Robert Dornhelm Filmregisseur Im Gespräch Mit Hubert Von Spreti
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Sendung vom 27.6.2013, 21.00 Uhr Robert Dornhelm Filmregisseur im Gespräch mit Hubert von Spreti Spreti: Grüß Gott, meine Damen und Herren, willkommen zu einem neuen alpha-Forum mit einem sehr interessanten Gast. Dies aber nicht nur, weil er von weit her gereist ist – er lebt nämlich seit einigen Jahrzehnten hauptsächlich in Los Angeles. Ich darf ganz herzlich den Regisseur Robert Dornhelm begrüßen. Dornhelm: Guten Abend. Spreti: Man kann sagen, dass Sie mittlerweile ein Austro-Amerikaner geworden sind, denn Sie haben ja beide Staatsbürgerschaften. Dornhelm: Jawohl. Spreti: Gebürtig aber sind Sie eigentlich aus Rumänien, aus Temesvar. Mit Ihrer Biografie würde ich vielleicht gerne sofort beginnen, denn die ist ebenso spannend wie Ihre Filmografie. Sie sind als 13-Jähriger mit Ihren Eltern aus Temesvar nach Wien geflohen. Sie haben sogar mal gesagt: "Ich bin gar nicht geflohen, ich wurde herausgekauft." Dornhelm: Ja, ich wurde ausgetauscht. Spreti: Wie war das damals? Dornhelm: Ich wurde gegen ein paar Tonnen Schweinefleisch ausgetauscht. Spreti: Wirklich? Dornhelm: Das war ein sehr unkoscherer Deal, obwohl diese Deals über Jahrzehnte hinweg von einem Rabbiner in Amsterdam betrieben wurden. Der Deal bestand darin, dass ein überhöhter Schweinefleischpreis gezahlt wurde von den jeweiligen Verwandten aus dem Ausland, damit ihre Familienangehörigen ausreisen konnten. Denn dafür gab es falsche Pässe. Das war wirklich kein koscherer Deal. Auf diese Weise sind eben auch wir herausgekauft worden. Zum Teil saßen damals meine Verwandten sogar noch im Gefängnis in Rumänien. Mein Vater saß ebenfalls fünf Jahre im Gefängnis, um ihn sozialistisch umzuerziehen. Das ist ihnen aber nicht ganz gelungen, und am Ende hat dann doch der Kapitalismus gesiegt, indem nämlich das totalitäre Regime schlicht bestochen wurde: Es hat nach Zahlung dieses überhöhten Schweinefleischpreises Pässe ausgestellt. Denn es waren Mitglieder der Regierung, mit denen dieser Deal gemacht wurde: Das waren tatsächlich Mitglieder des Handelsministeriums, die diese Gelder "verwaltet" haben. Auf diese Weise kamen wir jedenfalls raus. Spreti: Würden Sie sagen, dass die Erfahrung dieser Emigration, dieser Flucht – denn letztlich war das ja doch eine –, einen sehr bleibenden Eindruck hinterlassen hat bei Ihnen, wenn Sie heute zurückblicken? Denn Sie haben ja auch Filme über diese Zeit gemacht, auf die wir später noch zu sprechen kommen. Sie waren damals 13 Jahre alt, da ist man schon ziemlich aufnahmefähig. Dornhelm: Ich wollte bereits ein paar Jahre später Filmemacher werden, und bin das ja auch geworden. Ich wollte dabei zuerst einmal diese Geschichte erzählen. Meine Eltern waren streng dagegen, weil sie gemeint haben: "Noch gibt es Leute, die auf diese Weise das Land verlassen wollen. Deren Chancen würdest du damit ruinieren!" Ich habe also diesen Film damals nicht gemacht. Aber vier Jahre nach unserer Auswanderung bin ich bereits auf die Filmakademie in Wien gegangen. Es war auch dort für mich völlig klar: Entweder sie lassen mich an die Akademie – denn die Mittelschule, auf der ich eigentlich war, hat mich einfach nicht mehr interessiert – oder ich wandere nach Australien aus. Ich hatte bei der Botschaft von Australien sogar schon um ein Einreisevisum angesucht. Aber es ist mir dann doch gelungen, an der Filmakademie aufgenommen zu werden. Spreti: Da waren Sie noch relativ jung. Dornhelm: Ich war noch sehr jung. Und ich bin dann auch wieder sehr früh ausgestiegen, denn mit 19 Jahren wurde ich Vater. Und deswegen hat meine Familie gesagt: "Nun, wenn du Familie hast ... Spreti: Hatten Sie keine Lust mehr oder mussten Sie dann Geld verdienen? Dornhelm: So war es. Meine Familie hat gesagt: "Wenn du Familie hast, dann musst du sie auch ernähren." Und so habe ich bereits mit 20 Jahren meinen ersten Film für den ORF inszeniert. Spreti: Sie haben ja ein gutes Jahrzehnt beim ORF gearbeitet, vor allem im dokumentarischen, im Dokumentationsbereich. Würden Sie denn sagen, dass das auch eine Art Schule war für Ihre späteren fiktionalen Arbeiten? Dornhelm: Ja, absolut. Spreti: Sie machen ja immer noch Dokumentationen und Dokumentarfilme, aber Ihren Namen haben Sie sich primär im fiktionalen Bereich gemacht. Dornhelm: Ich werde nach wie vor vom Dokumentarischen stark beeinflusst. Ich empfinde die Realität oft als viel poetischer und interessanter als die Fiktion. Ich versuche daher, zumindest das Grundgewebe meiner Filme in der Realität anzusiedeln, weil mir das einfach besser gefällt. Ich denke mir, dass man, um eine Illusion herstellen zu können, die Dinge irgendwie der Realität entnehmen sollte. Meine Helden sind nach wie vor Leute wie Vittorio De Seta und sein Film "Die Banditen von Orgosolo", den er komplett mit Laiendarstellern gedreht hat. Mich faszinieren einfach Filme, die sehr stark mit der Realität zu tun haben. Spreti: Würden Sie denn jungen Leuten, die den Fernsehfilm, den Spielfilm, die also auf jeden Fall fiktionales Erzählen im Auge haben, raten, sich zuerst einmal im Dokumentarischen so richtig schlauzumachen, und zwar jenseits der immer nötigen Recherchearbeit? Dornhelm: Ich würde sogar noch weiter gehen und fordern: Sie sollen zuerst einmal das Leben voll verstehen! Sie sollen die Hände in die Erde stecken, die Realität verstehen lernen, sollen Armut verstehen, Reichtum verstehen, das Geld verstehen usw. Sie sollen wissen, wie das ist im Leben. Und dann sollen sie aus dieser Erfahrung schöpfen. Denn nur vom Träumen und der Idee, Tarantino nachäffen zu wollen und Variationen von Tarantino-Filmen zu machen, macht man keine guten Filme. Mir kommt es nämlich so vor, als würden heute in den Filmen immer stärker andere Filme zitiert werden, statt dass Geschichten erzählt werden, die mit unserem Leben zu tun haben. Spreti: Es ist ja auch interessant, dass eigentlich ein Dokumentarfilm Ihren Weg in die USA geebnet hat, wo Sie heute ein sehr erfolgreicher Film- und Fernsehregisseur sind. Wie war das damals? Ich glaube, das war in den Jahren 1977/78 und es gab auch eine Oscar-Nominierung. Dornhelm: Ursprünglich hatte ich ja den gleichen Film schon für den ORF gemacht: einen Tanzfilm über das Kirow-Ballett und die berühmte Waganowa- Schule im damaligen Leningrad. Diesen Film hat ein Amerikaner gesehen, als ich gerade wegen eines anderen Films über Russland in Los Angeles gewesen bin. Ich habe nämlich damals noch einige Filme in der damaligen Sowjetunion gedreht. Ich war also gerade mit einem Film über den Sänger Wladimir Wyssozki in Los Angeles, der dann bei CBS in "60 Minutes", einer sehr prominenten dokumentarischen Reportagesendung, gelaufen ist, weil CBS diesen Film angekauft hat. Ein sehr reicher Mann hat mich dann besucht, während ich diesen Film über Wyssozki verkauft habe. Ich war damals wirklich noch ein armer ORF-Angestellter, denn der ORF hat seinerzeit ja so gut wie nichts bezahlt. Ich hatte dann aber die Taschen voller Geld, weil ich diesen Wyssozki-Film an die CBS hatte verkaufen können. Ich habe dann diesen Millionär ganz einfach eingeladen: Ich glaube, ich war damals gerade mal 25 Jahre alt. Er war sehr angetan davon, dass so ein junger Österreicher einen Millionär einlädt und zu ihm sagt: "Iss, was du willst, ich bezahle!" Er meinte dann, er würde gerne einen weiteren Ballettfilm von mir finanzieren und was das denn kosten würde. Da ich Geld in der Tasche hatte, war ich mutig und sagte: "Das kostet 100000 Dollar!" Das war damals viel Geld, eine wirkliche Riesensumme. Ich habe mir gedacht, dass er mich auf höchstens 50000 Dollar runterhandeln wird. Er aber sagte nur: "Gut, wohin soll ich dieses Geld überweisen?" Er hat mir dann dieses Geld tatsächlich überwiesen. Ich war dann nur ein paar Wochen später schon wieder in Petersburg bzw. im damaligen Leningrad und habe mit einem Team vom ORF einen Film gedreht. Dieser Film ist ganz schön geworden, aber er hat dann zu mir gesagt: "Wen könnten wir denn dafür engagieren, diesen Film einzuleiten, zu moderieren?" Es hieß dann, Paul Newman würde das gerne machen, weil er eine Affinität zum Ballett habe, weil er und seine Frau in Saratoga, wo sie wohnen, eine Ballettschule unterstützen. Aber dann kam plötzlich eine Pressemeldung, dass in Monte Carlo eine neue Ballettschule gegründet worden ist. Und genau dorthin gab es von Leningrad aus Beziehungen: über das Ballet Russe de Monte Carlo und über Djagilew und Nijinsky, die damals in Monte Carlo gelebt haben, zu Grace Kelly. Und Grace Kelly wiederum war die Patronin dieser Ballettschule. Ich dachte mir: "Das Nächstliegende wäre doch, Grace Kelly als Narrator zu nehmen." So bestieg ich mit einer 16mm-Kopie meines Films unter dem Arm ein Flugzeug nach Monte Carlo. Ich konnte ihr diesen Film auch tatsächlich vorführen und sie hat dann sofort gesagt, dass sie gerne bei diesem Film mitmachen würde. Spreti: War es denn schwierig, an Grace Kelly heranzukommen? Dornhelm: Das war das Einfachste auf der Welt. Das war wirklich witzig: Ich bin zum Büro von "60 Minutes" in Paris gegangen. Und über meinen Millionär- Förderer und Paul Newman und Hollywood ... Spreti: Da waren Sie praktisch in der richtigen Liga angekommen. Dornhelm: Richtig. Es hat dann sehr einfach funktioniert, Grace Kelly dafür zu gewinnen. Sie war dann auch in Bezug auf die Verträge sehr unkompliziert. Sie hat gesagt: "Ja, das gefällt mir, und meine ganze Gage wird Charity-Projekten gespendet." Sie hat sich dann aber doch sehr engagieren für diesen Film und ist mit ihm und uns zu vielen Veranstaltungen gefahren – und das Geld, das dabei eingenommen wurde, ging immer an wohltätige Einrichtungen für talentierte Kinder, die sich in allen möglichen Kunstrichtungen betätigen. Spreti: Dieser Film hieß? Dornhelm: Auf Deutsch hieß dieser Film "Die Kinder der Theaterstraße", im Original "The Children of Theatre Street". Spreti: Und diesen Film gibt es bis heute immer noch, man kann ihn sich ausleihen, man kann ihn sich bei Amazon oder wo auch immer bestellen. Dornhelm: Ja, und das nach 30 Jahren! Und er läuft auch immer wieder im Fernsehen. Er hat in einem einzigen Kino in Los Angeles alle Produktionskosten eingespielt! Aber dieser Film lief natürlich weltweit. Dieses Kino in Los Angeles war übrigens das "Laemmle": Das ist das Arthouse-Kino in Los Angeles.