Das Verhältnis von Vuk Karadžić und Jacob Grimm anhand ihrer Korrespondez unter besonderer Berücksichtigung der Vorrede der Kleinen serbischen Grammatik

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie

vorgelegt von PETRA PETROVIĆ

am Institut für Slawistik Begutachter: Mag. Dr. phil. Arno Wonisch

Graz, 2014

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere hiermit an Eides Statt, dass ich die von mir eingereichte Diplomarbeit selbständig verfasst habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt benutzten Stellen sind namentlich gekennzeichnet. Ferner versichere ich, dass ich keine andere, außer der im Literaturverzeichnis angegebenen Literatur, verwendet habe. Die Arbeit wurde bisher weder in gleicher noch in ähnllicher Form keiner Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Ausgabe entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz, am 30. Oktober 2014 ...... Petra Petrović

2 Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben.

Ein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Mag. Dr. phil. Arno Wonisch für die Betreuung meiner Diplomarbeit und dass er stets für mich ansprechbar war und mir die Freiheit gelassen hat, die Arbeit nach eigenen Vorstellungen zu entwickeln.

Großer Dank gebührt auch meinen Eltern und meiner Schwester, die mich in allen Entscheidungen bedingungslos unterstützen und mir mein Studium, nicht zuletzt finanziell, ermöglicht haben.

Herzlichen Dank auch an meine beste Freundin Romy für das kritische und konzentrierte

Lesen meiner Diplomarbeit und all die motivierenden Worte in den letzen Monaten.

3 Inhaltsverzeichnis

0. Abstract ...... 6 1. Einleitung ...... 7 2. Biographien ...... 11 2.1 Vuk Stefanović Karadžić ...... 11 2.1.1 Vuk Karadžić und die serbische Sprache ...... 12 2.2 Jacob Ludwig Karl Grimm ...... 15 2.2.1 Jacob Grimm und die serbische Sprache ...... 17 2.3 Jernej Kopitar ...... 19 3. Kopitar, Karadžić und Grimm – Zusammenarbeit und Verhältnis ...... 21 3.1 Zusammenarbeit von Jernej Kopitar und Vuk Stefanović Karadžić ...... 21 3.1.1 Kopitars Rezension über Karadžićs serbische Grammatik ...... 24 3.1.2 Kopitars Anzeige über das serbische Volksliederbuch ...... 25 3.2 Zusammenarbeit von Jacob Grimm und Vuk Stefanović Karadžić ...... 28 3.2.1 Grimms Besprechung von Karadžićs erster Volksliedersammlung (1815) ...... 28 3.2.2 Grimms Besprechung Karadžićs serbischen Wörterbuchs (1819) ...... 30 3.2.3 Grimms Besprechung von Karadžićs Volksliedern Teil 3 (1823) ...... 34 3.2.4 Grimms Besprechung von Karadžićs Volksliedern Teil 1 und Teil 2 (1824) ..... 38 3.2.5 Grimms Besprechung von Karadžićs Übersetzung der Kleinen serbischen Grammatik (1824) ...... 40 3.2.6 Grimms Besprechung von Karadžićs Danica (1826) ...... 41 3.2.7 Grimms Besprechung von Taljvs und Wesselys Übersetzungen der Volkslieder (1826) ...... 45 3.2.8 Grimms Besprechung von Karadžićs Volksliedern Teil 4 (1834) ...... 46 3.2.9 Die Vorrede von Jacob Grimm zur deutschen Übersetzung Karadžićs serbischer Volksmärchen (1853) ...... 48 4. Vuk Karadžićs Kleine serbische Grammatik, verdeutscht und mit einer Vorrede von Jacob Grimm (1824) ...... 51 4.1 Entstehung der Vorrede ...... 51 4.2 Grimms Vorrede zu Karadžićs Kleiner serbischen Grammatik ...... 58 5. Die Entstehung der serbischen Sprache in der Zeit der Romantik ...... 69

4 5.1 Die Epoche der Romantik ...... 69 5.1.1 Die Romantik im deutschsprachigen Raum ...... 69 5.1.2 Die serbische Romantik ...... 70 5.2 Nationsfindung ...... 73 5.2.1 Vuk Karadžić und die Nationsfindung Serbiens ...... 74 5.3 Das Wiener Abkommen ...... 77 6. Schlussfolgerung ...... 79 7. Zusammenfassungen ...... 81 7.1 Zusammenfassung ...... 81 7.2 Sažetak ...... 83 8. Quellenangabe ...... 84 8.1 Literaturverzeichnis ...... 84 8.2 Internetverzeichnis ...... 86 9. Abbildungsverzeichnis ...... 87

5 0. Abstract

The objective of this work is to convey a compact picture of the relationships of the authors to one another and of their concerted working efforts. This is ascertained primarily though the use of the correspondence between Vuk Stefanović Karadžić and Jacob Ludwig Karl Grimm. The basis of this examination is provided by the collected letters of Vuk Karadžić and Jacob Grimm and of Jernej Kopitar, who played an important role in the working relationship between Karadžić and Grimm, as well as by the writer's biographies and their works. The correspondence was largely taken from the works Sabrana Dela Vuka Karadžiča. Prepiska II and Vasmers Bausteine zur Geschichte der deutsch-slavischen geistigen Beziehungen I and B. Kopitars correspondence with Jakob Grimm. A general insight into the lives of each of the writers is first given, followed by an examination of their cooperative work and their relationships to each other. The most extensive joint work of Grimm and Karadžić, namely Vuk Karadžićs Kleine serbische Grammatik, translated into German and with a preface from Jacob Grimm, is thereby given special attention. The origins of the preface, as well as the preface itself are dealt with. The romantic era in the German speaking world and in , as well as the development of the during this era are also discussed.

6 1. Einleitung

Die slawischen Sprachen können nach ihrer geographischen Lage eingeteilt werden, wobei das Serbische zu den südslawischen Sprachen zählt. Die serbische Sprache ist die offizielle Amstsprache im heutigen Serbien. Sie wird auch in anderen südslawischen Ländern, u.a. in Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro oder Mazedonien, gesprochen, wobei diese Sprachen eng miteinander verwandt sind. Wie auch das Kroatische und Bosnische beruht das Serbische auf dem štokavischen Dialekt. Im Serbischen wird hauptsächlich die kyrillische Schrift verwendet, doch kann es auch mit lateinischen Buchstaben geschrieben werden. Das ist deswegen so, weil die orthodox beeinflussten Gebiete die kyrillische Schrift gewählt haben1.

Vuk Stefanović Karadžić gilt als wichtigster Sprachreformer der serbischen Sprache. Er wurde im heutigen Serbien Ende des 18. Jahrhunderts geboren. Ihm gelang es zur Zeit der Romantik und der in Europa stattfindenden Nationsbildung (Anfang 19. Jahrhundert) eine einheitliche Schriftsprache, basierend auf der weitverbreitenden Volkssprache, zu schaffen. Hierfür sammelte er eine große Auswahl an Volks- und Heldenliedern, übersetzte das Neue Testament und verfasste u.a. eine serbische Grammatik. Er schrieb seine Werke fast ausschließlich in der serbischen Volkssprache.

Das Verhältnis von Vuk Stefanović Karadžić zu Jacob Ludwig Karl Grimm bedarf einer näheren Betrachtung, da Grimm Karadžić bei der Erstellung der serbischen Grammatik wesentlich unterstützte und nicht zuletzt sogar die Vorrede schrieb. Grimm genoß zu dieser Zeit bereits einen höheren Bekanntheitsgrad, indem er als deutscher Sprachwissenschaftler sehr angesehen war.

In dieser Arbeit wird der Fokus auf dem Briefverkehr zwischen den beiden Literaten und Wissenschaftlern Karadžić und Grimm sowie auf der Vorrede Grimms zur Kleinen serbischen Grammatik von Karadžić liegen.

1 Die katholisch beeinflussten Gebiete entschieden sich für die lateinische Schrift.

7 Ziel dieser Arbeit ist es, ein kompaktes Bild der Beziehungen zwischen den Autoren, sowie von deren gemeinsamem Wirken zu vermitteln. Dies wird anhand von Biographien, Schriftwechseln, zeitgeschichtlichen Hintergründen und anhand des gemeinsamen Werkes Vuk Karadžićs Kleine serbische Grammatik verdeutscht und mit einer Vorrede von Jacob Grimm erarbeitet.

Zuerst werden Vuk Stefanović Karadžić, Jacob Ludwig Karl Grimm und Jernej Kopitar vorgestellt. Kopitar ist deswegen nicht außer Acht zu lassen, da er den Kontakt zwischen Grimm und Karadžić überhaupt erst herstellte. Kopitar war ein Sprachwissenschaftler aus Slowenien, der sich mit den slawischen Sprachen intensiv auseinandersetzte. Als Karadžić 1813 nach Wien ging, lernte er Kopitar kennen, der dort bereits fünf Jahre lang gelebt hatte. Sie pflegten von Beginn an eine innige Beziehung, die dazu führte, dass Karadžić sich dank der Unterstützung Kopitars der Literatur widmete.

Da Jernej Kopitar seine serbischen Sprachkenntnisse verbessern wollte, es aber nicht ausreichend Grammatiken und Wörterbücher gab, bat er Vuk Karadžić um Unterstützung. Kopitar war auch derjenige, der Karadžić ermunterte, serbische Volkslieder zu sammeln. Im Rahmen eines Kongresses in Wien lernte Jacob Grimm über Kopitar, der seine slawischen Interessen förderte, den gleichaltrigen Vuk Stefanović Karadžić kennen.

Sodann wird auf das jeweilige Verhältnis der Literaten Grimm und Kopitar zu Karadžić eingegangen, indem deren Briefwechsel erörtert wird. In erster Linie wird dabei das Verhältnis von Kopitar und Karadžić behandelt, danach das Verhältnis von Grimm und Karadžić. Meist geht es hier um deren Briefwechsel bezüglich der serbischen Grammatik Karadžićs. Die Briefwechsel werden hauptsächlich aus den Werken Sabrana Dela Vuka Karadžiča. Prepiska II und Vasmers Bausteine zur Geschichte der deutsch-slavischen geistigen Beziehungen I und B. Kopitars Briefwechsel mit Jakob Grimm übernommen.

Im folgenden Teil der Arbeit ergeht eine Besprechung von Grimms Vorrede zu Vuk Karadžićs Kleiner serbischen Grammatik verdeutscht und mit einer Vorrede von Jacob Grimm. Zunächst wird darauf eingegangen, wie es zur Vorrede kam (Kapitel 4.1.).

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Denn nachdem Karadžić seine Kleine serbische Grammatik samt Wörterbuch geschrieben hatte, suchte Kopitar einen geeigneten Übersetzter, der das Werk ins Deutsche übersetzten sollte, denn Kopitar wollte, dass auch die Deutschen in den Genuss der serbischen Volkslieder kamen. Anfangs war der Literat Dimitrije Tirol für die Übersetzung ins Deutsche verantwortlich, jedoch besserte Grimm zu einem späteren Zeitpunkt nicht nur die Grammatik aus, sondern schrieb auch die Vorrede dazu.

Daraufhin wird konkret die Vorrede analysiert, die in zwei Teile gegliedert werden kann: Grimm schrieb anfangs einen kulturellen, sprachgeschichtlichen Bericht über die Slawen allgemein, wobei er besonders auf die Serben einging. Er bezog sich dabei in vielerlei Hinsicht auf die Volkslieder von Karadžić. Auch ging er auf die Verbreitung der Slawen in Europa ein und betonte die Verwandtschaft der slawischen Sprachen.

Dies alles tat er, um dem Leser der Kleinen serbischen Grammatik die Hintergründe und die Notwendigkeit einer einheitlichen Volkssprache sowie der dazugehörigen Grammatik zu vermitteln. Hierzu werden wichtige Textpassagen der Vorrede als Zitate angeführt und analysiert. Der zweite Teil der Vorrede betrifft seine Bemerkungen über die sprachwissenschaftlichen Aspekte Karadžićs Arbeit.

Im nächsten Abschnitt der Arbeit wird über die Entstehung der serbischen Sprache in der Zeitepoche der Romantik (Ende des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts) dargestellt. Es wird allgemein die Romantik in Europa, speziell in Serbien und die einhergehende Nationsfindung geschildert.

Die Nationsfindung ist deshalb von Bedeutung, da durch sie das Nationsbewusstsein in Europa stark zunahm. Nicht zuletzt Karadžićs Sprachauffassung und seine Sprachreform trugen hierzu ihren Teil im südslawischen Sprachraum bei. Auch das Wiener Abkommen von 1850, in dessen Rahmen eine einheitliche Literatursprache von Serben und Kroaten festgelegt wurde, wird beschrieben.„

9 Im vorletzten Abschnitt dir Arbeit werden Schlussfolgerungen gezogen, woraufhin im letzten Kapitel eine Zusammenfassung der Arbeit folgt, und zwar in deutscher Sprache sowie auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch.

10 2. Biographien

2.1 Vuk Stefanović Karadžić

Vuk Stefanović Karadžić war ein serbischer Philologe und wahrscheinlich der wichtigste Sprachreformer der serbischen Sprache. Er wurde am 16. Oktober 1787 in Tršić (heutiges Serbien) als Sohn von Jegda und Stevan Karadžić geboren. Seine fünf älteren Geschwister sind schon im frühen Alter verstorben. Seinen Namen Vuk (dt. „Wolf“) erhielt er deshalb, weil man sich erzählte, dass verstorbene Kleinkinder von Hexen gefressen werden, diese sich aber sicher nicht an Wölfen vergreifen würden. Abb.: 1: Vuk Stefanović Karadžić

Das Lesen und Schreiben lehrte ihm zu Hause sein Cousin Jevto Savić-Čotrić. Vuk Karadžić war sehr wissbegierig. 1795 eröffnete eine Schule in Loznica und Vuk wurde von seinem Vater hingeschickt, doch ehe er den letzten Kurs besuchen konnte, wurde die Schule geschlossen und er musste in sein Dorf zurückkehren. Wenige Monate später versuchte sein Vater es erneut und schickte ihn nach Tronoša. Dort jedoch mussten die Schüler Schafe hüten, weswegen ihn sein Vater wieder zurück nach Hause holte. In der Folge bildete er sich von zuhause aus über Bücher weiter und war mit 15 beziehungsweise 16 Jahren der gebildetste junge Mann im Ort. Seine Eltern waren zwar sehr stolz auf ihn, aber seine Mutter bekümmerte es, dass er im Verhältnis zu gleichaltrigen Kindern eher klein und körperlich unterentwickelt war (vgl. Stojanović 1924: 1ff).

Im Herbst 1804 kam Vuk Karadžić nach in die Schule. Zwei Jahre später wollte er das dortige Gymnasium besuchen, doch wurde ihm die Aufnahme

11 verweigert. Für einen Serben wusste er ausreichend, er konnte werden was er wolle. 1806 ging er nach Petrinja (heutiges Kroatien) um Deutsch zu lernen und ein Jahr später kehrte er wieder nach Serbien zurück. Daraufhin ging sein Cousin Jevto nach Belgrad und nahm Vuk mit. 1809 erkrankte er schwer und musste dewegen nach Hause und von dort nach ins Krankenhaus. 1811 wurde er Zollbeamter, und zwei Jahre später übernahm er das Amt seines Cousins, der Richter und Amtmann war, da dieser als Delegat nach Sofia geschickt wurde (ibid.: 7ff).

Ende 1813 ging Karadžić nach Wien, wo er Jernej Kopitar kennenlernte, der bereits fünf Jahre dort lebte (ibid.: 16). Sie pflegten von Beginn an eine innige Beziehung, die dazu führte, dass Karadžić sich dank der Unterstützung Kopitars der Literatur widmete (ibid.: 31f.). Da Jernej Kopitar seine serbischen Sprachkenntnisse verbessern wollte, es aber nicht ausreichend Literatur wie Grammatiken und Wörterbücher gab, bat er Vuk Karadžić um Hilfe. Die diesbezüglichen Tätigkeiten wurden schon bald zu Ende gebracht (ibid.: 36ff.).

Ende 1816 stirbt Vuk Karadžićs Vater in Tršić. Über den Tod seiner Mutter lässt sich nur mutmaßen, dass sie früher als ihr Mann verstorben ist (ibid.: 174). Ein Jahr später unterschreibt Karadžić im Dezember den Ehevertrag mit seiner zukünftigen Frau Ana Kraus, die er bereits über einen längeren Zeitraum hinweg kannte. Als Trauzeuge bei der Hochzeit in einer katholischen Kirche im Jänner 1818 fungierte Jernej Kopitar (ibid.: 178f.). Da Vuk Karadžić bis 1826 kein regelmäßiges Einkommen hatte (ibid.: 707), unterstützte Kopitar dessen Frau und Kinder finanziell, um Vuk jene Sicherheit Ruhe zu ermöglichen, die er zum Arbeiten benötigte (vgl. Karadžić 1988: 231). Vuk Stefanović Karadžić starb am 26. Jänner in Wien (vgl. Stojanović 1924: 698).

2.1.1 Vuk Karadžić und die serbische Sprache

Vuk Karadžić nahm seine Arbeit an der serbischen Sprache zu einem Zeitpunkt auf, als die Sprache noch „slawenoserbisch“ genannt wurde. Das Slawenoserbische entwickelte sich aus dem Russisch-Kirchenslawischen und wurde im 18. Jahrhundert in der serbischen Kirche und später auch in den Schulen verwendet. Die Vorläufer Vuk

12 Karadžićs und Dositejs2 wollten eine gehobenere Sprache als die des Volkes. Es gab zwei Schriftsprachen, eine für Gebildete und die des Volkes. Dositej wollte eigentlich schon vor Vuk Karadžić eine einheitliche Schriftsprache, dass heißt eine Volkssprache in der Literatur, aber sein Wissen reichte nicht aus, um sein Vorhaben umzusetzten (vgl. Bojić 1977: 38ff.).

Aber auch Zaharije Orfelin verwies bereits 50 Jahre vor Vuk Karadžić darauf, dass man in der Volkssprache schreiben sollte, jedoch schrieb er selbst in der altkirchenslawischen Sprache (vgl. Stojanović 1924: 729). Vuk Karadžić war stark beeinflusst von Jernej Kopitar und dessen Sprachauffassung (vgl. Bojić 1977: 42). Wie sehr Karadžić Koptiar dankbar ist, zeigen folgende Worte: „У осталом што сам ја постао књижевник, и то такав књижевник као што ви мислите, ја сам обавезан само Копитару“3 (vgl. Stojanović 1924: 92).

Karadžić versuchte eine schriftsprachliche Norm zu entwickeln, das heißt, es mussten Regeln geschaffen werden, wie zum Beispiel, welche Dialekte verwendet werden und natürlich die Frage der kirchenslawischen Elemente (vgl. Bojić 1977: 54). Zu Beginn wollte er den herzegowinischen Dialekt, da es „sein“ Dialekt war, den er zu Hause in Tršić gesprochen hatte und am besten kannte, als Basis für die Schriftsprache heranziehen. Dann aber meinte er, dass jeder Schriftsteller in seinem eigenen Dialekt schreiben sollte und das ohne jegliche Veränderung. Die grammatikalischen Formen sollten hingegen von seinem Dialekt übernommen werden, da die anderen – seiner Meinung nach – falsch waren (vgl. Stojanović 1924: 731).

Karadžić kritisierte serbische Schriftsteller vor allem deswegen, weil sie viele fremdsprachige Elemente übernahmen. Er meinte, dass sie durch die fremdsprachige Ausbildung nicht serbisch denken könnten (vgl. Bojić 1977: 55). Er stieß sich auch daran, dass viele Schriftsteller weder rein serbisch noch rein slawisch schrieben, sondern die Formen miteinander mischten. Das Problem lag nicht darin, dass sie ein

2 Dositej Obradović (1739–1811) war ein serbischer Schriftsteller und Gründer der Universität in Belgrad. 3 „Übrigens, dass ich Schriftsteller geworden bin, und dass, so einer wie sie es denken, habe ich nur Kopitar zu verdanken“.

13 anderes Alphabet oder andere Wörter verwendeten, sondern vielmehr darin, dass die Verwendung nicht einheitlich war. So stieß er zum Beispiel auf einer einzigen Seite auf verschiedene Rechtschreibungen (vgl. Stojanović 1924: 729f.).

Vuk Karadžić lehnte Fremdwörter ab, wobei er darin jedoch nicht konsequent war, da in den Volksliedern zahlreiche Turzismen zu finden waren, die er sehr wohl akzeptierte. Russismen und Germanismen lehnte er hingegen kategorisch ab. Auch die Sprache in der Vojvodina nannte er verdorben, da es dort aufgrund der Nähe und Beziehungen zu Österreich viele Germanismen gab. In den 1830er Jahren akzeptierte Karadžić den ijekavischen Dialekt in der Hoffnung, dass er sich mit den Kroaten sprachlich einigen konnte. Die serbischen Schriftsteller lehnten dies aber ab, wobei gerade die aus der Vojvodina stammenden Literaten mittlerweile eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Schriftsprache spielten, weshalb sich in der Folge entgegen Vuk Karadžićs Plänen der ekavische Dialekt durchsetzte (vgl. Bojić 1977: 61f.).

Durch die Pismenica (1814) und das Srpski Rječnik (1818) schuff Karadžić die Voraussetzung für die neue Standardsprache. Als Grundlage zog er die Volkssprache (ostherzegowinischer und neuštokavisch-ijekavischer Dialekt) heran. Sein Prinzip war: „Piši kao što govoriš! Govori kao što pišeš!“4 Sein orthographischer Leitgedanke war, dass jeder Buchstabe einem Laut entsprechen soll. In der Reform von 1868 führte er schließlich neue Buchstaben ein: љ (lj), њ (nj), ђ (đ), џ (dž) und entfernte einige andere aus dem Altkirchenslawischen: ѥ (je), ѣ (jat), я (ja), ю (ju), ї (i), ѱ (ps), ы (i), ъ , ь (vgl. Tošović o.J.: 11).

4 „Schreibe, wie du sprichst! Sprich, wie du schreibst!“.

14 2.2 Jacob Ludwig Karl Grimm

Jacob Grimm wurde am 4. Jänner 1785 in Hanau als ältester Sohn von Dorothea und Philipp Wilhelm Grimm geboren. Er hatte vier Brüder und eine Schwester; drei weitere Geschwister sind im frühen Alter verstorben (vgl. Martus 2012: 13).

Charlotte Schlemmer, Tante väterlicherseits, war die erste Lehrerin Jacobs und Wilhelms. Sie brachte ihnen das Alphabet bei und unterrichtete die Brüder in Religion. Später wurde ihnen des Weiteren ein Französischlehrer an die Seite gestellt, und sie durften die öffentliche Schule besuchen. 1791 zog Jacob Grimm mit seiner Abb.: 2: Jacob Karl Grimm Familie und Charlotte Schlemmer nach Steinau an der Straße, da sein Vater zum Amtmann ernannt wurde (ibid.:23 ff.). Nachdem dieser 1796 verstorben war, lebte die Familie in ärmlichen Verhältnissen. Zu dieser Zeit war Henriette Zimmer, die Schwester seiner Mutter, eine wichtige Bezugsperson und unterstützte die Familie finanziell. 1798 zogen die Brüder Wilhelm und Jacob Grimm nach Kassel, um das Lyceum Fridericianum zu besuchen. Jacob Grimm bemängelte, dass zu wenig Philologie und Geschichte unterrichtet werden würde. Die Brüder übernahmen auch die Erziehung ihrer Geschwister per Briefkorrespondenz, indem sie sich erkundigten, ob sie der Mutter wohl gehorchten und Fortschritte in der Schule machten (ibid.: 32ff.).

Ab 1802 studierte Jacob Grimm in Marburg Rechtswissenschaften und traf dort auf Friedrich Carl von Savigny (ibid.: 58). Durch ihn lernte er zalreiche bekannte und einflussreiche Menschen kennen, unter anderem Vertreter der jungen Romantik wie Clemens Brentano und Achim von Armin (ibid.: 87). Jacob Grimm reiste im Jänner 1805 auf Wunsch Savignys nach Paris, um ihm bei dessen Forschungen zu unterstützen

15 (ibid.: 93f.). Einige Monate später endete sein Aufenthalt in Paris (ibid.: 101), und bei seiner Rückkehr stellte Jacob Grimm fest, dass er die Juristerei verabscheute (ibid.: 104). 1807 entschlossen die Brüder, sich endgültig dem Studium der Geschichte, der Poesie und Literatur zu widmen (ibid.: 115).

Der nächste schwere Schicksalsschlag traf die Brüder Grimm, als ihre Mutter Dorothea im Mai 1808 mit nur 52 Jahren verstarb. Damit seine Geschwister nicht alleine waren und er ihnen finanzielle Unterstützung zukommen lassen konnten, wurde Jacob Grimm Privatbibliothekar beim französischen König Jérome Bonaparte. Trotz dieser Tätigkeit blieb Wilhelm und Jacob Grimm genügend Zeit, um an ihren eigenen Werken zu arbeiten (ibid.: 131ff.).

1814 weilte Jacob Grimm als Legationssekretär mit der kurhessischen Delegation am Wiener Kongress. Seine Arbeit – das Führen von Briefwechseln, die Erstellung von Reinschriften von Protokollen – sollte ihn nicht erfüllen (ibid.: 241). Im Rahmen des Kongresses lernte Jacob Grimm über Kopitar, der seine slawistischen Interessen förderte, den gleichaltrigen Vuk Stefanović Karadžić kennen. Jacob und Wilhelm Grimm hatten bereits länger Interesse an slawischen Sprachen und Literatur und standen auch im Briefwechsel mit dem Tschechen Josef Dobrovský (ibid.: 244.ff).

Im Jahre 1830 zogen die Brüder Grimm nach Göttingen, wo Wilhelm als Unterbibliothekar und Jacob Grimm als ordentlicher Professor an der Philologischen Fakultät der Universität Göttingen und zweiter Bibliothekar tätig war (ibid.: 321). Mit seiner neuen Funktion war Jacob Grimm allerdings nicht zufrieden, da er zu wenig Zeit für sich und seine eigene Arbeit hatte und bereute in der Folge seinen Weggang aus Kassel (ibid.: 331).

1837 wurden Jacob Grimm, dessen Bruder und fünf weitere Professoren der Universität Göttingen aufgrund des Protestes der „Göttinger Sieben“5 aus dem Amt entlassen. Jacob

5 Die „Göttinger Sieben“ waren Jacob und Wilhelm Grimm, Friedrich Dahlmann, Georg Gervinus, Wilhelm Albrecht, Heinrich Ewald und Wilhelm Weber. Nach dem Tod von König Wilhelm IV. wollte sein Nachfolger Ernst August das liberale Staatsgesetz, das von Wilhelm IV. unterzeichnet worden war, nicht akzeptieren. Er wollte eine Rückkehr zu alten Zeiten, als

16 Grimm, Friedrich Dahlmann und Georg Gervinus mussten außerdem innerhalb von drei Tagen das Land verlassen (ibid.: 389f.). Jacob Grimm entschied sich, zurück nach Kassel zu ziehen, wohin ihm sein Bruder Wilhelm wenig später mit seiner Familie folgte (ibid.: 392). 1840 bekamen die Brüder Grimm ein Angebot von Friedrich Wilhelm IV., nach Berlin an die Universität zu kommen, dem sie auch folgten (ibid.: 417). Dort waren sie bis zu ihrem Tode wohnhaft. 1860 starb Wilhelm Grimm (ibid.: 501) und drei Jahre spatter, am 20.09.1863 auch sein Bruder Jacob an den Folgen eines Schlaganfalles (ibid.: 508).

2.2.1 Jacob Grimm und die serbische Sprache

Bei der Anfertigung der Vorrede für die Kleine serbische Grammatik Vuk Karadžićs war Grimm weitgehend auf sich selbst gestellt. Als Quelle diente ihm unterschiedliches Textmaterial, wie etwa die Briefwechsel und Schriften von und mit Kopitar, Karadžić und Dobrovský. Die Vorrede sollte auch die ausführlichste slawische Arbeit von Jacob Grimm bleiben (vgl. Bojić 1977: 146).

Er verfasste die Vorrede samt Verbesserung der Grammatik innerhalb von nur dreieinhalb Monaten (laut dem Briefwechsel fand Karadžićs erster Besuch in Kassel bei Grimm zwischen dem 29.09. und 02.10.1923 statt; den letzten Teil seiner Vorrede schickte Grimm zwischen dem 21. und 25.01.1924 ab), was als Glanzleistung angesehen wird. Grimm befürchtete, dass er zahlreiche grammatikalische Fehler gemacht hatte, denn eigentlich wollte er zuerst ein Jahr Serbisch studieren und erst im Anschluss daran sich dieser Arbeit widmen (in der ursprünglichen Übersetzung von Tirol befanden sich einige Fehler). Seine Beteiligung an der Grammatik wie auch die Vorrede haben das wissenschaftliche Interesse und den Wert der Publikation Wuk's Stephanowitsch Kleine

der König alleiniger Herrscher war. Ernst August hob die neue Verfassung von 1833 auf und nahm die alte aus dem Jahre 1819 wieder in Kraft. Dahlmann organisierte den so genannten Protest, aber von insgesamt 41 Professoren wurde dieser nur von sechs weiteren unterschrieben. Die „Göttinger Sieben“ wendete sich mit einem Schreiben an den König, um dessen Gesetzesbruch anzuklagen. Es kam zu einem schnellen Verfahren, und alle sieben wurden ihres Amtes enthoben (ibid.: 381ff.).

17 serbische Grammatik verdeutscht und mit einer Vorrede von Jacob Grimm (1824) zweifellos erhöht (ibid.: 161f.).

Das Sammeln von serbischem Sprachmaterial durch Jacob Grimm sollte am Anfang des Projekts zweifelsohne der Erweiterung der serbischen Grammatik dienen. Während des Arbeitsprozesses nahm er jedoch laufend Vergleiche mit anderen Grammatiken vor, an denen er gerade arbeitete wie die zweite Ausgabe der Deutschen Grammatik Band 1 und Band 2. Später lag der Grund für sein Interesse an der serbischen Sprache nicht nur im Ausbau der serbischen Grammatik, sondern vielmehr auch in vergleichenden Forschungen der deutschen Sprache. Dank seines Studiums der serbischen Sprache, seiner Bekanntschaft mit Karadžić (über Kopitar) am Wiener Kongress und dank des Wörterbuchs von Karadžić verstand er beim Lesen serbischer Texte wohl das Meiste. Seine Arbeiten zu Vuk Karadžićs serbischer Grammatik führten zu einer Erweiterung seines Wissens über die Sprache, das jedoch hinsichtlich des Vokabulars und der Redewendungen der serbischen Sprache begrenzt war. Nichtsdestotrotz setzte sich Jacob Grimm sein restliches Leben mit der serbischen Sprache und mit der Slawistik auseinander (ibid.: 187ff.).

18 2.3 Jernej Kopitar

Kopitar wurde als Bauernsohn 1780 in Repnje in Krain geboren und bekam den Namen Bartholomäus, im Slawischen Jernej, in Anlehnung an den gleichnamigen Apostel. Er hatte sieben Geschwister, wobei zwei Schwestern und ein Bruder früh verstarben. Sein Vater Jakob schickte ihn mit neun Jahren nach Ljubljana in die Schule, wo er anfangs Schwierigkeiten mit der Abb.: 3: Jernej Kopitar deutschen Sprache hatte, was auch daran lag, dass die Lehrer Krainisch (Slowenisch) sprachen (vgl. Miklosich 1857: 1ff.).

Aufgrund des frühen Todes seiner Eltern musste er als Erzieher und Bibliothekar für Baron Žiga Zois arbeiten und erlernte dort unter anderem auch Englisch, Deutsch und Italienisch. Der von ihm gehaltene Slowenisch-Sprachunterricht war Ausgangspunkt für seine Auseinandersetzung mit der slowenischen Grammatik, und in der Folge resultierte daraus eine Zusammenstellung einer Grammatik der slawischen Sprachen. Auf diese Weise lernte er Dobrovský, den bekannten tschechischen Philologen kennen, mit dem er bis zu dessen Tod in engem Kontakt blieb.

Baron Žiga Zois unterstützte Kopitar umfassend und bat ihm die Möglichkeit nach Wien zu gehen, um dort Rechtswissenschaften zu studieren. Das Studium schloß er 1810 ab. Zu dieser Zeit war er auch an der Wiener Hofbibliothek als Zensor slawischer Bücher beschäftigt. Ein Jahr später reiste er über Prag nach Deutschland und 1814 weiter nach Paris. Die Reisen prägten ihn und waren im Sinne seiner Weiterbildung relevant. Kopitar war ein slawisch– österreichischer Patriot, und bedingt durch seine Ausbildung wurde er früh ein Anhänger der deutschen Kultur. Den Tschechen und Russen hingegen begegnete er mit geringerem Interesse (vgl. Vasmer 1938: XIIf.).

Er fühlte sich als Slawe, obwohl er an seine deutsche Herkunft glaubte, wie aus seinem Brief an Jacob Grimm am 16. April 1836 deutlich hervorgeht:

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[...], der aber auch noch Dorfrichter bedeutet, dergleichen meine Vater selbst war, dessen Vorfahren ich übrigens für Deutsche* halten muß, da die Slawen noch keine Handwerke treiben, Kopitar aber einen Leistner** bedeutet. Sie mögen also als Leistner eingewandert seyn, und sich später in einzelnen (mehreren, ich kenne 2) zweigen als Landbauer angekauft haben [...] *Selbst die Familie meiner Mutter hatte ebenfalls vollends einen rein deutschen Namen: Rëfsmann [...] (Vasmer 1938: 147)

1816 wurde Kopitar Leiter der Handschriftenabteilung der Hofbibliothek und war vielseitig an slawischer Philologie interessiert, was ihn immer wieder von seinen eigentlichen Arbeiten abhielt. Mit deutschsprachigen Gelehrten hielt er fortwährend Kontakt, und wohl niemand brachte den Deutschsprachigen mehr über slawische Sprache bei als er (vgl. Vasmer 1938: XIII). Sein wichtigstes Werk sollte die Grammatik der slavischen Sprache in Krain, Kärnten und Steyermark sein. Jernej Kopitar starb im Jahr 1844.

20 3. Kopitar, Karadžić und Grimm – Zusammenarbeit und Verhältnis

3.1 Zusammenarbeit von Jernej Kopitar und Vuk Stefanović Karadžić

Dank des konstanten Briefverkehrs zwischen Karadžić und Kopitar kann man von einer engen Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den beiden ausgehen. Man fand 167 Briefe von Karadžić an Kopitar und 141 von Kopitar an Karadžić (vgl. Murko 1907: 2).

Kopitar war lange auf der Suche nach einem talentierten Slawisten, der unter seiner Mentorenschaft Grundlegendes zu slawistischen Themen verfassen sollte, konnte aber vorerst niemanden finden, der seinen Vorstellungen und Anforderungen entsprach. Vuk Karadžić und Jernej Kopitar lernten sich 1813 in Wien kennen. Kopitar erkannte Karadžićs Talent und war von Karadžićs Kenntnissen der serbischen Volkssprache begeistert. Er ermunterte Karadžić dazu serbische Volkslieder zu sammln und auch ein Lexikon und eine Grammatik der serbischen Volkssprache zu verfassen (vgl. Vasmer 1938: XVI).

So etwa schrieb Kopitar in seinem Brief vom 27. Mai 1814 die folgenden aufmunternden Worte an Karadžić:

Diess sollten Sie wirklich thun, theurer Freund, und so das ganze Verdienst, die schönen Lieder Ihrer Landsleute der allmähligen Vergesenheit, oder nur der Verstümmelung im Munde so vieler Sänger, entrissen zu haben, sich zueignen. [...] Kein Volk wird dann so schöne Volkslieder aufzuweisen haben, als das Serbische. Mich haben bereits zwei deutsche Dichter, denen ich davon erzählt habe, gebeten, Ihre Pjesnarica ihnen wörtlich zu übersetzten: [...] Arbeiten Sie fleissig an der Grammatik. (Prepiska I: 176f.)

Und auch im Brief vom 11. April 1815 forderte Kopitar Karadžić dazu auf, weiter zu schreiben und zu sammeln und gab ihm folgende Ideen mit auf den Weg:

Wenn Sie die pjesne alle erschöpft haben, so bietet sich Ihnen ein Anhang zu der pjesnarica dar: die Sammlung der serbischen Volkssagen (wie im Deutschen so eben

21 die neueste von Gottschalk erschienen). Ob die Serbier daran so reich sind, wie an Liedern, weiss ich nicht. Sie werden dadurch Ihre pjesnarica vervollständigen, und wir, Ihre geeigneten Leser, den kräftigsten der Slavenstämme nach seinen Ansichten über Welt, und Geschichte seines Lebens, kennen lernen. [...] Nebst den Volkssagen sollten Sie auch eine rein serbische Sprüchwörtersammlung herausgeben; nicht wie im Мушкатировић alles durcheinander, aus dem deutschen, lateinischen, ungarischen etc. übersetzte, sondern nur solche die im serbischen Volke zu hören sind. (Prepiska I: 222f.)

In einem Brief antwortete Karadžić, dass er nicht genau wisse, was Volkssagen sind, aber wenn Kopitar damit jene Erzählungen meinte, die im Volk kursierten, dann gäbe es dieser bei den Serben zur Genüge. Karadžić meinte weiters, dass er selbst schon so viele kenne, sie sehr schön, aber auch beschämend seien und dass Kopitar sich diese zuerst ansehen müsse. Er schrieb auch, dass Sprichwörter nicht so einfach zu sammeln seien, da man warten müsse, bis jemand etwas erzählt, um es dann niederzuschreiben (vgl. Prepiska I: 228).

Im darauffolgenden Schreiben antwortete Kopitar:

Hier übermache ich Ihnen eine Einladung von Grimm. Volkssachen interessieren die Gesellschaft, von allen Nationen. Sie werden daraus ersehen, was das deutsche Volk noch erhalten haben kann. Ihr habt mehreres und besseres, zum Theil auch anderes. (Prepiska I: 233f.)

In dieser Einladung von Grimm stand, dass es das Ziel sei, so viele Volkslieder, Sagen, und Sprichwörter wie möglich zu sammeln und, dass es besonders wichtig sei, alles „getreu und wahr, ohne Schminke und Zuthat, aus dem Munde der Erzählenden“ (Prepiska I: 235) festzuhalten.

Karadžić war über diese Einladung überglücklich, wie aus der folgenden Nachricht hervorgeht:

22 [...] Благодарим Вам` на оном` позиваньу Гриммовом`; оно ми може бити од велике потребе, и ползе: Сад цећ савршсено какових преповiедки народних Ви желити[!] и iа Вас увiеравам да их ми (Србльи) доста имамо.6 (Prepiska I: 242)

Oft wurde Kopitar zu Unrecht dafür kritisiert, dass er all dies aus politischen Gründen machte. Dem steht gegenüber, dass er sich nicht nur für Karadžić einsetzte, sondern etwa auch für Adamantios Korais und die volkssprachliche Reform im Neugriechischen, wie auch für die Rumänen und die Bulgaren. Alle Werke von Karadžić, wie zum Beispiel die Übertragung des Neuen Testaments in die Volkssprache, die Grammatik und das Wörterbuch waren von Kopitar, aber auch von Grimm geprägt. In Karadžićs Wörterbuch verzeichnete Kopitar die deutschen und lateinischen Begriffe und auch der Leitgedanke, etwas Volkskundliches und Folkloristisches in das Lexikon miteinzubeziehen, stammte von Kopitar. Auch im Zusammenhang mit der Sprachreform war die Wirkung Kopitars auf Karadžić ersichtlich: angefangen von der Forderung nach der Volkssprache als Schriftsprache, über jene nach einer phonetischen Schreibweise bis hin zur Ergänzung des kyrillischen Alphabets mit neuen Zeichen, damit jeder Laut über ein Zeichen verfügt (vgl. Vasmer 1938: XVIf.).

Kopitar gab Karadžić den Rat, das Wörterbuch alphabetisch zu ordnen, so wie es auch die Russen vorhatten (vgl. Prepiska I: 292), und außerdem kümmerte sich Kopitar nicht nur um das Geschäftliche von Karadžić, sondern ließ seiner Frau und seinen Kindern finanzielle Unterstützung zukommen, da Karadžić kein regelmäßiges Einkommen besaß (vgl. Prepiska II: 231).

Im Rahmen der Zusammenarbeit wurde deutlich, dass Karadžić unter dem Einfluss Kopitars zum Literaten wurden und ohne dessen Wirken nie jene Relevanz und Bekanntheit erlangt hätte, die er seit damals genießt. Kopitars Unterstützung verdankte er es, dass er mit den bekanntesten und angesehensten Exponenten der damaligen Literaturszene bekannt gemacht wurde. Unklar jedoch bleibt, warum jemand soviel für einen anderen tat, ohne selbst wirklich etwas davon zu haben (vgl. Stojanović 1924: 733ff.).

6 Ich segne Sie für diese Einladung von Grimm; das kann für mich von großem Bedarf sein, und Nutzen: Jetzt weiß ich genau, welche Volkssagen Sie wünschen [!] und ich beteuere, dass wir (Serben) genug davon haben.

23

3.1.1 Kopitars Rezension über Karadžićs serbische Grammatik

1815 erschien Kopitars Rezension über Karadžićs Grammatik der serbischen Sprache in der Wiener allgemeinen Literaturzeitung. Er begann diese mit seiner Zustimmung zur ersten serbischen Grammatik, die noch dazu in der Sprache des Volkes geschrieben war (vgl. Miklosich 1857: 310).

Kopitar zitierte die Vorrede von Karadžić:

[...] er sei überzeugt, dass es in seiner Nation Männer genug gebe, die zu so einer Arbeit viel tauglicher seien als er, die aber unglücklicherweise sich wenig darum kümmerten. Jedes echten Serben Herz und Seele ergreife verzweiflungsvoller Unmuth [...] wenn er bedenke, dass bisher vier gelehrte Serben Grammatiken fremder Sprachen geschrieben und den Serben, die ihre Muttersprache nicht könnten, den Weg zu fremden gebahnt hätten. (Miklosich 1857: 311)

Weiters schrieb er, dass Karadžić die Grammatik verfasste, um einen Beginn zu setzen und um irgendeinen anderen gelehrten Serben dazu zu bringen, die serbische Grammatik zu vervollständigen. Was die Orthographie betrifft, kam Karadžić nach langem Überlegen zum Entschluss, dass es am besten sei, sich an folgendes Prinzip zu halten: „Schreib, wie du sprichst und lies, wie es geschrieben steht“ (Miklosich 1857: 311). Auch die Konjugation und Deklination waren in der Grammatik der Volkssprache der Serben entlehnt (vgl. Miklosich 1857: 311).

In seiner Rezension über die deutsche Sprache verglich Kopitar die lateinischen Missionäre mit Kyrill:

[...] und hätten die lateinischen Missionäre der teutonischen Völker so deutliche Begriffe von der Buchstabenschrift gehabt, wie der griechische Slavenapostel Cyrill, so würden sie für die deutsche Sprache zu dem ihnen bekannten lateinischen Alphabete noch so viel neue Buchstaben hinzu erfunden haben, als die deutsche Sprache neue unlateinische Laute hatte, und so würden die Deutschen nicht noch itzt an den Folgen dieses ersten Fehlers leiden und sich und andere scandalisieren. (Miklosich 1857: 312)

24

Außerdem schrieb Kopitar über die Kirchensprache und warum sich viele gegen die Volkssprache sträuben würden. Als einen möglichen Grund führte er an, dass es bereits altkirchenslawische Grammatiken gebe und man im Falle von Unschlüssigkeit dort nachlesen könne; dies wiederum könne die Volkssprache aber nicht leisten. Er erwähnte auch, wofür sich Karadžić einsetzte, was er bereits verändern konnte und noch verändern wollte. Ihm war es ein Anliegen, dass man das Alphabet auf 29 Zeichen erweiterte, denn die Serben verwendeten bereits über einen längeren Zeitraum hinweg einen neuen Buchstaben – und zwar ћ für ть – und weitere drei – statt дь, ль und нь – sollten folgen. Mithilfe des einfachen Alphabets, könnte auch der einfachste Mensch schreiben lernen. Kopitar schwärmte in seiner Rezension über Karadžić und, meinte dass dieser die wichtigste Eigenschaft eines Grammatikers besaß, nämlich Treue und eine konsequente Art, mit dem er das Sebische verteidigte (vgl. Miklosich 1857: 312ff.).

Zum Schluss verfasste Kopitar noch weitere Bemerkungen, die Karadžić vielleicht in seiner zweiten Auflage der Grammatik in Erwägung ziehen könnte und teilte diese in 25 Punkte ein. Er äußerte sich etwa zum Dual im Serbischen, zu den Fällen, zur Unterteilung der Dialekte und wünschte sich mehr Deklinationsmuster (vgl. Miklosich 1857: 314ff.).

3.1.2 Kopitars Anzeige über das serbische Volksliederbuch

1816 kam in der Wiener allgemeinen Literaturzeitung eine Anzeige von Kopitar über Karadžićs serbisches Volksliederbuch Teil zwei heraus. Er schrieb in seiner Anzeige, dass Karadžićs erster Teil der Volkslieder beiläufig entstanden, der zweite bereits bestimmt gewählt sei und der dritte und vierte Teil von Lesern beigesteuert worden seien. Der erste Band der Volkslieder war von einem Deutschen als Anzeige gebracht worden, der nur wegen Karadžićs Liedern die serbische Sprache gelernt hat (vgl. Miklosich 1857: 347).

Weiteres stand in der Anzeige, dass Karadžić selbst zugab nicht Alles aus seinen Volksliedern zu wissen wie zum Beispiel, „welcher serbische König Stefan es sei“ (Miklosich 1857: 347) oder „was die türkische Losung umet i Muhamed eigentlich

25 heiße“ (ibid.: 348). Diese Ehrlichkeit war als lobenswert anzusehen, da sich dadurch zeigte, dass manche Wörter nur mehr in Liedern verwendet wurden und andere, die es im Serbischen gar nicht mehr gab, sich zu dieser Zeit wieder in verschiedenen Dialekten ausgebreitet haben (vgl. Miklosich 1857: 348).

Des Weiteren meinte Kopitar zum Wert der Grammatik:

[...] dass diess das erste und bisher einzige Buch sei, in welchem wahres, echtes serbisch, so wie es als besondere slavische Mundart besteht, zu finden ist. (Miklosich 1857: 348)

Im ersten Teil seiner Volkslieder konnte man noch hie und da Ausdrücke aus dem Altkirchenslawischen finden. Im zweiten Teil differenzierte Karadžić die Dialekte Serbiens. So schrieb er zum Beispiel die Volkslieder der Herzegowiner auch in dessen Dialekt nieder. Unter diesen Volksliedern fand man neben männlichen Liedern oder Heldenlieder auch Frauen- oder Liebeslieder. Kopitar meinte, dass man beim Lesen der Lieder oft an Homer erinnert wird (ibid.: 348ff.).

Kopitar lobte in seinem Schreiben Karadžić und die Serben:

Wenn man Herder`s „Stimmen der Völker“ für die Blüthe der Volkspoesie ansehen darf, so weiss Recensent nicht, ob irgend ein Volk des heutigen Europa überhaupt sich in dieser Rücksicht mit den Serben messen kann [...] Man möchte sagen, der Serbe spricht das dem Slawen überhaupt im hohen Grade eigene innige Gefühl, besonders für häusliches Familienglück am lebendigsten aus. (Miklosich 1857: 350)

Als Beispiele führte Kopitar einige Volkslieder an, darunter zwei Heldenlieder. Er wollte mehr von diesen abdrucken, aber aufgrund der Länge beschränkte er sich auf diese zwei. Er fügte dem noch ein Schnitterlied in Originalsprache, dessen Übersetzung und die Erklärungen, wie die serbischen kyrillischen Buchstaben im Deutschen zu lesen sind, hinzu (vgl. Miklosich: 359ff.).

Mit dieser Anzeige hoffte er für ihn wichtige Leute auf die serbischen Volkslieder aufmerksam zu machen:

26 [...] so dürfen wir hier von diesem zweiten nur auch einige wörtlich übersetzte Proben geben mit dem Wunsche, dass irgendein Göthe [...] auch diese herrlichen Blumen auf den deutschen Parnass verpflanzen möge. (Miklosich 1857: 350)

27 3.2 Zusammenarbeit von Jacob Grimm und Vuk Stefanović Karadžić

Jacob Grimm schrieb auf Veranlassung von Jernej Kopitar die Besprechung von Karadžićs erster Volksliedersammlung (1815), die Besprechung des serbischen Wörterbuchs (1819), die Besprechung von Karadžićs Volksliedern Teil 1 bis 4 (1823, 1824, 1834), die Besprechung von Karadžićs Übersetzung der serbischen Grammatik (1824), die Besprechung von Karadžićs Danica (1826) und die Besprechung von Taljvs und Wesselys Übersetzungen der Volkslieder (1826). Die Rezension der Volksliedersammlung (1815) war auch eine der ersten Arbeiten Grimms im südslawischen Fach (vgl. Mojašević 1990: 43).

3.2.1 Grimms Besprechung von Karadžićs erster Volksliedersammlung (1815)

Im Jahre 1815 erschien Grimms Besprechung der serbischen Volkslieder in der Zeitung Wiener allgemeine Literaturzeitung. Grimm verwendete kyrillische Buchstaben synonym mit russischen Buchstaben und schrieb über Karadžićs gedruckte Lieder, dass sie eine „ausbündige sammlung reines, frisches volksgesangs“ (Kleinere Schriften 4 1869: 427) seien.

Zu Beginn beschrieb Jacob Grimm die Einteilung der Volkslieder, da Karadžić diese in zwei Teile gliederte. Zum einen in die „pjesne ljubovne i različne (liebes- und verschiedliche frauenlieder)“ (Kleinere Schriften 4 1869: 427) und zum anderen in die „pjesne muzeske, koe se zu gusle pjevaju (männerlieder, die sich zur geige singen)“ (ibid.: 427). Der erste Teil, die Frauenlieder, umfasste 100 Stück und der zweite, die Männerlieder, nur acht, jedoch waren letztere in ihrer Länge deutlich umfassender. Da die Männer- oder Heldenlieder von einer „gusle“ begleitet wurden, verglich Grimm dies mit einem Saiteninstrument und gab in der Fußnote an, dass „gusle“ nicht die deutsche Geige sei, und dass der Russe unter „gusli“ eine Harfe verstand. (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 427f.).

Weiters forderte Grimm Karadžić auf, noch mehr solcher Lieder zu sammeln, denn es musste noch mehr geben. Grimm meinte, dass man diesen Liedern erst dann ihren

28 Verdienst zusprechen könne, wenn man eine ausführlichere Sammlung hätte (vgl ibid.: 433).

Grimm verglich die serbischen Volkslieder mit den deutschen und meinte, dass die deutschen den serbischen überlegen wären:

Die lieder der zweiten abtheilung besingen lauter begebenheiten, stehen aber dem historischen boden noch durchaus näher als der sage und fabel; zwar sind sie sämtlich angenehm und gleich gut gehalten, bleiben jedoch an stärke und kraft hinter dem zurück, was deutsche völkerschaften solcher lieder aufzuweisen haben. (Kleinere Schriften 4 1869: 433)

Dennoch lobte Grimm Karadžićs ersten Teil der Liedersammlung, er zog sie der zweiten vor und pries die Kostbarkeit der serbischen Lieder:

Jetzo wird man gar nicht anstehen, der ersten abtheilung unseres büchleins den vorzug einzuräumen, und wir wüsten nicht, welches andere volkeinen so trefflichen schatz von liebesliedern aufzuzeigen hätte, ausgenommen das heilige hohe lied Salomons. (Kleinere Schriften 4 1869: 433f.)

Grimm zog weiter Vergleiche zwischen den deutschen und den serbischen Liedern und kam zum Schluss, dass die deutschen Lieder sehr zart seien, aber nicht so frisch. Die deutschen Liebeslieder seien aber „ebenso lebendig, vielleicht noch gemütlicher“ (Kleinere Schriften 4 1869: 434).

Zudem schrieb er über die serbischen Liebeslieder:

Hier ist der freie, heftige ausbruch des herzens und der ganzen seele, vom vollen trachten, sehnen und klagen bis zur schneidenden verwünschung alles dessen, was untreu ist und die liebe stört; bei jedem anlasz fallen die gräszlichsten flüche ein, [...]. welches den deutschen sitten und liedern widerstehen würde; auch ist sonst anderes freier, wie bei uns, ausgedrückt und gesungen. (Kleinere Schriften 4 1869: 434)

Zum Schluss seiner Besprechung schrieb Grimm, dass die serbischen Lieder den griechischen von ihrer äußeren Form her sehr gleichen würden. Dies erklärte er damit,

29 dass die serbischen Lieder den griechischen deswegen ähneln, da die Serben von den Türken, Griechen, Deutschen und Welschen umgeben waren von diesen beeinflusst wurden (vgl. Grimm 1869: 436) und rühmte das serbische Volk abermalig:

Unter allen slawischen völkerstämmen sind diese Serben, mit ihrer sanften, überaus singbaren sprache, zum voraus begabt mit lied, gesang und sage, und es scheint, als ob der gütige himmel ihnen ihre bücherlosigkeit durch einen haussegen von volkspoesie stets habe ersetzen wollen. (Grimm 1869: 436)

3.2.2 Grimms Besprechung Karadžićs serbischen Wörterbuchs (1819)

Im Jahre 1819 erschien in der Göttingschen Gelehrten Anzeigen, einer deutschen Rezensions- und Literaturzeitschrift, ein Artikel von Jacob Grimm über Vuk Karadžićs Serbisch-deutsch- lateinisches Wörterbuch.

Grimm begann seine Besprechung mit folgenden Worten:

vorzügliche aufmerksamkeit verdienen aber die rastlosen und fruchtbaren bemühungen des hrn. Wuk Stephanowitsch, eines geborenen Serben, dem es gelungen ist, auf die bisher völlig verkannte schönheit und reichhaltigkeit dieses südslavischen, bei mehr als fünf millionen menschen lebendigen sprachstammes ein glänzendes licht fallen zu lassen. Kleinere Schriften 4 1869: 100f.)

Nach diesen lobenden Worten für Karadžić führte Grimm die Pismenica serbskoga jezika, po govoru prostoga naroda7 an, welche im Jahre 1814 in Wien erschien. Er stellte fest, dass die Grammatik, die in kyrillischer Schrift geschrieben wurde, für einen Deutschen, der nicht mindestens eine slawische Sprache beherrsche, sehr schwer zu lesen sei (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 101).

Anschließend erwähnte er Karadžićs Mala prostonarodnja slavenoserbska pjesnarica8, welches ebenfalls im Jahre 1814 in Wien erschien, mit folgenden Worten:

7 Grammatik der serbischen Sprache, nach der Mundart des einfachen Volkes. 8 Kleines serbisch-slawisches Volksliederbuch.

30 […] zwar nur 120 Seiten enthaltend, aber voll der herrlichsten naturpoesien, dergleichen kein anderer slavischer volksstamm aufzuweisen hat, und dem sich selbst das beste, was deutsche völker an volksliedern besitzen, an süszigkeit, unschuld und anmut kaum vergleichen läszt. (Kleinere Schriften 4 1869: 101)

Jacob Grimm war überzeugt, dass so eine Sammlung an Liedern in einer weiter ausgedehnten Sprache und zu einem anderen Zeitpunkt jeden Menschen begeistern würde (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 101). Weiters ergänzte er, dass Karadžić im Jahre 1815 ein Volksliederbuch herausbrachte, welches inhaltlich „eine äuszerlich reichere, innerlich nicht ärmere“ (Kleinere Schriften 4 1869: 101) war und sollte es genügend Leser geben, so werden noch weitere Volksliedersammlungen, Volkssagen und Volkserzählungen folgen, denn „so unerschöpferisch reich an diesen schätzen sind die armen, ungebildeten Serben“ (ibid.: 101). Er ergänzte, dass es „ein beneidenswerter ersatz für die ihnen mangelnde gelehrte poesie und literatur“ (Kleinere Schriften 4 1869: 101) sei.

Als großer Bewunderer der einfachen und unverdorbenen Volkssprache war Grimm der Ansicht „dasz in der volksdichtung der athem einer jeden sprache ungehemmt und frei zu spüren sei“ (ibid.: 101). So meinte Grimm, dass man weniger aus den studierten Gegenden der slawischen Literatur den wahren Geist erkennen konnte, sondern aus der Volksdichtung selbst. So schrieb er: „aus verdienstlichen sammlungen könne der wahre geist der slavischen sprache, poesie und der ganzen natur dieser völker teuer studiert und geschöpft werden“ (Kleinere Schriften 4 1869: 101).

Nun begann er mit der Besprechung des serbischen Wörterbuchs, wofür er das Wort „serbisch“ am geeignetsten fand, denn „bosnisch“, „illyrisch“ oder „dalmatinisch“ nannten die vorherigen Literaten ihre Wörterbucher. Grimm fand diese Ausdrücke minderwertig (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 102).

Allerdings fand Grimm Karadžićs Wörterbuch um einiges besser als die seiner Vorgänger:

Wuk Stephansen läszt aber diese vorarbeiten weit hinter sich zurück, und macht sie grösztentheils entbehrlich, er ist reicher als Voltaggi, kritischer als Stulli, und

31 serbischer, als das zu Wien gedruckte, von einem ungenannten herausgeber besorgte wörterbuch. (Kleinere Schriften 4 1869: 102)

Außerdem lobte Jacob Grimm, dass Karadžić sich im Gegensatz zu seinen Vorläufern nicht nur in einer eingeschränkten Umgebung sein Wissen aneignete, sondern darüber hinaus seine Bildung erweiterte:

ungleich bedeutender erscheint aber noch der vorzug der inneren gehaltigkeit unseres neuen wörterbuchs, welches 30,000 serbische wörter liefert. Voltaggi, ein Istrier und Stulli, ein Ragusaner, sammelten blosz in dem beschränkten umkreis ihrer vaterländischen gegend, zumeist in küstenländern Italiens slavonischer zunge. hr. Wuk hat sich viel weiter umgesehen und schöpft aus dem tieferen lande; in Bosnien [...] geboren, verdankt er theils eigenem längeren aufenthalt in dem türkischen Serbien, theils seinen dort unterhaltenen bekanntschaften, eine gründliche lebendige kenntnis der serbischen sprache; [...] (ibid.: 102)

Vuk Karadžić sammelte in verschiedensten Gebieten und gab den Wörtern eine Beifügung in Klammer, damit der Leser wußte, wo das Wort gebräuchlich war, wie zum Beispiel „Erc. oder Res. oder Srem. etc., welches bedeutet, dasz das wort in der Herzegowina, in Ressawa, Sirmien, üblich ist“ (ibid.: 102). Grimm beeindruckte, dass Karadžić das Bulgarische, welches Grimm als serbischen Dialekt sah, ebenso berücksichtigte (vgl. Grimm 1869: 102). Er schrieb: „ [...] diese, wie es scheint, überall beobachtete sorgfalt und gewissenhaftigkeit sind sehr zu loben [...]“ (Kleinere Schriften 4 1869: 103).

Das Wörterbuch wurde weiter besprochen, indem Grimm die slawischen Sprachen miteinander verglich und die Wortherkunft erforschte. Er stellte fest, dass durch geteilte Grenzen, so wie mit der Türkei oder Griechenland, viele Ausdrücke aus diesen Ländern übernommen wurden; dennoch gab es auch Wörter, die typisch slawische Wurzeln hatten und die man so in keiner anderen Sprache, wie zum Beispiel im Polnischen oder Russischen, sondern nur im Serbischen finden konnte (vgl Kleinere Schriften 4 1869: 103).

32 es gewährt groszen vortheil für das historische sprachstadium, wenn man die wurzeln vergleichen und zusammenstellen kann, die sich in einem oder mehreren stämmen enthielten, in anderen anders ersetzten. (Kleinere Schriften 4 1869: 103)

Grimm kritisierte die serbischen Geistlichen, die die Volkssprache nicht akzeptieren wollten:

es scheint indessen, dasz die serbische geistlichkeit wirklich so etwas versuchen und einer groszen menge volks, das der serbischen zunge pflegt, geradezu die gabe ableugnen möchte, eine treffliche und organische muttersprache zu besitzen. (Kleinere Schriften 4 1869: 104f.)

Jernej Kopitar, der sich gegen die „Feinde der Volksprache“ als Standardsprache aussprach, wurde von Grimm unterstützt:

gegen diesen unsinn, hat sich einer der gelehrtesten slavisten, Kopitar zu Wien, gründlich ausgesprochen. wenn man den Serben serbisch zu schreiben verbieten und slavenisch (altslavisch) zu schreiben gebieten wollte, so wäre das eben so viel, als wenn die Dänen heutzutage der isländischen grammatik zu folgen gezwungen werden sollten [...] und die serbische sprache ist ungleich vollkommener geblieben, als die dänische, [...] ja sie übertrifft an grammatischer fülle im ganzen betrachtet die böhmische und polnische [...]. (Kleinere Schriften 4 1869: 105)

Am Ende seiner Besprechung des serbischen Wörterbuchs Karadžićs legte Grimm den deutschen Sprachforschern dieses Wörterbuch ans Herz, da die deutsche Sprache bei genauerer Betrachtung mit der slawischen verwandt sei. Er führte folgendes Beispiel von Ulfilas an:

zur erläuterung dieses undeutschen wortes dulg oder dulgs (debitum) hat man, unseres wissens noch nicht bemerkt, dasz dolg der gewöhnliche ausdruck der Südslaven und Russen für debitum ist [...]. (Kleinere Schriften 4 1869:106)

Dass es überhaupt zu dieser Besprechung des serbischen Wörterbuchs kam, stand in engem Zusammenhang mit dem Brief Jernej Kopitars an Jacob Grimm vom 4. Februar 1819:

33 Nun bin ich so frey, im Vertrauen auf ihre aufrichtige Verzeihung, Ihnen die Anzeige (oder Recension) des beikommenden Vuk’schen Lexicons in der Heidelberger und allenfalls der Göttinger L. Zeitung – ans Herz zu legen. Krönen Sie damit Ihre Rec. der ersten Bändchen Volkslieder. [...] Die schöne Sprache der Lieder muß also noch ums Daseyn streiten, (de salute, non de gloria). Es wird gut seyn, wenn Sie in der Rec. auch dafür sprechen. An der Spitze unserer Gegner steht der hohe Clerus der serbischen Kirche! Sie wollen nicht, daß jeder gute Kopf schreibe, sondern nur, wer nostrandus ist. (Vasmer 1938: 1)

Kopitar wusste genau, warum er Grimm um diesen Gefallen bat, denn Grimm schrieb seine Rezensionen in den angesehensten Publikationen und publizierte zu dieser Zeit die meisten Rezensionen. Ihm war bewusst, dass Grimms Veröffentlichungen sowohl Karadžićs größte Gegner, als auch seine Mitstreiter lesen würden (vgl. Mojašević 1990: 55).

3.2.3 Grimms Besprechung von Karadžićs Volksliedern Teil 3 (1823)

Jacob Grimm begann seine Besprechung der serbischen Volkslieder im Jahre 1823. Er schrieb, dass er die Volkslieder nur kurz bei seiner Rezension des serbischen Wörterbuchs erwähnte, und erklärte, dass dieser neue Teil der serbischen Volksliedersammlung nicht als dritter Teil den beiden ersten folge, sondern „er gehört einer sehr vermehrten und verbesserten auflage des ganzen an, welche so eben unter herrn Wuks Augen selbst, in Leipzig besorgt wird“ (Kleinere Schriften 4 1869: 197). Dass der dritte Teil vor den beiden anderen erschien, sei Zufall.

rec. will aber jene nicht erst abwarten, sondern frischweg berichten über ein (wie alles gute, fruchtbare zu beginnen pflegt) geräuschlos begonnenes unternehmen, das mit der zeit wohl das gesammte gebildete Europa aufsehen machen, zunächst unfehlbar für des herausgebers vaterland wohlthätig wirken wird. (Kleinere Schriften 4 1869:197)

Anschließend folgten lobende Worte an die serbische Volkspoesie, die Grimm als „reine ungehemmte stimmen“ (ibid.: 197) bezeichnete. Diese Lieder kamen „aus Serbien, also wenn man will, gerade aus der Türkei“ (ibid.: 197). Dennoch meinte Grimm, dass der

34 Begriff „serbisch“ weiter zu denken sei „und sich auf die serbisch redenden Österreich untergebenen völker im , in Sirmien, Croatien, Illyrien u.s.w. erstreckt“ (ibid.: 198).

Grimm meinte aber, dass die Heimat der Volkslieder „in den berggegenden Bosniens und Serbiens aufzusuchen, namentlich in der Herzegowina, unter den kühnen wilden bewohnern des Montenegro“ (ibid.: 198) sei. Danach beschrieb er die Situation der Serben unter der türkischen Herrschaft. Fast alle Serben waren Christen, „theils griechischer, theils lateinischer confession; [...] ein theil bekennt sich zum muhamedanischen glauben“ (ibid.: 198). Er erklärte, dass auch in den serbischen Heldenliedern die „gegensätze zwischen christlich und türkisch brechen“ (ibid.:198), denn für gewöhnlich wurde der Ungläubige überwältigt und die türkische Frau floh mit dem Christen und taufte sich um (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 198).

der eindruck wird unbefangen aus dem lesen, ja aus dem bloszen dasein dieser lieder hervorgehen, dasz ein volk, welches so singt, denkt und handelt, wie das serbische, gar nicht den namen eines ganz unterjochten führen dürfe. (Kleinere Schriften 4 1869: 198)

Wenn die türkische Herrschaft nicht so streng gewesen wäre, meinte Grimm, „dann würden die Serben etwa schneller lesen und schreiben lernen, ihre frohen lieder bald schweigen“ (ibid.:198). Er verglich die Serben mit den Griechen, die den Serben in vielerlei Hinsicht nachstehen würden. Aber auch die Griechen hätten in ihrer größten Not noch wunderbare Volkslieder gehabt, von denen auch Sammlungen in Deutschland verkündet wurden. (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 199)

Im nächsten Absatz schrieb Grimm:

Nicht aus alten pergamentblättern hervorgesucht worden sind unsere serbischen lieder, sie sind alle aus dem warmen munde des volkes aufgenommen, sie waren vielleicht vorher nie aufgeschrieben, sie sind in diesem sinne also nicht alt, werden aber wohl alt werden. (Kleinere Schriften 4 1869: 199)

Damit wollte Grimm sagen, dass die Volkslieder nicht alt waren, sondern dass diese auch in der neuesten Zeit entstanden und aktuelle Ereignisse schilderten. Grimm verglich die

35 serbischen Volkslieder mit den deutschen und meinte über die deutschen Lieder: „deutsche Volkslieder haben in der form das rohe, das gemeinen volksdialecten eigen ist, in dem inhalte das unbeholfene, lückenhafte“ (ibid.: 199). Im Gegensatz dazu schrieb er über die serbischen Lieder: „allein die serbischen lieder sind in einer reinen edlen sprache abgefaszt, in der erzählungen vollständig, unverworren und deutlich von anfang bis ende sind“ (ibid.: 199).

Weiters schrieb er, dass Karadžić alles Gesagte des Sängers Eins-zu-eins niederschreiben konnte, ohne jegliches Wort zu ändern, denn solche Veränderungen würden die Volkslieder verunstalten. Grimm erklärte, dass es mit der Zeit auch bei den Serben immer weniger Dialekte geben werde und früher oder später – so wie es in Deutschland der Fall sei – zu einer einheitlichen Schriftsprache kommen würde; die Zeit der epischen Dichtung würde dann zu Ende gehen (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 199f.). Stimmten deutsche und serbische Lieder überein, hatten beide anonyme Verfasser:

niemand berühmt sich die gedichte gedichtet zu haben, sie dichten zu können, blosz gibt es begabtere hersager und sänger, blinde greise zumal, in denen ungeschwächte kraft des gedächtnisses waltet, und die wirklich eine unglaubliche wohl geordnete liederfülle besitzen, ohne sich ein eigenthum darüber anzumaszen. (Kleinere Schriften 4 1869: 200)

Jacob Grimm eignete sich den Großteil seines Wissens über die Entstehung und das Fortwähren der Lieder des einfachen Volkes über Vuk Karadžić an, denn Grimm selbst hatte keine eigene Erfahrung mit der bäuerlichen Umwelt, dem Entstehungsmilieu solcher Lieder (vgl. Mojašević 1990: 66). Er führte Beispiele serbischer Volkslieder auf serbisch in lateinischer Schrift und dessen deutsche Übersetzung an. Im Rahmen seiner Analyse verglich er die Lieder auch mit Homer und der Edda (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 201f.).

Außerdem empfahl Grimm jenen Deutschen, die planten eine slawische Sprache zu erlernen, mit dem Serbischen – aufgrund der Schönheit der Sprache – zu beginnen. Als Hilfsmittel des Studiums der serbischen Sprache empfahl Grimm Karadžićs Wörterbuch;

36 auch seine Grammatik zu verwenden, sei sinnvoll, jedoch sei diese nur auf Serbisch geschrieben (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 204).

Grimm wusste, dass sich Karadžićs Gegner zu seinen Redensarten, die in den Liedern vorkamen, zu Wort melden würden und schrieb vorab:

Gestrenge sittenrichter mögen mit dem herausgeber über die zulassung einiger redensarten rechten, die ihre feinen ohren beleidigen, unter dem natürlichen volke, das seine tüchtige sprechweise weder gedruckt noch geschrieben sieht, verjährte sprichwörtliche kraft erlangt haben und kühn herausfahren. (Kleinere Schriften 4 1869: 204)

Am Ende seiner Besprechung wurde die serbisch kyrillische Schrift gelobt: „aber diese serbische, mancher veralteten buchstaben, zumahl der schleppenden russischen jer und jerr entbundene schrift liest sich unseres erachtens sehr bequem“ (Kleinere Schriften 4 1869: 205) und so hoffte Grimm, dass auch die Russen sich der Schrift anschließen würden. Im allerletzten Teil schrieb Grimm, dass diese Volkslieder dem Fürsten Serbiens, Miloš Obrenović, gewidmet waren, „dessen grosze verdienste um das land gepriesen werden, der auch zu seiner ehre die sammlung der lieder gefördert und kräftig unterstützt hat“ (Kleinere Schriften 4 1869: 205).

Nach der Veröffentlichung der Besprechung der Volkslieder schrieb Jacob Grimm am 2. November 1823 einen Brief an Vuk Karadžić. Er hoffte, dass Karadžić mit seiner Arbeit zufrieden sei und schickte ihm beiliegend die Anzeige der Lieder mit (vgl. Prepiska II 1988: 307).

Am 14. November 1823 antwortete Karadžić auf Grimms Brief mit folgenden Worten:

Ihren Brief von 2. d. M. samt 4 Ihre Anzeige unserer serbischen Volkslieder, habe ich erhalten, für welche ich Ihnen Tausendmal danke. Sie sind das grösste Glück unserer Lieder, unserer Sprache und unserer Litteratur. Hätten Sie mir wenigstens ein Dutzent von diesen für die serbische Nation schätzbarste Anzeigen abdrücken lassen! (Prepiska II 1988: 314)

37

Karadžić war sehr zufrieden mit der Anzeige und schrieb am 19. November 1823 an Kopitar, dass Grimms Rezension „slavna i preslavna9“ (Prepiska II 1988: 318) sei.

3.2.4 Grimms Besprechung von Karadžićs Volksliedern Teil 1 und Teil 2 (1824)

1824, ein Jahr nach der Besprechung der serbischen Volkslieder von Karadžić Teil 3, folgte die Besprechung der Volkslieder Teil 1 und Teil 2 in der gleichen Publikation, Göttingsche Gelehrte Anzeigen. Der zweite Teil umfasste die ältesten Heldenlieder und erschien schon im Jahre 1823. Der erste Teil kam ein Jahr später heraus und thematisierte verschiedene Weiberlieder (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 218).

Beide theile übertreffen noch den dritten. der erste enthält 406 sogenannte weiber- oder frauenlieder, d. h. die zwar gewöhnlich von jungfrauen gesungen werden, aber auch von jünglingen, wie denn einzelne, [...] dem momak (junggesell) und junak (hedenjüngling) selbst in den mund gelegt sind. (Kleinere Schriften 4 1869: 218)

Grimm unterschied die Heldenlieder von den Frauenliedern, indem er auf die Vorrede von Karadžić einging und meinte, dass die Heldenlieder länger waren und stets das gleiche Metrum hatten. Er erklärte weiter, dass die Frauenlieder meist Liebeslieder seien und „alle voll glut und unschuld, begabt mit der gewalt und schönheit des einfachsten ausdrucks“ (Kleinere Schriften 4 1869: 218).

Weiters schrieb Grimm:

auf der gänze des morgen- und abendlandes entsprungen, vereinigen sie vortheile orientalischer und occidentalischer lyrik. die gedanken sind heftiger, farbiger als in den volkspoesien des übrigen Europas, und doch ist gar nichts da von dem schwulst und überreiz arabischer und persischer dichtkunst. (Kleinere Schriften 4 1869: 218)

Die Lieder waren hinsichtlich ihres inhaltlichen Gehalts europäisch: Er verglich die Lieder mit der spanischen Poesie, die an den Orient erinnere mit ihrer „feinheit und

9 „Rühmlich allzu rühmlich“.

38 reichheit der verbindungen, dem helleren ton der gleichnisse“ (Kleinere Schriften 4 1869: 218). Allerhand gemein hatten die serbischen Lieder mit den Deutschen: beginnend mit der Darstellung der Naturszenen, welche die Passion des Menschen oder des Geschehens ahnen ließ (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 218).

Grimm gab einige Beispiele der Lieder in serbischer Sprache an und ergänzte sie mit einer wörtlichen Übersetzung: „suntze zadje metchu dve planine, momak sede metchu dve de vojke: die sonne hängt zwischen zwei gebirgen, der jüngling sitzt zwischen zwei mädchen“ (Kleinere Schriften 4 1869: 219). Er beschrieb die Lieder folgendermaßen:

nicht nur fällt damit auf den gegenstand des gesangs eine eigene, anmuthige beleuchtung, sondern es scheint auch dasz die lebhaftigkeit des lyrischen gefühls wohltätig dadurch besänftigt und gemildert werde. (Kleinere Schriften 4 1869: 219)

Neben den Liebesliedern gab es auch Hochzeitslieder, Regenbittlieder, Pfingstkönigslieder wie auch Lieder für die Heiligenfeste. Aus all diesen Liedern erfuhr man viel von alten serbischen Bräuchen und Sitten, die das serbische Volk noch immer pflegte oder die verloren gegangen sind (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 220).

Grimm fand, dass die Frauenlieder, so schön sie auch waren, nicht mit den alten Heldenliedern zu vergleichen seien. Im Mittelpunkt standen für Grimm die Lieder von der Schlacht auf dem Amselfeld im Jahre 1389.

offenbar haben sich weit ältere sagen und mythen darunter gemischt, wie die gröszten heldenthaten auf das haupt des Marko Kraljevitch versammelt werden, der in einigen liedern ganz übermenschlich fabelhaft erscheint. vor ihm treten alle andern, der stari Jug, selbst Milosch und Lazar zurück. (Kleinere Schriften 4 1869: 222)

Grimm meinte, dass die Lieder zu Marko Kraljević die schönsten epischen Lieder seien. Auch fiel ihm auf, dass nicht alle Lieder über Marko in Karadžićs Sammlung waren, sondern einige fehlten, da es in Karadžićs Wörterbuch auch einige Sprichwörter über

39 Marko Kraljević gab. Besonders gelungen fand Grimm das Lied von Markos Tod (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 222).

Grimm schrieb: „das ganze lied in anlage und ausführung ist die baarste poesie“ (Kleinere Schriften 4 1869: 222) und beschrieb Marko Kraljević: „so viel kommt aus den liedern hervor, dasz er ein eben so groszer waghals im kriege, als ein säufer und ausschweifer in anderen sachen gewesen“ (ibid.: 222).

Außerdem bedankte sich Grimm, an dieser Stelle als Rezensent erwähnt, öffentlich bei Karadžić, da dieser auf Wunsch von Grimm, in der Vorrede „treffliche längere fragmente einiger alten lieder [...] eingerückt“ (ibid.: 223) habe. Zum Schluss ging Grimm noch auf Karadžićs Frage zum Alter der Lieder ein:

manche unter den weiberliedern, namentlich die, welche mit der uralten heidnischen volkssitte zusammen hängen, die hochzeits, ernte, regenlieder, scheinen freilich die ältesten: wogegen keine der in den heldenliedern besungenen begebenheiten über das dreizehnte, vierzehnte jahrhundert reicht. (Kleinere Schriften 4 1869: 224)

Im letzten Absatz seiner Rezension schrieb Grimm, dass es einige Druckfehler im Bogen der Vorrede gab und diese „nicht ganz unter herrn Wuks augen gedruckt worden sein“ (Kleinere Schriften 4 1869: 224), da es mehr Druckfehler gäbe, als in den vorherigen Bänden (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 224).

3.2.5 Grimms Besprechung von Karadžićs Übersetzung der Kleinen serbischen Grammatik (1824)

Im Jahre 1824 erschien in der Zeitschrift Göttingsche Gelehrte Anzeigen Jacob Grimms Besprechung der deutschen Übersetzung der Kleinen serbischen Grammatik, bei der Grimm selbst die Vorrede schrieb.

40 Im Gegensatz zu den anderen Besprechungen, in denen Grimm für Karadžić und seine Arbeit schwärmte, begann er diese Besprechung mit vergleichsweise nüchternen Worten: „Ein werk für den ersten anlauf, nicht einmal vollständige darstellung der serbischen formenlehre, aber aus ungetrübter quelle geschöpft“ (Kleinere Schriften 4 1869: 225).

Grimm vermisste bei Karadžić die Deutung, die Herkunft der Wörter und die Erklärung der Grammatik. So schrieb Grimm: „der verf. konnte z. b. die übergänge des kehllauts in den zischlaut blosz da angeben, wo sie sich im serbischen ereignen, nicht ihre ursache entwickeln“ (Kleinere Schriften 4 1869: 225). Auch verstand Grimm nicht, warum Karadžić den Buchstaben h ablehnte.

Aus der reihe der serbischen buchstaben hat vielleicht herr Wuk das h, welches illyrische Grammatiker beibehalten, zu voreilig ausgestoszen. musz er es doch in den interjectionen ah! oh! und in fremden wörtern dulden. (Kleinere Schriften 4 1869: 226)

Was die Übersetzung der Kleinen serbischen Grammatik anbelangte, ließ Grimm in seiner Besprechung unerwähnt. Über die Vorrede schrieb er im Allgemeinen eher zurückhaltend und kommentierte sie folgendermaßen: „Die vorrede geht von dem allgemeinen gesichtspunkt aus, und verficht die noch von einigen abgünstigen geleugnete standschaft der serbischen zunge“ (Kleinere Schriften 4 1869: 228).

Im letzten Absatz brachte Grimm noch die Zugabe von Herrn Vater an:

[…] die zergliederung eines der schönsten serbischen heldenlieder und zwar der gröszten unter allen (es enthät mehr als 1200 zeilen) […]. das blosze dasein dieser lieder, ihre epische variation stöszt einen haufen vorurtheile um, in denen man über das wesen und die auffassung der volkspoesie geschwebt hat. (Kleinere Schriften 4 1869: 229)

3.2.6 Grimms Besprechung von Karadžićs Danica (1826)

Im Jahre 1826 wurde Grimms Besprechung der Danica in der Zeitschrift Göttingsche Gelehrte Anzeigen herausgegeben. Er begann mit der Erwähnung, dass er „bruckstücke

41 eines alten gothischen calenders“ (Kleinere Schriften 4 1869: 416) schon besprochen habe, und schrieb weiter, dass dieser ein neuer oder besser gesagt, der erste wirklich serbische Kalender sei.

nämlich die dem volk unverständlichen kirchenslavischen benennungen, deren man sich bisher in Serbien bediente, sind von herrn Vuk mit den gangbaren und gleichbedeutigen vertauscht worden. (Kleinere Schriften 4 1869: 416)

Grimm stellte sich die Frage, weshalb man den Serben etwas unterbinden solle, das in anderen Völkerschaften erlaubt sei, nämlich die Feiertage wie auch die Kalendertage in ihrer Volkssprache zu bezeichnen und nicht „dem volk unverständlichen kirchenslavischen benennungen“ (Kleinere Schriften 4 1869: 416).

eiferern, die ängstlich über formen wachen, um dem, was natürlich und recht ist, den weg zu sperren, musz das wieder miszfallen. aber fast kein anderes volk hält sich streng an die gelehrten ausdrücke für die tage und feste des calenders; warum sollte den Serben diese freiheit untersagt sein? (Kleinere Schriften 4 1869: 416)

Ebenfalls betonte der Rezensent auch an dieser Stelle wieder, wie gut die serbische Grammatik und das serbische Wörterbuch seien, aber man solle die Syntax und Wortbildung nicht außer Acht lassen. Auch hätte er gerne „ein verzeichnis schlagender serbismen, d. h. solcher, wodurch sich diese mundart von allen anderen slavischen entfernt“ (Kleinere Schriften 4 1869: 417). Weiters erwähnte Grimm zwei Volkslieder, die noch ungedruckt seien und die seiner Meinung nach einen großen Wert haben. Das erste Lied handelte von Marko Kraljević, Miloš und einer Vila10. Grimm beschrieb ausführlich und mit großer Begeisterung das Verhältnis zwischen Marko Kraljević und der Vila und vor allem beeindruckte Grimm, dass in diesem Volkslied Marko Kraljević von der Vila für seinen Gesang beneidet wurde (vgl. Kleinere Schriften 4 1869: 417). Er meinte: „dieses verhältnis des helden zu der Wila macht gerade den gegenstand der vorliegenden dichtung aus“ (Kleinere Schriften 4 1869: 417).

Über das zweite Volkslied schrieb Grimm:

10 ,Fee‘ oder ,Elfe‘.

42

das zweite lied gehört in die historische zeit und geht sogar die deutsche geschichte an, es besingt die erstürmung Donauwerths im jahr 1744, als kaiser Carl VII. mit Maria Theresia im krieg stand. [...] der ganze hergang wird mit epischer ausführlichkeit auf das einfachste und angemessenste in 230 zeilen erzählt, dergleichen keinem hessischen volksdichter hervorzubringen möglich gewesen wäre (Kleinere Schriften 4 1869: 418).

In diesem Lied ging es um den Kampf zwischen den Serben und den Hessen. Die meisten Informationen hierfür bekam Grimm von Kopitar und Karadžić, was aus ihren Korrespondenzen zu entnehmen ist.

Vuk hörte das lied mehrfach nicht nur von lebenden sängern, sondern fand es auch aufgeschrieben von dem serbischen gelehrten Orfelin ex ore militis canentis bei dem archimendrit Muschitzki. (Kleinere Schriften 4 1869: 418)

Dass es überhaupt zu dieser Rezension gekommen ist, verdankte man in erster Linie Kopitar, der in seinen Briefen an Grimm immer wieder auf Karadžić und dessen Arbeiten aufmerksam machte. So schrieb Kopitar an Grimm am 7. Dezember 1825:

Vuk hat im Taschenbuch auf 1826, was Sie bald erhalten werden, 2 herrliche neue Volkslieder mitgetheilt. Im ersten erhellt Marko’s Bruderschaftszulaß mit der Vila, Namens Ravijojla. Das 2te besingt die Serben in Donauwörth 1744. (Vasmer 1938: 29)

Im nächsten Jahr, genauer gesagt am 12. April 1826, schrieb Kopitar erneut an Grimm und bat ihn, eine Rezension über Karadžićs Danica zu schreiben, denn es sei der erste richtig serbische Kalender: „Aber auch meine [...] Apologie müssen Sie krönen [...] durch eine Anzeige der Vuk’schen Daniцa. Sein Kalender ist der erste serbische (=nicht slaworussische)“ (Vasmer 1938: 30). Auch erinnerte Kopitar Grimm im selben Brief wiederholt an die Volkslieder: „Also, wenn Sie den ersten serbischen Kalender freundlich begrüßen, und die 3 Volkslieder – in einem triumfieren hessische Grenadiers – besprechen wollen, [...]“ (Vasmer 1938: 31).

43 Aus der Korrespondenz vom 13. August 1826 von Grimm an Kopitar erfuhr man, dass Grimm Zweifel hatte, ob dieses Lied nun wirklich aus der damaligen Zeit erhalten geblieben ist:

Ich bekenne, so hübsch es ist, habe ich doch diesmahl Freund Vuk im Verdacht einer forgery, denn es wäre seltsam, daß sich neben der Inschrift auf dem Muttergottesbild, woran sich auch einmahl Münchner Academiker zerarbeitet haben sollen, auch gerade das Volkslied lebendig erhalten hätte. Auch sind mir die historischen Data [...] fast zu genau. Schenkt mir klaren Wein ein! (Vasmer 1938: 45)

Nachdem sich Kopitar bei Karadžić den Wahrheitsgehalt der Informationen und Jahresangaben bestätigen ließ, antwortete er Grimm am 6. September 1826 und versicherte ihm:

Das Gedicht von den Serben in Donauwörth hat Vuk, lange vor dem Bilde, bei Muшiчki (Archimandrit in Шишатовац) gefunden, aufgeschrieben von dem serbischen Gelehrten Orfelin (illius aevi) für einen der Commandierenden, Belgradi oder Prodanovich, ex ore militis canentis. Auch hat es Vuk selbst noch von lebenden Sängern gehört. (Vasmer 1938: 47)

Karadžić schrieb an Grimm am 1. August 1827 unter anderem, dass er die von Grimm geschickte Rezension nicht erhalten hätte, sie dennoch gelesen hätte und bedankte sich.

Ich habe die Ehre gehabt in den Göttingschen Gelehrten Anzeigen Ihre, für die Serbische Nation schätzbahrste Recension über die Übersetzung der serbischen Lieder von Taljv, und über meine Даница von dem vorigen Jahre, zu lesen. [...] aber bei allem dem danke ich Ihnen herzlich für Ihre gütigste Erinnerung an mich. (Vasmer 1939: 25)

Auch bat er Grimm in diesem Brief dem russischen Kaiser in einer der nächsten Rezensionen eine Lobrede zu widmen, da Karadžić von diesem eine jährliche Pension von einhundert Dukaten bekam.

Da Sie mit Ihren Recensionen das Meiste dazu beigetragen haben, so glaube ich, ware es gut und billig, wenn Sie auch bei der Gelegenheit in den Göttingschen

44 Gelehrten Anzeigen dem Kaiser und dem Minister ein Compliment machen möchten. (Vasmer 1939: 25)

3.2.7 Grimms Besprechung von Taljvs und Wesselys Übersetzungen der Volkslieder (1826)

Diese Rezension von Grimm erschien im Jahre 1826 ebenfalls in der Zeitschrift Göttingsche Gelehrte Anzeigen gleich nach seiner Besprechung der Danica. Er begann diese wieder mit rühmenden Worten und gebrauchte wieder den Begriff der „Naturpoesie“, den er bei seiner Besprechung im Jahre 1819 auch schon verwendet hatte.

Diese serbische naturpoesie ist allgemeiner teilnahme und betrachtung, welche sich schon zu äuszern anfangen, in jedem sinne werth. seit den Homerischen dichtungen ist eigentlich in ganz Europa keine erscheinung zu nennen, die uns wie sie über das wesen und entspringen des epos klar verständigen könne. (Kleinere Schriften 4 1869: 419)

Bei der Besprechung im Jahre 1815 der serbischen Volkslieder verglich er diese mit dem Hohelied Salomons, nun zog er den Vergleich mit Homer. Karadžić wurde verherrlicht und als etwas Großes und Besonderes dargestellt.

Vuk hat durch ihre bekanntmachung einen unvergänglichen ruhm, keinen zweideutigen wie Macpherson, errungen, zugleich hat er sich um das studium der slavischen sprache ein groszes verdienst erworben. dieser lieder wegen, glauben wir, wird man jetzt slavisch lernen. (Kleinere Schriften 4 1869: 419)

Weiters beschrieb Grimm die Lieder als abergläubisch, erhaben, geisterhaft und mit kräftigen Motiven – „wiederholungen epischer beiwörter, ganzer zeilen und sätze erscheinen wesentlich“ (Kleinere Schriften 4 1869: 419) – und doch meinte er, dass sich kein Lied gleiche, sondern immer etwas Neues und Besonderes zu bieten habe. Er erklärte auch, dass sich jedes Geschehnis zu einem Lied machen lasse, „die im munde der sänger lebendig fortgetragen werden, deren dichter niemand verräth“ (Kleinere Schriften 4 1869: 419).

45 Außerdem fand Grimm, „die serbischen lieder sind unüberetzlich, d. h. die glücklichste übertragung wird immer noch stark zu dem original hinweisen“ (Kleinere Schriften 4 1869: 420) und erklärte, dass „der stil flieszend, er könnte in färbung und wendung nicht selten frischer und lebendiger sein, dadurch dasz er sich näher an das original schlösse“ (Kleinere Schriften 4 1869: 420).

Jacob Grimm wünschte sich ein möglichst treues Abbild des Originals, und dass nicht frei nachgedichtet werde. Dies konnte aber nur der Übersetzer allein entscheiden, da es dafür keine Norm gab.

[...] die bedeutende eigenthümlichkeit des originals auch in scheinbaren nebendingen dorchblicken zu lassen. so wie zeile für zeile nachgebildet wird, sollen wahl und verhältnis der einzelnen wörter von dem serbischen möglichst abhängen. (Kleinere Schriften 4 1869: 420)

Im letzten Absatz der Rezension zur Übersetzung der Lieder Taljvs11 erklärte Grimm die Entstehung des Namens. Taljv bildete sich aus den Anfangsbuchstaben des Vor- und Nachnamens der Schriftstellerin, die sich hinter dem Pseudonym verstecke.

Die Rezension der serbischen Hochzeitslieder, die anschließend an die Besprechung der Übersetzung von Taljv folgte, war eine der kürzesten Rezensionen von Grimm. Sie hatte weniger als zehn Zeilen in denen er schrieb, dass hier fünfzig Lieder von Karadžić mitgeteilt werden und diese kurz und bündig beschrieb.

die übersetzung ist gleichfalls wohlgelungen und befolgt das sich näher ans serbische original haltende verfahren, welches wir im allgemeinen zu empfehlen nicht umhin gekonnt haben. vorrede und anmerkungen sind lesenswerth. (Kleinere Schriften 4 1869: 421)

3.2.8 Grimms Besprechung von Karadžićs Volksliedern Teil 4 (1834)

Grimm begann seine Rezension vom vierten Teil der Volkslieder im Jahre 1834 indem er schrieb, dass Karadžićs Volkslieder schon so populär seien, dass er nicht noch einmal

11 Taljv ist das Pseudonym für Therese von Jacob, eine deutsche Schriftstellerin.

46 alles wiederholen wollte, was er bei den ersten beiden Bänden schon gesagt hätte. Grimm berichtete weiter, dass Karadžićs Lieder schon europaweit bekannt seien.

das ganze werk erfreut sich einer allgemein europäischen anerkennung; nicht blosz in Deutschland auch in Frankreich, England, Böhmen und Ruszland hat man sich seiner wenigstens theilweise durch übersetzungen, die freilich alle weit hinter dem original zurückstehen, bemächtigt. (Kleinere Schriften 5 1871: 168)

Daraufhin folgte prompt die Anerkennung für den Herausgeber der Lieder mit den Worten, dass er „zugleich lexicograph, grammatiker und diaskeuasten des reichsten vorraths echter und edler volkspoesie“ (Kleinere Schriften 5 1871: 168f.) sei. So würde sich Grimm wünschen, dass Karadžić noch eine ausführlichere Grammatik herausbringe. Weiters meinte Grimm:

das hauptübel, woran die grammatiken des slavischen sprachstamms [...] leiden, ist, dasz die meisten zu viel fremdes system in die sprache tragen, statt alle grammatische regel allein aus der sprache selbst zu ziehen. wir preisen also nicht allein was dr. Vuk leistet, sondern vor allem auch seine methode und sein verfahren. (Kleinere Schriften 5 1871: 169)

Abermals kritisierte Grimm, dass Karadžić in seiner Heimat keine Anerkennung fand und er – ganz im Gegenteil – mit großen Hürden zu kämpfen hätte; nur der russische Kaiser unterstütze ihn. Unter Karadžićs Liedern befanden sich welche, die sogar aus mehr als 1200 Versen bestanden, wie Grimm verglich „also ganz von der länge eines gesangs im homrischen epos“ (Kleinere Schriften 5 1871: 169). Unter all den Sängern der Lieder war auch Karadžićs Vater, als frommer Mann, der nicht viel mit diesen Liedern anfangen konnte; dennoch wurden sie traditionellerweise vom Vater bzw. Bruder erlernt (vgl. Kleinere Schriften 5 1871: 169).

vorzüglich waren alte männer und frauen der lieder kundig, darunter mehrere blinde [...], denn das alter verleiht erfahrung in der kunst vielgehörten gesangs, und die blindheit stärkt den inneren sinn des gedächtnisses, zugleich aber, da beide zu anderer arbeit untauglich machen, gewährt ihnen das lied erheiternde beschäftigung und unterstützung. (Kleinere Schriften 5 1871: 169f.)

47 Der Mittelpunkt der Rezension war das Lied ljuba bogatoga Gavana12, welches als Probe mitgeteilt wurde. Der Rezensent war überwältigt von Vergleichen wie dem „niedersteigen der engel auf die erde“ (Kleinere Schriften 5 1871: 171) und „dem flug der biene auf die blume“ (Kleinere Schriften 5 1871: 171).

Grimm meinte auch, dass das Lied aus der Zeit des Christentums stamme:

den ursprung dieser merkwürdigen dichtung möchten wir in eine zeit setzen, wo das christenthum schon tiefe wurzel gefaszt, noch aber nicht alle spuren des heidenthums ausgerottet hatte. (Kleinere Schriften 5 1871: 171)

Merkwürdig fand Grimm, dass Gavan in diesem Lied nicht vorkam und meinte, dass er vielleicht schon verstorben sei oder, dass das Lied vielleicht lückenhaft sei (vgl. Kleinere Schriften 5 1871: 172).

Im letzten Absatz der Besprechung fand Grimm noch ein paar lobende Worte: der vierte Teil der Volksliedersammlung sei noch viel besser als die ersten drei Bände. Auch befürwortete er, dass das russische T durch das lateinische T komplett ersetzt wurde. Das Einzige, was er ein wenig zu bemängeln hatte, war das Wortregister, welches seiner Meinung nach ausführlicher sein sollte und zumindest schwer verständliche Begriffe, die im großen Wörterbuch nicht vorhanden waren, enthalten sollte (vgl. Kleinere Schriften 5 1871: 172).

3.2.9 Die Vorrede von Jacob Grimm zur deutschen Übersetzung Karadžićs serbischer Volksmärchen (1853)

Nachdem Vuk Karadžić das Buch Serbische Volksmärchen (1853) Jacob Grimm widmete, schrieb dieser im Jahre 1853 die Vorrede dafür. Normalerweise wurde Grimm von Kopitar dazu angeregt oder fast gedrängt Karadžićs Werke zu rezensieren, aber dieses Mal passierte es ohne Kopitars Einfluss, da dieser bereits seit zehn Jahre tot war (vgl. Mojašević 1990: 133).

12 Die Frau des reichen Gavan.

48

So begann Grimm seine Vorrede mit folgenden freundlichen Worten:

Keine kleine freude macht es mir, das neueste werk meines berühmten freundes, zu welchem ich selbst ihm schon vor dreiszig jahren den ersten antrieb gegeben hatte, mit einer vorrede zu begleiten. (Karadžić-www)

Ohne das ständige Auffordern Grimms hätte Karadžić vermutlich nie eine Volksmärchensammlung herausgebracht. Die Volkslieder wiederum wären auch ohne Grimm entstanden, aber für die Entstehung der Volksmärchen war Grimm im Wesentlichen verantwortlich (vgl. Mojašević 1990: 133).

Im Weiteren schrieb Grimm wieder über Karadžićs Heimat, über deren Bewohner, die ihm seine Arbeit so erschwerten und die seine Leistungen nicht zu schätzen wüssten.

es heiszt aber ganz Europa, welches diese verdienste laut anerkennt, beleidigen, dasz sein eignes vaterland einem solchen manne volle, gebührende gerechtigkeit fast zu versagen scheint, von dem man behaupten darf, dasz er niemals etwas unrechtes, unnützes oder unfruchtbares that, und der, wenn alle irrthümer und blendwerke geschwunden sind, im gedächtnis kommender zeiten hervorragen wird. (Karadžić- www)

Außerdem schrieb Grimm, dass die Volksmärchen Mythen seien, die auch mündlich überliefert wurden und man durch diese auch die Verhältnisse und Verwandtschaft zu anderen Völkern in Europa und auch Asien studieren konnte (vgl. Karadžić-www).

Im vorletzten Absatz schrieb Grimm über Wilhelmine Karadžić, die Tochter von Vuk Karadžić, die diese Märchen ins Deutsche übersetzte:

Die willkommne verdeutschung, gefertigt von dem beider sprachen kundigen fräulein Wilhelmine Karadschitsch verdient lob, dasz sie sich getreu an den urtext schlieszt, auf dessen unkosten sie sonst hätte gekürzt und geschmeidigt werden können; es ist so besser, und das zu Wien erschienene serbische original wird desto stärker anziehen. (Karadžić-www)

49 Zum Schluss erwähnte Grimm noch die Sprichwörter, die „zeigen, welch ein schatz von lebensweisheit und sinnreichen anschauungen diesem volke beiwohnt“ (Karadžić-www).

50 4. Vuk Karadžićs Kleine serbische Grammatik, verdeutscht und mit einer Vorrede von Jacob Grimm (1824)

4.1 Entstehung der Vorrede

Nachdem Vuk Karadžić seine Kleine serbische Grammatik samt einem Wörterbuch geschrieben hatte, suchte Jernej Kopitar einen Übersetzter, der das Ganze ins Deutsche übersetzt, denn Kopitar wollte, dass auch die Deutschen in den Genuss der serbischen Volkslieder kommen. Zuerst wollte Kopitar, dass der Direktor des Gymnasiums von Sremski Karlovci die Übersetzung macht, doch dieser wollte sich der Sache nicht annehmen.

Am 15. November 1822 schrieb Karadžić das erste Mal an Kopitar, dass er jemanden gefunden habe, der die serbische Grammatik Abb.: 4: Vuk Karadžićs Kleine serbische ins Deutsche übersetze, und fragte, ob Kopitar Grammatik verdeutscht und mit einer einen Verleger finden könne (vgl. Prepiska II: Vorrede von Jacob Grimm 123). Da Kopitar nicht reagierte, schrieb Karadžić ihm wiederholt am 27. Dezember 1822:

Прије сам Вам негђе напоменуо, да овђе један преводи Српску граматику на Немачки, па ми ништа не одговористе. Он ће скоро бити готов, него Вас молимо, да тражите Verlegera. [...] Предговор ћу ја правити с Вама заједно.13 (Prepiska II: 150)

13 Ich habe Ihnen schon vorher erwähnt, dass hier einer die serbische Grammatik ins Deutsche übersetzt, aber Sie haben mir nicht geantwortet. Er wird bald fertig sein, aber ich bitte Sie, dass sie einen Verleger suchen [...] Die Vorrede werde ich mit Ihnen machen.

51 Zu diesem Zeitpunkt war Dimitrije Tirol für die Übersetzumg verantwortlich. Karadžić plante seine Vorrede zur Kleinen serbischen Grammatik mit Jernej Kopitar gemeinsam zu machen, doch dazu ist es nicht gekommen. Kopitar wollte, dass Vater14 die Grammatik zum Druck vorbereite, aber Karadžić, der zu dieser Zeit in Leipzig war, hat ihm geantwortet, dass Vater bis Weihnachten keine Zeit hätte (vgl. Stojanović 1924: 241).

Am 20. September 1823 schrieb Kopitar an Karadžić:

Vater sollte Ihre Grammatik, so wie er`s mit der polnischen gemacht hat, auf 2-4 Bogen und in Tabellen herausgeben. Dies würde auch nach dem Lexicon mehr Nachfrage machen, und die Deutschen alle Hilfsmittel haben, um die Lieder ganz zu geniessen (генисен). Oder hätte Grimm, Riemer die paar Tage Zeit, um nun die 2-4 Bogen zu schreiben? Vater wäre aber der nächste, da er schon so viele solcher Grammatiken gemacht. (Prepiska II: 265f.)

Einige Briefe später schrieb Kopitar, wenn Vater dies nicht machen könne, sich Karadžić den besten Studenten nehmen und mit diesem eine deutsche Grammatik der serbischen Sprache verfassen solle, weil „Sie ist unentbehrlich um Deutsche fähig zu machen, sich unserer Literatur zu freuen, anzunehmen, und sie zu feyern und zu verbreiten“ (Prepiska II: 274).

Nach wiederholtem Auffordern in Kopitars Briefen besuchte Karadžić Grimm zum ersten Mal in Kassel und schrieb seine Eindrücke in seinem Brief vom 1. Oktober 1823 nieder:

Гримм ме је примио као и пјесме Српске. Не могу Вам казати како ми је прекрасно писмо дао на Гета, уз које му салје преведену на Њемачки дијобу Јакшића [...] Ја нијесам никад могао мислити, да Грим оволико зна Српски! Онај превод граматике дао сам Гриму, и он мисли, да ће што моћи бити од њега,15[...]. (Prepiska II: 275f.)

14 Johann Severin Vater war ein deutscher Sprachforscher und Theologe. 15 Grimm hat mich aufgenommen wie auch die serbischen Lieder. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was für einen wundervollen Brief er für Goethe gegeben hat, zu dem er ihm die deutsche Übersetzung von dijobu Jakšića schickt […] Ich habe nie glauben können, dass Grimm so viel Serbisch kann! Die Übersetzung der Grammatik habe ich Grimm gegeben und er glaubt, dass daraus etwas warden kann, […].

52 Nun nahm sich Jacob Grimm dieser Arbeit an und schrieb in seinem ersten Brief an Karadžić am 19. Oktober 1923, dass sich auch ein Verleger für die Grammatik gefunden habe, nämlich Herr Reimer aus Berlin, der Grimm einen Gefallen schuldig war. Weiters schrieb er: „Der gute Ungar erstand nicht viel von Deutsch und scheint sich einigemahl übereilt oder den text misverstanden zu haben“ (Prepiska II:283) und stelte noch etliche Fragen zur Grammatik (ibid.: 282f.).

Jacob Grimm hatte laut Briefwechsel mit Kopitar anfangs seine Bedenken, ob er diese Arbeit annehmen soll. Seine Zweifel, dass die Zeitspanne für die Umsetzung des Projekts nicht ausreichen würde, formulierte er im Brief vom 10. Oktober 1823 an Kopitar:

Allein nun setzt mir Vuk wieder einen neuen Floh ins Ohr; er meint es sei gut und könne angehen, daß ich eine deutsche Übers. seiner Serb. Gr. herausgebe. Was meinen Sie? Sinke ich da nicht in ein für mich noch bodenloses Erdreich über Hals und Kopf oder wenigstens do ramena ein, wo ich mir hernach nicht heraushelfen werde?...Was kann ich in einer Vorrede anders thun, als was schon von Ihnen und Anderen gesagt ist über Geschichte und Werth der serb. Sprachewiederholen[...] (Vasmer 1938: 5)

Kopitar ermutigte daraufhin Grimm, denn er wusste, dass Karadžićs Kleine serbische Grammatik stärker wahrgenommen und ernster genommen werden würde, wenn so ein bedeutender Sprachwissenschaftler, wie Grimm es war, die Vorrede schreiben würde. Daher formulierte er Folgendes: „Und gerade von Ihnen, als einen unbefangenen Ausländer, würden es die In- und Ausländer am liebsten empfangen“ (Vasmer 1938:6) und er erwähnte immer wieder, wie gut Karadžićs Volkslieder seien: „Diese neuen Homere verdienen es wahrlich, daß Deutschland sie kenne“ (Vasmer 1938: 7).

Nach Karadžićs Besuch bei Grimm war er bei Goethe, um ihm den Brief von Grimm zu überbringen. In dem Brief schwärmte Grimm von den serbischen Liedern: „Што је гођ, вели, мени од ове струке познато, ништа се са Српским пијесмама испоредити не може“16 (Prepiska II: 287).

16 „Was auch immer, sagt er, mir aus diesem Fach bekannt ist, kann man nichts mit den serbischen Liedern vergleichen“.

53 Auch Goethe war so angetan von Karadžić und dem von Grimm ins Deutsche übersetzte serbische Lied, dass er sich bei Grimm für Karadžićs Besuch bedankte. Das Lied der beiden Brüder beeindruckte ihn so, dass er es in seiner Zeitschrift Kunst und Alterthum abdrucken ließ (vgl. Prepiska II: 307). Nachdem Karadžić das erfuhr, schickte er Goethe noch einige serbische, ins Deutsche übersetzte Volkslieder. Da Karadžić zu Ohr kam, dass Goethe auch gerne die serbische Grammatik und ein serbisch-deutsches Wörterbuch in seinem Besitz hätte, ließ er ihm auch diese zukommen (vgl. Prepiska II: 330).

Am 20. Dezember 1823 bedankt sich Johann Wolfgang Goethe in einem Brief bei Karadžić für die Übersendung der Lieder, der Grammatik und des Lexikons. Er schrieb: „Ihre bedeutende Sprache hat hiedurch sich auch bey uns den Weg gebahnt und unseren Forschern die Pflicht auferlegt sich emsig damit zu beschäftigen“ (Prepiska II: 359).

Währenddessen verbesserte Jacob Grimm Karadžićs Grammatik in weniger als zwei Monaten. Karadžić gefielen die Verbesserungen gut, aber er wünschte sich, dass ihn Grimm noch stärker kritisierte beziehungsweise korrigierte, da er ihn für den besseren Grammatiker hielt (vgl. PrepiskaII: 337). Warum Grimm dies aber nicht tat, schrieb er in seinem Brief vom 12. Dezember 1823:

Ich that es nicht 1.) weil es zu schnell gieng; Reimer wollte sogleich drucken lassen, wie ich verlangt hatte, weil Sie es wünschten und damit Sie noch in Leipzig wären um den druck und die correctur anzuordnen. 2) weil es Ihre grammatik und bleiben soll; ich durfte also Ihren plan nicht ändern. In der vorrede werde ich mir einige äusserungen darüber erlauben und Ihnen einiges bestreiten […]. (PrepiskaII: 354)

Jacob Grimm besserte nicht nur die Grammatik aus und schrieb die Vorrede, sondern widmete auf Wunsch Karadžićs die Kleine serbische Grammatik Miloš Obrenović17. Grimm wollte die Widmung zunächst nicht schreiben, wie er in seinem Brief vom 2. Jänner 1824 Karadžić wissen ließ:

17 Miloš Obrenović (1780 – 1860) oder auch Knjaz Miloš war der Anführer des zweiten serbischen Aufstands gegen die Osmanen.

54 Aus Kopitars briefen verstehe ich halb und halb, dass man Ihnen in Serbien verdruss zubereitet und sich Milosch nicht so benommen hat, wie wir dachten. Sie sprachen mir hier von einer zuneigung an Milosch. Unter den umständen hab ich aber keine Lust dazu. Nicht wahr? oder belehren Sie mich, dass die dinge anders stehen [...]. (Prepiska II:373)

Jacob Grimm erfuhr von Jernej Kopitar, dass Karadžić einen Brief von Obrenović bekommen hatte, in dem er schrieb, dass er sehr unzufrieden sei mit Karadžićs Arbeit. Da er Lieder drucke, die bereits von ihm gedruckt worden waren und weil er unwahre Lieder drucke, denn diese Lieder müssen nach wahren Geschehnissen sein (vgl. Prepiska II: 303f.).

Karadžić antwortete sofort auf den Brief von Obrenović und entschuldigte sich oftmals, denn „У моме доданашјему вијеку нијесам несрећнијега и жалоснијега писма примио...“18 (Prepiska II: 327). Weiters erklärte er in seinem Brief, dass er die Lieder nochmals gedruckt hatte, damit eines neben dem anderen stehen könne und dass ein Lied keine wahren Geschehnisse erzähle, sondern in Liedern auch imaginäre Inhalte wiedergegeben werden können. Er hatte mit dem Druck der Lieder keine schlechten Absichten, sondern er wollte nur der Welt zeigen, dass das Volk über Miloš sang (vgl. Prepiska II: 327).

Karadžić aber bat Grimm trotz dieses Briefes von Obrenović in seiner Korrespondenz vom 13. Jänner 1824 die Widmung zu schreiben:

Es ist wahr, dass Milosch über mich ist einwenig böse geworden; aber ich bin noch dieser Meinung. Sie sollten ihm die Grammatik zu eignen: das könnte der Sache viel nutzen. Die Serben kennen den Werth ihrer Lieder noch nicht. Ich habe Ihnen erzählt, wie einige Herren theils aus Unwissenheit, theils aus Feindschaft gegen mich, haben dem Milosch in meiner Gegenwart gesprochen, dass mein gantzes Sammeln der Lieder nichts anderes, als спрднја и беспослица19 sey: und er hat doch lieber mir (der ich ihm für Unterstützung und Beförderung dieser Sammlung ewigen Ruhm und Dank versprochen habe), als ihnen geglaubt. Ohne seine Unterstützung hätten diese Lieder jetzt gewiss nicht erscheinen können. (Prepiska II: 376f.)

18 „In meinem bisjetzigen Alter habe ich noch keinen unglücklicheren und traurigeren Brief erhalten “ 19 Gespött und Müßiggang.

55 Grimm ließ auch ein besonderes Exemplar in Samt und Seide für Miloš Obrenović anfertigen (ibid.: 439) und Karadžić bat Obrenović mehrfach, Grimm einen Dankesbrief zu schreiben.

Mit Rücksicht auf Karadžić verfasste Grimm die Widmung und schrieb am 18. Jänner 1824, dass er auch mit der Vorrede fertig sei und bat Karadžić sich diese anzuschauen und zu beurteilen (vgl. Prepiska II: 380). Karadžić war begeistert von Grimms Vorrede und auch von der Widmung (ibid.: 340). Grimm war hingegen skeptisch, ob unter dem Zeitdruck nicht die inhaltliche Qualität gelitten hätte; es musste ja alles sehr schnell gehen. In seinem Brief an Karadžić vom 2. April 1824 äußert er sich daher folgendermaßen:

Schlimmer wirds mit den blössen stehen, die ich den Slavisten gebe. Wenn ich nur mit heiler Haut daon komme. Sie und Kopitar, ihr seid schuld dran, ihr habt mich dazu angetrieben und mir doch keine zeit gelassen. Mit der zeit wäre ich weiser geworden […]. (Prepiska II: 438)

Die Kleine serbische Grammatik ins Deutsche übersetzt und mit der Vorrede von Grimm ergänzt, wurde zum Erfolg. Kopitar bedankte sich in Karadžićs und seinem Namen und berichtete vom Erfolg: „Noch einmal von Vuk und mir tausend Dank für alles, was Sie für ihn gethan und gesprochen haben. Ihre Rec. und – Vorrede werden hier verschlungen“ (Vasmer 1938: 15) und „Vuk`s Gramm. ist erst durch Ihre Übers. en vogue“ (Vasmer 1938: 29).

Auch nach dieser Arbeit blieben Jacob Grimm und Vuk Karadžić im ständigen Briefwechsel und aus dem anfänglichen Arbeitsverhätnis ging eine enge Freundschaft hervor (Vasmer 1939: XVI). Grimm setzte sich stets für Karadžić ein und schrieb 1850 eigenhändig einen Antrag an die Preußische Akademie der Wissenschaften, in dem er Karadžić und seine Arbeit in höchsten Tönen lobte und ihn als Korrespondenten vorschlug:

56 Wenige Gelehrte haben sich um die Literatur ihres Vaterlandes so verdient gemacht wie Herr Wuk Stephanowitsch Karadschitsch (gegenwärtig zu Wien wohnhaft) um die serbische. Mit seinen Kräften allen hat er vollbracht, was sonst nur vereinten Anstrengungen zu gelingen pflegt…Ich schlage diesen bescheidenen, liebenswürdigen und vielgeprüften Mann zum Correspondenten vor […]. (Vasmer 1939: 160f.)

57 4.2 Grimms Vorrede zu Karadžićs Kleiner serbischen Grammatik

Grimms Vorrede in Karadžićs Grammatik kann in zwei Teile gegliedert werden: anfangs schrieb Grimm einen kulturellen, sprachgeschichtlichen Bericht über die Slawen allgemein, wobei er besonders auf die Serben einging. Dieser Teil streckt sich über 31 Seiten. Der zweite Teil betrifft seine Bemerkungen über die sprachwissenschaftlichen Aspekte Karadžićs Arbeit und wurde auf fast 24 Seiten von Grimm erörtert. Grimm war eigentlich beim Schreiben seiner deutschen Grammatik als er den Auftrag für die Überarbeitung und Vorrede zu Karadžićs serbischer Grammatik erhielt. Er unterbrach seine Arbeit an der deutschen Grammatik und studierte die serbische Volkssprache mithilfe von Kopitar, Dobrovský und Karadžić innerhalb kurzester Zeit, da er unter Zeitdruck seine Arbeit an Karadžićs Grammatik vollziehen musste.

Grimm bezog sich bei der Vorrede in vielerlei Hinsicht auf die Volkslieder von Karadžić, aber auch auf die Wörterbücher von Ardelio Della Bella, Ivan Belostenec und Andrija Jambrešić.

Im ersten Teil ging Grimm auf die Verbreitung der Slawen in Europa ein und betonte die Verwandtschaft der slawischen Sprachen, wobei er folgendes Beispiel anführte:

Der Gothe des vierten Jahrh. gebraucht slavische Wörter, bis sich seinem Dialecte des innern Deutschlands nachweißen lassen, z.B. dulg (altslavisch dlg, dolg), das Gothische plinsjan (saltare) ist ohne Zweifel das altslavische plęsati, russisch pljasat’, polnisch pląsać; smakka (altslavisch smokva), wogegen der Slave stklo (stikls) u.a. vom Gothen borgte, wahrscheinlich mzda (mizdő) [...] Das gothische sipőneis [...] war bisher in der deutschen Sprache unerklärlich; wie wenn es das gleich dunkle slav. županj wäre? [...] Blos die Südslaven haben zupanj (croat. span, woraus ungar. ispan und deutsch Gespann); die Westslaven allein pan (domiuns, mobilis), vgl. poln. panna (virgo) litth. ponas (Herr), ponatis (junger Herr), župonne (Frau) [...] Der litthauische Sprachstamm hat zwar eignen Grund, aber auch Gemeinschaft mit Gothen und Slaven, die auf sehr frühe Zeit weist; einen Beleg bietet das letzte Beispiel. (Karadžić 1924: II)

Anhand des Beispiels Gespann werde die Verwandtschaft der südslawischen mit der deutschen und westslawischen Sprache deutlich.

58 Weiters ging Grimm auf die Einteilung der Slawen ein, indem er die slawischen Völker aufzählte:

Weitest hinab im Südost erstreckt sich slavische Zunge nach Bulgarien nach Macedonien. So viel Völker man aber zähle, ihre ganze Sprache trennt sich in zwei Hauptdialecte, jeder Dialect wieder in drei Abtheilungen. Dem südlichen Dialecte fallen Slovenen, Serben und Bulgaren, dem nördlichen Böhmen, Polen und Russen zu. Der nördliche hatte sich auszubreiten ein weites Feld, der südliche wurde durch das Meer, Ungarn und Türken eingeschränkt. Nur noch anderthalb Millionen reden die slovenische Mundart, noch sechs bis sieben Mittelpunkten in Ungarn, Croatien, Steiermark, Kärnthen, Krain und dem Littorale zerstreut. Die bulgarische höchstens eine halbe Million in der Bulgarei und in Macedonien; sie ist Einflüssen des Neugriechischen, Albanesischen und Türkischen ausgesetzt und unter allen slavischen Sprachen innerst am meisten angegriffen. Wogegen die serbische Mundart, oben von der Kulp, unten vom Timok begrenzt, noch unter fünf Millionen Menschen lebt, unter alles südslavischen die kräftigste. (Karadžić 1924: III)

Grimm teilte die Slawen in zwei Gruppen ein: die nördlichen Slawen aus Böhmen, Russland und Polen, und die südlichen Slawen aus Slowenien, Serbien und Bulgarien. Er gab auch an, dass zu dieser Zeit um die fünf Millionen Menschen die serbische Volkssprache sprachen und betonte dies, indem er sie als die kräftigste Sprache aller Südslawen bezeichnete.

Als Nächstes ging Grimm in seiner Vorrede auf die Christianisierung der Slawen ein: „Es muß als ein Unglück des Slavenvolkes betrachtet werden, daß in keinem Lande die Sprengel lateinischer und griechischer Geistlichkeit zusammentrafen“ (Karadžić 1924: V). Weiters sprach er die Kirchenspaltung an, den Einfluss der Kirchensprache auf die Schriftsprache, und die Übersetzung der Bibel in die verschiedenen Sprachen, u.a. ins Slawische.

Ergänzend zur Übersetzung der Bibel in verschiedene Sprachen bezog sich Grimm auf die serbische Schriftsprache und meinte, dass eine geschriebene serbische Schriftsprache notwendig wäre, da die damalige Sprachsituation eine Behinderung des kulturellen Fortschritts wäre:

59 Eine der ausgezeichnetsten, lieblichsten slavischen Mundarten lebt und webt unter dem Volke fort, nur ihre Litteratur liegt in tiefstem Schlummer [...] Das übrige Europa wird, wenn es aufmerken will, nach den Ursachen fragen, die hier im Wege stehen, nach den Gründen, die eine von Millionen Menschen geredete Sprache schriftunfähig machen? (Karadžić 1924: XII).

In folgenden Ausschnitten aus dem Briefwechsel zwischen Grimm und Karadžić brachte Ersterer seine Angst vor einer möglichen Zensur, oder schlimmer, vor einem Verbot der Grammatik zum Ausdruck; er habe ja in der Vorrede seine Ansichten zur Kirche freien Lauf gelassen.

Grimm an Karadžić, Januar 1824:

Die kirchlichen und politischen Verhältnisse habe ich frei besprochen, hoffentlich doch nichts gesagt, was Ihnen Anstoss gibt? Zeigen Sie mirs nur an: wir können streichen und ändern. (Prepiska II 1988: 384)

Daraufhin Karadžić an Grimm, Februar 1824:

Aber was werden die katholischen Pfaffen in Wien und in Ungarn zu Ihren Betrachtungen über Kirche etc. sagen? Werden sie das Buch nicht verbieten? Das ware mir besonders wegen den guten Reimer leid. Sonst wird er die ganze Auflage (1500) in Paar Jahren in Ungarn und Slavonien etc. verkaufen (besonders wegen Ihre Vorrede). (Prepiska II 1988: 400)

Grimm antwortete Karadžić, Februar 1824:

Ihre besorgnis wegen der stellen in der vorrede, die der oesterr. oder ungarischen censur misfallen können, macht mich nun auch besorgt. Beim schreiben dachte ich nicht dran, es sind ja bloss ansichten, die verwerfen oder widerlegen kann, wer lust oder beruf hat und ohne welche sich das, wovon die rede war, weder begreifen noch entwickeln liess. Meintwegen hätten Sie alles Ihnen anstössige streichen oder mildern sollen, ich hate Sie ausdrücklich um Ihre unverhaltne meinung gebeten. Nun es gedruckt ist mag der himmel weiter sorgen, doch thäte mir das verbot leid, weil dadurch Ihr zweck und Reimers geschäft leiden würde. (Prepiska II 1988: 404)

60 Karadžić strich anscheinend weder die Textpassage über die Kirche noch änderte er diese. Aus dem Inhalt des letzten Briefes geht hervor, dass die Arbeit schon gedruckt worden war und die Literaten nur hoffen konnten, dass das Buch nicht der Zensur zum Opfer fallen würde.

Weiters nahm Grimm in der Vorrede zur Bezeichnung der Sprache als „serbisch“ Stellung, indem er schrieb, dass diese Bezeichnung alle Menschen einer Herkunft grammatikalisch umfasste.

„Solche weltlichen Wörter und Bildungen leben aber in der Volkssprache, die Hohes und Niederes für alle Bedürfnisse in sich trägt und duldet.“ (Karadžić 1924: XIII). Grimm sprach sich deutlich für die Volkssprache aus, da seiner Meinung nach Wörter und Bildungen von der Volkssprache genährt würden. Er meinte auch, dass die serbische Sprache im Volk lebe, die Literatur dies jedoch noch nicht erkannt habe. Er ergriff Partei für die geistigen Reichtümer des serbischen Volkes und fand, dass das Volk der Kirche näherstehen sollte. Das Volk sei wesentlich von der Kirche geprägt und zugleich würde das Volk die Kirche beeinflussen. „Aber die Serben sollen wieder die Eigenthümlichkeit ihrer schönen Muttersprache walten und ihre Jugend nicht bloß aus Mrazowitsch20 unterrichten lassen.“ (Karadžić 1924: XIV). Grimm unterstrich hier Karadžićs Meinung, dass die Serben eine eigene Schriftsprache brauchen.

Der Einwand, daß sie eine verhältnißmäßig nicht große Anzahl türkischer Wörter in sich aufgenommen habe, scheint besonders unerheblich. Nicht nur ist die russische Mundart mit weit mehr tartarischen, die böhmische mit deutschen, die polnische mit deutschen und französischen Wörtern untermischt, darum aber von niemanden die Fähigkeit geschrieben zu werden, einer von diesen abgestritten worden; sondern gründliche Sprachforschung erkennt auch die Nothwendigkeit und Natürlichkeit der Einmischung einiger fremden Bestandtheile in beinahe jeder Sprache an. Sie sind festigender Mörtel und füllen Lücken aus, ja sie dienen wohl dem Ausdrucke zur Färbung und Schmeidigung [...]. (Karadžić 1924: XV)

20 Mrazović war ein serbischer Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, der auch eine slawische Grammatik schrieb, nach welcher lange Zeit im heutigen Serbien unterrichtet wurde.

61 Hier ging Grimm auf die Fremdwörter in den verschiedenen Sprachen ein. Er meinte, dass eine gewisse Anzahl an Lehnwörtern natürlich und auch notwendig für die Entfaltung einer Sprache sei und gab als Beispiel die Turzismen sowie deutsche Lehnbegriffe in anderen Sprachen an.

Aus solcher Schmach und Ertödtung Serbien und die serbische Sprache zu retten, hat sich erst in unsern Tagen ein einzelner Mann unterfangen, mit einem Erfolge, dessen Tüchtigkeit jetzt wohl außerhalb Serbien mehr in die Augen fällt, als in seiner Heimath, bewiesen, was unverdrossener Eifer und glückliche Arbeitsamkeit in schneller Frist ausrichten. Womit er sich in andern Ländern die Krone öffentlicher Anerkennung des Verdienstes errungen hätte, hat ihm in seinem Vaterlande vielleicht Verfolgungen zugezogen. (Karadžić 1924: XVIII)

Grimm schrieb weiters im ersten Teil seiner Vorrede eine Ode an Karadžić. Er lobte ihn im höchsten Ausmaß, sprach von der „Krone öffentlicher Anerkennung“ und wusste zugleich, dass Karadžić sich durch sein Werk in der Heimat nicht nur Freunde machen würde.

Doch an Planmäßigkeit, Treue und Vollständigkeit der Sammlung hat nun Herr Wuk alle Vorgänger weit übertroffen, meistentheils ganz entbehrlich gemacht [...] Die Weiberlieder gewähren eine lyrische Poesie, wie sie sich so klar und innig bei keinem der neueren Völker ergossen hat. Was epische Volksdichtung sei, wie sie sich gestalte und fortpflanze, welche natürliche, überraschende, keiner Kunst erreichbare Kraft der Erfindung ihr zu Gebot stehe, wird man aus den Männer- oder Heldenliedern studieren können, deren Inhalt Mährchen, Sagen und neuere Geschichte umfaßt, und sich mit den Denkmählern ferner Völker umfaßt. (Karadžić 1924: XX)

Außerdem sprach Grimm über Volkslieder in den verschiedenen Sprachen, welche einen wichtigen Beitrag sowohl in der Literaturgeschichte als auch in der Sprachwissenschaft darstellen. Durch Karadžićs Sammlung von Märchen, Sagen und Geschichten in der serbischen Volkssprache konnte die Notwendigkeit einer einheitlichen Schriftsprache, welche auf der Volkssprache beruhte, deutlich gemacht werden.

62 Wer die Grammatik und das Wörterbuch des Verfassers gebraucht, könnte glauben, die Lieder seien bloß jenen zur festen Grundlage gesammelt worden; wer die Lieder liest, wird nachfühlen, mit welchem Gefühl sie gesammelt wurden, und daß Grammatik und Lexikon, gleichsam nur Nebenvortheile, mit heraussprangen. (Karadžić 1924: XX)

Grimms Meinung nach verband Sprach- und Geistesentwicklung eng miteinander. Er hob insbesondere die Bedeutung von Vuks Liedersammlungen als Durchbruch der Volkssprache in der Literatur hervor. Seiner Ansicht nach habe eine Sprache mit so viel Poesie, wie die serbische Volkssprache, ein Recht zu existieren.

Im Text brauchte außer einigen Zusammenziehungen nur weniges anders gestellt zu warden. Dafür ist das nothwendigste über die Partikeln hinzugefügt worden. Wer das Serbische mit den übrigen slavischen Dialecten vergleicht, wird die Vorzüge und Mängel seiner Formenlehre leicht wahrnehmen, z.B. der noch im Slovenischen (Krainischen) lebende Dualis ist ihm ausgestorben. (Karadžić 1924: XXI)

Grimm ging in diesem Absatz schon auf den sprachwissenschaftlichen Aspekt ein und erklärte, dass die Partikeln z.B. hinzugefügt wurden, während der Dualis – noch im Slowenischen zu finden – in der Grammatik nicht mehr angegeben wurde.

Noch unbedingteren Beifall verdient, daß der Verfasser alle Buchstaben der Kirchensprache weggelassen hat, wofür die serbische, wenigstens die jetzige keine Laute mehr besitzt. (Karadžić 1924: XXII)

Hier sprach Grimm von der neu eingeführten Schriftsprache des Serbischen und befürwortet des Weiteren Karadžićs Version. Dieser habe nämlich die Buchstaben aus der bisherigen Schriftsprache, dem Altkirchenslawischen, weggelassen und neue Zeichen eingeführt.

Das lateinische schönste und deutlichste Alphabet würde mit verständiger Vermehrung für die eigenthümlichen Laute jeder Sprache und Mundart allen europäischen Sprachen wohlthätig warden. (Karadžić 1924: XXIII)

Bezüglich der Orthographie befürwortete Grimm auch die Notwendigkeit der neu eingeführten Zeichen Karadžićs, verpasste ihm aber einen Seitenhieb in Richtung

63 Graphie: Er hätte die lateinische Schrift gerne als einheitliche europäische Schrift bevorzugt.

Überdies ging Grimm in seiner Vorrede auf die Bezeichnung „serbisch“ ein und erklärt, dass der Ausdruck Serbe für alle Südslawen am besten wäre und bezog sich auf das nachmalige serbokroatische Sprachgebiet:

In der That aber scheint Serbe die beste Benennung, mit der man alle diese Völker einer Abkunft und Sprache grammatisch umfassen könnte […] Nächstdem scheint es mir keinen rühmlichern Namen für alle Südslaven zu geben. Kein anderer südslavischer Stamm erfreut sich einer Geschichte, die der serbischen vergleichbar wäre. (Karadžić 1924: XXIIIf.)

Er fügte hinzu, dass gewisse serbische Heldenlieder sowohl „in Dalmatien, Bosnien, Herzegowina wie im inneren Serbien“ (Karadžić 1924: XXV) gesungen wurden. Diese Informationen findet man auch im Briefwechsel zwischen Karadžić und Grimm, wobei sich Grimm in der Vorrede auf die Informationen von Karadžić bezog:

Die Türkischen Serben in Bossnien singen diese ältesten Lieder nicht (sondern neuere aus XVI. Und XVII Jahrhundert, wie jene im. Bande vom 7-15 sind); aber die orthodoxen Serben singen sie in Dalmatien, Montenegro, Bossnien und Herzegowina so wie in Serbien (aber merkwürdig ist, dass auch die Bulgaren singen unsere Heldenlieder (etwas bulgarisiert), besonders von Kraljewitsch Marco, und sie wollen nicht hören, dass er kein Бугарин war!). (Prepiska II 1988: 362)

Weiters führte er die Begründung der Notwendigkeit einer einheitlichen Bezeichnung dieser Sprache an und meinte, dass die lebendige Betitelung „serbisch“ vorteilhafter sei als die Bezeichnung „illyrisch“: „[...] der lebendige Name serbisch ist besser als der gelehrte und halbtodte illyrisch, besser als der von einigen (frühern) Illyriern gebrauchte bosnisch“ (vgl. Karadžić 1924: XXV).

Bei der Einteilung der südslawischen Landschaften gab Grimm fünf Gebiete an: „Süd- Ost-Croatien“, „Dalmatien“ („Die Einwohner sind zum Theil lateinisches, zum Theil griechisches Bekenntnisses“), „Slavonien“ (hier „[…] herrscht, wie in Croatien, durchgehends lateinischer Ritus”), „Bosnien” („großentheils türkischer Religion [...] die

64 Hauptstadt heißt Sarajewo“) und „das eigentliche Serbien“ („meist unterwürfig den Türken“) (vgl. Karadžić 1924: XXVI)

In der ansehnlichen Ausdehnung aller dieser Länder herrscht im Ganzen ein und dieselbe Sprache; Abweichungen, wie sie stattfinden, kann man nicht einmahl dialectische Spielarten nennen. (Karadžić 1924: XXVII)

Grimm brachte zum Ausdruck, dass im Großen und Ganzen in allen von ihm angegebenen Gebieten die gleiche Sprache gesprochen werde. Auch die unterschiedlichen Mundarten seien nur Dialekte, wie es sie in jeder Sprache gebe.

Im Weiteren ging Grimm auf die von Karadžić noch angeführten Mundarten ein. Grimm teilte diese in drei verschiedene Dialekte: in den herzegowinischen, die ressawischen und in den sirmischen. Zum herzewgowinischen Dialekt zählte er „die Einwohner der Herzegowina, Montenegros, Bosniens, Dalmatiens, Croatiens und des oberen Theils von Serbien […]“ (Karadžić 1924: XXVII). Den ressawer Dialekt schrieb er den Einwohnern „in Branitschewo, bis an den Trmol, in Ressawa, im Paratiner Distrikt bis Nissa, Levatsch, Temnitj (Jagodinerbezirk) in Kruschevaz bis nach Kossovo“ zu. Den dritten Dialekt, das Sirmische, würde „in Sirmien, in der Batschka, im Temesvarer Banat, in Serbien zwischen der Save, Donau und Morava“ gesprochen werden.

Als Grundlage dieser Einteilung diente Karadžić u.a. die Aussprache des Vokals Ѣ (altkirchenslawisches jat, welches als Solches noch im Russischen zu finden ist, im serbischen Alphabet bei Karadžić aber nicht mehr vorkam). Vielmehr wurde der Vokal als je, ije oder reines e in den Dialekten wiedergefunden. Auf diese Information trifft man in einem Brief von Karadžić an Grimm im November 1823 wieder:

Ich schmeichle mir, das diese serbische (oder meine) Alvabet wäre für alle Slavische Mundarten (natürlich mit Zusatz noch einige Buchstaben, z.B. für Russen ѢI, für Krainer noch eine e & w). Wenn irgend noch eine Sprache nach ihrer Natur oder Eigenthümlichkeit einen J bedarf; so ist wirklich die Slavische (mit allen Mundarten) die erste in dieser Hinsicht. Wie viele Regel und Ausnahmen hat man nicht in den altslawischen und russischen Gramatiken nur aus Mangel an dem j? (Prepiska II 1988: 315)

65 Grimm nahm diese Information Karadžićs auf und gab folgenden Lösungsansatz in seiner Vorrede wieder. Er stellte die gesprochenen Mundarten in drei Dialekte nach Karadžić vor.

Man könnte vielleicht richtiger statt jener dreifachen Dialectverschiedenheit zwei Mundarten ansetzen, eine südwestliche und nordöstliche. Jene zerfiele in den bosnischen und herzegowinischen, diese in den sirmischen und ressawischen Dialect. (Karadžić 1924: XXIX)

Statt der Einteilung der serbischen Sprache von Karadžić in drei Dialekte schlug Grimm eine – auf geographischen Zuordnungen basierende – zweiteilige Gliederung vor: die südwestliche Mundart und die nordöstliche Mundart, wobei es hier wiederum Unterteilungen bedürfe.

Weitere Unterschiede zwischen den Mundarten wurden von Grimm angeführt: „hypocristische Masculina“, der Substantivwandel erster Deklination, Substantivendungen, Wortendungen auf -stvo, der Gebrauch des Akkusativs anstelle des Lokativs und der unterschiedliche Gebrauch von eve, ene anstatt evo und eno (vgl. Karadžić 1924: XXIXf.).

Im zweiten, sprachwissenschaftlichen Teil der Vorrede verfasste Grimm seine Bemerkungen zur Grammatik und verglich diese mit slawischen Dialekten und anderen Sprachen, und bestätigte somit seine Ansichten. Weitere Ausführungen zur Grammatik überließ er dann anderen Sprachforschern wie Dobrovský und Kopitar (vgl. Karadžić 1924: XXXI).

Grimm führte z.B. Unterschiede bei den Konsonanten an, wobei er auf die Eigenheiten in den Regionen einging und verglich diese mit den anderen slawischen Sprachen. Weiters zählte er das ъ auf, welches im Serbischen nicht mehr als Schriftzeichen existierte. Auch „statt дъ, нъ wählt Wuk die angemessenere Schreibung љ, њ, das zusammengezogene, vereinfachte Zeichen für das getrennte, doppelte“ (Karadžić 1924: XXXII). Weiters sprach Grimm über das Aussterben von Endvokalen und von der Existenz von Umlauten

66 im Serbischen und prüfte andere slawische Sprachen auf diese Phänomene (vgl. Karadžić 1924: XXXIff.). „Sichtbar hat der slavische Sprachstamm mit der ihm angrenzeden hochdeutschen Mundart mehr Berührung, als mit der ferneren nierdeutschen und nordischen.“ (Karadžić 1924: XXXX). Grimm verwies auf die Ähnlichkeiten der slawischen Sprache mit der deutschen Sprache. So wurde sein reiches Wissen über verschiedene Sprachen sichtbar.

Über die Deklinationen der Nomen schrieb er Folgendes: „Bekanntlich geben alle heutigen slavischen Dialecte belebten Masculinis einen vom Nominativ abweichenden Acc. Sing., während bei unbelebten beide Casus völlig übereinstimmen“ (Karadžić 1924: XXXIXf.).

Des Weiteren schrieb er über die Adjektive und widersprach Karadžić, weil dieser Formen miteinander vermischte. Ebenso führte er die Formen des Komparativs, der Ordinalzahlen, die Konjugationen und die Reduzierung von Vokalen an (vgl. Karadžić 1924: XLff.).

Sehr richtig erklärt der Verfasser die üblichen Eintheilungen der Verba in Activa und Neutra, in Transitiva und Intransitiva hier für unnütz. Dagegen will er eine andere, allen slavischen Sprachen eigenthümliche, besonders ausgezeichnet wissen: die in Perfectiva und Imperfectiva. (Karadžić 1924: XLIXf.).

Die slavische Formenlehre kann also des Unterschieds zwischen Perfectivis und Imperfectivis nicht ganz entbehren, obgleich er strenge genommen die Flexion nichts angeht und der Syntax zufällt. (Karadžić 1924: L)

Zur Einteilung der Verbklassen Karadžićs bemerkte Grimm, dass er die neue Einteilung in perfektive und imperfektive Verben befürwortete. Man könne perfektive Verben oft an Präfixen erkennen, wobei man bei perfektiven und imperfektiven Verben von „Erfüllung oder Fortwähren einer Handlung“ spreche (vgl. Karadžić 1924: XLIXff.).

Es ist nicht unmöglich Spuren eines die slavische Sprache so durchdringenden Unterschiedes auch in der deutschen aufzufinden. Composita mit -ver, -be, -hin, - durch ec. (wie im Slavischen mit -по, -до, -на etc.) böten etwa Perfectiva dar, unzusammengesetzte dagegen Imperfectiva. Kopitar lehrt S. 310. Daß auf die Frage: was machst Du? thust Du? Nicht mit dem Präsens eines Perfectivums geantwortet

67 werden könne. Danach prüfe man auch deutsche Verba. Wirklich ist uns fühlbar, daß von einem Sterbenden, Reisenden, Lesenden, Bleibenden nicht gesagt werden dürfe: er verstirbt, verreist, durchliest, verbleibt, sondern nur: er stirbt, reist, liest, bleibt. Wogegen es im Prät. Unbedenklich heißt: er verstarb, verreiste, verblieb, durchlas; verstarb aber und starb unterscheiden sich wie im Serbischen умрије und мрије, d.h. man muß sagen: er sichte und starb gleichsam sein Leben lang; er verstarb gestern an seiner Krankheit. Und wiederum spielt das deutsche Präsens in die Bedeutung des Futurums über: ich verreise morgen ec. Sobald in der Partikel eine Abänderung des Sinns liegt, hat das Präsens nichts Anstößiges, z.B. ich verachte. Vielleicht entdecken wir bei näherer Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand, daß die altdeutsche Sprache der slavischen hierin genauer folgte, als die heutige. (Karadžić 1924: LIIf.)

Zum Vergleich der Verbklassen von Karadžić zog Grimm die deutsche Sprache und ihre Präfixe ver-, be- und hin- heran, welche eine abgeschlossene Handlung bezeichnen. Er war somit einer der Ersten, die den Aspekt der Verben in der deutschen Sprache überdachten und Parallelen in der altdeutschen und der slawischen Sprache fanden.

Auf Seite XLVII gab Grimm noch an, dass er sich bei seiner Vorrede aufgrund des Zeitdrucks nur auf die ersten Fälle der Nominaldeklination konzentrierte: „Der Kürze wegen habe ich übrigens diese Untersuchung auf die drei ersten Casus Sing.Masc. beschränkt“.

68 5. Die Entstehung der serbischen Sprache in der Zeit der Romantik

5.1 Die Epoche der Romantik

Im Gegensatz zur Aufklärung und der Klassik wurden die Werte, welche dem eigenen Volk wichtig waren, wieder aufgegriffen. Die Sehnsucht und das Schweifen in die Ferne waren charakteristische Merkmale der Romantiker, die sich auf andere Welten fixierten. Gattungen dieser Epoche waren vorrangig Märchen, Novellen, Romane und Dramen. Gewöhnlich existierte in den Dichtungen eine Gesetzlosigkeit der Gattungen. Die Dichtergattungen pflegte man nicht in reiner Form, sondern vermischte diese untereinander. Hier lag ein Kontrast zur Epoche der Klassik, welche sich um die Reinheit der Gattungen bemühte.

Die Romantik hatte ihren Ursprung in Deutschland, wobei sie auch in Frankreich, Italien und England weitverbreitet war.

5.1.1 Die Romantik im deutschsprachigen Raum

Die Romantik kann grob in drei Phasen eingeteilt werden: die Frühromantik, die mittlere Phase der Romantik und die Spätromantik. Zeitlich lässt sich die Romantik mit dem Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eingrenzen. Da die Romantik zwei Generationen von Schriftstellern umfasste, konnte sie sich von ihrem ursprünglichen Charakter einer „Jugendbewegung“ befreien. Es gab auch Beschränkungen der öffentlichen Meinungsfreiheit durch Zensur, Bespitzelung und Verfolgung unerwünschter Gelehrter. Inhaltliche Kennzeichen der europäischen Romantik waren Begeisterung, Schwärmerei und die Vorherrschaft des Gefühls und der Phantasie (vgl. Bunzel 2010: 11ff.).

Die geographischen Zentren der Frühromantik bildeten Berlin und Jena. Die Literaten dieser Zeit waren Studierte. Sie lebten in der Zeit der Leserevolution. Vertreter dieser

69 Epoche waren u.a. Friedrich von Hardenberg21 und Friedrich Schlegel. Die Publikation von Romanen nahm stark zu und auch die Grenzen der Nationalliteratur wurden gesprengt. Das europäische Literaturbewusstsein bekam einen Aufschwung: Nach der wissenschaftlichen Revolution folgte die philosophische. Charakteristisch für die Frühromantik war die Verbindung von Kunst und Leben, wobei die Kunst vorrangig war. Die Verbreitung des romantischen Gedankens wurde durch die Förderung der Weltliteratur unterstützt, zum Beispiel durch Schlegels Übersetzung von Shakespeares Werken (ibid.: 11ff.).

In der mittleren Phase der Romantik fokussierte man sich auf nationale Fragen, wobei man hier das zeitgeschichtliche und politische Umfeld nicht vergessen darf: Nach der Niederlage Preußens gab es eine nationalistische, aggressiv antifranzösische Tendenz. Das geographische Zentrum weitete sich über Europa hinweg aus, wobei zu den Zentren der Bewegung neben Heidelberg und Berlin auch Wien, Dresden und Bamberg zählten. Zur Heidelberger Gruppe gehörte u.a. Jacob Grimm. Themen dieser Zeit umfassten Mythengeschichten und die Doppeldeutigkeit von Alltäglichem und Wunderbarem. Vertreter dieser Zeit waren auch Förderer der Volkspoesie. Das Ende dieser Epoche wurde ca. mit 1922 datiert (ibid.: 18ff.).

Die Spätromantik erstreckte sich über 50 Jahre und brachte weniger Neues hervor als die Phasen zuvor. Ihr geographischer Mittelpunkt war Berlin. Im Gegensatz zur Frühromantik und der mittleren Phase der Romantik fehlten in der Spätromantik Gruppenkonstellationen. Am Ende der Spätromantik wurde das romantische Konzept umgewandelt und weiterentwickelt. Das Künstlertum sollte wieder einer gesellschaftlich verantwortungsbewussten Tätigkeit nachkommen (ibid.: 42ff.).

5.1.2 Die serbische Romantik

Der nationale Aufschwung Anfang des 19. Jahrhunderts wurde zur Grundlage der modernen jugoslawischen Literatur: Nach jahrelangem Kampf gegen die türkische

21 Hardenberg veröffentlichte seine Werke unter dem Pseudonym „Novalis“.

70 Vorherrschaft wurde Serbien zum Fürstentum erhoben. Deswegen mussten Herrschaftsformen eingeleitet werden, die mit den Ambitionen der vorwiegend bäuerlichen Bevölkerung einhergingen. Die Anzahl der intellektuellen Laien stieg. Sie schrieben vorerst noch in der slawenoserbischen Sprache, welche der breiten Masse des Volkes unverständlich war. Einige Literaten waren der Meinung, dass die literarische Sprache der gesprochenen Volkssprache ähnlich werden müsse. Einer von ihnen – er war auch maßgeblich an der serbischen Sprachrevolution beteiligt – war Vuk Stefanović Karadžić. Karadžić setzte sich bewusst für die Volkssprache in der Literatur ein. Er war der Meinung, dass nur dies den serbischen Nationalgeist erhalten könne (vgl. Barac 1977: 85ff.).

Das Jahr 1847 war für die serbische Literatur bedeutend, da Werke wie Der Bergkranz22, Die Gedichte23 und Der Kampf für die serbische Sprache und Rechtschreibung24 erschienen, wobei die beiden ersten Werke bereits in der Volkssprache geschrieben wurden. Letzteres Werk enthielt die Prinzipien von Karadžićs Sprachreform (ibid.: 85ff.).

In der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es dann die Wende in der serbischen Literatur: Karadžić und dessen Sprachauffassung bildeten die Grundlage für die junge, serbische Generation. Zu Beginn der 1860er Jahre fingen sie an, Karadžićs Literatursprache und Rechtschreibung zu benutzen. Als Ausgangspunkt des literarischen Schaffens wurden Volkslieder und Volksmärchen benutzt, wobei sich die Inhalte auf Themen wie die Verherrlichung des Ritter- und Heldentums, den Kult des Orients, und die Flucht vor Problemen und sentimentalen Geschichten bezogen. Weitere romantische Inhalte glorifizierten das Serbentum und thematisierten die Freiheit. Die Motivation der serbischen Literatur war das Streben nach Einigkeit und Freiheit. Das Zentrum des literarischen Lebens war zu dieser Zeit Novi Sad und Sremski Karlovci. Zeitschriften, wie Morgenstern oder Matica, feierten zu dieser Zeit ihre Geburtsstunde (ibid.: 134ff.).

22 Der Bergkranz wurde 1847 von Petar Petrović Njegoš verfasst und handelt vom ersten Fürstbischof Montenegros. 23 Die Gedichte stammen von Branko Radičević. 24 Rat za srpski jezik i pravopis wurde von Đuro Daničić geschrieben.

71 Zur Generation der serbischen Romantiker zählte unter anderen Jovan Jovanović Zmaj, der eigentlich Arzt war. Er wurde als Dichter von Liebesliedern bekannt, verherrlichte aber auch das Serbentum und schrieb patriotische und satirische Poesie über das gesellschaftliche und politische Leben in Serbien. Seine Arbeiten waren für den serbischen Vers von großer Bedeutung, denn er übernahm die Syntax und den Akzent der Alltagssprache für die Poesie (ibid.: 136ff.).

72 5.2 Nationsfindung

Die Romantik wird meist als Widerspruch zur Aufklärung gesehen und diese Epoche der Romantik stand für einen starken Zusammenhang zwischen Literatur und nationaler Kultur (vgl. Mančić 2012: 28f.). Sie war eine europäische Strömung, die in mehreren Ländern zu verschiedenen Zeiten Bedeutung erlangte und die Entstehung der einzelnen Nationen begleitete (ibid.: 58). Nach der Französischen Revolution und der Aufklärung kam es in Europa vermehrt zu neuen Betrachtungsweisen der Volkssprache und der Volkskultur. Viele Gelehrte erforschten Sprachen, Kulturen und Geschichten und schrieben Wörterbücher, Grammatiken, und sammelten Volkslieder. Das Nationalbewusstsein in Europa wurde gestärkt (vgl. Sundhaussen 2007: 82ff.).

Johann Gottfried Herder war zu jener Zeit ein für die weitere Nationsbildung bedeutender Philosoph und Schriftsteller, der von 1744 bis 1803 im deutschsprachigen Raum lebte. Für ihn war der Mensch ein soziales Wesen, welches erst in einer Sprachgemeinschaft seine Vollkommenheit finden könne. Auch das Volk stehe, seiner Meinung nach, in einer Wechselbeziehung zum Staat: Wenn ein Staat gut funktioniere, könne sein Volk nicht untergehen. Wenn ein Staat bezwungen werde, lebe das Volk trotzdem weiter, was bedeute, dass das Volk den höheren Stellenwert innerhalb dieses Wechselverhältnisses besitze. Demnach war für Herder die Volkssprache das zentrale Bindeglied eines Volkes, da nur durch sie ein Gemeinschaftsbewusstsein entstehe (ibid.: 82ff.). Für die meisten Schriftsteller dieser Epoche waren Herders Werke ausschlaggebend.

Herder war der Meinung, dass die Nationalität mit der Muttersprache erlangt werden würde: Mittelst der Sprache wird eine Nation erzogen und gebildet: mittelst der Sprache wird sie ordnung- und ehrlibend, folgsam, gesittet, umgänglich, berühmt, fleißig und mächtig. Wer die Sprache seiner Nation verachtet, entehrt ihr edelstes Publicum; er wird ihres Geistes, ihres inneren und äußeren Ruhms, ihrer Erfindung, ihrer feineren Sittlichkeit gefährlichster Mörder. (Herder 1883, zit. n. Mančić 2012: 47)

Herder machte das Volkslied zum Begriff und charakterisierte es als schön, alt und allgemein verbreitet (vgl. Mančić 2012: 47). Seine Arbeiten beeinflussten das Volksbewusstsein und den Gemeinschaftsgeist der Slawen. Dies wiederum forderte den

73 Wunsch slawischer Gelehrte, die eigene Muttersprache zu erforschen und brachte eine neue Begeisterung für die eigene Volksüberlieferung hervor. Der Leitgedanke einer Vereinigung aller Südslawen kam im 19. Jahrhundert auf, denn die deutsche Romantik wirkte nicht nur in Form Herders, sondern auch durch die Werke Grimms, Rankes und der Gebrüder Schlegel auf die Kroaten, Slowenen und südungarischen Serben der Habsburger Monarchie (ibid.: 60ff.):

Denn die Romantik bedeutete für die Südslawen die eigentliche Renaissance, die national-kulturelle Wiedergeburt, den größten Aufschwung in ihrer gesamten Kulturentwicklung. Zugegeben, daß diese jugoslawische Wiedergeburt in gewissem Grade eine Folge der vorangegangenen Entwicklung und der allgemein europäischen Vorgänge war, so steht doch fest, daß der bedeutendste und entscheidendste geistige und literarische Anstoß zur jugoslawischen national-kulturellen und nationalpolitischen Wiedergeburt von der deutschen nationalen, romantischen Bewegung ausging, von den Ideen Herders, Fichtes u.a: von dem romantischen Organismusdenken, von dem lebendigen Organismus, dessen ursprüngliche Lebensäußerung in einer Sprache, seiner volkstümlichen Dichtung, seinem ganzen, in Sitte und Herkommen unbewußt verkörperten Naturgut sich offenbarte. (Matl 1973, zit. n. Mančič 2012: 62)

Um eine Sprache für ein Volk zu nationalisieren, müsse man sie von Fremdwörtern und fremden Einwirkungen befreien. Dies sei die reinste Art der Volkssprache und Kultur. Schwierigkeiten würden erst dann entstehen, wenn man vor der Entscheidung stehe, welche Sprachvariante als Normsprache verwendet werden soll (vgl. Mančić 2012: 73f.).

5.2.1 Vuk Karadžić und die Nationsfindung Serbiens

Dositej Obradović war ein serbischer Philosoph, Gründer der Universität in Belgrad und Vorreiter in Bezug auf Vuk Karadžićs Wirken. Er lebte von 1739 bis 1811 und setzte sich für den Unterricht der Volkssprache in Serbien ein. Seiner Meinung nach waren die wesentlichen Kriterien für eine Nationsbildung die Volkssprache und -kultur, weshalb er sich von der religionsabhängigen Nationalität abgrenzte (vgl. Sundhaussen 2007: 85ff.):

Welchen Nutzen haben wir von einer Sprache, die in einem ganzen Volk von kaum einem Menschen richtig verstanden wird und die meiner Mutter und meiner Schwester fremd ist? (Obradović 1961, zit. n. Sundhaussen 2007: 88)

74

Karadžić war es, der Dositejs angefangene Sprachreform fortsetzte und vollendete (vgl. Sundhaussen 2007: 88). Karadžićs Funktion im Nationalbildungsprozess in Serbien war ebenso von Bedeutung. Während der Jahrhundertwende bildeten sich in Serbien verschiedene Sprachvarianten, wie das Kirchenslawische, die Volkssprache und das Slawenoserbische. Karadžić selbst kam aus einer Gegend Serbiens, die von den Osmanen besetzt war, und aus der er aufgrund des missglückten serbischen Aufstands im Jahre 1813 in die Habsburgermonarchie fliehen musste (vgl. Mančić 2012: 79). Dort lernte er Jernej Kopitar kennen, der schon seit 1808 in Wien lebte und dessen Interesse an Volksliedern erst begann, als Karadžić nach Wien kam. Jernej Kopitar war von großer Bedeutung für die Südslawen. Er sah es als seine Aufgabe, Volkslieder zu bewahren, indem er jemanden fand der diese sammelte. Vuk Karadžić sollte diese Aufgabe übernehmen und er gründete und reformierte zugleich die serbische Sprache unter Kopitars Einfluss. Er veröffentlichte eine Grammatik (1814) und ein Wörterbuch (1818) des Serbischen und brachte zehn Bände an Volksliedern heraus (vgl. Mančić 2012: 63f.).

Dank Kopitar lernte Karadžić auch Jacob Grimm kennen, den er in die serbische Volkspoesie einweihte. Grimm übermittelte seine Begeisterung unter anderen auch an Goethe und Brentano. Sein erstes Mitwirken im Bereich der serbischen Grammatik war seine Besprechung der Volkslieder nach seinem Besuch in Wien in den Jahren 1814 und 1815. Es folgte die Veröffentlichung der Kleinen serbischen Grammatik auf Deutsch mit der Vorrede von Jacob Grimm (vgl. Mančić 2012: 80).

In der Volksdichtung ist laut Grimm „der athem einer jeden sprache ungehemmt und frei zu spüren“ weswegen Grimm die serbischen Liedersammlungen als Quellen bezeichnet, aus denen, „der wahre geist der slavischen sprache, poesie und er ganzen natur dieser völker teuer studiert und geschöpft werden [könne]“ als etwas aus jenen Teilen der serbischen Literatur, die von der gebildeteren Bevölkerungsschicht geschrieben wurde. (Mančić 2012: 80)

Nachdem Grimm die beiden Bände der Volkslieder besprochen hatte, bedankte sich Karadžić bei ihm in einem Brief am 18. November 1924 mit den Worten: „Ich habe Ihre

75 Rezensionen über II. und I: Bde. der Lieder empfangen, und im Namen allen Serben, die ihre Sprache und Nation lieben, danke ich Ihnen Tausend Mal“ (Prepiska II: 506).

Somit konnten sich Karadžićs Gegner, die oft über eine akademische Ausbildung verfügten und vielfach Geistliche waren, seiner Arbeit nicht widersetzen, da sie sich zugleich der serbischen Volkssprache und Dichtung widersetzt hätten. Die serbische Volkssprache wurde zu Beginn von den serbischen Gelehrten verpönt, denn sie galt als „Schweine- und Rinderhirtensprache“ (vgl. Mančić 2012: 81). Karadžić äußerte sich darüber 1818 folgendermaßen:

[W]ie soll man heute für die Serben schreiben? Nicht einmal sie selbst sind sich darüber einig, sondern haben sich in zwei Parteien geteilt: Die einen sagen, dass man richtig Slawisch schreiben und die Volkssprache mit allem Dazugehörigen zurücklassen soll, wie eine verdorbene Schweine- und Rinderhirtensprache. [...] Die anderen (von denen es mehr gibt) meinen, dass weder richtiges Slawisch noch Serbisch nötig ist, sondern dass man die Volkssprache verbessern und zwischen den beiden Sprachen gemischt schreiben soll [...]. (Hopfer 1997, zit. n. Mančić 2012: 82)

Der jahrelange Kampf Vuk Karadžićs hatte erheblichen Einfluss auf das heutige serbische Kulturerbe. Karadžićs Sprachreform konnte sich nur deshalb bewähren, weil er sich radikal von den altertümlichen Schriftschöpfungen und deren Rechtschreibung befreite. Dadurch entstand Ende des 19. Jahrhunderts eine nationale Kultur, geschaffen von einer neuen gesellschaftlichen Oberschicht (vgl. Mančić 2012: 81f.).

76 5.3 Das Wiener Abkommen

Ljudevit Gaj (1809–1872), Begründer der neuen kroatischen Schriftsprache und Hauptvertreter des Illyrismus, wollte die Kroaten, Serben und Slowenen unter dem Namen Ilir vereinen. Das ist ihm allerdings nicht gelungen, da bei den Slowenen zu dieser Zeit ein stärkeres Nationalbewusstsein einsetzte und sie eine selbstständige Literatur besaßen. Die Serben lehnten eine gemeinsame Sprache noch rigider ab. Gaj wollte eine gemeinsame Literatursprache, für die er den štokavischen Dialekt vorgesehen hatte mit lateinischem Alphabet nach tschechischem Vorbild (vgl. Stojanović 1924: 681f.).

1850 trafen sich Ivan Kukuljević, Dr. Dimitrija Demeter, Ivan Mažuranić, Vuk Stefanović Karadžić, Vinko Pacel, Franjo Miklošić, Stjepan Pejaković und Đuro Daničić in Wien und das Wiener Abkommen wurde unterschrieben. In diesem Abkommen wurde keine Nation mit Namen erwähnt und auch keine Sprache. Es wurde nur gesagt „Доље потписани знајући да један народ треба једну кнјижевност да има“30 (ibid.: 686).

Die Regeln des Abkommens lauteten:

1) да не ваља мешати наречја, већ узети једно; 2) да је најправије и најболје примити јужно наречје за кнњижевно; 3) да се пише х свуда где му је по етимологији место; 4) да се избаци х из другог падежа множине код именица, и 5) да се вокално r пише просто, а не са èr или àr.31 (Stojanović 1924: 686)

Auf diese Weise konnten Serben und Kroaten eine einheitliche Literatursprache schaffen. Dies wiederum bedeutete, dass von diesem Zeitpunkt an Bücher aus der Lateinschrift problemlos ins Kyrillische transliteriert werden konnten. Zu einer

30 „Die, die unten unterschrieben haben, wissen, dass ein Volk eine Literatur braucht“. 31 1) man soll keine Dialekte mischen, sondern nur einen verwenden; 2) dass es das Richtigste und Beste ist, wenn man den südlichen Dialekt für die Literatur nimmt; 3) dass man das h überall schreibt, wo es die Etymologie verlangt; 4) dass das h beim zweiten Fall Plural bei Nomen entfällt und 5) dass das vokale r einfach geschrieben wird und nicht mit èr und àr.

77 vollständigen einheitlichen Literatur ist es nicht gekommen, da die in Lateinschrift geschriebenen Bücher von den Kroaten und jene in kyrillischer Schrift von den Serben und Orthodoxen gelesen wurden (ibid.: 687). Ein Grund dafür war, dass das Abkommen nicht vom Staat gesetzlich festgelegt wurde, sondern nur von Privatpersonen unterschrieben wurde. Im Sinne einer sprachlichen Vereinheitlichung der Südslawen galt das Dokument aber als wesentlicher Schritt (vgl. Mančić 2012: 76).

78 6. Schlussfolgerung

Diese Arbeit verfolgt das Ziel, das Verhältnis zwischen Vuk Stefanović Karadžič und Jacob Ludwig Karl Grimm anhand ihres Briefverkehrs zu untersuchen, sowie deren Zusammenarbeiten zu untersuchen. Man kann sagen, wenn Jernej Kopitar, Karadžićs Mentor, nicht gewesen wäre, hätten sich Grimm und Karadžić nicht kennengelernt und es wäre nie zu einer Zusammenarbeit der Beiden gekommen. Des Weiteren bedeutet dies auch, dass wenn Grimm, der damals schon großes Ansehen hatte, Karadžić nicht bei seiner Arbeit zur Kleinen serbischen Grammatik unterstützt hätte, Karadžić niemals das Ansehen bekommen hätte, welches ihm dadurch zusteht. Grimm trug wesentlich dazu bei, dass Karadžićs Werke auch im deutschsprachigen Raum gelesen wurden.

Weiters geht hervor, dass durch Grimms Interesse an Karadžićs Werken, wie z.B. an seinen Volksliedern und auch an der serbischen Sprache, auch andere deutsche Literaten wie Goethe anfingen die Werke zu lesen und Serbisch zu studieren. Deshalb waren auch Karadžićs Werke, wie die Kleine serbische Grammatik in der deutschen Sprache und sein serbisch – deutsches Wörterbuch notwendig, damit man diese Sprache überhaupt erst lernen und somit auch die serbischen Volkslieder lesen und verstehen konnte.

Festzustellen ist, dass fast jedes Mal wenn Vuk Karadžić ein neues Werk herausbrachte, Jernej Kopitar einen Brief an Jacob Grimm schrieb, in dem er ihn bat, eine Rezension darüber zu schreiben. Allgemein hatte Kopitar großen Einfluss auf Karadžić und ermutigte diesen immer wieder Volkslieder zu sammeln und neue Werke herauszugeben.

In den Briefen von Karadžić an Grimm fällt auf, dass dieser ihn anfangs immer mit „Hochgeschätzter Herr“ ansprach und die meisten Briefe mit „Ihr ergebenster Diener“ beendete. Mit den Jahren änderte er seine Ansprachen zu „Hochschätzbarster Freund“ und „Ihr dankbarer Freund“. Hier kann man erkennen, dass aus einem rein beruflichen Verhältnis später eine wahre Freundschaft wurde. Jacob Grimm und Vuk Karadžić hatten auch nach Jernej Kopitars Tod weiterhin Briefkontakt.

79 Die größte Herausforderung beim Erfassen dieser Arbeit lag darin, dass viel Vorarbeit in der Buchrecherche, speziell bei den kyrillischen Werken nötig war. Besonders Karadžićs Briefe an Kopitar sowie auch Werke über Karadžić gibt es nur in der kyrillischen, und nicht in der lateinischen Schrift.

Folgendes kann im Rahmen der Arbeit festgestellt werden: ein Literat alleine, wie in diesem Beispiel Karadžić, hat es schwer, eine Sprachreform durchzubringen. Auch er hatte anfangs mit Verfechtern der Volkssprache als Standardsprache zu kämpfen und konnte sich erst später durch das Mitwirken und Einwirken anderer Literaten aus verschiedenen Ländern etablieren.

Abschließend stellt sich noch die Frage, wie viel Einfluss Grimm zu seinen Lebzeiten mit anderen als in dieser Arbeit besprochenen Literaten hatte. Es könnte sich aus dieser Aufgabenstellung heraus eine weitere kulturwissenschaftliche Arbeit, z.B. über die Auswirkungen seiner Briefwechsel mit nordischen Gelehrten, ergeben.

80 7. Zusammenfassungen

Im Folgenden findet man eine Zusammenfassung dieser Arbeit auf Deutsch (Kapitel 7.1) und auf B/K/S (Kapitel 7.2).

7.1 Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit untersuchte das Verhältnis des serbischen Literaten Vuk Karadžić und des deutschen Literaten Jacob Grimm anhand ihrer Korrespondenz. Zu Beginn wurde ein Einblick in Karadžićs, Grimms und auch Jernej Kopitars Leben durch eine kurze Biographie gegeben. Karadžić war der wichtigste Sprachreformer in Serbien und Grimm hatte schon einen großen Bekanntheitsgrad, was Karadžić sehr zum Ansehen verholfen hat. Kopitar war ein Sprachwissenschaftler aus Slowenien und wurde aus dem Grund dazugenommen, da er eine wesentliche Rolle zwischen Karadžić und Grimm spielte.

Im weiteren Verlauf wurde auf das Verhältnis und die Zusammenarbeit der Literaten eingegangen. Durch das Untersuchen der Korrespondenz konnte man einen näheren Einblick gewinnen, wie ihr gemeinsames Wirken und Arbeiten entstanden ist. Zuerst wurde auf die Zusammenarbeit von Kopitar und Karadžić eingegangen und danach auf die Zusammenarbeit von Grimm und Karadžić. Es wurden verschiedene Rezensionen analysiert und beschrieben wie sie zustande kamen.

Im vierten Kapitel wurde dann besonders die Entstehung der Vorrede von Jacob Grimm für Vuk Karadžićs Kleine serbische Grammatik verdeutscht mit einer Vorrede von Jacob Grimm, wie auch die Vorrede selbst analysiert. Die Entstehung der Zusammenarbeit zu dieser Vorrede konnte man durch den zahlreichen Briefverkehr von Grimm, Kopitar und Karadžić nachvollziehen. Eine wichtige Rolle, dass es überhaupt dazu kam, dass Grimm die Vorrede schrieb, hatte Kopitar, der stets ein gutes Wort für Karadžić übrig hatte und ihn immer unterstützte. Die Arbeit an der serbischen Grammatik war auch das umfangreichste slawische Werk, das Grimm jemals erarbeitete. Seine Informationen, die

81 er in der Vorrede verwendete, hatte er zum Teil aus Kopitars Rezensionen und aus Karadžićs Notizen, welche Karadžić ihm mit den Briefen schickte.

Die Vorrede selbst gliederte Grimm in zwei Teile: Der erste Teil war ein kulturell, sprachgeschichtlicher Bericht über die Slawen allgemein, wobei er besonders auf die Serben einging. Der zweite Teil der Vorrede betrifft seine Bemerkungen über die sprachwissenschaftlichen Aspekte Karadžićs Arbeit.

Abschließend wurde auf die Romantik im deutschsprachigen Raum und auch auf die serbische Romantik eingegangen. Die Romantik in Deutschland begann Ende des 18. Jahrhunderts und endete Mitte des 19. Jahrhunderts und man teilte sie in drei Phasen, Früh-, Mittel- und Spätromantik. In Serbien begann die Romantik etwas später und war sehr wichtig für die serbische Nationsfindung. Auch das Wiener Abkommen 1850 wurde kurz erwähnt, da es eine wichtige Rolle für die serbische Sprachentwicklung war, denn dadurch einigten sich die Serben und Kroaten auf eine einheitliche Literatursprache.

82 7.2 Sažetak

Ovom radnjom se istražuje odnos srpskog književnika Vuka Karadžića i nemačkog književnika Jakoba Grima na osnovu njihove prepiske. Na početku je data kratka biografija koja pruža uvid u život Karadžića, Grima i takođe Jerneja Kopitara. Karadžić je bio najvažniji reformator jezika u Srbiji, a Grim je već imao visoki stepen popularnosti, šta je Karadžiću puno pomoglo na dobivanju ugleda. Kopitar je bio lingvist iz Slovenije i uzet je iz razloga, jer je zauzimao važnu ulogu između Karadžića i Grima.

Kasnije se radnja zadržava na odnosu i saradnji između ovih književnika. Na osnovu istraživanja ove prepiske dobio se bolji uvid u to kako je nastalo njihovo zajedničko stvaralaštvo i delovanje. Najpre je fokusirana saradnja između Kopitara i Karadžića, a zatim saradnja između Grima i Karadžića. Analizirane su različite recenzije i kako je došlo do njih.

U četvrtom poglavlju je posebno analiziran nastanak predgovora Jakoba Grima za Karadžićevu Malu srpsku gramatiku ponemčenu sa predgovorom Jakoba Grima, kao i sam predgovor. Na temelju opsežnog dopisivanja između Grima, Kopitara i Karadžića može da se prati nastanak saradnje na ovom predgovoru. Važnu ulogu u tome da je uopšte došlo do toga da je Grim napisao predgovor, imao je Kopitar koji je uvek našao dobru reč za Karadžića i koji ga je uvek podržavao. Ova radnja je takođe bila i najopširnije slovensko delo koju je Grim ikada uradio. Njegove informacije koje je upotrebio u predgovoru imao je delomično iz Kopitarevih recenzija i iz Karadžićevih beleški koje mu je Karadžić slao zajedno sa pismima. Sam predgovor je Grim raspodelio na kulturno-naučni i lingvistički deo.

Zaključno se rad fokusira na romantiku na nemačkom govornom području i takođe na srpsku romantiku. Romantika je u Nemačkoj počela krajem 18. veka i završila je sredinom 19. veka te se deli na tri faze: rana, srednja i kasna romantika. U Srbiji je romantika počela nešto kasnije i bila je veoma važna za formiranje srpske nacije. Kratko se spominje i Bečki književni dogovor iz 1850. godine, budući da je imao važnu ulogu za

83 razvoj srpskog jezika, jer time su se Srbi i Hrvati sporazumeli za jedinstven književni jezik.

8. Quellenangabe

8.1 Literaturverzeichnis

Berkowski, N.J. (1979): Die Romantik in Deutschland. Wesen und Ideen der Romantik. Leipzig: Koehler & Amelang.

Bojić, Vera (1977): Jacob Grimm und Vuk Karadžić. Ein Vergleich ihrer Sprachauffassungen und ihre Zusammenarbeit auf dem Gebiet der serbischen Grammatik. München: Otto Sagner Verlag.

Bunzel, Wolfgang (2010): Romantik. Epochen – Autoren – Werke. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Eschker, Wolfgang (1988): Jacob Grimm und Vuk Karadžić. Zeugnisse einer Gelehrtenfreundschaft. Kassel: Erich Röth-Verlag.

Kleinere Schriften 4: Grimm, Jacob (1869): Kleinere Schriften vierter Band. Berlin: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung.

Kleinere Schriften 5: Grimm, Jacob (1871): Kleiner Schriften fünfter Band. Berlin: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung.

Prepiska II: Karadžić, Vuk Stefanović (1988): Sabrana Dela Vuka Karadžiča. Prepiska II. Beograd: Prosveta.

Karadžić, Vuk Stefanović; Grimm, Jacob (1974): Kleine serbische Grammatik. München: Sagner Verlag.

84 Mančić, Emilija (2012): Umbruch und Identitätszerfall. Narrative Jugoslawiens im europäischen Kontext. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag.

Martus, Steffen (2013): Die Brüder Grimm. Eine Biographie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.

Murko, Matija (1908): Kopitar in Vuk Karadžić. Ljubljana: Narodne Tiskarne.

Stojanović, Ljubomir (1924): Zivot i rad Vuka Stef. Karadžića. Beograd-Zemun: Štamparija grafičkog zavoda Makarije a.d.

Sundhaussen, Holm (2007): Geschichte Serbiens 19.–21. Jahrhundert. Wien; Köln; Weimar: Verlag Böhlau.

Vasmer, Max (1939): Bausteine zur Geschichte der deutsch-slavischen geistigen Beziehungen I. Berlin: Verlag der Akademie der Wissenschaften.

Vasmer, Max (1938): B. Kopitars Briefwechsel mit Jacob Grimm. Berlin: Verlag der Akademie der Wissenschaften.

85 8.2 Internetverzeichnis

Tošović-www: http://www.gewi.kfunigraz.ac.at/gralis/Slawistikarium/BKS/Herausbildung_Serbisch.pdf Stand: 21.07.2014

Karadžić-www: http://www.zeno.org/Märchen/M/Serbien/Vuk+Stephanovic+Karadzic%3A+Volksmärch en+der+Serben/Vorrede+von+Jacob+Grimm Stand: 13.10.2014

86 9. Abbildungsverzeichnis

Abbildung Bezeichnung, Internetseite, Stand 1 Vuk Stefanović Karadžić http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/41/VukKaradzic.jpg Stand: 10.10.2014 2 Jacob Karl Grimm http://www.lagis-hessen.de/img/bio/3269.jpg Stand: 10.10.2014 3 Jernej Kopitar http://www.vreme.com/gallery/1118590_68_0Jernej_Kopitar.jpg Stand: 10.10.2014 4 Vuk Karadžićs Kleine serbische Grammatik verdeutscht und mit einer Vorrede von Jacob Grimm http://www.yuread.com/P/Lang/Serbian_Grammar.jpg Stand: 10.10.2014

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