Quellen Zur Rezeption Des Requiems Von Wa Mozart in Salzburg
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Eva Neumayr QUELLEN ZUR REZEPTION DES REQUIEMS VON W. A. MOZART IN SALZBURG IM 19. JAHRHUNDERT Unter Mitarbeit von Lars E. Laubhold1 Die Salzburger Rezeptionsgeschichte von Mozarts Requiem liegt, abgesehen von punktuellen Fakten, weitgehend im Dunkeln. Eine angenommene Nicht-Rezeption des gesamten Mozartschen Œuvres als Folge und Symptom generellen politischen, wirtschaftlichen und in der Folge geistigen Verfalls im frühen 19. Jahrhundert gehört zum gängigen Bild Salzburger Musikgeschichte und lässt Fragen nach einer Rezeptionsgeschichte unnötig erscheinen, noch bevor diese gestellt werden. „Die kulturelle Lethargie“, so urteilte Gernot Gruber über die Salzburger Situation nach der Jahrhundertwende, „spricht aus der unbegreiflich erscheinenden Tatsache, daß Mozarts Name oder Werk in Salzburger Tageszeitungen während der beiden ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts kein einziges Mal erwähnt wurden. Die geistige Entwurzelung des Gedächtnisses an Mozart in seiner Heimatstadt mag als ein Symbol für seine historisch bedingte Fremdheit gelten (die nicht mit der ‚Fremdheit des Genies‛ als philosophisches Problem zu verwechseln ist)“2. Dass das Gedächtnis an Mozart in Salzburg ausgelöscht gewesen sei, lässt sich indes anhand verbürgter Aufführungen − z.B. des Requiems − ebenso bestreiten, wie die implizite These angreifbar ist, am heutigen musikalischen Kanon gewonnene ästhetische Maßstäbe seien hinreichende Gradmesser zur Diagnose kultureller Allgemeinzustände zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wann, wo und von wem Mozarts Requiem in Salzburg erstmals aufgeführt wurde, wer die sozialen Trägerschichten der frühen Rezeption gewesen sind, wurde in der Literatur noch kaum thematisiert. Fragen zum Aufführungskontext gewannen jüngst erstmals an Brisanz, 1 Die hier dargestellten Ergebnisse wurden von den Autoren im Rahmen eines vom Österreichischen Fonds für Wissenschaft und Forschung (FWF) geförderten Projektes erarbeitet, in dem unter der Leitung von Univ. Doz. Dr. Ernst Hintermaier das Musikrepertoire der Salzburger Dommusik im 18. Jahrhundert erforscht wird. Dabei wurden u.a. die Bestände der Salzburger Dommusik bis 1807 mit Hilfe der RISM Quellendatenbank katalogisiert. 2 Gernot Gruber, Mozart und die Nachwelt, Salzburg u. Wien 1985, S. 84; Carena Sangl, Die Rezeption der geistlichen Musik Mozarts in Salzburg bis um 1900, in: Zwischen Himmel und Erde. Mozarts geistliche Musik. Katalog mit Audio-CD zur 31. Sonderschau des Dommuseums zu Salzburg, 8. April bis 5. November 2006, hrsg. v. Peter Keller u. Armin Kircher, Regensburg u.a. 2006, S. 67−69, folgt dieser Argumentation; vlg. auch Robert Hoffmann, Vom Mozartdenkmal zur Festspielgründung – Musik und Vereinskultur im 19. Jahrhundert, in: Salzburger Musikgeschichte. Vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert, hrsg. v. Jürg Stenzl, Ernst Hintermaier und Gerhard Walterskirchen, Salzburg 2005, S. 401−423, hier 403: „Nachdem das Andenken Mozarts in dessen Geburtsstadt über Jahrzehnte weitgehend in Vergessenheit geraten war, machte sich Mitte der 1830er-Jahre auch in Salzburg jenes Streben nach ‚Invention of Tradition‘ bemerkbar, das über eine Verklärung von ‚Heroen der Kunst‘ letztlich auf eine bürgerliche Selbstthematisierung abzielte.“ nachdem Carena Sangl eine ausführliche Untersuchung3 jenes musikalischen Bestandes im Franziskanerkloster Salzburg vornahm, der nach landläufiger Ansicht u.a. das Salzburger Erstaufführungsmaterial des Requiems enthält.4 Ihre kulturhistorische Einordnung des Bestandes fügt sich weder zum gängigen Bild einer süddeutschen katholisch-geistlichen Residenz im späten 18., noch zu jenem der „kulturellen Lethargie“ im frühen 19. Jahrhundert und fordert zu eingehender Untersuchung des Themenkomplexes heraus. Im Jahrzehnt nach seinem Tod war die Erinnerung an W. A. Mozart in Salzburg jedenfalls noch lebendig. Bereits am 28. Dezember 1791 erschien in der in Salzburg herausgegebenen Oberdeutschen Staatszeitung5 ein Bericht über die in Prag für Mozart 6 veranstaltete Trauerfeier , der im wesentlichen auf einem Artikel basiert, welcher am 17. Dezember 1791 in der Prager Oberpostamts-Zeitung publiziert worden war. Darüber hinaus gibt er aber auch interessante Einzelheiten mit Bezug zu Salzburg wieder. So ist nur hier der Ausspruch Leopold Mozarts überliefert, „Seyn Sohn sey das in der Tonkunst, was Klopstok unter den Dichtern“. Am 3. Jänner 1792 berichtete die Oberdeutsche Staatszeitung erneut von einer musikalischen Benefizveranstaltung für Constanze Mozart und ihre Kinder – ein Zeitdokument, das in den einschlägigen Dokumentationen zu Mozarts Leben bisher noch 7 keine Erwähnung fand : „Mozart. Billig konnte man es von der Kaiserstadt erwarten, daß sie sich am ersten bestreben würde, der zurückgelassenen Witwe unsers verewigten Tonsetzers Mozart thätige Unterstützung angedeihen zu lassen. Sie that es gestern zum ersten Mahle mittelst einer großen musikalischen Akademie zum Vortheile der Witwe, in welcher sich unsere vornehmsten Tonkünstler, Sänger und Sängerinnen gleichsam um die Wette hören ließen. Das Auditorium war sehr zahlreich; und man schätzt, daß gegen 3 Vgl. Carena Sangl, Mozartrezeption in Salzburg um 1800 anhand von Quellen im Franziskanerkloster Salzburg, in: Klang-Quellen. Festschrift für Ernst Hintermaier zum 65. Geburtstag. Symposionsbericht, hrsg. v. Lars E. Laubhold u. Gerhard Walterskirchen, München 2010 (Veröffentlichungen zur Salzburger Musikgeschichte 9), S. 301−308. 4 Vgl. Gerhard Croll u. Gerhard Walterskirchen, Musikpflege an der Franziskanerkirche in Salzburg, in: 400 Jahre Franziskaner in Salzburg. VIII. Sonderschau des Dommuseums zu Salzburg. 14. Mai–16. Oktober 1983, Salzburg 1983, S. 68−73; Thomas Hochradner, Tradition und Wandel in Quellen: Franziskaner- Musikhandschriften in Salzburg als Beispiel, in: Plaude turba paupercula. Franziskanischer Geist in Musik, Literatur und Kunst (Konferenzbericht Bratislava, 4.−6. Oktober 2004), hrsg. v. Ladislav Kačic, Bratislava 2005, S. 109−134. 5 1785 bis 1799 von Lorenz Hübner (1751−1807) in Salzburg herausgegeben. 6 Anhang zum hundert und dritten Stücke der Oberdeutschen Staats=Zeitung. Mittwoch, den 28sten December 1791, Sp. 2049f., zitiert nach Cliff Eisen, Mozart. Die Dokumente seines Lebens, Addenda, Neue Folge, Kassel etc. 1997 (Wolfgang Amadeus Mozart. Neue Ausgabe sämtlicher Werke X/31/2), S. 76f. 7 Eingesehen wurden Otto Erich Deutsch, Mozart. Die Dokumente seines Lebens, Kassel etc. 1961 (Wolfgang Amadeus Mozart. Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Serie X/34); Joseph Heinz Eibl, Mozart. Die Dokumente seines Lebens, Addenda und Corrigenda, Kassel etc. 1978 (Wolfgang Amadeus Mozart. Neue Ausgabe sämtlicher Werke X/31/1); Cliff Eisen, New Mozart Documents. A Supplement to O. E. Deutsch’s Documentary Biography, Stanford 1991; Eisen, Dokumente (Anm. 6); Rudolph Angermüller, Mozart. 1485/86 bis 2003. Daten zu Leben, Werk und Rezeptionsgeschichte der Mozarts, Tutzing 2004, 2 Bde. 1000 Fl. eingegangen seyn mögen, außer dem, was der Hof beysteuerte, welches ebenfalls 150 Dukaten betrug. Es ist der Antrag, jährlich an Mozarts Sterbetag eine ähnliche Akademie zu veranstalten. Se. Maj. haben der erst gedachten Mozartischen Witwe den ganzen von ihrem seligen Manne genossenen Gehalt als Pension beyzulassen geruhet. Jemand hat auf Mozarts Grabmahl folgendes lateinische Distichon gemacht. Qui jacet hic, chordis infans miracula mundi Auxit, et Orpheum vir superavit. Abi! (Der, welcher hier liegt, hat als Kind die Weltwunder durch sein Spiel vermehret, 8 und als Mann den Orpheus überwunden. Geh itzt!)“ Auch dieser Bericht wurde in Anlehnung an zwei vorausgehende Zeitungsnotizen verfasst: Über die „musikalische Akademie zum Vortheile der Witwe“ war bereits im Auszug 9 aller Europäischen Zeitungen in Wien vom 31. Dezember 1791 zu lesen gewesen; die Grabinschrift war, einschließlich einer weiteren Gedichtzeile, in der Wiener Zeitung am 31. 10 Dezember 1791 veröffentlichet worden. Bereits am 7. Jänner 1792, nur vier Tage nach dem Bericht in der Oberdeutschen Staatszeitung, ist im Salzburger Intelligenzblatt in der Rubrik „XI. Vermischte Aufsätze. Anekdoten.“ eine Nachricht von der Entstehung des Mozart’schen Requiems zu lesen, die zum ersten Mal jene Geschichten einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis bringt, die sich um die Entstehung des Werks ranken und deren Ursprung im engsten Familien- und Freundeskreis W. A. Mozarts zu vermuten ist: „Anekdoten 1. Von Mozart. – Er erhielt einige Monathe vor seinem Tode ein Schreiben ohne Unterschrift mit dem Belangen, ein Requiem zu schreiben, und zu begehren, was er wollte. Da diese Arbeit ihm gar nicht anstand, so dachte er, ich will so viel begehren, daß der Liebhaber mich gewiß wird gehen lassen. Den andern Tag kam ein Bedienter, um die Antwort abzuhohlen – Mozart schrieb dem Unbekannten, daß er es nicht anders als um 60 Dukaten schreiben könnte, und dieß vor 2 oder 3 Monathen nicht. Der Bediente kam wieder, brachte gleich 30 Dukaten, sagte, er würde in 3 Monathen wieder nachfragen, und wenn die Messe fertig wäre, die andere Hälfte des Geldes sogleich abtragen. Nun mußte Mozart schreiben, welches er oft mit thränendem Auge that, und immer sagte: Ich fürchte, daß ich für mich ein Requiem schreibe; er machte 8 Oberdeutsche Staatszeitung, Dienstag, den 3. Jänner 1792, Sp. 1. Bei der erwähnten musikalischen Akademie „zum Vortheile der Witwe“ wurde Mozarts Requiem nicht aufgeführt. Die zweite Aufführung des Requiems in Wien fand nicht, wie von Thomas Hochradner behauptet, am 2. Jänner 1792, sondern genau ein Jahr später im Konzertsaal des Gasthauses „Jahns Traiteurie“ statt.