Austrian immigration policies these groups ending up in an extermination camp. In are polarizing, they exert increasing pressure on the this respect Lueger and every extreme right-wing popu- lower classes by making family reunions impossible, list politician can be regarded as a precursor (or succes- making it difficult to get married outside Austria, making reunions with children impossible, by enforcing racist

3 Polt-Heinz, Evelin 29 April 2011, 19 laws using a legal system predicated on prejudice, to 4 See: Pelinka, 6 March 2010, A3. say nothing of the pressure to learn German in compul- 5 Arthur Schnitzler, quoted from “The Road into the Open”. sory language courses. The slogan of the present Min- Quoting Evelin Polt-Heinzl “ He has his faults but he’s a genius.” In NZZ (Neue Zürcher Zeitung), no. 98, 29 April 2010, 19. ister of the Interior, “German proficiency before getting

131 ON PAST AND PRESENT POPULISM here”, is within the tradition of Germanization of all quished, then the primary concern is to call this injustice newcomers that Karl Lueger demanded.6 This has been to mind. Why is it that there is a Karl Lueger Ring, a Karl taken over by the FPÖ. Lueger’s populism does not only Lueger Square, a Karl Lueger monument, and a Karl have direct successors in the extreme right wing scene, Lueger Memorial Church and not the same for Sigmund but also in the traditionally conservative Austrian Peo- Freud who was driven out of Vienna by the radicalized ple’s Party (ÖVP). The incumbent Minister of the Interi- continuation of Lueger’s way of thinking and forced to or, Maria Fekter, even manages to appear to strike a die in exile? That state of affairs exists because Karl balance between populism and brutality. And it seems Lueger’s Weltanschauung is still a component of pre- to be precisely this brutality that strikes a chord in public vailing ideology. A monument or a place name stand for opinion. Nowadays populism is necessary in order to a controlled order represented by words and stones. implement government measures. It is possible to say They fill up spaces with meanings and confirm a particu- that, despite all our differences, we are well within the lar form of existence. They make something codified tradition that began when nation states were first con- and generally intelligible out of something indefinite – a stituted. Karl Lueger was possibly one of the most pop- nameless space. In turn this intelligibility is an orienta- ulist figures of this form of state. The figure of the man tion point, offering the general public support in their in the street, so often used by Haider, was invented by daily lives, something to hold onto when there is a need Lueger. One of his slogans was “The man in the street to consolidate one’s own ideological position. In the so- must be helped” (Hamann, 2001, 400–401). This kind of cial discourse relating to monuments (and, e.g. street political borrowing can also be observed in Strache’s names), it is important to recall these facts to mind. In campaigns – his catchphrase “Vienna must not become doing so, it should be remembered that the administra- Istanbul” can be read as a direct, modernized successor tion is based on a very specific ideological foundation. A to Lueger’s slogan “Greater Vienna must not become discourse focussing on the symbols and forms that ren- Greater Jerusalem” (Hamann, 2001, 404). der these foundations visible is, quite simply, a dis- course about their content. This is, therefore, proof that the administration is not above the order of things and OPPOSITION bodies, but strives to preserve order from a clearly de- The question that arises here is how to oppose popu- finable standpoint. Monuments are not egalitarian, they lists such as Lueger, Haider, and Strache. Coming to are not on equal terms with everyone. For the ruled grips with the symbols that mark public space is one they are a symbol of being ruled, for the rulers, a sym- possible intervention. If we assume, as Benjamin em- bol of their power. This is the way in which we can un- phasises,7 that there is a difference between the history derstand Benjamin’s aphorism that “There is no cultural written by the victors and that written by the van- document that is not at the same time a document of

6 See: Boyer, 9 January 2010, A2. 7 Benjamin, Walter: On the Concept of History.

132 barbarism.”8 The controversy round the Lueger monu- LITERATUR / REFERENCES ment in Vienna shows that we do not live in an egalitar- Benjamin, Walter (1991) Über den Begriff der Geschichte. In: Benjamin, ian society, but in one where there is a highly artificial W.: Abhandlungen. Gesammelte Schriften. Band I/2, Frankfurt am Main, 693–704. lack of freedom and equality. Existing monuments and Boyer, John W.: Manichäer und Machtmensch. In: Der Standard / the names of places and spaces, are symbols that pin- ALBUM, 9. 1. 2010. A1–A2. point this lack of égaliberté.// Foucault, Michel: Die Regierung des Selbst und der anderen. Frankfurt am Main.

Hamann, Brigitte (2001) Hitlers Wien, München.

Pelinka, Anton: Lueger: Mythos und Gegenmythos. In: Der Standard / ALBUM, 6. 3. 2010, A3.

Polt-Heinzl, Evelin: „Er hat seine Fehler, aber er ist ein Genie“ In: NZZ, Nr. 98, 29. 4. 2010, 19.

8 Benjamin, 1991, 696.

Ljubomir Bratic, Philosoph. Lebt in Wien. Zuletzt 2010 veröffentlicht „Politischer Antirassismus – Selbstorganisation, Historisierung als Strategie und diskursive Interventionen“ Löcker Verlag, Wien. Ljubomir Bratic, Philosopher. Lives in Vienna. Recently published in 2010: „Politischer Antirassismus – Selbstorganisation, Historisierung als Strategie und diskursive Interventionen“, Löcker Verlag, Vienna.

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Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich Andrea Geyer, Nanna Wülfing

Wer immer bis zu diesem Tage den Sieg davontrug, der marschiert mit in dem Triumphzug, der die heute Herrschenden über die dahinführt, die heute am Boden liegen. Die Beute wird, wie das immer so üb- lich war, im Triumphzug mitgeführt. Man bezeichnet sie als Kulturgüter. Sie werden im historischen Materia- listen mit einem distanzierten Be- trachter zu rechnen haben. Denn was er an Kulturgütern überblickt, das ist ihm samt und sonders von einer Abkunft, die er nicht ohne Grauen bedenken kann. Es dankt sein Dasein nicht nur der Mühe der großen Genien, die es geschafft haben, sondern auch der namenlo- sen Fron ihrer Zeitgenossen. Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Bar- barei zu sein. Und wie es selbst nicht frei ist von Barbarei, so ist es auch der Prozeß der Überlieferung nicht, in der es von dem einen an den andern gefallen ist. Whoever has emerged victorious participates to this day in the trium- phal procession in which the pre- sent rulers step over those who are lying prostrate. According to traditional practice, the spoils are carried along in the procession.

134 They are called cultural treasures, Die Person Lueger und ihre histori- lebendig und können immer wieder and a historical materialist views sche Darstellung, die sich bis heute auf das Neue von Passant_innen them with cautious detachment. unkontextualisiert ins Stadtbild ein- erfasst werden. Der Text wird nur For without exception the cultural gepasst hat, kann durch die archi- durch das aktive Lesen und das treasures he surveys have an origin tektonische Ergänzung nur noch Umherwandern um die Statue which he cannot contemplate with- durch die Reflexion von Geschichte möglich. out horror. They owe their exist- und Geschichtsschreibung gesehen ence not only to the efforts of the werden. Geschichte wird durch das great minds and talents who have räumliche Verhandeln des Körpers created them, but also to the anon- im Raum um die Skulptur und durch ymous toil of their contemporaries. den Zusammenhang der mehrspra- There is no document of civilization chigen Darstellung des Textes phy- which is not at the same time a sisch und kulturell erfahrbar. In die document of barbarism. And just Tafeln graviert, schwebt der Text as such a document is not free of um die Skulptur. Die Tafeln sind barbarism, barbarism taints also nicht fixiert, sondern bewegen sich the manner in which it was trans- mit dem Wind. In ihrer Bewegung 1 Walter Benjamin, Gesammelte Schriften 1 mitted from one owner to another. bleiben der Text und die Skulptur (bd1), Frankfurt 1974, S. 696.

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: konfrontiert : Jakob Brossmann

Ein Denkmal arbeitet mit dem Raum genheit. Sie schützt vor Relation, absurd, seine Wirkungsweise liegt vor ihm. Erst das unverbaute, offene Proportion, Absurdität, Konfronta- offen und lächerlich vor den Be- Volumen vor einem Denkmal ver- tion. trachter_innen. Was bleibt ist ein hilft diesem zu Geltung. Das ermög- Mal: ein Stein als Wunde. In der licht ihm, diesen Raum mit Bedeu- Eine weiße, hölzerne Treppe durch- Umkehrung seiner ursprünglichen tung zu füllen. Darüber hinaus ge- schneidet diesen Raum. Selbst Intention konfrontiert es sein Ge- währleistet dieses offene Volumen, vollkommen unberührt, ist dem genüber mit der Irreversibilität der dass die vorgesehene Betrach- Denkmal seine ursprüngliche Wir- Geschichte und unserem Umgang tungsperspektive eingehalten wird: kung genommen. Die gegen das mit ihr. von unten, achtungsvoll empor. Das Denkmal Karl Luegers gerichtete Bildnis des Entrückten – einem Gott Treppe wirkt wie ein Vorwurf und Die Treppe wird zu einem Symbol gleich, unerreichbar. Diese Uner- ermöglicht gleichzeitig, der monu- der Aufklärung, einem Mittel zur reichbarkeit ist nicht nur Selbst- mentalen Plastik entgegenzutre- Konfrontation mit der eigenen Ver- zweck und Ausdruck einer Überle- ten. Das Denkmal wird als solches gangenheit. Zugleich bietet sie die

136 Möglichkeit des Fortschritts durch Wie viele tausend Abschiebungen die Auseinandersetzung mit der wurden und werden über solche Geschichte. Gangways abgewickelt? Auf der nach oben gerichteten Flä- Die Stiege aus weißem Holz stützt che des schwarzen Granitpfeilers sich auf einen schwarzen Pfeiler ist der erste Satz des ersten Arti- aus rauhem Mauthausen-Granit. Im kels der allgemeinen Erklärung der Kontext erinnert das Motiv einer Menschenrechte zu lesen: Treppe an die „Todesstiege“. In ihrer Umsetzung gleicht sie auf „Alle Menschen sind frei und gleich seltsame Art einer „Gangway“. an Würde und Rechten geboren.“

137 Eva Blimlinger

KARL LUEGER, 3,5 GRAD UND DER DENKMALSCHUTZ

„Schlechte Karten hat auch ein weiteres Wiener Denk- ein Antisemit, der Bürgermeister Lueger, eine Gedenk- mal-Projekt. Eine Privatinitiative aus den Reihen der tafel würde ausreichen, meint der jetzige Wiener Bürger- Universität für angewandte Kunst wollte das Denk- meister Michael Häupl, ja, die Grünen sind ganz dafür, mal für Bürgermeister Karl Lueger (1844–1910) in ein aber jetzt in der rot-grünen Koalition, man wird sehen, Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus ver- ob da noch alles gleich bleibt. Aber was die Wiener Stadt- wandeln. /…/ Im zuständigen Kulturamt (MA 7) sieht politik sagt, will und nicht will, ist genau genommen un- man zwar Bedarf für zeitgenössische Reflexion auf erheblich – das, was der Wiener Landeskonservator will, das Lueger-Denkmal von 1926, es gab auch schon was das Bundesdenkmalamt will, das ist letztlich aus- Gespräche, man verweist aber auf das Bundesdenk- schlaggebend. Denn wenn nicht vonseiten der Eigentü- malamt. Von dort kommt eine Absage: „Ich habe kein merin, der Stadt Wien, für eine Änderung gekämpft wird, Problem, dass dort ein zweites Denkmal errichtet wird, ein Antrag eingebracht wird, der Instanzenweg gegan- das Lueger neu bewertet, oder dass Erläuterungsta- gen wird, falls notwendig bis zur Bundesministerin Clau- feln aufgestellt werden“, sagt Wiens oberster Denk- dia Schmied, dann bleibt der Denkmalschutz als Abwehr- malschützer Friedrich Dahm, „aber eine direkte Beein- argument und damit basta. trächtigung des Denkmals kommt für uns nicht infrage. Dabei müssten abseits der Statue auch noch die ton- Was ist denn eigentlich ein Denkmal, und wer nenschweren Platten demontiert werden, was unse- rer Erfahrung nach nicht zerstörungsfrei möglich ist.“1 befindet darüber, wann und warum etwas ein Denkmal ist? Die meisten PolitikerInnen sind ohnehin dagegen, jene von der ÖVP und der FPÖ sowieso. Der damalige Kultur- sprecher der ÖVP meinte, „man solle die bestehenden Was hat es mit dem Denkmalschutz auf sich? Was ist das Denkmäler mit Erläuterungen versehen und sich im Falle überhaupt, der Denkmalschutz? Was ist denn eigentlich Luegers mit dessen politisch instrumentalisiertem Anti- ein Denkmal, und wer befindet darüber, wann und warum semitismus auseinandersetzen“.2 Die SPÖ sagt na ja; etwas ein Denkmal ist? Zunächst ein Blick in die Etymo- vielleicht, sagt der eine oder die andre. Ja, der war schon logie des Wortes Denkmal. Es ist eine aus dem 16. Jahr- hundert stammende Lehnübertragung aus dem griechi- schen mne -mósynon (Gedächtnishilfe) und lässt sich in

1 den Schriften Martin Luthers nachweisen. Er verwendet Kurier, 2. September 2010. - 2 Der Standard, 12. Mai 2010. es als Übersetzung für das griechische mne mósynon 3 Vgl. Duden. Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der und das lateinische monume ntum (lat. mone -re = „ge- deutschen Sprache, Wien Zürich 1989. Wikipedia, 3 http://de.wikipedia.org/wiki/Denkmal (26. März 2011). mahnen“, „erinnern“).

138 Im umfassenden Deutschen Wörterbuch von Jacob und 1850 eine Allerhöchste Entschließung zur Einrichtung Wilhelm Grimm ist unter dem Eintrag Denkmal unter der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhal- ande rem zu lesen: tung der Baudenkmale. 1853 nahm die „Commission“ ihre Tätigkeit auf, Gesetz gab es keines, in dem geregelt DENKMAL, n. monumentum. pl. denkmale und denk- gewesen wäre, was denn ein Denkmal überhaupt ist. mäler; einige, wie Winkelmann und Göthe gebrauchen Grundlage der Tätigkeit waren Verordnungen und Hof- beide formen; s. gedenkmal. /…/ kanzleidekrete, und die Herren hatten die Möglichkeit, 1. bauwerke, säulen, statuen, gemälde, grabhügel, Gutachten zu Neubauten zu schreiben, einen Überblick bestimmt das andenken an eine person oder über die Neubauten zusammenzustellen und sonst so eine sache zu erhalten, an ein groszes ereignis, allerlei zu dokumentieren und zu erforschen. Die Ergeb- z. b. an eine gewonnene schlacht. /…/ nisse der Forschungen und Analysen wurden dann teil- 2. eine zur erinnerung bestimmte sache. /…/ weise in den seit 1856 erscheinenden Mittheilungen der k. k. Central-Commission und dem Jahrbuch der k. k. 3. erhaltene schriftliche werke der vorzeit. /…/ Central-Commission5 publiziert. 1873 bekam die nun 4. ganz oder zum theil erhaltene bauwerke, K. K. Zentralkommission für die Erforschung und Erhal- bildhauerarbeiten aus der vorzeit.4 tung der Kunst- und historischen Denkmale genannte Institution zusätzliche Kompetenzen und vor allem ein Also Bauten, Schriften, Bildhauerarbeiten, Kunst ganz eigenes Budget, mit dem Restaurierungen gefördert all gemein, aber auch „eine zur Erinnerung bestimmte werden konnten. Ein Gesetz gab es immer noch nicht, Sache“ – etwa mein Poesiealbum, Mutters Kochtopf, wiewohl es zahlreiche Bemühungen gab.6 Vaters Hemd? Nein, das kann kein Denkmal sein. Also alles, von dem irgendwer behauptet, es sei eine zur Erin- Der Doyen der österreichischen, aber sicherlich auch nerung bestimmte Sache? Auch das kann es nicht sein, inter nationalen Denkmalpflege und des Denkmalschut- denn dann kann ja alles ein Denkmal sein und somit nichts zes war Alois Riegl (1858–1905). 1886 bis 1897 am Öster- ein Denkmal sein. Eine Definition muss also her. Wie hat reichischen Museum für Kunst und Industrie, ab 1897 das eigentlich begonnen mit dem Denkmalschutz? als Universitätsprofessor in Wien tätig, gilt er als der Mit- begründer der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“. Die Anfänge der Idee des Denkmalschutzes gehen in 1902 begann er als Redakteur der Mittheilungen der Österreich – fast möchte man schreiben: wie könnte es k. k. Central-Commission für Erforschung und Erhaltung anders sein – auf Maria Theresia (1717–1780) zurück, wobei hier noch die beweglichen Güter im Vordergrund standen. Erst nach der Revolution 1848 unterschrieb 5 Das Bundesdenkmal gibt heute in der Nachfolge die Österrei- Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) am 31. Dezember chische Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege heraus. 6 Vgl. Christoph Bazil, Reinhard Binder-Krieglstein, Nikolaus Kraft: Das österreichische Denkmalschutzrecht, Wien 2004, S. 17–28; Walter Frodl: Idee und Wirklichkeit. Das Werden der staatlichen Denkmalpflege in Österreich (= Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege 13) Köln, Wien 1988; Theodor Brückler: Vom Konsilium zum Imperium – Die Vorgeschichte der österreichi- schen Denkmalpflege, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst 4 Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und und Denkmalpflege XLV (1991), S. 160–173. BDA-Bundesdenk- Wilhelm Grimm, http://dwb.uni-trier.de/Projekte/ malamt http://www.bda.at/organisation/126/0/5780/texte/ WBB2009/DWB/wbgui_py?lemid=GA00001. (24. März 2011).

139 (/))2"$"/  $/!2+!!"/!"+(*)0 %217 der Kunst- und historischen Denkmale und wurde schließ- legistisch zu fassen. Zunächst wurde das durch das lich am 4. Jänner 1904 zum Generalskonservator für den 1918 erlassene Ausfuhrverbotsgesetz10 versucht, um Bereich der Kunst- und historischen Denkmale ernannt.7 schließlich durch das Denkmalschutzgesetz von 192311 die mehr oder weniger bis heute gültigen Grundlagen Bereits seit 1894 standen immer wieder Gesetzesent- für den Denkmalbegriff zu legen. würfe zur Diskussion, „welche die Erhaltung von Kunst und historischen Denkmalen zum Thema eines ‚öffent- §°1 (1) Die in diesem Gesetz enthaltenen Beschränkun- lichen Interesses‘ machen sollten“.8 1903 wurde schließ- gen finden auf unbewegliche und bewegliche Gegen- lich vom Verlag der k. k. Central-Commission in Wien ein stände von geschichtlicher, künstlerischer oder kultu- „Entwurf einer gesetzlichen Organisation der Denkmal- reller Bedeutung (Denkmale) Anwendung, wenn ihre pflege in Österreich“ publiziert. Alois Riegl wurde nicht Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen genannt, hatte man doch Angst, dass hier der Eindruck Interesse gelegen ist. Die für Denkmal getroffenen eines persönlichen, individuellen Blickwinkels entstehen Bestimmungen gelten auch für Gruppen und Samm- könnte. In dem 19 Paragrafen umfassenden Entwurf ist lungen von Gegenständen, die vermöge ihres ge- in §°1 zu lesen: „Denkmale im Sinne dieses Gesetzes schichtlichen, künstlerischen oder kulturellen Zusam- sind (seien es bewegliche, seien es unbewegliche) Werke menhanges ein einheitliches Ganzes bilden, wenn von Menschenhand, seit deren Entstehung mindestens ihre Erhaltung als Einheit im öffentlichen Interesse 60 Jahre vergangen sind.“9 Der Begriff stellte also zu- gelegen ist. nächst ausschließlich auf das Alter ab und wird dann in (2) Darüber, ob ein solches Interesse besteht, ent- §°10 lediglich in klassierte (sind Denkmale von hervorra- scheidet das Bundesdenkmalamt.12 gendem Alterswert, Kunstwert oder historischem Wert, die in den Inventaren besonders kenntlich zu machen In dieser Normierung muss die Erhaltung von unbeweg- sind) und unklassierte unterschieden. Dieser Entwurf lichen und beweglichen Gegenständen von geschichtli- sowie zahlreiche andere wurden niemals Gesetz. Der cher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung im öf- Reichsrat konnte sich gegen die massiven Einwände der fentlichen Interesse gelegen sein. Was das öffentliche katholischen Kirche und des Adels nicht durchsetzen. Es Interesse war, wurde nicht näher erläutert. Dieses Ge- war der jungen Republik vorbehalten, den Denkmalschutz setz war mehr oder minder sowohl während des Aus-

7 Vgl. Ernst Bacher: Alois Riegl und die Denkmalpflege, in: Ernst Bacher (Hg.): Kunstwerk oder Denkmal? Alois Riegls Schriften zur Denkmalpflege, (= Bundesdenkmalamt [Hg.]: Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege Bd. XV) Wien, Köln, Weimar 1995, S. 11–19; http://www.aeiou.at/aeiou. 10 Gesetz vom 5. Dezember 1918 betreffend das Verbot der encyclop.r/r647058.htm (24. März 2011). Ausfuhr und der Veräußerung von Gegenständen von ge- 8 Ebd. S. 16. schichtlicher, kultureller Bedeutung, StGBl 90/1918. 9 Alois Riegel: Das Denkmalschutzgesetz, in: Ernst Bacher 11 Bundesgesetz vom 25. September 1923 betreffend Be- (Hg.): Kunstwerk oder Denkmal? Alois Riegls Schriften zur schränkungen in der Verfügung über Gegenstände von Denkmalpflege, (= Bundesdenkmalamt (Hg.), Studien zu geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung, Denkmalschutz und Denkmalpflege Bd. XV,) Wien, Köln, BGBl 533/1923. Weimar 1995, S. 99–120. 12 BGBl 533/1923.

140 trofaschismus als auch während des Nationalsozialis- (6) Die Feststellung des öffentlichen Interesses an mus13 gültig und wurde durch das Rechtsüberleitungs- der Erhaltung eines Denkmals erfolgt stets in jenem gesetz14 nach 1945 wieder in Geltung gebracht. Zustand, in dem es sich im Zeitpunkt des Rechtswirk- samwerdens der Unterschutzstellung befindet. Erst 1999 kam es zu einer umfassenden Novellierung und Neugestaltung des Denkmalschutzgesetzes. Dort heißt es Ja, welche Öffentlichkeit ist dafür zuständig § 1 (1) Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen zu bestimmen, was nun tatsächlich ein schutz- Bestimmungen finden auf von Menschen geschaffe- würdiges Denkmal ist? ne un bewegliche und bewegliche Gegenstände (ein- schließlich Überresten und Spuren gestaltender Immer wieder wurde bis zur Neugestaltung des Geset- mensch licher Bearbeitung sowie künstlich errichteter zes versucht, den Begriff des öffentlichen Interesses bis oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtli- zu den Höchstgerichten hin zu definieren, was nicht zu- cher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeu- letzt die zahlreichen Erkenntnisse des Verwaltungsge- tung („Denkmale“) Anwendung, wenn ihre Erhaltung richtshofes zeigen. dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Diese Bedeutung kann den Gegenstän- Als Prinzip (öffentliches Interesse, Anm. d. Verf.) zeigt den für sich allein zukommen, aber auch aus der Be- es den Wunsch, eine Homogenität im Spannungsfeld ziehung oder Lage zu anderen Gegenständen entste- von verschiedenen Interessen beziehungsweise eine hen. „Erhaltung“ bedeutet Bewahrung vor Zerstörung, Verklammerung zwischen verschiedenen Aufgaben- Veränderung oder Verbringung ins Ausland. bereichen herbeizuführen. Wenn dieser Begriff nicht eine „ideologische Leerformel“ bleiben soll, muß er in (2) Die Erhaltung liegt dann im öffentlichen Interesse, jedem konkreten Anwendungsbereich von der Öffent- wenn es sich bei dem Denkmal aus überregionaler lichkeit kontrollierbar sein. Im Zusammenhang mit der oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Denkmalpflege stellt sich aber die Frage: Welche Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchti- Öffent lichkeit ist für sie zuständig?15 gung des österreichischen Kulturgutbestandes in sei- ner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausrei- Ja, welche Öffentlichkeit ist dafür zuständig zu bestim- chender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten wür- men, was nun tatsächlich ein schutzwürdiges Denkmal de. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang ist? Klar, die Adolf-Hitler-Büste von Müllner wurde 1945 durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtli- entfernt, war offensichtlich kein schutzwürdiges Denk- che Dokumentation erreicht werden kann. /…/ mal im öffentlichen Interesse; hat sich schnell geändert

15 Géza Hajós: Denkmalschutz und Öffentlichkeit. Zwischen 13 Hier wurde der Vollzug des Denkmalschutzgesetzes den Kunst, Kultur und Natur. Ausgewählte Schriften zur Denk- Reichsstatthaltern zugewiesen. maltheorie und Kulturgeschichte 1981–2002, (= Huber 14 Verfassungsgesetz vom 1. Mai 1945 über die Wieder- Christian Ehalt [Hg.]: Historisch-anthropologische Studien. herstellung des Rechtslebens in Österreich (Rechts- Schriftenreihe des Instituts für Historische Anthropologie Überleitungsgesetz – R-ÜG.) StGBl 1945/6 in Wien, Bd. 19), Frankfurt/Main 2005, S. 28.

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Was beim Siegfriedskopf möglich war, sollte beschloss schließlich der Akademische Senat der Uni- auch beim Lueger-Denkmal möglich werden. versität Wien, den Siegfriedskopf aus der Aula zu ver- setzen und mit einer die „Genesis dieses Denkmals erklärenden Tafel“ zu kontextualisieren. „Das Bundes- denkmalamt legte sich dagegen quer.“17 Doch irgendwie konnte das Bundesdenkmalamt überzeugt werden, denn im Jahr 1945, was öffentliche Interesse ist. Aber liegt schließlich wurde 2006 die Neuaufstellung im westli- die Erhaltung des Lueger-Denkmals, so, wie es da steht, chen Teil des Arkadenhofes der Universität Wien gefeiert. wirklich im öffentlichen Interesse? Handelt es sich beim Das BDA forderte eine Witterungshülle aus Glas, und Lueger-Denkmal, so, wie es da steht, wirklich um Kultur- diese wurde als Trägerin von Textbeiträgen und Fotogra- gut aus überregionaler oder auch nur regionaler (lokaler) fien eingesetzt. Sicht? Liegt es nicht vielmehr im öffentlichen Interesse, Lueger braucht keine Witterungshülle, steht ja schon dieses lokale Kulturgut um 3,5 Grad zu neigen – ich würde lange genug outdoor, und verwittert sowieso, nur leider sagen: Ja. nicht schnell genug. Siegfriedskopf versetzen ist mög- PS: Was beim Siegfriedskopf möglich war, sollte auch lich, Lueger um 3,5 Grad neigen ist eine „direkte Beein- beim Lueger-Denkmal möglich werden. 1923 wurde auf trächtigung“?// Initiative der Deutschen Studentenschaft Österreichs ein Denkmal für die in „Ehren gefallenen Helden unserer Universität“ in der Aula der Universität Wien errichtet. Der Siegfriedskopf wurde von Josef Müllner, zwischen 1910 und 1948 Professor an der Akademie der bilden- den Künste, gestaltet, ebenso wie auch der Wehrmann in Eisen (1915), das Lueger-Denkmal (1926), ein Reiter- standbild für die Olympischen Spiele in Berlin (1935) sowie die Adolf-Hitler-Büste für die Aula der Akademie der bildenden Künste (1940). Das Denkmal in der Aula der Universität war immer wie- der Treffpunkt schlagender Verbindungen, die dann in Wichs mit Säbel zum Kommers marschierten. „Wieder- holt war es auch schon davor zu mitunter gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Burschenschaftern und linken Studierenden gekommen.“16 Im Sommer 1990

16 http://www.univie.ac.at/universitaet/forum-zeitgeschichte/ projekte/siegfriedskopf/#c1134 (26. März 2011) 17 Ebd.

142 Eva Blimlinger KARL LUEGER, 3,5 DEGREES AND THE PROTECTION OF MONUMENTS

“Yet another Viennese monument project has been an anti-Semite, Lord Mayor Lueger, a memorial plaque dealt a bad hand. A private initiative, started from would be sufficient, thinks the present Lord Mayor of within the University of Applied Arts in Vienna, want- Vienna, Michael Häupl. Yes, say the Greens, they are for ed to transform the statue to Lord Mayor Karl Lueger it, but now that we have a red-green coalition we’ll see (1844–1910) into a monument against anti-Semitism if everything is different – or not. But what Viennese and racism. (…) The municipal department responsi- politicians say or don’t say is, to be blunt, irrelevant – ble (MA7) recognises the necessity for contemporary because in the final analysis what the Vienna office of reflection on the 1926 Lueger monument and there the Bundesdenkmalamt [Federal Department for the have also been talks but they point out that it is the Protection of Heritage Buildings and Monuments], and province of the Austrian Federal Office for the Care the Federal Department itself wants, is decisive. This is of Monuments [Bundesdenkmalamt]. They issued a because if the owners, the City of Vienna, do not fight rejection: “I have no problem with erecting a second for a change, submit an application, push for it through monument on the site that reassesses Lueger, or official channels – if necessary right up to the Federal with any explanatory plaques that are put up, “ said the Minister Claudia Schmied – the Bundesdenkmalamt re- head of the Vienna office, Friedrich Dahm, “but as far mains the defensive argument of choice. Finish. as we are concerned, any direct impairment of the What is this heritage protection? What does protection monument is unacceptable. Apart from the statue it- of monuments mean anyway? What is a monument, self, there are slabs weighing tons which would have and who decides when and why something is a monu- to be removed, and in our experience this is not pos- ment? First, a look at the etymology of the words mon- sible without damage”.1 ument and memorial. They are Middle English/Old French In any case the majority of politicians are against the step, and derive from the Latin monumentum, monument or those of the ÖVP (Austrian People’s Party) and the FPÖ memorial, which derives from monere meaning “to re- 3 (Austrian Freedom Party) in particular. The opinion of the mind or warn”. In greater detail from the same source: ÖVP spokesperson for culture is “one should add ex- MONUMENT, 1. A sepulchre, 2. A written document, planatory plaques to the existing monument and in that record, legal instrument 3. (rare) evidence or token of way engage with Lueger’s political instrumentalization some fact 4. Anything that by its survival commemo- of anti-Semitism”.2 The SPÖ (Socialdemocratic Party) say rates a person, action, period, or event 5. A structure, well, yes, says one; maybe, says another. Yes he was edifice, or erection intended to commemorate a no-

1 Kurier, 2 September 2010 2 Der Standard, 12 May 2010 3 See the Shorter Oxford English Dictionary

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table person, action, or event 6. A structure of stone mission4 [Imperial Central Commission Yearbook]. In or other material erected over the grave or in church 1873 the commission – now called the K. K. Zentralkom- etc., in memory of the dead. mission für die Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale [Imperial Central Commi- MEMORIAL, 1. Preserving the memory of a person sion for Research and Preservation of Artistic and His- or thing as a statue, festival etc. 2. Remembered, toric Monuments], was, as an institution, given addi- memorable 3. Of or pertaining to memory, done from tional powers and, above all a budget to be used for memory. restoration projects. There was still no law, although Thus buildings, writings, sculptures, art in general but there were numerous attempts at enacting one.5 also “anything that by its survival commemorates” – The doyen of Austrian (and certainly also international my poetry album, mother’s pressure cooker, father’s monument care and preservation) was Alois Riegl shirt? No, those cannot be monuments. So everything (1858–1905). From 1886 to 1897 he was at the Austrian that anyone asserts that commemorates something Museum for Art and Industry, and from 1897 he was specific? That can’t be true either, because it would professor at the University of Vienna, becoming one of mean everything could be a monument/memorial, and the founders of the “Vienna School of Art History”. In thus nothing is one. So there has to be a definition. How 1902 he began as editor of the Mittheilungen der k. k. did protection of heritage/monuments begin? Central-Commission für Erforschung und Erhaltung der The beginnings of monument protection in Austria go Kunst- und historischen Denkmale and was finally ap- back to – how could it be otherwise, one is tempted to pointed head of the Department for Art and Monuments write – Maria Theresia (1717–1780) though at the time on the 4 January 1904.6 it mainly concerned moveable possessions. It was only after the 1848 revolution, on 31 December 1850, that Emperor Franz Joseph I (1830–1916) signed the Aller- höchste Entschließung [supreme resolution] to estab- lish the k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Imperial Central Commis- sion to Investigate and Preserve Historic Buildings]. In 4 Today the Bundesdenkmalamt publishes its successor, the Österreichische Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege. 1853 the “commission” took up its work but there was 5 See: Christoph Bazil, Reinhard Binder-Krieglstein, Nikolaus no law which defined exactly what a monument was. Kraft: Das österreichische Denkmalschutzrecht, Wien 2004, 17–28; Walter Frodl: Idee und Wirklichkeit. Das Werden der The basis for their work were ordinances and court staatlichen Denkmalpflege in Österreich (= Studien zu Denk- chancellery decrees, and the gentlemen had the oppor- malschutz und Denkmalpflege 13) Cologne, Vienna 1988; Theodor Brückler: Vom Konsilium zum Imperium – Die Vor- tunity of writing reports on new buildings, compiling a geschichte der österreichischen Denkmalpflege, in: Öster- compendium of new buildings, and otherwise to docu- reichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege XLV (1991), 160–173. BDA-Bundesdenkmalamt http://www.bda. ment and research all kinds of things. The results of at/organisation/126/0/5780/texte/ (15 April 2011). their researches and analysis were published (in part) in 6 See: Ernst Bacher: Alois Riegl und die Denkmalpflege, in: Ernst Bacher (ed.): Kunstwerk oder Denkmal? Alois Riegls the Mittheilungen der k. k. Central-Commission [Report Schriften zur Denkmalpflege, (= Bundesdenkmalamt [Pub.]: of the Imperial Central Commisssion] which began pub- Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege Vol. XV) Vienna, Cologne, Weimar 1995, 11–19; http://www.aeiou.at/ lication in 1856 and the Jahrbuch der k. k. Central-Com- aeiou.encyclop.r/r647058.htm (14 April 2011).

144 From as early as 1874 there had been discussions about Monuments Law]10 which governs the situation, more proposed laws “intended to make the preservation of or less unaltered, till today. artistic and historic monuments a matter of ‘public inter- Sect. 1 (1) The limitations specified in this statute ap- est’”.7 Finally, in 1903 the publishing house of the Central ply to immovable and moveable objects (monuments) Commission in Vienna published a “draft of the legal of historical, artistic, or cultural importance if their structure for the preservation of monuments in Austria”. preservation is a matter of public interest. The provi- Alois Riegl was not named personally in order to pre- sions of this act applying to monuments also apply to vent the impression that a personal, individual position groups and collections of objects which, in their his- was being represented. Section 1 of the comprehen- torical, artistic, or cultural context, form an entirety if sive, nineteen-section draft reads “A monument within their preservation as entirety is in the public interest. the province of this act include works – whether move- able or immovable – made by human hand which have (2) The Bundesdenkmalamt decides if such a public 11 been in existence for at least sixty years”.8 Thus initially interest exists. the term was depended solely on age and in section 10 These norms foresee that the preservation of immova- these are merely divided into classified and unclassi- ble and moveable objects of historical, artistic, or cul- fied, the former being monuments of exceptional value tural value must be in the public interest. What the pub- because of age, artistic merit, or historical significance. lic interest was, was not specified in detail. This law These are to be particularly well documented in the in- remained in force, more or less intact, during the periods ventories. This draft, like so many other, never became of both Austro-fascism and National Socialism and, after law. The Reichsrat (imperial council) was unable to im- 1945, was reactivated by the Rechtsüberleitungsgesetz pose its will in the face of massive objections from the [Legal Transition Law].13 Catholic church and the nobility. It was left to the young It was not until 1999 that comprehensive amendments republic to pass legislation dealing with the preserva- and reforms of the law relating to the protection of tion of monuments. An initial attempt was made to cre- monuments were undertaken. This stipulates: ate a valid structure for the notion of monument preser- vation with the 1918 Ausfuhrverbotsgesetz [Export Ban Sect. 1 (1) The provisions of this act apply to man- Law]9. This was then achieved in 1923 with the Denkmal- made objects both immovable and movable (includ- schutzgesetz [Preservation of Historical Buildings and ing remains and traces of human work as well as

10 Federal law of 25 September 1923 relating to limita- 7 Ibid. 16. tions on the ability to dispose of objects of historical, 8 Alois Riegel: Das Denkmalschutzgesetz, in: Ernst artistic, or cultural importance, BGBl 533/1923. Bacher (ed.): Kunstwerk oder Denkmal? Alois Riegls 11 BGBl 533/1923. Schriften zur Denkmalpflege, (= Bundesdenkmalamt 12 The enforcement of the laws relating to Denkmalschutz [pub.]: Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege were transferred to the Reichsstatthaltern [Lieutenant Vol. XV) Vienna, Cologne, Weimar 1995, 99–120. Governors]. 9 Law passed on the 5 December 1918 regulating the 13 Verfassungsgesetz vom 1. Mai 1945 über die Wieder- ban on export or sale of objects of historical, artistic, herstellung des Rechtslebens in Österreich (Rechts- or cultural importance StGBl 90/1918. Überleitungsgesetz – R-ÜG.) StGBl 1945/6

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artificial earthworks which have been erected or As a principle the public interest (inserted by the au- formed) that are of historical, artistic, or general cul- thor) shows a wish to bring about homogeneity in tural importance (“monuments”) if the preservation the field of tension that exists between the various of their importance is in the public interest. This im- interests, or a nexus between two areas of responsi- portance may be a quality of the object itself, but bility. If this term is not to remain just an “ideological may also derive from its relationship to other objects. empty phrase” it must be subject to public control in “Preservation” means protection from destruction, every area to which it applies. The question arises in changes, or removal abroad. connection with the preservation of monuments: Which public is responsible for them?14 (2) Preservation is deemed to be in the public inter- est if the monument is from a national or, at the pre- Yes, which public has the responsibility for deciding sent time, only regional (local) point of view a cultural which monument is worth protecting? Of course Müll- object, the loss of which would mean a diminution of ner’s Adolf Hitler bust was removed in 1945. Apparently the inventory of Austrian cultural objects as a whole the public interest did not consider it worthy of protec- in regard to quality, sufficient quantity, diversity, and tion. What public interest was, was something that distribution. Whether and to what extent a historical changed rapidly in 1945. But is it in the public interest to documentation can be achieved by the preservation preserve the Lueger monument as it is now? Are we of the monument is also of the essence. (…) really dealing, in the case of the Lueger statue, with a piece of heritage from a national or only regional (local) (6) The determination of public interest in the preser- point of view? Would the public interest not be better vation of a monument is always deemed to take served by tilting this piece of cultural heritage by 3.5 place in the condition in which it is at the time that degrees? I would say yes. protection legally takes effect. P.S. What was possible with the Siegfried head must be Time and again attempts have been made to define the possible with the Lueger monument. In 1923, at the in- term public interest – going as far as suggesting radical stig ation of the Deutschen Studentenschaft Österreichs reform of the laws. Some of these attempts can be re- [German Student Association of Austria] a memorial viewed in the numerous Higher Administrative Court was erected in the main assembly hall of the University judgements. of Vienna in “honour of the university’s fallen heroes”. The Siegfried head was made by Josef Müllner, profes-

14 Géza Hajós: Denkmalschutz und Öffentlichkeit. Zwi- schen Kunst, Kultur und Natur. Ausgewählte Schriften zur Denkmaltheorie und Kulturgeschichte 1981–2002, (= Huber Christian Ehalt [ed.]: Historisch-anthropologi- sche Studien. Series of scientific papers bub. by the Institute of Historical Anthropology in Vienna, Vol. 19), Frankfurt/Main 2005, 28.

146 sor at the Vienna Academy of Fine Arts from 1910 to 1948. He also made the Wehrmann in Eisen (1915), the Lueger monument (1926), an equestrian statue in 1935 for the Berlin Olympic Games, and the Adolf Hitler bust for the assembly hall of the Academy of Fine Arts (1940). The memorial in the assembly hall of the university was repeatedly used by the duelling fraternities as a meet- ing place. They then marched off to their meetings in full uniform and with sabres. “Even before that, there were repeated clashes between the fraternities and left-wing students.”15 In the summer of 1990 the aca- demic senate of the university finally decided to remove the Siegfried head from assembly hall and to re-site it, adding a contextualizing plaque about “the origins of this memorial”. “The Bundesdenkmalamt (BDA) obstructed the move.”16 But somehow the BDA was able to be per- suaded because in the end, in 2006, the re-siting in the western part of the university’s arcaded courtyard was celebrated in a ceremony. The BDA demanded a glass cover, protection from the weather and this was used as the basis for textual materials and photographs. Lueger does not need weather protection – he has been standing outdoors and is being continually weathered. Unfortunately not fast enough. Re-siting the Siegfried head was possible, tilting Lueger 3.5 degrees is “direct impairment”?//

15 http://www.univie.ac.at/universitaet/forum-zeitge- schichte/projekte/siegfriedskopf/#c1134 (14 April 2011) 16 Ibid.

Eva Blimlinger, geb. 1961, Historikerin, Leitung der Abteilung Prozessmanagement und Projektkoordination Kunst- und Forschungsförderung an der Universität für angewandte Kunst Wien. Eva Blimlinger, born 1961, historian, head of the Department for Process Management, Project Coordination Art and Research Promotion Office at the University of Applied Arts Vienna.

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STELLUNGNAHME Lukas Frankenberger

Installation einer Texttafel (10 m x Bis die Stellungnahme der Stadt 5 m, schwarze Schrift auf weißem (ebenfalls mit Datum) angebracht Grund) mit folgendem Text und wird, wird die Tafel strahlend weiß dem Datum der Installation: gehalten. „Stellungnahme der Stadt Wien zur Umgestaltung des Lueger- Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus“ (Datum)

148 Schieflage um 3,5 Grad nach rechts zu neigen, wird. Die Schieflage erinnert auch soll die Ehrwürdigkeit gebrochen an ein untergehendes Schiff oder Klemens Wihlidal und die Aufrichtigkeit infrage ge- ruft das vage Gefühl von Vergäng- Mit meinem Entwurf möchte ich stellt werden. Damit möchte ich lichkeit und Unbeständigkeit her- nicht das bestehende Denkmal ver- eine leichte Irritation, oder mehr vor, so als müsse man zusehen, ändern, sondern die Sichtweise und noch ein Unsicherheitsmoment wie das Denkmal abgetragen wird, Perspektive darauf. Mit dem „mini- auslösen, das möglicherweise erst oder zumindest damit rechnen, malen“ Eingriff, Statue und Sockel beim zweiten Hinsehen spürbar dass es nicht mehr lange steht.

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Der Karl-Lueger-Preis Ernst Gruber

AND THE LUEGER GOES TO ... In der alltäglichen Wahrnehmung verschmelzen Denkmäler mit an- deren städtischen Elementen wie Portalen, Ornamenten, Beleuch- tungskörpern und Werbeflächen, zu einem Gesamtbild. Sie stellen, gemeinsam mit den Gebäuden der Stadt, die unbewegliche Kulisse dar, vor der die täglichen Abläufe ihrer Akteur_innen stattfinden. Grundsätzlich obliegt es dem Ge- mütszustand und dem Bildungs-

150 grad jedes Einzelnen, in welcher Weise die Umgebung auf ihn oder sie einwirken kann. Die Stadtkulis- se bedarf eines Anlasses, um Auf- merksamkeit zu bekommen und zum Gesprächsthema im Alltag werden zu können. Jenseits der individuellen ist somit die anlass- gebundene Wahrnehmung die maßgebende, wenn es darum geht, dass Stadtgeschichte und Gegenwart einander begegnen sollen – mit medialer Unterstüt- zung. Preisverleihungen sind mediale Ereignisse, die sich gut dazu eignen in wiederkehrenden Abständen be- sonders herausragende Leistungen an den negativen Charakter von mal an. Der Preis wird auch in Ab- zu würdigen. Diese müssen nicht Luegers Politik sind die Kriterien wesenheit der Preisträger_innen zwingenderweise positiv sein, so für die zu „würdigenden“ Leistun- verliehen. gibt es eine Reihe internationaler gen unter anderem die öffentlich- Negativpreise, unter anderem die Der derart institutionalisierte Karl- keitswirksame Betonung von Ste- „Goldene Himbeere“ für beson- Lueger-Preis soll in wiederkehren- reotypen oder die konsequente ders schlechte Darbietungen oder den Abständen den Verweis auf Herabwürdigung von Menschen den „Big Brother Award“ für Per- den historischen Präzendenzfall aufgrund religiöser, politischer oder und die Folgen in kollektive Erinne- sonen, die in besonderer Weise nationaler Zugehörigkeiten. Die rung rufen. die Privatsphäre Dritter verletzen. Veranstaltung wird anlassgebun- Die formale Übereinstimmung zwi- den, aber nicht öfter als halbjährlich schen dem Lueger-Denkmal und abgehalten, in breitem Stile medial einem Preis wie etwa dem „Oscar“ angekündigt und glamourös insze- ist Anlass, einen verkleinerten Ab- niert. Als Ort für die Verleihung bie- guss des Denkmals anzufertigen, tet sich das Audimax am Dr.-Karl- der im Rahmen von Veranstaltun- Lueger-Ring oder das MAK in un- gen verliehen wird. In Erinnerung mittelbarer Nähe zum Lueger-Denk-

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Verdienstkreuz für diskriminie- ERINNERN UND GEDENKEN Lueger widerspricht. Gleichzeitig renden Populismus Personendenkmal und Ordensver- wird diese andere Wahrheit über Susanne Quehenberger gabe stellen konservative Formen Lueger in den Medien bekannt, der Ehrerbietung dar, die sich selten indem sein Name in Zusammen- Die vorliegende Arbeit besteht aus durch kritische oder emanzipatori- hang mit rechtspopulistischen zwei Teilen – der steinernen Ergän- sche Überlegungen auszeichnen. PolitikerInnen neu geprägt wird. zung am bereits bestehenden Erin- Beide sollen hier angeeignet und nerungsort für Karl Lueger und der unterwandert werden. Die Ergän- In doppelter Strategie – durch die jährlich am 19. September (Tag der zung des Denkmales will keine räumliche Präsenz am Lueger-Platz Einweihung des Denkmals) erfol- neue hoheitliche Deutung von Karl und durch die performative Praxis genden Verleihung des „Lueger- Lueger vorgeben – auf den ersten der Ordensvergabe – wird somit Verdienstkreuzes für diskriminie- Blick bestätigt sie sogar in Anspie- eine kritische Erinnerung an Lueger renden Populismus“ an zeitgenös- lung auf eine Kranzniederlegung lebendig gehalten. Zusätzlich kann sische PolitikerInnen. die derzeitige Inszenierung. Die sich die Ordensvergabe zu einem Betitelung „Lueger-Verdienstkreuz machtvollen Instrument entwickeln, für diskriminierenden Populismus“ um sichtbaren Widerstand gegen macht das Supplement jedoch antisemitischen und rassistischen deutlich zu einer zweiten Stimme, Populismus in der österreichischen die der rosigen Erinnerung an Karl Tagespolitik zu leisten.

152 DAS VERDIENSTKREUZ DIE VERLEIHUNG sprüchen wie „Abendland in Chris- tenhand“ humorvoll mit Kreuzritter- Der Titel „Verdienstkreuz für diskri- Zur jährlichen Vergabe des Lueger- Dress-up-Partys und öffentlichen minierenden Populismus“ umfasst Verdienstkreuzes soll eine Kurie Tauforgien begegnet oder auch, sowohl Luegers Antisemitismus gebildet werden, die aus Mitglie- dass sie sich in gediegenem Rah- wie auch zeitgenössischen Rechts- dern der jüdischen Gemeinde, men auf die Verleihung der Orden populismus und kann im Prozess Minderheitenvertretungen und beschränkt. In beiden Fällen beruht der Kuriengründung noch überarbei- kritischen PolitikbeobachterInnen die Tätigkeit der Kurie auf tiefgrei- tet werden. Die Schlagworte Anti- besteht und/oder mit diesen eng fender Recherche und wird durch semitismus und Rassismus eignen zusammenarbeitet. Ich kann mir professionelle Pressearbeit beglei- sich meines Erachtens wegen ihrer sowohl vorstellen, dass die Kurie tet. Kampfrhetorik, bei gleichzeitiger einen künstlerischen Anspruch begrifflicher Unschärfe, weniger verfolgt und etwa FPÖ-Wahlkampf- zur Betitelung von lebenden Mit- menschen.

153 DIE BAUSUBSTANZ ANGREIFEN

Ein Gespräch der „Plattform Geschichtspolitik“ über Geschichtspolitiken im öffentlichen Raum, die Funktion des Denkmalschutzes sowie einige Prinzipien zur Umgestaltung problematischer Manifestationen.

Niki: Beginnen wir mit einer Beschreibung der „Platt- antifaschistisch, antisexistisch, anti-antisemitisch defi- form Geschichtspolitik“. Sie gründete sich während der nieren, immun ist oder nicht herausgefordert werden kann. Bildungs proteste und Besetzungen von Universitäten Ich denke, bisher haben wir sehr stark versucht, uns im Herbst 2009. Die Gruppe ist somit auch ein Ergebnis einzumischen. Ein Aspekt unserer Arbeit ist, bestimmte bestimmter Überlegungen dazu, wie Wissen heute her- geschichtspolitische Zustände zu kritisieren, zu attackie- gestellt wird. Im Kunstfeld ist die Form des kollektiven ren – ein weiterer Schritt ist es, Geschichte zu schreiben Arbeitens für uns auch eine Entscheidung, die Vorstellung und für bestimmte Positionen auch zu kämpfen. individualistischer Produktion und den „Geniebegriff“ aus- einanderzunehmen. Katharina: Hier gibt es einen Unterschied zwischen un- serer Praxis und jener der Geschichtswerkstätten der Katharina: Kunst bietet Instrumente, die ausbeuterische 70er/80er Jahre. Diese waren ein emanzipatorisches, in oder unterdrückerische Strukturen als „normal“ erschei- vielen Fällen marxistisches Projekt, welches gesagt hat: nen lassen können. Der politische Aspekt von Kunst liegt Geschichte, wie sie erzählt wird, ist unzutreffend, es ist oft gerade im aktiven Verschweigen, also Entpolitisieren die Geschichte der Herrschenden – der Anspruch war, dieser Tatsache. Auch die Anerkennung dessen, dass die verborgene Geschichten zu erzählen, die Geschichte der Interpretation von Fakten eine Frage des Standpunktes Marginalisierten. Wenn du aber sprichst, musst du dir ist, wird im Feld der Kunst oft untergraben. Unsere Frage klar machen, aus welcher Position du das tust. In Verbin- ist an dieser Stelle, wie Kunst als politisierendes und de- dung mit rassistischen und antisemitischen Zuschrei- normalisierendes Instrument genutzt werden kann. bungen gibt es oft eine Subjektivierung, die danach fragt: Woher nimmst du das Recht zu sprechen? Es reicht gleichzeitig nicht zu sagen, „Ich bin Antifaschist_in.“ REFLEXIVITÄT Der eigene Handlungsspielraum muss geklärt werden, Niki: Wir meinen eben nicht, abseits von Ideologie zu um nicht moralisch, sondern in politischen Kategorien stehen, sondern vertreten gewisse Positionen. Wir agie- verhandeln zu können. Das versuchen wir in unserer ren von einem ideologischen Standpunkt aus, sagen aber Praxis zu reflektieren. nicht, dass dieser Standpunkt, den wir als antirassistisch,

154 $"0 %& %10-,)&1&( INTERVENTIONEN Chris: Der Begriff „Geschichtspolitik“ bedeutet anzuer- Katharina: Nachdem die Plattform im Juni 2010 eine kennen, dass Geschichte immer gemacht wird – von antifaschistische Umgestaltung des Weinheber-Denk- Akteur_innen, die bestimmte gesellschaftliche Interes- mals vorgenommen hatte, veröffentlichte Martin Haidin- sen, politische Lager und Kontinuitäten vertreten und die ger einen Artikel im CV-Magazin „Academia“, in dem er sich in Auseinandersetzung darüber befinden, wie und die Plattform Geschichtspolitik als „PC-Taliban“ bezeich- welche Geschichte geschrieben wird. In der Entstehung net.1 Das ist ein interessantes Bild: Alle, die sich nicht von gesellschaftlicher Hegemonie, wie das Gramsci be- einverstanden erklären und dies öffentlich auch artiku- schreibt, gibt es verschiedene gesellschaftliche Akteur_ lieren, gelten als Barbar_innen und Terrorist_innen. Das innen, die sich gegeneinander in Stellung oder in Bewe- ist eine Transformation, mit der wir es derzeit zu tun gung bringen. In diesem aktiven Prozess der Geschichts- haben, ich erinnere an die Kriminalisierung von vier Kunst- politik ist es dann möglich, Interventionen zu denken. studierenden, die auf einem Flughafen eine Abschie- bung dokumentiert haben. Die Taliban stehen hier für die Katharina: Geschichts- und Gedenkpolitik wurde ganz Bedrohung einer Demokratie ohne Widersprüche. Im massiv auch von Überlebenden der Shoah eingefordert gleichen Moment wird bestimmten Personen das Recht und betrieben. Anliegen war hier, das Gedenken an die zu sprechen aberkannt, etwa jenen, die als Migrant_innen Shoah – sowohl an die Ermordeten als auch an die Über- konstruiert werden. So entledigt man sich bestimmter lebenden – zu einem offiziellen, einem staatlichen, auch Positionen schon bei der Etablierung dieser sogenann- nationalen Teil von Gedenken zu machen. Insofern ist ten „Demokratie“. Gleichzeitig versucht die Zuschrei- Geschichtspolitik immer auch Intervention. bung „PC“, also „political correct“, die formulierte Po- Manche dieser Interventionen werden akzeptiert, weil sition zu delegitimieren. sie unauffällig und somit Mainstream-tauglich sind und Genauso wie unsere Interventionen eine Praxis so „normalisiert“ werden – während andere als „übertrie- Chris: darstellen, sind auch Denkmäler Resultat einer Praxis: ben“ oder „unpassend“ empfunden werden. Das Ab- Schließlich fallen die ja nicht vom Himmel, sondern wer- surde dabei ist, dass Intervention immer als etwas ge- den ausgeschrieben, geplant, gebaut, instand gehalten, dacht wird, das von „außen“ kommt. Dabei interveniert geschützt und sind somit als bewusst gesetzte Zeichen aber auch die ÖVP in Geschichte, indem sie z. B. ein Por- zu verstehen. Bei der Gestaltung des öffentlichen Rau- trät von Dollfuß in ihren Parlamentsklub hängt und nach mes mit oder über Denkmäler stellt sich die Frage, wer Mariazell pilgert. Einer unserer Claims ist also, Kämpfe gestalten darf, also welche Perspektiven auf welche und Akteur_innen innerhalb geschichtspolitischer Pro- Ereignisse wie dargestellt werden. Warum halten sich zesse sichtbar zu machen. Es gibt eben Akteur_innen, manche so lange, und warum gibt es ein großes Bemü- die ein Interesse daran haben, Kriegerdenkmäler am hen, sich anderer sehr rasch, sozusagen über Nacht, zu Leben zu erhalten und eine Praxis des Revisionismus zu entledigen? pflegen. Zu einem Kriegerdenkmal zu pilgern und dort Blumen niederzulegen ist eben auch eine Intervention.

Sie ist gesellschaftlich tief verwurzelt und möchte defi- 1 Haidinger, Martin: „Das Treiben der PC-Taliban“. In: „Academia“ nieren, was unter „Geschichte“ verstanden werden soll. – Zeitschrift des Cartellverbandes der katholischen österreichi- schen Studentenverbindungen“, http://www.oecv.at/download. fec?id=74057827&type=acwt

155 DIE BAUSUBSTANZ ANGREIFEN

STANDORTLOGIKEN rung zu besuchen, während fortschrittliche Elemente aus der Geschichte gestrichen werden – also auch das kann Chris: Hier finde ich gerade Wien spannend. In dieser Standortlogik sein. Ich denke, der Umgang mit der Ge- Stadt herrscht eine echte Standortlogik vor, da geht es schichte des real existierenden Sozialismus ist gesell- vor allem um Tourismus. Wir können ins „Sisi-Museum“ schaftlich einfacher: „Das kann uns nicht mehr gefähr- gehen und in die Hofstallungen – das ist recht verklärt lich werden.“ Die Frage ist, wie und wann die Standort- und verkitscht in Wien. Ganze Stadtteile, wie etwa die logik auch bei Gedenkstätten in dieser Form einsetzt. Innenstadt, werden bewusst gefördert, erhalten und in- szeniert. Edi: In Deutschland ist das ja schon so, in Österreich gibt es – noch – einen anderen Zugang. Edi: Der Umstand, dass es so viele „Urban Markers“, also Straßen, Plätze und Denkmäler, aus einem Regime gibt, welches abgeschafft worden war – nämlich der !"+(*)0 %217 Monarchie –, ist bemerkenswert. Es hat sich herausge- Katharina: Ich denke, als Grundlage davon, wie öffent- stellt, dass sie für die Zwecke des Tourismus förderlich licher Raum ständig neu hergestellt wird, ist der Denk- sind, aber das war nicht immer der Grund, sie zu be- und malschutz sehr relevant. Dies ist besonders sichtbar und erhalten. Es ist mir ein Rätsel, wie die monarchistischen spürbar an sogenannten Orten des „Kulturerbes“, wo Denkmäler die Erste Republik überleben konnten, war diese „policies of protection“ sehr klar zum Vorschein doch das Ende der Monarchie einer der größten politi- treten. Diese Politiken betreffen nicht nur die Orte, Denk- schen Brüche in der Geschichte dieses Landes. mäler oder Straßennamen selber, sondern sind auch Chris: Die Frage ist aber, ob damals das Selbstbewusst- soziale Praxen und betreffen den alltäglichen Gebrauch sein der Republik so groß war. Es gab ja einige Zweifel dieser Räume. Das „Gesetz“ des öffentlichen Raums ist: an der Überlebensfähigkeit des „Überbleibsels“ Öster- Ein Denkmal darf nur unter ganz bestimmten Bedingun- reich. Ich meine, dass solche Monumente eine rückwärts- gen angegriffen werden! Dieses „Angreifen“ wird gege- gewandte Sicherheit in der Raumorientierung darstellen benenfalls kriminalisiert. Also ist es interessant, sich anzu- können. Als Referenz: „Eigentlich sind wir ja doch die sehen, was hier eigentlich geschützt wird und wo die ehemalige k. u. k. Hauptstadt.“ Möglichkeiten liegen, dieses konstruierte Schutzschild herauszufordern. Edi: Dem würde ich zustimmen, aber es ist trotzdem bemerkenswert. Während der Zeit, die ich in den letzten Niki: Interessant ist es auch zu zeigen, wie grundlegend Jahren in Belgrad verbracht habe, habe ich einen Umge- der Denkmalschutz wirkt. Im Falle der Statue des Nazi- staltungsprozess miterlebt: Viele Straßennamen mit in- dichters Josef Weinheber geschah dies besonders of- ternationalistischen oder sozialistischen Referenzen wur- fensichtlich und ist an jenem massiven Fundament ab- den durch monarchistische ersetzt; ein Modell, inner- lesbar, um das das Denkmal 1975 von der Stadt Wien halb dessen diese Referenzen zu einer Art Standortfak- erweitert wurde. Es zeigt sehr gut, mit welchem Auf- tor werden können – in einer bestimmten Situation eines wand hier das hegemoniale Kulturverständnis geschützt gesellschaftlichen Bruches oder einer Veränderung. wird und als alternativlos hingestellt wird.

Chris: In Berlin ist es möglich, eine Trabi-Tour zu machen, Edi: Der Denkmalschutz funktioniert auch als paradigma- die Mauer oder ehemalige Bunkeranlagen der DDR-Füh- tisches Symbol für ein nichtdynamisches Geschichtsbild.

156 Niki: Nach dem Motto: „Das ist der einzige und endgül- die „Machbarkeit“ ein Problem der jeweils fordernden tige Zugang zu Geschichte.“ Als gäbe es keine anderen Personen. Geschichten. Katharina: Ich denke, dass beim Open Call für die Um- Katharina: Denkmäler werden oft schon zu Beginn oder gestaltung des Lueger-Denkmals nicht nur die Stadt als gar vor ihrer Errichtung herausgefordert. Der Siegfrieds- Verhandlungspartnerin berücksichtigt wurde, sondern kopf an der Universität Wien, aufgestellt 1923, prokla- sozusagen auch die öffentliche Debatte als Angelpunkt mierte auch keine „Geschichte für alle“, sondern war ein gesehen wurde, in puncto Überzeugungsarbeit in Bezug klares Bekenntnis zum sogenannten Langemarck-My- auf eine Umgestaltung. Weil eben die Figur Lueger so thos. Erinnert wird hier an die „gefallenen deutschen eingebettet und unhinterfragt ist. Hier kommt oftmals Burschen“, somit wird ein deutschnationaler Mythos eine defensive Art, Politik zu denken, zum Einsatz. Kritik konstruiert. Sofort nach der Errichtung gab es Kritik und wird eben oft vereinnahmt, infantilisiert oder pathologi- Interventionen. Erst später haben es die Burschenschaf- siert. Die extreme Rechte ist in diesen Fragen allerdings ten und andere deutschnationale Kräfte an der Universi- „ahead of things“, sie geben den Ton an und setzen die tät und in der Stadt geschafft, ihr Denkmal zu normali- Agenden. Die Rechte hat es aufgrund der Normalisie- sieren. Also ist der Siegfriedskopf kein „nationales Mo- rung rechter Inhalte vielfach geschafft, dass ihre Forde- nument“, sondern musste von bestimmten Kräften erst- rungen als „Provokation“ aufgefasst werden. Wenn die mal etabliert werden. Der Denkmalschutz wurde dann Rechte also etwas fordert, wird es öffentlich wirksam. zum Verwalter dieses Geschichtsbilds. Es ist immer eine Wenn die Linke dies tut, wird es als „utopisch“, „chao- Frage der Kräfteverhältnisse, in welcher Form diese Inter- tisch“ eingeordnet, denn sie habe ja historisch beim Ver- ventionen diskutiert werden und wie mit ihnen umge- such versagt, „Gesellschaft zu organisieren“. So ist dieses gangen wird. Aggressionen gegen jüdische Friedhöfe Feld ideologisch strukturiert. werden selten kriminalisiert, da ist dann meist von „Laus- buben“ die Rede, es wird entpolitisiert darüber gespro- chen. Von diesem Schutzschild ist wenig zu merken. !&"$"0 %& %10-,)&1&0 %"),$&(!"0 ²##"+1)& %"+/2*0 Edi: Ich denke, hier hat sich viel verändert in den letzten Chris: Geschichte wird aber auch oft als etwas Abge- Jahren, es gibt mehr Geld und auch mehr Schutz für schlossenes gezeichnet und naturalisiert: Das, was aktuell diese Orte, auch wenn es hier einen sehr gut etablierten passiert, gehört nicht dazu. Dabei müsste es logisch sein, Diskurs der Rechtfertigung gibt. Ich würde an dem dass auch die Lueger-Statue irgendwann aufgestellt Punkt zustimmen, dass die öffentliche Empörung grö- worden ist. ßer ist, wenn es z. B. um Lueger geht und hier jemand eine Entfernung fordert. Aber geschändete Orte sind Niki: Das ist im Übrigen ja auch die Funktion von Denk- eine andere Sache. Der Denkmalschutz ist eine Frage, mälern: Dass sie statisch sind, lernen wir von klein auf. mit der man sich befassen muss, wenn ernsthaft eine Denkmäler greift niemand an, Kinder dürfen nicht darauf Umgestaltung erreicht werden soll: Was ist die mögli- spielen, sie sind immer auch räumlich unerreichbar, che Bandbreite von Umgestaltungen, von der Entfer- manchmal gibt es sogar einen Zaun rundherum. Sie sind nung bis hin zu einer kleinen kontextualisierenden Zu- so gestaltet, dass sie unmissverständlich kommunizie- satztafel? Solange darüber nicht verhandelt wird, bleibt ren, unangreifbar und sakrosankt zu sein.

157 DIE BAUSUBSTANZ ANGREIFEN

Edi: Das Wort „Vandalismus“ beinhaltet etwa einen ge- öffentlichen Raum andachten. Jede unserer Einreichun- wissen kulturellen Rassismus jenen gegenüber, die zer- gen hat einen Schwerpunkt, ein bestimmtes Element stören. Die Vandal_innen gelten als Barbar_innen, die unserer Praxis, insgesamt ergibt sich daraus eine Agen- nach Rom kamen und die Zivilisation zerschlugen. Nie- da. Wir haben nicht unbedingt Entwürfe eingereicht, die mand fragt allerdings danach, was die Römer_innen zer- sich einem Realisierungsanspruch beugen, sondern woll- störten. In der Bezeichnung „PC-Taliban“, die der Platt- ten auf spezielle Aspekte hinweisen, z. B. darauf, warum form zugeschrieben wurde, drückt sich diese Anschul- bestimmte Dinge nicht realistisch sind, wie etwa, die digung des Bildersturms sehr gut aus: Im westlichen „Bausubstanz anzugreifen“. Diskurs sind die Taliban Steinzeitmenschen, sie haben Edi: Ich finde das interessant: Wir sind so an die Tatsache keine Kultur, keinen Respekt, nur pure Gewalt. Die Aus- gewöhnt, dass die Lueger-Statue unantastbar ist, dass sage des CV-Magazins, uns als Taliban zu bezeichnen, wir nicht einmal in Betracht ziehen, dass einer unserer war: „Wir CVler sind keine Taliban, sondern zivilisierte, Projektentwürfe realisiert werden könnte. Das haben weiße, christliche Europäer, und daher greifen wir die wir auch anhand des Beispiels der Marco-d’Aviano-Sta- Bausubstanz nicht an.“ Die letzten Entfernungen von tue2 diskutiert. Dieses Denkmal ist so normalisiert, du geschichtspolitisch problematischen Manifestationen gehst daran unzählige Male vorbei und realisierst nicht im großen Stil wurden übrigens in den postsozialisti- einmal, dass sie dort steht. Aber sobald du genauer hin- schen Ländern, also von den gerade entstandenen De- schaust, ist es so sehr „in your face“: diese Person mit mokratien in Europa, vorgenommen. dem Kreuz, in missionarischer Aktion. Mit Lueger ist es Katharina: Teil der vorherrschenden Logik ist auch ein noch schlimmer: Wir sind so gewöhnt an dessen Prä- bestimmtes Geschichtsbild der 90er Jahre, welches be- senz, dass wir eine Umgestaltung nicht einmal als rea- sagt, dass über Geschichte keine definitiven Aussagen listische Option in Erwägung ziehen – und mit Umgestal- mehr getroffen werden können. Das Problem dieser tung meine ich alles, was über eine Gedenktafel hinaus- „Post Histoire“ ist, dass sie neutralisiert, ein scheinbar geht. konfliktfreies Bild von Geschichte entwirft. Geschichte Katharina: Unser Entwurf „Wer a Antisemit is’, bestimm wird hier zu einem Zoo. Du kannst alles anschauen: „Aha, i“, der das Thema „Gedenktafel“ behandelte, funktio- so war das also.“ Aber das alles befindet sich hinter niert als Provokation und arbeitet mit Humor. Es handelt Gittern, hat nichts mit hier und heute zu tun. Keine Be- sich hier um den Abwurf einer enormen Gedenktafel auf drohung, nur mehr eine Kuriosität. das Lueger-Denkmal. Es ist kein Zufall, dass wir die Idee Niki: Da kannst du dann am Sonntag immer hingehen für die Beschriftung vom Satiremagazin „Titanic“ borg- und Geschichte anschauen. ten, welches 2002 coverte: „Schrecklicher Verdacht:

2*$"01)12+$03,/0 %)¢$" Katharina: Sprechen wir über unsere Beiträge für den 2 Marco d’Aviano war 1683 bis 1689 als christlicher Hassprediger an den Feldzügen gegen die Osman_innen beteiligt und wurde Open Call. Nach den eher kleinen Interventionen, die wir von Klerikalen und Austrofaschist_innen zu einer der zentralen davor rund um die Akademie der bildenden Künste ge- Identifikationsfiguren im antiturkistischen Diskurs stilisiert. Nicht umsonst bezog sich der rechtsextreme FPÖ-Chef Heinz-Christian macht hatten, war es das erste Mal, dass wir etwas im Strache bei einer Wahlveranstaltung im Jahr 2009 auf d’Aviano.

158 War Hitler Antisemit?“ Natürlich ist der Entwurf keiner, der nämlich metaphorisch in den Boden der Stadt, einen Platz auf „Realisierbarkeit“ zielt, aber er thematisiert die Logik der tiefen Verwurzelung. Lueger lässt sich eben nicht dessen, wie Dinge unberührbar gemacht werden. einfach ausreißen, sondern ist präsent: in der „kollektiven Identität“, dem politischen Selbstverständnis dieser Stadt Edi: Es haben sich Prinzipien etabliert, was die Rekonfi- und auch an einem Platz, wo sein Modell des Antisemi- guration von Denkmälern betrifft. Wenn eine Plexiglas- tismus nach wie vor Bedingungen vorfindet, um zu wach- tafel dazugestellt wird, ist dies eine Addition, vielleicht sen – und dies auch tut, in einer upgedateten Version. eine Umgestaltung des Ortes oder des Ensembles, aber es ist keine Umgestaltung des Denkmals. Diese Technik Katharina: Wichtig ist uns auch, nicht nur die Bausubs- drückt aus, dass es immer möglich sein muss, den Ur- tanz anzugreifen, sondern im gleichen Schritt auch die sprungszustand wiederherzustellen. Position zu bezie- Ästhetik. Das bedeutet, das Narrativ eines Denkmals hen, also etwas zu unternehmen, das nicht rückgängig und somit dessen ästhetische Macht ernst zu nehmen gemacht werden kann, ist darin nicht denkbar. Ich halte und zu versuchen, diese zu brechen. das für eine extrem feige Haltung, mit Geschichte umzu- Chris: Das andere Element dieses Entwurfs war der gehen. Versuch, den Umgang mit der Person Lueger in ein zeit- Niki: Das beschreibt aber genau die Art und Weise, wie genössisches Setting zu verpflanzen, indem wir vorschlu - viele Leute denken: Okay, Lueger war ein Antisemit, aber gen, eine Auseinandersetzung in Form von regelmäßigen er hat auch „wichtige Errungenschaften hervorgebracht“. Diskussionsveranstaltungen vorzunehmen und somit die Dasselbe beim „Heimatdichter“ Josef Weinheber: „Des- Debatte zu aktualisieren. Auseinandersetzungen über wegen kann man doch nicht das Denkmal anrühren oder den populistischen Gebrauch von Ausschlussmechanis- gar entfernen.“ Die meisten würden dieser Strategie des men, die u. a. auch bei Lueger ihren Ausgangspunkt nah- Ergänzens zustimmen, die sozusagen die problematischen men. Das setzt voraus anzuerkennen, dass Erinnern Aspekte editiert, indem sie der Glorifizierung durch das nicht in Stein gehauen ist, sondern tagtäglich stattfindet Denkmal hinzugefügt werden. – Geschichte als lebendige Erinnerungskultur. Edi: Wir gehen übrigens davon aus, dass sich über kurz Chris: Unser erster Punkt ist in diesem Sinne die Fest- oder lang die Überzeugung durchsetzen wird – selbst in stellung, dass Gedenktafeln allein nicht reichen, der zweite Wien! –, dass ein antisemitisches Gfrieß wie das von Punkt der Vorschlag, die Bausubstanz anzugreifen. Dies Karl Lueger im öffentlichen Raum nix verloren hat.// haben wir in unserem gleichnamigen Entwurf visualisiert, der das Denkmal zwar unbehelligt lässt, es aber in das Bergbaumuseum Klagenfurt katapultiert.

Edi: Der Entwurf „Umortung“ wiederum kommt dem Realisierbarkeitsanspruch am nächsten. Natürlich haben wir nie damit gerechnet, dass dieser Entwurf, nämlich Lueger in den Boden Wiens einzugraben, realisiert wer- den könnte. Zentraler Moment war eher unser Interes- se, die Person Lueger aus der Sichtbarkeit zu entfernen und ihn an einen Platz zu verbannen, der zu ihm passt,

159 ATTACKING THE FABRIC A discussion by the „Plattform Geschichtspolitik“ (Platform for History Politics1) about the politics of history in public space, the function of the protection of historic >QEH@EJCO=J@IKJQIAJPO=J@OKIALNEJ?ELHAOBKNPDANA?KJłCQN=PEKJKBLNK>HAI=PE? manifestations.

Niki: Let’s start with a description of the “Plattform Ge- Katharina: This is the difference between what we do schichts politik”. It was founded during the educational and what the history workshops of the 1970s and 1980s protests and consequent occupation of universities that were about. Those were emancipatory, in many cases took place in autumn of 2009. The group is thus the result Marxist projects, which held that history as it had been of a particular reflection on how knowledge is produced. told was neither accurate nor relevant, it was the history In the field of art, this form of collective work was also a of those in power. They aspired to write hidden histories, decision we made in order to come to terms with the no- the histories of those marginalized by society. If you speak, tions of individual production and “the individual genius”. however, you must be clear from which position you are doing that. A subjectivization often takes place in connec- Katharina: Art provides instruments that allow exploita- tion with racism and anti-Semitism which asks: What right tive or oppressive structures to appear “normal”. The po- do you have to speak? At the same time it is not enough litical aspect of art often lies in the active concealment, to say “I’m an anti-fascist”. In order to be able to negoti- the depoliticization, of that fact. Acknowledging that the ate not only morally, but in political categories, one’s own interpretation of facts is a question of standpoint is also freedom and scope of action has to be clarified. That is something that it often undermined in the field of art. At what we attempt to reflect in our practices. this point our question is how art can be used as a politi- cizing and de-normalizing instrument. 1%"-,)&1& 0,#%&01,/6

/"#)" 1&,+ Chris: The term “history politics” means recognizing that history is always constructed – by protagonists who rep- Niki: We don’t pretend to be standing apart from ideology, resent specific social interests, political camps and conti- but rather represent certain positions. We act from an ide- nuities and who, in the course of debates and confronta- ological standpoint but we don’t say that this standpoint – which we define as anti-racist, anti-fascist, anti-sexist and anti-anti-Semite – is immune from challenge. 1 “History Politics” is a literal translation of the German term I think that up till now we have tried very hard to inter- “Geschichtspolitik” and is used since there is no generally-ac- cepted translation. It refers to the fact that the construction of vene. One aspect of our work is to criticise and attack history and its political interpretation are immanent to history as particular history-political situations. A further step is to such. The usage of the term “History Politics” term refers to our practice of working within these political and epistemological write history and also to fight for particular positions. structures of history and shifting them in emancipatory ways.

160 tions, decide how and which history will be written. As that dissent in public are regarded as barbarians and ter- Gramsci describes, during the formation of social hegem- rorists. This is a quite important transformation we are ony there are various social protagonists who take oppos- confronted with at this moment and here I recall the crim- ing positions or movements. In this active process of his- inalization of four art students who documented a depor- tory-politics, it is then possible to consider intervention. tation at the airport. Here “Taliban” stands for the threat to a democracy free of contradictions. At the same time Katharina: History and memory politics were, and are, certain people are denied the right to speak, those who strenuosly demanded by survivors of the Shoah. The is- are constructed as migrants, for example. In this way cer- sue here was and is to make the memory of the Shoah tain positions are dismissed right at the beginning of the – the commemoration of both those who died as well as process of establishing this “democracy”. the survivors – part of the official, state, and also national commemoration. To this extent, history politics is always Chris: Just as our interventions represent a certain prac- intervention. tice, monuments are also the result of a certain practice: after all, they do not just fall from the sky. They are an- Some of these interventions are accepted because they nounced, competed for, planned, built, maintained, and are inconspicuous and thus suitable for mainstream and protected, and thus must be understood as consciously become “normalized”. Others, however, are regarded as made signs. In designing public space with, or by means “exaggerated” or “inappropriate”. The absurd aspect of of, monuments, the question arises as to who is allowed this is that an intervention is always regarded as some- to design, i.e. which perspectives on which events are to thing coming from the “outside”. But the ÖVP [Austrian be depicted and how? So one might ask why some are People’s Party/Conservatives] also intervenes in history by so enduring while great effort is expended in disposing of hanging a portrait of Dollfuss in their parliamentary office others – so to say – overnight. and by going on pilgrimages to Mariazell. Thus one of our aims is to make visible the struggles within history-politi- cal processes. There are protagonists who have an inter- 1%"),$& 0,#-) " est in keeping WWI and WWII memorials alive and culti- vating revisionist practices. To make a pilgrimage to a war Chris: I find Vienna particularly exciting in this respect. In memorial and to lay a wreath there is also an intervention. this city there is really a site logic and the main concern is It is deeply rooted in society and attempts to define what tourism. We can visit the “Sisi Museum” and the Imperial is to be understood as “history”. stables – in Vienna this is all idyllically transfigured and kitschified. Entire districts of the city, the inner city, for example, are promoted, maintained, and staged. INTERVENTIONS Katharina: After the platform undertook an anti-fascist reconfiguration of the Weinheber monument in June 2010, 2 Martin Haidinger published an article in the magazine ”Ac- The magazine is published by the Austrian Cartell Verband (CV), a Catholic/conservative student fraternity. 2 ademia” in which the Plattform Geschichtspolitik was 3 Haidinger, Martin: „Das Treiben der PC-Taliban.“ in: „Academia“ characterized as “P[olitical]C[orrectness]Taliban”.3 That is – Zeitschrift des Cartellverbandes der katholischen osterreichi- schen Studentenverbindungen, http://wwvv.oecv.at/dovvnload. an interesting picture: all those who dissent and articulate fec?id=74057827&tvp6=acwt. Last accessed 10 April 2011

161 11 (&+$1%"# /& 

Edi: The fact that so many urban markers – streets, -/,1" 1&,+,#%&01,/& ) 2&)!&+$0 squares, and monuments – relate to a regime that has AND MONUMENTS been abolished, namely the monarchy, is quite remarkable. Katharina: I think that the protection of monuments is It turns out that they are good for tourism, but that was very relevant here as the basis for working towards a not always the reason for retaining and maintaining them. public space which is being continuously remade. This is How the monarchist monuments could survive the First particularly visible and noticeable at the so-called “cultural Republic has always been a puzzle to me because the heritage” sites where these policies of protection are end of the monarchy was one of the greatest political much in use. They do not only apply to places, monu- ruptures in the country´s history. ments, or street names but also the social practices Chris: But the question is whether the republic had the which affect the everyday use of these spaces. One confidence at the time to do otherwise. There were a “rule” of public space stipulates that monuments may number of doubts as to whether these “remains” of Aus- only be touched under very specific conditions. This tria would be able to survive. I think that monuments like “touching” is criminalized in some cases. So it is inter- these may represent a backward-looking security for spa- esting to see exactly what is being protected and where tial orientation. As a reference: “Well, actually we really there are opportunities to challenge the shield that has are the former capital of an empire”. been constructed.

Edi: I would agree with that, but it is still remarkable. I Niki: It is also interesting to point out just how fundamen- have witnessed a transformation process during the time tal the protection of historical buildings and monuments I spent in Belgrade in recent years. Many street names is. It was particularly apparent in the case of the bust of containing internationalist and socialist references have Nazi poet Josef Weinheber and can be seen in the mas- been replaced by monarchist ones, a model in which these sive additional foundation that the Vienna municipal au- references can become a “site factor” during times of thorities gave to the monument in 1975. It is a very good social discontinuity or change. example of the effort made to protect a hegemonic no- tion of culture and how that is presented as being without Chris: It is possible to take a Trabi-tour4 to Berlin, to visit the wall, or former bunker complexes reserved for the alternative. use of the GDR government while progressive elements Edi: Heritage protection functions as a paradigmatic sym- are deleted from history – that can be site logic too. I think bol for a non-dynamic view of history. that in dealing with the history of socialism as it really Niki: As if to say “this is the final and definitive approach existed is socially more simple: “That will never be a dan- to history”. As if there were no other stories. ger to us again”. The question is how and when this form of the site logic will start to be applied to memorial sites. Katharina: Monuments are frequently challenged as soon as they have been erected or even before their es- Edi: In Germany it has already happened. There is – still tablishment. The Siegfried Head put up in the University – a different approach in Austria. of Vienna in 1923 did not proclaim a “history for every- one”, but was a clear commitment to the so-called Lange- marck5 myth. “Fallen German boys” are being commem- 4 Trabi = Trabant. Car made in the GDR in numerous versions from 1957 to 1991. It has become a cultural icon. orated here and they are being used to construct a Ger-

162 man nationalist myth. Immediately after it was unveiled Katharina: I think that the open call for the redesign of there were criticism and interventions. It was only much the Lueger monument not only considered the city as a later that the Burschenschaften6 and other German na- negotiating partner, but, because the figure of Lueger is tionalist organizations – at the university and in the city – so embedded and unquestioned, it also regarded public succeeded in normalizing their monument. Thus the Sieg- debate as a crucial factor and part of the work of persuad- fried Head is not a “national monument” but one that had ing the public of the need for a redesign. Often what to be established by certain interest groups. The law for comes to the fore is a defensive way of political thinking. the protection of historical buildings and monuments be- Critique is frequently absorbed, or made to appear infan- came the caretaker of this view of history. The form in tile or pathological. The extreme right is ahead of the which these interventions are discussed and how they game here, they set the tone and the agendas. In many are dealt with is always a question of power relationships. cases the right has managed to ensure that their de- Attacks on Jewish cemeteries are rarely criminalized, and mands are seen as provocative. Thus when the right de- usually they are depicted as “youthful silliness”. The issue mands something it has an impact in the public arena. If is de-politicized and the above described shield is almost the left does the same it is deemed “Utopian” or “cha- imperceptible. otic” because they have historically failed to “organize so- ciety”. That is the way in which this field is ideologically Edi: I think a lot has changed in the last few years, there is more money and more protection for these sites, even structured. though there is admittedly a well established discourse of justification in place. I would agree with the point that pub- 1%"%&01,/6-,)&1& )),$& ,#-2 )& 0- " lic indignation is much stronger when it concerns e.g. Lueger, and someone demands that he be removed. But Chris: But history is often regarded as something that is sites that are desecrated are another thing. The protec- finished and somehow “natural”: what is happening in tion of historical buildings and monuments is a question the present is not part of it, even though it must be con- which one has to get involved in if one is serious about a sidered logical that the Lueger statue was also erected at reconfiguration. The spectrum of possible redesigns runs a certain point in time. from complete removal to a slight recontextualization us- Niki: Incidentally that is also a function of monuments: ing an additional plaque. As long as no negotiations about we learn already in childhood that they are static. Nobody that take place, “feasibility” remains the problem of the attacks monuments, children are not allowed to play on person(s) demanding change. them, they are always unreachable in a spatial sense too, some of them even have an enclosing fence around them. They are designed to communicate an unmistakeable message – that they are untouchable and sacrosanct.

Edi: The word “vandalism” includes a certain cultural rac- 5 Langemarck is a village in Flanders near to which a First World ism directed at those who destroy. The Vandals were War battle took place in November 1914. The German High Command ordered a regiment of unproven volunteers into the considered barbarians who entered Rome and wrecked offensive. Initially they managed to break through French lines but were subsequently repulsed with the loss of 2000 lives. civilization. No one asks what the Romans destroyed. 6 Duelling student fraternities. The description “PC Taliban’, which has been ascribed to

163 11 (&+$1%"# /&  the platform, expresses this accusation of iconoclasm ceive of our project designs being implemented. We have very well: in Western discourse the Taliban are regarded discussed this in relation to the example of the Marco as violent, Stone Age people with neither culture nor re- d’Aviano statue7. This monument is so normalized that spect. The statement in the CV magazine calling us Tali- you can walk past it countless times without realizing it is ban was “We, the CV, are not Taliban but civilized, white, standing there. But as soon as you notice it, it is so “in Christian Europeans and because of that we don’t attack your face”, this person with a cross, this missionary in historic buildings or monuments”. Incidentally, the last action. With Lueger, it is even worse. We are so used to removal of politically problematic historical manifestations his presence that we cannot even comprehend that re- on a grand scale took place in post-communist countries, configuring it is a realistic option that ought to be consid- that is, in newly-created European democracies. ered – and with reconfiguration I mean here everything beyond a memorial plaque. Katharina: Part of the prevailing logic also includes a par- ticular view of history from the 1990s. This holds that it is Katharina: Our proposal “I say who’s an anti-Semite”, no longer possible to make definitive statements about that deals with the subject of memorial plaques, is a func- history. The problem with this “post-history” is that by tional provocation and works with humour. It is no coinci- proposing an apparently conflict-free picture of history, it dence that we borrowed the idea from “Titanic” maga- gets neutralized. Here, history becomes a zoo. You can zine which had a cover in 2002 that ran, “Terrible Suspi- look at everything: “Aha, that’s how it was, back then.” cion: Was Hitler an anti-Semite?” Of course the proposal But everything takes place behind bars, and has nothing is not one intended to be “feasible”, but it does thematize to do with the here and now. It’s not a threat, just a curi- the logic that renders things untouchable. osity. Edi: Certain principles have become established in con- Niki: Then you can go there on Sundays and look at his- nection with reconfiguring monuments. If a Plexiglas tory. plaque is placed there, it is an addition, perhaps a trans- formation of the site or the ensemble as whole, but it is not regarded as a transformation of the monument. The REDESIGN PROPOSALS technical means employed express the fact that it always Katharina: Let’s talk about our submissions to the open has to be possible to restore the monument to its original call. Apart from the rather small-scale interventions we state. To take a position that entails doing something that undertook in the vicinity of the Academy of Fine Arts, this cannot be reversed is inconceivable in this context. I think was the first time we considered something for public this is an extremely cowardly way of dealing with history. space. Each of our proposals had a focus, a particular ele- ment of our praxis which proposes an overall agenda. We did not submit proposals that necessarily had to be real- ized, but wanted to point out special aspects e.g. that 7 Marco d‘Aviano was a hate preacher who participated in the certain things, such as “attacking the historical sub- campaigns against the Ottoman Empire between 1683 and stance”, are unrealistic. 1689. He was stylized by clergy and Austro-fascists into one of the central figures of identification in the anti-Turkish discourse. Edi: I find it interesting that we are so accustomed to the It is no coincidence that the head of the extreme right wing FPÖ, Heinz-Christian Strache made references to d‘Aviano in an elec- Lueger statue being inviolable that we cannot even con- tion meeting in 2009.

164 Niki: That describes exactly the way people think: okay, present in the “collective identity” of the city, in its political Lueger was an anti-Semite but he also has “produced self-conception which is, at the same time, a place where significant achievements”. The same argument is used his version of anti-Semitism still finds fertile conditions to in respect of the “Heimat” poet Josef Weinheber: “For grow – as in an updated version, it continues to do. that reason one cannot touch or remove the monu- It is important for us to attack not only the ment”. The majority would agree with the strategy of Katharina: historical substance but at the same time the aesthetics. complementarity, which edits the problematic aspects That means taking the monument’s narrative and its aes- by adding them to the glorification emanating from the thetic power seriously and try to break them. monument.

Chris: In this context our first point is the statement that Chris: The other element of this proposal was the attempt commemorative plaques alone are not enough. The sec- to transplant Lueger (as a historical person) into a con- ond point is a suggestion that involves attacking the his- temporary setting. We did this by suggesting an on-going torical fabric. We visualized this in our proposal of the debate in the form of regular discussion sessions, discus- same name. It leaves the monument intact, but catapults sions about the populist use of mechanisms of exclusion it into the Bergbaumuseum Klagenfurt [Mining Museum]. that Lueger, as one of the first, made use of. This means that, right from the beginning, it has to be acknowledged Edi: The proposal “Umortung [Relocation]” comes closest that remembrance is not carved in stone but is some- to having a claim to feasibility. Naturally we never counted thing that happens everyday – history as a living memo- on having the proposal – burying Lueger in the Vienna rial culture. subsoil – put into practice. The critical moment is centred on our interest in having Lueger the person removed Edi: Incidentally, we assume that sooner or later people from sight and banned to a metaphorically appropriate will be convinced – even in Vienna! – that anti-Semitic realm, i.e. rooting him in the soil on which Vienna stands. buttheads such as Karl Lueger have no place in public Lueger cannot just be torn down, but continues to be space.//

Die Arbeitsgruppe Plattform Geschichtspolitik ist ein offenes Kollektiv, das im Rahmen der Bildungsproteste 2009 entstand, um die Teilhabe der Akademie der bildenden Künste Wien an Kolonialismus, (Austro-)Faschismus und Nazismus kritisch zu reflektieren und öffentlich zu verhandeln. Im Lauf der Zeit haben sich die Aktivitäten der Gruppe über den unmittelbaren Kon- text der Institution hinaus erweitert. The working group Plattform Geschichtspolitik is an open collective that originated in the context of the education protests in 2009, to critically reflect and to publicly discuss the participation of the Academy of Fine Arts Vienna in colonialism (Austro-) fascism and Nazism. Over time, the activities of the group have expanded beyond the immediate context of the institution.

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Umortung Plattform Geschichtspolitik

Statue wird samt Sockel und Fun- dament eingegraben – über der Erdoberfläche bleibt lediglich die Schädelkuppe der Lueger-Figur sichtbar. Rundherum sind vier Tex- te in den Boden eingelassen, die das Denkmal aus verschiedenen Perspektiven darstellen. 1) An dieser Stelle war von 1926 bis 2010 ein monumentales Denk- mal zu sehen, das Karl Lueger dar- 2) Das überhöhende Hervorkehren 3) Der Autor des hier eingegrabenen stellte. Luegers Position als Wiener seiner kommunalen Leistungen und Denkmals, Josef Müllner, stand Bürgermeister (1897–1910) wurde gewinnenden Persönlichkeit ist ein zeit seines Schaffens in enger Ver- durch eine Wahl legitimiert, von verbreitetes Mittel, Luegers Anti- bindung zu deutschnationalen, anti- der Frauen sowie Einkommens- semitismus und ausgrenzenden semitischen Männerbünden. Müll- schwache ausgeschlossen waren. Populismus zu verschleiern. Es fin- ner schuf den kriegspropagandisti- Seine Macht begründete er auf det sich nicht nur auf dem Monu- schen „Wehrmann in Eisen“, den ausgrenzendem Populismus und ment selbst wieder, sondern auch völkisch-mythologischen Siegfrieds- der Verbindung von traditionell- in den Argumentationsmustern der kopf für die Aula der Universität christlichen und modern-rassisti- Rechtfertigenden. Der blinde Stolz Wien sowie eine Hitlerbüste für schen Antisemitismen. Er etablierte auf Gasleitungen und Waisenhäu- die Akademie der bildenden Künste die Hetze gegen Juden und Jüdin- ser relativiert den österreichischen Wien, wo er von 1910–1948 als nen als salonfähiges Instrument in Antisemitismus und ignoriert, wo- Professor beschäftigt war. Er wurde der österreichischen Politik. hin dieser führte – zur Shoah. nach der Niederlage des National-

166 sozialismus vollständig rehabilitiert „Vor Antisemitismus ist man nur „Nichts ist ja aufgelöst, kein Kon- – das betreffende Entnazifizierungs- noch auf dem Monde sicher.“ flikt ist beigelegt, kein Erinnern zur gutachten bescheinigt, er habe Hannah Arendt, 1941 bloßen Erinnerung geworden. Was „keine Nazipropaganda betrieben“. geschah, geschah. Aber daß es „Da kommt dieser Mann und geschah, ist so einfach nicht hinzu- schlach tet – weil ihm sonst alle 4) Lueger war eine der viel geehr- nehmen. Ich rebelliere: gegen meine anderen Künste mißlangen – vor ten Identifikationsfiguren des Aus- Vergangenheit, gegen die Geschich- der aufheulenden Menge einen trofaschismus. Darüber hinaus übte te, gegen eine Gegenwart, die das Juden. Auf der Rednertribüne er enorme Faszination auf den jun- Unbegreifliche geschichtlich ein- schlachtet er ihn mit Worten, sticht gen Adolf Hitler aus, der ihn als frieren läßt und es damit auf empö- ihn mit Worten tot, reißt ihn in Fet- „gewaltigsten deutschen Bürger- rende Weise verfälscht.“ meister aller Zeiten“ verehrte. Hit- zen, schleudert ihn dem Volk als Jean Améry, 1976 ler widmete Lueger mehrere Seiten Opfer hin.“ in seiner programmatischen Hetz- Felix Salten über Karl Lueger, 1910 „Ja, der Ring. Die Rückkehrerin geht an der Universität vorbei, die schrift „Mein Kampf“ und gab dort „In Rußland werden Judendörfer sich auf dem Teil der Ringstraße an, sich erst durch dessen Einfluss gebrandschatzt, in Rumänien er- befindet, der nach einem berüch- zum Antisemiten gewandelt zu schlägt man ein paar Menschen, in tigten Antisemiten benannt ist. haben. Deutschland prügelt man sie gele- Wenn sie ihren Spaziergang fort- gentlich durch, in Österreich terro- Der geebnete Platz wird mit fünf setzt, um schließlich im Café Prü- risieren die Antisemiten das ganze wetterfesten Videostationen ausge- ckel einzukehren, so stößt sie dort öffentliche Leben, in Algerien tre- stattet, an denen die Dokumentation noch einmal auf ihn, oder gleich ten Wanderhetzprediger auf, in einer jährlich organisierten, mehr- zweimal, erst als Denkmal und Paris knöpft sich die sogenannte tägigen Veranstaltung (in Form von dann als der Platz, auf dem das bessere Gesellschaft zu, die Cerc- Symposien, Workshops und Diskus- Denkmal steht. Für die unbefange- les schließen sich gegen die Juden sionen zu Themen wie Geschichten neren Wiener wiegen die anderen ab.“ ausgrenzender Populismen und Verdienste des Bürgermeisters Karl ihre gegenwärtigen Kontinuitäten, Theodor Herzl, 1896 Lueger wohl schwerer, als daß er antijudaistische und anti semitische ein Vorläufer und Vorbild für Adolf Geschichten und Kontinuitäten Hitler gewesen ist. Schämt sich oder progressive Strate gien zur denn niemand ein bissel für die Bearbeitung geschichts politischer dreifache Ehrung?“ Manifestationen im öffentlichen Ruth Klüger, 2008 Raum) jederzeit abrufbar ist. Neben den einzelnen Video stationen ist je eines von fünf Zitaten (von Jean Améry, Hannah Arendt, Theodor Herzl, Ruth Klüger und Felix Salten) in den Boden eingelassen.

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„Wer a Antisemit is‘, bestimm i!“ Plattform Geschichtspolitik

Der amtierende Bürgermeister Shoah und auf die nach wie vor Dr. Michael Häupl kann sich als stattfindende Verharmlosung der- Mittel einer Neubewertung eine selben ansehen. Ein klares Be- Tafel vorstellen, die an der Statue kenntnis zu verantwortlicher Ausei- angebracht wird. nandersetzung mit den Kontinuitä- ten des Antisemitismus und der Obwohl die InitiatorInnen des Um- Aktualität von Rassismus – also gestaltungsprozesses dies als zu eine ernsthafte Kontextualisierung geringes Mittel der Auseinander- bedeutet 1) die Unübersehbarkeit; setzung ablehnen, möchten wir die 2) die Dauerhaftigkeit sowie 3) die Hinweis- oder Gedenktafel als ge- inhaltliche Eindeutigkeit derselben. stalterisches Mittel aufgreifen. Wir legen in unserem Vorschlag zur Wir schlagen also die Anbringung Umgestaltung drei Kriterien fest, einer Tafel vor, die die gesamte die wir als zentral für den Umgang Figur des Karl Lueger betrifft und mit der Geschichte des Wiener es mit der physischen Präsenz Antisemitismus, seiner vorberei- derselben (elf Meter Höhe) auf- tenden Funktion in Bezug auf die nehmen kann.

168 Jasmina Hirschl, Elisabeth Kittl, Veronika Kocher, /Q@KHłJA)=?GJAN Lilly Panholzer

DER OPEN CALL DES ARBEITSKREISES ZUR „UMGESTALTUNG DES LUEGER-DENKMALS IN EIN MAHNMAL GEGEN ANTISEMITISMUS UND RASSISMUS“ ZU PHALLUSARTIGER MANIER1

„Ist die beste Subversion nicht die, K@AOVQAJPOPAHHAJ OP=PPOEAVQVANOPÌNAJļ Roland Barthes: „Sade, Fourier, Loyola“, 1971

Die Autorinnen dieses Beitrages erarbeiteten anschlie- Der „Open Call“ evoziert(e) aufgrund der sehr umstrit- ßend an die Veranstaltung „Revolutionäre Systeme Aktua- tenen Konstruktion des einstigen Wiener Bürgermeis- lisieren / Tatsysteme Konfrontieren III“ in der VBKÖ ters Karl Lueger (1844–1910) als „Vaterfigur“ Wiens eine (2010) über das Online-Programm „piratepad“ eine schrift- sehr große Medienresonanz. Trotz fehlender Preisgelder liche Zusammenfassung der folgenden aufgetretenen gingen unerwartet viele Entwürfe ein (siehe www.open- Fragestellungen2: Wie gehen die Organisation eines call.luegerplatz.com). „Open Calls“, darauffolgende (Jury-)Sitzungen sowie ein Auswahlprozess vor sich, wenn all das aus einer (kunst-) In einer Jurysitzung wurden verschiedene Positionen kritischen Perspektive geschieht? Wie gelingt eine Offen- einbezogen, um zu einem mehrperspektivisch prämierten legung so unterschiedlicher Positionen wie jene der Entwurf zu gelangen. Die Jurymitglieder waren: Aleida „Open Call“-Ausschreibenden und -Einreichenden, wenn Assmann, Gerald Bast, Eva Blimlinger, Felicitas Heimann- beide die inhärenten Entscheidungs- und Kunstmarkt- Jelinek, Johanna Kandl, Doron Rabinovici, Lisl Ponger systeme eigentlich zurückweisen? und der Arbeitskreis. Nachdem im Zuge des Jury-Verfah-

1 Dieser für die vorliegende Publikation aktualisierte und er- weiterte Text erschien als einer der Onlinebeiträge der „100 Jahre/Years VBKÖ Festschrift“, Hg. in / Ed.: Rudolfine 2 In dem Workshop anlässlich des Jahrhundertjubiläums der Lackner (Wien: VBKÖ, 2011) auf www.vbkoe.org/?p=963 ersten Künstlerinnenvereinigung Österreichs, der Vereini- (11. 5. 2011) gung bildender Künstlerinnen Österreichs (seit 1910), am Zu den Begriffen: „phallusartige Manier“ siehe die Einrei- Freitag, 19. November 2010, stellten der Arbeitskreis zur chung von Lilly Panholzer zum Open Call: „Luegerpat*- „Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen innenschaft“, www.opencall.luegerplatz.com/einr. Antisemitismus und Rassismus“ sowie Teilnehmende an php?e=113&n=p (März 2010). dessen Open Call insbesondere feministische Beiträge vor.

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Wie gelingt eine Offenlegung so unterschiedli- noch greift der Umgestaltungsvorschlag in die Bausub- cher Positionen wie jene der „Open Call“-Aus- stanz ein und formuliert durch die Schieflage eine Frage schreibenden und -Einreichenden, wenn beide nach der Positionierung der Stadt gegenüber der um- strittenen Heroisierung Luegers. die inhärenten Entscheidungs- und Kunstmarkt- systeme eigentlich zurückweisen? In den insgesamt 220 Einreichungen beziehen sich etwa 30 Einreicher_innen auf eine genderkritische und femi- nistische Facette im Personenkult rund um Lueger. Un- ter ihnen befinden sich die Künstlerinnen Magdalena Bart- hofer, Cana Sophie Bilir-Meier, Christine und Irene Hohen- rens jede_r in einer ersten Runde ihre_seine zehn per- büchler, Elisabeth Kittl, das Kollektiv Annegang – beste- sönlichen Favorit_innen durch Vergabe von eins bis zehn hend aus M. Bigus, L. Bolyos und G. Oberlechner – und Punkten auswählte, wurden in einer zweiten Runde die die Arbeitskreis-Aktivistinnen Veronika Kocher und Lilly am besten Bewerteten weiterbehandelt und aus dieser Panholzer. Short List wiederum ein_e Favorit_in prämiert. Die Arbeits- Christine und Irene Hohenbüchler brachten unter dem kreismitglieder des „Open Calls“ selbst agierten – nach Titel „Worte sind Keime“ drei Vorschläge ein, die sich alle einer internen Sitzung zur Wahl ihrer zehn favorisierten auf den Aphorismus der Philosophin und Malerin Rosa Einsendungen – in dieser Jury als eine Stimme. Mayreder stützen: „Worte sind Keime, sie gehen auf, wo Der schließlich von allen prämierte Entwurf kommt von sie ihren Boden finden – sie schlagen Wurzeln, sie wach- Klemens Wihlidal. Sein Umgestaltungsvorschlag, das sen, sie tragen Früchte – irgendwo und irgendwann.“3 Lueger-Denkmal um 3,5° nach rechts zu kippen, wurde Zwei der drei Entwürfe verstehen sich u. a. als Würdi- daraufhin zwecks Umsetzung bei der Stadt Wien einge- gungsumwertung großer, jedoch nahezu unbekannter reicht. Die Stadt Wien stand anfangs zwar der Publikation Frauennamen aus Politik und Kultur in Österreich. Frauen, des „Open Calls“ positiv gegenüber, weigert(e) sich je- die Zeitzeuginnen des antisemitischen Wiener Bürger- doch, ein klares Statement zur tatsächlichen Umgestal- meisters Karl Lueger waren. Es soll „die wegweisende tung des Denkmals abzugeben. Wihlidals Entwurf wurde Kraft, die aus dem Denken und Handeln dieser Frauen unter anderem deshalb ausgewählt, weil es sich dabei resultierte, die alle in Wien um die Jahrhundertwende um eine formal simple Lösung handelt, die in Verhand- agierten und wirkten“, hervorgehoben und „ihre Margi- lungsgesprächen mit der Stadt Wien als „realistisch“ in nalisierung in der öffentlichen Wahrnehmung beleuch- Bezug auf eine dauerhafte Umgestaltung erschien. Den- tet“4 werden.

4 Siehe Christine und Irene Hohenbüchlers Einreichung zum 3 Rosa Mayreder: Gaben des Erlebens. Sprüche Open Call: „Worte sind Keime“, www.opencall.luegerplatz. und Betrachtungen, Darmstadt 1935. com/einr.php?e=044b&n=h (März 2010).

170 Zur selben Zeit zeichneten sich frühe frauenbewegte „Persönlichkeiten auf ein Podest gestellt, täglich wahr- emanzipatorische Entwicklungen in der bildenden Kunst genommen, kaum hinterfragt, ein bequemer Zustand, Österreichs ab, die sich gegen eine Ausgrenzung der der gestört gehört“7, befanden Susanne Dechant und Zeitgenossinnen von Gustav Klimt oder Egon Schiele Elisabeth Kittl mit ihrer Einreichung unter dem Titel bzw. von Josef Müllner stellten, der das Lueger-Denk- „Vom Sockel gehoben“. Ein Erdhügel ermöglicht eine mal zwischen 1913 und 1916 erarbeitete. Künstlerinnen Annäherung auf Augenhöhe Luegers und kehrt seine mussten in der Zeit der Wiener Moderne erst noch von (üb)erhöhte Position um. „Dass die Umgestaltung eines ersten politisch selbstorganisierten Künstlerinnengene- Denkmals an prominenter Stelle, wie das von Bürger- rationen in Ausbildungssphären, Kunstbetrieb und Kunst- meister Lueger, Auswirkungen in jede Richtung, also markt hineinreklamiert werden, um wenig später gleich auch reaktionäre, zeigt, stimmt. Schwerer wiegt aber die wieder „hinausgeschrieben“5 zu werden. Bildhauerinnen Aufnahme einer Diskussion darum in einen Diskurs, der mussten noch als absonderlich diskreditiert werden, hier durch junge und ungestüme Menschen angeregt weil sie nicht nur zunehmend in den damals für Frauen wurde. Und dass dieser auch mit frauenbewegenden ungewöhnlichen Domänen Statuen, Denkmäler, Plasti- Ressourcen gespickt wird, wie es die Einreichung ‚Vom ken oder Skulpturen Fuß fassten. Sondern weil – wie Sockel gehoben’ tut, die drei große Frauen (Helene von beispielsweise Teresa Feodorowna Ries – sie es sich Druskowitz, Marie Jahoda und Gerda Lerner) zum Vor- damit außerdem anmaßten, „die Theorie von der ‚Überle- schein bringt. Auch die Auseinandersetzung mit dem genheit’6 der Männer“ auf dem Gebiet der Bildhauerei ins- Thema Denkmal an sich, zum Beispiel bezogen auf die- gesamt zu entkräften. Heute wird den politischen Impli- se eine steinerne männliche Figur, erweiterte das Blick- kationen und gesellschaftsverändernden Ansätzen der feld und lässt mich dann schmunzeln, wenn ich am Par- ersten künstlerischen Frauenbewegung/en im Kunstbe - lament vorbeifahre und sehe, dass es umzingelt ist mit trieb um den Preis der völligen Unsichtbarkeit einer lan- kämpferischen und weisen Frauenfiguren.“ (Elisabeth gen Revolution in der Kunst kaum ein Platz eingeräumt. Kittl) Die Künstlerin Cana Bilir-Meier wiederum meint, dass Künstlerinnen mussten in der Zeit der Wiener das Lueger-Denkmal „in immer wieder neuen Facetten Moderne erst noch von ersten politisch selbst- zerschnitten und gespiegelt“werden solle, um es so sei- ner „Glorie“ wie auch dem „Mythos Lueger und dessen organisierten Künstlerinnengenerationen in Aus- politischer Funktionalisierung“ zu berauben. Betrach- bildungssphären, Kunstbetrieb und Kunstmarkt ter_innen könnten dann nicht nur die mit Texten verse- hineinreklamiert werden, um wenig später gleich hene Installation umrunden, sondern auch ihre Umge- wieder „hinausgeschrieben“5 zu werden. bung und damit sich selbst. 8

5 Vgl. Julie Marie Johnson: The Art Of The Woman: 7 Siehe Susanne Dechants und Elisabeth Kittls Einreichung Women‘s Art Exhibitions in Fin-de-siecle Vienna, zum OpenCall: „Vom Sockel gehoben“, www.opencall. Ph.D. Diss., University of Chicago, 1998. luegerplatz.com/einr.php?e=182&t=v (März 2010). 6 Vgl. Sabine Plakolm-Forsthuber: Stein der Sehnsucht, 8 Siehe Cana-Bilir Meiers Einreichung zum Open Call: „Lue- Stein des Anstoßes, in: Lisa Fischer (Hg.): Frauen der ger im Spiegel der Gegenwart“, www.opencall.luegerplatz. Wiener Moderne, Wien 1997, S. 179–193. com/einr.php?e=037&n=b (März 2010).

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In Magdalena Barthofers Entwurf „barrier-free / barriere- Das Kollektiv Annegang bezieht sich in seinem Vorschlag freier Runway / Steg“wird erst die Figur Luegers vom auf Robert Menasses Buch „Das Land ohne Eigenschaf- Sockel genommen, um dann einen barrierefreien9 Steg ten“11, worin er die Zweite Republik als einem Punsch- bis zur vorherigen Standfläche (Plattform) der Figur zu krapfen ähnlich beschreibt: „außen rosa, innen braun, ziehen. Die Plattform bietet einen potenziellen Ort des und immer ein bisschen betrunken“.12 Die Art, wie über Sprechens. Während des Hinaufsteigens können akus- Lueger und sein väterliches Erbe öffentlich gesprochen tisch und visuell Informationen zu aktuellen und histori- wird, lässt die Künstler_innen mit einem ähnlichen Bild schen Kampagnen gegen Antisemitismus und Rassis- zurück: „Außen sollen in klebrigem Rosa die Errungen- mus in Österreich gegeben werden. Um Barrierefreiheit schaften ‚Gaswerke/Straßenbahn/Wald- und Wiesen- zu gewährleisten, beträgt die Steigung des Stegs sechs gürtel/etc.‘ den nur mit viel Wille zu übersehenden Anti- Prozent. Die Länge des Steges von 116 m ergibt sich semitismus Luegers und damit auch gleich die antisemi- aufgrund der Höhe des Sockels (etwa 7 m). Es kommt tischen und antijüdischen Kontinuitäten in der österrei- hier zu einer Raumneuverteilung bzw. -umgewichtung, chischen Gesellschaft kaschieren. Ob das gelingt? Mal die nun einmal zulasten der Dominanzgesellschaft geht sehen.“13 und nicht auf Kosten von Minderheiten, indem bestimmte (Auto-)Zu- und Einfahrten rund um das Denkmal nicht mehr möglich sind.10

11 Robert Menasse: Das Land ohne Eigenschaften. Essay zur österreichischen Identität, Wien 1992. 12 Vgl. Gerhard Fritsch: Katzenmusik mit einem Nachwort von 9 Zum Fachbegriff „Barrierefreiheit“: Gegenstände, Medien Robert Menasse, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. und Einrichtungen werden so gestaltet, dass sie von jedem 13 Siehe Annegang: M. Bigus, L. Bolyos , G. Oberlechner und Menschen unabhängig von der Konstitution des jeweiligen deren Einreichung zum Open Call: ‚Zuckerguss bringe das Individuums uneingeschränkt benutzt werden können. Leben dem Manne’: www.opencall.luegerplatz.com/ 10 Siehe Magdalena Barthofers Einreichung zum Open Call: einr/024/detail.pdf „barrier-free / barrierefreier Runway / Steg“, www.open- Sowie die Bilder zum Lueger-Denkmal: www.luegerplatz. call.luegerplatz.com/einr.php?e=124&n=b (März 2010). com/fotos.html (März 2010).

172 Die Arbeit „up or down?“ von Veronika Kocher schlägt „Sehr geehrte deutschnationale Gesinnungs freund* in- den Betrachter_innen des Mahnmals gegen Antisemitis- nen, werte rechtskonservative Gemeinschaft, heimat- mus und Rassismus in Österreich die Möglichkeit einer treuer Flügel! Ergreifen Sie die Chance, einen wertvollen Auseinandersetzung ohne direkte Anklage vor. Sie sind Beitrag für diese Gesellschaft zu leisten! Überlassen Sie eingeladen, sich auf die Stufen eines Amphitheaters zu Lueger nicht den Denkmalstürmer*innen! Sichern Sie begeben, dem Ort, wo ursprünglich das Thema Demo- sich Ihren Lueger für zu Hause!“ kratie verhandelt wurde. Sie können sich dort setzen und Die Einnahmen mögen u. a. dem antirassistischen Verein sehen, wie sich der Blickwinkel, der Überblick und die Zara und dessen Initiative „Clean Politics“ zugutekom- Aussicht beim Hinauf- und Hinabsteigen verändern. Den men. Der Sockel kann in phallusartiger Manier stehen- Stufen des Amphitheaters, dem Symbol für Demokratie, bleiben, jedoch in ungewohnter Weise ohne krönenden werden historische Fakten bezüglich der Entwicklung patriarchalen Helden.14 Österreichs in Richtung Aufarbeitungs- und Integrations- geschichte eingeschrieben. Die genannten Daten erge- Die besprochenen Beiträge treten für eine Reorganisa- ben im zeitlichen Zusammenhang eine gewisse Pein- tion überkommener, barrierevoller, vielschichtig patriar- lichkeit, mit der sich die Betrachter_innen auseinander- chaler und selbstreferenziell normativ ideologisch aufge- setzen können. Die letzten fünf Stufen bleiben frei, im ladener (Stadt-)Bilder ein. Sie fordern nachdrücklich dort Sinne eines Verweises auf die Zukunft und die noch vor einen politischen Aktualisierungs- und Handlungsbedarf, uns liegenden Aufgaben. wo der weithin vergesellschaftete Nimbus Wiens als die „Stadt der Statuen“15 so weit erstarrt ist, dass er ihre ausgrenzenden, anti-emanzipatorischen und rassistischen Die besprochenen Beiträge treten für eine Realitäten verschweigt. Reorganisation überkommener, barrierevoller, Statuen von Frauen zeigen, im Gegensatz zu Statuen vielschichtig patriarchaler und selbstreferenziell von Männern, nur selten sie selbst. Frauen werden für normativ ideologisch aufgeladener (Stadt-)Bilder ihre individuell erbrachten oder erreichten kultur- und ein. gesellschaftspolitischen, wissenschaftlichen oder wirt- schaftlichen Leistungen nur selten gewürdigt. In Wien existieren nur drei Denkmäler, in denen Frauen um ihrer Lilly Panholzer hingegen plädiert für eine „Luegerpat_in- selbst willen dargestellt sind. Kennen Sie sie und wissen nenschaft“, bei der die Lueger-Statue eingeschmolzen, Sie, wo sie stehen? Meist handelt es sich nur um nackte in hundert Lueger-Statuetten gegossen und im Wiener Objekte, die z. B. „Allegorien“ verkörpern. Das Zeichen Dorotheum versteigert werden soll. Der Ausschreibungs- „Frau“ eignet sich hier klassisch als formbare Materie text für die Auktion lautet: für „ein künstlerisches Verfahren, das sich zur Darstel-

14 Siehe die Einreichung von Lilly Panholzer zum Open Call: „Luegerpat*innenschaft“, www.opencall.luegerplatz. com/einr.php?e=113&n=p (März 2010). 15 Anaïs Nin: Wien war die Stadt der Statuen, Hamburg 1992 (1964).

173 !"/,-"+ ))!"0/ "&10(/"&0"072-%))20/1&$"/*+&"/ lung von Nicht-Sichtbarem und Nicht-Darstellbarem (Prin- änderlich und als neukonstruierbar verstanden werden zipien, Normen, theoretische/gedankliche Zusammen- können, letztlich damit aber trotzdem die Ausgangs- hänge und Institutionen) verschiedener Übersetzungen punkte unveränderbar wirksam bleiben? Wie weit, wenn oder Übertragungen bedient“.16 Die anhaltend institutio- die „phallusartige Manier“ fortwährend den Ursprungs- nell gestützte Abwesenheit von Denkmälern von und bezug bildet? Wenn sich eine „lebendige“ Auseinander- über Frauen im öffentlichen Raum wird demnach be- setzung auf eine Bedeutungsproduktion basierend auf ständig überkompensatorisch durch viele Zwischen- oder diesen Ursprungsbezug bezieht und dadurch letztlich Umwegrepräsentationen von Nichtfrauen legitimiert. gerade der Ursprung noch standfester wird? Und wenn so nach einer hundertjährigen künstlerischen Frauenbe- Eine feministische Analyse in Bezug auf antiheteronor- wegung das Einfordern frauenbewegter/feministischer mative, poly-, post- oder nichtidentitäre Diskussionspro- Inhalte nur „zur Erneuerung des WEIBLICHEN als Garan- zesse hat nun die sich in diesen Gegebenheiten wider- tie für den Fortbestand und die Innovation einer patriar- spiegelnde Konstruiertheit von Geschlechterdifferenzen chalen Ordnung“17 beizutragen droht? und -rollen aber auch zu sprengen. Was heißt „weib- lich“, was heißt „männlich“? Muss ich mich einer Seite Für Künstler_innen gilt es, keinen künstlerischen Provo- zugehörig fühlen, mich für eines davon entscheiden? kationsstrategien nachzugeben, denn diese bestätigen Die eingelangten Entwürfe ließen allerdings eine korri- nur überkommene Herrschaftsstrukturen. Aber wenn gierende Problematisierung von LGBTQI-Belangen (Les- schon, dann möge es zumindest „keine Provokation ohne 18 bian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex) ver- Bekenntnis“ geben. Gegebene Rahmen erkennen und missen. Thematisierungen von diesbezüglichen Unter- sichtbar machen, das war so weit einmal unsere Ant- drückungs- und Verfolgungspolitiken harren nach wie vor wort.// einer institutionalisierten Raumeinschreibung in offizielle Stadt-, Erinnerungs- und Gedächtnisgeschichten. Resümierend weiterführende Fragestellungen wären demnach: Wie weit greift der zeitgenössische Theorie- ansatz, statische Denkmäler „lebendig“ zu halten, aus einer feministischen Sicht zu kurz, wenn er sich stets um die gleichen konventionellen Konstruktionen von maß- geblich androzentrischen (Zeit-)Geschichten dreht? Wie weit greift er zu kurz, wenn mit „lebendig“ gemeint ist, dass diese Konstruktionen zwar als brüchig, damit ver-

16 Silke Wenk: Versteinerte Weiblichkeit. Allegorien in der Skulptur der Moderne. Köln, Weimar, Wien 1996, S 15. 17 Ebd. S 268. 18 Jasmina Hirschl: Drohbriefe an die Allgemeinheit, 2010.

174 Jasmina Hirschl, Elisabeth Kittl, Veronika Kocher, /Q@KHłJA)=?GJAN Lilly Panholzer THE OPEN CALL OF THE PRESSURE GROUP TO REDESIGN THE LUEGER STATUE INTO A MONUMENT AGAINST ANTI-SEMITISM AND RACISM ABOUT PHALLUS-LIKE MANNER.1 ļ&OPDA>AOPOQ>RANOEKJJKPPDAS=NLEJCKBPDA?K@AN=PDANPD=JEPO@AOPNQ?PEKJļ Roland Barthes: ”Sade, Fourier, Loyola“, 1971

Following the event “Revolutionäre Systeme Aktuali- In order to arrive at a multi-perspective award-winning sieren / Tatsysteme Konfrontieren III [Updating Revolu- design various positions were included in the jury ses- tionary Systems / Confronting Perpetratory Systems sion. The jury members were: Aleida Assmann, Gerald III]” in the Vereinigung bildender Künstlerinnen Öster- Bast, Eva Blimlinger, Felicitas Heimann-Jelinek, Johanna reichs [Austrian Association of Women Artists] (VBKÖ) Kandl, Doron Rabinovici, Lisl Ponger and the Pressure in 2010 the authors used the online programme “pirate- Group. After the first round adjudication process in pad” to write this summary of the following questions2: which each member selected ten personal favourites, How is an open call, the resulting (jury) meetings, and awarding them from one to ten points, there was a sec- the selection process to be organized when the whole ond round in which those with the most points were thing is part of a critical perspective on art? How can so reconsidered and the winner chosen from the short list many different open call positions, those of the organiz- thus produced. The members of the pressure group ers as well as those who submitted drafts – be declared also took part in the open call. After an internal meeting when those concerned reject the inherent systems to choose their ten favourites, they were part of the fi- governing decision-making and the art market? nal jury but with a single vote. The open call evoked a significant media response be- The prize-winning design, chosen by everyone, is by cause of the contested construction of the Viennese Klemens Wihlidal. His redesign proposal to tilt the Lue- Lord Mayor Karl Lueger (1844–1910) as one of the city’s ger monument 3.5° to the right was submitted to the father figures. Despite a lack of prize money, there was City of Vienna Council for implementation. Initially the an unexpectedly large number of designs (see: www. city was broadly in favour of the open call but it never- opencall.luegerplatz.com). theless refused to make a clear statement about imple-

1 The text that appears here is an up-dated and expanded version of the one that was published in German online in the „100 Jahre/ 2 In the workshop for the 100th anniversary of the first women Years VBKÖ Festschrift“ Rudolfine Lackner (ed), (Vienna: VBKÖ, artists‘ association in Austria, the Austrian Association of 2011) at www.vbkoe.org/?p=963 (11 May 2011). For more about Women Artists (since 1910) on Friday 19th of November 2010, „phallus-like manner“ see Lilly Panholzer‘s submission to the the Workgroup to Redesign the Lueger Statue into a Monument open call with the title „Luegerpat*innenschaft“ www.opencall. Against Anti-Semitism and Racism, and participants presented luegerplatz.com/einr.php?e=113&n=p (May 2011). particularly feminist submissions.

175 1%",-"+ )),#1%"-/"002/"$/,2- ,21-%))20)&("*++"/ menting an actual redesign of the monument. One rea- thoughts and actions, all of whom lived and worked in son (among many) that Wihlidal’s design was selected turn-of-the-century Vienna”, and to “throw light on their was because it offered a simple formal solution that marginalization in the public awareness”.4 would appear “realistic” in the up-coming talks with the At the same time the early women’s movement-inspired city authorities about an enduring change of design. emancipatory developments began to show in the visu- Nevertheless the proposal really does alter the basic al arts in Austria. These stood for rejecting the exclusion fabric of the monument and the tilt formulates a ques- of women who were the contemporaries of Gustav tion as to the city’s position in relation to Lueger’s con- Klimt, Egon Schiele, or Josef Müllner, for example, who tested heroization. worked on the designs for the Lueger monument be- Of the total of 220 proposals, approximately thirty deal tween 1913 and 1916. In the era of Viennese modernity with gender critical and feminist aspects of the Lueger women artists had to insist on inscribing the first politi- personality cult. Amongst those are the works of artists cal, self-organized generation of artists into the history Magdalena Barthofer, Cana Sophie Bilir-Meier, Christine of education, art and the art market. It was only a short and Irene Hohenbüchler, Elisabeth Kittl, the Annegang time later that they were “written out”5 of it again. Collective – consisting of M. Bigus, L. Bolyos and G. Women sculptors especially had to be discredited as Oberlechner – and the pressure group activists Veronika peculiar because they not only began to establish them- Kocher and Lilly Panholzer. selves in what, at the time, was regarded as an usual domain for women – statues, monuments, or sculp- Christine and Irene Hohenbüchler submitted three pro- tures – but because, like Teresa Feodorowna, they abro- posals under the heading “Worte sind Keime [Words gated for themselves the right to represent the refuta- are Seeds]”. All three of them are based on aphorisms tion of the “theory of the ‘superiority’ of men”6 in the by philosopher and painter Rosa Mayreder: “Words are field of sculpture generally. Nowadays the political im- seeds and grow wherever they find good soil – they plications and socially transformative approaches of the take root, grow, bear fruit – somewhere and some- first artistic women’s movements in the art business time”.3 Two of the three designs can be understood as hardly get a mention because of the complete invisibility status re-evaluations of great, though almost unknown, of a long revolution in art. Austrian women from politics and culture. These wom- en were contemporaries of the anti-Semitic Lord Mayor “People who are placed on a pedestal, seen daily, al- Karl Lueger. It is intended to lay emphasis on the “pio- most unquestioned – a comfortable position that ought neering energies that resulted from these women’s to be destroyed,”7 was the way that Susanne Dechant

5 Julie Marie Johnson: The Art Of The Woman: Women‘s Art Exhibitions in Fin-de-siecle Vienna, (Ph.D. Diss., Uni- versity of Chicago, 1998). 6 Sabine Plakolm-Forsthuber: Stein der Sehnsucht, Stein 3 Rosa Mayreder: Gaben des Erlebens. Sprüche und des Anstoßes, in: Lisa Fischer (ed.): Frauen der Wiener Betrachtungen, Darmstadt 1935. Moderne, Wien 1997, 179–193. 4 See Christine and Irene Hohenbüchlers Submission to 7 See: Susanne Dechant‘s and Elisabeth Kittl‘s submission the open call: „Worte sind Keime“, www.opencall.lue- to the open call: “Vom Sockel gehoben”, www.opencall. gerplatz.com/einr.php?e=044b&n=h (May 2011). luegerplatz.com/einr.php?e=182&t=v (May 2011).

176 and Elisabeth Kittl expressed it in their proposal, “Vom The first step in Magdalena Barthofer’s design “barrier- Sockel gehoben” [Down from the Pedestal]. A heap of free / barrierefreier Runway / Steg”9 is the removal of earth makes approaching Lueger at eye level possible the Lueger figure from its pedestal in order to then con- and reverses his exalted position. “It’s true that rede- struct a barrier free9 ramp up to its former standing signing a monument in a prominent public space, such place. The platform offers a potential place to speak. as that of Lord Mayor Lueger, has an effect that goes in During the ascent acoustic and visual information about all directions, including the reactionary. However, being current and historical campaigns against anti-Semitism taken up as part of a discourse initiated by enthusiastic and racism in Austria can be communicated. In order to young people has much more weight. This discourse is ensure barrier-free access, the incline of the ramp is six peppered by women’s movement resources such as percent. Its length, one hundred and sixteen meters, the proposal ‘Vom Sockel gehoben’ in which three great derives from the height of the pedestal which is around women are made visible (Helene von Druskowitz, Ma- seven meters. Here there is a restructuring (or re- rie Jahoda and Gerda Lerner). In addition the involve- weighting) of the space – for once at the expense of the ment with the subject of monuments in general, as it dominant elements of society and not at the cost of applies to, for example, a male figure in stone, expands minorities – because using particular (car) access routes the field of view and makes me grin when I go by Parlia- around the monument would no longer be possible.10 ment and see that it is surrounded by combatative and In their proposal the Annegang Collective quotes Robert wise female figures.” (Elisabeth Kittl) Menasse’s book “Das Land ohne Eigenschaften [Country On the other hand the artist Cana Bilir-Meier thinks that Without Qualities]”11 in which the Second Austrian Re- the Lueger monument should be continuously cut into public is likened to a Punschkrapfen: “pink outside, brown new facets and reflected” in order to rob it of its “glory” inside, and always a little tipsy”12. The way in which and the “Lueger myth and its political functionaliza- Lueger and his paternal heritage is talked about in public tion”. Viewers can not only walk round the installation leaves the artists with a similar image: the exterior, with (which also has texts) but also the surroundings and the achievements “gasworks/tramways/greenbelt/etc.” thus themselves.8 will be in a sticky pink, since it is only through a con-

10 See: Magdalena Barthofer‘s submission to the open call: 9 On the definition barrier free access: objects, media, and „barrier-free / barrierefreier Runway / Steg“, www.open- institutions must be so constructed that they are com- call.luegerplatz.com/einr.php?e=124&n=b (May 2011). pletely accessible to all, irrespective of the individual‘s 11 Robert Menasse: Das Land ohne Eigenschaften. Essay constitution. zur österreichischen Identität, Wien 1992. 8 See: Cana-Bilir Meier‘s submission to the open call: 12 See: Gerhard Fritsch: Katzenmusik mit einem Nachwort “Lueger im Spiegel der Gegenwart”, www.opencall. von Robert Menasse, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am luegerplatz.com/einr.php?e=037&n=b (May 2011). Main 2006.

177 1%",-"+ )),#1%"-/"002/"$/,2- ,21-%))20)&("*++"/ scious act of will that Lueger’s anti-Semitism can be volved. The final five steps remain free – an indication of overlooked, thus concealing the anti-Semitic and anti- the future and the tasks in front of us. Jewish continuities in Austrian society as well. Will they Lilly Panholzer on the other hand, pleads for a “Lueger - succeed? Let’s wait and see. pat*innenschaft [Lueger Sponsorship]” where the Lue- The submitted proposal was based on three criteria: ger statue will be melted down and re-cast into a hundred 1. The disappearance of the Lueger statue forever would Lueger statues which will be auctioned at the Doro- not be a constructive contribution to a continuing dis- theum in Vienna. The announcement of the auction runs cussion about the production of history or historical as follows: “Dear right-wing conservative community, policies in public space. That is why they suggest patriotic wing, take advantage of the opportunity to make transforming the monument temporarily but want to a valuable contribution to society. Don’t leave Lueger to make it disappear again and again. the iconoclasts. Make sure of a Lueger for your own home.” 2. The consideration and re-assessment of historical pol- icies is something that has to take place continuously The proceeds could be used for, amongst others, the and taken over by a group of artists who want a re- Verein Zara (civil courage and anti-racism work) and its design. It needs a process that demands participa- “Clean Politics” initiative. The pedestal can be left to its tion. phallus-like manner but without its usual crowning patri- archal hero.14 3. The anti-patriarchal quality of the colour pink. The contributions discussed here stand for a reorganiza- And on the concept itself: The Lueger statue (including tion of traditional, barrier-laden, multi-layered, patriarchal the pedestal) will be covered in pink icing at regular in- and self-referential, normative, ideologically-permeated tervals. Viennese companies that produce the icing for (city) images. They make an emphatic demand for a po- Punschkrapfen will be asked to sponsor this historical litical update and action where Vienna’s socialized nim- work. It may be that they will stumble over their own bus as the “city of statues”15 has become so petrified history in the process.13 that it denies and conceals in exclusionary, anti-emanci- Veronika Kocher’s work “up or down?“ offers the viewer patory, and racist realities. of the Monument against anti-Semitism and Racism in Austria the opportunity to engage with the subject with- out a direct denunciation. They are invited to sit on the steps of an amphitheatre, the original place where de- mocracy was negotiated. They can sit there and see 13 See: Annegang: M. Bigus, L. Bolyos , G. Oberlechner how the point of view, the overview, and the view change and their submission to the open call: „Zuckerguss bringe das Leben dem Manne“: www.opencall.lueger- as they ascend and descend. The steps of the amphi- platz.com/einr/024/detail.pdf theatre, the symbol of democracy, will have historical And the images of the Lueger monument at: www.lue- gerplatz.com/fotos.html (May 2011). facts relating to the development of Austria towards a 14 See Lilly Panholzer’s submission to the open call: history of reassessment and integration incised in them. “Luegerpat*innenschaft”, www.opencall.luegerplatz. Looked at chronologically, the data creates a certain com/einr.php?e=113&n=p (May 2011). 15 Anaïs Nin: Wien war die Stadt der Statuen, Hamburg embarrassment with which the viewer can become in- 1992 (1964).

178 Contrary to statues of men, women in statues are sel- ascription of space in the official city history and in its dom depicted as themselves. Women are not often memory and memorial culture. honoured for their individual achievements or their at- Here the summarizing continuative questions are as fol- tainments in cultural, socio-political, scientific, or eco- lows: from the feminist point of view, how far do con- nomic spheres. In Vienna there are only three monu- temporary theoretical approaches to keep static monu- ments where women are shown for who they are. Do ments “alive” fall short if it they still turn on the same you know them and where they are? Usually they are conventional constructions of a determining androcen- naked objects, embodying e.g. “allegories”. Classically, tric (contemporary) histories? How far short do they fall the sign “woman” is regarded as suitably malleable ma- if “alive” means that although these constructions are terial for “an artistic process that serves to produce admittedly unstable and can be regarded as mutable translations or transpositions of various invisible and un- and capable of reconstruction, the starting points never- depictable principles, norms, theoretical/intellectual con- theless remain unalterably operative? How far, then, if the 16 texts, and institutions”. Thus according to this, the per- “phallus-like manner” continues to be the original refer- sistent, institutionally-based absence of monuments of, ence point? If, in its production of meaning, a “lively” and to, women in public space is being constantly legiti- confrontation takes this as its basic reference point, mated by a widespread over-compensation of interme- thus stabilizing that origin even more? And if, after a diate or indirect representations of non-women. century of women artists’ movement, the demands for A feminist analysis relating to anti-heteronormative, poly-, women’s movement / feminist content only threatens post-, or non-identity discussion processes has to re- to contribute to “renewal of FEMININITY as the guarantee flect on the constructions of gender and role differences for the continuation of, and innovation in, a patriarchal in these circumstances but also to break these construc- order”?17 tions open. What does “female” mean? What does “male” For artists it is necessary to resist artistic provocation as mean? Do I have to feel I belong to one side? Do I have a strategy because that only acts as a confirmation of to decide on only one? The submissions show that traditional power structures. And where it is necessary, there is a lack of corrective problematization of LGBTQI then there should at least be “no provocation without (lesbian, gay, bi-sexual, transgender, queer, intersex) commitment”18. Recognizing the contextual framework concerns. Thematization of the related suppression and and making it visible, that would be our answer at pre- persecution policies still persist in the institutionalized sent.

16 Silke Wenk: Versteinerte Weiblichkeit. Allegorien in der Skulptur der Moderne. Cologne, Weimar, Vienna 1996, 15. 17 Ibid. 268. 18 Jasmina Hirschl: Drohbriefe an die Allgemeinheit, 2010.

Rudolfine Lackner, seit 1998 Präsidentin der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs. Rudolfine Lackner, President of the VBKÖ, the Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs (Austrian Association of Women Artists), since 1998.

179 "&+/"& %2+$"+02 *&00&,+0

VOM SOCKEL GEHOBEN Susanne Dechant, Elisabeth Kittl

4"/&010112"+4¶/!&$ Die Intervention im öffentlichen &,$/#&0 %"/" %"/ %" Raum bietet eine Möglichkeit, mit 4") %"%")!"+ /2 %14&"+ Lueger, dem vorhandenen Denkmal und 4,0&+!!&"%")!&++"+ der soziale Reformer, seiner Geschichte neu umzugehen. Unzählige Denkmäler finden sich in der König der Krämer und Wien – von bekannten Männern Handwerker, PROJEKTZIEL wie Mozart, Schubert, Strauss und der populistische Feind der weniger bekannten Männern, wie 1) Informationen korrigieren Großkapitalisten, z. B. die Büsten im Arkadengang 2) Blickwinkel verschieben der „scheene Koal“, der Universität Wien. Und eben 3) Urteilsvermögen herstellen der bürgerliche Frauenheld, auch von Lueger. Denkmäler bergen Wir demontieren das Bild Luegers der Förderer des Deutschnationalen die Gefahr, durch Unkenntnis, zu nicht im Sinne einer Zerstörung – in schwarz-gelber Tracht, inhaltsloser Verehrung und Igno- im Gegenteil: Wir schaffen eine der Erneuerer der christlichen ranz zu führen. Persönlichkeiten, Möglichkeit der Betrachtung auf Tradition, auf ein Podest gestellt, täglich Augenhöhe. Herr Lueger wird zeit- der methodische Antisemit. wahrgenommen, kaum hinterfragt. weilig vom Sockel gehoben. Ein bequemer Zustand, den wir stören wollen.

180 UMSETZUNG 0 %//&+$ 0 %//&+$ Ein Erdsandhügel verbirgt für ca. Helene von Druskowitz Gerda Lerner ein Jahr den Großteil des Denk- „Horcht auf eure innerste Stimme „Indem man sich erinnert, indem mals. Durch Erosion, Wind, Regen und ihr wisset, daß ihr euch selbst man das Ganze bedenkt und nicht und Interaktion wird das Material fortwährend unrecht gebt und eure die Schattenseite aus der Erinne- abgetragen und die Ebenen des Hauptstrebungen verurteilt. Des- rung tilgt, bekämpft man das Sys- Denkmals (Statuen, Reliefs, Stufen) halb ist es ungeziemend, daß ihr an tem der Verzerrung und der Halb- kommen schrittweise zum Vor- der Spitze aller Einrichtungen steht wahrheiten, aus dem Sexismus, schein. Vermischte Erden – ein und die Welt beherrschen zu kön- Klassenhass, Rassismus und Anti- Konglomerat aus vielen Heimat- nen glaubt.“ semitismus ihre giftige Nahrung erden verschiedener Fundorte. Der Pessimistische Kardinalsätze, 1905 beziehen.“ Erdhügel ist zu jeder Zeit und in Dankesrede anlässlich der Verleihung des Bru- no-Kreisky-Preises, 2007 jeder Höhe öffentlich zugänglich – 0 %//&+$ er kann und soll erklommen wer- Marie Jahoda den. Kinder werden ihn erobern! „Ich habe immer geglaubt, wir Diesem Interaktionspotenzial wird können eine bessere Welt schaf- mithilfe eines Seils eine ausdrück- fen, aber es ist nicht gelungen. Ich liche Einladung ausgesprochen. bin mir der technologischen Fort- Nach jeder Freilegungsphase, die schritte sehr bewusst, aber im poli- sowohl in der Anzahl, als auch tischen Denken und im Gesamtzu- inhaltlich in der Abfolge mit dem stand der Welt sehe ich keinen dreistöckigen Aufbau des Denk- Fortschritt.“ mals korrespondiert, werden Le- „Die Zeit“, 1999 sungen und Diskussionsveranstal- tungen angeboten. Drei Alu-Ringe ruhen in den Erdschichten des Hügels. Sie tragen Zitate aus drei Generationen jüdischer Frauen. Wie Ehrenkränze werden sie um die Figur Luegers gelegt und ver- körpern die bleibende Umwidmung des Denkmals. Durch die Material- abtragung kommen sie sukzessive ans Licht und sinken langsam ab, bis sie ihren finalen Platz auf den Stufen des Denkmals erreicht haben.

181 "&+/"& %2+$"+02 *&00&,+0

Steg (barrierefrei) Magdalena Barthofer

Schritt 1: Die Figur Luegers wird Die Plattform bietet einen potenziel- Bei der Materialwahl ist auf Leich- vom Sockel genommen len Ort des Sprechens. Während tigkeit zu achten, der Steg soll kei- des Hinaufsteigens kann akustisch nen Verbau darstellen. Zufahrt von Schritt 2: ein barrierefreier* Steg und visuell Information zu aktuellen der Postgasse in die Wollzeile ist zieht sich hoch bis zur vorherigen und historischen Kampagnen ge- nicht mehr möglich. Standfläche (Plattform) der Figur gen Antisemitismus und Rassis- Kalkulationsfehler vorbehalten mus in Österreich gegeben werden. © Magdalena Barthofer 2010 * Die Länge des Stegs (116 m) ergibt sich auf- grund der Höhe des Sockels (etwa 7 m), um Barrierefreiheit zu gewährleisten beträgt die Steigung des Stegs 6 %, zusätzlich sind 19 Zwi- schenpodeste á 1,50 m notwendig. Berechnun- gen laut www.nullbarriere.de/rampen-steigung. html

182 schlagen wir vor, die Statue nur temporär, dafür aber immer wieder verschwinden zu lassen. 2. Die Auseinandersetzung mit Ge- schichtspolitik muss kontinuierlich passieren und soll nicht von einer Gruppe von Umgestalter_innen übernommen und beendet werden. Es braucht einen Prozess, der Teil- habe erfordert. 3. Uns fällt nichts Antipatriarchale- res ein als die Farbe Rosa. Konzept: Die Luegerstatue wird mitsamt dem Sockel in regelmäßi- gen, von Wetter und Tauben erfor- derten Abständen, mit rosa Zucker- guss überzogen. Auf Basis der be- rechneten Oberfläche braucht es pro Überguss 20.000 Liter Punsch- glasur. Das entspricht 100.000 Be- Zuckerguss bringe das Leben Wald- und Wiesengürtel/etc.“ den chern im einzelhandelsüblichen dem Manne* nur mit viel Wille zu übersehenden Format. Wiener Firmen, die Punsch- Antisemitismus Luegers und damit glasur produzieren, sollen zum Spon- Annegang: M. Bigus, L. Bolyos, G. Oberlechner auch gleich die antisemitischen soring dieser Geschichtsarbeit an- und antijüdischen Kontinuitäten in gefragt werden. Dabei stolpern sie In „Das Land ohne Eigenschaften“ der österreichischen Gesellschaft eventuell auch über ihre eigene bezeichnet Robert Menasse die kaschieren. Ob das gelingt? Mal Geschichte. zweite Republik als einem Punsch- sehen. krapfen ähnlich: „außen rosa, innen Beigelegt ist eine Skizze; nachge- braun, und immer ein bisschen be- Anhand von drei Kriterien entstand reicht werden die Ergebnisse aus trunken.“ der hier eingereichte Vorschlag: der Anfrage in punkto Punschgla- sursponsoring. Die Art, wie über Lueger und sein 1. Die Luegerstatue für immer ver- väterliches Erbe öffentlich gespro- schwinden zu lassen ist kein konst- chen wird, lässt uns mit einem ruktiver Beitrag zu einer anhalten- * Der Entwurf von Josef Müllner, der den Wett- bewerb zur Gestaltung der Luegerstatue ge- ähnlichen Bild zurück: Außen sollen den Diskussion über die Produktion wann, trug den Titel: „Früchte bringe das Le- in klebrigem Rosa die Errungen- von Geschichte und Geschichtspo- ben dem Manne“ – unseretwegen kann in dieser Tradition gern eine kandierte Kirsche schaften „Gaswerke/Straßenbahn/ litik im öffentlichen Raum. Daher das Haupt der Statue schmücken.

183 UNTERSTÜTZER*INNENSTATEMENTS / SUPPORTERS

Gerald Bast Diese Universität sieht sich als eine, die auch zum Ziel hat, This university regards itself as aiming to encourage de- gesellschaftliche Wirkung zu entfalten und sich in das, velopments that have an effect on society and to get was in unserer Gesellschaft passiert, einzumischen. involved in what is going on in our society. Es kann und es wird an dieser Universität nicht so sein, It cannot, and will not, be the case that in this university dass man sagt, wir beschäftigen uns hier mit ästhetischen one can say that we are concerned with superficial aes- Oberflächen und überlassen Politik und Gesellschaftspolitik thetics and leave politics and social policy to the others. anderen. Art is also social policy, it was always so – whether it Kunst ist auch Gesellschaftspolitik, das war sie immer – ob wanted to be or not – and that is something that can be sie wollte oder nicht – und das ist etwas, das hier an diesem seen in the example before us. Beispiel zu sehen ist. For me, what happened in Lueger‘s time and what Lue- Für mich ist das, was in der Luegerzeit passiert ist, und das, ger did and represented is only a point – an important was Lueger getan und vertreten hat, nur ein Punkt – ein point, but only the starting point – for what our subject wichtiger Punkt – aber nur ein Ausgangspunkt – das ist is here: we cannot change the past, but we can use it hier unser Thema; die Vergangenheit können wir nicht as the starting point for shaping the future. ändern, wir können diese aber als Ausgangspunkt zur Gestaltung der Zukunft verwenden.

Pressegespräch, 9. Dezember 2009

184 Doron Rabinovici Der Antisemitismus in Österreich ist nicht ein Parteipro- Anti-Semitism in Austria was not just a party programme gramm allein gewesen – nicht das Parteiprogramm der – not the party programme of the National Socialists, nationalsozialistischen Partei, nicht der christlichsozialen not the party programme of the Christian Socialists – it Partei –, sondern ein gesamtgesellschaftliches Phäno- was a phenomenon that affected the whole of society. men, das bis heute existiert. And it still exists today. Der Versuch den Antisemitismus in den rassistischen The attempt to divide anti-Semitism into a racist hatred Juden hass, in das ökonomistisch argumentierte Res- of Jews, a resentment based on economic arguments, sentiment und in den religiösen Antijudaismus einzutei- and a religious anti-Judaism may be interesting from a len, mag wissenschftlich analytisch interessant sein, lässt scientific and analytical point of view, but it cannot be sich jedoch nicht apologetisch missbrauchen, um zu apologetically misused in order to asset that one has behaupten, das eine habe mit dem anderen nichts zu nothing to do with the other because one phenomenon tun, weil das eine Phänomen in das andere überläuft und spills over into the other and is connected with it. zusammenhängt. Admittedly anti-Judaism did not necessarily have to Zwar hätte der Antijudaismus nicht notwendigerweise lead to Auschwitz, but the religious anti-Judaism of ear- zu Auschwitz führen müssen, aber der religiöse Antiju- lier centuries and Christian Socialist anti-Semitism were daismus früherer Jahrhunderte und der christlichsoziale necessary to get there. That means that we cannot think Antisemitismus waren notwendig, um zu Auschwitz zu about Auschwitz without thinking about what happened gelangen. Das heißt: Wir können Auschwitz nicht ohne a few decade previously – especially here in this city – all das denken, was – insbesondere hier in dieser Stadt and that is why we can no longer commemorate Lueger – ein paar Jahrzehnte davor geschah; und deshalb kön- without remembering Auschwitz. nen wir auch Lueger nicht mehr gedenken, ohne uns an Adolf Hitler‘s hymns of praise for Karl Lueger are impor- Auschwitz zu erinnern. tant because he was ideologically close to Schönerer, Die Lobeshymnen von Adolf Hitler für Karl Lueger sind closer even than to Lueger, but when the concern was deshalb wichtig, weil er zwar ideologisch Schönerer strategic, when it was about moving the masses, mov- nahe stand – Schönerer sogar näherstand, aber wenn es ing the masses with populist racism, Lueger was his um die Strategie geht, Massen zu bewegen, und zwar example. That is what he wrote, and that is how the world Massen zu bewegen durch populistischen Rassismus, understands it. war Lueger sein Vorbild – das schreibt er so und das wird auch so weltweit rezipiert.

185 UNTERSTÜTZER*INNENSTATEMENTS / SUPPORTERS

Gerald Bast Doron Rabinovici Lisl Ponger Pressegespräch, 9. Dezember 2009

Lisl Ponger Als bildende Künstlerin schätze ich es sehr, dass die Be- As a visual artist I really appreciate the fact that the en- schäftigung mit dem Lueger-Denkmal zu einem Kunst- gagement with the Lueger monument is going to lead projekt führen wird. Auch deswegen, weil es für dieses to an art project. That is the especially the case because Thema sehr schwer ist, in dieser Stadt auf politischer in this city it is very difficult to discuss the subject on a Ebene diskutiert zu werden. Und als Wienerin, die aus political level. As a Viennese who comes from a Jewish einer jüdischen Familie kommt, bin ich sehr froh, dass family I’m very happy that the commentary I hear every der Kommentar zum Lueger-Denkmal, an dem ich täg- day when I pass the Lueger monument on my way to lich an meinem Weg zum Café Prückel vorbeigehe, sich Café Prückel will no longer just be taking place in my nicht mehr nur in meinem Kopf wird abspielen müssen. head. (Press conference and project presentation at the (Pressekonferenz und Projektvorstel lung, Universität für University of Applied Arts, Vienna, 9 December 2009.) angewandte Kunst, 9. Dezember 2009)

Pressegespräch, 9. Dezember 2009

186 Sabeth Buchmann Martin Fritz Ich unterstütze das Projekt des „Arbeitskreises zur Um- Die Forderung nach „Umgestaltung“ nimmt vielleicht be- gestaltung des Lueger-Denkmals“, das Mahnmal als reits etwas zu viel vom Ergebnis einer Diskussion vorweg. einen Ort der politischen Zeichenproduktion ansichtig Denkmäler, als Teil der historischen Stadtschichten brau- werden zu lassen. Über den konkreten Anlass hinaus chen Kommentierung, Kontextualisierung, Kritik, Bildung, handelt es sich um eine beispielhaft an der Stadt Wien Information und ganz sicher einen „Umgang“, der manch- festgemachte Geschichte des Ausschlusses, der Diskri- mal auch eine Umgestaltung sein kann. Ich unterstütze minierung und Verfolgung, die den Zusammenhang von die Aktion nicht zuletzt auch, um mich solidarisch in das politischer und ästhetischer Moderne aus der Warte des „Who is Who des österreichischen Linksextremismus“ kollektiven Umgangs mit Gedenkkultur beleuchtet. (die Kultursprecherin der FPÖ Heidemarie Unterreiner in I support the project by the pressure group wanting to einer Aussendung vom 10. 12. 2009) einzureihen. transform the Karl Lueger statue. It will open one’s eyes Leider ist das viel prominentere „Denkmal“ die Benen- to monuments as sites for generating political symbols. nung des repräsentativsten Ringabschnittes. Dies umso Over and above the concrete occasion, the concern here mehr, als Straßenbenennungen und Adressen amtlicher is with an exemplary history of exclusion, discrimination Teil der Gegenwart einer Stadt sind. Solche „Denkmä- and persecution, one that is closely linked to the City of ler“ kann man nur entfernen: Der aus Wien vertriebene Vienna. It illuminates the connection between political Medizinnobelpreisträger Eric Kandel hat dazu den einzig and aesthetic modernity seen from the point of view of möglichen Umgang bereits gefordert: die Umbenennung collective dealings with memorial culture. des Dr.-Karl-Lueger-Rings.

Seiteneingang der Universität Wien

187 UNTERSTÜTZER*INNENSTATEMENTS / SUPPORTERS

Unfortunately the much more prominent “monument” is the name attached to the prestigious section of the Ring (the circular road around Vienna’s centre). This is especially the case because street names and address- es are an official part of the present of any city. “Monu- ments” like this can only be removed: Eric Kandel, a Nobel prize winner for medicine from Vienna who was forced into exile, demanded the only possible way of dealing with the situation: the re-naming of the Dr. Karl Lueger Ring.

Hans Haacke Hitler würdigte Karl Lueger in „Mein Kampf” wegen der antisemitischen Lehre, die er bei ihm in seinen Wiener Jahren genossen hat. Am Denkmal für den Lehrmeister ist ein historisch kritischer Kommentar überfällig. Hitler praised Karl Lueger in “Mein Kampf” for the anti- Semitic lessons he had received during his years in Vienna. A historical critical commentary to the monu- ment to the teacher is overdue.

Birge Krondorfer

HERR-schaftsgeschichte wird im öffentliche Raum zu- Karl-Lueger-Monument, Mariahilfer Gürtel meist durch ihre Darstellung nicht nur quasi verdoppelt, sondern eingemeißelt ins eigentlich vergangenheits- Perhaps the demand for a “re-design” anticipates the re- flüchtige Bewusstsein. So geriert ein Denkmal zur Nega- sults of a discussion. Monuments, as part of the historical tion seiner zumindest möglichen Bestimmung: zemen- fabric of a city, require commentary, contextualisation, tiertes Andachtspathos statt schlicht mal nachzudenken. criticism, education, information and, quite certainly, Ob künstlerische Intervention hier Inventur einer selek- “dealing” with them in ways that may sometimes include tiven Wahrnehmung – die durch all-gemeine Verdrän- redesigning them. I support the action being taken, not gung stattlich legitimierter Degradierung von Mitbürge- least in order to be included in the “Who is Who of Aus- rInnen in ‚Wahrgebung’ von amtsmännischer Größe trian left wing extremism” (as the culture speaker of the generiert wurde – sein kann, ist eben solch eine offene Freedom Party, Heidemarie Unterreiner, put it in a press Frage wie jene nach den aktuellen Aktivierungsbedin- release dated December 10, 2009). gungen gegen einen Popularismus, der Angst macht,

188 weil er eben diese Ämter genauso wiederbesetzen will. MALMOE Somit – und das ist unterstützend zu wünschen – wäre Redaktionskollektiv der Zeitschrift das Projekt doch ein notwendiger Schnitt ins ‚Denkmal’ Zwei von uns haben kürzlich gemeinsam mit dem „Ver- zum Mahnmal. ein Gedenkdienst“ die Gedenkstätten Auschwitz und The male-dominated history of governance is not only Birkenau besucht. Unsere Gruppe setzte sich aus Inter- quasi doubled in its representation in public space, it is essierten aus Wien zusammen, die sich vorher nicht inscribed in stone into what is really a fleeting conscious- kannten und bei dieser Reise höchst unterschiedliche ness of the past. In this way a monument mutates into Motive und Zugänge hatten. Bei der Reflexionsrunde am a negation of its (at least possible) purpose: rapt pathos letzten Abend, nachdem wir in Birkenau waren, schien cemented into place instead of simply thinking about the das Gesehene und Gehörte einige von uns überfordert past. Whether artistic intervention here can be an inven- zu haben. Eine Antwort auf die Frage nach dem „Wa- tory of selective perceptions – which, due to the general rum“ wurde fast verzweifelt gesucht – dass es der repression of state-legitimated degradation of fellow Antisemitismus war, schlicht und einfach, wollte in manche citizens that was turned into “an announcement of the Köpfe nicht hinein. In der Rede von „immer schon da truth” by official decree – is as open a question as that gewesenen“ oder „selbst bei den Tieren vorhandenen“ concerning the current conditions for mobilising resist- Ressentiments gegen „Fremde“ wurde versucht, die ance to a populism that generates fear because it wishes Verantwortung von den Tätern und Täterinnen und von to occupy these official positions once again. And thus – deren Weltanschauung weg auf eine Konstante zu hopefully and supportively – the project really is a neces- schie ben, die allem innewohnt und für die niemand sary step in transforming a “monument” into a memorial. etwas kann.

Lueger-Denkmal am Cobenzl

189 UNTERSTÜTZER*INNENSTATEMENTS / SUPPORTERS

Es ist also möglich, nach Auschwitz und Birkenau zu und -Straßen und -Gassen haben müssten. Und so kon- reisen, sich mit diesen Orten zu konfrontieren, sich über sequent dies wäre angesichts der dreifachen Ehrung alles, was dort geschehen ist, zu informieren und den- eines Karl Lueger im öffentlichen Raum dieser Stadt, so noch nichts zu lernen. Karl Lueger, seine MitstreiterIn- undenkbar ist es. Und wenn Stadtrat Mailath-Pokorny nen, seine AnhängerInnen, seine VerharmloserInnen – dann auch noch meint, statt „Tilgung“ solcher Namen sie führten aber direkt in die Vernichtungslager. Eine Ring- sei die „historisch richtige Zu- und Einordnung von Na- straße und einen Platz bis heute seinen Namen tragen men“ vonnöten, dann fragen wir zunächst einmal, war- zu lassen und daneben noch ein Denkmal für ihn bis um das nicht ohnehin passiert. Weiters fragen wir aber heute unkommentiert zu belassen, ist die Fortsetzung auch noch, wie weit die „richtige Zuordnung“ in Wien dieser Verharmlosung und ein permanenter Beitrag zur denn gehen darf. Denn die Vorschläge, die von der Stadt Herstellung einer Normalität, die versucht, den National- Wien dem Stuwerkomitee für eine Zusatztafel in der sozialismus und die Shoah als etwas von der Wiener Arnezhoferstraße gemacht wurden, übertreffen sich ge- Geschichte Abgeschnittenes und ihr „Fremdes“ zu kenn- genseitig in ihrer völligen Verharmlosung. zeichnen. Daher unterstützen wir diese Initiative vollinhaltlich in der Jene Initiative, die im Stuwerviertel seit Jahren versucht, sicheren Annahme, dass sie eine klare Sprache finden die Arnezhoferstraße – benannt nach einem antisemiti- wird, um das Lueger-Denkmal in die Geschichte Wiens, schen Hetzprediger des 17. Jahrhunderts – umzubenen- in die Geschichte der Shoah und in die Gegenwart ein- nen, erhielt kürzlich eine Stellungnahme von Stadtrat zuordnen. Andreas Mailath-Pokorny, in der es u. a. heißt: „Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass man die Geschichte einer Statement from the editorial collective Stadt bzw. bestimmte Aspekte, auch wenn sie noch so unangenehm sind, beseitigen oder entfernen kann, indem Two of us have recently visited the Auschwitz and Birk- man deren Symbole entfernt. Straßenumbenennungen enau memorial sites with the Verein Gedenkdienst [Me- gehören u. a. zum Handwerkszeug autoritärer oder tota- morial Service Association]. Our group consisted of peo- litärer Regime und sind auch deswegen abzulehnen. (...) ple from Vienna who were interested but had never Kritisches und waches Bewusstsein zeigt sich nicht been there before. They had very different motives for durch Tilgung, sondern durch historisch richtige Zu- und and approaches to undertaking the journey. At the group Einordnung von Namen.“ meeting for reflection held on the last evening, after we had been to Birkenau, what we had seen and heard Liebe Stadt Wien! Es ist auch ein Irrtum, zu glauben, seemed to have overtaxed some of us. An answer to dass auf der politischen Symbolebene der Straßenbe- the question “why?” was despairingly sought – some nennung und Denkmalspflege nichts weiter getan wer- people just couldn’t get it into their heads that it was den muss, als diese mit Hinweis auf „unangenehme purely and simply anti-Semitism. In talking about resent- Aspekte“ der Geschichte stehen zu lassen. Es ist ein ment against foreigners “it’s always been like that” or noch größerer Irrtum, zu glauben, dass Straßenumbe- “even animals exhibit similar behaviour” was used to try nennungen und ähnliche Eingriffe Sache totalitärer Re- and shift the responsibility from the perpetrators and gime sind – konsequent weitergedacht hieße das ja, their view of the world onto a constant inherent in eve- dass wir in Wien mindestens zehn Adolf-Hitler-Plätze ryone so that no-one can do anything about it.

190 It is therefore possible to travel to Auschwitz and Birk- that instead of “erasing” names like this it is necessary enau, to be confronted with these sites, to inform one- to have “historically correct ordering and ascription of self about everything that took place there and still not names”, then our first question is why this has not al- learn anything. Karl Lueger, “his comrades-in-arms”, his ready taken place. We also would like to ask just how supporters and his “apologists” – led directly to the ex- far the “correct ascription” can go in Vienna because the termination camps. To allow a section of the Ring and a proposals presented to the City of Vienna council by the square to continue to bear his name and, in addition, to Second District Committee for a supplementary plaque to leave a monument to him uncommented, is the continu- the street sign outstrip each other in their down-playing. ation of this down-playing and a permanent contribution For these reasons we fully support this initiative in the to the construction of a normality that attempts to cut certain assumption that it will find a clear language to off Nazism and the Shoah from Viennese history and to categorize the Lueger monument in the history of Vienna, characterize it as “foreign”. the history of the Shoah and that of the present. The initiative that has been trying for years to have Arnezhoferstrasse in Vienna’s second district – named after an inflammatory anti-Semitic preacher of the 17th century – recently received a statement from city council- lor Andreas Mailath-Pokorny in which, amongst other things, he says “It is a mistake to believe that one can dispose of or remove the history of a city or a particular aspect of it, even if it is unpleasant one, by removing the symbols. Renaming streets belongs amongst the tools of authoritarian or totalitarian regimes and because of that must be rejected … Critical and watchful awareness cannot be seen in erasure but in the correct ordering and ascription of names.”

Dear City of Vienna, it is also a mistake to believe that on the level of political symbolism nothing more has to be done than to point out the historically “unpleasant aspects” and allow them to stay in place. It is an even bigger mistake to believe that renaming streets and similar actions are something to do with totalitarian re- gimes – taken to its logical conclusion, that would mean Vienna would have to have at least ten Adolf Hitler squares, streets, and roads. And no matter how consist- ent that might be, in the face of the triple honour ac- corded Karl Lueger in the city’s public space, it is un- thinkable. And if Councillor Mailath-Pokorny then thinks

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Walter Manoschek Kampf“ zu dem Satz bewegte: „Heute sehe ich in dem Mann mehr noch als früher den gewaltigsten deutschen Karl Lueger war nicht nur ein erfolgreicher Wiener Bür- Bürgermeister aller Zeiten.“ germeister, sondern der erste Politiker, der politischen Antisemitismus gezielt politisch eingesetzt hat. Aus die- An Lueger erinnern in Wien etwa ein Dutzend Denkmä- sem Grund hatte Kaiser Franz Joseph seine Bestellung ler, Plätze, Straßennamen und Brücken. Kein Erinnerungs- zum Bürgermeister mehrmals verhindert. Seine antise- ort verweist auf die Rolle Luegers als Antisemiten. Für mitischen Ausfälle sind Legende. Sie reichen vom „An- die Universität Wien ist es international fatal, dass die tisemitismus, der erst zugrunde gehen wird, wenn der Universitätsadresse „Dr. Karl-Lueger Ring 1“ lautet. letzte Jude zugrundegegangen ist“ bis zum „Antisemitis- mus, der uns förmlich eingetrieben wird“. 1890 erklärte Karl Lueger was not only a successful Vienna mayor but Lueger, dass der Antisemitismus „förmlich eingetrieben also the first politician that employed political anti-Sem- wird durch die unersättliche Rachsucht, mit welcher die itism for political ends. It was for this reason that Em- Juden ihre angeblichen oder wirklichen Feinde verfol- peror Franz Joseph prevented his inauguration as mayor gen“. Es war Luegers Antisemitismus, der Hitler in „Mein a number of times. His anti-Semitic sallies are legendary.

Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche zum Hl. Karl Borromäus Lueger-Grabmal

192 They go from “anti-Semitism will only rot away when Übergriffen paart. Vor diesem bedrohlichen Hintergrund the last Jew has rotted away” to “anti-Semitism which ist es höchste Zeit, die Geschichte Luegers aufs Neue is really driven into us”. In 1890 Lueger explained that und auf neue Art zu thematisieren, die Dispositive heu- anti-Semitism “is really driven into us by the insatiable tiger Antisemitismen in differenzierter Weise mit dieser vindictiveness with which Jews pursue their real or al- Historiografie zu verbinden und dies mit dem künstle- leged enemies”. It was Lueger’s anti-Semitism that moved risch-formalen Anspruch des „Arbeitskreises zur Umge- Hitler to write in “Mein Kampf”, “Today, more than before, staltung des Lueger-Denkmals“. I consider the man to be the greatest German mayor of “I say who’s a Jew …” Dr. Lueger’s most infamous dic- all times”. tum, from a politician who in any case achieved the In Vienna around a dozen monuments, squares, street most dubious fame through his brutal populism, makes names and bridges remind us of Lueger. There is not one distraught today because of its astounding topicali- one site that reminds us of his anti-Semitism. Interna- ty. The racist construction of “the Jew” as a radically tionally it had fatal repercussions that the University of subjective gesture of the exercise of power in today’s Vienna’s official address is Dr. Karl-Lueger Ring 1. populism, is dominated in the first place by the media, not the Freedom Party. There are also signs that it is becoming noticeably coupled with violent anti-Semitic Alexander Pollak incidents. Against this threatening background, it is high Ein Denkmal für Lueger, das nicht zum Nachdenken time to thematise Lueger’s history anew and in a new über Antisemitismus anregt, ist ein Undenkmal und einer way, to connect up the dispositive of today’s anti-Semi- Demokratie nicht würdig. Viele haben schon umgedacht, tism with this historiography, with the artistic and for- jetzt ist es Zeit umzugestalten. mal demands of the Pressure Group to transform the Karl Lueger statue. A statue in memory of Lueger that does not encourage reflection on anti-Semitism is a monument to forgetting and not worthy of a democracy. Many have changed Matthias Reichelt their views, now it is time to change its form. Die Initiative des „Arbeitskreises zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals“, das Denkmal des Antisemiten Karl Lueger kritisch zu kommentieren, ist durchweg der Un- Gerald Raunig terstützung wert. Eine Forderung nach einem Abriss, „Wer a Jud is, bestimm i ...“ Das berüchtigtste Diktum wie sie vielleicht in den 1970er- und 1980er-Jahren er- des ohnehin durch seinen Brutal-Populismus zu zweifel- hoben worden wäre, würde die Chance verpassen, Ge- haftester Berühmtheit gelangten Dr. Lueger verstört schichte zu verstehen und verständlich und anschaulich heute vor allem durch seine erstaunliche Aktualität. Die zu machen. Es ist zwar keineswegs verständlich und rassistische Konstruktion „des Juden“ als radikal-sub- schon gar nicht akzeptabel, dass Karl Lueger immer noch jektive Herrschaftsgeste kehrt im heutigen, vor allem eine Würdigung als früherer Bürgermeister von Wien medial dominierten Populismus nicht nur der FPÖ wieder, erhält, obwohl seine antisemitische Haltung hinreichend es gibt auch Anzeichen dafür, dass sie sich zusehends belegt und bekannt ist, aber eine Beseitigung des Denk- wieder mit einer Gewaltpraxis von antisemitischen mals und eine Namensänderung des Platzes würden

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Geschichte und eben auch die gegenwärtige Geschichte Nora Sternfeld nur spurlos eliminieren. Das Skandalon ist hingegen die Der öffentliche Raum mit seinen Straßennamen und bisherige Ignoranz der Politik und breiten Öffentlichkeit Denkmälern erzählt davon, wie offiziell erinnert wird. Am gegenüber einer antisemitischen historischen Person Lueger-Platz wird mit einem Namen und einem Denk- trotz der Erfahrung mit dem Massenmord an den euro- mal offiziell an einen Antisemiten gedacht. Bisher ist päischen Juden. dabei jedoch nicht etwa die Geschichte und Gegenwart Vor diesem Hintergrund kann ich dem Ziel der Initiative, des Antisemitismus das Thema, das hier verhandelt wird. mit einer „Umgestaltung“ ein „Gegenmonument“ zu Vielmehr ehren das Denkmal und sein Platz den antise- schaffen, „das sich dem Antisemitismus und Rassis- mitischen Politiker als großen Mann. Mit dem Ausblei- mus in Österreich widersetzt“ nur vorbehaltlos zustim- ben einer Kommentierung von offizieller Seite wird men und für seine Realisierung werben. eigentlich jeden Tag aufs Neue im Stadtraum bestätigt, dass in Wien antisemitisches und rassistisches Selbst- The initiative of the pressure group to transform the Karl verständnis als politisches Kleingeld in Kauf genommen Lueger statue into a critical commentary of the anti- werden kann. Semite Karl Lueger is certainly worth supporting. A de- mand for its demolition, as might have been made in the Dass die Erinnerung nicht so bleiben muss, wie sie 1970s and 1980s, would have missed the chance of ist – dass dieses Selbstverständnis umstritten ist und understanding history and making it graphically compre- angegriffen werden muss –, macht der „Arbeitskreis hensible. It is by no means understandable that Karl Lue- zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal ger is still honoured as a former mayor of Vienna even gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich“ klar. when his anti-Semitic position has been sufficiently Diesem Projekt schließe ich mich in jeder Hinsicht an! proven and is well known. But a removal of the statue With their street names and monuments, public spaces and re-naming the square would only eliminate history, give an account of how memorialisation is officially including contemporary history, without a trace. How- dealt with. In Lueger Platz the name and the monument ever the scandal lies in the current ignorance of politi- are official reminders of an anti-Semite. Up till now, cians and the general public with regard to a historically however, the subject that has been negotiated here has anti-Semitic person despite the experience with the not been the history and presence of anti-Semitism but, mass murder of European Jews. rather, the statue and square that honour the anti-Se- Against this background I can only express my uncondi- mitic politician as a great man. The absence of any com- tional support for the goals of the initiative – by redesign- mentary from the official side means that within the city ing it to create a counter-monument which resists anti- boundaries there is a daily confirmation that in Vienna Semitism and racism in Austria – and I will promote its the “loose change” of political currency may be an anti- implementation. Semitic and racist self-image.

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Hausnummernschild Straßenschild

The pressure group to transform the Karl Lueger statue, Martin Wassermair with its objective of redesigning it to make it into a mon- Solange Ewiggestrige hohe Positionen der Republik ein- ument against anti-Semitism and racism in Austria, nehmen, mit rechtsextremem Gedankengut die parla- makes it clear that memorialisation does not have to mentarische Demokratie aushöhlen und immer unver- stay as it is – that the self-image is contested and must schämter nach Diskurshoheiten greifen, sind Störmanö- be attacked. I support this project in every repect. ver unbedingt geboten. Gegen die Gefälligkeit von Weg- schauen und Vergessen, gegen Rassismus und Antise- mitismus! Disruptive action is certainly called for as long as yester- day men have high positions in the republic, erode par- liamentary democracy with extreme right-wing ideas and repeatedly attempt to grab the high ground of the discourse. Fight the favour we them do by looking away and forgetting; counter racism and anti-Semitism.

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Florian Wenninger history of the city and in a certain sense embodies its discreditable side. We are talking about saying that Der Name Sigmund Freud steht in aller Welt für einen openly, of placing the man in the context he deserves. gewaltigen wissenschaftlichen Fortschritt, für einen Bei- It is in this sense that we support the wonderful initia- trag zur Emanzipation des Menschen, für Aufklärung im tive to re-design the Lueger statue and wish those in- besten Wortsinn. Karl Lueger steht für das Gegenteil volved the very best for the project. von alldem: ein provinzieller Reaktionär, skrupellos, jeder- zeit bereit, Mitmenschen öffentlich zu denunzieren und aus dem Appell an niedrigste Instinkte politisches Kapi- Ruth Wodak tal zu schlagen. Für Sigmund Freud hat Wien keinen Platz, keine Straße. Karl Lueger hat man nach 1945 nicht nur Das Lueger-Denkmal soll nicht aus dem Wiener Stadt- den unter den Austrofaschisten nach ihm benannten bild verschwinden, denn Vergangenheiten verschwin- Abschnitt des Rings belassen, sondern zusätzlich auch den nicht! Vielmehr soll das Denkmal umgestaltet wer- den prominent gelegenen Platz samt Denkmal. Sigmund den, sodass die historischen Bedeutungen sichtbar Freud öffentlich zu würdigen, wäre eine Selbstverständ- werden; durch die Einbettung in den Kontext und das lichkeit. Gleichzeitig Lueger aus dem öffentlichen Stadt- Bewusstmachen der mit Lueger verbundenen antisemi- bild tilgen zu wollen, wäre aber falsch: er gehört zur tischen Positionen wird das Denkmal sozusagen „um- Geschichte dieser Stadt, ist gewissermaßen ihr nieder- definiert“. Damit wird Vergangenheit nicht zum Schwei- trächtiges Antlitz. Es geht darum, das offen auszuspre- gen gebracht, sondern man setzt sich mit ihr auseinan- chen, den Mann in den Kontext zu stellen, der ihm ge- der. Alternative? bührt. In diesem Sinne unterstützen wir die großartige Antirassistische Positionen bekommen derart den not- Initiative zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals und wendigen Raum in der Wiener Öffentlichkeit. wünschen Ihnen dafür alles Gute! The Lueger statue should not disappear from the Vien- na cityscape because pasts don’t just disappear. It is Throughout the world the name Sigmund Freud stands rather a question of redesigning it so that the historical for tremendous scientific progress, for a contribution to meanings become visible; by embedding them in con- the emancipation of humanity, for enlightenment in the text and making people aware of the anti-Semitic posi- best sense of the word. Karl Lueger stands for the op- tions connected with Lueger, the monument will be, so posite of all that: a provincial reactionary, unscrupulous, to say, “re-defined”. This would not silence the past but always ready to denounce fellow citizens and to forge engage with it. Alternatives? This way will give anti- an appeal to the lowest possible instincts in order to racist positions the necessary place in public in Vienna. obtain a political advantage. Vienna had no place for Sig- mund Freud, no square, no street. After 1945 not only the section of the Ring that had been named after him under the Austro-fascists was left as it was, but also the prominently-situated square with its statue. It would be completely natural to publicly honour Sigmund Freud. At the same time, wanting to erase Lueger from the city’s urban landscape would be wrong. He is part of the

196 PRESSE Lueger-Denkmal finden sich übrigens ebenso auf der Projekt-Homepage wie eine Liste von prominenten Un- terstützerinnen und Unterstützern einer Umgestaltung. glicka, derStandard.at, 9. Dezember 2009

Lueger-Denkmal: wien.orf.at – 9. Dezember 2009 „Scheinheilige Fassade einreißen“ Angewandte will Lueger-Statue umgestalten Das Schema einer Abrissbirne überlagert das Denkmal für Karl Lueger, von 1897 bis 1910 Bürgermeister von Die Universität für angewandte Kunst hat einen inter- Wien. Mit diesem Plakatmotiv startet ein Arbeitskreis nationalen Wettbewerb zur Umgestaltung des Lueger- der Wiener Universität für angewandte Kunst einen inter- Denkmals in der City in ein Mahnmal gegen Antisemi- nationalen Wettbewerb zur Umgestaltung des 1926 tismus ausgelobt. FPÖ und ÖVP lehnen die Idee ab, enthüllten Monuments in ein Mahnmal gegen Antisemi- die Grünen sind dafür. tismus und Rassismus in Österreich. „Die Abrissbirne Künstlerischer Diskurs gestartet steht nicht für das Abreißen, sondern für das Einreißen „Das Thema Lueger ist in Wien kein neues“, sagte der der verklärenden Hülle“, so Lilly Panholzer, eine der im Rektor der Angewandten, Gerald Bast. Er erinnerte da- Arbeitskreis vertretenen Studentinnen, anlässlich der mit an vergangene Debatten über die Umbenennungen Präsentation des „Open Call“, der ab sofort bis 1. März des Dr.-Karl-Lueger-Rings bzw. -Platzes. 2010 läuft. Initiator Martin Krenn: „Das ganze Projekt soll ein Anstoß für eine Diskussion sein.“ Auf dem nach dem ehemaligen Wiener Bürgermeister benannten Platz beim Stubentor befindet sich auch das „Vergangenheit lässt sich nicht ausradieren“ Denkmal. Man wolle nun einen betont künstlerischen „Das Lueger-Denkmal hat noch immer eine Bedeu- Diskurs starten, bei dem es nicht um eine Demontage tung“, betonte die Historikerin Heidemarie Uhl. Lueger, oder Zerstörung der Statue gehe, so Bast. auf den unter anderem der Ausspruch „Wer a Jud ist betimm i!“ zurückgeht, habe Antisemitismus aus poli- tischem Kalkül eingesetzt und einen politisch radikalen Diskurs salonfähig gemacht. „Die Vergangenheit lässt sich nicht ausradieren, eine Auseinandersetzung ist notwendig“, erklärte die Kunsthistorikerin Verena Krie- ger beim „Open Call“-Start. Eine mögliche Form dafür sei es, wie bei einem Palimpsest „neue Bedeutungs- schichten hinzuzufügen, ohne die alten auszuradieren“. „Die Kreativität soll zeigen, was sie kann“, so Uhl. Das umgestaltete Denkmal soll sich nicht nur „gegen jede Form antisemitischer und rassistischer Agitation“ wenden, sondern auch Lueger als historische Person thematisieren. Aktuelle Statements von Passanten zum

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Ausstellung mit allen Einreichungen seit Jahren an, auch den Lueger-Ring und den Lueger Studierende schlossen sich zu einem Arbeitskreis zu- Platz umzubenennen“, so die Kultursprecherin der sammen, der einen internationalen Wettbewerb aus- Grünen Wien, Marie Ringler. lobte. Gesucht werden Vorschläge, wie die 1926 ent- Lueger sei Antisemit und damit ein Wegbereiter des hüllte Erinnerungsstätte an Lueger zu einem Mahnmal Nationalsozialimus. „Leider ist Lueger nicht der einzige gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich Antisemit, nach dem eine Gasse in Wien benannt ist. umgestaltet werden kann. Auch die Stauracz-Gasse im 5. Bezirk ist immer noch Projekte können bis 1. März 2010 eingereicht werden. nach dem Antisemiten Franz Stauracz benannt“, so Bis Ende März soll eine Jury, der neben Bast unter Ringler. anderen der Schriftsteller Doron Rabinovici und die Künstlerin Lisl Ponger angehören, den Sieger ermitteln. FPÖ: Hände weg vom Denkmal Danach solle sich der Arbeitskreis für die Umsetzung Die FPÖ sprach sich in einer Aussendung gegen eine einsetzen, so Initiator Martin Krenn. Umgestaltung des Denkmals aus und sprach von einer „ideologisch motivierten Denkmalstürmerei“. FPÖ-Ab- Sämtliche Einreichungen sollen in einer Ausstellung geordnete Veronika Matiasek forderte Bürgermeister und in einer Publikation präsentiert werden. Michael Häupl (SPÖ) auf, einzuschreiten. „Antisemitismus als politisches Kalkül“ „Das im Jahre 1926 zu Ehren Luegers errichtete Denk- Das jetzige Denkmal heroisiere Lueger, hieß es bei der mal sei aus seiner Zeit heraus zu verstehen und müsse Präsentation der Aktion am Mittwoch. Es werde jedoch in dieser Form auch weiter bestehen bleiben“, hieß verschwiegen, „dass er das Amt aufgrund seiner popu- es in der Aussendung. Lueger habe als Bürgermeister listischen und antisemitischen Hetze erreicht hat“. Bei Wiens unglaublich viel geleistet. Dies sei auch von Vorschlägen zur Umgestaltung können laut den Einreich- politisch Andersdenkenden so zu akzeptieren. kriterien neben historischen Umständen auch Bezüge zur Gegenwart hergestellt werden. ÖVP: „Kein adäquates Mittel“ „Der Antisemitismus Luegers ist selbstverständlich Die Historikerin Heidemarie Uhl gehört neben Robert eindeutig klar und entschieden zu verurteilen und abzu- Schindel, Barbara Albert und Isolde Charim dem Unter- lehnen. Zweifellos hat er sich aber als großer Bürger- stützungskomitee der Aktion an. Sie verwies darauf, meister auch um die Entwicklung der Stadt Wien ver- dass der 1844 geborene Lueger „Antisemitismus als dient gemacht“, so ÖVP-Wien- Kultursprecher Franz politisches Kalkül“ eingesetzt habe. Ferdinand Wolf. Zudem habe der Gründer der Christlichsozialen Partei, Die Umgestaltung des Lueger-Denkmals sei aber kein der von 1897 bis zu seinem Tod 1910 Wiener Bürger- adäquates Mittel, den Grausamkeiten des 20. Jahrhun- meister war, das Mittel der Ausgrenzung salonfähig derts mit Totalitarismus und Holocaust gerecht zu wer- gemacht. den. Aufklärende Informationen bei entsprechenden Grüne: Platz soll auch umbenannt werden Denkmälern wären für das Geschichtsbewusstsein der „Wir unterstützen den Wettbewerb der Angewandten Stadt wesentlich zielführender, so Wolf. für eine Umgestaltung des Lueger-Denkmals. Wir regen

198 Wien (OTS/fpd) – 10. Dezember 2009 Der Standard (online) – 19. Dezember 2009

Unterreiner: Denkmalstürmerei beim Häupl für erklärende Tafel Lueger-Denkmal völlig inakzeptabel! Eine Umgestaltung des Denkmals lehnt er ab Die vereinigte Linke habe sich offenbar ein neues Betä- Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl kann sich tigungsfeld gesucht. Aktuell solle jetzt das Lueger- vorstellen, dass es eine „erklärende Auseinanderset- Denkmal in Wien „umgestaltet“ werden. Diese Denk- zung“ mit dem 1926 enthüllten Denkmal für den frühe- malstürmerei in Wien habe bei den „üblichen Verdäch- ren Wiener Bürgermeister Karl Lueger geben wird. Dies tigen“ ja eine jahrelange Tradition. Alleine das Unter- könnte etwa in Form einer Tafel geschehen, die bei der stützungskomitee lese sich wie das „Who is Who“ des Statue angebracht wird. Das sagte Häupl am Freitag in österreichischen Linksextremismus und zeige klar und der Fragestunde des Gemeinderates. Es stehe außer deutlich aus welcher Richtung hier der Wind bläst. Fak- Zweifel, dass Lueger dem politischen Antisemitismus tum sei, dass das 1926 in Wien errichtete Denkmal aus gehuldigt habe, betonte der Bürgermeister. Eine Um- der Zeit heraus zu verstehen sei und man die Arbeit bzw. gestaltung des Denkmals, das sich am Lueger-Platz in das Wirken Luegers durchaus diskutieren und kritisch der City befindet, lehnte Häupl hingegen ab. Gewünscht hinterfragen könne. Das Denkmal als kulturhistorisches wird eine solche von einer Initiative der Universität für Bauwerk dürfe davon jedoch nicht betroffen sein, so angewandten Kunst, die einen internationalen Wettbe- heute die Kultursprecherin der FPÖ und Bezirkspartei- werb ausgelobt hat. Dieser hat die Umwandlung der obfrau der FPÖ-Innere Stadt, NAbg. Mag. Heidemarie Lueger-Erinnerungsstätte in ein „Mahnmal gegen Anti- Unterreiner. (Schluss) hn semitismus und Rassismus in Österreich“ zum Ziel. Der Vorschlag der ÖVP, auch die im Donaupark stehende Che-Guevara-Büste mit einer Erklärung zu versehen, dürfte hingegen eher nicht umgesetzt werden. „Ich fürchte sehr, dass wir uns nur schwer auf einen Text einigen könnten“, mutmaßte Häupl. (APA)

Filmstill aus „Dr. Karl Luegers 64. Geburtstag 1908 in Lovrano“

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Interview des Arbeitskreises mit dem ORF vor dem Lueger-Denkmal

„Die Presse“, Print-Ausgabe, 20. Jänner 2010 Wien (OTS) – 18. Januar 2010

Der späte Sturz des turkmenischen ÖH begrüßt „Ent-ehrung“ des Revisionisten Lüftl Sonnengotts Rücknahme des goldenen Ehrendiploms war dringend Almuth Spiegler notwendig Robert Musils Annahme „Nichts ist so unsichtbar wie „Es ist eine traurige Wahrheit, dass Antisemitismus in Denkmäler“ stimmt seit den 1980er-Jahren jedenfalls Österreich noch immer oder schon wieder salonfähig so nicht mehr: Auf der einen Seite der „Mauer“ wurden ist. Die jüngsten Aussagen des FPÖ Politikers Egger die Symbole der kommunistischen Diktatur gestürzt, oder der EU-Wahlkampf der Freiheitlichen mit auf der anderen Seite welche im Gedenken an die Ver- Hetzparolen gegen einen Beitritt der Türkei und Israels brechen der nationalsozialistischen errichtet. Längst zeigen das erschreckend deutlich“, so Eva Maltschnig, hat sich in modernen Gesellschaften aber „Kommen- Generalsekretärin der ÖH Bundesvertretung. „Ewig- tieren“ statt „Demolieren“ im Umgang mit unliebsa- gestriges Gedankengut begegnet uns in der Öffentlich- men historischen Denkmälern durchgesetzt. Ein nächs- keit jeden Tag – nach dem ehemaligen Wiener Bürger- ter Schritt ist die künstlerische Neuinterpretation. meister und antisemitischen Hassprediger Karl Lueger ist in Wien beispielsweise ein Teil des Rings benannt“, so Sigrid Maurer vom Vor- sitzteam der ÖH Bundesvertretung. Karl Lueger wurde von Adolf Hitler als „der gewaltigste deutsche Bürger-

200 meister aller Zeiten“ bezeichnet. Ein Denkmal zu Ehren February 24, 2010, Forward seiner Person überschattet immer noch widerspruchs- Toppling Hitler‘s Role Model los den Stubenring. Die ÖH unterstützt die dringend notwendige Umgestaltung. Vienna belatedly wrestles with legacy of its antisemitic mayor By Michael Z. Wise A monument to Lueger, who turned Vienna into the http://www.kulturpunkt.hr/i/vijesti/1499/ first major city in the Western world controlled by a 05. sijeēnja 2010 party openly devoted to hating Jews, stands on a Spomenik s tajnom square along the Ringstrasse. A separate section of Unatoē desetljeđima rasprava, brojnim intervencijama the boulevard encircling the Austrian capital is still i peticijama za preimenovanje, spomenik tamo stoji i named after the late 19th-century mayoral demagogue dalje u svojoj punoj slavi. who served as inspiration for Adolf Hitler.

injenice iz prošlosti ne bi trebalo tajiti, pa stoga ova But now, Vienna’s University of Applied Arts has organ- inicijativa zahtijeva da se sadašnji spomenik omraženom ized an international competition to come up with pro- gradonaēelniku ukloni, a da se na njegovo mjesto pos- posals for reworking the square. “The statue stands tavi spomenik protiv antisemitizma i rasizma u Austriji. for patriarchal hero worship and an undifferentiated

links: Filmstills Kulturmontag, 1. 3. 2010, ORF 2 unten: Ceské Ozvcny/Slovenské Ozveny, 14. 2. 2010, ORF 2

201 PRESSE way of dealing with history,” organizers write in their organizers see the competition as a means to promote a request for submissions. “It thus becomes a monu- greater public examination of Lueger’s antisemitism and ment to trivializing and tolerating antisemitism.” The racism’s ongoing resonance in contemporary politics. competition brief calls not for removing the statue, but rather transforming it into a monument against anti- semitism and racism. Jüdische Welt – 25. Februar 2010 Lueger’s populist rhetorical style has been echoed by Antisemit in Bronze more contemporary Austrian politicians, including the late right-wing leader Jörg Haider. Even in Austria to- Ein Arbeitskreis ruft Künstler auf das day, the competition organizers state on their Web Wiener Lueger-Denkmal umzugestalten. site, www.luegerplatz.com: “Antisemitic statements Die Antworten fielen recht unterschiedlich aus, als by politicians are not only tolerated but also rewarded Studierende der Universität für Angewandte Kunst in with votes. The statue to the former mayor Lueger Wien vergangenes Jahr Passanten zu dem Denkmal cannot be allowed to romanticize history any longer.” des legendären Wiener Bürgermeisters Karl Lueger Veronika Matiasek, leader of the Vienna contingent of befragten. „So ein Antisemit! Ich kenn‘ die ganzen the right-wing Freedom Party, has condemned the Geschichten. Ihr könnt das umändern, mir macht das competition and lauded Lueger’s achievements. Leftist nichts aus“, sagt einer. „Es geht um einen Bürger- activists and artists should “keep their hands off his- meister, der sehr viel für die Stadt getan hat“, meint toric structures and monuments,” she declared last ein anderer Passant patzig. „Warum umgestalten? December. While the current mayor, Michael Häupl, a Was passt nicht? Zu seiner Zeit hat‘s gepasst, Warum Social Democrat, has rejected any plan to overhaul the woll‘ ma des dann übersetzen in unsere Zeit?“, fragt landmark, he concedes that in view of Lueger’s indis- ein älterer Herr. putable exploitation of antisemitism for political gain, Der Arbeitskreis zur „Umgestaltung des Lueger-Denk- there may be a need to install an explanatory plaque mals“ möchte nun einen breiteren Diskurs über den nearby. Competition organizers deem such a move Umgang mit der problematischen historischen Rolle insufficient. Luegers in Gang setzen. Deshalb hat er einen Wettbe- werb zur Umwandlung des derzeitigen Denkmals in Although Austria has probed darker aspects of its past ein künftiges Mahnmal ausgeschrieben. following the election of former United Nations Secre- tary General Kurt Waldheim as president in 1986 de- Adolf Hitler sollte Lueger später als den „gewaltigsten spite revelations of his service in a German army unit deutschen Bürgermeister aller Zeiten“ bezeichnen. involved in Nazi war crimes, the unchanged Lueger Daher betont Martin Krenn heute: „Die Geschichte monument stands as an enduring symbol of a reluc- lehrt, wie wichtig es ist, sich gegen alle Formen von tance for a thorough confrontation with some aspects Antisemitismus zu wenden. Umso schwerer wiegt es, of the country’s history. Krenn, who is helping organize dass nach wie vor in Wien ein Denkmal mit einer Sta- the competition, said he hoped that the winning de- tue von einem Politiker steht, der schon vor über 100 sign would be sufficiently potent to convince Viennese Jahren Antisemitismus als politische Strategie nutzte, authorities to transform the square. But in any case, the um in dieser Stadt die Macht zu erlangen.“

202 In der Jury sitzt unter anderen auch die Historikerin Eva Blimlinger. Sie betont schon im Vorfeld der Ent- scheidung: „Es kann nicht nur eine künstlerische Lö- sung sein.“ Gesucht werde nach einem Konzept, das den Passanten durch einen Zusatz zum Denkmal irri- tiere, gleichzeitig dieses aber durch die Umgestaltung nicht massiv aufwerte. Sie findet es schwierig, die Grenze zu ziehen, wann man ein Denkmal schlichtweg entfernt – wie etwa Hit- ler-Büsten – und wann man etwas stehen lässt und kommentiert. „Schließlich wird diese Grenze aber im- mer gesellschaftlich definiert werden“, so Blimlinger.

Wiener Zeitung (online) – 9. März 2010 (Auszug)

Umstrittener Modernisierer Von Walter Hämmerle „Wir wollen der Stadt Wien eine Hilfestellung beim sensibleren Umgang mit dem Thema geben“, erklärt Martin Krenn, Projektleiter einer Initiative zur Umge- staltung des Karl-Lueger-Denkmals beim Wiener Stu- bentor. Man muss kein Prophet sein, um die Chancen auf eine Umsetzung der Pläne skeptisch zu beurteilen. Alle Jahre wieder fordern Initiativen die Stadtpolitik auf, die Erin- nerung an den ebenso legendären wie umstrittenen Filmstills aus „Wien 1910“ aus dem Jahre 1942 Bürgermeister aus dem offiziellen Antlitz Wiens zu tilgen. Neben dem Denkmal geht es dabei stets vor allem um den Dr.-Karl-Lueger-Ring, an dem das Haupt- gebäude der Universität Wien liegt. Die Wiener SPÖ erteilte diesen Ansinnen bisher eine Abfuhr. Begründet wird dies mit dem organisatorischen und finanziellen Aufwand, der einer Umbenennung folgen würde. Min- destens so wahrscheinlich ist jedoch, dass damit auch eine sehr viel breitere Debatte über Straßen- und Platz- bezeichnungen einhergehen würde.

203 PRESSE

Tages-Anzeiger – 10. März 2010 Luegers Parolen tauchen heute wieder in rechtspopu- Der „Herrgott von Wien“ war listischen Hetzkampagnen auf: „Wien darf nicht Istan- Vorbild für Hitler und Haider bul werden“, forderte die FPÖ im vergangenen Wahl- kampf. Um 1900 hieß es noch: „Gross-Wien darf nicht Karl Lueger machte Wien zur modernen Weltstadt und den Antisemitismus zum politischen Programm. Gross-Jerusalem werden.“ Letzteres blenden die Wiener heute lieber aus. Von Bernhard Odehnal Süddeutsche Zeitung – 10. März 2010 Michael Häupl ist für seine launischen, oft bissigen Kommentare bekannt. Doch zu diesem Thema verwei- Schämt sich hier denn niemand? gert der Wiener Bürgermeister das Interview. Auch Karl Lueger war nicht nur ein großer Bürgermeister sondern auch Antisemit. seine Sozialdemokratische Partei (SPÖ) bleibt stumm, In Wien hört man das nicht so gern. ebenso wie die rechtspopulistische FPÖ, die sonst Von Michael Frank jede kommunalpolitische Frage kommentiert. Fällt der Name „Karl Lueger“, senkt sich bleiernes Schweigen Die konservative Bezirksvorsteherin der Wiener City über die Parteizentralen. Es ist, als wollte sich niemand äußerte jüngst im Radio, man dürfe diese Gestalt nicht die Finger verbrennen an dieser Figur, die sie einst den im Nachhinein verurteilen: Habe er doch nicht gewusst, „Herrgott der Wiener“ nannten. Der ehemalige Bürger- dass der Holocaust bevorstehe. Dass das Gift, das meister, Begründer der christlichsozialen Partei und Lueger damals kühl in die Seelen auch eines Hitler des politischen Antisemitismus starb vor genau 100 geträufelt hat, dennoch damit zu tun haben könnte, Jahren, am 10. März 1910. Und doch „tut uns Lueger soll nicht mehr wahr sein. Just dieser Tage hat sich noch heute weh“, sagt die Historikerin Heidemarie Uhl. eine extrem rechte Politikerin für das Amt der Bundes- Politische Unterstützung für die Neubewertung der präsidentin aufstellen lassen. Als Erstes verlangt sie Geschichte kommt lediglich von den Grünen. Die die Abschaffung des Gesetzes gegen „nationalsozialis- rechtspopulistische FPÖ lehnt jede Veränderung des tische Wiederbetätigung“. Symbolhaft, glauben Kriti- Denkmals empört ab, die konservative ÖVP kann sich ker, spannt sich so der Gesinnungsbogen von Lueger zwar eine Tafel mit zusätzlichen Informationen vorstel- bis ins Heute. len, aber nur „wenn wir auch die Schattenseiten ande- Er schweißte seine Anhängerschaft mit Judenhass rer Persönlichkeiten darstellen“, so der Wiener Frak- zusammen, ohne je in der Wolle gefärbter Antisemit tionschef Matthias Tschirf. Für die Konservativen ist gewesen zu sein. Boykottdrohungen und Kooperation Lueger primär der Einiger des christlich-sozialen belegen wechselweise ein kompliziert-differenziertes Lagers und „ein großer Bürgermeister, der Wien in Verhältnis zur jüdischen Gemeinde. Der Wiener Schrift- die Moderne führte“, sagt Tschirf: „Aber es gibt steller und heutige Menschenrechtsaktivist Doron auch Aspekte Luegers, die wir heute ablehnen.“ Rabinovici fasst es so zusammen: „Karl Lueger wurde Für Lueger aber war Antisemitismus das politische der Evangelist des Ressentiments.“ Auch nach dem Programm, mit dem er kleine Handwerker und katholi- Ende der glorreichen Reichszeiten hat sich Österreichs sche Bürgerliche vereinigen und aus christlich-sozialen Hauptstadt bis heute eine defensive, eine argwöhnische Splittergruppen eine Massenpartei machen konnte. Grundhaltung bewahrt: Wien verstehe sich grundsätz-

204 lich als Bollwerk gegen andere, nicht als ein Mekka, lang der Wiener U-Bahnen merkwürdigerweise stark das mit seiner Herrlichkeit andere anziehen wolle, beworben. vermerkt der amerikanische Lueger-Biograph John Gegen willkürliche Veränderungen von Denkmalen W. Boyer und zieht die Literatur als Zeugin heran. spricht sich in diesem Zusammenhang auch der Kultur- sprecher der Wiener Volkspartei, Franz Ferdinand Wolf,

„Die Presse“, Print-Ausgabe, 10. März 2010 aus: „Wenn wir damit beginnen, Denkmäler nach heu- tiger Sicht und geschichtlichen Kenntnissen zu verän- Die 30.000 Vollidioten Deutschlands dern, wäre eine Vielzahl davon in Wien betroffen. Gastkommentar von Herbert Kaspar (Die Presse) Was sich Wolf aber vorstellen kann: Dass bei Denkmä- Es war zu erwarten, dass diese Kampagne anlässlich lern der jeweilige geschichtliche Hintergrund dargestellt des 100.Todestages von Karl Lueger an Dynamik ge- und so dem Betrachter der historische Kontext erläu- winnen würde, und man wurde nicht enttäuscht. Ein tert wird. Im Falle von Lueger müsste sich die Erläute- „Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals“ rung auch mit dem von ihm politisch instrumentalisier- ist der Meinung, dass die „Ehre, welche Altbürgermeis- ten Antisemitismus auseinandersetzen und klar und ter Lueger durch das Denkmal und durch ein Teilstück eindeutig ablehnen. der Ringstraße mit seinem Namen in Wien zuteilwird, nicht mehr hingenommen werden darf“. Karl Lueger hatte das Unglück, kein Sozialdemokrat Kronen Zeitung 25. November 2010 gewesen zu sein, denn dann wären seine Verirrungen Post von Jeannée heute vergeben und vergessen. Lieber schiefer Turm von PISA, nun hat deine weltbe- rühmte Schräglage also Konkurrenz bekommen. Aus- unzensuriert.at – 21. November 2010 gerechnet in unserem schönen Österreich. Rot-grüne Gefahr für das Lueger-Denkmal Genauer gesagt in Wien, wo ein „Arbeitskreis zur Um- gestaltung des Karl-Lueger-Denkmals“ auf dem Karl- Die Diskussion über die Umgestaltung des Lueger- Lueger-Platz dieses in ein „Mahnmal gegen Rassismus Platzes zieht sich schon einige Jahre. Sie erreicht jetzt und Antisemitismus“ verwandeln will. Was nach dem aber einen neuen Höhepunkt. So ist auf der Website Konzept des „Künstlers“ Klemens Wihlidal geschehen des Arbeitskreises unter dem Titel „Umgestaltung des soll, welches vorsieht, die Statue des legendären Bür- Lueger Denkmals steht nichts mehr im Wege“ zu lesen: germeisters samt Sockel um „3,5 Grad nach rechts zu „Der Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger Denk- neigen“. Mit der schrägen Begründung: Sowohl die mals beglückwünscht die neue rot-grüne Stadtregie- Person Karl Luegers als auch ihre Rezeption befinden rung und fordert sie auf, aktiv zu werden.“ Mit dieser sich in einer Schieflage. Durch den Eingriff wird der Forderung könnte der Arbeitskreis tatsächlich Erfolg ha- vertikale Charakter des Monuments gebrochen und ben. Denn sowohl der Wiener Kulturstadtrat Andreas der Mythos Luegers als Vaterfigur Wiens hinterfragt. Mailath Pokorny (SPÖ) als auch die Grünen hatten das Der schiefe Karl Lueger von Wien! Projekt während des Wahlkampfes befürwortet. Außer- dem wird das Vorhaben derzeit auf Videowänden ent-

205 PRESSE

Bezirksblatt – 19. Mai 2010 Unerwünschte und peinlich gewordene Denkmäler ist man anderswo auf unterschiedliche Weise losgeworden. Plan für Lueger-Schieflage In der Debatte rund um das Lueger-Denkmal wurde ein Entwurf für Lueger-Denkmal will antisemitische Hal- Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Ein junger Künstler tung aufzeigen. Für das Lueger-Denkmal wurde ein reichte den Vorschlag ein, die Lueger-Figur schräg zu internatio naler Künstlerwettbewerb ausgeschrieben. stellen. Das symbolisiere die „Schieflage“ dieses Poli- Sudierende der Angewandten und Grüne fordern die Umsetzung des Siegerprojekts/Der ÖVP reicht eine Ta- tikers. Eine originelle Idee für einen Studentenwettbe- fel zur Person Luegers. werb, praktisch ausgeführt wohl aber doch eher albern. Außerdem würde sie kein Mensch verstehen. Und „Es wäre unerträglich, wenn der Wettbewerb nicht eine Zusatztafel? Etwa „aber er war ein Antisemit“? umgesetzt werden würde“, so der Gemeinderat der Geht vermutlich auch nicht. Es hilft nichts, wir werden Grünen, Marco Schreuder. wohl mit dem antisemitischen steinernen Bürgermeis- ter leben müssen. Ja, es ist peinlich. Aber die Vergan- genheit ist eben manchmal peinlich. Wie übrigens ge- legentlich auch die Gegenwart. Der Standard – 7. Juli 2010

Denkmäler in Ruhe lassen

Es gibt gute Gründe, die Denkmalwürdigkeit des Der Standard – 13. Juli 2010 (Auszug) Wiener Bürgermeisters Karl Lueger zu hinterfragen Von Barbara Coudenhove-Kalergi Die notwendige Schieflage des Dr. Karl Lueger Eine Erwiderung auf Barbara Coudenhove-Kalergi Was soll man mit Denkmälern machen, die politisch nicht mehr in die Zeit passen? Abreißen? Verändern? Von Martin Krenn Mit Erklärungen versehen? Die Frage stellt sich derzeit Ziel der Umgestaltung ist es, den bisherigen Umgang rund um das Wiener Lueger-Denkmal, über dessen mit Lueger und die Ehre, die ihm auch heute noch zu Schicksal eine Arbeitsgruppe mit dem Wiener Magistrat Teil wird, in Frage zu stellen. verhandelt. Karl Lueger war ein bedeutender Wiener Bürgermeister und gleichzeitig der Mann, der die Die Jury des international ausgeschriebenen Wettbe- Methode des Stimmenfangs mittels Antisemitismus werbs hielt eine Schiefstellung Luegers deshalb für erfunden hat. Es gibt gute Gründe, seine Denkmal- eine gute Idee, da hier kein Schlussstrich unter die würdigkeit zu hinterfragen. Trotzdem finde ich: Denk- Vergangenheit gezogen wird, sondern die Darstellung mäler soll man in Ruhe lassen. Luegers in Frage gestellt wird. Es wird etwas in Bewe- gung gesetzt, der Denkmalsturz wird bewusst nicht Denkmäler sind Zeugen ihrer Zeit. Sie sagen aus, wel- zur Gänze vollzogen. che Personen und welche Taten man zur Zeit ihrer Errichtung für bewundernswert erachtet hat. Nicht im- mer deckt sich das mit unserer heutigen Einschätzung.

206 KURIER – 23. November 2010 NEWS – 25. November 2010

„Lueger-Denkmal neu“ hat schlechte Karten Heinz Sichrovsky zum „Migrant Mainstreaming“ Künstlerprojekt – „Im Endeffekt hängt es vom Willen In der Kunst gilt einzig die Qualität der Stadt ab, ob das Lueger-Denkmal in ein Mahnmal Das Lueger-Denkmal will man seitlich kippen, um die gegen Antisemitismus und Rassismus verwandelt lange erforderliche Distanz vom alten Antisemiten zu wird“, sagt Jasmina Hirschl vom „Arbeitskreis zur demonstrieren. Das tut man am besten, indem man Umgestaltung des Lueger-Denkmals“. das ihm zugedachte Stück Ring nach Mozart, Schiele oder Freud umbenennt. Das andere ist pubertärer Bei der MA 7 (Kultur) gibt man sich zugeknöpft: „Wir Aktionismus. warten auf eine Stellungnahme des Bundesdenkmal- amtes aus denkmalpflegerischer Sicht.“ Von dort kommt ein klares Nein. Friedrich Dahm vom bz – Wiener Bezirkszeitung 29. Dezember 2010 Wiener Bundesdenkmalamt: „Dazu wäre ein Totalab- Polit-Streit um Lueger-Statue bau nötig, der nicht ohne Schäden abgehen würde. Altbürgermeister-Denkmal: Vorerst Tafel statt Kippung Einen Eingriff in die Substanz des Denkmals lehnen Für großen Wirbel sorgte eine Empfehlung des Lueger- wir ab.“ – Josef Rietveld Arbeitskreises unter Universitätsprofessor Martin Krenn, das Denkmal des Altbürgermeisters (1844–1910) am (http://diepresse.com/home/panorama/wien/583045/Vertriebene- Luegerplatz um 3,5 Grad nach rechts zu kippen. Vernunft-wieder-nach-Wien-holen?_vl_) (Auszug) Während man im Wahlkampf das Thema nicht allzu Mailath-Pokorny: „Vertriebene Vernunft wieder sehr behandeln wollte, pocht nun der Arbeitskreis, der nach Wien holen“ immerhin 220 Einsendungen zu dieser Materie bewer- Mailath-Pokorny: Ich bin grundsätzlich dagegen, dass tet hat, auf Schritte seitens der Politik. Obwohl sich man eine Stadt von Symbolen und Merkmalen jenes Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny vorsichtig Teils der Geschichte befreit, der problematisch ist. Es positiv zu dem Entwurf äußert, möchte sich die Be- ist auch nicht so, dass Straßenbezeichnungen oder zirkspolitik offensichtlich (vorerst) nicht für eine Schief- Denkmäler notwendigerweise eine Verherrlichung des- lage des Lueger-Denkmals einsetzen. sen sind, wofür die Personen gestanden sind. Lueger steht für große kommunalpolitische Leistungen, aber er war auch Begründer des politischen Antisemitismus. Ich bin dafür, dass man nicht Denkmäler schleift und Straßennamen tilgt, sondern sie erklärt. Insofern finde ich eine an mich herangetragene Initiative, das Lueger- Denkmal schräg zu stellen, sehr interessant. Wir schauen, ob das technisch machbar ist. Was den Lueger-Ring anbelangt, habe ich eine Historikerkom- mission gebeten, sich die Fülle der Wiener Straßen- namen anzuschauen.

207 208 EINREICHUNGEN / SUBMISSIONS

209 EINREICHUNGEN / SUBMISSIONS

Die Reihenfolge der Beiträge entspricht einer alphabetischen Sortierung der Namen der Einsender_innen und spiegelt keine Reihung der Jury oder des Arbeitskreises wider. The proposals are ordered alphabetically according to the name KBPDALANOKJCNKQLPD=POQ>IEPPA@PDAI=J@@KAOJKPNAŃA?P=JU judgement of the part of the jury or the organizing pressure group.

Rassismus-Platz in this over crowded sculpture garden: the Form einer Bronzestatue, mithilfe von Racism Square first Austrian Racism Square – a museum Licht, zu einem Mahnmal! Die Mahnung Tal Adler, Karin Schneider for the history of racism/anti-Semitism in besteht darin, dass es heikel ist, Glaubens- Austria with an educational program and fragen und -inhalte für politisches Macht- Wir bieten an, sämtliche Skulpturen und on-going research. In the meantime we streben einzusetzen und dadurch Prozesse Denkmäler österreichischer Rassist_innen offer “Austrian Racism guided tours“ in Gang zu setzen, die jeglicher Kontrolle aufzuspüren und auf diesem öffentlichen through relevant spots in the city. entgleiten können. Es werden Lichtsym- Platz nebeneinander aufzustellen. Sollte bole – der drei monotheistischen Religio- der Platz nicht ausreichen, werden wir sie nen – dargestellt. Diese werden jeweils aufeinanderstapeln und/oder unterirdisch nach Einbruch der Dunkelheit aktiviert – graben und dort weiter aufstellen. Dr. Lue- einzeln, gemischt –, da sind ganze Sym- ger wird auf seinem Platz unter seinen phonien des Glaubens machbar, die Herrn rassistischen Kolleg_innen in diesem über- Luegers Denkmal in vielfältigen Schattie- füllten Skulpturgarten stehen bleiben: Der rungen wahrnehmbar machen werden! erste österreichische Rassismus-Platz – ein Museum für die Geschichte des Ras- The use of light will transform the monu- sismus/Antisemitismus in Österreich samt ment from classic hero worship, in the einem Bildungs- und Forschungspro- form of a bronze statue, into a memorial gramm. Einstweilen bieten wir geführte with a moral imperative. The imperative „Austrian Racism“-Touren zu relevanten embodies the fact that it becomes a Stellen in der Stadt an. delicate situation when questions and matters of faith are used in striving for We propose to trace and collect all sculp- political power since this sets in motion tures and monuments relating to Austrian processes that can get out of control. racists and to install them one by one, next Light symbols signifying the three mono- to each other, all in this one square. If Mahnmal Politik und Religion theistic religions will be depicted. They there is not enough space, we will stack will be activated after dark, singly or in Memorial Politics and Religion them on top of each other and/or go un- combination. Entire symphonies of faith Gerry Ammann derground and continue to install them will be possible, rendering Mr. Lueger’s there. Dr. Lueger will continue to stand in Das Denkmal soll transformiert werden – monument visible in many and various the same place, among his fellow racists von der klassischen Heldenverehrung in shades.

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Lueger auf den Kopf stellen Vogelflughafen Wien Zuckerguss bringe das Leben dem Manne Standing Lueger on His Head Bird Aerodrome Vienna Icing puts life into the man Iris Andraschek und Rosa Andraschek Stephan Andreae, Res Ingold Annegang: M. Bigus, L. Bolyos, G. Oberlechner

Unsere Idee formuliert eine Umkehrung: Ein Denkmal für Freiheit, Toleranz und In „Das Land ohne Eigenschaften“ be- Die vorhandene Statue Luegers wird auf Unabhängigkeit. Mahnmal gegen Antise- zeichnet Robert Menasse die Zweite Re- den Kopf gestellt. Es ist eine verzweifelte, mitismus, Rassismus und Heroisierung publik als einem Punschkrapfen ähnlich: eine absurde, eine blasphemische Geste. fragwürdiger Persönlichkeiten. Ein Vor- „außen rosa, innen braun, und immer ein Sie ist der Versuch, durch eine Verrenkung schlag für die verantwortungsbewusste bisschen betrunken“. Die Art, wie über etwas wieder gutmachen zu wollen, was Aufarbeitung einer öffentlichen Problem- Lueger und sein väterliches Erbe öffent- jedoch nicht gelingen kann. zone. Die Bronzefigur wird zur Basis einer lich gesprochen wird, lässt uns mit einem ornithologischen Station in Flugplatzoptik. Our idea formulates a reversal. The present ähnlichen Bild zurück: Außen sollen in Auf einer Trägerstange befinden sich Nist- Lueger statue will be stood on its head. It klebrigem Rosa die Errungenschaften kästen und Landegelegenheiten für Vögel. is a desperate, absurd, and blasphemous „Gaswerke / Straßenbahn / Wald- und Die Biosphäre der Vögel steht als stellver- gesture. It is an attempt – one that can Wiesengürtel / etc.“ den nur mit viel Willen tretendes Symbol der gelebten Artenviel- never succeed – to express the desire to zu übersehenden Antisemitismus Luegers falt und Demokratie, des Respekts gegen- put some thing right by means of a dislo- und damit auch gleich die antisemitischen über der Natur und des Lebens. cation. und antijüdischen Kontinuitäten in der ös- terreichischen Gesellschaft kaschieren. A monument to freedom, tolerance, and independence. A memorial to counter In „Das Land ohne Eigenschaften [The anti-Semitism, racism, and the heroisation Country Without Qualities]“ Robert Me- of questionable celebrities. A proposal for nasse likened the Second Republic to a the responsible review of a public prob- Punschkrapfen: “pink outside, brown in- lem zone. The bronze figure will become side, and always a little tipsy”. The way the basis for an ornithological station that in which Lueger and his paternal heritage looks like an aerodrome. Nesting places is talked about in public leaves us with a and perches for birds are affixed to a pole. similar picture: on the outside is the The birds’ biosphere stands as a symbol sticky pink of his achievements – “the for biodiversity and democracy, respect gasworks / tramway system / green belt for nature and life itself. of woods and fields / etc.“ which serve

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to cover up Lueger‘s anti-Semitism som. The centre of the lotus is a sprinkling dest drei Seiten (Stubenring, Dr.-Karl-Lue- (which can only be overlooked by an act fountain. The pedestal will be replaced by ger-Platz, Biberstraße) sind Informations- of will) and the continuities of anti-Jew- an identical one in glass. A German text schilder zur Erklärung der Symbolik des ishness in Austrian society. will be affixed: “Successful in the effort Mahnmals angebracht. Die Grünfläche to counter anti-Semitism and racism for Richtung Stubenring wird aufgelassen. over 2000 years”. These can be used by Es entsteht ein Platz mit Informationsbox. organisations etc. that can prove that they The monument is surrounded by thuyas. taken a stand against Anti-Semitism, rac- Curved sheets of frosted-glass (3 m high, ism etc. and applied for in towns all over frosted from 1 m) are placed between the Austria. They plaques can be installed on thuyas and the Lueger statue. The monu- house walls or the pavement. Amen. ment will appear blurred through the frosted glass. This symbolizes the blurred perception of the current racist and anti- Semitic reality in Austria. Informational signs are to be placed on at least three sides (Stubenring, Dr. Karl Lueger Platz, Biberstraße) explaining the symbolism of the monument. The green area fronting on the Stubenring would be removed, to be replaced by a square with an informa-

tion box. WÜNSCHELBRUNNEN WISHING WELL Antifa Mariazell

Votivgaben in Form von kleinen Münzen werden dem Lueger Kerl, begleitet von Wünschen, zugeworfen. Die Lueger-Statue wird zerrissen und in die Form einer Lotus- blüte gebracht, aus der Blütenmitte spru- „Gras drüber wachsen lassen“ und Unschärfe delt dann der Brunnen. Der Sockel wird – als Symbol für Österreichs Umgang mit durch ein Ebenbild aus Glas ersetzt. Es Geschichte werden deutschsprachige Texttafeln ange- “Letting grass grow over it” and vagueness bracht: „Erfolgreich gegen Antisemitismus – the symbol of Austria’s way of dealing und Rassismus für über 2000 Jahre!“ with history. Diese können von Vereinen etc., die sich Arbeitsgruppe Kritische Raumplanung, TU Wien nachweislich gegen Antisemitismus, Ras- Das Denkmal ist umgeben von Thujen. sismus etc. einsetzen, österreichweit bei Zwischen den Thujen und der Lueger- der jeweiligen Stadt beantragt werden, Statue sind gebogene Milchglasplatten zur Installation an Hauswänden oder Geh- Transparent platziert (3 m hoch, Milchglas ab 1 m). steigen. Amen. Joerg Auzinger Durch diese Glasplatten erscheint das Votive offerings in the form of small coins Denkmal verschwommen. Dies symboli- Platzierung eines gewölbten oder eckigen are thrown to that Lueger bloke, accom- siert die verschwommene Wahrnehmung Glassturzes unter Beibehaltung des aktuel- panied by wishes. The Lueger statue will der aktuellen Realität von Rassismus und len Denkmals. Das Denkmal wird nicht ver- be torn apart and formed into a lotus blos- Antisemitismus in Österreich. An zumin- ändert, sondern durch einen Glaskubus

212 oder einen Glassturz ergänzt und somit The space is intended as a processual The title refers to the idea of thinking, durch eine zusätzliche Metapher erweitert. one for current art. Art that is not only reconsidering. The subtitle makes us con- Textgravuren im Glas könnten über Hinter- historical reflection, but a reaction to, and scious of the fact that even today anti- gründe und Details aufklären. denunciation of, continuing discrimination Semitism and racism are being politically will have its place here. The process will instrumentalized. The original sound re- Installation of a domed or rectangular engender a redefinition of so-called “polit- cordings of Lord Mayor Lueger’s speech glass cover over the present monument. ical art”. In addition, I could imagine chan- to the meeting of the Association of The monument itself will not be altered, ging exhibitions about the history of anti- Christian Socialist Workers on the 20 July simply supplemented by a glass cube or Semitism. Discourses on racism, discrimi- 1899 in Vienna can be heard from the two dome and thus augmented with an addi- nation, adaption and resistance, escape “light columns”. A copper plate will be tional metaphor. Engraved texts would and asylum, particularism, populism … mounted on each of the columns provid- explain the background and details. ing written information in German, Eng- lish, Hebrew, French, Italian, Spanish, Turkish, Arabic, and Braille about the speech and the title of the work.

*Denkmal means literally monument or memorial but contains the word “denk” (think) and “mal” (one time, sometime, one more time).

Denkmal* – Memories, nothing changed Raum gegen Lueger Alfredo Barsuglia Lueger Counter Space Der Titel bezieht sich auf das „Nachden- Aviel ben Avraham ken“. Der Untertitel macht bewusst, dass Der Raum soll ein Prozessraum für aktu- Antisemitismus und Rassismus bis heute elle Kunst sein. Kunst nicht nur als histori- politisch instrumentalisiert werden. Aus den sche Reflexion, sondern als Reaktion und zwei „Lichtsäulen“ ist die original Tonauf- Kopisten Anklage gegen je stattfindende Diskrimi- nahme der Rede des Bürgermeisters Karl Copyists nierung soll hier ihren Ort haben. Dabei Lueger bei der Versammlung des christlich- Tom Bächer, Marlies Salchegger kann eine Neudefinition der sogenannten sozialen Arbeitervereins vom 20. 7. 1899 „politischen Kunst“ stattfinden. Darüber in Wien zu hören. Es wird auf den „Licht- Während die überlebensgroße Figur Karl hinaus kann ich mir wechselnde Ausstel- säulen“ je eine Kupferplatte montiert, auf Luegers auf dem Sockel seiner zweifelhaf- lungen über die Geschichte des Anti judais- der die Rede sowie der Titel der Arbeit und ten Errungenschaften weiterhin als bild- mus vorstellen. Diskurse über Rassismus, eine Information in Deutsch, Englisch, He- hauerische Skulptur und Zeugnis seiner Diskriminierung, Anpassung und Wider- bräisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Zeit über dem Platz thront, hat sich sein stand, Flucht und Asyl, Partikularismus, Türkisch, Arabisch und in Blindenschrift Erbe schon auf den Weg in die Gesell- Populismus … geschrieben steht. schaft gemacht. Die Kopien des Originals

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machen sich auf den Weg in und durch ergibt sich aufgrund der Höhe des So- Fernsehen ist das populistische Leitme- unsere Gesellschaft, sie mischen sich ins ckels (etwa 7 m); um Barrierefreiheit zu dium der Moderne, dem sich niemand Volk. Die Menge an Kopien bringt das gewährleisten, beträgt die Steigung des erfolgreich entziehen kann. Diese Installa- Original zurück auf den Boden der Gesell- Stegs 6 %; zusätzlich sind 19 Zwischen- tion führt Lueger ins Medium des Fernse- schaft, macht es begreifbar. Kopien sind podeste à 1,50 m notwendig. Bei der hens über und aktualisiert so seine Rhe- unter uns, das Gedankengut ist unter uns. Materialwahl ist auf Leichtigkeit zu ach- torik in einem neuen Kontext: Wildes, ten, der Steg soll keinen Verbau darstel- weißes Rauschen erfüllt den Platz, das During the time that the over-dimensional len. Zufahrt von der Postgasse in die Surren übertönt die Gesänge der Plata- figure of Karl Lueger on his pedestal of Wollzeile ist nicht mehr möglich. nenvögel. Karl Lueger rückt ins Zentrum questionable achievements has been dieser Energiequelle, die alle PassantInnen lording it over the square as a sculpture The Lueger figure will be removed from zwangsbestrahlt. Das Rauschen symboli- and a testimonial to the times, his inherit- its pedestal; a barrier-free ramp runs up siert das Ende der Ausstrahlungszeit, die ance has found its way in our society. to the height of the platform where the Lücke im Sendeschema. Die Kraft der Copies of the original make their way in, figure stood. The length of the ramp Rede ist noch da, wirkt weiter, die eigent- and through, our society, they mix among (116 m) derives from the height of the liche Sendung ist aber auf unbestimmte the people. The sheer number of copies pedestal (approx. 7 m). In order to ensure Zeit ausgesetzt. brings the original back to the foundations it is barrier free the incline cannot exceed of society, they make it easy to under- 6 %. This requires an additional 19 inter- Television is the leading populist medium stand. Copies are among us; the ideas mediary pedestals, each 1.5 m high. In of modern times and one that nobody can are among us. constructing the ramp, attention will be successfully avoid. This installation trans- paid to using lightweight materials. On poses Lueger into the medium of televi- no account should it be an obstruction. sion, thus recontextualizing his rhetoric: Access to Wollzeile from Postgasse wild white noise fills the square, the hum would no longer be possible. drowns out the bird song in the plane trees. Karl Lueger is at the centre of this source of energy which is inescapably broadcast to all passers-by. The white noise symbolizes the end of broadcasting. The power of the speech is still there and continues to exert influence but the pro- gramme itself has been postponed indefi- nitely.

Steg (barrierefrei) Runway (barrier-free)

Magdalena Barthofer Populismus von gestern vs. Die Figur Luegers wird vom Sockel genom- Populismus von heute men; ein barrierefreier Steg zieht sich hoch The Populism of Yesterday vs. bis zur vorherigen Standfläche (Plattform) The Populism of Today der Figur. Die Länge des Stegs (116 m) Baptiste Jacob Bernard

214 come out of the figure’s ears. Fountains From a distance the crack will appear as a often have – unintentionally or intended – dark mark, like a scar. Only from closer up comical aspects. In the case of our pro- will the fracture become visible and throw posal, these are intended to lead to the up questions. Thus the ambivalence of desired de-heroization. Karl Lueger’s historical personality and the doubtful methods he used to ensure his achievements for the city will only become clear after a more detailed in- spection. The glorification of his person by the monument is misleading and, in any case, no longer in keeping with the times.

Karl-Lueger-Brunnen Karl Lueger Fountain BIEDERPUNK (Andrea Spreafico und Michl Schmidt)

Wir schlagen vor, das Karl-Lueger-Denk- mal in einen Karl-Lueger-Brunnen umzu- gestalten. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine Geste der Entheroisie- Umgestaltung des Dr.-Karl-Lueger-Denkmals rung, um eine Kontext-Korrektur, die aus Redesigning the Karl Lueger Monument geschichtlicher Sicht längst überfällig ist. David Biegl Die Umbaumaßnahmen bestehen aus einem Wasser-Reservoir unter dem Denk- Der Entwurfsidee liegt die Überlegung mal, einem Leitungssystem im Denkmal zugrunde, durch Subtraktion von Material und einer Pumpe, die das Wasser trans- dem Denkmal an Gewicht und somit der portiert. Das Wasser soll an den Ohren historischen Persönlichkeit an Bedeutung Der Schatten des Antisemitismus der Figur austreten. Wasser-Fontänen zu nehmen. Aus der Entfernung wirkt der The Shadows of Anti-Semitism verleihen Brunnen oft unabsichtlich oder Spalt wie eine dunkle Markierung, wie Karl Bihn bewusst einen komischen Aspekt, der im eine Narbe. Erst bei näherer Betrachtung Viele Reaktionen auf den Plan, das Lueger- Falle unseres Vorschlags zu der gewünsch- wird der Spalt sichtbar und wirft Fragen Denkmal umzugestalten, zeigen erneut, ten Entheroisierung führen soll. auf. So wird auch die Ambivalenz der his- dass antisemitische Stereotype, Theoreme torischen Persönlichkeit Dr. Karl Luegers We propose that the monument to Karl und Argumentationsmuster nie wirklich und der zweifelhaften Methoden seiner Lueger be transformed into a Karl Lueger ernsthaft aufgearbeitet und zurückgewie- Leistungen für die Stadt erst bei einge- fountain. Basically, what we are suggest- sen wurden. Meine Raumkonzeption hender Recherche deutlich, da die Glorifi- ing is a gesture of de-heroizing in order to möchte Zeichen setzen für kommende zierung seiner Person durch ein Denkmal effect a recontextualization which is, his- Generationen, es soll Interesse an Zusam- irreführend, jedenfalls nicht zeitgemäß ist. torically seen, long overdue. The required menhängen von Stadtgeschichte, Macht, changes consist of a water reservoir under- The design idea is based on the notion Herrschaft, Ausgrenzung und Unterdrü- neath the monument, a system of pipes that reducing the amount of material in ckung wecken. Die Silhouette des Lueger- in the monument itself, and a pump that the monument will remove weight and Denkmals aus Eisenblech soll im Maßstab transports the water. The water would importance from the historical personality. 1:1 auf den planierten Platz gelegt und

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verankert werden. Der breite Schatten nen diesem de-konstruierten Lueger, viel- Vor der Statue wird eine rostige Stahlplatte symbolisiert das Thema Antisemitismus, fältig gespiegelt, in einem neu entstande- mit einem Sichtfenster vor Luegers Gesicht der aus dem 19. ins 21. Jahrhundert fällt. nen Raum. Dadurch drängt sich die Frage montiert, in etwas Entfernung werden in auf, inwieweit heute noch rassistisches Kombination mit Mahntafeln zwei Fern- Many of the reactions to the plan to rede- Denken wirkt und – immer wieder von rohre mit fixer Ausrichtung auf das Sicht- sign the Lueger monument show that Neuem – offengelegt und abgebaut wer- fenster aufgestellt. Menschen, die im once again anti-Semitic stereotypes, para- den muss. Während Betrachter_innen Moment unreflektiert den Platz passieren, digms, and lines of argument have not die Installation umrunden und sich in inte- werden dazu eingeladen, vor den Fern- been seriously reconsidered and rejected. grierte Texte vertiefen, erleben sie das rohren Position zu beziehen, denn nur von My concept for the space is intended to Denkmal Luegers, dessen Umgebung dort ist Luegers Antlitz sichtbar. Die parti- be a sign for coming generations and und sich selbst in immer wieder neuen elle Verdeckung des Denkmals stellt ei- awaken interest in the inter-connections Facetten – zerschnitten und gespiegelt. nen Palimpsest der verklärten Geschichte between the history of the city, power, dar und nimmt Lueger die selbstverständ- government, exclusion, and oppression. In this installation Lueger will be literally liche Prominenz, das Sichtfenster aber gibt The silhouette of the Lueger monument “cut up”, deconstructed, have his glory der historischen Entwicklung ein Gesicht. should be made 1:1 in sheet metal and stolen. Viewers will encounter this decon- then laid flat and anchored to the square structed Lueger, multiply mirrored, in a A rusty sheet of steel with an inspection which will have been levelled for the pur- newly created space. This forces atten- window will be placed in front of Lueger’s pose. This long shadow symbolizes the tion on the question of the extent to which face. A short distance away two tele- subject of anti-Semitism, a shadow cast racist thought patterns are still present scopes will be mounted among informa- from the nineteenth into the twenty-first and need to be exposed and dismantled, tion plaques with fixed views of the in- centuries. time and again. As viewers move round spection window. People who at present the installation and become increasingly pass through the square without thinking involved in the integrated text material, about it will thereby be invited to stand they will experience new facets of the behind the telescopes because it is only Lueger monument, its surroundings and from that point that Lueger’s face will be themselves – cut up and reflected. visible. The partial concealment of the monument represents a palimpsest of its mythologized history and takes away Lueger’s natural prominence while the in- spection window gives a face to historical developments.

Lueger im Spiegel der Gegenwart Lueger in the Mirror of the Times Cana Bilir-Meier Lueger wird in dieser Installation sinnbild- lich „zerschnitten“, de-konstruiert, seiner LUEGER UNRAVELED Glorie beraubt. Betrachter_innen begeg- Reinfried Blaha, Victoria Reitter

216 pedestal has metal plaques which display A monument works with the space the address of a Lueger website at the around it and only this open volume of top and Lueger quotations underneath. space allows the it to achieve its full This intervention transforms the monu- effect, enabling it to fill the space with ment into a starting point for reflection. meaning. Over and above this, the open A Lueger website, an interactive internet volume ensures that the intended per- platform, will offer additional, multilayered spective from which it is to be viewed discourse about the subject. is maintained. It protects it from relation, proportion, absurdity, confrontation. A white flight of stairs cuts across this space. It has the effect of an accusation and simultaneously allows anyone and everyone to walk up to the monumental sculpture. The monument as such be- come absurd, its effects are ridiculously Luegers Wien und die Angst vor open to the viewer. der unendlichen Geschichte Lueger’s Vienna and the Fear of the Never Ending Story nosockel Tassilo Blittersdorff No Pedestal Chuluk Brudi, Klaudia Gruber Eine käfigartige Metallstruktur mit kreis- förmigem Grundriss umgibt das beste- Die Figur Luegers wird auf die Straße hende Denkmal; sie trägt verschiedene (nicht auf den Platz, den der Sockel ein- Textelemente: die Lueger-Figur wird teil- nimmt) montiert, sodass sie mit dem Ge- : konfrontiert : weise von einem Metallband mit dem sicht dem Sockel zugewandt steht, also : confronted : Satz „DEMAGOGIE MANIPULIERT MEI- hinsehen muss. Auf den Sockel wird Jakob Brossmann NUNGEN. RASSISMUS UND INTOLE- stattdessen eine Platte (weißer Marmor, RANZ KÖNNEN TÖTEN“ überdeckt, der Ein Denkmal arbeitet mit dem Raum vor etwa 30 cm Stärke, ca. 1 m Höhe und so breitere Sockel hat Metalltafeln, oben mit ihm. Erst das unverbaute, offene Volu- breit wie der Sockel; die Schrift gefräst der Adresse der „Luegerwebsite“ und men vor einem Denkmal verhilft diesem und gefärbt, aber keinesfalls vergoldet) darunter mit überschriebenen Lueger-Zita- zu Geltung. Das ermöglicht ihm, diesen montiert, mit der beidseitigen Aufschrift: ten. Diese Eingriffe machen das Denkmal Raum mit Bedeutung zu füllen. „Keinen Sockel“. (Der Satz ist unvollstän- zum Ausgangspunkt für Reflexionen, die Darüber hinaus gewährleistet dieses offe- dig.) Der zweite Teil des Satzes steht auf „Luegerwebsite“ als interaktive Internet- ne Volumen, dass die vorgesehene Be- einer zweiten Tafel, die vor den Füßen plattform bietet zusätzlich eine vielschich- trachtungsperspektive eingehalten wird. der Lueger-Figur steht: „dem Antisemitis- tige Auseinandersetzung mit dem Thema. Sie schützt vor Relation, Proportion, Ab- mus.“ surdität, Konfrontation. A cage-like metal structure with a circular The figure of Lueger will be erected on horizontal section surrounds the present Eine weiße Treppe durchschneidet diesen the street – not in the square on which monument; it exhibits various text ele- Raum, wirkt selbst wie ein Vorwurf, er- the pedestal stands – so that it faces the ments. The Lueger figure itself will be möglicht gleichzeitig jedem und jeder, der pedestal, and is thus compelled to look at partially covered by metal strips on which monumentalen Plastik entgegenzutreten. it. A white marble facing block (approxi- the sentence “DEMOGOGY MANIPU- Das Denkmal wird als solches absurd, mately 30 cm thick and 1 m high, width LATES OPINION. RACISM AND INTOL- seine Wirkungsweise liegt lächerlich vor to be determined by the pedestal) will ERANCE CAN KILL.” is written. The wide den Betrachter_innen. be placed on the pedestal instead of the

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figure. It will bear the inscription “No ped- Doves (of peace) in a variety of colours der österreichischen Gesellschaft – denn estal” – the sentence is incomplete – on will be affixed to strips of stainless steel es gibt keine saubere Lösung des Geden- both sides. The writing will be milled and that run around the central figure. One of kens! coloured, but on no account in gold. The them is white. Multiplicity, things in com- Our design for a monument against anti- second part of the sentence, “for anti- mon, lively diversity, to be able to live to- Semitism and racism docks onto the Semitism”, will be found on a second gether in harmony. The doves will be in Viennese expectations of cleanliness and block at the feet of the Lueger figure. three different attitudes – at rest, taking is intended to irritate their basic feelings off, landing. Taking off (in its widest sense) for aesthetics. A permanent building site is followed by an arrival. Peace and quiet around the present monument would not as a central goal in life … and yet every- only confront them with their historically thing is so fragile. criminal acts during the Nazi period but simultaneously thematizes the continuing anti-Semitism. In our opinion deconstruct- ing or dismantling Mr. Lueger is less valu- able than promoting confrontations in Austrian society. There are no clean intel- lectual solutions.

United Jutta Brunsteiner

Vor dem Mund des Herrn Lueger wird ein gebogenes schwarzes Stahlstück positio- WARTUNG niert; dem Trennenden, Bösen den Mund Maintenance verbietend. Rund um die Zentralgestalt Stefanie Busch, Kathrin Krahl, Lena Krahl werden (Friedens-)Tauben auf Edelstahl- Unser Entwurf für ein Denkmal gegen (Nirosta-)Stangen angebracht, die in farbli- Antisemitismus und Rassismus dockt an cher Vielfalt erscheinen ... eine davon ist Sauberkeitsvorstellungen der Wiener_in- weiß. Vielfalt, Gemeinsamkeit, lebendige nen an und soll ihr ästhetisches Grund- Buntheit, gemeinschaftlich in Zufriedenheit empfinden stören. Eine Dauerbaustelle LUEGERINNER leben können. Die Tauben weisen drei rund um das bestehende Denkmal kon- LUEGER MEMORIES unterschiedliche Formen auf. Ruhe, Abflug, frontiert sie nicht nur mit ihrer Verbre- c_able – Teresa Alonso Novo, Pamela Campagna, Ankommen. Dem Abflug, Aufbruch folgt David Cañavate, Thomas Scheiderbauer, Marcus chensgeschichte während des National- ein Ankommen. Ruhe als zentrales Lebens- Spiegel sozialismus, sondern thematisiert gleich- ziel ... und dennoch ist alles so fragil. zeitig den aktuellen Antisemitismus. Un- Die Neukontextualisierung des Lueger- A curved piece of black steel will be posi- seres Erachtens lohnt nicht die Dekonst- denkmals und seines Platzes verstehen tioned in front of Mr. Lueger’s mouth, se- ruktion oder Demontage eines Herrn Lue- wir als zwischenmenschlich-räumliche parating and inhibiting the mouth’s malice. ger, sondern die Auseinandersetzung in Erweiterung von etwas Bestehendem/im

218 Weg Stehendem zu etwas Entstehen- people. Friends. Women and men of vari- dem/den Weg und das Gespräch Freima- ous societies. Laughing, singing, talking, chendem: vom „Text“ zum Kontext, von in heartfelt embraces. The highest “pla- Macht zum „Machen“. Wir verstehen das teau” is apparently empty. gegebene „Denkmal“ und seine einher- Skizze: Miriam Mone / Heike Kaltenbrunner gehende Schande als „monumentales Honorieren des Untolerierbaren“. Wir kri- tisieren daran, dass es sich dabei nicht um Kunst handelt, sondern um ein Macht- und Propagandawerkzeug, das, wie wir es sehen, einzig dazu gut ist, die Bürger_ innen und deren Öffentlichkeit zu verzer- ren und zu zersplittern.

We consider that the recontextualization of the Lueger monument and the square in which it stands as an inter-personal and Platz der Freundschaft spatial extension of something that is Friendship Square there / is the way to something in the Shira Carmel, Heike Kaltenbrunner process of becoming / a way to make In unserer Vorstellung von einem neuen discourse possible: from “text” to con- Platz an der Ecke Wollzeile/Ring wird text, from power to the power of action. Dr. Karl Lueger der Blick auf freundschaft- We consider the present “memorial” and liche Umarmungen und Szenen des Mitei- its accompanying shame to be a “monu- nanders eröffnet. Die Lueger-Statue bleibt mental honouring of the intolerable”. We erhalten, es sind ihm jedoch Szenen aus um-Gestaltung critique the fact that the issue does not der Gegenwart gegenübergestellt, die Re-Design concern a work of art, but a tool of power seinem Griff ans Herz mitunter einen neuen Anna Ceeh and propaganda which, in our opinion, Aspekt verleihen. Auf Plateaus unterschied- Mahnmal gegen Antisemitismus only serves to distort and fragment citi- licher Höhe stehen Plastiken; keine Helden, und Rassismus zens and public. Machthaber oder Männer großer Taten, – Lueger-Platz soll den alten Namen be- sondern einfach Menschen. Freunde. halten, aber der Name soll durchgestri- Frauen und Männer aus unterschiedlichen chen sein. Gesellschaften. Lachend, singend, redend; – Die Statue soll abmontiert werden und in inniger Umarmung. Das oberste, erha- auf den unteren Stufen mit dem Kopf bene Plateau bleibt dabei leer. nach unten platziert werden. Our idea of a new square at the junction – Die Umgestaltung des Lueger-Denk- of Wollzeile/Ring will open Dr. Karl Lue- mals soll als Anlass genommen wer- ger’s eyes to friendly hugs and scenes of den, ein landesweites Schulprojekt togetherness. The statue of Lueger will (4. Stufe Volksschule oder Unterstufe remain but will be confronted with Gymnasium/Hauptschule) zu gestalten scenes from the present that opens new und zu starten, um das kritische Den- perspectives on his “hand on his heart” ken – das von fundierten und reflek- pose. Sculptures of people stand around tierten Geschichtskenntnissen unter- on “plateaux” at various heights. No he- mauert ist – der (den) nächsten roes, rulers, or men of great deeds, just Generation(en) zu evozieren.

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Monument Against Anti-Semitism hen betrifft die Sprache im politischen mal, wodurch man sich ebenfalls wie die and Racism und gesellschaftlichen Diskurs und die Büste in einem ausgegrenzten öffentli- – Lueger Square will keep its name but sich in der Gegenwart verschärfende Pro- chen Raum befindet. Der isolierte Raum it will be crossed out. blematik von Populismus, Verhetzung, gibt die Möglichkeit zu einer persönlichen – The statue will be removed from the Rassismus. Auseinandersetzung mit der Geschichte pedestal and placed up-side down on Luegers, Wiens und Österreichs. A steel frame with an LED scrolling text the lower steps. unit 50 cm x 16.5 meters. Letter height: The present monument will be excluded – The re-design of the Lueger monu- 31 cm. Steel girder: height: 14 meters, from its surroundings by an exposed con- ment should be used as an opportunity length: 16.5 meters. Concrete foundation. crete structure. Because of this radical to organize an Austria-wide school pro- Changing texts by contemporary authors change the interior of the monument will ject (final year primary or lower school will be displayed. The monument from be invisible from further away. Access is classes in secondary) in order to en- 1926 will remain but will be given a new gained to the original monument by ap- courage critical thought – based on framework which will make people aware proaching it through hollow reinforced sound and reflected knowledge of that they should pay more attention. This concrete walls, though this places the history – in the coming generation. looking closer concerns the language visitor in the same state as the figure – used in political and social discourse and excluded from public space. The isolated the current and increasingly problematic room enables a personal confrontation areas of populism, demonization, and with history – that of Lueger, Vienna, and racism. Austria.

Ein Rahmen für das Lueger-Denkmal Lueger Reframed Aus den Augen, nicht aus dem Sinn Ilse Chlan Out of Sight, but Not Out of Mind Maida Corbic-Schubert, Jan Eric Schubert, Stahlrahmen mit LED-Anzeige/Laufschrift. Amila Sirbegovic Theodor Herzl am Lueger-Platz 0,50 x 16,5 m, Schrifthöhe 0,31 m. Stahl- Theodor Herzl in Lueger Platz träger, H 14 m, L 16,50 m, Betonfunda- Das bestehende Denkmal wird durch die James Clay mente. Mit literarischen Texten zeitge- Sichtbetonkonstruktion selbst von der nössischer Autor_innen wechselnd be- Außenwelt ausgegrenzt. Durch die Ver- Bürgermeister Lueger eröffnete das GWI- spielt. Das Denkmal von 1926 bleibt be- stellung der Sicht wird von weitem KU 18* in der Haizingergasse (in der auch stehen, wird aber in einen neuen Rahmen unerkennbar, was sich im Inneren des Herzl wohnte). Eine ihm gewidmete Ge- gestellt, der die Aufmerksamkeit fokussiert, Denkmals befindet. Durch die Annähe- denktafel ist dort mittlerweile mit einer der bewusstmacht, dass man genauer rung zwischen hohen Stahlbetonwänden beschrifteten Glasplatte überdeckt, die hinsehen sollte. Dieses genauere Hinse- gelangt man zum ursprünglichen Denk- sich kritisch mit seinem Wirken auseinan-

220 dersetzt. 2008 arbeitete ich mit dieser Schule gemeinsam an einem Projekt, welches eine szenische Aufführung vor dem Lueger-Denkmal und die Gestaltung eines Theodor-Herzl-Denkmals am Dr.- Karl-Lueger-Platz umfasste. Eine Büste von Herzl aus Pappmaché und eine Info- säule über Herzl und Lueger wurden auf den Sockeln um das Denkmal montiert. Die von der Bezirksvorsteherin genehmig- te Installation stand ein paar Tage.

Lord Mayor Karl Lueger opened the GWI- KU 18* in Haizingergasse (where Theodor Herzl used to live). In the meantime a me- morial plaque in his honour has been cov- ered by an inscribed glass plaque that VOM SOCKEL GEHOBEN „Lueger im Arrest“ deals critically with his inheritance. In REMOVED FROM HIS PEDESTAL Lueger Under Arrest 2008 I worked on a project with this Susanne Dechant, Elisabeth Kittl Lutz Dölle school. It included a scenic performance Persönlichkeiten auf ein Podest gestellt, Die Skulptur der Denkmalanlage wird in in front of the Lueger monument and the täglich wahrgenommen, kaum hinterfragt, seiner gesamten Größe am Standort in design of a Theodor Herzl monument for ein bequemer Zustand, der gestört gehört. eine Grube absenkt und mit einer begeh- Karl Lueger Platz. A papier-mâché bust of Ein Erdhügel ermöglicht eine Annäherung baren Abdeckung aus Glas überbaut. Ein Herzl and an information point about him auf Augenhöhe Luegers. Diese Installation Ort wie die Speakers’ Corner könnte so in and Karl Lueger were mounted on the kehrt seine (üb)erhöhte Position um und Wien über dem Lueger-Denkmal entste- monument‘s pedestal. The installation, stellt ihn auf den Boden. Durch Erosion hen. Treppen, Einfassungen und Poller der authorized by the chairperson of the dis- und Interaktion wird das Material abgetra- Anlage werden dafür genutzt und bleiben trict council, stayed in place for a few gen. Drei Alu-Ringe, die Zitate aus drei erhalten. Das Denkmal wird nicht abgeris- days. Generationen jüdischer Frauen tragen, sen, wie so oft in der Geschichte vollzo- *Gymnasium U Wirtschaftskundliches Realgymna- werden freigelegt. Diese finden ihren fina- gen, sondern es wird aus dem urbanen sium: a Secondary/Grammar School with emphasis len Platz auf den Stufen des Denkmals. Raum verschoben. Ein begehbarer Tunnel on economics, commerce, and trade. führt von der U-Bahn zu einer Öffnung, Celebrities raised on a pedestal, seen die, durch eine Glasscheibe geschützt, everyday, seldom questioned, a comfort- Besucher_innen die Möglichkeit gibt, die able state that needs to be destroyed. Skulptur zu betrachten. A mound of earth makes it possible to approach Lueger at eye level. This instal- The entire monumental sculpture will be lation reverses his position on high / high lowered into a pit in situ and a glass cover position and brings him down to the installed that can be walked across. A ground. The material will be worn down by Speakers’ Corner might then be initiated erosion and interaction. Three aluminium on top of the Lueger monument. The rings will be exposed which have quota- steps, border, and bollards of the present tions from three generations of Jewish monument could be used for this purpose women. These will find their final resting and will thus be kept. The monument will place on the steps of the monument. not be demolished, as has happened so often in the past, it will simply be relocated

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out of urban public space. A tunnel walk- uses them, and how. Just as there was a speech balloon of the kind found in com- way from the underground station will time when it depended on whether you ics. On it, in black letters, passers-by are make it possible for visitors to look at were a Jew or an Aryan, “Whether a sin- invited to “Please call the number 06--- -- the sculpture behind glass. ner or morally pure? Living or already bur------”, a specific telephone number. They ied? But you also divided them into the can call the number, will be welcomed by fallen and those that did not please us.” an answering machine and, using selec- Karl Kraus (1874–1936) tion keys, will be able to choose one of a number of languages in order to access background information about Lueger’s political leadership and his legacy.

„Gefallen“ (gefällt meine Herkunft?) Fallen (Do My Origins Please You?) Petra Ebner Mit Eisen verbinden wir Ketten, die uns Please Call Hannes Egger helfen, schwere Lasten zu ziehen. Schrau- ben und Nägel, die unsere Häuser tragen Am Kopf des Karl-Lueger-Denkmals wird und uns so vor Wind und Wetter schützen. eine flache Scheibe aus einem weißen Luege(R)* Es können jedoch auch Ketten sein, die Kunststoff angebracht, welche schwarz Ren Fah uns einengen. Schrauben und Nägel, die umrandet ist. Die Scheibe stellt eine Das Lueger-Denkmal soll in der Mitte durch unter die Haut gehen. Es kommt immer Sprech blase, wie sie in Comics vorkommt, einen Schnitt, der durch das ganze Denk- nur darauf an, wer sie wie verwendet. So dar. Darauf befindet sich die Aufschrift in mal 1 cm breit herausgefräst sein will, wie es eine Zeit gab, wo es darauf ankam, schwarzen Lettern: „Please call the num- halbiert werden, um sowohl die geteilte ob du Arier_in oder Jude/Jüdin warst. „Ob ber 06------.“ Die Passant_innen wer- Meinung, die Lueger in der Gesellschaft sündig oder sittenrein? Ob lebend oder den von der Statue aufgefordert, eine be- damals wie heute hervorrief, abzubilden schon begraben? Doch teilt ihr sie auch in stimmte Telefonnummer zu wählen. Sie als auch die Ambivalenz der Elemente der Gefallene ein und solche, die nicht gefal- werden von einem Anrufbeantworter be- historisch-politischen Figur Luegers zu len haben.“ Karl Kraus (1874–1936) grüßt und können durch Tastendruck ver- zeigen. Diese Veränderung Luegers steht schiedene Sprachen wählen, um Hinter- We link iron with chains that allows us to dabei paradigmatisch für jene Zeit, in der grundinformation zu Luegers Politikfüh- pull heavy loads. Screws and nails with dieser Spalt zwischen einer zutiefst reak- rung und Erbe zu erhalten. securing our houses and thus protecting tionären (und antisemitischen) Weltan- us from wind and weather. Chains might A flat, white plastic disc with a black bor- sicht und der kosmopolitisch progressi- also restrict us, screws and nails get un- der will be attached to the head of the ven Moderne, gerade besonders in Wien, der our skin. It always depends on who Lueger statue. The disc represents a aufklaffte.

222 The Lueger monument will be completely Auseinandersetzung mit der Person Lue- die gesellschaftliche Situation, aus der cut in two by removing a central section ger. Der nunmehrige Nicht-Sockel mit den heraus sie geboren wurde. „Sapere Aude“ 1 cm wide in order to depict what Lueger noch vorhandenen Rinnspuren wird zum („Habe Mut, dich deines eigenen Ver- then, as now, provoked – divided opinions eigentlichen Monument, zu einem diskur- stands zu bedienen!“) soll in goldenen – and show the element of ambivalence siven Mahnmal der Gegenwart, das auf Buchstaben auf der Rasenfläche, die embodied in Lueger as a historical and die mehr denn je aktuellen Auswirkungen zwischen Denkmal und Ringstraße liegt, political figure. This alteration of Lueger antisemitischer und rassistischer Agitation montiert werden. Der Leitsatz der Aufklä- also stands for a paradigm of the era in verweist. rung wirkt von der Ringstraße aus betrach- which the split between a fundamentally tet wie ein Untertitel zu dem bestehenden The Lueger monument will be removed reactionary (and anti-Semitic) view of the Denkmal, welches in seiner derzeitigen from its pedestal. Green discolouration world and a progressive and modern cos- Form nicht mehr als den schlampigen can be seen on the pedestal, it stems mopolitanism yawned open, especially in und teilweise unreflektierten Umgang der from the metal statue: Lueger has left Vienna. http://renfah.net Stadt mit ihrer Geschichte veranschaulicht. traces. * The title plays with the fact that the name Lueger The deconstruction of the Lueger statue I propose that the square be renamed contains the word Luege, lie. manifests the current critical confrontation “Enlightenment Square” in memory of the with Lueger as a person. The left-over ideas of the Enlightenment and, above all, pedestal with the remaining traces will of the social situation from which they become the real monument, a discursive sprang. “Sapere Aude” (Have the cour- monument of a present that refers more age to use your own reason”) will be set than ever to the current consequences of in golden letters in the grass between the anti-Semitic and racist agitation. monument and the Ring. Viewed from the Ring, this guiding principle of the Enlightenment will appear as a subtitle to the present monument which would then no longer illustrate a sloppy and partially unreflected way of dealing with the city and its history.

Kein Denkmal für Lueger – Mahnmahl gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich No Memorial to Lueger – A Monument Against Anti-Semitism and Racism in Austria Martin Faiss

Das Denkmal Luegers wird vom Sockel demontiert. Am Steinsockel sind grüne Platz der Aufklärung Verfärbungen zu sehen, die von der Me- Enlightenment Square Alexander Karl Felch tallstatue stammen: Lueger hat Spuren hinterlassen. Ich schlage eine Umbenennung in „Platz Die Dekonstruktion der Lueger-Statue der Aufklärung“ vor – zum Gedenken an manifestiert die gegenwärtige kritische die Ideen der Aufklärung und vor allem an

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Lueger als Bernstein-Inklave LuegeN* sans souci Lueger as an Amber Enclave Bernd Ferk Sibylle Feucht Gerhard Feldbacher Diese Diskussion(en) um „dieses“ Thema Mein Vorschlag sieht vor, die Skulptur des Die Einreichung schlägt vor, Dr. Karl Lueger und in weiterer Folge die Taten und Hand- Karl Lueger einzupacken. Ganz ähnlich in Kunstharz einzugießen. Lueger wird so lungen bezueglich dieser Thematik haben wie dies mit Steinskulpturen in Schloss- zur „Inklave“ in einer Art Bernsteinskulp- eine Dimension erreicht, aus der es keinen parks im Winter geschieht, um diese vor tur, einem augenscheinlich konservierten Ausweg mehr gibt, (vielleicht) außer durch Frost zu schützen. Bei Karl Lueger geht Relikt der Vergangenheit. Das Standbild ein N(J)ET. es aber nicht um den Schutz der Skulptur, wird durch diese Art der Intervention wort- [Der urspruengliche Text wurde mit dem Beitrag sondern vielmehr darum, diese, zusam- eingereicht, ist aber zurzeit nicht verfuegbar.] wört lich um eine kontextuelle Ebene er- men mit ihrem antisemitischen Gedan- weitert. Lueger wird vom Harz konserviert, The discussions concerning “this” sub- kengut, einzuschließen. Die ganze fragile was den Aspekt der Erinnerung sugge- ject and, as a consequence, the acts relat- Konstruktion verweist darauf, dass dieser riert, er wird durch das ihn umschließende ing to it, have reached such a proportion Zustand (des Verpackens) immer wieder Harz gewissermaßen aber auch unschäd- that there is no escape except (perhaps) neu hergestellt werden muss, dass es lich gemacht. with a NO. keine Sicherheit davor gibt, dass Antise- mitismus oder Rassismus nicht jederzeit The submission proposes to encase Karl *The title plays with the fact that the name Lueger contains the word Luege, Lie wieder „ausgepackt“ und zum Leben er- Lueger in artificial resin. In this way Lue- weckt werden können. ger will become an enclave in a kind of amber sculpture, evidently a relict of the My proposal envisages that the Karl Lue- past which has been preserved. This kind ger sculpture be packed up in the way the of intervention extends the statue – liter- stone sculptures in Schönbrunn Park are ally – by another contextual level while covered in winter to protect them from Lueger will be preserved by the encasing frost. However, in the case of Karl Lueger, resin, which suggests the aspect of the aim is not to protect the sculpture but memory, but it is also rendered harmless to cover up the man along with his anti- within it. Semitic ideas. The very fragile construc- tion draws attention to the fact that it (the wrapping) must be continually renewed in order to ensure that anti-Semitism and

224 racism are not “unpacked” and brought Eine Stiege führt vom Rasen zum Denk- back to life. mal und mündet über der Statue Luegers in eine überdachte Kabine. Der Aufbau erinnert an einen verzerrten Wachturm. Die Kabine mit dem schrägen Dach ist ein öffentlich zugängliches Plumpsklo. Das untere Loch des Plumpsklos umschließt ein Goldring. Das Plumpsklo sowie Trep- pen und Gerüstaufbau werden aus aus- rangierten Bahnschienen und Waggontei- len hergestellt. Ein Sicherheitsgeländer ermutigt auch betagte Menschen, ein po- litisches Statement abzugeben. Allfällige Fäkalien werden im Sockel vorgeklärt und mit Regenwasser den Rosen und Grünflä- chen zur Düngung zugeführt. „NACHFOLGEN“ SUCCESSORS A staircase leads from the lawn to the Lukas Frankenberger monument and ends in a roofed cabin above the statue of Lueger. The construc- Frau*man setze ihm (Kerl Lueger) sein tion is reminiscent of a distorted watch- politisches Erbe in Form eines gesinnungs- Katzen und Vögel tower. The cabin, with its pitched roof, weise winkenden Studenten auf die Schul- Cats and Birds is a public privy. The hole in the privy is tern, um zu zeigen, dass neben seinen Fabian Fink enclosed by a gold ring. The privy, along guten Taten auch seine Gedanken leben- with the stairs and supporting structures, dig gehalten werden. are all made from discarded railway track Zur Figur: Bronze, männlich, 1,69 m, and carriages. A safety railing encourages schwarze Mütze, den rechten Arm von even those of advanced years to deposit sich gereckt, die linke Hand (schwarz) an their political statement. The resulting Luegers Kopf im gleichen Winkel wie die faeces will be treated in the pedestal, Mütze. mixed with rainwater and used to fertilize One places Lueger’s political legacy in the the roses and lawn. form of a waving student in bronze firmly on his shoulders in order to show that along with his good deeds, his ideas are being kept alive. The figure: bronze, male, 1.69 m. black cap, right arm stretched forwards, the left hand (black) on Lueger’s head at the same angle as the cap.

EIN ZEICHEN DER HOFFNUNG SETZEN MAKING A SIGN OF HOPE Lukas Frankenberger

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towards Lueger. Last but not least I am commemorating the neighbours who have had to tolerate the rule of the inhumane man’s shameful monument. From now on they will be able to cheer from the windows when shouts are heard in the square.

STELLUNGNAHME „WALLE WALLE WIDERSTAND“ POSITION HUBBLE BUBBLE RESISTANCE Lukas Frankenberger Lukas Frankenberger

Installation einer Texttafel (10 m x 5 m, Eine Menschenwelle brandet Lueger ent- schwarze Schrift auf weißem Grund) mit gegen. Doch sie ist eingefroren, die Figu- folgendem Text und dem Datum der Ins- ren sind gesichtslos und verharren stumm. tallation: Das Mahnmal wirkt tot, bis Besucher*in- „Stellungnahme der Stadt Wien zur Um- nen den Figuren ihre Gesichter und Stim- gestaltung des Lueger-Denkmals in ein men leihen. Die inneren Figuren sind mit Mahnmal gegen Antisemitismus und einem Rohrsystem verbunden. Spricht Rassismus“ (Datum) und schreit frau*man durch ein Gesicht, weil sie nie flach war Bis die Stellungnahme der Stadt (eben- wird der Schall durch die Menschenwelle Because It Was Never Flat falls mit Datum) angebracht wird, wird geleitet und aus vielen Mündern verstärkt Nina Frgic die Tafel strahlend weiß gehalten. auf Lueger geworfen. Nicht zuletzt ge- Vor dem Lueger-Denkmal wird ein Eisen- denke ich der Anrainer*innen am Platz, die The installation of a text panel (10 m x 5 m, käfig gebaut, worauf ein großer Metall- so lange die Herrschaft des menschen- black lettering on a white ground) with the schriftzug angebracht ist: „weil sie nie feindlichen Kerls Schandmals dulden muss- following text and the date of the installa- flach war“. Darin sind ca. 15–20 Weltku- ten. Ab jetzt dürfen sie aus den Fenstern tion: “Position of the City of Vienna on geln aus Beton eingeschlossen. Ihre Ober- jubeln, wenn vom Platz Gebrüll ertönt. Re-designing the Lueger Monument into flächen sind mit dem „tiefsten Blick ins a Monument Against Anti-Semitism and A wave of people approaches Lueger but Universum“ bedruckt (Bildquelle: http:// Racism” (date). they are frozen, the motionless figures de.wikipedia.org/wiki/Universum). An der Until the City of Vienna declares its are faceless and remain silent. The monu- Oberfläche des Käfigs ist eine versteckte position the text panel will be simply ment appears dead until visitors lend the Mikroskoplinse eingebaut, durch die Zu- brilliant white. figures their faces and voices. The interior schauer_innen von oben auf ein Spiegel- of the figures is outfitted with a system bild im Inneren des Käfigs blicken können. of pipes. If someone speaks or shouts Sie sehen die vergrößerte und leicht un- through a face, the sound is carried by scharfe Reflexion jenes Ausschnitts der the pipes and, amplified, comes out of the Statue, wo Luegers Hände auf seiner mouths of the wave of people directed Brust/seinem Herzen liegen.

226 A steel cage will be built in front of the To drive a wedge between two people/ is recessed so that the figure behind it Lueger monument with a sentence affixed groups; to play off two people/parties is visible. A) The text consists of single in large letters: “because it was never flat”. against each other; to pick a fight; to headwords: seduction, temptation, etc. Enclosed in the cage are 15 – 20 globes destroy the love or friendship between B) the text describes the person of Karl made of concrete. Their surface is printed two people, the harmony between two Lueger from a present-day vantage point. with the “deepest field in the universe) groups, parties, etc. To sew discord. The added informational level will mean (image source: http://en.wikipedia.org/ To topple a monument. To shake it to its that the figure of Karl Lueger will (have to) wiki/Universe). A hidden microscope lens roots. To see reason, regime, power, be seen in a different light. is built into the surface of the cage so that opinion: becoming dangerous, to be in viewers can look at a mirror image of the danger. interior. They see the enlarged and slightly To fall over, improve, rebuild. out-of-focus reflection of the part of the statue where Lueger’s hand lies on his chest/heart.

Wiener Zuckarl Viennese Sweetie* Ines Fritz NEU GESCHRIEBEN DER KEIL RE-WRITTEN Die Statue Luegers wird rundum in Zucker- Marbod Fritsch würfel gehüllt, wodurch dieser nicht mehr THE WEDGE personifizierbar ist und bloß eine weiße Marbod Fritsch Ein Glaszylinder umgibt die Figur des Karl Körperumhüllung übrigbleibt. Einzig die Lueger. Auf der Glasfläche steht ein Text. einen Keil zwischen zwei Personen/Grup- vier Sockelfiguren sind von der Umhüllung Der Text ist ausgespart, d. h. durch die pen treiben; zwei Personen/Parteien ge- ausgenommen, da sie Luegers Werke Buchstaben des Textes ist die Figur da- geneinander ausspielen; zum Streit ansta- verkörpern und somit permanent erkenn- hinter sichtbar. A) Der Text besteht aus cheln. die Liebe od. Freundschaft zwischen bar bleiben sollen. Mit dem nötigen Hinter- einzelnen Schlagwörtern: Verführung, zwei Leuten, die Harmonie zwischen zwei grundwissen, dass Lueger 1910 an der Versuchung usw. B) Der Text beschreibt Gruppen, Parteien o. Ä. zerstören. Zwie- Zuckerkrankheit starb, bewirkt diese Zu- die Person des Karl Lueger aus heutiger tracht stiften. cker-Umhüllung gewissermaßen erneut Sicht. Durch die vorangestellte Informa- ein Denkmal stürzen. ins wanken bringen. den Tod Luegers. Ein weiterer Fakt ist, tionsebene wird die Figur des Karl Lueger erschüttern. Einsicht bringen, Regime, dass Melasse für die Herstellung des Gift- neu gesehen werden (müssen). Macht, Meinung: unsicher werden, in gases Zyklon B benötigt wurde, womit in Gefahr sein. A glass cylinder surrounds the figure of den Gaskammern Millionen von Juden umkippen. verbessern, umbauen. Karl Lueger. There is a text on it. The text ermordet wurden.

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Lueger’s statue will be completely enclo- den Flakturm Esterhazypark im 6. Bezirk. Die achsiale Monumentalität der Statue sed in sugar cubes so that it is no longer Der Flakturm dient als monumentale Er- wird gebrochen, durch das verzweigte possible to recognise the person and the weiterung des Podests, der Pathos kippt Muster der Hülle verschmilzt die Figur only thing that remains is the white body ins Absurde, und Lawrence Weiners be- mit der existierenden Baumkrone und be- covering. The only exceptions to the cov- reits bestehende, am Turm aufgemalte kommt eine neue Bedeutung. Das Innere ering are the four figures around the ped- Text-Intervention „SMASHED INTO PIE- der Struktur leuchtet in intensiven Farben, estal because they represent Lueger’s CES (IN THE STILL OF THE NIGHT)“ infi- die auf die Statue reflektieren. Lueger ist work and should always be recognisable. ziert mit ihrer Bedeutung auch das dorthin umgeben und eingefangen von der Viel- With the necessary background knowl- ver-rückte Denkmal. falt, die er ausschließen wollte. Die Au- edge that Lueger died in 1910 of diabe- ßenseite der Hülle dagegen ist dunkel It appears sensible to assign the square a tes, this sugar encasement has the effect gehalten. Die Statue ist nur von manchen new function and thus to exaggerate the of re-staging Lueger’s death. A further Positionen aus sichtbar, an einer Kante pathetic and myth-making form of the fact is that molasses was necessary for löst sich die Hülle ganz auf. Die Umhül- monument until it becomes self-satirizing. the production of the poison gas Zyklon B lung zeigt, dass viele fragile Teile zusam- This will be achieved by re-locating the which was used in the gas chambers to men den Eindruck der Monumentalität monument – including the pedestal and murder millions of Jews. brechen können. base – to the air raid bunker / flak em- * the title is an intentional “misspelling” of the placement in Vienna’s sixth district. The The axial monumentality of the statue will Viennese “Zuckerl” – sweet, so as to include Lueger’s given name, Karl. tower serves as a monumental extension be broken, the branching pattern of the of the pedestal, which pathos impels covering causes the figure to melt into the towards absurdity because of Lawrence existing tree tops and emphasises a new Weiner’s “SMASHED INTO PIECES (IN meaning. The interior of the structure is lit THE STILL OF THE NIGHT)” text inter- up with intensive colours that reflect on the vention, already painted on the bunker, statue. Lueger is surrounded and caught which infects the relocated and lunatic in the diversity that he sought to exclude. monument it with its meaning. The exterior of the covering is contrast- ingly dark. The statue is only visible from certain positions and at one corner the covering is missing completely. The cov- ering shows that many fragile parts can, in sum, break the impression of monu- mentality.

IN THE STILL OF THE NIGHT Peter Fritzenwallner

Sinnvoll erscheint es, den Platz einem neuen Gebrauch zuzuführen und die pa- thetisch-mythologisierende Form des Denkmals so weit zu übertreiben, dass sie sich selbst persifliert. Erreicht wird das Denk-Mahn durch eine örtliche „Verschiebung“ des Thought Warning Monuments mitsamt Sockel und Basis auf Julia Futo, Biki Sibila Rebek

228 the slow dissolution of the changeable conscience is satisfied with a single act. exhibits both a quality and a chance. Anal- And it cannot be one that is indifferent to ogous to the sensitivity of the material, revolt. one’s own attitudes require continuous re-examination and a willingness to change.

Die zwei Gesichter des Dr. Karl Lueger The Two Faces of Dr. Karl Lueger Peter Gehrer, Jürgen Steineder

Als historische Person steht er für die Ent- wicklung der Stadt Wien, aber auch für eine bewusste Instrumentierung von Anti- Mahnmal gegen Antisemitismus semitismus. Unsere Arbeit bezieht sich und Rassismus in Österreich auf die damalige wie auch auf die heutige Monument Against Anti-Semitism gesellschaftliche Situation. Die Tafeln mit and Racism in Austria ihren freien Räumen animieren dazu, eine Mehrsortenbaum Andrea Geyer, Nanna Wülfing Haltung einzunehmen. So wird auf zwei Multiple Variety Tree Luisa Genovese, Axel Töpfer Ebenen das eigene Denken und Handeln Anstatt eines Abrisses und einer damit ver- infrage gestellt. Auch die eiserne Materia- Die Eigenschaften eines Mehrsortenbau- bundenen Verdrängung wird das Lueger- lität birgt einen Dualismus in sich, wobei mes erscheinen uns als ein sehr anspre- Monument und seine Geschichte am ori- das langsame Auflösen das Veränderliche chendes Bild für ein Denkmal gegen Ras- ginalen Standort durch eine räumliche als Qualität und Chance verdeutlicht. Ana- sismus: Er ist lebendig. Er kann Früchte Schichtung re-visualisiert. Walter Benja- log zur Empfindlichkeit des Materials be- tragen. Er verändert stets sein Gesicht. Er mins klassischer Text über die Konstitution darf es auch bei der eigenen Haltung einer bedarf einer steten Pflege. Ein Denkmal von Kulturgütern und deren zeitlich konti- stetigen Überprüfung und einer Bereitschaft gegen Rassismus darf keines sein, das nuierliche Integrierung als Denkmäler, hier zur Erneuerung. mit einer einmaligen Handlung das Ge- in Deutsch und in alle in Wien gesproche- wissen beruhigt. Es darf keines sein, das nen Sprachen übersetzt, dient als visuel- As a historical figure he stands for the de- gleichgültig ist gegen Aufbegehren. ler Anker für die eigentliche Statue. velopment of the City of Vienna, but also for a conscious instrumentalization of an- The characteristics of a multiple variety Instead of a demolition of the Lueger ti-Semitism. Our work refers to the social fruit tree seemed to us to be a particularly monument with its associated repression, situation both then and now. The panels, appropriate image for a monument against it and its history will be re-visualized in its with their free space, encourage taking a racism. It is alive. It bears fruit. It changes original location by means of a spatial lay- position. Thus one’s own thinking and act- its appearance continuously. It requires ering. Walter Benjamin’s classic text – in ing is questioned at two levels. The iron continuous care. A monument against German and all languages spoken in Vienna materiality also involves a dualism, in which racism cannot be something where the – about the constitution of cultural assets

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and their chronologically continuous inte- gration as monuments will serve as a vis- ual anchor for the statue itself.

Open the Doors Blanca Vela Gonzales, Corina Liliana Negrilá

Braune Erde Die Lueger-Statue, die überdimensioniert ist und über das Volk schaut, soll für eine Brown Earth bestimmte Zeit entfernt werden. Um den Jakob Glasner Sockel werden Türen installiert. Die Türen Die Stadt Wien soll einen Erdhaufen über bilden unterschiedliche Räume, und im dem Denkmal aufschütten. In den folgen- „Wer hat Angst vorm bösen Mann?“ Grundriss bilden sie zusammen die stili- den Monaten wird dieser von Umweltein- sierte Form eines Menschen mit erhobe- Who’s Afraid of the Bad Man? flüssen oder vielleicht sogar erzürnten nen Händen. Die Türen sind offen. Und Gerhard Girsch, Denise A. Schluderbacher Lueger-VerehrerInnen abgetragen werden. die befreiten Geister jeglicher Opfer von Die Statue wird ihrer Mächtigkeit entledigt, Das Konzept reflektiert die Problematik Rassismus und Antisemitismus können vom Sockel gehoben und zur Wand ge- eines klassischen steinernen Mahnmals endlich durchgehen und ihre Ruhe finden. dreht vor der alten Stadtmauer platziert. und isoliert dessen Stärken, nämlich dis- Die Türen symbolisieren auch die inneren Der Spruch „WER HAT ANGST VORM kursive Prozesse auszulösen, in Form einer und äußeren Grenzen des Menschen. Es BÖSEN MANN?“ ist weit sichtbar auf die temporären Intervention die mit dem Denk- ist Zeit, die Türen unserer Herzen aufzu- Ziegelmauer gemalt. Eine Infotafel setzt malschutz nicht in Konflikt gerät. Zusätzlich machen und den Menschen in uns wieder sich kritisch mit dem Wirken von Dr. Karl soll der Wettbewerb alle zehn Jahre von der zu finden. Lueger auseinander. Das von seiner Last Stadt Wien neu ausgeschrieben werden. The Lueger statue, which is larger than befreite Denkmal (der Sockel) wirkt nun als The City of Vienna should make a heap of life and looks out over the people below, Erzählung über die Leistungen dieser Zeit. earth over the monument. In succeeding should be removed for a period of time. The statue will have its potency removed, months this will be reduced by weather- Doors will be installed round the pedestal. displaced from its pedestal, placed, and ing or perhaps removed by incensed Lue- The doors form various rooms which, in turned to face the old city walls. The ger admirers. The concept reflects the the plan view, form the stylized shape of question: “WHO’S AFRAID OF THE BAD problems associated with classic stone a human figure with raised arms. The MAN” will be painted on the wall and vis- monuments and isolates their strength – doors are open. And the liberated ghosts ible from afar. An information plaque will to trigger discursive processes – in the of all victims of racism and anti-Semitism give critical consideration to the effects form of a temporary intervention that will can pass through and find their peace at Karl Lueger has had. The pedestal of the not be in conflict with conservation regu- last. The doors also symbolize internal and monument is now freed of its burden and lations. In addition the competition should external human borders. It is time to open becomes a narrative of the achievements be carried out by the City of Vienna every the doors to our hearts and to rediscover of the time. ten years. the people in them again.

230 to a total and transparent confrontation The award of a prize does not necessarily with history. The glass block also has the have to be a positive event and there is a effect of isolating and preserving things whole series of international prizes which without covering anything up. Karl Lue- are negative. The formal equivalence be- ger’s life will be narrated on a concrete tween the Lueger monument and, for ex- wall in a way that is neither changed nor ample, the Oscar, provides the possibility ‘edited’ but objective and accurate. of making small scale casts of it which would be presented at a ceremony. In memory of the negative characteristics of Lueger’s policies, the achievements that are to be “honoured” would include pub- licly effective emphasis of stereotypes or the consistent disparagement of people on the basis of their religious, political, or national affiliations.

Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus am Beispiel Karl Lueger Monument Against Anti-Semitism and Racism using Karl Lueger as an example Gabriele Graffunder, Winfried Venne

Die glorifizierte Statue von Karl Lueger wird von einem aus Tafelglas erzeugten Sechskant-Glasblock umschlossen. Für Betrachter_innen wird nun eine schatten- artige Silhouette erkennbar. Der Glaskörper Der Karl-Lueger-Preis ist ohne explizite Eigengestalt, er wächst The Karl Lueger Prize aus dem Denkmalgrundriss heraus nach Ernst Gruber oben und symbolisiert den Willen nach Preisverleihungen müssen zwingender- einer vollkommenen, transparenten Aus- weise nicht positiv sein, so gibt es eine einandersetzung mit der Geschichte. Der Reihe internationaler Negativpreise. Die Glasblock schließt aber auch ein, er iso- formale Übereinstimmung zwischen dem liert und konserviert, ohne etwas zu ver- Der Schatten des Bürgermeisters Lueger-Denkmal und einem Preis wie etwa decken. Auf einer Betonwand wird die The Mayor’s Shadow dem Oscar ist Anlass, einen verkleinerten Geschichte Karl Luegers erzählt, nicht Ernst Gruber Abguss des Denkmals anzufertigen, der verklärt und beschönigt, sondern sachlich im Rahmen von Veranstaltungen verliehen Innerhalb des umzäunten Grünbereiches und vor allem korrekt dargestellt. wird. In Erinnerung an den negativen Cha- vor dem Denkmal für Karl Lueger wird The glorifying statue of Karl Lueger will rakter von Luegers Politik sind die Kriterien dessen Schattenwurf im Rasen ausgeho- be enclosed in a hexagonal plate-glass für die zu „würdigenden“ Leistungen unter ben. Der Schatten, den seine Politik ge- block. Afterwards viewers will only be anderem die öffentlichkeitswirksame Be- worfen hat, wird in dem Boden, aus dem able to see a shadow-like silhouette. The tonung von Stereotypen oder die konse- sie entstanden ist, festgeschrieben. Ein glass block has no explicit form of its own quente Herabwürdigung von Menschen Zitat des Psychologen Carl Gustav Jung, but grows upwards out of the ground plan aufgrund religiöser, politischer oder natio- das den Schatten als Archetyp in einen of the monument. It symbolizes the will naler Zugehörigkeiten. gesellschaftlichen Kontext setzt, wird auf

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einer Tafel ergänzend angebracht. Der planerischer Absurditäten und anderer By using peripheral alterations of the sur- betonierte Bereich zwischen dem Sockel Fehlplanungen („Man gewöhnt sich schon roundings or subsequent commentary in des Denkmals und der Rasenfläche wird daran“). the form of inscriptions and signs, the entlang des Schattenwurfs aufgefräst und Occasionally practical monument conser- practice of monument preservation itself ebenfalls asphaltiert, um eine nahtlose vation goes so far that it attempts to avoid moves into the centre of attention and Fortführung zu erreichen. memorializing as inconspicuously as pos- becomes the expression of suppression sible using camouflage, often at the cost and rationalized re-interpretations. How- A form of a shadow will be excavated out of silently maintaining urban planning ab- ever, by repeating a covering-up process, of the green area in front of the Lueger surdities and other errors of planning this methodology emphasises a funda- monument. The shadow that his policies (you’ll get use to it). mental ambivalence which cannot decide cast will be inscribed in the ground from whether to remove or move closer to the which they sprung. A quotation from Carl object. It thus creates floating forms of Gustav Jung, who places the shadow as solidification within a historically neutral archetype in a social context, would be zero-gravity space. placed on a plaque along with additional information. The concrete area between the lawn and the monument’s pedestal would be cut out so as to continue the shadow and then asphalted so that the design continues without a break.

Hängung Hanging Gruppe Psycho 20

Der denkmalpflegerische Umgang selbst Nichthandeln rückt ins Augenmerk als Ausdruck der Non Action Verdrängung und nachgeschobener Um- Gruppe Psycho 20 deutung durch periphere Umherstellungen bzw. durch nachgereichte Kommentierung Das Denkmal fungierte auch als figurati- in Form von Beschriftungen und Beschil- ver Grenzstein der Geschichte vor dem Beispiel Teletubby derungen. Allerdings betont diese Art des ehemaligen Stadtmauerdurchlass, durch Teletubby Example Umgangs durch Wiederholung eines Ver- welchen sich die Bevölkerung der umlie- Gruppe Psycho 20 deckungsprozesses die grundlegende genden Dörfer einst vor heranrückenden Zuweilen geht die geübte Form der Denk- Ambivalenz, die sich weder zur Entfer- Feinden in die Stadt flüchtete. Die Flucht malpflege so weit, sich durch Tarnvorkeh- nung noch zur Annäherung entschließen zurück in das Mittelalter ist nicht mehr rungen dem Andenken möglichst unauf- kann und somit innerhalb eines geschicht- möglich. Als Perspektive bleibt nach dem fällig zu entziehen – oft auf Kosten der lich neutralen Null-Gravitationsraums Erleiden dieser „weißen Eschatologie“ stillschweigenden Beibehaltung städte- schwebende Erstarrungsformen schafft. ein ideologisch entfärbter Blick nach vorne

232 und nach außen in der Neubegründung Lueger-Denkmals noch schärfer, welches dem Namen „Saint of Perpetual Sorrow“ einer europäischen Ebene, die somit auch bereits bei Erbauung die Absicht histo- (Schutzpatron der Ewigen Trauer). Für mich im innerstädtischen Bereich repräsentativ risch ungerechtfertigter Geschichtsdeu- ist das „Vogelhäuschen der Trauer“ eine vertreten wäre. tung umsetzte und dabei auf eine bereits Art Denkmal, gewidmet all jenen, die auf- Weißer Lack, blauer Lack, chromfarbener zu Luegers Lebzeiten einsetzende propa- grund hasserfüllter Ideen, die Karl Lueger Metallic-Lack, Europaembleme (Europa- gandistische Formenentlehnung (ein ima- popularisierte, leiden mussten und noch fahnen) giniertes Arbeiter-Pathos) zurückgriff. immer leiden. Vögel sind ein Symbol des Friedens und der Hoffnung und oft die The monument also functions as a figura- In the case of the Lueger monument, einzigen wild lebenden Tiere in der Stadt. tive milestone in history because of being dealing with the problem of covering up Ich denke, es ist nur gerecht, dass jemand situated in front of the former gate to the with a forced change of meaning is partic- wie Lueger in einen Unterschlupf für Tau- city through which people from the nearby ularly acute since the intention of propa- ben und Spatzen transformiert werden villages fled from an approaching enemy. gating a historically unjustifiable ascription sollte. An escape into the Middle Ages is no of meaning was present at its initial build- longer possible. After this “white escha- ing. That in turn rested on the propagan- I feel a great loss for all the people who tology” the remaining perspective is an distic appropriation of a form (an imagined once lived in Vienna who were murdered ideologically decolourized look forwards wor ker pathos) that had already begun or had to flee. I wish their voices were and outwards towards a construction of during Lueger’s own lifetime. still a part of the city‘s fabric. “The bird- a new European level which would then house of sorrows” is based on a poem by be represented in the inner city area. James Meetze, called the “Saint of Per- White paint, blue paint, chrome-coloured petual Sorrow”. I consider “The bird- metallic paint, European emblem (Europe- house of sorrows” a kind of memorial an flag) to all the people who had to suffer and still do because of the hateful ideas Karl Lueger popularized. Birds are a symbol of peace and hope and often the only wildlife left in the city. I think it is only just that someone like Lueger should be transformed into a shelter for pigeons and sparrows.

Das Vogelhäuschen der Trauer The birdhouse of sorrows Elia Gurna

Es stimmt mich tieftraurig, wenn ich an all jene Menschen denke, die einst in Schiffsschraube Wien lebten und die ermordet wurden Ship’s Propeller oder fliehen mussten. Ich wünschte, ihre Gruppe Psycho 20 Stimmen wären noch ein Teil der Stadt. Die Problematik der Abdeckung durch for- „Das Vogelhäuschen der Trauer“ basiert cierte Umdeutung erscheint im Fall des auf einem Gedicht von James Meetze mit

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cal rally or party event, but they also look like the thought bubbles you see in com- ics. I think the balloons and colours will draw people to engage with the piece.

hier gibt’s nix zum sehen ich mische mich nicht ein nothing to look at here i don‘t want to get involved Elia Gurna Elia Gurna kommt und holt ihn nachts Ich stelle mir die Statue Karl Luegers vor, sagt niemandem, wohin ihr ihn bringt wie sie Luftballons hält, auf welchen Zita- „gehen Sie weiter, hier gibt‘s nix te und Sprüche geschrieben stehen, die zum sehen“ Rassismus, Rassenpolitik und Österreichs deportiert ihn irgendwohin nationalsozialistische Geschichte themati- haltet ihn dort mit anderen, die sind wie sieren. Es könnten historische Zitate von Reflexionen meines Lebens er, versteckt auf unbestimmte Zeit Lueger selbst, kennzeichnende Reden, Reflections of my Life benehmt euch, als ob nichts je aber auch Anregungen/Gedanken von Elia Gurna passiert wäre Passant_innen miteinbezogen sein, die in Das Konzept für dieses Werk ist einfach – wenn jemand Fragen stellt, einem Behälter am Fuß des Denkmals die Statue und ihr Sockel (bis zu einer ge- wechselt das Thema gesammelt werden. Die Luftballons erin- wissen Höhe hinaufreichend, sodass sich mit der Zeit werden sie vergessen, nern optisch an eine politische Kundge- Passant_innen darin sehen können) wer- dass er je existierte bung oder parteilich organisierte Veran- den mit reflektierendem Material, das wie staltung, aber sie gleichen auch Sprech- come and get him at night ein Spiegel funktioniert, überzogen. Pas- blasen, wie sie in Comic-Heften zu sehen don‘t tell anyone where you are taking him sant_innen sind eingeladen, sich selbst sind. Ich denke, die Ballons und Farben gehen Sie weiter, hier gibt‘s nix zum se- im Spiegel der Geschichte Österreichs zu werden viele Menschen anlocken, sich hen [move along, there‘s nothing to look mit dem Werk auseinanderzusetzen. betrachten und ihre persönliche Rolle im at here] fortgesetzten Vermächtnis Karl Luegers I imagine the figure of Karl Lueger holding transport him somewhere zu reflektieren. keep him hidden there indefinitely balloons that have sayings and quotes The concept for this piece is simple – the with others like himself written on them that thematize racism, statue and base of the statue (up to the act like nothing ever happened racial politics, and Austria‘s National So- height that passers-by can see them- when people ask questions change the cialist history. They could include histori- selves) will be covered in reflective mate- subject cal quotations from Lueger himself, typi- rial that acts like a mirror, inviting viewers eventually they will forget he ever existed cal sayings, but also thoughts collected from passers-by in a suggestion/thought to see themselves in Austria‘s history and box placed at the foot of the statue. Visu- reflect upon their personal role in the con- ally the balloons reminsicent of of a politi- tinued legacy of Karl Lueger.

234 vation. The official version of history is project will show Lueger in the proper neither irrefutable nor infallible, and each light. In order to do so we will use exactly individual can and should be concerned that metaphor. Seen from the Ring, with it. Vienna’s most splendid street, a black

* The German title, InnWert plays with notions of sculpture will prevent an unobstructed inner “Werte” = “values” view of Lueger and his deeds. Only after having confronted the new monument will the gaze be free to fall on Lueger’s less irritating, aesthetic statue. In order to heighten the contrast with this neo- classical work, our monument should appear rough, abstract, and dark.

InnWert Invert* Roman Hansi, Estelle Hödl

Ein Denkmal hat imposant zu sein. Größe erfüllt ihren Zweck und mahnt automa- tisch Ehrfurcht ein. Um diesen psycholo- gischen Mechanismus umzukehren, muss Ein Schatten soll entstehen das Denkmal invertiert werden, sodass A Shadow Should be Created Betrachter_innen auf das Objekt hinabse- Daliah Heeger, Daniel Prost hen. Nicht nur wird es auf eine andere Rezeptionsebene gesenkt, es wird auch Lueger kann nicht für die Verbrechen der die Innenansicht freigelegt. Dass das Denk- Nationalsozialist_innen verantwortlich mal „immer schon da war“, ist keine in gemacht werden. Zu Recht kann er jedoch sich geschlossene Rechtfertigung für als Populist diffamiert werden. Unser Pro- dessen Errichtung. Die offizielle Version jekt will Lueger ins „rechte Licht“ rücken, Deplatzierung der Geschichte ist nicht unumstößlich und hierzu bedienen wir uns genau dieser Deplacement unfehlbar, vielmehr soll sich jede_r indivi- Metapher. Vom Ring, der Prunkstraße Caroline Heider duell mit ihr auseinandersetzen können Wiens, soll zunächst eine schwarze Skul p- Die Bronze wird demontiert und auf der und dürfen. tur den ungestörten Blick auf Lueger und Grünfläche gegenüber platziert. Lueger seine Taten verhindern. Erst nach der A monument has to be imposing. Size blickt auf den Sockel, der die Errungen- Auseinandersetzung mit dem Mahnmal fulfils its purpose and automatically com- schaften seiner Amtszeit zeigt. Sockel und kann der Blick auf der weniger irritierenden, mands respect. In order to reverse this Statue sind annähernd gleich groß, sodass ästhetischen Statue Luegers verweilen. psychological mechanism, the monument die für die Entstehungszeit typische erha- Gerade im Kontrast zu diesem neoklassi- itself has to be reversed so that viewers bene Erscheinung des Denkmals ver- zistischen Werk soll unser Mahnmal grob, look down on it. It will not only be lower schwindet. Die Bronze soll aber nicht abstrakt und dunkel wirken. than the reception level, its interior will „gestürzt“ erscheinen, wie man es von also be revealed. That the monument Lueger cannot be made responsible for Plastiken kennt, die am Ende einer politi- “has always been there” is not an imper- the crimes committed by the Nazis. But he schen Ära zerstört werden. Sie soll kon- ative justification for its continued preser- may rightly be vilified as a populist. Our servatorisch korrekt abgenommen und

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ebenerdig auf unsichtbarem Fundament gehoben werden. Durch die „Hochzeits- Tiefe Einkerbungen sollen sich wie Schlitz- wiederaufgestellt werden. Es geht somit “ soll die oftmalige Vermählung sol- wunden quer über seinen Körper erstre- weder um eine Zerstörung oder Verhüllung cher Ideologien mit der Politik anschaulich cken, Metallstäbe sollen sich durch Brust des Denkmals noch um eine Verschleie- gemacht und ihre Verharmlosung mittels und andere Stellen seines Körpers bohren, rung von Luegers Geschichte, sondern um einer rosaroten Torte dargestellt werden. und viele Auskerbungen sollen es ausse- die Möglichkeit einer kritischen Beleuch- Die Torte symbolisiert auch die „süße hen lassen, als ob sich eine ätzende Säure tung. Versuchung“, Versprechungen und Vorur- durch ihn fräße. Dies soll die Strafe für die teilen zu erliegen. Die „Lueger-Torte“ zieht Dinge sein, die er zu Lebzeiten verbrochen The bronze will be removed and relocated Aufmerksamkeit auf sich, will provozieren hat. Die Schuld soll ihn von innen zerfres- to the green area opposite. Lueger looks und gleichzeitig auch das Fragen anregen. sen. at the pedestal which shows the achieve- ments of his time as mayor. Pedestal and The perception of anti-Semitic, anti-liberal, Deep notches, like wounds, should be statue are approximately the same size and racist signs is to be raise to an absurd, made in the body of the statue. Metal so that the raised appearance of the mon- perhaps comical, level. The intention is rods will pierce the chest and other parts ument – typical of the period – disappears. to render the frequent marriage between of the body, and many of the notches will However, the bronze figure should not ideologies of this nature and politics visi- make it appear as if corrosive acid was appear to often been “toppled”, in the ble by means of the “wedding ” and eating its way through him. This is the way that statues have been destroyed at the down playing of the dangers are de- punishment for things he did during his the end of a political era. It should be re- picted by a pink cake. The cake also sym- life. Guilt should eat him up. moved in accordance with principles of bolizes succumbing to the “sweet temp- conservation and erected on an invisible tation” of promises, and prejudices. The foundation at ground level. The concern “Lueger Cake” draws attention to itself, here is not with the destruction or cover- is provocative and, at the same time, it ing up of a monument, nor with an at- stimulates questions. tempt to conceal Lueger’s history, but with the possibility of a critical examination.

„Worte sind Keime“ Words Are Seeds Christine Hohenbüchler, Irene Hohenbüchler Where's the b/pride? „Worte sind Keime, sie gehen auf, wo sie Lisz Hirn ihren Boden finden – sie schlagen Wurzeln, Die Wahrnehmung von antisemitischen, Lueger-Statue-Umgestaltungsprojekt sie wachsen, sie tragen Früchte – irgend- antiliberalen und rassistischen Zeichen Lueger Statue Redesign Project wo und irgendwann.“ („Gaben des Erle- soll auf eine absurde bis komische Ebene David Hofbauer bens“, Aphorismen 1935) Zwei einfache

236 opake Glaslampen stehen links und rechts versetzt neben dem Denkmal, wobei die eine kürzer, die andere länger ist. In dem Glas wird mittels Sandstrahltechnik das Zitat von Rosa Mayreder eingeritzt, auf der anderen Lampe steht die Quelle des Zitats. Auf den zwei Sockeln links und rechts des Denkmals werden verschiedene Frauennamen zitiert, mittels Tafel oder eingemeißelter Schriftzüge. Die Leucht- kraft der Lampen symbolisiert die weg- weisende Kraft, die aus dem Denken und „Worte sind Keime“ Handeln dieser Frauen resultierte, die alle Words Are Seeds in Wien um die Jahrhundertwende agierten Christine Hohenbüchler, Irene Hohenbüchler „Worte sind Keime“ und wirkten. Andererseits wird ihre Mar- Words Are Seeds „Worte sind Keime, sie gehen auf, wo sie ginalität in der öffentlichen Wahrnehmung Christine Hohenbüchler, Irene Hohenbüchler ihren Boden finden – sie schlagen Wurzeln, beleuchtet. An einige Frauen gibt es, ob- sie wachsen, sie tragen Früchte – irgend- Auf dem großen, weißen Gebäude hinter wohl sie zu ihrer Zeit in der Stadt sehr wo und irgendwann.“ („Gaben des Erle- der Platane steht in großen Lettern in bekannt waren, kaum mehr Erinnerung. bens“, Aphorismen 1935) Das Zitat von dunklem Grau aufgemalt: www.dr.karl. “Words are seeds, and grow wherever Rosa Mayreder liegt in Kreisform um das lueger.at, eine Homepage, eingerichtet, they find good soil – they take root, grow, Lueger-Denkmal. Die Buchstaben können um die Person Dr. Karl Lueger zu hinter- bear fruit – somewhere and sometime.” aus Beton oder Metall geschnitten sein fragen, aufzudecken und in den historischen (Gaben des Erlebens [The Offerings of und werden in die Bodenplatte montiert. Kontext zu stellen. Sehr simpel und be- Experience], Aphorisms 1935) Two sim- Links am Sockel wird auf Rosa Mayreder wusst einfach gehalten, dient sie als ple opaque glass lamps, one situated on und den Text verwiesen, rechts am Wap- Informationsplattform. the right, one on the left, a little in front pensockel stehen andere bedeutende www.dr.karl.lueger.at would be written in of the monument. One is shorter than the Frauennamen, entweder eingemeißelt large, dark grey letters on the house be- other. The quotation by Rosa Mayreder is oder auf einer montierten Schrifttafel. hind the plane trees. It is the address of a sandblasted into the glass of one of the “Words are seeds, and grow wherever website which has been set up to exam- lamps and the source of the quote into they find good soil – they take root, grow, ine, disclose, and place within a historical the other. Various women’s names are bear fruit – somewhere and sometime.” context Dr. Karl Lueger as a person. It chiselled into the two plinths or appear in (Gaben des Erlebens [The Offerings of serves as an information platform that is plaques attached to them. The luminosity Experience], Aphorisms 1935) This quota- kept intentionally simple. of the lamps symbolizes the pioneering tion from Rosa Mayreder will lie in a circle power that resulted from the thoughts and around the Lueger monument. The letters acts of these women, all of whom worked could be cast in concrete or cut from metal in Vienna and the turn of the nineteenth and mounted on the base plate. On the and twentieth centuries. Although some left hand side of the pedestal reference of these women were very well-known in will be made to Rosa Mayreder and the the city at the time, there is now almost text while the names of other important no memory of them. women would appear on the right hand side of the coat-of-arms pedestal, either chiselled or on a commemorative plaque.

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Durch eine Öffnung am Kopf der Lueger- Statue wird ein Austrittspunkt für Luegers Gedankengut geschaffen. Auf Absperrbän- dern, welche herausquellen und sich um die Statue winden, stehen in schwarzen Lettern Schlagworte geschrieben: ANTI- SEMITISMUS, RASSISMUS, MISANTH- ROPIE, HASS, VERFOLGUNG, HETZE. Die rot-weiß-roten Streifen stellen Bezug zur österreichischen Nationalflagge her. Schattenseite Die unteren Statuen werden stellvertre- Shadow Side tend für das Volk eingesetzt und ebenfalls Walter Höller mit Absperrband umwunden: PASSIVITÄT, SPUREN IGNORANZ, INTOLERANZ, VERBLEN- Wo viel Licht ist, ist auch Schatten (dahin- Traces DUNG. Es neigt zu Ignoranz und Passivität ter). Daher im „background“ eine schwarze Dieter Höller, Markus Bohn, Alexander Klose und vertraut blind auf Führungskräfte. Stahltafel: im Sockelbereich beiderseits Rückbenennung zu Stubentor; Umgestal- Text möglich. Im oberen Bereich ein An exit point for Lueger’s thoughts is cre- tung des gesamten Areals mit durchge- Davidstern als Hinweis auf den antisemi- ated by making an opening in the statue’s hendem Bodenbelag; digitale Glas-Infota- tischen „Hintergrund“. head. Barrier tapes well up out of the fel im Bereich der vorhandenen Bäume mit head and wind their way round the stat- Where the light is strong there is also wechselnden, tagesaktuellen Kommenta- ue. The black letters on them form the much shadow (behind it). Thus a black ren und Nachrichten zu den Themenkrei- words: ANTISEMITISM, RACISM, MIS- sheet of steel in the “background”. In the sen Rassismus, Antisemitismus, Aus- ANTHROPY, HATE, PERSECULTION, proximity of the pedestal it would be pos- grenzung; Nachtbeleuchtung von umge- INCITEMENT. The red-white-red stripes sible to have double sided text. A Star of benden Gebäudedächern nur auf den correspond to the colours of the Austrian David at the top as an indication of the „Spuren“-Bodenbelag, sodass das Denk- flag. The lower figures will be used to anti-Semitic “background”. mal selbst nachts nur als Silhouette er- represent the people and also wound up kennbar bleibt. in barrier tape with the words PASSIVITY, IGNORANCE, INTOLERANCE, BLIND- Use the former name of the square: NESS. It tends to passivity and ignorance Stubentor. Redesign the whole square and blindly places trust in its leadership. with a continuous surface over the whole area. A digital glass information sign, close to where the trees are, with commentaries and news that changes daily on the sub- jects of racism, anti-Semitism, and exclu- sion. Night time illumination from the roofs of surrounding buildings would be directed at the “traces” ground covering so that the monument itself is only visible as a silhouette.

Lueger-Platz-Projekt Lueger Square Project Christina Horn

238 lighting (floodlights) isolates objects and provokes associations with prisons, sur- veillance, isolation, etc.

derPlatz The Square INS RECHTE LICHT RÜCKEN Theo Hurter Putting It in the Right Light Der gesamte Bereich um das Denkmal Oliver Hunger, Michael Shorny, Peter Knögler, wird von Bäumen, Sträuchern, Hecken Wolfgang Müller und Rabatten befreit und mit einem ein- Eine nichtintrusive Intervention zur kriti- heitlichen Belag versehen. Darin eingelas- schen Beleuchtung der Problematik des sen: ein Schienenstück. Eingelassen und Ohne Titel Umgangs mit ethisch ambivalentem Kultur- verteilt über den Platz sind Tafeln mit Untitled gut. Mittels eines RGB-Laser-Scanners und Namen von Ortschaften, Personen oder Peter Jacobi eines Videobeamers werden auf die Figur Daten, die mit Antisemitismus und Ras- und den Sockel des Denkmals Licht zeich- sismus in Verbindung stehen. Parkbänke Die Umgestaltung des Lueger-Denkmals (nung)en, Lichtschriften, Fotos und Filme sind auf dem Platz verankert. Tagsüber erfolgt durch das Einbringen der Figuren projiziert und dieses damit neu kontextua- wirkt der Platz großzügig, lädt zum Ver- und Reliefs des Sockels in Metallverscha- lisiert. Die Projektion thematisiert antise- weilen und Spielen ein. Nachts entsteht lungen. Bis zu vier Texte können an den mitische Feindbilder Luegers und in der ein Bühnenbild von suggestiver Wirkung. freien Steinflächen angebracht werden. NS-Zeit. Auf einer ergänzenden Web-Platt- Die punktuelle Beleuchtung durch Flut- Ein Textbeispiel könnte so lauten: „DAVID form, wo weitere Beiträge zur Projektion lichter isoliert die Objekte, löst Assozia- UND SEINE SÖHNE BIETEN EUCH FRIE- entwickelt werden können, wird die Aus- tionen wie Gefängnis, Überwachung, Iso- DEN“. Trotz der sich aus einem funktiona- einandersetzung am Leben gehalten. lation aus. len Ansatz teilweise ergebenden Form (Ein- bindung der alten Figuren) entsteht eine A non-intrusive intervention to throw light The entire surroundings of the monument neue, autonome bildhauerische Gestalt. on the problems of dealing with ethically will be cleared of trees, bushes, hedges, ambivalent cultural assets. Aided by an RGB and borders and given a uniform surface. The redesign of the Lueger monument will laser scanner and a video beamer, the fig- A piece of railway track will be embedded take place by placing the figure and the ure and the monument’s pedestal will be in it. Signs with the names of places, peo- reliefs on the pedestal behind metal shut- used as a projection surface for light draw- ple or dates that are connected with anti- tering. Up to four texts can be mounted on ings, texts, photos and films and thus Semitism and racism will be mounted on the empty stone surfaces. An example of recontextualize them. The pictures show it and distributed over the entire square. the texts might be: “David and his son offer Lueger’s and Nazi anti-Semitism. The con- Park benches are anchored to the square. you peace”. Despite the fact that the form frontation will be kept alive by a supple- During the day the square will appear partly results from this functional approach mentary web platform on which contribu- spacious and an invitation to linger and (integration of the old figures), what is tions for projection will be presented. play. At night a stage is created which created is a new, autonomous, sculptural has a suggestive effect. The selective gestalt.

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Ohne Titel Wind-Fang Diskussionspapier Untitled Wind Catcher Discussion paper Peter Jacobi Patrick Jaritz Patrick Jaritz, Konrad Wolf

Die Umgestaltung des Lueger-Denkmals Die Statue und der Sockel des Denkmals Eröffnen eines temporären Diskussions- erfolgt durch das Einbringen der Figuren bleiben unverändert. Rund um die beste- raums als Arena und Impulsgeber für und Reliefs des Sockels in Metallverscha- hende Konfiguration werden verschiedene offene und interne Debatte; Proklamie- lungen. Auf die obere Sockelebene wird Scherenschnitte von Personen radial an- rung einer platzweiten Bühne zur Sicht- eine konische Form aufgesetzt, die in ihrer geordnet. Neunzehn davon sind auf die barmachung und Auseinandersetzung; Gestalt dem Absalom-Grabmonument in Statue gerichtet und gelenkig gelagert, Deckebene mit weißem Tartanbelag; der Nähe von Jerusalem nachempfunden sodass sie sich mit dem Wind drehen. beschreibbare Stadtoberfläche; Startpunkt ist. Die untere Stufe des Sockels wird an Ein Federmechanismus soll sie bei Wind- einer öffentlich zu führenden Debatte zur zwei Stellen exzentrisch erweitert und aus stille wieder in die Ausgangsposition set- Umgestaltung des Denkmals. dem gleichen Material – Cor-Ten oder zen. Zehn weitere Silhouetten sind von Initiation of a temporary discussion space Bronze – erstellt. Auf den Cor-Ten-Platten der Lueger-Statue abgewandt. Diese sind as a platform and impulse generator for der unteren Sockelpartie können Texte starr gelagert und bewegen sich nicht. open and internal debate. Proclamation of angebracht werden. The statue and pedestal remain unchan ged. a stage over the whole square for con- The redesign of the Lueger monument Around the present configuration silhou- frontations and making things visible; Floor will take place by situating the figure and ettes of various people will be placed, fitted with white tartan covering; writeable the reliefs on the pedestal behind metal organized radially. Nineteen of them are urban surface, starting point for a public shuttering. A conical form will be installed pointed towards the statue and are moun t- debate about redesigning the monument. on the top level of the pedestal, adapted ed on bearings so that they turn in the from the tomb monument from Absalom’s wind. A spring mechanism will ensure that grave not far from Jerusalem. The lower on windless days they will be returned to step of the pedestal will be eccentrically their starting position. A further ten sil- extended at two points and made from houettes are turned away from Lueger. the same material – Corten steel or bronze. These are fixed and thus motionless. Texts can be affixed to the sheets of Cor- ten under the pedestal.

240 Das stumme Geläut The Silent Bells Bernadette Johnson

Schweigende Glocken als Mahnmal gegen den Verlust von Toleranz und Menschen- würde. Zu hören ist die riesengroße An- strengung des Aufschaukelns der tonnen- schweren Glocken, das Knarren, Ächzen und Poltern der hölzernen Joche, das wummernde Keuchen der Glockenturm- technik. Die Glocken kommen aber nicht zum Schwingen und Klingen, sie bleiben stumm. Einmal täglich, als zyklisch wie- derkehrendes Ereignis, vereinen sich die Karl Lueger Bodenkontakt Glocken der Wiener Kirchen zum „Stum- Katja Jatzko Contact with the Ground men Geläut“ und sind hörbar aus sieben Alexander Joechl versenkten Lautsprechern. Ein Ritual, Lueger war ein antisemitisch denkender welches an die Fragilität von Leben, Frei- Mensch. Somit war es meine Idee, ihm Die Figur Lueger steht derzeit auf einem heit und Menschlichkeit erinnert. einfach einen neuen Kopf und damit auch mehrteiligen Sockel in sieben Meter Höhe. neue Gedanken zu geben. Karl Lueger hat Bei meinem Vorschlag ist die Bronzeplas- Silent bells as a monument to the loss of sich verändert. Ich habe ihm die Köpfe von tik des ehemaligen Bürgermeisters am tolerance and human dignity. What can be Schindler, Rosa Parks und Martin Luther aktuellen Standort, aber auf Höhenniveau heard is the enormous effort of installing King gegeben. Allesamt Menschen, die in der Betrachterin_des Betrachters positio- the bells which weigh tons – the creak- eine völlig andere, in eine soziale Richtung niert. Dazu werden alle Sockelebenen zu- ing, groaning, and crashing of the wooden dachten. Sie setzten sich für die Gleichbe- erst entkernt und anschließend inklusive yoke, the booming and wheezing of the rechtigung ein. Lueger auf den Boden ineinander geschach- clock tower mechanism. The bells never telt abgestellt. Alle wesentlichen Elemente swing, never ring. They remain silent. Lueger was a person who had anti-Semitic bleiben unbeschädigt, die nachhaltige Dis- Once a day – a cyclical, repetitive event – thoughts. My idea to simply give him a harmonie lädt zur Auseinandersetzung ein. the bells of Viennese churches unite to new head – and thus new thoughts – a “silent peal” which becomes audible sprung from that. Karl Lueger has changed. At present, the figure of Lueger stands on because of seven loudspeakers. A ritual I gave him the heads of Schindler, Rosa a pedestal consisting of a number of parts that reminds one of the fragility of life, Parks, and Martin Luther King, all of whom and is seven meters high. My proposal freedom, and humanity. thought in a completely different and foresees the bronze sculpture of the for- socially relevant way. They all worked mer mayor remaining in its current for equality. location but brought down so that it is eye to eye with viewers. In addition, all ele- ments of the pedestal will be hollowed out and then stood on the ground piled up along with Lueger. All the main elements will be undamaged and the permanent disharmony acts as an invitation to en- gage with the subject.

© Joel Alexander 2010

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tal will be supplemented by a diversity of Lueger Square will be renamed “Human elements. In this way a new square will Rights Square”. The bronze sculpture will be invented but without losing its history. be removed from its pedestal and cut into two equal halves. These will be placed on pedestals at the same level as the four reliefs. There will also be an additional panel which provides information about Lueger, the erection of the monument, and its reconstruction. It will also reject anti-Semitism. The corner figures will be enclosed in opaque laminated glass. A text will be engraved in the glass with the text: “For Equality and Fraternity – Against Perspektive – Sicht von außen Anti-Semitic and Racist Demagogy”. The Perspective – The View from Without monument’s steps will exhibit articles 1, Rangel Karaivanov, Jürgen Strohmayer 2a, and 3 of the Universal Declaration of Human Rights. Das Aufstellen von dumpfen Klangkörpern, welche die Umgebung widerspiegeln und beeinflussen, stehen gegen das zentrali- sierte und diskriminierende Nutzen des öffentlichen Raumes. Die Größe und Masse dieser Klangkörper, vollkommen Gegen judenfeindliche und aus Blei, dominieren den Raum, schaffen rassistische Demagogie Andacht und Respekt vor sich selbst, Against Anti-Jewish and erlauben es aber den Passant_innen, Racist Demagogy diese Stille zu überwältigen. Das einstige, Wolfram P. Kastner vertikale Denkmal wird von einer horizon- Der Lueger-Platz wird umbenannt in Platz talen Gestaltung ersetzt. Der zentrale, für Menschenrechte, die Bronzeskulptur kreisrunde Sockel wird durch eine Vielfalt vom Sockel geholt und in zwei gleich hohe von Elementen ergänzt. So wird der Platz Teile zerlegt. Diese werden auf der Ebene neu erdacht, ohne seine Geschichte zu der vier Reliefs auf zwei Sockeln aufge- verlieren. stellt. Dazu wird eine Tafel gesetzt mit Erecting muffled resonating bodies which einem Text, der über Lueger, die Errich- reflect and influence their surroundings tung des Denkmals und seine Umgestal- Gegenwart der Vergangenheit counteracts the centralized and discrimi- tung informiert und sich von Antisemitis- (Drei-Fahnen-Platz Wien) natory use of public space. The size and mus distanziert. Die Eckfiguren werden mit The Presence of the Past weight of these resonating bodies – made trüben Verbundglasscheiben verkleidet, entirely of lead – dominate the space and auf denen ein umlaufender Text steht: (Three Flags Square Vienna) Ilona Keil while they generate reflection and, while „Für Gleichberechtigung und Brüderlich- generating reflection and respect for keit – gegen antisemitische und rassisti- Vor dem Denkmal sollen drei Fahnenmas- themselves, they allow passers-by to sche Demagogie“. Die Stufen des Denk- ten mit schwarzen Fahnen aufgestellt overpower the silence. The former verti- mals werden beschriftet mit den Artikeln werden. Auf jeder Fahne werden jeweils cal monument will be replaced by a hori- 1, 2a und 3 der Allgemeinen Erklärung der zwei Fragen in weißer Schrift zu lesen sein. zontal design. The circular, central pedes- Menschenrechte. Die Idee war: eine künstlerische Lösung

242 zu finden, die der aktuellen Situation in geholten, ausgestellten Exemplar verklär- der heutigen Gesellschaft entsprechen ter Ideologien soll der Bogen von den poli- könnte; eine Form von temporärem Cha- tischen Praktiken des Karl Lueger zur heu- rakter zu finden, die zugleich aber sämtli- tigen Frage nach Rassismus und Antisemi- chen permanenten Ansprüchen gerecht tismus in Politik und Gesellschaft ge- werden könnte; ein Zeichen nicht nur ge- spannt werden. Das Standbild soll be- gen Rassismus zu setzen, sondern auch wahrt und nicht vernichtet und verges- einfache Entscheidungen im Alltagsleben sen, sondern umgedeutet werden zum zu hinterfragen. ausgestellten Präparat politischer Irrwe- ge: Es soll entthront, gereinigt und in eine Three flag poles with black flags are to schützende Glasvitrine gestellt werden – be erected in front of the monument. On auf direkter Ebene zum Betrachter, nahe each flag there will be two questions in und doch entrückt –, zum Denken und white letters. The idea is to find an artistic Mahnen. solution appropriate to the current situa- tion in today’s society, to find a form which By reinterpreting the monument from a is temporary but which can, at the same heroizing, prestigious sculpture to one Spiegelbild – GEHE RUHIG SCHREI LAUT time, be adapted to the permanent de- which has been taken down from its Mirror Image – GO QUIETLY AND SHOUT mands made on it, not only creating an pedestal and exhibited as an example of OUT LOUD anti-racist sign but also one that questions rejected ideologies, the link will be made Martin Kitzler decisions in everyday life. between Karl Lueger’s political practices Ich möchte Karl Lueger einen Spiegel vor- and present-day questions of racism and halten. An der ihm zugewandten Seite ist anti-Semitism in politics and society. ein Davidstern aufgedruckt, der die von The statue will be preserved, neither ihm in seiner Funktion als Bürgermeister destroyed not forgotten, but reinterpreted diskriminierten Mitmenschen symbolisiert. into an exhibited specimen of an errone- Auf der anderen Seite ist der Davidstern ous political path. It will be de-throned, durch ein Schriftbild erweitert: GEHE RU- cleaned, and placed in a glass display HIG SCHREI LAUT. Das bedeutet friedlich cabinet at the same level as the viewer, miteinander leben, aber gegen Missstände close but still distant, thought provoking aufbegehren. Der Bodenbelag wird außer- and admonishing. halb der Sockelzone abgefräst und mit schallhemmendem Kunststoff gefüllt. In der Nähe des Denkmals taucht der eigene Körper in Stille ein, und die Aufmerksam- keit wird vom Alltäglichen weg auf die Denkmalkritik hingelenkt.

I want to hold a mirror up to Karl Lueger. There is a Star of David printed on the side Schaukasten für den herzlichen Antisemit facing him. It symbolizes the citizens he Display Case for the Warm-Hearted discriminated against in his function as Anti-Semite mayor. On the other side the Star of Nicolas Kerksieck, Philip Loskant David is supplemented with the words: Durch Umdeutung des Denkmals von GO QUIETLY SHOUT OUT LOUD. This einem heroisch verehrungswürdigen means live together in peace but protest Ehrenstandbild zu einem vom Sockel grievances. The asphalt round the pedes-

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tal will be removed and replaced by a „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat sound-absorbing synthetic. Close to the eine Zukunft.“ (Wilhelm von Humboldt) monument one’s own body is immersed “Only those with a past have a future”. in quiet. Attention is shifted away from (Wilhelm von Humboldt) everyday concerns to critiquing monu- ments.

Wien 2010: 100 Jahre Schweigen Vienna 2010: 100 Years of Silence

Das gelbe Band The Yellow Lace Toni Knoll

Lueger, der einen Teil der Bevölkerung zu Ausgestoßenen machte, steht nun mit Weiteingeäderte Gemeinmembran seinem Stigma der leuchtend gelben Widely Veined Communal Membrane Schuh bänder auf dem nach ihm benann- http://elementdawnproductions.blog.de Johannes Knesl ten Platz, und Finger zeigen auf seine Schande. Gelb symbolisiert im europä- Luegers technokratischer Stadtkörper isch-christlichen Kulturkonnex Unreinheit. verstärkt die politische Identifizierung des In manchen Zeiten der Monarchie muss- Jüdischen als „andere“ Seinsart. „Falt- ten Prostituierte gelbe Schuhbänder tra- stadt“ leitet unser Bewegen und Nieder- gen, und nicht zufällig war der als „Juden- lassen zwischen, unter und über gefalte- stern“ verunglimpfte Davidstern, den die ten und teilbewässerten Stahlmembranen, jüdische Bevölkerung im Dritten Reich zu die uns in intensiv-kommunikatives Enga- tragen hatte, ebenfalls gelb. gement verwickeln und uns in weitumfas- sende Hyperkörper verwandeln, die tief- Lueger, who turned a section of the pub- liegende Erfahrungen von abwesendem lic into outcasts now stands with his stig- „Anderen“ wieder erleben. ma – glowing yellow shoelaces – in the square named after him. His finger points Lueger’s technocratic urban body enforces at his shame. In the European Christian the political identification of Jews as “other” cultural context yellow symbolizes impu- beings. “Fold-City” makes us move through rity. During some periods of the monar- and settle on, under and between fold- chy prostitutes had to wear yellow shoe- ings of irrigated steel membranes that laces. And it is no a coincidence that the undo striated urban space and site us in disparaging Star of David that Jewish citi- intensive communicative engagement, zens had to wear during the Third Reich Denk_mal turning us into more encompassing urban was also yellow. Think hyper-bodies, that relive deeply held ex- Markus Klingler periences of the absent “other(s)”.

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Der halbe Karl Chamsa Up or Down..? Half a Karl Hamsa Veronika Kocher Alexander Knorr Tamara Kober Ich möchte die Betrachter/-innen einladen, Die Statue wird direkt am Scheitel geteilt. „Die Kirche ist Schutz und Schirm gegen sich auf die Stufen dieses Amphitheaters, Die andere Hälfte verschwindet gänzlich die jüdische Unterdrückung“– ein Aus- in dem man die ursprüngliche Demokratie in Beton. Es symbolisiert, dass er auch spruch von Karl Lueger, den ich umkehre verhandelte, zu setzen und zu sehen, wie Gutes bewirkt hat, aber dies nur durch in: „Die Menschheit braucht Schutz und sich der Blickwinkel, der Überblick und seinen Antisemitismus erreichen konnte. Schirm gegen solche Denker.“ Das Chamsa die Aussicht beim Auf- und Absteigen der Der Bürgermeister hatte sozusagen seine oder Hamsa ist ein traditionelles jüdisches Stufen verändert. Jede Stufe ist mit einem positive wie auch negative Seiten. Das Hand-Symbol, das universell schützend geschichtlichen Fakt, die Entwicklungen Projekt spiegelt diesen Zustand wider. In und abwehrend ist. Im Zuge der Umge- in der Aufarbeitungs- und Integrationsge- der Mauer ist auf der Schmalseite eine staltung wird das gesamte Denkmal ent- schichte Österreichs betreffend, verse- Schrift eingraviert: „Wohltäter“. Die Buch- fernt, das betrifft die Stufen, den Sockel hen, von dem aus die Betrachter/-innen staben „Wohl“ werden mit Gold, die Buch- und auch das Relief. Die bronzene Lueger- auf das Lueger-Denkmal schauen können staben „Täter“ mit Schwarz ausgemalt. Statue wird eingeschmolzen und zu einer – mal von unten, mal von oben darauf Hand gegossen. Diese wird dann auf die- oder darüber hinaus. Die letzten fünf Stu- The statue will be cut in half from the sem Platz aufgestellt. fen bleiben frei, als Verweis auf die noch parting. The other half will disappear com- vor uns liegenden Aufgaben. pletely into the concrete. It symbolizes “The church is a shield and shelter from that some of his attainments were good Jewish oppression” – a statement by Karl I would like to invite viewers to sit down but that he was only able to achieve them Lueger which I turn into “Humanity needs on the steps of this amphitheatre in which because of his anti-Semitism. The mayor a shield and shelter from thinkers like this”. the first democracy was negotiated, so as has positive and negative sides. The pro- The Hamsa is a universal, traditional Jew- to find out how the point of view, the ject reflects that state of affairs. A word is ish hand symbol that is protective and overview, and the views all change by engraved in the shorter wall: “Wohltäter” defensive. When the redesign is carried going up the stairs or coming down. Each [benefactor]. “Wohl” [good] will be in out the entire monument will be removed, step has a historical fact relating to the gold; “Täter” [doer, perpetrator] in black. including the steps, the pedestal, and the development of the Austrian narrative of relief. The bronze Lueger statue will be reassessment and integration on it, and melted down and recast into a hand. This from them viewers can look at the Lueger will then be installed on the square. monument – sometimes from below, at

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others from above or higher. The final five between origins, religion, and tradition hinrichtet, doch sich der Unterstützung im steps remain untouched, a reference to that is still present today. A reflection on Rücken in seiner opportunistischen Geis- the tasks before us. historical circumstances appears to be too teshaltung sicher sein kann. little. The results of any reflection have The monument against anti-Semitism is to be put into the context of present-day formulated as a shipwreck that makes action. Where are the relevant starting Karl Lueger the figurehead for an idea that points for a contemporary political cul- is both out-of-date and in ruins but which ture? What are the questions relating can nevertheless still be found in our to fascism at the present time? society. The condition of the ship and the *Word play: Denkmal = monument; Denk = think; Denk-mal = think about it poster-like writing correspond to the col- lapse of this political attitude of mind, though a part – the size of which is diffi- cult to estimate – of the ship’s hull remains underground. At the same time the bow of the ship supports the Lueger figure whose gaze is otherwise directed, even though he can certainly rely on support of his opportunistic metal attitude from behind.

Trennung „Denk – mal“ Separation “Denk – mal”* Christian A. Kofler

Die Arbeit symbolisiert die Spaltung/Tren- nung zwischen den verschiedenen gesell- schaftlichen Schichten, die durch das Denken und Handeln der Protagonisten im Umfeld von Lueger entstanden: Es Schiffswrack entwickelte sich eine neue Kluft zwischen Shipwreck Herkunft, Religion, Tradition, die bis in die Xaver Kollegger Gegenwart wirkt. Eine Reflexion der his- Das Mahnmal gegen Antisemitismus wird torischen Gegebenheiten erscheint zu als Schiffswrack formuliert, das Dr. Karl wenig. Das Ergebnis der Reflexionsarbeit Lueger zu einer Galionsfigur einer Idee muss in Bezug gesetzt werden zu gegen- NICHT FUER JEDEN erhebt, die veraltet und kaputt ist, sich wärtigem Handeln. Wo befinden sich Not For Everyone jedoch inmitten unserer Gesellschaft be- aktuelle Anknüpfungspunkte für eine poli- Erich Koller, Bernhard Schneider findet. Der Zustand des Schiffs und der tische Kultur der Gegenwart? Was sind plakative Schriftzug korrespondieren mit Das Projekt kontextualisiert das Dr.-Karl- die aktuellen Fragen des Faschismus? dem Zusammenbruch dieser politischen Lueger-Denkmal und relativiert die Glorifi- The work symbolizes the division/separa- Geisteshaltung, doch lässt das Eintauchen zierung des Bürgermeisters mittels Be- tion between the various social classes des Schiffskörpers eine Masse im Unter- schriftung der umstehenden Parkbänke. that arose through the thoughts and ac- grund vermuten, deren Größe nicht eru- „NICHT FUER JEDEN“ ist aus „NICHT tions of the protagonists in Lueger’s im- ierbar ist. Gleichzeitig stützt der Bug die FUER JUDEN“ sowie „JEDEM DAS mediate proximity. A new rift appeared Figur Luegers, der den Blick woanders SEINE“ destilliert und verweist – wie

246 „YOU AND ME ONLY“ das „WHITES A Heap of Thought Sweepings / ONLY“ zitiert – auf Auswirkungen einer A Deconstruction of the Rhetoric minderheitenfeindlichen bzw. rassistischen Andreas Kopp Politik. Eine das Projekt sowie Lueger er- Lueger setzte zur Durchsetzung seiner läuternde Website ist vor Ort über einen politischen Ziele einen neuen Stil der poli- im Sockel des Denkmals einzubauenden tischen Sprache ein, dessen demagogische WLAN-Hotspot abrufbar. Neben dem kon- Wirksamkeit bis heute Element einer poli- zeptionellen Teil des Entwurfs dominiert tischen Unkultur geblieben ist. Der hier die rasche, kostengünstige und bürokra- vorgelegte Entwurf zielt auf eine nachvoll- tisch einfache Realisierbarkeit. ziehbare Brechung der historischen Insze- The project contextualizes the Karl Lueger nierung Luegers ab; indem die Statue wie monument and qualifies the mayor’s glori- von Geröll aus Buchstabengewirr, beste- fication by means of writing on park hend aus dem kompletten Text einer seiner benches in the surroundings. “NOT FOR berüchtigten Reden, „zugeschüttet“ wird. EVERYONE” is distilled from, and refers Diese Einzelbuchstaben sollen aus trans- to, “NOT FOR JEWS” as well as “EACH parentem Kunstharz gefertigt werden; die Ohne Titel TO HIS OWN”. “YOU AND ME ONLY” Konturen des dergestalt zugeschütteten Untitled cites “WHITES ONLY” from the effects Denkmals verschwimmen, und es scheint Alexander Korab of anti-minority and racist policies. A web- an sich selbst zu ersticken. Wenn politischer Konsens herstellbar wäre site which explains both the project and In order to achieve his political goals Lue- und sich die Wiener endlich von ihrem more about Lueger is accessible on-site ger used a new style of political language. Idealbild des „schönen Karl“ distanzieren via a WLAN hotspot built into the monu- Its demagogic effectiveness has remained würden, könnte man den Lueger ja ein- ment’s pedestal. Alongside the concept part of political philistinism till today. The fach wegräumen. Doch das wäre zu ein- aspect of the design there is also its rapid, proposal presented here is aimed at ef- fach: weg mit dem unbequemen Stand- inexpensive, and bureaucratically uncom- fecting an understandable break with the bild und schnell vergessen. Mit dieser plicated feasibility. historical staging of Lueger by all but cov- Lösung würde einer neuen Betrachtung ering the statue with rubble made of the von Geschichte und einem reflektierten letters that comprise one of his infamous Umgang mit Vergangenheit ein Denkmal speeches. These individual letters will be gesetzt. made of transparent synthetic resin. The If political consensus was possible and contours of the monument will become the Vuiennese could finally distance them- blurred and it will appear to be choking on selves from their idealized image of “hand- itself. some Karl”, one could simply remove the Lueger statue. But that would be too easy: remove the problematic sculpture and quickly forget it. This solution provides a monument for a new way of looking at history and a reflected position from which to deal with the past.

Gedankenkehrricht / Eine Dekonstruktion der Rhetorik

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to the murderous anti-Semitism that in- transparent qualities of the cube invite or spired even Hitler will be explicitly re- entice one to move closer, to look careful- called. ly, to see through, to sharpen one’s in- sight, and to see oneself in the context of “the seen and happened”.

Menschenrechtsmonument Human Rights Monument Thomas Kosma Dem Denkmal Luegers werden drei monu- mentale Stahlplatten entgegengesetzt. In „Re-Flexion“ die zentrale Platte, frontal aufgerichtet ReFlection und gegen das Denkmal geneigt, werden Andrea Krenn, Peter Kulev, Gerald Roßbacher Herr-Karl-Platz Kernsätze aus den Menschenrechten for- * Durch das Überstülpen eines Würfels, Herr Karl Square muliert. Die Platte links soll einem diskur- Ulrich Kühn siven Prozess mit der Israelitischen Kul- dessen Oberfläche aus semitransparen- tusgemeinde Wien gewidmet sein. Als tem Spiegelglas besteht und mit einem Der „HERR-KARL-PLATZ“ bietet eine Kontrapunkt zu den beiden runden Formen aufklärenden Text zur Person Lueger ver- KONSENSLÖSUNG – in gewohnt öster- wird mit zwei planen Stahlflächen ein sehen ist, soll eine Kontextverschiebung reichischer Manier! Der von Schleifungs- Winkel gesetzt. Dort wird die historische bzw. Handlungsanweisung entstehen, apparaten in Gang gesetzte Köpfungs- Figur Karl Lueger und dessen Beitrag zum die den Blick auf „das, was sich wirklich oder Reinigungsprozess dauert enorm mörderischen Antisemitismus, der selbst dahinter verbirgt“, lenkt. Die diffuse Un- lange. In der jahrzehntelangen Zwischen- Adolf Hitler beflügelte, explizit in Erinne- schärfe und Halbdurchsichtigkeit des Ku- zeit können sich alle an der aktiven Ver- rung gerufen. bus lädt ein bzw. verführt näherzutreten, gangenheitsbewältigung erfreuen. Pas- genau hinzuschauen, hindurchzublicken, send dazu ist der Platz des Karl Lueger Three monumental steel plates oppose den eigenen Blick zu schärfen und sich im künftig – in patriotischer Verehrung von the Lueger monument. The central panel, Kontext des „Gesehenen und Geschehe- Qualtingers „Der Herr Karl“ – auch „Herr- oriented frontally and leaning towards the nen“ zu sehen. Karl-Platz“ nennbar. monument, will have core sentences about human rights on it. The panel to the left By enclosing the monument in an cube of A HERR KARL SQUARE offers a CON- should be determined in a discourse with, semi-transparent reflective glass on which SENSUAL solution – in the customary and dedicated to, the Jewish Community there is a text about Lueger as a person, Austrian manner. The beheading and puri- of Vienna. As a counterpoint to the two the intent is to effect a shift of context or fication processes set in motion by the round forms, an angle will be made from give instructions about how to direct the demolition apparatus is taking enormous- two flat steel plates. There, the historical attention to “what is really hidden behind” ly long. In the intervening decades every- figure of Karl Lueger and his contribution it. The diffuse, out-of-focus, and semi- one can take part in an active re-assess-

248 ment of the past. In the interim it would around 1900, has only just survived. The be possible to rename the Karl Lueger concern is not to change the stones, but Square the Herr Karl Square in honour of to unearth the present from their history Qualtinger’s Herr Karl. and to build a future. *Herr Karl (played by Helmut Qualtinger) is a well- known (anti) hero in a theatre piece which is essen- tially a monologue. In many respects he represents the “typical” Viennese and is the complete petit bourgeois political opportunist in an autobiographi- cal narrative which runs from the First World War through to post World War Two.

Die Lueger-Bühne The Lueger Stage Evelyn Kuppelwieser

Ich schlage vor, den Lueger-Platz den öf- fentlichen Musizierzonen zuzuschreiben, um die Symbolik des Denkmales, langfris- tig sowie flexibel, zu weitgreifenden Be- Herr Lueger geht spazieren deutungen zu verlinken: Es wandle sich Mr. Lueger Goes For a Walk das Monument in ein Bühnenbild, das der Hans Lerperger Dynamik von Situation und Akteur unter- liegt. In einer Demokratie gibt es ohne alle kei- Ohne Titel Künstler, die den öffentlichen Raum be- nen Sockel zum Draufstehen. Herr Lueger Untitled spielen, bedienen sich eines Mediums, bildet sich weiter, und geht durch Wien Kunstgruppe Horst welches in Wien eine sehr lange Tradition spazieren ... Einmal sieht man Herrn Lue- Keine Kunst, die schimmelt. Keine läh- hat, aber wegen der Gesetzesänderungen ger im Stadtpark, mal besucht er Goethe, mende Diskussion, sondern Konfrontation. um 1900 nur spärlich überlebt hat. Es geht dann besucht er eine Veranstaltung der Keine Planung, eine Aktion*. Keine Paro- nicht darum, die Steine zu verändern, son- FPÖ und gibt immer wieder Antworten len, nur Helium. dern anhand ihrer Geschichte die Gegen- auf die Fragen der Presse. Wir dürfen ge- wart zu ergründen, Zukunft zu bauen. spannt sein, was er heute über Frau Ro- No art that goes mouldy. No paralysing senkranz denkt. Seinen Sockel stellt er in- discussions, just confrontation. No plan- I propose to re-designate Lueger Square zwischen allen zur Verfügung, die an sei- ning, an action*. No slogans, just helium. as a public music zone in order to link – as ner Perspektive interessiert sind. Kunstgruppe Horst long-term and flexibly as possible – the *10 March 2010 symbolism of the monument with the In a democracy there is no pedestal to most generalized meaning: it becomes a stand on without everyone participating. stage subject to the dynamics of the situ- Mr. Lueger continues his education and ation and actors. goes for a walk in Vienna … Sometimes Artists who play in public spaces employ a you see him in Stadpark, sometimes he medium that has a long tradition in Vienna visits Goethe and, at others, a Freedom but which, because of a change of law Party event. He is always prepared to talk

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to the press. We may well wonder what immer sagt, lass uns unter dem Nacht- und dessen Ästhetik radikal stört. Zu einer he thinks about Mrs. Rosenkranz. In the himmel spazieren gehen, werde nicht ich rhizomatischen Struktur montiert, die in meantime his makes his pedestal availa- sein. ansteigender Schleife dynamisch den ble for all those who are interested in his Platzraum durchquert, durchkreuzen die A walk-in 35-foot sculpture made of dou- perspective. Gerüststangen den Blick auf das Denkmal ble-layered sheet metal with six-pointed und streichen dessen gedenkpolitische stars that are illuminated from within. Semantik durch. Die dekonstruktive Stra- Metal leaves bolted together with nuts, tegie zielt darauf, den Dargestellten wie a spiral is shooting marbles, planets in the das Bildprogramm des Denkmals frag- night sky. Hexagonal stars shine and en- würdig und in weiterer Konsequenz den courage us to remember. Whoever it will Namen des Platzes bedenklich erschei- be, whoever tells you more, it won‘t be nen zu lassen. me / whoever says the stars are the dead / whoever says metals are humans / who- The design shows a minimal intervention ever says the spiral is the infinite / who- using elements of scaffolding. Because ever says everything is held together by of its form and material it is very distinct, mothers, the marbles make life a game / inscribing itself into the site and radically whoever says let us walk under the night destroying its aesthetic. Assembled into sky, it won‘t be me. a rhiszomatic structure which dynamically crosses the centre of the square as an as- cending loop, the scaffolding pipes cross out the view of the monument, cancelling the semantics of its political thought. The deconstructive strategy is aimed at repre- „Wie eine Murmel, so gehört die Weite Dir ...“ senting how questionable the image of (József Attila) the monument is, and, as a further conse- „The far away belongs to you like a quence, making the name of the square marble ...“ (József Attila) Kinga Litkey

Begehbare zehn Meter hohe Skulptur aus doppelschichtigen Metallblättern mit sechs- eckigen Sternen, die dank Lichtinstallation leuchten. Metallblätter verschrauben sich mit Muttern, eine Spirale schießt Murmeln als Planeten in den Nachthimmel, und sechseckige Sterne leuchten und erin- de-konstruktion : kontextualisierung – nern uns. Wer auch immer einmal mehr Eine stadträumliche Intervention schreibt, werde nicht ich sein, wer auch de-construction : contextualization – immer sagt, die Sterne sind die Toten, An Intervention in Urban Space wer auch immer sagt, die Metalle sind Maria Theresia Litschauer wir Menschen, wer auch immer sagt, die Spirale ist das Unendliche, wer auch im- Der Entwurf zeigt eine minimalistische In- mer sagt, alles halten die Mütter zusam- stallation aus Baugerüstkomponenten, die men, wer auch immer sagt, die Murmeln sich in ihrer formalen und materialsprach- machen das Leben zum Spiel, wer auch lichen Distinktion in den Ort einschreibt

250 appear dubious. questioned and also becomes both more comprehensible and more vulnerable in the “here and now”. The gold-plated LUEGER inscription carved into the ped- estal will be supplemented by the words “Monument against Anti-Semitism and Racism”.

Vom Karl-Lueger-Denkmal zum Denk-mal Umgestaltung des Lueger-Denkmals From Karl Lueger Monument to a Memorial in ein Mahnmal with a Moral Imperative. Rebuilding the Lueger Monument Edgar Lorenz into a Memorial Renate Lohrmann Der historisch umstrittene Karl Lueger be- kommt von mir einen imaginären „Denk- Durch die Verwendung eines Piktogramms zettel“, indem die monumentale Statue wird lokal ein international verständliches sprichwörtlich „vom Sockel geholt“ und Zeichen gesetzt. „auf den Boden (der Tatsachen) gestellt Das schwarze X auf gelbem Hintergrund „Leib einer Wahnmache zur Ergänzung wird“. Dadurch verliert er seine abgeho- soll vor gefährlichen Inhalten wie Rassis- öffentlicher Ärgernisse“ bene, unangreifbare Position. Auf einem mus und Antisemitismus warnen. Durch Body of Delusion to Supplement ebenerdig abgeschlossenen Fundament die Transparenz des Zylinders (Glas) kön- a Public Nuisance findet die Statue ihren neuen Platz neben nen weder Vergangenheit noch Gegen- Lu de Fankasso der Plattform des Denkmals und macht wart geleugnet werden. sich damit nicht nur hinterfragbar, son- Die Figur steht für eine Erweiterung des Ein Denkmal wird zum Mahnmal. dern auch „be/angreifbar“ im „Hier und Denkmals zugunsten einer anhaltenden By using a pictogram, a local signal is given Jetzt“. Die in Stein gemeißelte, vergoldete Mahnung an Versäumtes und soll hundert using an internationally recognised sign. Inschrift LUEGER soll durch die Bezeich- Jahre stehenbleiben. Zum Tortenwerfen: The black X on a yellow ground is aimed nung „Denk-mal – gegen Antisemitismus ein Akt zur Entheroisierung des schönen at warning of the dangers of racism and und Rassismus“ erweitert werden. Kerls. anti-Semitism. Because of the transpar- Der Entwurf wurde anlassbezogen zu The historically controversial Karl Lueger ency of the glass cylinder neither present Dr. Kerl Luegers 100. Todestag (10. März gets an imaginary “warning” from me. nor past can be denied. 2010) installiert. Dieses Datum soll beibe- The monumental statue will be “taken A monument becomes a memorial. halten werden. down from its pedestal” and “brought Figur = 1 m 78 cm groß, Bronzeguss mit down to earth”. This means the loss of his dem Titel: „Teil einer Mahnwache“; Torte elevated, unassailable position. A ground = braun glasiert, vorn = Texttafel level foundation will be assigned to the statue, in a new place next to the platform The figure stands for the extension of the of the monument. This means it can be monument in favour of a permanent

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warning to what has been neglected. It men verblühen, wird das Lueger-Geschoss is intended to stand for a century. On pie wie ein Schwert über unseren Köpfen throwing: an act of de-heroization of the schweben, jederzeit bereit, auf dieselben handsome fellow. zurückzufallen. The design will be installed for the hun- The proposal intends to send the Lueger dredth anniversary of Karl Lueger’s death monument on its last „great anti-Semitic (10 March 2010). This date should be pre- excursion“(analogous to the “anti-Semitic served. excursions” with Lueger around the turn Figure = 178 cm, cast bronze with the of the century). Connecting up with the title “Part of a Silent Demonstration”; great success of the “letter to the stars” in pie/cake, brown frosting. At the front, Austria, MALMOE wants to jump aboard a text panel. the event bandwagon and is proposing a project that surpasses all that has gone before. By sheathing the entire statue (including the pedestal) which is inscribed „Die Früchte Österreichs“ with the name „Karl Lueger“ in a casing (oder: Ein Denkmal gegen Ausgrenzung) in the form of a canon shell, it will be ready „The fruits of Austria“ (or Monument to be sent „to the stars“. While balloons against Exclusions) burst and flowers fade and die, the Lueger Angela Malone, Steffany Malone shell will float above our heads, always ready to fall back down on them. Ein hoher monumentaler in Bronze oder Kupfer gegossener Baum wird mit seiner Basis an einer Stelle des Pflasters fixiert, wo Namen anderer berühmter Menschen, die Positives zur Geschichte Wiens bei- getragen haben, in ein weiteres Metall eingraviert sind. Karl Lueger selbst steht unter den Ästen des Baumes und greift Lueger to the Stars hinauf zu einer Frucht, scheinbar daran MALMOE beteiligt, doch ohne von dem Wohlstand Wiens zu nehmen. Der Vorschlag beabsichtigt, das Lueger- Denkmal auf seinen letzten „großen Anti- A large monumental tree cast in bronze semitenausflug“ (analog zu den „Antise- or copper set into an area of pavement mitenausflügen“ mit Lueger um die Jahr- at its base in which the names of other hundertwende) zu schicken. Anknüpfend known contributors to the positive history an den großen Erfolg von „Letter to the of Vienna are inlayed in another metal.

Stars“ in Österreich will MALMOE nun auf Karl Lueger himself stands beneath the diesen Event-Zug aufspringen und schlägt Schnee von gestern tree’s branches and reaches up to one ein alles übertreffendes Projekt vor. Indem Water under the bridge of the tree’s fruits, seemingly taking part, die Statue inkl. jenem Sockelteil, der mit [Snow from yesterday] but without detracting from Vienna´s Hedy Maimann Karl Lueger beschriftet ist, mit einer Ge- prosperity. schossform ummantelt wird, ist sie bereit, Kurztext siehe Seite 289 „zu den Sternen“ geschossen zu werden. Gesamte Einreichung siehe Website: Während Luftballons zerplatzen und Blu- www.opencall.luegerplatz.com/...

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Eine zeitgemäße Rüge Ausblick Kein Titel A modern rebuke View Untitled Lucienne Roberts, John McGill @ Lucienne Roberts + Thomas Marian Christian Maurer Die Umgestaltung dieses Denkmals er- Ich möchte eine Schafherde rund um das Das Lueger-Denkmal am Dr.-Karl-Lueger- scheint uns zwingend und unstrittig, doch Denkmal Karl Luegers aufstellen. Inner- Platz hebt ihn wörtlich auf eine höhere scheint dies nicht für jede_n zu gelten. halb und außerhalb eines Weidezauns. Ebene, als wir es sind, es zeigt uns, wie Deshalb haben wir uns gangbare, zeitge- Die Individuen einer Herde werden gele- klein wir uns zu fühlen haben und wie mäße Methoden überlegt, seine Bedeu- gentlich farblich gekennzeichnet, um sie erhaben und groß er ist. Ein klassisches tung zu verändern, ohne sich dem Vorwurf voneinander unterscheiden zu können. Charakteristikum von personenbezogenen des Vandalismus auszusetzen. Unser Vor- Stigmatisierung „des Anderen“ ist mein Denkmälern, möchte gemeint werden, schlag lässt das jetzige Denkmal intakt. Thema, das Plakative mein Lieblingsstil- doch ist genau hier anzusetzen. Wir sind Vereinfachte, auf Sockeln montierte Figu- mittel. Ein Statement, spektakulär und un- ebenbürtige Menschen. Ich appelliere für ren umstehen das Originaldenkmal auf kommentiert. Das Risiko, unseriös mit Weitblick. Dieser soll uns allen gegönnt gleicher Höhe. Jede einzelne Figur sieht dem Thema umzugehen, ist kalkuliert. sein. Lueger direkt an, als ob sie ihn herausfor- The Lueger monument on the square of I would like to put a flock of sheep all dern wollte. Männer, Frauen, Kinder, jung the same name literally lifts him onto a round the Lueger monument, inside and und alt – jede Figur soll ein Mitglied einer higher plane than the one we inhabit. It outside a fence. The individuals in his Wiener Migrant_innenfamilie darstellen –, shows us how small we should feel and flock would be colour-coded in order to feiern gleichzeitig die Vielfalt und betonen how mighty and huge he is. A classic be able to tell them apart. Stigmatizing das, was uns alle verbindet. the Other is my subject, poster-like my characteristic of personal monuments it The argument for transforming this statue favourite style. A statement, spectacular might be thought, but this is exactly the is compelling and to us unarguable, but and uncommented. The risk of treating bone of contention. As humans we are this is not perceived to be the case by the subject less than seriously is a calcu- born equal. I appeal to far-sightedness. everyone. We therefore considered ac- lated one. We should all be allowed that. cessible, contemporary ways to alter its meaning that would not be open to criti- cism as vandalism. Our proposal leaves the current statue intact. A series of sim- plified figures encircle it – on plinths at the same level as the original statue. Each fig-

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ure looks at Lueger, challenging him. Men, using multimedia in a historical context temporary condition and they can, and women, children, young and old – each (subject specific exhibitions, listening sta- should be, seen as standing for the dan- selected to represent a Viennese resident tions etc.). The symbolism of the palm ger of any threat or destruction of human from an immigrant family – to simultane- frond on the exterior skin of the pavilion life and/or the environment. The monu- ously celebrate diversity and foreground should be seen here as a direct reference ment will be completed by Article 1 of what is common to us all. to Lueger, especially in the context of the Universal Declaration of Human Rights: Judeo-Christian history. “All human beings are born free and equal in dignity and rights. They are en- dowed with reason and conscience and should act towards one another in a spirit of brotherhood”.

Amplifizierung Palmenblatt Amplification Palm Fronds Ulrich Mertel Peter J. G. Mergenthal Das Denkmal bleibt erhalten, bekommt Ziel dieser Konstruktion ist es, sowohl aber an der Basis einen Text zur Person einen Außenraum als Gegenpol zum Lue- Luegers. Die Einschnitte stellen das Denk- ger-Denkmal zu erstellen als auch dadurch mal infrage, ohne es zu zerstören, doch einen Innenraum zu erschließen, in dem ist dies nur ein momentaner Zustand, sie 180° sich die mahnenden Ausmaße fehlender können und sollen als Gefahr jeglicher Raffael Miribung Toleranz multimedial und im historischen Bedrohung oder auch Vernichtung mensch- Die Rohrsysteme umgarnen die Statue, Konnex aufarbeiten lassen (thematische lichen Lebens, aber auch seiner Umwelt berühren diese jedoch nicht. Die jeweils Ausstellungen, Hörstationen etc.). Die gesehen werden. Das Mahnmal wird durch gegenüberliegenden Rohrenden sind mit- Symbolik des Palmwedels auf der Außen- den Artikel 1 der Deklaration der Men- einander verbunden und geben zwei Per- haut des Pavillons ist insbesondere im schenrechte vervollständigt: „Alle Men- sonen die Möglichkeit, zu den Reden Kontext der jüdisch-christlichen Geschichte schen sind frei und gleich an Würde und Luegers, durch die das Denkmal beschallt hier als direkte Anspielung auf Lueger zu Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft wird, Kommentare abzugeben, welche sehen. und Gewissen begabt und sollen einander gehört und diskutiert werden können. Um im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ The aim of this construction is to create eine fundierte Diskussion zu gewährleis- both an external counterpoint to the Lue- The monument remains as it is but gets ten, müssen die Diskutierenden über ein ger monument and to develop an interior an additional text on the base about Lue- entsprechendes Basiswissen verfügen, space in which the lamentable extent of ger. The incisions question the monument welches anhand bedruckter Plexiglasschei- the lack of tolerance can be re-examined without destroying it though this is only a ben zur Verfügung gestellt werden soll.

254 A system of pipes ensnares the statue gibt es bei meinem Projekt weitere Steine nente bildet eine Glasummantelung mit but does not touch it. The two ends of des Anstoßes, eingeschlossen in eine Schriftgravur in neun Sprachen: „[…] Das the pipes allow two people the possibility schwarze Gitterröhre. heutige Mahnmal, das sich gegen jede of listening to Lueger‘s speeches which Form des Rassismus und Antisemitismus In my project the Lueger statue will be reverberate through the monument. They wendet, zeigt Karl Lueger in einer Haltung removed from its pedestal and placed on can also leave their own commentary des Gedenkens und der Reue.“ the ground in front of it, with its back to which can be heard and discussed. In the Ring, at eye level with the first stone By recasting the Lueger statue the figure order to ensure that an informed discus- of contention. This lies on a black metal will be shown in another pose – down on sion takes place, participants will need to grid beneath a yellow star of David which its knees. Thus Lueger will exhibit a thor- be in command of basic knowledge. This has been painted on the ground. This is oughly un-Austrian attitude in dealing with will be provided by printed sheets of Plexi- intended to symbolize that Lueger meta- guilt. Shame and remorse become the to- glas. phorically cast a stone at this synonym for pos here. The textual component is formed Jewishness. Since anti-Semitism is often by a glass cover with an engraved inscrip- accompanied by racism my project fore- tion in nine languages: “[…] The present sees a further stone of contention, en- monument stands for the rejection of all closed in a black grid-like pipe. forms of racism and anti-Semitism and shows Karl Lueger in a pose of remem- brance and remorse”.

Stein(e) des Anstoßes / stone(s) of imputation Stone(s) of Contention Ilona Mörtl

Die Skulptur Luegers wird bei meinem Projekt vom Sockel gehoben und auf dem Boden vor dem Denkmal platziert, mit Ehre als Reue dem Rücken zum Ring, in Augenhöhe mit Honour in Remorse dem ersten Stein des Anstoßes. Dieser Peter Moosgaard Beschimmelung des Lueger-Denkmals liegt auf einem schwarzen Metallgitter, Moulding the Lueger Monument unter dem auf der Boden-(Decken-)Fläche Beim Umguss der Statue wird Karl Lueger Roland Mückstein des verbliebenen Denkmals in gelben als Figur beibehalten und in einer anderen Umrissen ein Davidstern gemalt ist. Damit Körperhaltung, der des Kniefalls, darge- Die Überschimmelung bewahrt die Erin- soll versinnbildlicht werden, dass Lueger stellt. Lueger soll so eine durchaus „un- nerung an von Lueger (im Namen der quasi einen Stein auf dieses Synonym für österreichische“ Haltung im Umgang mit Mehrheitsgesellschaft) vertretene rassis- das Judentum geworfen hat. Da Antise- Schuld zeigen. Zum Topos werden hier tische und antisemitische Ansichten und mitismus oft einhergeht mit Rassismus, Scham und Reue. Die textliche Kompo- Praktiken und zeigt gleichzeitig deren

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Überkommenheit auf. Durch Mischung verschiedener Pilzkulturen kann eine bunte Schimmelskulptur zustande kommen, die sowohl Interesse als auch Abscheu her- vorruft. Zusätzlich könnte in Augenhöhe (also etwa zu den Füßen der tragenden Figuren) eine rundum laufende Mahnschrift gegen Rassismus und Antisemitismus angebracht werden, die bedroht wäre, vom Schimmel überwuchert zu werden, und daher ständig freigehalten werden müsste.

The “moulding” preserves the memory of the racist and anti-Semitic views and practices that Lueger represented (in the Im Inneren verborgen ... REVISION 1 name of the majority) and shows at the Hidden Inside ... Lukas Novak, Bartholomäus Traubeck same time how much they have been Christina Niedermair Für die Gestaltung am Denkmal sehen overcome. By mixing various fungal cul- wir ein brachiales Objekt vor, solid und tures a variegated mould culture can be Das von mir entworfene Denkmal bricht schwer. Im Widerspruch zu seiner Klobig- created that will arouse both interest and auf, und es kann in das „Innere“ des Denk- keit schwebt es scheinbar über Lueger, repulsion. In addition an inscription could mals und somit in das Innere Karl Luegers der im Licht des Objekts klein und ver- be added at eye level – at the feet of the geblickt werden. Darin finden sich Aussa- wundbar wirkt. Wie ein Damoklesschwert, central figure – that runs around the ped- gen Karl Luegers, die das repräsentieren, das über Lueger ruht, droht der Block mit estal and warns against racism and anti- was er wirklich war: ein Antisemit und seiner gesamten Wucht herunterzustür- Semitism. It would always be threatened Rassist. „Wer a Jud‘ is, bestimm i“ und zen. Die Form – ein Quader – weist eine by encroaching mould and thus must be andere Aussagen sind in färbigen Metall- hohe Komplexität auf. Sie ist uneinsichtig continuously kept clear. buchstaben auf den groben Wänden be- festigt, wo ein Stück des Denkmals her- und nur schwer in ihrer Gesamtheit zu ausgebrochen ist. erfassen. Nähert sich der/die RezipientIn, wird eine seltsame Unterseite erkennbar. The monument I designed can be broken Der/die RezipientIn spiegelt sich in dem open, affording a view of its interior and hochglänzenden schwarzen Metall der thus in the inner life of Karl Lueger. State- Wölbung, die ins Innere führt. ments by Karl Lueger can be found there- For the design of the monument we fore- in. These represent what he really was: see a brachial object that is solid and heavy. an anti-Semite and racist. “I say who’s a As if contradicting its own lumpiness it Jew”, and other statements are affixed seems to hover above Lueger who ap- in coloured metal letters to the rough wall pears small and vulnerable in comparison. where a part of the monument has bro- Hovering like the sword of Damocles ken off. above Lueger, the block threatens to crash down with its entire weight. The form – a cuboid – exhibits a high degree of complexity. It is opaque and difficult to grasp in its entirety. As viewers near it, the strange underside becomes decipher-

256 able – they are reflected in the highly-pol- Lueger was a deceptive man, a snake, entsprechende Intervention einem neuen ished, inwardly-curved surface of the and this statue wrongly attributes glory to Nutzen, einer neuen Sichtweise zugeführt black metal. him rather than the workers who built the werden könnte. Dieser Entwurf stellt eine various things for which he is credited. I Adaptierung für den Open Call dar. would remove the lights that sit at the The idea for this design was developed front of the statue, replace them with a together with Charlotte Martinz-Turek in lighting system that would highlight only 2008 for an intervention planned for the the reliefs of workers and the tier below Lueger anniversary year in 2010. The Lueger. With the growth of ivy over a quasi illegal captioning of the monument, period of years, Lueger would become along with possibly wrapping the pedes- unrecognizable. Over a long period of tal, was to be a spontaneous action un- time, the material of the statue would dertaken should neither the City of Vienna degrade. nor another initiative do it. We were of the opinion that it was not imperative to remove the monument but that an inter- vention was necessary to impart a new function, a new point of view. This design is an adaptation for the open call.

Wachstum Growth Liam O’Shea

Diese Idee basiert auf den Vorstellungen von Wachstum, Zerstörung, Ausgrenzung und Zeit. Lueger war ein trügerischer Mann, eine Schlange. Und dieses Denk- mal dient fälschlicherweise seiner Ver- herrlichung, anstatt jenen Menschen gewidmet zu sein, welche an den ver- Er war zwar ein Nazi, aber ... schiedensten Bauten arbeiteten, die ihm He was a Nazi but … zugesprochen werden. Ich würde die Wolfgang Oblasser Leuchten vor dem Denkmal entfernen Die Idee zu diesem Entwurf entstand und sie durch ein Beleuchtungssystem 2008 gemeinsam mit Charlotte Martinz- ersetzen, das nur die Reliefs der Arbei- Gedenkbank Turek als eine Intervention für das Lueger- ter_innen und den Teil unterhalb Luegers Jahr 2010. Geplant war eine Art illegale Thought Bench beleuchtet. Nach einigen Jahren würde Ilona Paier Beschriftung des Denkmals, eventuell Lueger vom Efeu überwuchert und eine Umhüllung des Sockels in einer Die Parkbänke, welche um das Denkmal unkenntlich gemacht. Über einen langen spontanen Aktion, sollte die Stadt Wien herum angeordnet sind, werden durch Zeitraum hinweg würde das Material des oder eine Initiative nichts dergleichen nachgebildete Bettkonstruktionen aus Denkmals zerfallen. unternehmen. Wir waren der Meinung, Konzentrations- und Arbeitslagern ersetzt. This idea is based around the ideas of dass das Denkmal nicht zwingend ent- Auf einer Glaswand ist eine Aufschrift an- growth, destruction, exclusion, and time. fernt werden müsse, sondern durch eine gebracht: „Dies ist eine Bettkonstruktion

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aus einem Lager zur Zeit des Nationalso- ies under heavy loads. Lueger’s high posi- something valuable to this society. Don’t zialismus. Betrachten Sie die Statue aus tion rests on a filigree construction made leave Lueger to the mercies of iconoclasts. der Perspektive der Opfer!“ of untreated steel which will, therefore, Secure a Lueger for your own home. Take rust in time, staining the reliefs below on the sponsorship of one of a hundred The park benches which are in place around that represent his achievements for the Lueger statues cast from the original the monument will be replaced by bed City of Vienna. statue.” constructions copied from concentration The proceeds would be used to support and work camps. A glass wall bears the the anti-racist Verein Zara and its Clean inscription: “This bed construction was Politics Initiative. copied from a camp of the Nazi era. Look at the statue from the perspective of the victims”.

Luegerpat*innenschaft Lueger Sponsorships Lilly Panholzer Ausschreibungstext für die Auktion im Ohne Titel Dorotheum: „Sehr geehrte deutschnatio- Geschichte als Verantwortung, Untitled nale Gesinnungsfreund*innen, werte ein Statement zu Karl Lueger rechtskonservative Gemeinschaft, heimat- Peter Paller History as a Reponsibility: treuer Flügel! Ergreifen Sie die Chance, A Statement on Karl Lueger Die Grundidee des Entwurfs ist das Erset- einen wertvollen Beitrag für diese Gesell- Sebastian Paul zen eines massiven Sockels durch zahlrei- schaft zu leisten! Überlassen Sie Lueger Formal unterteilt sich die Arbeit in zwei che Stahlprofile, welche in den Proportio- nicht den Denkmalstürmer*innen! Sichern Komplexe, die Rücken an Rücken gegen- nen von Menschen, die unter großer Be- Sie sich Ihren Lueger für zu Hause! Über- einanderstehen. Beide Reliefarbeiten lau- lastung stehen, geknickt sind. Luegers nehmen sie die Pat*innenschaft für eine fen in ihrer Achse mittig und frontal auf hohe Position beruht auf filigranen Stüt- von hundert Lueger-Statuetten, gegossen das Denkmal zu. Wer über den Platz geht, zen, welche aus unbehandeltem Stahl aus der eingeschmolzenen original Denk- muss herumgehen. 1. Das Bronzerelief zu bestehen und mit der Zeit zu rosten be- malstatue!“ Karl Lueger: unterteilt sich in die Arbeiten ginnen werden, wodurch die darunterlie- Die Einnahmen kommen u. a. dem anti- „Auf dem Weg zur Macht“ (Lueger tritt genden Reliefs, welche seine Errungen- rassistischen Verein Zara und dessen elegant bürgerlich auf, während hinter ihm schaften um die Stadt Wien darstellen, Initia tive Clean Politics zugute. im Boxring ein Schaukampf stattfindet) befleckt werden. Announcement for an auction in the Doro- und „Was dann kommt“ (ein paar Schlä- The basic idea is to replace the solid ped- theum: “ Dear German nationalist adher- ger, die auf ihren Einsatz warten). 2. Auf estal with numerous steel girders that are ent, esteemed right-wing community, der Rückseite ein Stein: nachdenkender bent over in the proportion to human bod- patriots. Take the chance to contribute junger Mann.

258 Formally the work is divided into two Erinnerung: zuschlagende Ladetüren, complexes that stand back to back, in Menschenstimmen, Dampfloks und Brems- conflict with each other. Both relief works geräusche von Waggons. Tag und Nacht are axially oriented on the centre and rollen die virtuellen Züge, erinnern uns front of the monument. Anyone wishing daran, was wir aus der Geschichte lernen to cross the square must go round them. könnten. 1. The bronze relief of Karl Lueger: is Lueger claimed to be a mayor for all divided into the works “On the way to Viennese. Populism and anti-Semitism power” (Lueger appears elegant and lent him success. On the other hand middle class while behind him a boxing 65,000 Viennese were exterminate in match is taking place in a ring) and “What death camps. In the meantime we are comes afterwards” (a couple of thugs aware of this shadowy side to his career. Denkmal gegen sich selbst waiting to be deployed). 2. On the re- Unfortunately right-wing populism is in The Monument against itself verse of one of the stones: a thoughtful the news again. The sound installation Leonhard Plakolm young man. “Not for all Viennese” calls up the threat- Der Lueger soll ein Denkmal sein, das – ening image of departing cattle wagons wenn es weiter stehenbleibt – gegen ihn/ deporting people: slamming doors, human sich selbst besteht. voices, steam engines, and the sound of (1) Setzt es unter Anführungszeichen, braking wagons. The virtual trains run day faktisch! and night, reminding us of what we can (2) Versetzt es in einen anderen Kontext: learn from history. in den der aus der Geschichte entwach- senen/emanzipierteren Gegenwart! Mit- hilfe einer doppelseitigen oder umlaufen- den Lichtzeile, monatlich neu mit Texten beladen, die per se eine Umfunktionie- rung provozieren. (3) Die zitierte Lueger-Statue wird im fla- nierenden Schweifen der Betrachtenden zum Denkmal gegen sich selbst.

Nicht für alle Wiener_innen If it is going to continue to stand, the Not for all Viennese Lueger monument should be self-contra- Heimo Pernt dictory. (1) Place it in inverted commas, literally. Lueger behauptete, ein Bürgermeister für (2) Put it in another context: in a present alle Wiener_innen zu sein. Populismus that has outgrown the past/emancipated und Antisemitismus machten ihn erfolg- Ohne Titel itself from it. Using a double-sided or reich. Gleichzeitig wurden dadurch 65.000 Untitled moving-text light box that has a different Wiener_innen in Todeslagern vernichtet. Klaus Pinter text each month will, per se, provoke a Mittlerweile erkennen wir diese Schatten- change of function. seiten seiner Karriere. Leider ist Rechts- (3) Thus for someone looking around in populismus wieder aktuell. Die Klanginstal- passing, the quoted Lueger statue will lation „Nicht für alle Wiener_innen“ ruft become a monument against itself. das Bedrohungsbild von abfahrenden Viehwaggons zur Deportation wieder in

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Verfahren zur Aberkennung des Denkmalschutzes Proceedings to Revoke a Historic Preservation Order Plattform Geschichtspolitik Umortung Die Bausubstanz nicht angreifen Re-Location Don‘t Change the Fabric Plattform Geschichtspolitik Plattform Geschichtspolitik Das Monument wird weder entfernt noch zerstört – dennoch bricht die Rekonfigura- tion seine raumgreifende Ästhetik. Die Um-Ortung des Denkmals beschreibt die tiefe Verwurzelung des von Lueger prakti- zierten Antisemitismus und ausgrenzen- den Populismus im Humus der österrei- chischen Xenophobie. Die immerwäh- rende inhaltliche und diskursive Ausein- andersetzung mit diesem Phänomen soll dessen Sprießen und Gedeihen entge gen- wirken.

The monument will be neither removed nor destroyed but, despite that, the re- configuration breaks the aesthetic conti- „Wer a Antisemit is‘, bestimm i!“ nuities of its spatial assumptions. The “I say who‘s an anti-Semite!” re-location of the monument describes Plattform Geschichtspolitik the deep-rooted quality of the anti-Semi- tism and exclusory populism that Lueger alte Koal, neue Koal practiced in the humus of Austrian xeno- old Charlie, new Charlie phobia. The perpetual confrontation with Daniel Pokerschnig the contents and discourses of this phe- Der alte Karl: im Schatten des Neuen. nomenon is intended to counteract its Der neue Karl: Ein Mann für das Volk und propagation and flourishing. ein echter Menschenfreund. Herabgesetzt von seiner thronenden Position zeigt er seine neue Einstellung.

260 The old Karl: in the shadow of the new. In place of the square, stepped pedestal neuen Schichten überziehen“. Es soll mit The new Karl: a man for the people and a there is an addition which appears to be flüssigem Taubenfutter übergossen wer- real philanthropist. Brought down from mock-up of a paper plate. It stands as a den, das möglichst viele Tiere anlockt, die his enthroned position he appears in his cipher for an attitude of mind that is unre- einerseits selbst Luegers Statue „verde- new pose. flected and based on kitchen bliss and cken“, andererseits „natürlich“ auch „et- *Koal is Viennese dialect for Karl self-satisfaction though it also serves as was“ hinterlassen, was das Monument an appeal to look further than the rim of ständig weiter „verändert“. your own cup. A steel pipe form in the The redesign of the Lueger monument shape of an oversized paper clip with its thematizes the development of monu- bold angles simulates the cancellation of ments: “layer” upon “layer” is laid down the pedestal. One reading of the paper clip over time. How anti-Semitism and racism sees it as a reference to unjust and down- is dealt with is part of the history of the played transformations and the filing away City of Vienna. My design is intended to of ominous and dark historical facts. add “new layers” to existing monuments with a “concealed” background. Liquid pigeon food is to be poured over it so that as many birds as possible are attracted to it. On the one hand these will “obscure” Lueger’s statue and, on the other, they “naturally” leave “something” behind that continually “changes” it.

Denkmal an gestern / gestalte für morgen Monument to Yesterday / Designs for Tomorrow Heinz Possert

An die Stelle des quadratischen Stufenso- ckels tritt eine Applikation, welche sich im Erscheinungsbild als attrappenhaft anmu- tender Pappteller manifestiert. Er steht Denkma(h)l als Chiffre für eine unreflektierte und auf Kuchenseligkeit und Selbstzufriedenheit Monumeal Riad Pramenkovic beruhende Geisteshaltung, dient aber auch als Appell, über den eigenen Teller- Die Neugestaltung des Lueger-Denkmals rand zu schauen. Ein Stahlrohrgebilde in thematisiert die geschichtliche Entwicklung

Gestalt einer überdimensionierten Büro- von Denkmälern: „Schicht“ um „Schicht“ klammer simuliert in einem kühnen Win- lagert sich im Laufe der Zeit an. Als Teil St. Karl Phillip Preuss kel das Aushebeln des Sockels. Eine Les- der Stadt Wien zeigt es, wie der Umgang art für die Klammer verweist auf das zu mit antisemitischen und rassistischen Hintergrund des Konzepts ist die klerikal- Unrecht verharmlosende Verklären und Themen war/ist. Mein Entwurf soll das antisemitische Geschichte Österreichs Abheften von unheilvollen, dunklen histo- derzeitige Denkmal, dessen geschichtliche und Karl Luegers: Auf das Denkmal wird rischen Tatsachen. Hintergründe „verdeckt“ sind, weiter „mit ein Neonring als Heiligenschein montiert.

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Der Neonring sendet Morsecodes aus, A quotation from Nobel prize-winner Eric die verschlüsselt eine antisemitische Ori- Kandel will be put in front of the monu- ginalrede von Karl Lueger beinhalten. ment: “This former Viennese mayor was the first to show Hitler that one can win The background to the concept lies in the elections with anti-Semitism”. clerical anti-Semitic history of Austria and Karl Lueger: a neon ring, a halo, will be mounted on the statue. It will send out Morse code signals, one of Karl Lueger‘s original anti-Semitic speeches.

Der ... ist schuld! The ... is to blame! Claus Prokop

Wir wollen diesem Bürgermeister nicht mehr ins Gesicht sehen. Die Vorderseite der Statue wird nach hinten gedreht und von einem Spiegel verdeckt. Das Gesicht רגאול -der Macht ist fortan nur mehr als ver Markus Proschek schwommenes Spiegelbild zu sehen, über- lagert vom Satzfragment „Der ...... ist Wir schlagen eine Änderung der Inschrift schuld!“. Der ursprüngliche Satz „Der Jud des Lueger-Denkmals vor. Der in den So- ist schuld!“ wurde von Lueger als Quint- ckel gemeißelte Schriftzug LUEGER wird essenz seiner antisemitischen Scheinar- Luegers Spiegel durch die gleichlautenden hebräischen gumentation verwendet. An der Vorder- Bronzelettern überdeckt. Durch diese Lueger’s Mirror seite des Denkmals wird ein Zitat des subtile Änderung wird die Figur Luegers PRINZGAU/podgorschek Nobelpreisträgers Eric Kandel angebracht: seinem konstruierten Feindbild angenähert, Für das bestehende Lueger-Denkmal ha- „Dieser ehemalige Wiener Bürgermeister unwissende TouristInnen könnten es für ben wir an einen kleinen, präzisen Eingriff hat Hitler erst gezeigt, dass man mit Anti- ein Denkmal eines berühmten jüdischen gedacht. Wir geben dem als Denkmal dar- semitismus Wahlen gewinnen kann.“ Bürgers halten (Theodor Herzl?). gestellten Lueger einen goldenen Spiegel We don’t want to have to look this mayor We proposed a change to the inscription in die Hand. Durch diese Irritation sollte in the face anymore. The front of the on the Lueger monument. The chiseled word die historisch-politische Situation mehr- statue will be turned around and covered LUEGER on the pedestal will be covered deutig reflektiert sein. with a mirror. From now on the face of up with the same-sounding letters of the We have thought out a small, precise in- power can only be seen as a blurred re- Hebrew alphabet in bronze. This subtle tervention for the Lueger monument. We flection overlaid with fragments of a sen- change will bring together the Lueger fig- put a golden mirror into the hand of the tence: “the ... is to blame”. The original ure with his constructed negative image monumental depiction of Lueger. This irri- sentence, “the Jew’s to blame” was of the Other so that unsuspecting tourists tation should lead to multivalent reflection used by Lueger as the quintessence of might assume that it is a monument to a on the historical and political situation. his spurious anti-Semitic argumentation. famous Jewish citizen (Theodor Herzl?).

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Stern THIN BORDER Verdienstkreuz für diskriminierenden Star Michal Pulman Populismus Gerhard Pucher Bei meinem Entwurf äußert sich der Wi- Medal for Discriminatory Populism Susanne Quehenberger Aus der Distanz erscheint das Denkmal derspruch Luegers Persönlichkeit in einer unangetastet, entbehrt jeder dramatischen Linie, die sich von Luegers Füßen her Altbürgermeister Lueger hat Antisemitis- architektonischen Veränderung. Im Detail aus breitet, sich durch den Platz und auch mus machtpolitisch genutzt und salonfä- werden die zeitversetzten Auswirkungen auf Häuserfassaden fortsetzt. Die Linie hig gemacht. Mit dem Lueger-Verdienst- Luegers Antisemitimus an der dargestell- stellt die Grenze zwischen „Gutem“ und kreuz sollen von nun an zeitgenössische ten Wiener Bevölkerung sichtbar. Der „Bösem“ dar, welche sehr leicht über- PolitikerInnen gekennzeichnet werden, Arbeiter der Wiener Gaswerke und der schritten werden kann. Die gelbe Farbe die seiner Tradition folgend von diskrimi- Mantel des Alten tragen jene Symbole, bedeutet Gefahr – die Linie soll nicht über- nierendem Populismus Gebrauch machen. die für einen beträchtlichen Teil der Wie- schritten werden. Karl Lueger bekannte Former mayor Lueger used used anti- ner Einwohner_innen zum unauslöschli- sich öffentlich zum Antisemitismus und Semitism as a factor in power politics and chen Stigma wurden: Judenstern und überschritt damit symbolisch diese Grenze. made it socially acceptable. The Lueger KZ-Nummer. In my proposal the contradictions in Medal is intended to mark out contempo- From a distance it appears that the monu- Lueger’s personality are expressed in rary politicians who follow in his tradition ment is untouched because there are no a line that extends from his feet, runs and make use of discriminatory populism. dramatic architectural changes. The de- through the square and continues up layed consequences of Lueger’s anti- the house facades. The line represents Semitism in the Viennese population be- the border between the “good” and the come visible in the details. The worker “bad”, a border that is very easy to cross. from the Vienna Gasworks and the coat The colour yellow means danger – the of the old man bear symbols that became line should not be crossed. Karl Lueger indelible stigmas for a significant part of publicly acknowledged his anti-Semitism the inhabitants of Vienna: the Star of and thus symbolically crossed this border. David and a concentration camp number.

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Schuhen vom Sockel abgetrennt, gereinigt und kopfüber mit dem leicht abgeflachten Haupt auf die Sockelfläche montiert. Zu- sätzliche Stabilisierung bringt ein rückwär- tig angeschweißter L-Träger, welcher die Figur mit dem Steinsockel verbindet. Zusätzlich zum vorhandenen Schriftzug „Lueger“ wird in das untere Podest „in- versus“ eingraviert. Diese Form des Denk- mals setzt mannigfaltige Gefühle frei: Zu- erst wirkt es verblüffend, verstörend, em- pörend. Dann entfaltet es Assoziationen der Artistik und des Humors. Im Betrach- ter werden Sehgewohnheiten gestört, ein kathartischer Schreck wird ausgelöst. LED-Umhang Plexi The Lueger monument remains as is, the LED Cloak Luciano Raimondi figure of Lueger will be separated from Luciano Raimondi Plexiglas-Konstruktion mit Text-Aufdruck the pedestal at the shoes, cleaned, and (kritische Kommentare namhafter Perso- Das symbolträchtige Medium LICHT. Es remounted on the pedestal, upside down, nen Österreichs). symbolisiert die Wahrheit, die kritische with a slightly flattened head. Additional Auseinandersetzung – mit dem „Denkmal Plexiglas construction with printed text stability is provided by an L-shaped brac- Lueger“ –, die somit wirkungsvoll in die (critical commentary by named Austrians). ket welded at the rear. This connects the Öffentlichkeit getragen wird. Das Denk- figure with the stone pedestal. In addition mal verliert jegliche Monumentalität und to the existing text – Lueger – the lower wird zum Träger, wird zur Stütze. Die un- platform will be engraved with the word zähligen Lichtquellen sind ein Zeichen “inversus”. In this form the monument derer, die sich der Gleichbehandlung aller allows free reign to various feelings: it is Menschen und Gerechtigkeit verpflichten. at first astonishing, distressing, scandal- Light is a highly symbolic medium. It rep- ous. Then associations to art and humour resents truth and critical concern – with develop. Viewers will have their habitual the Lueger monument – and thus can be way of seeing disturbed, triggering a worn in public to great effect. The monu- cathartic shock. ment thus loses all monumentality and becomes a support, a strut. The countless lights signify those committed to the equal treatment of all humans and justice.

Lueger inversus Konrad Rainer

Das Lueger-Denkmal bleibt im Ganzen bestehen, die Figur Luegers wird an den

264 integrity-diversity Sonnenuhr Statue mit Arm Ulla Rauter Sun Dial Statue with Arm Stefanie Reiner reset. Die Scheinwerfer werden auf zwei spie- gelnde Flächen gerichtet, in die die Worte „Es wird Zeit, ein Zeichen zu setzen.“ Das Das bestehende Karl-Lueger-Denkmal wird „diversity“ und „integrity“ spiegelverkehrt Lueger-Denkmal wird zu einer Sonnenuhr durch eine maßstabsgetreue Rekonstruk- eingraviert sind. Die Wortwahl steht für umfunktioniert, wobei die Zeitmarkierun- tion des rechten Arms der Saddam-Hus- eine Gegenwart, die ich der Geschichte gen ebenerdig zum Platz und auch über sein-Statue, welche am 9. 4. 2003 von des Denkmals gern entgegensetzen die Stufen nach oben – also Richtung Denk- den amerikanischen Truppen in Bagdad möchte. Untertags ist das Spiegelbild des mal – verlaufen sollen. Der Schatten der zerstört wurde, ergänzt. Längerfristig ist Denkmals leicht verzerrt vor einer schwer Lueger-Staute bildet dann den Zeiger. Die die Einarbeitung weiterer Gliedmaßen zu entziffernden Schrift zu sehen; abends Zeitstrahlen am Boden stelle ich mir aus anderer demontierter Statuen wünschens- werden die beiden Worte als Projektion einer verspiegelten Oberfläche vor, die wert. So entsteht in einem kontinuierlichen deutlich auf das Denkmal geworfen. Diese außerdem zertrümmert sein sollte. Prozess der Umgestaltung ein Endlager beiden Rezeptionsarten entsprechen der für ideologisch unliebsam gewordene Sta- “It is time to send a signal.” The Lueger unterschiedlichen Wahrnehmung Luegers tuen oder eben ein Denkmal für demon- monument will be made into a sun dial. in der Erinnerung der WienerInnen und tierte Denkmäler, an dem jede Generation The hour markings will be at ground level der Zweischneidigkeit seiner Bedeutung ihre ungeliebten Helden entsorgen kann. but also run up the steps of the monu- als Politiker. ment and further. The statue of Lueger The present Karl Lueger monument will The spotlights are directed at two reflect- will take on the function of a hand. I imag- be supplemented by a 1:1 scale model of ing surfaces in which the words “diversity” ine that the time markings on the ground Saddam Hussein’s right arm as it was on and “integrity” are engraved in mirror writ- should be on a reflective surface that has the statue destroyed by American troops ing. The choice of words stands for the been intentionally shattered. in Baghdad on the 9 April 2003. In the present with which I would like to counter long term it would be desirable to add the history of the monument. During the further body parts from other demolished day the reflection of the monument can be statuary. In this way a final storage site seen, slightly distorted, standing in front for ideologically disagreeable statues is of writing that is difficult to decipher; in created, one that is a continuous process the evening the two words will be clearly of restructuring and which is also a me- projected on the monument. These two morial for demolished monuments where ways of seeing it correspond to the differ- each generation can dispose of their un- ent ways in which Lueger has remained loved heroes. in the minds of the Viennese and his dou- ble-edged significance as a politician.

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rung Luegers kontrastiert und hinterfragt. Die Statue wird kopfüber auf den unteren „mis en boules“ verdeckt und verfremdet Stufen neben dem Reliefring befestigt; die Lueger, und doch ist es angewachsen, Reliefzone mit der am Kopf stehenden sogar mit ihm zusammengewachsen. Es Luegerbronze wird mit einem ovalen mahnt uns vor Luegers schrecklichem Betonmantel mit Abdeckung verkleidet. Vermächtnis, das weiter wachsen wird, Oben durch die Abdeckung sehen die Füße sollten wir es nicht aktiv bearbeiten. heraus; durch ein kleines Guckfenster im unteren Bereich ist der umgedrehte Kopf Aesthetically speaking, “mis en boules” zu sehen. Dieser „Kopfstand“ kehrt das plays with the ambivalence between the „Heroische“ in eine Farce um. Neues, iconic pop of a Jeff Koon’s puppy and the eine neue Schicht von Geschichte, kann grotesque appearance of a cancerous nun und in Zukunft diesen Platz einneh- growth. The addition of the “mis en men. Bewusst möchte ich kein Mahnmal boules” on Lueger Square is aimed at gegen Lueger gestalten, da dieser dadurch breaking the perception of the monument seine „Wichtigkeit“ weiterhin behalten at various levels, amongst them the sin- KuKluxKlan würde. Werner Riegler gularly self-aggrandizing, hegemonic, male staging of Lueger which is to be contrast- The statue will be re-situated on its head ed and questioned. “mis en boules” cov- alongside the ring of reliefs. The relief zone, ers and alienates Lueger, but it remains with its head-standing bronze Lueger, will an added growth that has grown with him. be encased in an oval concrete form. The It warns us of Lueger’s terrible legacy, one feet will be visible through the covering which will continue to grow if we do not at the top; a small inspection window will actively combat it. allow the inverted head to be seen. The headstand turns the heroic element into a farce. Something new, a new layer of history can now take over the square for the future. I want to consciously refrain from erecting a counter monument to Lueger since that would mean the latter would continue to be “important”.

mis en boules Stefan Ritter

Ästhetisch spielt „mis en boules“ mit der Ambivalenz zwischen dem ikonischen Pop eines Koons-Puppys und dem Grotesken eines Geschwürs. Die Addition von „mis en boules“ zum Lueger-Platz hat das Ziel, Verkapselung des bisherigen Denkmals die bisherige Wahrnehmung auf das Denk- und Luegers Kopfstand mal auf mehreren Ebenen zu brechen, u. a. Encapsulation of the Present Monument wird die Singularität der selbstverherrli- and Lueger’s Headstand chend hegemonial männlichen Inszenie- Susi Rosenberg

266 Die Grundlage für Handlungen rechtspo- pulistischer, antisemitischer bis rechtsra- dikaler Personen wie Parteien scheint in Österreich aktuell wie auch historisch gegeben. Das Lueger-Denkmal am Ring steht ebenso selbstverständlich im ge- bauten Stadtbild, wie fremdenfeindliche Äußerungen im öffentlichen Raum Akzep- tanz finden. Konkret schlage ich vor, an- stelle des jetzigen Sockels ein Loch aus- zuheben und das Denkmal in/über diesem zu verhängen. Die Assoziation mit einer Baugrube bzw. mit der Idee des Temporä- ren/Veränderlichen, ebenso eine gewisse

Untermensch „Antiästhetik“, sollen Anstoß für Diskus- Sub-human sionen bieten. Umgestaltung des Karl-Lueger-Denkmals Karl Ingar Röys Transforming the Karl Lueger Statue The basis for right-wing populist action, Igor Ruf 1. Grabt ein Loch direkt unter anti-Semitic and radically right-wing actors dem Denkmal and parties, seem to have always been Efeusamen sollen neben dem Sockel des 2. Versenkt es in dem Loch present in Austria, historically and in the Denkmals gesät werden. In ein paar Jah- 3. Schließt endgültig ab damit present. The Lueger monument on the ren wird das ganze Denkmal mit Efeu (legt einen Deckel drauf) Ring is accepted as a xenophobic state- umwachsen sein. Auf einer semantischen ment in public space and as being as nat- Ebene besiegt Efeu das Territorium nega- 1. Dig a hole directly under existing statue ural to the urban environment. I make a tiver Erinnerungen/Gefühle, um – wie 2. Lower statue into hole concrete proposal to dig a hole in place of Hildegard von Bingen einst feststellte – 3. Put a lid on it the present pedestal and to suspend the „die Krankheit des Patienten anzuneh- monument above it. The association with men“. Der Efeu wird Jahrzehnte oder gar an excavation pit and the idea of some- Jahrhunderte brauchen, um die Substanz thing temporary/changeable as well as a des Denkmals – die versteinerte Idee – certain anti-aesthetic will give impetus to mit der zerstörerischen Kraft seiner Wur- discussions. zeln zu vernichten. The intention is to plant ivy seeds along- side the pedestal of the monument. In a few years the whole monument will be wrapped in ivy. On a semantic level, ivy conquers the territory of negative memo- ry/emotion and, in the words of Hildegard von Bingen, “it takes over the disease from the patient“. Over decades, or even centuries, with the destructive strength of its roots, ivy destroys the monument‘s substance – the petrified idea. Fundament Lukas Rückerl

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ment through history, to look at the caus- es of developments and, vice versa, the consequences of attitudes and visions for the future.

„Jemanden öffentlich beschämen ist Kleinste Kleinigkeiten verändern den Lauf wie Blut vergießen“ (Talmud) The Smallest of Inconsequentialities Chan- To Shame Someone in Public is Like ges the Course of Things Shedding Blood (Talmud) Helmut Schriffl Benjamin Samuel Die durchsichtigen Glaselemente ermögli- Schützt Karl Luegers Denkmal vor den chen den Durchblick von der Gegenwart Schändungen der Öffentlichkeit, gleich- „Der schiefe Lueger“ in die Vergangenheit und von der Vergan- wie die Öffentlichkeit vor seinen Schand- genheit in die Gegenwart und dadurch A Lopsided Lueger taten beschützt werden muss; denn: Katja Schubert einen Blick auf die Folgen unseres Han- „Jemanden öffentlich beschämen ist delns. Im roten Bereich sind Szenen des Das Lueger-Denkmal wird in drei Seg- wie Blut vergießen.“ (Talmud, Baba Holocausts abgebildet, im blauen Bereich mente (Ebenen) geschnitten. Ebene 1 Metzia 58b) Wortgrafiken, die eine positive Zukunft (der Sockel mit den Reliefs) neigt sich Protects the monument to Karl Lueger ermöglichen. Die Durchgänge öffnen den leicht nach rechts, Ebene 2 (die Figuren) from desecration by the public just as the Weg in die Vergangenheit und in die Zu- neigt sich nach links, Ebene 3 (die Skulp- public has to be protected from his shame- kunft. Insgesamt wäre es durch diese tur Luegers) neigt sich nach rechts. Das ful deeds because “to shame someone Umgestaltung des Denkmals möglich, Denkmal scheint kurz vor dem Umkippen publicly is like shedding blood”. (Talmud, durch die Geschichte hindurch, auf Ursa- zu sein, behält aber sein Gleichgewicht in Baba Metzia 58b) chen von Entwicklungen und umgekehrt der Mitte. Für den Betrachter wackelt das auf Folgen von Haltungen, aber auch auf Denkmal – wie nach einem Erdbeben. Visionen für die Zukunft zu schauen. Das Denkmal scheint auf Sand gebaut zu sein, und der Lueger kurz vor dem Umfal- The transparent glass elements enable a len. Diese Instabilität steht symbolisch für view of the past from the present and die Nichtvereinbarkeit mit Luegers antise- thus a look at the results of our actions. mitischen Ansichten. There are depictions of the Holocaust in the red zone while in the blue zone there The Lueger monument will be cut into are word images that enable a positive fu- three segments (levels). Level 1 (the ped- ture. The entrances open pathways to the estal with reliefs) is slanted slightly to the past and the future. In sum this redesign right; level 2 (the figures) slants to the of the monument would enable move- left; level 3 (the statue of Lueger) slants

268 to the right. The monument looks as if is Karl Lueger made Vienna into a modern Verwitterung wirken, ebenso aber auch als was just about to fall over even though it city BUT he was an anti-Semite. ein Eindämmungsfeld, indem Toxisches maintains its balance. For the viewer the Karl Lueger was an anti-Semite BUT he fixiert erscheint. In der Gesamtform ver- monument wobbles – as if in an earth- made Vienna into a modern city. suchen wir einen Dialog mit dem archi- quake. It appears to be built on sand Our project refers to the change of per- tektonischen Umfeld. and Lueger shortly before a fall. This in- spective on the memory of Lueger the In our intervention we would like to use a stability stands for the incompatibility of politician. The focus is on key words strategy of marking to create a surface that Lueger’s anti-Semitic views. which gave Lueger’s statements their draws one’s attention. The stone monu- decisive meaning. Depending on how ment is to be framed with a steel con- one groups the statements around the struction on which slightly darkened sheets key words, their meaning changes, simul- of safety glass will be installed. This glass taneously modifying the memories of casing fulfils a number of functions and Lueger as a person. thus appears ambivalent and open to alter- native interpretations. It can appear to be a vitrine, a conservatory protective meas- ure against the weather, but it might just as much appear to be a containment area for something toxic. With the overall form we are attempting to initiate a dialogue with the architectural surroundings.

ABER BUT Schuberth und Schuberth mit Irene Maria Leitner

Karl Lueger hat aus Wien eine moderne Metropole gemacht, ABER er war Antise- Transparenz mentaler Kontrolle mit. Transparency of Mental Control Karl Lueger war Antisemit, ABER er hat René Seifert, Michael Polachowski aus Wien eine moderne Metropole ge- macht. In unserer Intervention möchten wir mit Unser Projekt nimmt Bezug auf eben die- der Strategie der Markierung eine Auf- merksamkeitsoberfläche schaffen. Das sen Perspektivenwechsel in der Erinne- Ohne Titel rung an den Politiker Lueger. Im Mittel- Steindenkmal soll mit einer Edelstahlkon- Untitled punkt stehen Schlüsselworte, die Aussa- struktion umrahmt werden. Daran werden shlomofish gen über Lueger die entscheidende Be- umlaufend leicht abgedunkelte Sicher- deutung geben. Je nachdem, wie man heitsglasplatten montiert. Dieser Glas- Die Künstler fuks/fish gestalten ihr Projekt die Aussagen um unsere Schlüsselworte körper erfüllt mehrere Funktionen und rund um das wahrscheinlich am meisten gruppiert, verändern sie ihren Sinn und erscheint dadurch ambivalent und deu- bekannte Zitat Karl Luegers, ein Zitat, damit gleichzeitig auch die Erinnerung tungsoffen. Er kann als Vitrine wie eine welches shlomofish schon von seiner an die Person Lueger. konservatorische Schutzmaßnahme vor Mutter Eva Schlittner erzählt bekam:

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„Wer ein Jude ist, bestimme ich“, das löst wird. Dabei bilden sich schimmelartige Als Vertreter_in einer hedonistisch ge- sich im Dialekt so anhört: „Wer a Jud is, grünliche oder braune Flecken, teilweise prägten Spaßgesellschaft steht das dun- bestimm’ i“. Die phonetische Überset- bricht die Oberfläche auf, und es bilden kelhäutige Baby (Comicstil) in einer von zung dieses Zitats in die Sprache: „Where sich tumorartige Geschwüre, bis schließ- Unterhaltungsmedien dominierten Werte- are you? These – bash them!“ („Wo seid lich die Bronze vollständig zersetzt wird. landschaft stellvertretend für den „guten“ ihr? Schlagt sie zusammen!“) beinhaltet Mit dieser „Bronze Disease“ möchten Menschen, der aber, indirekt oder direkt für fuks/fish alle Fragen (und Antworten), wir Lueger infizieren! an neuen Kriegen und Gräueltaten betei- die sich im Zusammenhang mit Karl Lue- Am Ende des Prozesses wird nur noch ligt, stets seine Rolle neu finden muss. ger und dem Lueger-Denkmal auftun. ein leerer Sockel dastehen, der seine Die Figur des Kindes wird von einer Hebe- Funktion als Mahnmal erfüllt und an Lue- bühne, dem Sinnbild für die verstellbare The artists fuks/fish organize their project gers einstige Größe gerade durch seine Höhe (Wert, Rang, Bedeutung) emporge- around the probably best known quota- Abwesenheit erinnert. hoben. Umgeben von bunten Babys, wel- tion of Karl Lueger, a quotation which was che die Vielfalt des neu entstehenden Le- already told to shlomofish by his mother “Bronze Disease” is a chemical reaction bens (neue Perspektiven) symbolisieren. Eva Schlittner: „wer a Jude is, bestimme cause by contact with hydrochloric acid. ich“, and the dialect version „wer a Jud It leads to the gradual deterioration of the As representative of a hedonistically dom- is, bestimm‘ i“. The phonetic transfer of bronze. In the process mould-like green inated “fun society”, the dark-skinned this quotation into the English: „where or brown stains are formed, the surface baby (comic style) stands for the “good” are you? These – bash them!“ includes breaks open in parts and tumour-like people in a world where the value system for fuks/fish all questions (and answers) growths form until the bronze is com- is controlled by the entertainment media. that appear in connection with Karl Lue- pletely corroded. We want to infect Lue- The former, however, participate – directly ger and the Lueger monument. ger with bronze disease. or indirectly – in new wars and atrocities, At the end of the process all that will re- and thus the latter always has to find a main will be an empty pedestal that will new role. The figure of the child is held fulfil its function as a warning and remind aloft by a hydraulic lift, the symbol for ad- one of Lueger’s former glory through his justable height (value, status, importance). absence. Surrounded by colourful babies that sym- bolize the unfolding of new life (new per- spectives).

„Bronze Disease“ Jakub Simcik, Latefa Wiersch

„Bronze Disease“ wird eine chemische Reaktion bei der schrittweisen Zerstörung von Bronze genannt, die durch den Kon- Black Baby versus Mr. Evil takt der Bronze mit Hydrochlorid ausge- Timothy Speed

270 the information that Karl Lueger’s thoughts should be at exactly the same height as about the “division of the races” is a thing Lueger’s eyes so that the statue looks of the past, that the concern today is how straight into the exhibition space and, vice to live TOGETHER. versa, that visitors look directly at the monument. This establishes a connecting line between the monument, the exhibited art works, and exhibition visitors.

Miteinander All Together Natascha Spitzer

Die Skulptur wird mit einem Band aus Eisen eingewickelt. Auf dieser Bahn befin- Infozentrum Antisemitismus den sich Porträts verschiedener stereo- Anti-Semitism Information Centre typer Menschen„rassen“. Die Umrisse Christoph Srb der Personen werden ins Material ge- schnitten. Durch diese Einschnitte können Es soll ein Informationszentrum über Anti- Mahnmal gegen antisemitische sie am Abend beleuchtet werden. Der semitismus, ein Gebäude mit zwei Stock- und rassistische Agitation Eisenmantel wird so um das Denkmal werken errichtet werden, das eine Präsenz- Memorial against anti-Semitic gewickelt, sodass die Skulptur von Karl bibliothek auf den ersten zwei Ebenen und and Racist Agitation Lueger nicht mehr eindeutig zu erkennen einen Ausstellungsraum auf der dritten Gustav Starzmann ist. Die Installation soll darüber Auskunft Ebene beinhaltet. Das Fenster des Ober- Das Rot der Nationalfarben läuft wie ein geben, dass sich die Gedanken, welche geschoßes soll in einer Höhe sein, sodass Sturzbach aus Blut, auch über den Sockel Karl Lueger über „Rassenteilung“ hatte, die Augen von Lueger genau in das Fens- des Denkmals. Auf den Treppen wird eine der Vergangenheit angehören; dass es ter des Ausstellungsraumes blicken; um- Skulptur in Lebensgröße aus Bronze an- heute um ein MITEINANDER geht. gekehrt können Besucher_innen das gebracht, die kniend gezwungen ist, die Denkmal betrachten. Somit ist eine Ver- The sculpture will be wrapped in a band Stufen mit einer Bürste zu reinigen. Von bindungslinie zwischen Denkmal, ausge- of iron. Portraits of various types of stere- der Figurengruppe unter dem Namen stellten Kunstwerken und Betrachter_in- otypical “races” are on this band. The „Lueger“ ergießt sich ein Haufen alter, in nen/Ausstellungsbesucher_innen herge- outlines of these people will be incised Bronze nachgegossener Schuhe, der bis stellt. into the material. In the evening they can zum Bodenniveau des Denkmals reicht. be illuminated through these incisions. A three-story building should be erected Schuhe von Jüdinnen und Juden wurden The iron covering will be placed around housing an anti-Semitism information zum Symbol ihrer seelischen oder physi- the statue in such a way that Karl Lueger centre – a reference library on the first schen Vernichtung, weil sie zuhauf ent- is no longer be clearly recognisable. The two floors, and an exhibition space on weder bei der Flucht ins Exil oder nach installation is intended to communicate the third. The windows of the upper floor der Ermordung zurückgeblieben waren.

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The red from the Austrian national flag Form von Statuen, Skulpturen etc. ver- sowohl an die Vergangenheit erinnern, runs like a torrent of blood over the mon- ewigt wurden. aber auch daran zweifeln lassen, ob Karl ument’s pedestal. A life-size bronze sculp- Luegers Reden auch in Zukunft ein Vorbild A sculpture made of perforated sheet ture will be placed on the steps, forced to sein sollten. metal will be placed over the whole mon- kneel and clean the steps with a brush. In ument above the step level. This sculp- The plinth is much too high and will be front of the figural group, under the name ture will represent an abstract depiction removed because it places Lueger up on “Lueger”, there is a heap of cast bronze of a person making the Nazi salute. Karl a pedestal, thus suggesting approval of shoes which stretches down to the ground Lueger, as a pioneer of fascist thought his anti-Semitic speeches. Only the three level of the monument. Jews’ shoes have will be assigned a place under the cover- round steps would remain and the lowest become symbols of their physical and ing and thus within an ideology. In princi- level consisting of two right-angled steps. mental extermination because they were ple he is an interchangeable figure, stand- The statue of Lueger himself will by kept, left behind in great numbers after their ing for many of the people who agreed but it will be re-sited on the first of the escape or their murder. with fascism and who have been immor- round steps. After the redesign the mon- talized in statues, sculptures, etc. ument should recall the past but raise doubt as to whether Karl Lueger’s speeches should be taken as models for the future.

Die Geste des Grauens The Gesture of Terror Spiegel der Zeit Simon Steinhauser A Mirror of the Times Simone Stückler Der Henker von Wien Über die gesamte bestehende Skulptur oberhalb der Stufen wird eine aus Loch- Der viel zu hohe Sockel soll entfernt wer- The Hangman of Vienna Daniel Stuhlpfarrer blech hergestellte Skulptur gestülpt. Diese den, da er Lueger auf ein hohes Podest Skulptur wird eine abstrahierte, den Hit- hebt und somit auch seine antisemitischen Lueger gilt als Wegbereiter des National- lergruß praktizierende Person darstellen. Reden gutheißt. Übrig bleiben lediglich die sozialismus. Mit seinen rassistischen, Karl Lueger als Vorreiter faschistischen drei runden Stufen und der Untergrund, überaus fragwürdigen politischen Metho- Gedankenguts wird durch seine Platzie- der aus zwei rechteckigen Stufen besteht. den hat er Menschenwürde und Moral rung unterhalb dieser Umhüllung einer Die Statue von Karl Lueger soll erhalten gröbstens verletzt. Die schwarze Farbe Ideologie zugeordnet. Er ist prinzipiell eine bleiben. Allerdings wird ihr ein neuer Platz symbolisiert das dunkle Kapitel der Stadt auswechselbare Figur vieler faschistisch auf der ersten runden Stufe zugewiesen. Wien unter seiner Amtszeit, welches Nähr- denkender Persönlichkeiten, welche in Das Denkmal soll nach der Umgestaltung boden für ein noch viel dunkleres Kapitel

272 war – das des Nationalsozialismus. Durch Der Entwurf setzt an, die Idee des Aus- die Umgestaltung verschwimmen die Kon- schlusses umzukehren, indem er der turen, doch Umrisse bleiben vorhanden Siche rung eines möglichst hohen Spekt- und werfen ihre Schatten. Damit wird rums an Positionen vorderste Priorität zum Ausdruck gebracht, dass Luegers einräumt. In der Aufbearbeitung des Methoden immer noch Einzug in der heu- Denkmals wird das Heroische durch die tigen Politik halten und dieses Thema Gegenüberstellung einer Flut von alterna- nicht aufgearbeitet, sondern unter den tiven STANDPUNKTEN relativiert. Das Teppich gekehrt wird. Monument auf dem Lueger-Platz soll in- sofern erweitert werden, als dass diesem Lueger is regarded as one of the forerun- die Realisation ALLER eingereichten Pro- ners of National Socialism. With his racist jekte – in verkleinertem Maßstab – gegen- and extremely questionable political übergestellt wird. Der konsequenteste #lueger methods he seriously damaged human Team4040 (teilnehmende Mitglieder: Jona Hoier, Weg, Mechanismen, die zu autoritäten dignity and morals. The black symbolizes Ebru Kurbak, Tiago Martins, Michael Probst, Systemen führen, auszuschließen, ist es, that his period in office was one of the Onur Sönmez) alle Möglichkeiten zuzulassen. dark chapters in the history of the City of Wir schlagen die Umgestaltung des öf- Vienna, one which offered fertile ground The design takes up the notion of revers- fentlichen Raumes vor, in welchem das for an even darker one – National Social- ing the idea of exclusion by giving fore- Denkmal eine öffentliche Plattform dar- ism. The redesign results in a blurring of most priority to securing the widest pos- stellt, die Diskussionen über Diskriminie- the contours even though the outlines sible spectrum of positions. In re-working rung auf sozialen Netzwerken und media- remain visible and cast a shadow. This the monument, the heroic element will be len Gesellschaftsplattformen wie Face- expresses that Lueger’s methods are still relativized by confronting it with a flood of book und Twitter reflektiert. Texte werden present in today’s politics and that the alternative STANDPOINTS. The monument in Echtzeit gesammelt und bilden so einen subject is by no means done with but, on Lueger Platz will be supplemented by in Dauerbewegung befindlichen weißen rather, is being continuously swept under being placed opposite small-scale realiza- Schatten, der auf den Boden vor dem the carpet. tions of ALL of the submitted projects. Denkmal projiziert wird – eine Leinwand The most consistent way of excluding the diskursiver Fragmente, welche die Bau- mechanisms which lead to authoritarian steine des Schattens darstellen. Somit systems is to allow all possibilities. wird das Standbild Karl Luegers nicht nur zur Quelle, sondern auch zum Veranstalter der Diskussion, zu einem schweigsamen, nachdenklichen Beobachter der aktuellen Kommentare bezüglich Vorurteile und Diskriminierung. We propose transforming the public space so that the statue becomes a public plat- form that reflects the on-going discussion of discrimination in online communities and social media platforms such as Facebook and Twitter. Text is gathered in real-time

and composed into an ever-shifting white Simultane Pluralität shadow of the statue, projected in front Simultaneous Plurality of it – a canvas of discursive fragments Südosttangente (Nanna Neudeck, Titusz Tarnai) that are the building blocks of the shad-

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ow. The statue of Karl Lueger itself be- of a visual sculpture – a circle of text that comes both the source, and the host, of can be looked through. This entails the the discussion; a silent, ponderous ob- installation of a steel ribbon of letters at server of current commentary on preju- the height of the present statue and con- dice and discrimination. sists of Ovid’s proverbial Principiis obsta in its German translation: WEHRET DEN ANFÄNGEN [Resist the Beginnings]. A memorial results from the interaction of the added sculptural break with tradition and the established monument.

Sieben Richtige Seven Correct Hartwig Thaler

Die sieben Luegers: Das bestehende Lueger-Denkmal bleibt unangetastet. Von der vorhandenen Lueger-Bronzestatue werden sechs 1:1-Kopien aus Fiberglas Wehret den Anfängen hergestellt, entsprechend bemalt und in Resist the Beginnings der vorgesehenen Anordnung auf der Andreas Templin Stahlklammer positioniert. Das Original wird von den Kopien nicht unterscheidbar Der Vorschlag sieht vor, das bestehende sein. Lediglich der Sockel wird auf die Monument aus dem innerstädtischen Position des originalen Luegers schließen Zusammenhang herauszulösen. Dies soll Die Niederlegung des Denkmals Lueger lassen. in Form einer durchlässigen visuell-skulp- The Laying to Rest of the Lueger Monument turalen Umkreisung in Textform gesche- Georg Thaler The seven Luegers: the present Lueger hen. Hierzu wird auf Höhe der vorhande- Am 8. April 2011 wurde das Denkmal monument remains unaltered. The bronze nen Statue eine aus Stahl gefertigte als Zeichen gegen den verbrecherischen statue of Lueger will be exactly copied in Schriftbanderole installiert. Diese das vor- Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhun- fibreglass, appropriately painted and placed handene Denkmal umkreisende durchläs- derts niedergelegt! on the steel “staple” in the order shown. sige Skulptur gibt in großen Lettern Ovids The original will not be distinguishable from sprichwörtlich gewordenes Principiis obsta On 8 April 2011, to signalize opposition the copies. Only the pedestal will indicate in seiner deutschen Übersetzung WEHRET to the criminal anti-Semitism of the nine- the position of the original Lueger. DEN ANFÄNGEN wieder. Aus dem Zu- teenth and twentieth centuries, the mon- sammenspiel der hinzugefügten skulptu- ument was laid to rest. ralen Zäsur und dem bestehenden Denk- mal entwickelt sich das Mahnmal.

This proposal envisages removing the present monument from its inner city context. This will take place in the form

274 silhouette. It symbolizes the dangers of held in a symbolic state of floating. The persecution and victimization of various movement hovers in the ambivalent posi- social groups by right wing populist elec- tion between “self-mythologizing and rise tion strategies. to power” and “fall from grace and pow- er”. The de-contextualizing intervention reveals the pedestal to be a pure depic- tion of populist phrases. “Uncrowned” it becomes a monument to itself, one that makes visible the empty form of its popu- list propaganda rather than the good deeds of the alleged “heroes”.

Durch keine Kraft zu spalten No Power to Divide Felix Theile

Aus einer Glaswand ist die Silhouette der entfernten Statue Luegers herausgeschnit- ten. Die heraldisch linke Seite der Glas- wand ist höher gezogen und verweist auf linke, traditionell progressive, weltoffene Lueger über Wien – schwebend Gesinnungen. Über der Silhouette ist in Lueger above Vienna – Floating die Glaswand eingraviert „Menschen die- Katinka Theis, Regina Weiss ser Stadt – Durch Respekt und Würde In der temporären Intervention wird die vereint – Durch keine Kraft zu spalten“. Figur des Politikers Karl Lueger mithilfe Vom Kopf der Silhouette Luegers zieht eines Kranfahrzeugs vom Sockel seines sich ein Riss hinauf und spaltet die Glas- Denkmals gehoben und in einen symboli- Obsolet wand ein Stück weit. schen Schwebezustand versetzt. Die Be- Obsolete Der Spalt symbolisiert die Gefahr der Auf- wegung verharrt in der Ambivalenz zwi- Helena Lillo Thill hetzung verschiedener Gesellschaftsgrup- schen „Selbstüberhöhung und Aufstieg“ Der Vorschlag funktioniert als selbstorga- pen gegeneinander durch rechtspopulisti- sowie zwischen möglichem „Absturz und nisierte Intervention. Er besteht aus einer sche Wahlkampfstrategien. Fall“. Durch den de-kontextualisierenden Kombination von Pflanzen verschiedener Eingriff zeigt sich der Sockel des Denk- The silhouette of the distant Lueger statue Art und Herkunft, die in derselben in die mals als reine Darstellung populistischer is cut out of a glass wall. The heraldic left Oberfläche gebohrten durchgängigen Phrasen. „Entkrönt“ wird er zu einem hand side of the glass wall is higher and Spalte, welche die Obsoleszenz der Sta- Denkmal seiner selbst, in dem nicht die refers to the left, traditionally progressive, tue repräsentiert, wachsen und gedeihen. guten Taten eines vermeintlichen „Hero- cosmopolitan view of the world. Above Diese organische Intervention wird das en“, sondern die hohle Form ihrer popu- the silhouette “There is no power that Denkmal mit der Zeit ganz überwachsen. listischen Propaganda sichtbar wird. can divide the people of this city who are Es entsteht eine gemischte Gemeinschaft united in respect and dignity” is engraved In our temporary intervention the figure of von Arten – Pflanzen und Blumen –, die in the glass. A crack runs a short distance politician Karl Lueger will be raised from im selben physischen Raum nebeneinan- into the glass from the head of the Lueger its pedestal with the aid of a crane and der existieren.

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The proposal works as a self-managed len auf zwei hohen, transparenten Projek- als wäre seine antisemitistische Einstel- intervention. It consists of a combination tionsflächen Flammenbilder projiziert wer- lung auf eine Glasplatte gedruckt und diese of plants of different species and origins, den, deren Widerschein die Statue illumi- über seinem Kopf fallengelassen worden. growing and living on the same continu- niert und daran erinnert, dass durch Wor- Dieser Momentanzustand der Zersplitte- ous crack – drilled into the surface – that te Flammen entfacht werden können. rung der Scheibe wird gezeigt. Auf den represents the statue‘s obsolescence. This größeren Glassplittern stehen Aussagen The burning of the Anabaptist Hubmaier, organic intervention will cover the existing von Lueger wie „Wer Jude ist, bestimme the closing of the “Lieben Augustin” in monument as if it was being covered by ich“ usw. Mit dieser Umgestaltung sollte Café Prückel, the murder of Fritz Grün- layers of time. It configures a mixed com- der Mensch gewarnt werden. baums (Kabarett Simpl) by the Nazis: the munity of species – plants and flowers – Lueger monument stands exactly on this The redesigned monument should repre- that coexist in the same physical space. infamous diagonal of intolerance. A mayor sent the fragmented world of Karl Lueger who won elections with pure anti-Semi- as if his anti-Semitic attitudes had been tism. His terrifying side should be pointed printed on a sheet of glass and this had out in at least one of the places where he been allowed to fall on his head. The mo- is honoured. There will be two high pro- ment in which the sheet of glass shatters jection surfaces on which images of flames is shown. Statements made by Lueger are projected, one in front of the monu- such as “I say who’s a Jew” will be seen ment, the other behind it. The reflections on the larger pieces of glass. This rede- will illuminate the statue and remind one sign is intended to act as a warning. that words can kindle flames.

Worte entfachen Flammen Words Kindle Flames Volker Thurm-Nemeth

Die Verbrennung des Täufers Hubmaier, die Schließung des „Lieben Augustin“ im Café Prückel, die Ermordung Fritz Grün- baums (Kabarett Simpl) durch die Nazis: Braunes Brett vor dem Kopf Auf dieser infamen Diagonale der Intole- Brown Board in Front of his Face ranz steht das Lueger-Denkmal! Ein Bür- Neues Lueger-Denkmal Annette Tritten, Sarah Tritten germeister, der mit purem Antisemitismus New Lueger Monument die Wahl gewann. Wenigstens an einem Christina Tranninger der ihm huldigenden Orte sollte auf seine grauenerregende Seite auch hingewiesen Das umgestaltete Denkmal sollte das zer- werden. Vor und hinter dem Denkmal sol- splitterte Weltbild von Lueger darstellen,

276 participating NGOs, school classes, asso- ciations, or individuals over a period of ap- proximately one and a half years. The pro- ject would have to be supervised, coordi- nated, and documented over a longer span of time in order to find a long-term solution.

Mensch sein No more heroes Being Human Corina Vetsch Verein Talent: Werner Schrittesser, Anita Welzmüller Ist es möglich, auf die Ambivalenz ver- Der Würfel als Spannungsfeld zwischen meintlicher Heldenfiguren gestalterisch Schicksal, Ausgeliefertsein und Selbstbe- hinzuweisen? stimmung. Grobe Nähte symbolisieren Wie kann vor Rassismus, Neofaschismus schmerzhaften Zusammenhalt. Antisemi- oder auch Sündenbockdenken gewarnt Deutbogen / Den Bogen spannen tismus und Rassismus führen zu Verwor- werden? The Span of Meaning / Drawing the Bow fenheit und Verbogenheit. Des Würfels. Mein Umgestaltungsvorschlag ist für die Marc Völker Und von Menschen. MENSCH SEIN trägt Zeit unmittelbar nach dem Wettbewerb Bogen, Regenbogen als Zeichen, Symbol und erträgt. Den Würfel. Als Symbol und gedacht und sieht eine Vielzahl temporärer, Gottes, Liebe, Vergebung, Universalität. als Last. Rost steht für Vergänglichkeit. reversibler Veränderungen des bestehen- Den Bogen spannen zwischen Vergan- Hoffnung der Vergänglichkeit und Über- den Denkmals vor, die nach ca. einem genheit und Zukunft. Wie spanne ich die windung von Antisemitismus und Rassis- halben Jahr partizipatorisch durch NGOs, Figur Luegers in den Bogen? Das Ein- mus entsteht. Und Tatkraft. Zeichen set- Schulklassen, Vereine oder Einzelperso- spannen in den geschichtlichen Kontext zen durch MENSCH SEIN. nen weitergeführt werden. Das Projekt am Denkmal; wo kommt das her, wo geht müsste über einen größeren Zeitraum The cube as a field of tension between das hin? weiterbetreut, koordiniert und dokumen- fate, being at someone’s mercy, and self- tiert werden mit dem Ziel, eine langfristige Arch, rainbow as symbol, symbol of God, determination. Rough seams symbolize Lösung zu finden. love, forgiveness, universality. The arch painful cohesion. Anti-Semitism and rac- connects past and future. How do I insert ism lead to depravity and deformation. Of Is it possible to have a design that points the figure of Lueger into the arch? Tying it the cube. And of people. BEING HUMAN out the ambivalence of an alleged hero into the historical context of the monu- is bearing and enduring. The cube as sym- figure? How might it be possible to warn ment; where does it come from, where bol and burden. Rust stands for transitori- of the dangers of racism, neo-fascism, or is it going? ness. Hope that the transitoriness and scapegoat thinking? My redesign propos- conquest of anti-Semitism and racism will al is for the time immediately after the come about. And drive. Sending a signal competition. It envisages a series of tem- by BEING HUMAN. porary, reversible changes to the original monument which would be carried out by

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who described ivy thus: “It is the enemy of all trees and seeds, it penetrates graves and walls and provides a pleasantly cool place for snakes”. Because of the ivy ele- ment, the Pliny Wreath embodies loyalty and thus the inseparability of our present identity from past events. It is the nega- tive form of the laurel wreath and deco- rates all those who acted culpably but who have nevertheless influenced our times. Lueger exklamieren Declaiming against Lueger Arye Wachsmuth Plinius-Kranz Ausgangspunkt ist die Errichtung von Wert Pliny Wreath wechselstrom (aka Renate Pittroff tragenden und symbolischen Elementen, & Christoph Theiler) die auf die urbane Situation und auf be- stimmte Wesenszüge der Stadt Wien ein- Der PLINIUS-KRANZ (ein Schlangenring gehen, und diese im historischen Umfeld mit Efeu-Kranz) wird als Kunstschmiede- kommunizieren: Schaffung von architek- Arbeit auf das Haupt des Dr.-Karl-Lueger- tonischen Elementen als Träger von Bot- Denkmals angebracht. Er wird auch als schaften, Zeichen und Texten; Erarbei- Piktogramm entwickelt, um alle Straßen- tung und Integration einer künstlerisch- namen, Ehrentafeln und Denkmäler zwei- medialen Arbeit als persönliches State- felhafter Provenienz zu markieren. Er leitet ment; Integration des sehr treffenden sich von dem antiken Philosophen Plinius Spruchs von Michel Foucault: „Es gibt major ab, der den Efeu so beschrieb: „Er keinen Gegensatz zwischen dem, was ist ein Feind der Bäume und aller Saaten, getan wird, und dem, was gesagt wird“; durchdringt Gräber und Mauern und gibt Integration einer Erklärungstafel und einer den Schlangen eine angenehme Kühle“. Baum Medienstation. Der PLINIUS-KRANZ verkörpert durch das Tree Element des Efeus die Treue, d. h. die Markus Weissenböck The starting point is to build up symbolic Untrennbarkeit unserer heutigen Identität and value-imbued elements which take Luegers Statue muss herunter vom Sockel, von vergangenen Ereignissen. Er ist die account of the urban situation and the das Denkmal ist nicht mehr angebracht. Negativform des Lorbeerkranzes und particular characteristics of the city of Den Respekt wahrend, soll Lueger auf schmückt alle diejenigen, die schuldhaft Vienna and communicate them within a dem neu entstehenden Platz seinen Ort handelten und trotzdem unsere Zeit prägen. historical context. The creation of architec- finden und als Gedankenanstoß für eine tural elements as vehicles for messages, The PLINIUS WREATH (a snake ring with Auseinandersetzung seine Funktion neu drawings, and texts; working out and inte- an ivy wreath), a wrought iron work, will definieren. Anstelle der Statue schlage ich grating an artistic and media-based work be placed on the head of the Karl Lueger vor, den Baum „Hamamelis intermedia“ as a personal statement; integration of the figure. It will also be developed as a picto- auf den Sockel zu stellen. Der Baum apposite statement by Michel Foucault: gram and used to mark all street names, wurde ausgewählt, weil die Blütezeit von „There is no conflict between what is public plaques, and monuments that have Dezember bis April dauert: ein subtiles done and what is said“; integration of an a questionable history. It is derived from Symbol der Andersartigkeit, ein Symbol explanatory plaque and a media station. the ancient philosopher Pliny the Elder für das Überleben unter widrigen Umstän-

278 den, ein Synonym für lebendige Schönheit Formen hunderte weiße LEDs als Symbol Ich möchte das bestehende Denkmal nicht während der kältesten Zeit des Jahres, ein für positive Energie. Die Innenseiten der verändern, sondern die Sichtweise und Symbol für den Lebenswillen. plastischen Teile sind schwarz, wodurch Perspektive darauf. Mit dem „minimalen“ die negative Ausstrahlung dieses Denk- Eingriff, Statue und Sockel um 3,5 Grad Lueger‘s statue has to come down from mals unterstrichen werden soll. Geschichte nach rechts zu neigen, soll die Ehrwürdig- its pedestal, the monument is no longer und negative Entwicklungen müssen für keit gebrochen und die Aufrichtigkeit appropriate. Out of respect Lueger should nachfolgende Generationen unbedingt er- infrage gestellt werden. Damit möchte be given a place in the restructured square halten bleiben. Durch diese Umgestaltung ich eine leichte Irritation oder mehr noch and thus provide impetus to a considered mit weißem Licht und transparenten For- ein Unsicherheitsmoment auslösen, das re-definition of his function. I propose to men werden negative Zeitereignisse ab- möglicherweise erst beim zweiten Hinse- plant a tree, „Hamamelis intermedia“, in geschirmt, aber nicht weggeleugnet. hen spürbar wird. Die Schieflage erinnert place of the pedestal. This specific tree auch an ein untergehendes Schiff oder was chosen because it blooms from De- The monument will be optically locked in ruft das vage Gefühl von Vergänglichkeit cember to April and is thus a subtle sym- using processed and transparent plastics und Unbeständigkeit hervor, so als müsse bol for difference, a symbol for survival or glass. At night hundreds of white LEDs damit gerechnet werden, dass das Denk- under adverse conditions, a synonym for shine from behind the transparent forms mal nicht mehr lange steht. living beauty during the coldest part of as a symbol of positive energy. The inside the year, a symbol of the will to live. of the plastic sections is black, which is I don‘t want to change the monument, intended to underline the negative energy just the way you look at it. With a minimal radiated by the monument. The history intervention – tilting the statue and ped- and negative developments have to be estal 3.5 degrees to the right – the honour preserved for future generations at all and dignity will be broken and its sincerity costs. The redesign using white light and questioned. With this proposal I want to transparent forms isolates negative events create a slight irritation or, more accurate- of the past but does not deny them. ly, a moment of insecurity which will only be noticed at second glance. The tilt is reminiscent of a sinking ship, or calls up vague feelings of transience and disquiet as if you cannot count on the monument continuing to stand there for very long.

„Von dunkel zu hell“ oder „gewaschenes Denkmal“ From Dark to Light or Washed Monument Peter H. Wiener Durch Verwenden von gestaltetem und transparentem Kunststoff oder Glas wird Schieflage das Denkmal optisch eingesperrt. In der Tilted Nacht erstrahlen hinter den transparenten Klemens Wihlidal

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numerous shadow sides included, rather than propagating from a safe distance the idealized myth of a Christian Socialist Viennese mayor.

Lueger hinter Gittern Lueger Behind Bars Lisa Wink Auf Augenhöhe Die Dr.-Karl-Lueger-Statue wird in einen Eye to Eye Eisenkäfig gesperrt, sodass Luegers anti- Stefan Wirnsperger semitische Gedanken eingesperrt sind Das Denkmal wird repositioniert – Lueger und gefangen bleiben. Das Warnschild wird mitsamt seinem Sockel in den Boden mit der Aussage „Geistige Annäherung Platz der Guten Saat versenkt. Der Sockel, mit den Darstellun- verboten“ soll die Menschen darauf auf- gen von Luegers Wohltaten für die Stadt Square of the Good Seeds merksam machen, dass rassistische Wittenberger, Wöber Wien, auf die vor allem von Lueger-Ver- Gedanken gefährlich sind. fechterInnen immer wieder hingewiesen Ein „Platz der Guten Saat“ soll geschaffen The Lueger statue will be shut up in an wird, bleibt erhalten, verschwindet aber werden, um dem Vergessen keinen Platz iron cage so that Lueger’s anti-Semitic aus dem unmittelbaren Sichtfeld. Der Blick zu geben. Um die leblose Säule werden thoughts are locked in and remain impris- in das Gesicht der Statue soll eine direk- als Symbol des Widerstands weiße Rosen oned. The warning plaque, with a state- tere Auseinandersetzung mit Lueger als gepflanzt, die sich vom Sockel der Statue ment “Mental Approach Prohibited” would Person mit all ihren Schattenseiten ermög- aus dem Beet hinauf „zum schönen Karl“, make people aware that racist thoughts lichen, anstatt in sicherer Distanz den idea- der hinter Gitter soll, ranken werden. Die are dangerous. lisierten Mythos eines christlichsozialen vorgelagerte Wiese wird geöffnet und in Wiener Bürgermeisters zu propagieren. einen solidarischen Kleingarten mit Ge- müse und Obst umgewandelt. Zur Bele- The monument will be re-positioned. bung des Platzes soll jedes Jahr eine Lueger, along with his pedestal, will be andere Einrichtung, die sich explizit für sunk into the earth. The pedestal, along Menschenrechte, Integration/Empower- with its depictions of Lueger’s good ment oder das Recht auf gesunde Nah- works for the City of Vienna (which his rung einsetzt, die Möglichkeit erhalten, advocates never tire of pointing out) will diesen Ort zu bespielen. be preserved, though they disappear from immediate view. Looking straight into the A “Square of the Good Seeds” should face of the statue is intended to permit be created in order to prevent forgetting. engagement with Lueger as a person, the White roses will be planted around the

280 lifeless column. They will grow out of the 3. Eine Toncollage von Originaltondoku- werden dem „schönen Karl“ vier Spiegel flower bed and climb up the pedestal to menten Luegers und seiner „geistigen“ vorgehalten, sodass er, vom ihm gegen- the “handsome Karl” who will be behind Nachfolger bis heute, gemeinsam mit Zeit- überliegenden Blickpunkt aus betrachtet, bars. The grass area at the front will be historikerInnen bzw. dem DÖW erarbei- unsichtbar bzw. durchsichtig wird. So wird transformed into a small solidarity vegeta- tet, wird zusätzlich installiert. die Lueger-Statue durch die Perspektive ble and fruit garden. The square should be der Betrachtung vom Podest geholt, ohne The work consists of three parts: administered and restructured by a differ- sie körperlich zu entfernen und ohne der 1. A 1:1 copy (bronze cast) of the Lueger ent organization each year, though only by öffentlichen Auseinandersetzung mit der statue will be buried one meter deep in those concerned with human rights, inte- Figur Lueger und ihrem Erbe ein Ende zu front of the monument at an angle of 70 gration, empowerment or the right to setzen. degrees. healthy food. 2. Original citations by Lueger and his „in- Based on the popular stage trick of the tellectual“ successors in the present will nineteenth century, the “vanishing lady”, be projected every night alongside a quo- “handsome Karl” will have four mirrors tation from Michel Foucault: “There is no placed in front of him so that from a van- conflict between what is done and what tage point opposite he will appear invisi- is said”. ble or transparent. In this way the Lueger 3. A sound collage will be installed using statue will be taken off its pedestal by original sound recordings of Lueger and using perspective without physically re- his “intellectual” successors in the pre- moving it and without preventing a con- sent. This will carried out in conjunction tinued engagement with the figure of with contemporary historians and/or the Lueger and his legacy. DÖW (Documentary Archive of Austrian Resistance).

Wieder sichtbar machen – Wider das Verschwinden Making it visible again – the disappearance again Rainer Wölzl

Die Arbeit besteht aus drei Teilen: 1. Ein 1:1-Duplikat (Bronzeguss) von der Lueger-Statue wird vor dem Denkmal in einem Winkel von 70 Grad einen Meter tief eingegraben. 2. Originalzitate Luegers und seiner „geis- tigen“ NachfolgerInnen bis heute werden Heimaterde in einer nächtlichen Projektion einem Zitat von Michel Foucault gegenübergestellt: Vanishing Lueger The Earth of Home Olga Wukounig zweintopf / Eva Pichler, Gerhard Pichler „Es gibt keinen Gegensatz zwischen dem, was getan wird, und dem, was gesagt In Anlehnung an den im 19 Jahrhundert Für einen Platz ohne Karl Lueger ist eine wird.“ populären Bühnentrick „Vanishing Lady“ prozesshafte Kette an „entwöhnenden

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Interventionen“ nötig, deren erste eine look him straight in the eye without strain, generelle Abstrahierung der Statue be- and at the same time risk a panoramic deutet – durch Verschalung des Monu- view of the current exclusions and at- ments wird die wertvolle Bronze mit Holz tacks in our present society in which an gebannt. Diese vermeintliche Habhaft- individual‘s conscious looking away and werdung antisemitischer Tendenzen – eine affected lack of involvement turns them Geste, die im folgenden Akt noch verstärkt into accomplices. wird, wenn das „Holzschandmal“ auf dem gegenüberliegenden Wiesenstück begra- ben wird – relativiert sich über die Jahre: Vorerst bleibt der Platz gereinigt zurück, bis sich wiederum eine klaffende Wunde auftut, wenn das Gedankengut mit Ver- werfungen wieder an die Oberfläche drängt. For a square without Karl Lueger it is nec- omni präsent essary to have a chain of processual “ omni present dehabituation interventions”. This implies zweintopf / Eva Pichler, Gerhard Pichler first of all a general abstracting of the Es ist überliefert, dass Karl Lueger darauf statue – planking around the monument Wert legte, als „einer aus dem Volk“ wahr- banishes the valuable bronze with wood. genommen zu werden, den unmittelbaren This presupposes getting a hold on the Kontakt mit seiner Wählerschaft und ihren anti-Semitic tendencies – a gesture which Anschauungen nicht scheuend. Für die LEGACY will be reinforced in the next stage when Intervention wird Karl Lueger von seinem Richard Zourek the “wooden monument of shame” is erhöhenden Sockel gehoben und, zu zwei buried in the proximate lawn – and is rela- Drittel in die Erde versenkt, wieder „un- Eine leicht überlebensgroße Figur sollte tivized over the years. For the time being ters Volk“ gemischt. Auf diese Weise als Zeichen gegen den Faschismus, dem a cleared square is left until a gaping kann ihm jedermann ohne Umstände Mahnmal gegenüber, aufgestellt werden. wound is opened up once more as the direkt in die Augen blicken und zugleich Diese ist verstümmelt, jedoch aufrecht warped philosophy begins to force its einen Rundumblick wagen auf gegenwär- stehend. Der Körper drahtig, in Bewegung way to the surface again. tige Ausgrenzungen und Angriffe unserer nach vorne, entgegentretend. Der Wider- heutigen Gesellschaft, in der bewusstes stand gegen die Masse. Eine menschliche Weg schauen und vorgespielte Unbetei- Figur als Symbol für all das Leid, das auf- ligtheit den Einzelnen zum Mittäter wer- grund der faschistischen Bewegung ent- den lassen. stand. Eine Figur als Zeichen für alle Men- schen, die nicht aufgaben und den Preis It has been said that Karl Lueger attached dafür zahlten. Damit andere überleben value to the fact that he was regarded as konnten. Ein Zeichen für das existierende “one of the people“, that he sought direct Erbe. contact with his voters, and was not afraid of their views. For the intervention we A slightly larger than life figure will be would take Karl Lueger down from his erected opposite the monument as a pedestal and bury two thirds of him in the warning against fascism. It is mutilated ground so that he once again mixes with but stands erect. The torso is wiry, mov- “the people“. In this way everyone can ing forward, oppositional. Resistance to

282 the masses. A human figure as a symbol Earth will be heaped up in the square. 3E / Class 3E of all the suffering caused by the fascist Huge faces made of polyester emerge movement. A figure that stands for all from it. Short memorable texts will be those who did not give up and paid the cut into the surface, on their skin – text price. So that others may live. A symbol material from Jewish women and men of the existing legacy. who were alive at the same time as Lue- ger, and also from current security, public order, and exclusion discourses. The Lue- ger statue now stands at ground level, in the far corner of the square: literally “standing in the corner” where he can symbolically consider his “bad behav- iour”. The voluptuous figure of a woman in a tutu is now enthroned on the highest Ohne Titel / Untitled point of the pedestal. She is powerful, Clemens Appel, Alexander Athanasiadis, Daniel Hodulik large, wild, colourful, and free. www.zwettlera.wordpress.com

„Karl Lueger in der Ecke“ oder Schulklassen GRG 21, „Karli! In die Ecke“ Bertha von Suttner – Schulschiff Karl Lueger in the Corner or Charlie, Classes GRG 21, Go and Stand in the Corner Bertha von Suttner – School Ship Angela Zwettler betreut von / supervised by Ruth Mateus-Berr Lueger-Denkmal / Lueger Monument Auf dem Denkmalplatz wird Erde hügelig 8CD / Class 8CD Michael Hochstöger, Noel Kurtaran aufgeschüttet. Große Gesichter aus Poly- ester formen sich aus ihr heraus. In die Oberflächen, die Haut der Gesichter sind kurze einprägsame Texte eingeritzt – Texte von jüdischen Frauen und Männern (die zur Zeit Luegers lebten) und zum aktuellen Sicherheits-, Ordnungs- und Ausschlie- ßungs-Diskurs. Die Lueger-Statue steht jetzt unten, in der äußeren Ecke des Denk- malplatzes: Quasi in der Ecke stehend, soll er, symbolisch gesehen, „über seine Taten“ nachdenken. Auf dem höchsten Punkt des Denkmals trohnt eine üppige Frauenfigur mit Ballettrock. Sie ist mäch- Ohne Titel / Untitled Ohne Titel / Untitled tig – groß – wild – bunt – und frei. Rim Aly Stefan Lennart Putz

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Ohne Titel / Untitled Denk-Mal Dr. Karl Lueger Ohne Titel / Untitled Mohamed Mahmoud Think about it Karl Lueger Carolin Griehsler, Michaela Taudes Lukas Quasnicka

Schulklasse 5A, GRG 21, Ödenburgerstraße Class 5A, GRG 21 Ohne Titel / Untitled Ödenburgerstraße Lueger hinter Gittern / Lueger Behind Bars Felix Resch, Lukas Sembera, Antonius Soliman betreut von supervised by Wolf Hummer Selina Hajek, Saniye Karakaya

Lueger Teufel / Lueger Devil Ohne Titel / Untitled Ohne Titel / Untitled Lukas Sembera Nicole Findenig, Omnea El Sesey Alexander Keglovits, Martin Saad

284 Schnee von gestern Water under the bridge [Snow from yesterday] Hedy Maimann

„Schnee von gestern“ stellt die Hoffnung dar, dass Rassismus und Antisemitismus, wie sie von Herrn Lueger vertreten wurden, ein für allemal der Vergangenheit angehö- ren. Konserviert unter einer Glaskugel sind diese unmenschlichen Einstellungen, die Herr Lueger repräsentiert, als negatives

Mahnmal vorhanden, aber gleichzeitig Zwei Seiten / Two Sides Zwei Seiten / Two Sides eingeschlossen in eine „Potenziablase“, Natascha Kratky, Petra Mader Alexander N., Christoph S. die es gilt, nie mehr zu verwirklichen. Da Österreich bekannt ist für Wintersport, war Schnee eine Assoziation, auch weil er Kälte, in diesem Fall Gefühlskälte, so- wie Erstarrung menschlicher Entwicklung versinnbildlicht.

Water under the bridge [Snow from yester- day] represents the hope, that racism and anti-Semitism as performed by Mr. Lueger, once and for all belong to the past. Pre- served under a glass ball these inhuman attitudes, represented by Mr. Lueger, are present but simultaneously locked in a Ohne Titel / Untitled Lueger ins All schießen “Potenziablase” [potentia bubble], that Desiree Böhm, Lisa Muik Sending Lueger into Space should never materialize again. Because David Poppenberger, Bernhard Tögel of Austria being famous for winter sports, Das ehemalige Lueger-Denkmal wird in snow was a connotation and it also sym- unserer Verarbeitung mit einem Glaszylin- bolizes cold, in this case cold-heartedness der umhüllt. Auf diesem Zylinder sind (in and the solidification of human develop- Schwarz) Aussprüche des ehemaligen ment. Bürgermeisters von Wien und (in Rot) www.mon-art. eu Auszüge aus der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Natio- nen zu sehen.

In our reworking, the former Lueger mon- ument will be enclosed in a glass cylinder. On the surface of this cylinder there are statements made by the former mayor of Vienna (in black) along with extracts from the United Nations Declaration of Human Ohne Titel / Untitled Rights (in red). Stella Prähauser, Sara Seyfried

285 REGISTER

A F Jatzko, Katja 241 Adler, Tal 120, 210 Fah, Ren 222 Joechl, Alexander 241 Alonso Novo, Teresa 94, 218 Faiss, Martin 223 Johnson, Bernadette 67, 241 Aly, Rim 283 Fankasso, Lu de 251 Ammann, Gerry 210 Felch, Alexander Karl 223 K Andraschek, Iris 211 Feldbacher, Gerhard 224 Kaltenbrunner, Heike 219 Andraschek, Rosa 101, 104, 211 Ferk, Bernd 224 Karaivanov, Rangel 242 Andreae, Stephan 211 Feucht, Sibylle 224 Karakaya, Saniye 284 Annegang 183, 211 Findenig, Nicole 284 Kastner, Wolfram P. 242 Antifa Mariazell 212 Fink, Fabian 225 Keglovits, Alexander 284 Appel, Clemens 283 Frankenberger, Lukas 148, 225, 226 Keil,Ilona 242 Frgic, Nina 226 Arbeitsgruppe Kritische Raumplanung 212 Kerksieck, Nicolas 243 Fritsch, Marbod 227 Assmann, Aleida 43, 49, 56, 61 Kittl, Elisabeth 175, 177, 180, 221 Athanasiadis, Alexander 283 Fritzenwallner, Peter 228 Kitzler, Martin 243 Auzinger, Joerg 212 Fritz, Ines 227 Klingler, Markus 244 Avraham, Aviel ben 213 Fritz, Martin 187 Futo, Julia 228 Klose, Alexander 238 Knesl, Johannes 244 B Bächer, Tom 213 G Knoll, Toni 244 Barsuglia, Alfredo 34, 213 Gehrer, Peter 229 Knorr, Alexander 245 Barthofer, Magdalena 182, 214 Genovese, Luisa 229 Kober, Tamara 245 Bast, Gerald 184 Geyer, Andrea 134, 229 Kocher, Veronika 169, 175, 245 Bernard, Baptiste Jacob 214 Girsch, Gerhard 230 Kofler, Christian 246 BIEDERPUNK 215 Glasner, Jakob 122, 230 Kollegger, Xaver 246 Biegl, David 215 Gonzales, Blanca Vela 230 Koller, Erich 246 Bigus, M. 183, 211 Graffunder, Gabriele 231 Kopp, Andreas 247 Bihn,Karl 215 Griehsler, Carolin 284 Korab, Alexander 20, 247 Bilir-Meier, Cana 216 Gröller, Harald D. 16 Kosma, Thomas 248 Blaha, Reinfried 216 Gruber, Ernst 150, 231 Krahl, Kathrin 84, 218 Blimlinger, Eva 138, 143, 203 Gruber, Klaudia 217 Krahl, Lena 84, 218 Blittersdorff, Tassilo 217 Gruppe Psycho 20 232, 233 Kratky, Natascha 285 Böhm, Desiree 285 Gurna, Elia 233, 234 Krenn, Andrea 248 Bohn, Markus 238 Krieger, Verena 68, 75 Bolyos, L. 183, 211 H Krondorfer, Birge 188 Bratic, Ljubomir 124, 129 Haacke, Hans 188 Kühn, Ulrich 248 Hajek, Selina 284 Brossmann, Jakob 136, 217 Kulev, Peter 248 Hammer, Heide 110, 115 Brudi, Chuluk 217 Kunstgruppe Horst 249 Hansi, Roman 235 Brunsteiner, Jutta 218 Kuppelwieser, Evelyn 249 Heeger, Daliah 235 Buchmann, Sabeth 187 Kurbak, Ebru 273 Busch, Stefanie 84, 218 Heider, Caroline 235 Hirn, Lisz 236 Kurtaran, Noel 283 Hirschl, Jasmina 169, 175 C L c_able 94, 218 Hochstöger, Michael 283 Lackner, Rudolfine 169, 175 Campagna, Pamela 94, 218 Hödl, Estelle 235 Leidinger, Hannes 22, 28 Cañavate, David 94, 218 Hodulik, Daniel 283 Lennart Putz, Stefan 283 Carmel, Shira 219 Hofbauer, David 236 Lerperger, Hans 249 Ceeh, Anna 219 Hohenbüchler, Christine 236, 237 Litkey, Kinga 250 Chlan, Ilse 220 Hohenbüchler, Irene 236, 237 Clay, James 220 Hoier, Jona 273 Litschauer, Maria Theresia 250 Corbic-Schubert, Maida 220 Höller, Dieter 238 Lohrmann, Renate 251 Höller, Walter 238 Lorenz, Edgar 251 Hunger, Oliver 239 D Loskant, Philip 243 Dechant, Susanne 180, 221 Hurter, Theo 239 Diederichsen, Diedrich 86, 90 M Dölle, Lutz 221 I Mader, Petra 285 Ingold, Res 211 Mahmoud, Mohamed 284 E Maimann, Hedy 252, 285 Ebner, Petra 222 J MALMOE 36, 189, 252 Jacobi, Peter 239, 240 Egger, Hannes 222 Malone, Angela 252 El Sesey, Omnea 284 Jaritz, Patrick 240 Malone, Steffany 252

286 Manoschek, Walter 192 R T Marian, Thomas 253 Rabinovici, Doron 185 Tarnai, Titusz 52, 273 Martins,Tiago 273 Raimondi, Luciano 264 Taudes, Michaela 284 Maurer, Christian 253 Rainer, Konrad 264 Team4040 273 McGill, John 66, 253 Raunig, Gerald 193 Templin,Andreas 274 Mergenthal, Peter J. G. 254 Rauter, Ulla 265 Thaler, Georg 274 Mertel, Ulrich 254 Rebek, Biki Sibila 228 Thaler, Hartwig 274 Miribung, Raffael 254 Reichelt, Matthias 98, 102, 193 Theile, Felix 275 Moosgaard, Peter 255 Reiner, Stefanie 265 Theiler, Christoph 278 Mörtl, Ilona 255 Reitter, Victoria 216 Theis,Katinka 108, 275 Mückstein, Roland 255 Resch, Felix 284 Thill, Helena Lillo 275 Muik, Lisa 285 reset. 265 Thurm-Nemeth,Volker 276 Riegler,Werner 266 Tögel, Bernhard 285 N Ritter, Stefan 96, 266 Töpfer, Axel 229 N., Alexander 285 Roberts, Lucienne 60, 64, 66, 253 Tranninger, Christina 276 Negrilá, Corina Liliana 230 Rosenberg, Susi 266 Traubeck, Bartholomäus 256 Neudeck, Nanna 52, 273 Roßbacher, Gerald 248 Tritten, Annette 276 Niedermair, Christina 256 Röys, Karl Ingar 111, 267 Tritten, Sarah 276 Novak, Lukas 256 Rückerl, Lukas 267 Ruf,Igor 82, 267 U O Uhl, Heidemarie 38, 45 Oberlechner, G. 183, 211 S Oblasser, Wolfgang 257 Saad, Martin 284 V O’Shea, Liam 257 Salchegger, Marlies 213 Venne, Winfried 231 Samuel, Benjamin 268 Verein Talent 277 P Scheiderbauer, Thomas 94, 218 Vetsch, Corina 81, 277 Paier, Ilona 257 Schluderbacher, Denise A. 230 Völker, Marc 277 Paller, Peter 258 Schmidt, Michl 215 Panholzer, Lilly 169, 175, 258 Schneider, Bernhard 246 W Paul, Sebastian 258 Schneider, Karin 111, 115, 120, 210 Wachsmuth, Arye 100, 104, 106, 278 Pernt, Heimo 259 Schriffl, Helmut 268 Wassermair, Martin 195 Pichler, Eva 54, 281, 282 S., Christoph 285 wechselstrom 278 Pichler, Gerhard 54, 281, 282 Schrittesser, Werner 277 Weissenböck, Markus 278 Pinter, Klaus 259 Schuberth und Schuberth 269 Weiss, Regina 108, 275 Pittroff, aka Renate 278 Schubert, Jan Eric 220 Welzmüller, Anita 277 Plakolm,Leonhard 259 Schubert, Katja 268 Wendt, Kurto 110, 115 Plattform Geschichtspolitik 154, 160, 166, 260 Seifert, René 269 Wenninger, Florian 196 Pokerschnig, Daniel 260 Sembera, Lukas 284 Wiener, Peter H. 279 Polachowski, Michael 269 Seyfried, Sara 285 Wihlidal, Klemens 44, 49, 149, 279 Pollak, Alexander 193 shlomofish 269, 270 Wink, Lisa 280 Ponger, Lisl 186 Simcik, Jakub 270 Wirnsperger, Stefan 280 Poppenberger, David 285 Sirbegovic, Amila 220 Wittenberger 280 Possert, Heinz 261 Soliman, Antonius 284 Wöber 280 Prähauser, Stella 285 Sönmez,Onur 273 Wodak, Ruth 196 Pramenkovic, Riad 118, 119, 261 Speed, Timothy 270 Wolf, Konrad 240 Preuss, Phillip 261 Spiegel, Marcus 94, 218 Wölzl, Rainer 281 PRINZGAU/podgorschek 262 Spitzer, Natascha 271 Wukounig, Olga 281 Probst, Michael 273 Spreafico, Andrea 215 Wülfing, Nanna 134, 229 Prokop, Claus 262 Srb, Christoph 271 Proschek, Markus 262 Starzmann, Gustav 271 Z Prost, Daniel 235 Steineder, Jürgen 229 Zourek, Richard 282 Pucher, Gerhard 263 Steinhauser, Simon 272 zweintopf 54, 281, 282 Pulman, Michal 263 Sternfeld, Nora 194 Zwettler,Angela 283 Strohmayer, Jürgen 242 Q Stückler, Simone 272 Quasnicka, Lukas 284 Stuhlpfarrer,Daniel 272 Quehenberger, Susanne 152, 263 Südosttangente 52, 273

287 DANKSAGUNG

Ein besonderes Dankeschön an alle Teil- Evá Kovács Anselm Wagner nehmer_innen an der Ausschreibung für Verena Krieger Felicia Waldman ihre Statements und ihr Engagement! Birge Krondorfer Martin Wassermair Christian Kühn Kurto Wendt Claudia Kuretsidis-Haider Florian Wenninger Wir möchten uns auch bei allen Unter- Rudolfine Lackner Ruth Wodak stützer_innen für ihre Mit hilfe und Inspi- Hannes Leidinger ration bedanken! Ruth Noack Organisationen und Kollektive Barbara Albert Bettina Mangold Filmarchiv Austria Aleida Assmann Walter Manoschek Institut für historische Intervention Gerald Bast Verena Moritz (www.iehi.eu) Martin Betz Frank Müller Eva Blimlinger Andreas Peham no-racism.net / Stadterforschung Ljubomir Bratic Anton Pelinka Österreichische Lagergemeinschaft Sabeth Buchmann Alexander Pollak Ravensbrück & FreundInnen Boris Buden Lisl Ponger Plattform Geschichtspolitik Marietta Böning Barbara Putz-Plecko Redaktionskollektiv der Zeitschrift Isolde Charim Doron Rabinovici MALMOE Silvia Dallinger Gerald Raunig Diedrich Diederichsen Gerhard Rauscher Republikanischer Klub Hubert Christian Ehalt Matthias Reichelt VBKÖ – Verein bildender Martin Fritz Anja Salomonowitz Künstlerinnen Österreichs Harald D. Gröller Robert Schindel Verein Gedenkdienst Stefanie Glasner Marco Schreuder ZARA – Zivilcourage und Hans Haacke Anja Seipenbusch Anti-Rassismus-Arbeit Heide Hammer Tim Sharp Daniela Hammer-Tugendhat Nora Sternfeld Felicias Heimann-Jelinek Sibylle Summer Kathrin Hoffmann-Curtius Georg Traska Johanna Kandl Heidemarie Uhl

Gefördert durch: HochschülerInnenschaft der Universität für angewandte Kunst Wien HochschülerInnenschaft der Universität Wien Kunst und Kommunikative Praxis, Abteilung der Universität für angewandte Kunst Wien Österreichische HochschülerInnenschaft Bundesvertretung Stadt Wien, MA 7 – Kultur, Wissenschafts- und Forschungsförderung Universität für angewandte Kunst Wien

288 Die Geschichte lehrt, wie wichtig es ist, sich gegen alle Formen von Antisemitismus zu wenden. Umso schwerer wiegt es, dass nach wie vor in Wien ein Denkmal mit einer Statue von einem Politiker steht, der schon vor über hundert Jahren Antisemitismus als politische Strategie nützte, um in dieser Stadt die Macht zu erlangen. Das Denkmal für den Altbürger meister Karl Lueger darf nicht mehr länger die Geschichte verklären, sondern soll zu einem Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus umgestaltet werden. History has shown us just how important it is to take action against all forms of anti- Semitism. Thus it is especially serious that in Vienna there is still a statue to a politician who, over a century ago, used anti-Semitism as a political strategy in order to secure a power base for himself in the city. The statue to the former mayor, Lueger, cannot be allowed to romanticise history any longer. It should be transformed into a monument against anti-Semitism and racism. www.luegerplatz.com