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Wie es begann … eine Zeitreise zum Grundgesetz Ein Film von N. Volpert Beitrag: V. Eklkofer & S. Demmelhuber

Inhalt listen, auf die Insel begleiten. Sie erlebt, wie die "Väter des Grundgesetzes" um Formulierungen Der deutsche Weststaat wird vorbereitet ringen und vor allem darauf Wert legen, dass die Grundrechte in der freiheitlich-demokratischen Im Jahr 1948 ist der Ost-West-Konflikt längst im Ordnung garantiert sind. Gange. Zwei "Blöcke", geführt von den USA und der Sowjetunion, formieren sich. Auch die Spal- Konsequenzen aus dem Scheitern tung des im Zweiten Weltkrieg besiegten der Weimarer Republik Deutschlands zeichnet sich ab. Aus den Besat- zungszonen der Siegermächte USA, Großbritan- Die Verfassung der Weimarer Republik hatte es nien und Frankreich soll ein westdeutscher Staat den Nationalsozialisten ab 1933 leicht gemacht, geformt werden. Im Auftrag der Militärgouver- die Grund- und Menschenrechte auszuhebeln. neure rufen die Ministerpräsidenten der west- Im Grundgesetz soll nun jede staatliche Gewalt deutschen Länder den Parlamentarischen Rat (incl. Gesetzgebung) an den Grundrechtskatalog ins Leben, der eine Verfassung erarbeiten soll. gekoppelt werden. Um zu betonen, dass ein deutscher Weststaat nur eine Übergangslösung auf dem Weg zur Margarete hört deutschen Einheit ist, wird das Gesetzeswerk die Verfas- "Grundgesetz" genannt. Im August 1948 begin- sungsexperten nen in einem vorbereitenden Ausschuss auf der murmeln: "Die Insel Herrenchiemsee die Beratungen. Ab Sep- Würde des tember tagt der Parlamentarische Rat in Bonn Menschen ist und legt am 8. Mai 1949 das Grundgesetz vor. unantastbar", Am 23. Mai wird es verkündet und tritt in Kraft. "Jeder hat das Recht auf die Abenteuer Verfassung freie Entfal- - Margarete auf Herrenchiemsee tung seiner Persönlichkeit", "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich", "Männer und Frauen Beim Treffen füh- sind gleichberechtigt"… render Politiker und Staatsrechtler Margaretes Reise in die Zukunft auf Herrenchiem- see setzt die Schließlich wird es Margarete zu langweilig. Sie Spielhandlung der verlässt den Sitzungsraum und erkundet das Sendung ein. Die Haus. Als sie versucht, den Speiseaufzug zu re- Schülerin Marga- parieren, verwandelt sich dieser in eine Zeitma- rete darf ihren Va- schine und versetzt sie ins Jahr 2009. Hier findet ter, einen Journa- gerade ein Wissenschafts-Girls Day statt.

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Fasziniert lauscht der nur eine Übergangslösung auf dem Weg zur Margerate dem deutschen Einheit sein soll. Vortrag der ESA- Astronautin Claudi- Die Mitglieder des ne Haigneré. "Mäd- Parlamentarischen chen", rät die Kar- Rates werden rierefrau, "bringt nicht direkt ge- euch ein, nutzt eure wählt, sondern Chancen". nach Parteienpro- porz und Bevölke- Wie steht es um die Gleichbehandlung? rungszahl von den Landtagen ent- Nun ist Margaretes Interesse geweckt. Sie erin- sandt. 65 Angeordnete gehören dem Rat an, hin- nert sich, wie 1948 im Parlamentarischen Rat um zu kommen weitere fünf Delegierte aus Westber- den Artikel 3 des Grundgesetzes gerungen wur- lin, die aber kein Stimmrecht besitzen. CDU/CSU de. Unerwartet erhält sie die Chance, als Repor- und SPD stellen je 27 Abgeordnete, die FDP terin zu arbeiten. Sie soll herauszufinden, was fünf, das Zentrum, die Deutsche Partei und die sich in den Jahren zwischen 1948 und 2009 auf KPD je zwei Mitglieder. dem Feld der Gleichberechtigung von Frauen und Männern getan hat. Den Vorsitz des Parlamentarischen Rates über- nimmt (CDU). Der frühere, M a r g a r e t e von den Nationalsozialisten aus dem Amt ge- spricht mit Ju- drängte Oberbürgermeister Kölns wird 1949 zum g e n d l i c h e n ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik über Berufs- Deutschland gewählt. Nach vorbereitenden Bera- wahl und Kar- tungen auf der Insel Herrenchiemsee im August rieremöglich - 1948 entwirft der Parlamentarische Rat vom 1. keiten und er- September 1948 bis 8. Mai 1949 das Grundge- kundigt sich setz. Die Arbeit findet in 13 Fachausschüssen bei Behinder- statt. Den Hauptausschuss leitet Carlo Schmid ten nach (SPD), Professor für Völkerrecht in Tübingen. Gleichbehandlung im Alltag. Außerdem denkt sie Später wird er Bundesminister für Angelegenhei- laut darüber nach, ob Jugendliche, die sich Tag ten des Bundesrats und einer der Motoren der für Tag an hinterhältigen Mobbingaktionen betei- deutsch-französischen Aussöhnung. ligen, schon einmal etwas vom Artikel 3 unseres Grundgesetzes gehört haben. Das vom Parlamentarischen Rat erarbeitete Grundgesetz • macht Gewaltenteilung und eine freiheitlich- Fakten demokratische Grundordnung für die Bun- desrepublik Deutschland verbindlich; Der Parlamentarische Rat • schützt Bürger vor Übergriffen des Staates, und das Grundgesetz garantiert die Grund- und Menschenrechte und koppelt jede staatliche Gewalt (incl. 1947/48 mündet die Konfrontation zwischen den Gesetzgebung) an den Grundrechtskatalog; Mächten USA und UdSSR in den Kalten Krieg. Zwei Blöcke entstehen, Staaten in West und Ost • verankert das parlamentarische System (mit ordnen sich ihnen zu. Mit der Verschärfung der Kontrollinstanz Bundesverfassungsgericht); Spannungen ist auch die Spaltung Deutschland nicht mehr aufzuhalten. Im Sommer 1948 beauf- • stärkt den Föderalismus; tragen die Militärgouverneure die Ministerpräsi- • gesteht dem Staatsoberhaupt weitgehend denten bzw. Regierenden Bürgermeister der elf repräsentative Funktionen zu und westdeutschen Länder, eine Staatsgründung vor- zubereiten. Als Konstituante entsteht der Parla- • stabilisiert Regierungen durch Einführung mentarische Rat. Auf die Bezeichnung Verfas- eines konstruktiven Misstrauensvotums. sungsgebende Nationalversammlung wird be- wusst verzichtet, um den provisorischen Charak- Am 8. Mai 1949 wird das Grundgesetz gegen die ter eines westdeutschen Teilstaates zu betonen, Stimmen von KPD, Deutscher Partei und sechs

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CSU-Vertretern verabschiedet und anschließend Bildungschancen und freie Berufswahl. Die Ein- von den Ländern - mit Ausnahme Bayerns - rati- führung des allgemeinen gleichen Wahl- fiziert. Am 23. Mai wird es verkündet und tritt in rechts nach dem Ersten Weltkrieg markierte Kraft. schließlich einen wichtigen Fortschritt im Ringen um Frauenrechte. Frauen konnten 1919 an der Wahl zur Verfassungsgebenden Nationalver- Die "Mütter des Grundgesetzes" sammlung teilnehmen, die unter Mitwirkung vor allem von Sozialdemokratinnen die Weimarer Vier Frauen gehören dem Parlamentarischen Rat Reichsverfassung erarbeitete. Darin geht der an. Artikel 109 auf die Gleichberechtigung beider Geschlechter ein: "Männer und Frauen haben Elisabeth Selbert (1896-1986) ist seit 1918 grundsätzlich die gleichen staatsbürgerlichen SPD-Mitglied. Als eine der ersten Frauen Rechte und Pflichten". Aus frauenpolitischer Deutschlands studiert sie Jura und wird 1934 An- Sicht erwiesen sich die Begriffe "grundsätzlich" wältin. Nach dem Ende des Dritten Reiches (das bedeutet: Ausnahmen sind möglich) und steigt Selbert in den Parteivorstand der SPD auf "staatsbürgerlich" (das bedeutet: Frauen wird und ist 1946 maßgeblich an der Ausarbeitung zwar das aktive und passive Wahlrecht, nicht der hessischen Verfassung beteiligt. aber die zivilrechtliche Gleichstellung zugestan- den) allerdings als Rückschlag. Helene Wessel (1898-1969) ist von 1928 bis 1933 Zentrumsabgeordnete im Preußischen Auch 1948/49, wird, Landtag. Nach dem Zweiten Weltkrieg über- wie die Schülerin nimmt sie den Vorsitz der Zentrumspartei, der Margarete erfährt, politischen Vertretung der Katholiken, und ist da- im Parlamentari- mit erste Parteichefin in der Geschichte Deutsch- schen Rat kontro- lands. Als Gegnerin der Westintegration und der vers um den Wiederbewaffnung der Bundesrepublik wechselt Gleichheitsartikel sie 1957 zur SPD. Dem Bundestag gehört sie gestritten. Bei den 1949-53 und 1957-69 an. Beratungen über den Artikel 3 des (1881-1962), eine Studienrätin, Grundgesetzes (Gleichheit vor dem Gesetz), ist in katholischen Frauenverbänden aktiv. In den machen allerlei Formulierungen, in denen das 1920er Jahren sitzt sie als Abgeordnete der Zen- Wort "Frau" gar nicht vorkommt, die Runde (z. trumspartei zunächst im preußischen Landtag, B. "Jeder hat Anspruch auf die gleiche wirt- dann im Reichstag. 1945 tritt sie in die CDU ein. schaftliche und kulturelle Entwicklung"). Nach der Gründung der Bundesrepublik wird sie Bundestagsabgeordnete und übernimmt den Die SPD-Politikerin Elisabeth Selbert erkennt, Vorsitz des Deutschen Müttergenesungswerkes. dass damit einer weiteren Ungleichbehandlung von Frauen Tür und Tor geöffnet wäre und for- Friederike Nadig (1897-1970), eine gelernte dert: "Frauen und Männer sind gleichberechtigt". Verkäuferin, arbeitet in den 1920er Jahren als Die "Väter des Grundgesetzes" lassen sich je- Wohlfahrtspflegerin und Fürsorgerin. Der SPD doch nicht beeindrucken und am 3. Dezember gehört sie seit ihrem 19. Lebensjahr an, in der 1948 stimmt der Hauptausschuss des Parlamen- Arbeiterwohlfahrt engagiert sie sich ehrenamt- tarischen Rates gegen Selberts Gleichheits- lich. Die Nationalsozialisten verbieten ihr zeitwei- grundsatz. Die Männer fürchten vor allem eine se die Ausübung des Berufes. Nach der Kapitula- Unterminierung des patriarchalen deutschen tion des NS-Regimes arbeitet Nadig am Aufbau Ehe- und Familienrechts, das noch aus dem spä- der SPD mit und wird 1947 in den nord- ten 19. Jahrhundert stammt ("Dem Manne steht rhein-westfälischen Landtag gewählt. Dem Bun- die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche destag gehört sie von 1949 bis 1961 an. Leben betreffenden Entscheidungen zu").

Doch Elisabeth Selbert lässt nicht locker. Sie Der Kampf um die Gleichberechtigung reist durch Deutschland und organisiert eine Pro- der Frauen testkampagne. Zehntausende Frauen - Gewerk- schafterinnen ebenso wie konservative Bäuerin- Bereits 1848/49 waren Frauen aktiv an der bür- nen - reagieren empört und fordern in Briefen an gerlichen Revolution beteiligt. Sie kämpften - den Parlamentarischen Rat und in Zeitungsarti- vergeblich - für Selbstbestimmung, Wahlrecht, keln die uneingeschränkte Gleichberechtigung.

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Wie noch nie zuvor in der deutschen Die neue Frauenbewegung setzt sich ab den Geschichte, können Frauen späten 60er Jahren nicht nur für die "sexuelle 1948 machtvoll auftreten. Befreiung" ein, sie bringt auch Debatten über die Lebensstile von Männern und Frauen in Gang Nach dem Zweiten Krieg und dem Tod von 3,6 und schafft es, Gleichstellungsbeauftragte in Uni- Millionen deutschen Soldaten, sind sie in der versitäten, Verwaltungen etc. durchzusetzen. Überzahl - auf 100 männliche kommen 170 weib- liche Wähler. Frauen haben nach dem Krieg die Nach der Wiedervereinung 1990 übt ein "ge- Trümmer in den Städten beseitigt, die Familien samtdeutsches Frauenbündnis" Druck auf die versorgt und in Männerberufen Fuß gefasst. Regierung Kohl aus, schließlich wird das Grund- Zahlreiche Männer befinden sich noch in russi- gesetz erweitert. Art. 3 Abs. 2 lautet nun: Männer scher Gefangenschaft, Heimkehrer aus den La- und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat för- gern sind physisch und psychisch zerrüttet. dert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichbe- rechtigung von Frauen und Männern und wirkt Die Frauen dagegen strotzen vor Selbstbewusst- auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. sein, was sich auch an steigenden Scheidungs- Frauenquoten in bestimmten Berufen oder spezi- zahlen zeigt. Angesichts des massiven Gegen- elle Frauenförderprogramme sind nunmehr ver- drucks geben die Männer des Parlamentarischen fassungskonform. Rates klein bei: Am 18. Januar 1949 wird der Grundsatz "Männer und Frauen sind gleichbe- 2006 tritt das Allgemeine Gleichbehandlungs- rechtigt" vom Hauptausschuss einstimmig abge- gesetz (AGG), das Antidiskriminierungsgesetz, nommen (Art. 3 Abs. 2 GG). in Kraft. Es richtet sich gegen "Benachteiligun- gen aus Gründe der Rasse oder wegen der ethni- Doch die Freude vieler Frauenrechtlerinnen schen Herkunft, des Geschlechts, der Religion währt nur kurz. In der neu gegründeten Republik oder Weltanschauung, einer Behinderung, des wird die alte Geschlechterordnung Schritt für Alters oder der sexuellen Identität". Wenn sich Schritt wieder hergestellt. In der Zeit der Adenau- Frauen beispielsweise bei Bewerbungen über- er'schen Restauration verdrängen Männer die gangen fühlen und männliche Konkurrenten zum Frauen von den Arbeitsplätzen. Das Ideal der Zuge kommen, haben sie sie Möglichkeit, dage- "Hausfrauenehe" wird neu belebt und Gewerk- gen zu klagen und über Anwälte Akteneinsicht zu schaften geben sich damit zufrieden, dass Frau- verlangen. en niedrigere Löhne erhalten als Männer. Aktuelle Problemfelder in der Berufswelt sind: Als das Bundesverfassungsgericht auf die Um- • setzung von Art. 3 Abs. 2 GG pocht, verabschie- Frauen, auch in Führungspositionen, verdie- det der Bundestag 1957 das Gleichberechti- nen deutlich weniger als Männer. Nach Schätzungen gibt es bei gleicher Arbeit gungsgesetz. Nun ist die Gleichstellung von Verdienstunterschiede bis zu 30 Prozent. Mann und Frau im Bürgerlichen Gesetzbuch ver- Unternehmen verwehren Frauen Vergleichs- ankert, doch der widerstrebende Familienminis- möglichkeiten, indem sie sich weigern, ter Franz-Josef Wuermeling (CDU) erklärt trot- Gehälter offen zu legen. zig: “Mutterberuf ist Hauptberuf [...] und hat hö- heren Wert als jeder Erwerbsberuf”. Diesem An- • Bei der Verteilung von Dienstwagen, Bonus- spruch bleibt das Gleichberechtigungsgesetz zahlungen und Provisionen gehen Frauen verhaftet, obschon es die Befugnisse der Ehe- oft leer aus. frau im Familien-, Ehe- und Vermögensrecht er- • Trotz guter Qualifikation bleibt Frauen der weitert. Zwar wird die Entscheidungsbefugnis des Aufstieg in höhere Managementpositionen Ehemannes in allen das gemeinschaftliche Le- verwehrt. ben betreffenden Angelegenheiten aufgehoben. • Mütter finden nach längerer Babypause nur Das Recht der Frau auf Erwerbstätigkeit bleibt schwer in den Beruf zurück, Unternehmen jedoch davon abhängig, ob “dies mit ihren Pflich- passen die Arbeitszeiten nicht den Bedürf- ten in Ehe und Familie vereinbar” ist. nissen von Frauen, die Kind und Beruf in Einklang bringen möchten, an. Erst die SPD-FDP-Koalition reformiert 1977das • Ehe- und Familienrecht und nimmt Abschied von Viele Männer überlassen die Erziehung der der "Hausfrauenehe". Nun wird die Haushaltsfüh- Kinder und die Pflege alter und kranker An- rung von Mann und Frau "in gegenseitigem Ein- gehöriger nach wie vor ihren Frauen, die vernehmen" geregelt. unter der Mehrfachbelastung leiden müssen.

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Das Grundgesetz verbietet die nen wird zudem die Möglichkeit von Verbands- Diskriminierung Behinderter klagen eröffnet.

Als der Parlamentarische Rat 1948/49 das Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Grundgesetz erarbeitet, befasst er sich nicht mit (AGG) aus dem Jahr 2006 erleichtert es, gegen den Problemen Behinderter. Erst vor wenigen Diskriminierungen vorzugehen. Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende, un- zählige Soldaten kehrten verwundet oder krank Aktuelle Problemfelder für Behinderte sind: von der Front oder aus den Gefangenenlagern zurück. Bein- oder Armamputierte sind im Stra- • Menschen mit Handicap werden im Berufsle- ßenbild keine Seltenheit und wenn es darauf an- ben benachteiligt. Oft erhalten sie nur Jobs kommt, halten die Menschen zusammen, tragen für gering Qualifizierte. Behinderte eine Treppe hinauf oder heben sie in • Behinderte werden in Unternehmen kaum einen Zug oder Bus. Erst allmählich wird den gefördert und oftmals falsch eingesetzt. Deutschen bewusst, dass es Behinderten auch • möglich sein muss, ein Leben ohne fremde Hilfe In öffentlichen Einrichtungen wird auf Barrie- zu führen. refreiheit geachtet, in Privatunternehmen, Restaurants etc. stehen Behinderte nicht Im Jahr 1994 wird schließlich der Artikel 3 des selten vor unüberwindbaren Hürden. Grundgesetzes erweitert. In Absatz 3 heißt es • Behinderte gelten in Hotels und Ferienanla- nun: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, gen als "Spaßbremse". Noch vor wenigen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Spra- Jahren sprachen Gerichte Klägern Scha- che, seiner Heimat und Herkunft, seines Glau- densersatz zu, wenn Gehandicapte ihre bens, seiner religiösen oder politischen Anschau- Urlaubsfreuden minderten. ungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Nie- • Behinderte leiden unter gesellschaftlicher mand darf wegen seiner Behinderung benachtei- Ausgrenzung. In den Medien und in der Wer- ligt werden. bung wird das Ideal des "gesunden Men- schen" propagiert, eine Behinderung gerät 2002 beschließt der Bundestag das Gleichstel- dadurch zum "Makel". lungsgesetz für Behinderte. Im Zentrum steht die Barrierefreiheit. Öffentliche Gebäude, Bah- • Manchen Städteplanern und Architekten fehlt nen und Busse sollen für Behinderte ohne frem- nach wie vor das Verständnis für die Bedürf- de Hilfe zugänglich sein, Behindertenorganisatio- nisse Behinderter.

Didaktische Hinweise

Hinweise zur Unterrichtsgestaltung

Die Sendung kann in den Fächern Geschichte, GSE und Sozialkunde ab der 7./8. Jahrgangsstufe eingesetzt werden.

Lehrplanbezug (Bayern)

Mittelschule GSE 9. Jahrgangsstufe 9.1 Deutschland und die Welt nach 1945 9.1.2 Politische Neuordnung in Ost und West

Realschule Sozialkunde 10. Jahrgangsstufe 10.2 Der demokratische Verfassungsstaat - Inhalt und Bedeutung der Grundrechte

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Gymnasium Sozialkunde 8. Jahrgangsstufe Politik als ständiger Versuch der Problemlösung für Gesellschaft und Staat - das Grundgesetz als Ordnungsrahmen; Arbeit mit dem Grundgesetz

Lernziele

Die Schülerinnen und Schüler sollen • über die Entstehung des Grundgesetzes informiert werden; • verstehen, dass die Verfassung durch ausführende Gesetze praktisch umgesetzt wird; • die Bedeutung der Grundrechte als Wertefundament für die gesamte Rechtsordnung erkennen; • angeregt werden, über die Gleichstellung von Männern und Frauen sowie über die Gleichbehandlung Behinderter nachzudenken.

Arbeitsaufträge / Beobachtungsaufträge

In der Sendung sind Ausschnitte aus einer Rede der bekannten Astronautin Claudine Haigneré, die 1996 und 2001 ins All flog, zu sehen. Was fordert sie von jungen Frauen, die Karriere machen und in Männerberufe vordringen möchten? Was meint sie, wenn sie sagt: "Versuche nicht, wie ein Mann zu sein"?

Margarete besucht einen Wissenschafts-Girls Day zum Thema Luft- und Raumfahrt und spricht mit jungen Besucherinnen. Wie kommt es, dass Berufsfelder wie das Ingenieurwesen, Physik oder Infor- matik fest in Männerhand sind?

Kennt ihr Frauen, die in typischen Männerberufen arbeiten, und Männer, die in typischen Frauenberu- fen tätig sind?

Wie ist es zu erklären, dass in Berufen mit hohem Frauenanteil (z. B. Krankenhaus-/Pflegeheimper- sonal) der Verdienst gering ist?

Margarete interviewt in der Sendung den Kindergärtner Patrick Singler. Warum hat er diesen "unge- wöhnlichen" Beruf gewählt?

Margarete begleitet eine Gruppe Blinder im Alltag. Haben sie dieselben Chancen wie Sehende?

Eine blinde junge Frau sagt in der Sendung: "Wir möchten wie Sehende behandelt werden!" Welche Forderungen stellt sie an ihre Mitmenschen?

In einer Berliner Hauptschule diskutiert Margarete mit Schülern über das alltägliche Mobbing und hört Aussagen wie: "Ich wurde wegen meines Aussehens gemobbt", "Ich wurde gehänselt, weil ich klein bin", "Ich werde wegen meiner Frisur geärgert". Und auf die Frage, ob sie selbst schon einmal "Täte - rin" war, antwortet ein Mädchen: "Ja, eine Mitschülerin hatte immer fettige Haare und hat immer rum - gezickt…". Beschreibt den Ablauf des Toleranztrainings an der Berliner Schule!

Am Ende der Sendung zieht Margarate Bilanz: "Bei der Gleichstellung geht es auch darum, wie Men- schen miteinander umgehen. Wenn man akzeptiert werden will, muss man alle anderen auch akzep- tieren, so wie sie sind. Es reicht nicht, dass es dafür ein Gesetz gibt, man muss selbst etwas dafür tun." Fühlt ihr euch von Margarete angesprochen?

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Literatur- und Internettipps

Deutscher Bundestag, Hg. Der Parlamentarische Rat. Akten und Protokolle. Bonn-Berlin, 1975-2002.

Notz, Gisela. Frauen in der Mannschaft. Sozialdemokratinnen im Parlamentarischen Rat und im Deutschen Bundestag. Bonn, 2003.

Sitter, Carmen. Die Rolle der Frauen im Parlamentarischen Rat. Münster, 1995.

Links http://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/index.html Deutscher Bundestag: Grundgesetz www.kindernetz.de/grundgesetz Beispiele zum Grundgesetz http://www.girls-day.de/ Informationen zum Girls Day http://www.behindertenbeauftragter.de Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen

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