
HANDBUCH ZUR UMGESTALTUNG DES LUEGER-DENKMALS HANDBOOK FOR A REDESIGN OF THE LUEGER MONUMENT 1 Impressum Eigentümer, Herausgeber, Verleger und für den Inhalt verantwortlich: Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus Redaktionsleitung: Jasmina Hirschl, Lilly Panholzer Redaktion: Ruben Demus, Lukas Frankenberger, Jakob Glasner, Veronika Kocher, Alexander Korab, Martin Krenn, Georg Wolf 1010 Wien, Oska-Kokoschka-Platz 2 Übersetzung: Tim Sharp, Marina Brandtner Lektorat: Martin Betz, Armin Baumgartner Verein „Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus“: Ruben Demus, Lukas Frankenberger, Jakob Glasner, Jasmina Hirschl, Veronika Kocher, Alexander Korab, Martin Krenn, Lilly Panholzer, Georg Wolf Mitwirkende: Sabine Duschnig, Iris Hummer, Mona Liska, Ursula Malina, Elke Elisabeth Reiserbauer, Michaela Scheiflinger, Peter Schlager, Daniel Stuhlpfarrer, Elena Waclawiczek, Paul-Lukas Wagner, Maria Wambacher Das Projekt wurde an der Universität für Angewandte Kunst in der Klasse Kunst und kommunikative Praxis (Barbara Putz-Plecko) im Rahmen der von Martin Krenn geleiteten Lehrveranstaltung „Wider das Vergessen“ entwickelt und umgesetzt. 1. Auflage 2011 © Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Abdrucks oder der Reproduktion einer Abbildung, sind vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheber_innenrechtlich geschützt. Jede Verwendung ohne Zustimmung des Arbeitskreises ist unzulässig. Die Bildrechte der eingereichten Projekte liegen bei den Teilnehmenden. Abb. S. 172: Rudolfine Lackner; Abb. S. 189: Denkmalpflege GmbH; Abb. S. 197, 203: Filmarchiv Austria Umschlagbild: © Laurenz Feinig, Lilly Panholzer 2010 Layout und grafische Gestaltung: Ursula Malina Druck: flyeralarm.at, 2351 Wr. Neudorf ZVR: 662773619 www.luegerplatz.com 2 INHALT / CONTENT 04 VORWORT Matthias Reichelt 10 FOREWORD #ÐNAEJAREOQAHHA&NNEP=PEKJ=HOJH=OOVQN/AŃATEKJ &J#=RKQNKB=3EOQ=H&NNEP=PEKJ=O$NKQJ@OBKN/AŃA?PEKJ 14 HANDBUCH ZUR UMGESTALTUNG 15 HANDBOOK FOR A REDESIGN Heide Hammer, Kurto Wendt 110 „Scheiß auf Kunst, ich will Revolte.“ Harald D. Gröller 115 „Fuck art, I want revolt.“ 16 Die vielen Facetten des Personenkults um Karl Lueger 18 The many facets of the Karl Lueger personality cult Ljubomir Bratic 124 Zum vergangenen und gegenwärtigen Populismus Zusammengestellt von Alexander Korab 129 On Past and Present Populism 20 Facetten in Zitatform Eva Blimlinger Hannes Leidinger, Verena Moritz 138 Karl Lueger, 3,5 Grad und der Denkmalschutz 22 Antisemitismus in Österreich – Ein Überblick 143 Karl Lueger, 3,5 Degrees and the Protection of Monuments 28 Anti-Semitism in Austria – An Overview Ein Gespräch der / a discussion by „Plattform Geschichtspolitik“ Heidemarie Uhl 154 Die Bausubstanz angreifen 38 Aus dem Lot. 160 Attacking the Fabric !AJGI¼HANQJ@NAŃATERA"NEJJANQJCOGQHPQN 45 Out of True. Jasmina Hirschl, Elisabeth Kittl, Veronika Kocher, *KJQIAJPO=J@/AŃA?PERA*AIKNE=H QHPQNA /Q@KHłJA)=?GJAN )EHHU-=JDKHVAN !AN,LAJ =HH@AON>AEPOGNAEOAOVQNĽ2ICAOP=HPQJC@AO Aleida Assmann Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus 56 Ein Weckruf im Herzen der Stadt und Rassismus“ zu phallusartiger Manier Interventionen rund um das Karl-Lueger-Denkmal in Wien 1DA,LAJ =HHKBPDA-NAOOQNA$NKQLPK/A@AOECJPDA 4=GAQL =HHEJPDA%A=NPKBPDA EPU Lueger Statue into a Monument against Anti-Semitism &JPANRAJPEKJO KJ?ANJEJCPDA(=NH)QACAN*KJQIAJPEJ3EAJJ= and Racism about Phallus-like Manner. Verena Krieger 68 Prinzip Palimpsest 184 UNTERSTÜTZER*INNENSTATEMENTS / SUPPORTERS Künstlerische Strategien zur Transformation problematisch gewordener Denkmäler 197 PRESSE 75 The Palimpsest Principle Artistic Strategies for Transforming 208 EINREICHUNGEN / SUBMISSIONS Monuments that Have Become Problematic 286 REGISTER Interview mit / with Diedrich Diederichsen 86 Die Politik des Monuments: 288 DANKSAGUNG Naturalismus, Minimalismus und ihre Alternativen 90 The Policy of the Monument: Naturalism, Minimalism and its Alternatives 3 VORWORT Mitten im ersten Bezirk Wiens steht an prominenter Stelle seit 1926 ein Denkmal zu Ehren des ehemaligen Wiener Bürgermeisters und Anti- semiten Dr. Karl Lueger. Dieses Denkmal steht symptomatisch für den österreichischen Umgang mit der Geschichte des Antisemitismus und Rassismus. Seit dem Frühjahr 2009 setzen wir uns als Arbeitskreis Eine weitere Parole, mit der Lueger warb, lautete: „Wien für die Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahn- ist deutsch und muss deutsch bleiben.“2 Die Umgangs- mal gegen Antisemitismus und Rassismus ein. Um dem sprache, durch die die Nationalität im Vielvölkerstaat defi- Anliegen Nachdruck zu verleihen, schrieben wir einen niert wurde, bildete dabei den Ausgangspunkt seiner internationalen Open Call aus. Politik: Nicht deutsch sprechenden Wiener_innen wurde energisch abverlangt, die deutsche Sprache zu gebrau- chen. Auch veranlasste Lueger eine Ergänzung des Wie- BEDEUTUNG KARL LUEGERS ner Einbürgerungsgesetzes von 1890. Dem Einbürge- Antisemitismus hat in Wien eine lange Tradition, die weit rungspassus wurde der Eid der Bewerber_innen hinzu- vor die Zeit des Nationalsozialismus zurückreicht. In den gefügt, „den deutschen Charakter der Stadt nach Kräften 3 1880er Jahren erkannte der Jurist Dr. Karl Lueger die aufrecht“ zu erhalten. Außerdem wurde die Zeremonie Wirkungskraft einer demagogisch-rhetorisch eingesetz- des Bürgereides im Rathaus mit einer feierlichen Bekräf- ten „Judenfeindlichkeit“ und nützte sie für seinen Auf- tigung des Grundsatzes, dass Wien eine deutsche Stadt stieg zur Macht in Wien. Der Antisemitismus als Konglo- sei, verbunden. merat verschiedenster Strömungen, die sich in der Christ- Am Stubenring steht das größte der für Lueger gebau- lichsozialen Partei bündelten, brachte Lueger schließlich ten Denkmäler. Es verherrlicht seine Leistungen und von 1897 bis 1910 in das Amt des Wiener Bürgermeisters. verschweigt seine antimagyarische und antisemitische Lueger propagierte, dass die katholische Kirche „Schutz Haltung und Propaganda. und Schirm gegen die jüdische Unterdrückung“ sei und Gestaltet wurde das Denkmal von dem Bildhauer Josef „das christliche Volk von den schmachvollen Fesseln der Müllner (1913 geplant, aber erst 1926 errichtet), der auch Judenknechtschaft befreien“ werde.1 den mittlerweile versetzten und umgestalteten „Sieg- friedskopf“ in der Universität Wien (ehemaliger Neonazi- 1 Vgl. Rede Luegers von 1899 in „Weiningers Versammlungsplatz und bis heute traditioneller Burschen- Nacht“, Europa-Verlag, Wien 1989 schafter-Treffpunkt) und eine Hitler-Büste für die Aula 2 zitiert nach Hamann 1998, S. 429. 3 ibd. der Akademie der bildenden Künste anfertigte. 4 Passant_innenbefragung am 25. Mai 2009 Durch die Pflege und Duldung des Denkmals wird das Der Personenkult rund um Lueger findet sich im heutigen Wirken Luegers verharmlost. Sein Antisemitismus und Stadtbild auch noch an anderen Stellen. So ist ein Teil seine Demagogie werden bis heute kaum thematisiert. der Wiener Ringstraße nach ihm benannt, und es exis- tieren zahlreiche weitere Lueger-Denkmäler in und außer- Evelyn Polt-Heinzl macht den Umstand der mangelnden halb von Wien. Aber nicht nur sein Name und Abbild, österreichischen Selbstreflexion in ihrem Artikel „Er hat auch seine Rhetorik wirkt bis in die Gegenwart hinein. seine Fehler, aber er ist ein Genie“ in der „Neuen Zürcher So findet sich zum Beispiel der Slogan der rechtspopu- Zeitung“ deutlich: listischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) „Wien „Dass im traditionell roten Wien Wahlen anstehen, ist eine darf nicht Istanbul werden“ schon bei Lueger, nur hieß es Erklärung, aber keine Entschuldigung dafür, dass noch damals „Groß-Wien darf nicht Groß-Jerusalem werden“. 2010 Luegers politische Instrumentalisierung des Antise- mitismus, also ein Indiz politischer Unmoral, mit dem non- chalanten Verweis, er sei eigentlich „gar nicht so“ ge we- 4 Evelyn Polt-Heinzl in „Er hat seine Fehler, aber er ist ein Genie“, am 29. April 2010, www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/er_hat_ sen, zum entlastenden Argument uminterpretiert wird.“4 seine_fehler_aber_er_ist_ein_genie_1.5588712.html (21. 5. 2011) 5 VORWORT /"&10(/"&0 ,-"+ ))2+!!&0(200&,+ „Der Arbeitskreis zur Umgestaltung des Lueger-Denk- mals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassis- mus in Österreich“ wurde an der Universität für Ange- wandte Kunst in der Klasse Kunst und kommunikative Praxis im Rahmen der von Martin Krenn geleiteten Lehr- veranstaltung „Wider das Vergessen“ im März 2009 gegründet. Unter dem Motto „Wir gestalten für Sie um“ stellten wir am 25. Mai 2009 mittels einer großen fahrbaren Werbe- tafel die baldige Umgestaltung des Lueger-Denkmals am Lueger-Platz in Aussicht. Dazu interviewten wir Passant_innen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen, wie die Öffentlichkeit auf einen solchen Vorschlag reagiert. Am 9. Dezember 2009 lud der „Arbeitskreis zur Umge- staltung des Lueger-Denkmals“ zu einem Pressegespräch zur Eröffnung des Open Calls. Hier sprachen unter an- deren auch prominente Unterstützer_innen des Vorha- bens wie Gerald Bast (Rektor der Universität für ange- wandte Kunst Wien), Lisl Ponger (Künstlerin), Doron Rabinovici (Schriftsteller und Historiker), Heidemarie Uhl (Historikerin) und Verena Krieger (Kunsthistorikerin). Der Open Call lud im Sinne einer „sozialen Plastik“ Inte- ressierte ein, ihre Umgestaltungsideen einzureichen und öffentlich zur Diskussion zu stellen. Da die Stadt Wien bis heute weder den
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