Aus dem Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung der Deutschen Sporthochschule Köln Geschäftsführender Leiter: Univ.-Prof. mult. Dr. Walter Tokarski

Die und ihre aktuelle pädagogische Bedeutung

von der Deutschen Sporthochschule Köln zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der Sportwissenschaften

genehmigte Dissertation

vorgelegt von

Cornelia Schaffeld aus Oberhausen/Rhld.

Köln 2010 Erster Referent: Univ.-Prof. mult. Dr. Walter Tokarski Zweiter Referent: Univ.-Prof. Dr. Stephan Wassong Vorsitzende des Promotionsausschusses: Univ.-Prof. Dr. Ilse Hartmann-Tews Tag der mündlichen Prüfung: 22.12.2010

Eidesstattliche Versicherung

Hierdurch versichere ich an Eides Statt: Ich habe diese Dissertationsarbeit selbstständig und nur unter Benutzung der angegebenen Quellen angefertigt; sie hat noch keiner anderen Stelle zur Prüfung vorgelegen. Wörtlich übernommene Textstellen, auch Einzelsätze oder Teile davon, sind als Zitate kenntlich gemacht worden.

…………………………………… Cornelia Schaffeld Danksagung

Zu dieser Arbeit wurde ich von Herrn Prof. Dr. Gerhard Hecker angeregt und ermutigt. Er betreute sie bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahr 2007. Mein tiefer Dank gilt ihm für seine Unterstützung und Zuversicht, von der die Arbeit bis zu ihrer Fertigstellung weiter getragen wurde.

Besonderer Dank gilt ebenso Herrn Prof. Dr. Walter Tokarski, der über die Jahre hinweg die Arbeit in allen Belangen konstruktiv begleitete, sowie Herrn Prof. Dr. Stephan Wassong für seine hilfreiche thematische Auseinandersetzung und seine Anregungen.

Zum Gelingen der Arbeit haben darüber hinaus zahlreiche Personen beigetragen, denen ich sehr danken möchte. Besonders hervorheben möchte ich meinen Freund Thorsten Grützner für die Schaffung zeitlicher Freiräume, Martin Trzaskalik, der mir bei allen Fragen rund um die verwendete Software und bei der Erstellung der Grafiken mit Rat und Tat zur Seite stand, sowie Markus Buchenau für seine konstruktive Kritik und gründliches Korrekturlesen.

Des Weiteren kamen Teile dieser Arbeit nur mit Hilfe der freundlichen Unterstützung der International School of Düsseldorf durch ihren Direktor, Herrn Neil McWilliam (Interview), sowie der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. (Kooperation im Rahmen der Befragung) zustande. Dafür vielen Dank. Meinem Vater Gerhard † und meiner Mutter Ruth Inhaltsverzeichnis I

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ...... 1

1.1 Zielsetzung, Anmerkungen zum Forschungszeitraum und zur Eingrenzung des Forschungsgegenstands...... 3

1.2 Aufbau der Arbeit ...... 4 1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage...... 9

2 Die Geschichte und Verbreitung der United World Colleges ...... 18

2.1 Die geistigen Mentoren...... 18 2.1.1 ...... 21 2.1.2 Lawrence Darvall ...... 23 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept ...... 25 2.2.1 Gesellschaftlich-politische Gründe: Einordnung in den historischen Kontext...... 25 2.2.2 Persönliche Gründe ...... 29 2.2.2.1 Der Lebenslauf Kurt Hahns...... 29 2.2.2.2 Der Pädagoge Kurt Hahn ...... 33 2.2.2.2.1 Ideengeber für die Hahn’sche Pädagogik...... 35 2.2.2.2.2 Kurt Hahn im Kontext der Reformpädagogik ...... 43 2.2.2.3 Air Marshal Sir Lawrence Darvall ...... 52 2.2.3 Erzieherische Gründe. Im Fokus: der pädagogische Visionär/Vater der pädagogischen Leitlinien, Kurt Hahn. Die Grundsätze seiner Pädagogik bis dato...... 54 2.2.3.1 Salem: Erziehung zur Verantwortung ...... 57 2.2.3.2 : Internationalisierung und soziale Dienste...... 59 2.2.3.3 Der Ursprung der Outward Bound-Bewegung – die „Erlebnistherapie“...... 61 2.3 Das pädagogische Konzept für die Atlantic Colleges...... 67 2.3.1 Die Rolle der Umgebung...... 71 2.4 Das erste : St. Donat’s Castle in Wales ...... 72 2.4.1 Die Gründungsgeschichte: Finanzierung ...... 73 2.4.2 Die Gründungsgeschichte: Curricularer Anfang ...... 74 2.4.3 Die Gründungsgeschichte: Aufbau unter Desmond Hoare ...... 77 2.5 Die internationale Verbreitung der Colleges...... 80 2.5.1 Die Rolle von Lord Louis Mountbatten ...... 80 2.5.2 Hintergründe zur Umbenennung in „United World Colleges” (UWC)...... 82 2.6 Die internationalen Organisationsstrukturen...... 83 2.6.1 Die UWC-Präsidenten...... 84 2.6.2 Die Organisationsstruktur ...... 85 2.6.3 Die nationalen Komitees ...... 86 Inhaltsverzeichnis II

2.6.3.1 Auswahlkriterien für Schüler ...... 86 2.7 Überblick über die United World Colleges...... 87 2.7.1 Gemeinsamkeiten der UWC...... 89 2.7.2 Unterschiede der UWC ...... 91

3 Pädagogische Grundsätze der United World Colleges...... 96

3.1 Friedenspädagogische Aspekte ...... 97 3.1.1 Über die Begriffe „Frieden“ und „Friedenserziehung“ ...... 98 3.1.2 Friedenspädagogische Ansätze und Inhalte an den UWC...... 102 3.1.2.1 Hahns Anliegen: Eigene und andere Nationen lieben ...... 108 3.2 Interkulturelle Erziehung ...... 109 3.2.1 Die politische Dimension interkultureller Erziehung...... 111 3.2.2 Umsetzung interkultureller Erziehung an den United World Colleges ...... 112 3.2.3 Die Bedeutung des Sprachenlernens ...... 117

4 Die Entwicklung des International Baccalaureate und die Wurzeln seiner Kernanforderungen...... 120

4.1 Das International Baccalaureate (IB) ...... 120 4.1.1 Idee und Mission ...... 121 4.1.2 Die Entwicklung des International Baccalaureate...... 123 4.1.2.1 Die experimentelle Phase (1969-1975) ...... 126 4.1.3 Zur Anerkennung des IB ...... 127 4.1.4 Die International Baccalaureate Organization (IBO) ...... 128 4.1.5 Die Rolle des Atlantic College in der Entwicklung des IB ...... 129 4.2 Die drei heutigen IBO-Programme ...... 133 4.2.1 Im Fokus: Das Diplom-Programm ...... 134 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen...... 139 4.3.1 Der Ursprung des Extended Essay: das Projekt ...... 140 4.3.2 Der Ursprung der Projektwoche („Project Week“): die Expedition...... 143 4.3.3 Der Ursprung des CAS-Elements „Action“: das körperliche Training ...... 147 4.3.4 Der Ursprung des CAS-Elements „Service“: der Rettungsdienst ...... 151

5 Befragung...... 158

5.1 Vorbemerkung ...... 158 5.2 Methodische Vorgehensweise...... 163 5.2.1 Durchführung und Beteiligte...... 163 5.2.2 Online-Software ...... 164 5.2.3 Befragte...... 164 5.2.4 Befragungszeitraum ...... 165 Inhaltsverzeichnis III

5.3 Fragenkatalog...... 165 5.4 Auswertung...... 166 5.4.1 Rücklauf ...... 166 5.4.2 Ergebnisse ...... 169 5.5 Auswertung der Orientierungshypothesen...... 193

6 Die United World Colleges im Kontext Internationaler Schulen...... 199

6.1 Beginn und Ausrichtung Internationaler Schulen...... 199 6.1.1 Zur Begriffsbestimmung „Internationale Schule“...... 201 6.2 Internationale Schulen in Deutschland ...... 204 6.2.1 Die Round-Square-Schulen...... 206 6.2.2 Die Internationale Schule Düsseldorf e.V. im Kurzporträt ...... 208 6.2.2.1 Geschichte, Struktur und Ausstattung ...... 208 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD...... 209 6.3.1 Parallelen zwischen den erzieherischen Grundsätzen der ISD und den Erziehungsvorstellungen Kurt Hahns ...... 210 6.3.2 Differenzen und Parallelen zwischen den UWC und der ISD...... 212 6.3.2.1 Differenzen – Innerer Rahmen ...... 213 6.3.2.2 Differenzen – Äußerer Rahmen ...... 215 6.3.2.3 Parallelen – Innerer Rahmen ...... 216 6.3.2.4 Parallelen – Äußerer Rahmen...... 220

7 Diskussion ...... 222

7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf ...... 222 7.2 Die UWC als Vorbild...... 232

8 Literaturverzeichnis...... 242

8.1 Printquellen...... 242 8.2 Elektronisches Literaturverzeichnis...... 255 8.3 Informationsmaterial...... 263

9 Anhänge...... 264

9.1 Anhang A...... 264 9.2 Anhang B ...... 266 9.3 Anhang C ...... 269 9.4 Anhang D...... 278 1.1 Zielsetzung, Anmerkungen zum Forschungszeitraum und zur Eingrenzung des Forschungsgegenstands 1

1 Einleitung Die United World Colleges (UWC) sind internationale Oberstufen-Internate, die sich vom europäischen Kontinent aus in alle Welt verbreitet haben. Derzeit gibt es 13 UWC weltweit: fünf in Europa, drei in Asien, zwei in Süd- und zwei in Nordamerika sowie eines in Afrika. Das erste dieser internationalen Oberstufen-Internate öffnete im Jahr 1962 an der walisischen Küste seine Tore: das Atlantic College of St. Donat’s Castle. Das jüngste im Verbund besteht seit 2009 im niederländischen Maastricht. Mittlerweile kommt ihr spezifisches Konzept seit gut einem halben Jahrhundert zur Anwendung. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es kein UWC.

Die Schulen zeichnen sich sowohl durch eine internationale Schüler- als auch eine internationale Lehrerschaft aus; bis zu 80 verschiedene Nationen können an einem College vertreten sein. Die UWC bereiten 16- bis 19-jährige Jugendliche innerhalb von zwei Jahren auf das International Baccalaureate (IB), eine international anerkannte Hochschulreife, vor. „Die UWC sind die einzige globale Erziehungsbewegung“, so heißt es bei UWC Deutschland, „die Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihren finanziellen Mitteln zusammenbringt.“1

Zur Förderung dieses Aufgabenbereiches haben sich mittlerweile weltweit über 120 Nationale Komitees konstituiert. Sie nehmen die Bewerbungen von Schülerinnen und Schülern aus dem jeweiligen Land entgegen und führen ein Auswahlverfahren durch. Eine direkte Bewerbung an der gewünschten Schule ist nicht möglich. Der UWC-Schulbesuch ist von der Finanzkraft der Eltern unabhängig. So vergibt beispielsweise auch die Deutsche Stiftung UWC Teil- und Vollstipendien. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht finanzieller Background, sondern persönliche Eignung des Bewerbers den UWC-Eintritt ermöglicht.

Jedes UWC hat seinen ganz eigenen Charakter, bedingt durch seinen jeweiligen Standort. Dies zeigt sich in vielerlei Punkten – von der Architektur der Schulgebäude über die klimatischen Bedingungen bis hin zu den einzelnen Programmangeboten der Schule beispielsweise. Doch alle Colleges verfolgen das gleiche Ziel, und alle setzen sich für die gleichen Werte ein. So stellen alle 13 Schulen ihr Wirken unter einen gemeinsamen Leitspruch, der mit dem so genannten UWC Mission Statement wie folgt formuliert wurde: „UWC makes education a force to unite people, nations and cultures for peace and a sustainable future.“ Neben dem gemeinsamen Leitspruch, der sie verbindet, sowie einem gemeinsamen Bewerber-Pool liegen ihre Gemeinsamkeiten zum Beispiel auch in der ganzheitlichen, anspruchsvollen Erziehung, die die Schulen vorsehen, als auch – und dies ist ihr besonderes Wesensmerkmal – in der Betonung sozialer Dienste, die die Schüler für ihre lokale Umgebung zu leisten haben. Unterschiede unter den jeweiligen UWC ergeben sich vor allem durch die unterschiedliche Schulatmosphäre aufgrund standortspezifischer Bedingungen und kultureller Einflüsse. Eine Sonderstellung in der UWC-Riege nimmt das Simón Bolívar UWC of Agriculture in Venezuela ein. Es bietet als einziges UWC nicht das IB an, sondern ein berufshinführendes Diplom, das „Técnico Superior Universitario en Administración de Fincas“, das auf eine landwirtschaftliche Ausrichtung hinweist. Hier beträgt die Schulzeit drei Jahre; fast alle Schüler des Simón Bolívar UWC stammen aus ländlichen Gebieten von Entwicklungsländern. Die Gründung des Simón Bolívar UWC of Agriculture fällt in die Zeit der UWC-Präsidentschaft (1978-1995) von Charles Mountbatten-

1 UWC Deutschland: „Die Idee“. www.uwc.de/ueber-uwc/die-entstehung (Datum des Zugriffs: 17.4.2010). 1.1 Zielsetzung, Anmerkungen zum Forschungszeitraum und zur Eingrenzung des Forschungsgegenstands 2

Windsor, dem Prinzen von Wales, der die Präsidentschaft von seinem Onkel, Lord Louis Mountbatten, übernommen hatte. Dieser bekleidete ab 1968 als Erster das Präsidentschaftsamt des International Council; unter seiner Ägide (1968-1978) wurde die zunehmende Internationalisierung der UWC-Bewegung angeschoben.

Wie dem bereits erwähnten UWC Mission Statement zu entnehmen ist, steht an den Colleges die Erziehung im Dienst der Völkerverständigung und damit letztlich des Friedens und einer nachhaltigen Zukunft.2 An den UWC sind friedenspädagogische Ansätze und Inhalte in der interkulturellen Erziehung sowie in den so genannten Diensten („Services“) und den friedenspädagogischen Lerninhalten zu sehen. Die international zusammengesetzten Colleges verstehen sich zuerst als ein Ort der Begegnung, der es den Jugendlichen ermöglicht, „fremde Kulturen hautnah zu erleben und sich mit neuen, zunächst fremden Lebensvorstellungen auseinanderzusetzen“, wie es UWC Deutschland formuliert3. Das zu Beginn der Bewegung ausgerufene und bis heute beibehaltene übergeordnete Ziel der Völkerverständigung erklärt sich vor dem Hintergrund der UWC- Entstehungsgeschichte.

Untrennbar verbunden mit der UWC-Geschichte sind die Namen Kurt Hahn und Lawrence Darvall. Ein Treffen im Jahr 1955 zwischen dem deutschen Pädagogen Hahn (1886-1974) und dem britischen Luftmarschall Darvall (1898-1968), seinerzeit Kommandant am Nato Defense College in Paris, sollte eine Idee hervorbringen, die auf der pädagogischen Bühne Einmaligkeit besaß und noch heute besitzt. Kurt Hahn, der auch als „politischer Pädagoge“ bezeichnet wird, trat 1919 nach seiner ersten Karriere in der Politik auf eine zweite „Bühne“, auf die der Pädagogik. Auf dieser trat er erstmals durch die Eröffnung des Landerziehungsheims Salem in Erscheinung. Es war eine Zeit des Aufbruchs, die historiographisch betrachtet gemeinhin auch als Zeit der Reformpädagogik bezeichnet wird. Hahn, der Jude war, emigrierte 1933 nach England, wo er bald ein zweites Internat eröffnete, die „British Salem School“ in Gordonstoun. Seine pädagogische Zielvorstellung – die Charaktererziehung im Sinne einer Erziehung zur Verantwortung – sowie sein pädagogisches Konzept, das Hahn in England zur „Erlebnistherapie“ weiterentwickelte, bildeten schließlich auch den konzeptionellen Unterbau für die von Hahn und Darvall geplanten „Atlantic Colleges“ (AC). Es sollten in Deutschland, England, Frankreich, den USA, Kanada und Griechenland so genannte Atlantische Internate entstehen, in denen der Rettungsdienst eine zentrale Rolle spielen sollte und in denen die Jugendlichen aus den fünf Natoländern (und später, wie Hahn hoffte, auch aus Polen, anderen sowjetischen Satellitenländern sowie aus Russland) zu einem „Atlantischen Staatsbürgertum“ erzogen werden sollten. Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges in Erinnerung und – auf der Höhe des Kalten Krieges – die nukleare Bedrohung vor Augen, wurde im Jahr 1962 das erste AC, das Atlantic College of St. Donat’s Castle, an der walisischen Küste eröffnet.

Vorweg sei zur Begriffserklärung erläutert, dass der ursprüngliche Name Atlantic College unter der Präsidentschaft des bereits erwähnten Lord Louis Mountbatten durch den Namen United World College ersetzt

2 Explizit wird diese übergeordnete Zielsetzung auch im Flyer der Deutschen Stiftung UWC hervorgehoben: „Die United World Colleges wollen ihren Beitrag dazu leisten, die vielfältigen Kulturen dieser Welt einander näher zu bringen, Verständnis füreinander zu wecken und so zu Frieden, Toleranz und mehr Gerechtigkeit beizutragen.“ In: Deutsche Stiftung UWC: United World Colleges. Eine Welt. Eine Schule. Darmstadt, August 2009. Erhältlich auch im Internet unter www.uwc.de/wp-content/uploads/2009/11/Allgemeiner-Flyer-UWC-2009.pdf (Datum des Zugriffs: 12.4.2010). 3 UWC Deutschland: „Die Chance UWC“. www.uwc.de (Datum des Zugriffs: 17.4.2010). 1.1 Zielsetzung, Anmerkungen zum Forschungszeitraum und zur Eingrenzung des Forschungsgegenstands 3 wurde, um eine stärkere Internationalisierung zu erreichen. Auf der Grundlage dieser späteren Begriffsbestimmung werden in der vorliegenden Untersuchung die Begriffe United World College, UWC und auch College als Synonyme verwandt. Der Begriff Atlantic College beziehungsweise AC erscheint lediglich im Zusammenhang mit der Gründung der ersten Schule; ihre offizielle Bezeichnung lautet heute UWC of the Atlantic.

Forschungsgegenstand der vorliegenden Untersuchung ist nun aber nicht die intensive Betrachtung der Gründungsgeschichte der einzelnen Colleges, die bis heute folgten; warum sie gerade dort und mit welchen Mitteln errichtet wurden. Forschungsgegenstand ist vielmehr die allgemeine Ausrichtung der UWC, ihre Konzeption, Wirksamkeit und Modellhaftigkeit. In den Mittelpunkt rückt dabei die Analyse der Wurzeln der IB- Kernanforderungen und ihrer urspünglichen Teilaufträge.

1.1 Zielsetzung, Anmerkungen zum Forschungszeitraum und zur Eingrenzung des Forschungsgegenstands Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, zunächst die Gründungsgeschichte der UWC-Bewegung zu erörtern, ihr Konzept und die damit verbundenen reformorientierten Erziehungsziele zu erklären und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Modellhaftigkeit zu untersuchen. Es rückt dabei die Untersuchung in den Mittelpunkt, inwieweit die Wurzeln der Kernanforderungen im heute gültigen Curriculum des International Baccalaureate in das Konzept der Hahn’schen Erlebnistherapie zurückreichen. Gerade die Analyse dieser Wurzeln bildet in der vorliegenden Untersuchung einen zentralen Forschungsschwerpunkt. Darüber hinaus wird die aktuelle Position der United World Colleges in der internationalen Schullandschaft verortet, wobei auch Parallelen zur Internationalen Schule Düsseldorf e.V. (ISD), einer der ältesten Internationalen Schulen in Deutschland, analysiert werden. Im Fokus der Untersuchung steht dabei die Frage, inwieweit sich auf Seiten der ISD ursprüngliche Ziele und pädagogische Ideen der UWC wiederfinden. Grundsätzlich erscheint die Frage nach den ursprünglichen und heutigen Zielen/Ideen der UWC insofern interessant, als an ihnen zu erkennen ist, ob und inwieweit eine Anpassung an Zeitfragen stattgefunden hat, ob also Modifikationen an dem zu erörternden Konzept vorgenommen wurden.

Für das Anliegen der vorliegenden Untersuchung ist die Entwicklung des pädagogischen Konzeptes relevant, das in den Dekaden von der Weimarer Republik (1919-1933) bis zum Höhepunkt des Kalten Krieges (1945 bis in die 1980er Jahre) entwickelt und mit der Gründung des Atlantic College of St. Donat’s Castle im Jahr 1962 umgesetzt wurde. In der Analyse wird dieser Forschungszeitraum unterteilt in eine Vorphase und in eine Gründungsphase.

Die Vorphase wird auf den Zeitraum zwischen dem Beginn der Weimarer Republik und 1955 terminiert. Kennzeichen dieser Dekaden sind die Gründung des Landerziehungsheims (1920) durch Kurt Hahn, die Emigration Hahns nach England (1933), wo er 1934 in Schottland das Internat Gordonstoun School eröffnete. Als weiteres Merkmal der Vorphase werden die Gründung der Küstenwache in Gordonstoun (1935) und die Gründung der ersten Outward Bound School, der Outward Bound Sea School in Aberdovey (1941), auf Grundlage der vier Elemente der Erlebnistherapie angesehen.

Der von Kurt Hahn am 7. Oktober 1955 am NATO Defense College in Paris gehaltene Vortrag „The Development Of Character“ und das damit verbundene, sicherlich als schicksalhaft zu bezeichnende Treffen 1.2 Aufbau der Arbeit 4 zwischen Kurt Hahn und Lawrence Darvall, dem dortigen Kommandanten zu dieser Zeit, markieren in der Forschungsarbeit für die United World College-Bewegung den Beginn der Gründungsphase. Diese erstreckt sich bis zur Eröffnung des ersten Colleges 1962, dem Atlantic College of St. Donat’s Castle.

Während die Analyse der Vorphase dazu dient, die Entstehung des spezifischen pädagogischen Konzepts von Kurt Hahn vorzustellen und den historischen Kontext zu erläutern, ist die Erörterung der Gründungsphase notwendig, um die Neuartigkeit der dritten Hahn’schen Schulgründung (des AC) herauszustellen, die zum einen vorangegangene Hahn’sche Erziehungskonzepte aufnimmt und zum anderen gleichzeitig eine Innovation auf der Schulebene darstellt.

Die Überprüfung der Wirksamkeit der Schulform UWC sowie die Betrachtung der UWC im Kontext Internationaler Schulen führen zu einer Ausweitung des Forschungszeitraums bis in die Gegenwart hinein. Begründet wird dies damit, dass sich die UWC-Bewegung fortwährend erweitert hat – das jüngste College eröffnete 2009 in den Niederlanden.

Ausgespart wird in der Forschungsarbeit die Untersuchung über die Entwicklung anderer IB-Anforderungen, die nicht auf die Konzepte Hahns zurückgehen. Ebenso wird nicht der Outward Bound Bewegung nachgegangen, die aus der Outward Bound Sea School in Aberdovey hervorging und sich weltweit verbreitete – und mit ihr der Name Kurt Hahns. Letztlich wird auch auf eine Analyse der jeweiligen Entstehungsgeschichte der einzelnen UWC verzichtet, weil vielmehr die Berufung auf das gemeinsame Mission Statement, die Konzeption und die pädagogischen Grundsätze die Häuser einen. Gerade die Analyse dieser Aspekte bildet in der vorliegenden Untersuchung einen zentralen Forschungsschwerpunkt.

1.2 Aufbau der Arbeit Der erste Teil der Forschungsarbeit beschäftigt sich mit der Genese der UWC-Bewegung und deren pädagogischen Grundsätzen. Es wird dabei herausgearbeitet, dass die Bestrebungen, Atlantische Internate zu gründen, vor dem Hintergrund der global-politischen Situation zu sehen sind, die sich vor allem in den Dekaden nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt hatte. Dabei reichen Methodikelemente der UWC und die Zielsetzung der Charaktererziehung in eine Zeit zurück, die sich durch einen erzieherisch reformorientierten Zeitgeist auszeichnete.

Für die Analyse der Zielsetzung Charaktererziehung und ihrer Intention, durch Übernahme von Verantwortung sowie durch Rettungsdienste einen Beitrag zur moralischen und sozialen Erziehung zu leisten, ist es notwendig, die Charaktererziehung in den Kontext einer umfassenden Reformbewegung zu stellen, die historiografisch gemeinhin zwischen 1880 und 1930 festgelegt wird, die in den Bereichen der Erziehung und Bildung wirkte und in der letztlich auch die Grundlagen für die Entwicklung der UWC-Pädagogik gelegt wurden. Die umfassende Reformbewegung, auch als Zeit der „Reformpädagogik“ bekannt, zeichnet sich durch unterschiedlichste Strömungen aus mit der Intention, sich von der reinen Buch- beziehungsweise Kopfschule zu lösen. Ob sich die Reformpädagogik als starre Epoche festlegen lässt oder nicht, ist umstritten. Die konträren Ansätze von H. Röhrs und J. Oelkers werden vorgestellt und sollen als Orientierung dienen. 1.2 Aufbau der Arbeit 5

Bei der Untersuchung der Vorgeschichte der UWC wird ein Schwerpunkt auf den Pädagogen Kurt Hahn gelegt, da von ihm als UWC-Gründungsvater im Wesentlichen erzieherische Erfahrungen und Methoden dem UWC- Konzept zugrunde liegen. Die Ansätze, die Hahns Erziehungskonzept wiederum beeinflussten, sind sehr breit gefächert; die Synthese einiger Wesenszüge von anderen Personen/Institutionen wird dargelegt, und die Stationen seines pädagogischen Wirkens werden nachgezeichnet. Diese als „Stationen“ bezeichneten neuen pädagogischen Einrichtungen – es handelt sich um das Landerziehungsheim Salem, die British Salem School in Gordonstoun sowie die Outward Bound-Schulen – enthielten jeweils ein spezifisches Merkmal, das in die nächste Station hineingetragen wurde und diese bereicherte. Bei der Darstellung wird der Schwerpunkt auf das jeweilige Merkmal gelegt, das schließlich auch ins UWC-Konzept aufgenommen wurde. So ist ersichtlich, wo die Wurzeln bestimmter pädagogischer Zielsetzungen und Ideen liegen. Für die Untersuchung der Vorphase der UWC- Bewegung sind diese Informationen relevant, weil darüber aufgezeigt werden kann, dass Hahn das pädagogische Konzept über mehrere Dekaden entwickelt hat. Er hat stets aktuell in der Gesellschaft erkannte Missstände aufgegriffen und versucht, pädagogische „Gegenmaßnahmen“ einzuleiten. Die sich anschließende detaillierte Darstellung des urspünglichen Konzeptes für die Atlantischen Internate bildet die Grundlage für die weiteren Teile der Untersuchung.

Nachdem die Gründungsgeschichte des ersten AC sowie die internationale Verbreitung der Colleges als auch ihre Strukturen und das Wesen der Nationalen Komitees erläutert worden sind, folgt als Abschluss des ersten Teils ein kurzer Überblick über die heute weltweit bestehenden UWC mit ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden, die sich zumeist aus den jeweiligen geografischen Standpunkten der Schulen ergeben.

Die Analyse der gemeinsamen Basis der United World Colleges, die den zweiten Teil der Forschungsarbeit bildet, findet ihren Schwerpunkt in der Betrachtung der UWC-Philosophie, verankert im UWC Mission Statement. Die Analyse zeigt auf, dass friedenspädagogische Elemente das Fundament der Bewegung ausmachen. Der zweite Teil ist untergliedert in zwei Abschnitte. Der erste Abschnitt widmet sich der Friedenspädagogik, der zweite Abschnitt der interkulturellen Erziehung. Die Friedenspädagogik und die interkulturelle Erziehung werden jeweils zunächst im Allgemeinen, sodann konkret im Rahmen der UWC betrachtet.

Beim Einstieg in den ersten Abschnitt wird zwar die Schwierigkeit einer Definition für „Frieden“ deutlich, gleichzeitig aber eine Notwendigkeit für Friedenserziehung – gerade im Zeitalter der Massenvernichtungsmittel – unterstrichen. Da die internationale Dimension der Friedenserziehung, die Völkerverständigung, an den United World Colleges Priorität hat, ist die Analyse des UWC-Konzeptes im Rahmen der Friedenspädagogik also zwingend. Als friedenspädagogische Elemente, die die United World Colleges aufweisen, werden in der vorliegenden Untersuchung neben den friedenspädagogischen Lerninhalten, wie beispielsweise „International Affairs“ oder „Conflict Resolution“, zum einen die Dienste („Services“) und zum anderen die interkulturelle Erziehung ausgelegt, durch die die Schüler in ihrer sozialen Kompetenz gefördert und am Anspruch der internationalen Völkerverständigung beteiligt werden sollen. Einen wichtigen Baustein stellen hier die „Dienste“ dar. Die von Hahn ins Erziehungskonzept integrierten Rettungsdienste als Ausdruck aktiver Humanität nach dem christlich motivierten Vorbild des „Barmherzigen Samariters“ brachten Hahn nicht zuletzt den Ruf eines „Friedenspädagogen“ ein. 1.2 Aufbau der Arbeit 6

Den zweiten Abschnitt des zweiten Teils bildet die Betrachtung der interkulturellen Erziehung an den United World Colleges, da sie sowohl UWC-Kernmerkmal als auch zugleich pädagogischer Grundsatz ist. Voraus geht der Analyse des von G. Auernheimer definierten Ziels interkultureller Erziehung, nämlich dem richtigen Umgang mit kultureller Differenz. Der Begriff der interkulturellen Erziehung und des interkulturellen Lernens impliziert laut Auernheimer die Unterstellung kultureller Differenzen. An den UWC gilt es, diese Differenzen zu erleben, über sie in einen Dialog zu treten, und sie letztlich als Chance und Bereicherung zu begreifen. Neben der Darstellung der Umsetzung interkultureller Erziehung an den UWC wird in diesem zweiten Abschnitt auch die politische Dimension interkultureller Erziehung sowie die Bedeutung des Sprachenlernens einer näheren Betrachtung unterzogen. Die politische Dimension interkultureller Erziehung erklärt sich bei Hahn mit dem Ziel der „Verbrüderung“, die sich im Sinne einer Geisteshaltung auf dem Weg zu einem „Atlantischen Staatsbürgertum“ ausdrückt. Die Bedeutung des Sprachenlernens schließlich zeigt sich nicht nur in der starken Betonung der Sprachen schon zu Anfangszeiten des Atlantic College St. Donat’s Castle, sondern auch im heutigen International Baccalaureate.

Im dritten Teil der Arbeit wird die Entwicklung des International Baccalaureate (IB) und die Wurzeln seiner Kernanforderungen untersucht. Es soll aufgezeigt werden, dass und wo sich im heute gültigen IB die „Handschrift“ des UWC-Mitbegründers Kurt Hahn wiederfinden lässt. Entsprechend kommen heute pädagogische Inhalte und Methoden Hahns weltweit dort zur Anwendung, wo das zum IB hinführende Diploma Program angeboten wird.

Zum Einstieg in diesen Teil wird die Notwendigkeit für die Entwicklung und Einführung eines IB dargelegt sowie die Mitwirkung des Atlantic College. Dies ist notwendig, um im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit aufzeigen zu können, warum auch Elemente der Hahn’schen Erlebnistherapie, die er in seinen vorhergehenden Schulgründungen entwickelt hatte, mit ins IB-Curriculum aufgenommen worden sind. Das Atlantic College war einer der Vorreiter in der Entwicklung dieses heute weltweit anerkannten Schulabschlusses. Blackburn, Peterson und Walker benennen das Atlantic College, die International School of Geneva (Ecolint) und die United Nations International School in New York (UNIS) als die Gründer des IB-Programms. Im Mittelpunkt des ersten Abschnitts steht die Idee und Entwicklung des IB. Ziel dieses Abschnittes ist es nicht, die einzelnen Fächer und deren Inhalte auf Veränderungen im Laufe der Zeit hin zu analysieren. Vor allem vor dem Hintergrund der sich verändernden globalen gesellschaftlichen Bedingungen mit Blick auf eine weltweit erhöhte Mobilität muss die IB- Entwicklung betrachtet werden. Sowohl Schul- als auch Universitätslaufbahnen über Grenzen hinweg sollten den Jugendlichen ermöglicht werden. Peterson spricht dem AC eine führende Rolle in der Entwicklung des IB zu. Schließlich sah Hahn bereits in seiner programmatischen Rede 1957 in Brügge für die Jungen der Atlantischen Internate die Vorbereitung auf ein Abitur vor, „das von allen freien Nationen anerkannt würde, und eines Tages auch von den Satelliten“4.

Nachdem im folgenden Abschnitt des dritten Teils die drei heutigen Ausbildungsprogramme vorgestellt werden, die die International Baccalaureate Organization (IBO) heute anbietet – das Primary Years Program (für Kinder

4 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 1.2 Aufbau der Arbeit 7 von 3 bis 12 Jahre), das Middle Years Program (11 bis 16 Jahre) und das Diploma Program (16 bis 19 Jahre) –, steht im Mittelpunkt des dritten Abschnitts der Rückblick auf die Wurzeln der Diploma Programme- Kernanforderungen, der „core requirements“ (Creativity, Action, Service = CAS). Dieser Abschnitt wird von der Zielsetzung geleitet herauszuarbeiten, welche Elemente der Hahn’schen Erlebnistherapie den Weg über das Atlantic College ins heutige IB-Curriculum genommen haben. Hahns Erlebnistherapie beinhaltet die Elemente Projekt, körperliches Training, Expedition und Rettungsdienst, die sich gegen die vier von ihm diagnostizierten „Verfallserscheinungen“ (Verfall der Sorgsamkeit, der körperlichen Tauglichkeit, der Initiative und des Erbarmens) richten. Der Ursprung des im IB-Programm enthaltenen Extended Essay wird im Projekt angesehen, der Ursprung der Project Week in der Expedition, der Ursprung des CAS-Elements Action im körperlichen Training und der Ursprung des CAS-Elements Service im Rettungsdienst. Einerseits wird dabei die Rolle des jeweiligen Elements im Hahn’schen pädagogischen Konzept analysiert, andererseits werden Beispiele für deren heutige Umsetzung an den UWC vorgestellt.

Teil 4 der Forschungsarbeit bildet eine kleine empirische Studie in Form einer Befragung. Ziel ist es, die aus der Literatur gewonnenen Erkenntnisse aus Teil 1, 2 und 3 der vorliegenden Arbeit zu illustrieren beziehungsweise die Darstellungen aus der Literatur zu untermauern. Von daher ist diese empirische Analyse nicht als eigenständige Arbeit zu werten, sondern sie dient der Bewertung der pädagogischen Zielsetzung der Schulform UWC. Es wird am Kriterium der Selbstwahrnehmung ehemaliger deutscher UWC-Schüler/-innen der IB- Jahrgänge 2004 bis 2008 bewertet, wie wirksam die spezifische Schulform UWC ist. Die Befragung zielt ab auf die Reflexion der Ehemaligen über das in den United World Colleges Erlebte. Im Mittelpunkt dieser Studie stehen Ausrichtung und Inhalte des UWC-Konzeptes mit Schwerpunkt auf der internationalen Völkerverständigung durch interkulturelle Erziehung sowie dem CAS-Programm und den „Diensten“ im Besonderen, die als das „Herzstück“ des Hahn’schen Erziehungskonzeptes angesehen werden.

Zu Beginn des vierten Teils werden acht Orientierungshypothesen aufgestellt, die es in der Studie zu überprüfen gilt. Nach Präsentation der methodischen Vorgehensweise und des Fragenkatalogs folgt die Auswertung der Befragung, grafisch unterstützt durch Diagramme. Die Befragung ist in fünf Themenblöcke unterteilt: I. Motivation für den Besuch eines UWC, II. Völkerverständigung, III. Kulturelle Unterschiede, IV. Creativity/Action/Service (CAS)-Programm, V. Vergleich mit dem deutschen Schulsystem. Die Besprechung und Auswertung der zuvor aufgestellten Orientierungshypothesen bildet den Abschluss des vierten Teils.

Im fünften Teil der Arbeit werden die United World Colleges in den Kontext Internationaler Schulen – mit besonderer Betrachtung der internationalen Schullandschaft in Deutschland – gestellt. Ziel des fünften Teils ist es zu analysieren, ob auch in deutschen Internationalen Schulen die Hahn’schen Ideen, die an den UWC Anwendung finden, vorkommen. Vor allem wird bewertet, ob und inwieweit Parallelen und Differenzen zwischen den United World Colleges und einer Internationalen Schule in Deutschland erkennbar sind. Es wird hier bewusst kein Vergleich zu einer deutschen Round Square Schule – einer Schule, die ausdrücklich auf Hahn’schen Erziehungsprinzipien fußt – angestellt, sondern zu einer anderen, nach Definition von G. Kohl „voll entwickelten“ Internationalen Schule. Das Erkenntnisinteresse liegt gerade darin zu erkunden, inwieweit das UWC-Konzept Strahlkraft auf andere Internationale Schulen besaß, die sich nicht von Beginn an auf Kurt Hahn und seine 1.2 Aufbau der Arbeit 8 pädagogischen Prinzipien berufen. Gerade dieser Punkt wird sehr ausführlich bearbeitet, um im Hinblick auf den sechsten Teil eine Argumentationsbasis für die These vorzubereiten, dass ein pädagogisches Konzept nur so gut und damit überdauerbar und modellhaft ist, wie es sich an der Zeit und den Bedürfnissen der Menschen orientiert, und dass das pädagogische Konzept der UWC diese Bedingungen erfüllt.

Beim Einstieg in den fünften Teil wird der Blick auf den Beginn und die Ausrichtung Internationaler Schulen (IS) weltweit gewandt, um die Gründe für die Einrichtung Internationaler Schulen aufzuzeigen. Im Abschnitt zur Begriffsbestimmung „Internationale Schule“ zeigt sich, dass es nach Definition von Kohl unterschiedliche Erscheinungsformen von IS und Schulformen mit internationalen Aspekten gibt. Im Mittelpunkt des zweiten Abschnitts steht die International School of Düsseldorf (ISD). Sie ist eine von über 20 IS, die der Association of German International Schools (AGIS) als Voll-Mitgliedsschulen angehören. Hier wird auch argumentiert, warum sie als Beispielschule zum Vergleich mit den UWC herangezogen werden kann.

Dieser Vergleich bildet den dritten Abschnitt des fünften Teils. Auf der Basis der präsentierten Informationen und Erkenntnisse aus Teil 2 und 3 der vorliegenden Forschungsarbeit sowie aus dem mit dem ISD-Direktor geführten Leitfaden-Interview erfolgt die Untersuchung über die strukturellen und inhaltlichen Parallelen zwischen den UWC und der ISD. Ziel ist es, zunächst im Detail aufzuzeigen, dass Parallelen zwischen den erzieherischen Grundsätzen der ISD und den Erziehungsvorstellungen Kurt Hahns bestehen. Im Anschluss wird analysiert, worin Differenzen und Parallelen zwischen den UWC und der ISD bestehen. Hier dient das Leitfaden-Interview der Illustration gewonnener Erkenntnisse. Sowohl die Betrachtung der Differenzen als auch die der Parallelen wird unterteilt in Aspekte des inneren und des äußeren Rahmens. Es ergibt sich folgende Ordnung mit den ihnen zugeteilten Aspekten: Differenzen – Innerer Rahmen (Motive für einen Schulbesuch, Lernmotivation, Friedenspädagogischer Auftrag), Differenzen – Äußerer Rahmen (Gründungsanstoß, Organisationsform, Bewerbung/Auswahlverfahren, Einbeziehung der Eltern), Parallelen – Innerer Rahmen (Internationale Ausrichtung, Bedeutung der Dienste, Ganzheitlicher Erziehungsansatz, Leitgedanke Völkerverständigung), Parallelen – Äußerer Rahmen (Internationale Schüler- und Lehrerschaft, Angebotener Schulabschluss: IB-Diplom, „Nationale Abende/Tage“).

Im sechsten Teil der Arbeit wird die inhaltliche Ausrichtung der United World Colleges von der Gründungsphase bis in die Gegenwart hinein erörtert. Es wird im ersten Abschnitt der Frage nachgegangen, inwieweit die urspünglichen Ziele und pädagogischen Ideen der UWC mit den aktuellen übereinstimmen. Es wird analysiert, ob eine Neuorientierung stattgefunden hat, die auf eine Anpassung an die jeweilige Zeit und ihre Herausforderungen und damit auf eine notwendige Flexibilität des Konzeptes schließen lassen kann. Im zweiten Abschnitt wird diskutiert, welche pädagogischen Ideen und Elemente der UWC für andere Schulsysteme Vorbild sein können. Ziel ist es, den Modellcharakter der UWC zu unterstreichen, worin auch H. Röhrs – bezogen auf Methoden der internationalen Verständigung und Kooperation – die wichtigste Funktion der internationalen Schulen sieht.

Im ersten Abschnitt wird aufgezeigt, dass und warum an den UWC eine gewisse Neuorientierung stattgefunden hat. Zum Einstieg in diesen Abschnitt wird an den historischen Kontext zu Gründungszeiten, den Höhepunkt des Kalten Krieges, erinnert und daran, dass die Einführung Atlantischer Internate als pädagogische Reaktion auf die politischen Verhältnisse zu sehen ist. Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu erörtern, ob und inwieweit sich die 1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage 9 global-politischen Bedingungen von der Gründung an bis heute verändert haben. Festzustellen ist bereits in der zweiten Dekade der UWC-Bewegung eine Entwicklung hin zu neuen Zielen, die mit der Ausweitung auf weitere große Problemfelder einhergeht: Eine breit gefächerte Palette der Sozialdienste im Rahmen des CAS-Elements „Service“ spiegelt diese Ausweitung ebenso wider wie eine erweiterte Ausrichtung auf ökologische Belange. Bei der Darstellung einiger von K. Hahn genannten Eckpunkte für die Atlantischen Internate, die er in seiner programmatischen Rede von 1957 nannte, und dem konkreten Vergleich jener mit dem heutigen UWC-Angebot wird verdeutlicht, dass sich die Umsetzung der ursprünglichen Idee bei gleichzeitiger Beibehaltung des übergeordneten Ziels, des christlichen Schwerpunkt-Motivs sowie der äußeren Rahmenbedingungen in einigen Punkten gewandelt hat.

Im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts steht die Frage nach dem möglichen Vorbild UWC auch für andere Schulformen. Vor allem vor dem Hintergrund der in den vorherigen Teilen aufgearbeiteten Informationen über die UWC-Ziele, über deren Inhalte und Methoden und schließlich über deren reale Erziehungswirkung müssen die UWC als Vorbild für andere Schulformen in Deutschland kritisch beurteilt und diskutiert werden. Der Abschluss dieses zweiten Abschnitts wird von der Zielsetzung geleitet, herauszuarbeiten und zu diskutieren, welche vorbildhaften Grundausrichtungen als pädagogisches Muss für jede Schule in einer sich stetig weiter globalisierenden Welt bewertet und somit zur Stützung der Hauptthese herangezogen werden können.

1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage Der Erkenntnisgewinn über (1.) die Vor- und Gründungsphase der UWC-Bewegung, (2.) ihre pädagogischen Grundsätze und über (3.) die Wurzeln der IB-Kernanforderungen, die bis zur von K. Hahn entwickelten „Erlebnistherapie“ zurückreichen, erfolgt auf hermeneutischem Wege. Grundlage liefern dabei in erster Linie Primär- und Sekundärquellen. Der Erkenntnisgewinn über die (4.) Wirksamkeit der Schulform UWC, gemessen am Kriterium der Selbstwahrnehmung ehemaliger Schüler, erfolgt auf qualitativ empirischem Wege mittels Online-Erhebung, die von A. Diekmann als „ein Mittel der Wahl“ angesehen wird, „wenn für die Zielpopulation eine zugängliche Liste von E-Mail-Adressen vorliegt“5. Dieses Kriterium war aufgrund der Zusammenarbeit mit dem UWC Network Deutschland e.V. erfüllt. Der Erkenntnisgewinn über (5.) die United World Colleges im Kontext Internationaler Schulen erfolgt sowohl auf hermeneutischem Wege als auch auf Basis eines leitfadengelenkten Experten-Interviews.

Durch Nutzung der unter anderem im Nachfolgenden aufgeführten Primär- und Sekundärquellen kann ein notwendiges Verständnis historischer Zusammenhänge erzielt werden. So können dann die genannten Forschungsbereiche eingehend analysiert und die eigene These argumentativ gesichert werden. Um diese Zielsetzungen zu erreichen, führt die Arbeit viele Zitate auf. Dies soll dazu beitragen, dass die vorgenommenen Interpretationen nicht der Kritik der Willkür ausgesetzt werden können. Das Schaubild am Ende dieser Einleitung stellt den methodischen Aufbau der vorliegenden Arbeit grafisch dar.

5 A. Diekmann: Empirische Sozialforschung. Reinbeck 182007, S. 530. 1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage 10

1. Zur Erörterung der Vor- und Gründungsphase der UWC-Bewegung dient als grundlegende Informationsquelle vor allem die von H. Röhrs 1966 herausgegebene Publikation unter dem Titel Bildung als Wagnis und Bewährung; zur Erörterung der Gründungsphase dient die von R. Denning unter dem Titel The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College aus dem Jahr 1983 (vor allem der darin enthaltene Beitrag von D. Sutcliffe „The First Twenty Years of the United World Colleges“). Ergänzend wird hier auch der Beitrag von A.D.C. Peterson aus dem Jahr 1987, neu bearbeitet und aktualisiert 2003, mit dem Titel Schools Across Frontiers herangezogen. Der erstgenannte Titel vereint Beiträge eines internationalen Autorenkreises, der das Lebenswerk Kurt Hahns in seinen unterschiedlichen Darstellungsformen aufzeigt und deutet. Der zweitgenannte Titel fokussiert sich auf die Geschichte des Schlosses St. Donat’s und die ersten 20 Jahre des Atlantic College, der „Keimzelle“ der UWC. Der letztgenannte Titel, die jüngste dieser drei Publikationen, beschreibt sowohl die Geschichte des International Baccalaureate als auch die der United World Colleges und setzt sie – dies macht die Besonderheit des Werkes aus – in eine enge Beziehung zueinander. Diese Quellen bieten eine solide und umfassende Grundlage. Die erstgenannte kann als repräsentativ angesehen werden für den Forschungsstand über das Lebenswerk des deutschen Pädagogen Kurt Hahn, die zwei letztgenannten als repräsentativ für den Forschungsstand über die Gründungsphase und Entwicklung der UWC-Bewegung. Es können aber noch weitere Quellen herangezogen werden, so u.a. die Beiträge von D. Sutcliffe („Das Atlantic College“, 1963; „Oberstufen- Kollegs im Geiste Kurt Hahns“, 1986; „The United World Colleges“, 1991) und T. Fischer („Die Schulen Kurt Hahns“, 1991) sowie die Monographien von P. Friese (2000), M. Flavin (1996), R. Skidelsky (1975) und T. Fischer („Die United-World-Colleges“, 1991), die das Basismaterial unterstützen. Viele sachliche Informationen über die Finanzierung und den curricularen Anfang des AC St. Donat’s Castle liefert D. J. Hoare (1966) in seinem Aufsatz „Das Atlantic College“ (1966). Der Beitrag ist als Primärquelle von großem Nutzen, da Hoare selbst das Atlantic College St. Donat’s Castle in den Anfangsjahren geleitet hat. Entsprechend finden sich über die Darstellung der Aufbaujahre des Atlantic College St. Donat’s Castle Primärquellen vor allem bei D. J. Hoare (1966) sowie bei D. Sutcliffe („The First Twenty Years of the United World Colleges“, 1983), der selbst zum Lehrkörper zählte und von 1969 bis 1982 als Nachfolger von Hoare die Schule leitete.

Von entscheidender Bedeutung sind die Reden, Aufsätze, Notizen und Artikel K. Hahns. Diese Dokumente bilden das Ausgangsmaterial für die Erforschung der UWC und ihrer ursprünglichen erzieherischen Zielsetzungen. Die frühen und späteren Monografien Hahns werden als Grundlage und Maßstab herangezogen. Die Publikation von M. Knoll (1998) unter dem Titel Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß versammelt eine Auswahl dieser Primärquellen in chronologischer Reihenfolge. Sie dienen nicht nur zur Erörterung des pädagogischen Konzeptes, sondern geben auch Einblick in die Vorphase der UWC-Bewegung. Die o.g. Sammlung beginnt mit einem Brief aus Oxford (1904) des damals 18-jährigen Hahn, in dem er bereits über seine erzieherischen Absichten berichtet. In der Sammlung enthalten (hier in Auszügen) ist auch unter dem Titel Schulen der Nationalitäten die von Hahn im Jahr 1957 gehaltene Rede auf einer Plenarsitzung der Atlantischen Konferenz in Brügge über das Vorhaben der Einrichtung internationaler Oberstufen-Internate. Unter demselben Titel, aber in einer weiter verkürzten Fassung, hat M. Knoll die Rede bereits 1986 veröffentlicht. Im Wortlaut wurde dieselbe Rede publiziert unter dem Titel Ein europäischer Schulplan in der politischen Monatsschrift Der europäische Osten (1959). Es handelt sich hierbei um eine programmatische, richtungweisende Rede Hahns, die für die Forschungsarbeit entsprechend 1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage 11 große Bedeutung besitzt. Diese Rede stellt die Basis der Forschungsarbeit dar, da sie die ursprüngliche erzieherische Zielsetzung, die methodische Vorgehensweise sowie die strukturellen Rahmenbedingungen für die zu errichtenden Colleges beinhaltet. Der zwei Jahre zuvor, am 7. Oktober 1955, von Hahn am NATO Defense College in Paris gehaltene Vortrag „The Development Of Character“ wird als Einleitung der Gründungsphase betrachtet. Fundort dieser Quelle ist die Bibliothek des NATO Defense College in Rom/Italien.

Zur Erörterung der Vorphase der UWC-Bewegung ist der Rückgriff auf weitere Primär- und Sekundärquellen neben den bereits genannten notwendig. Diese Quellen führen die Ideengeber für die Hahn’sche Pädagogik auf und ordnen Hahn in den historischen Kontext ein, in dem er sein pädagogisches Wirken begann.

Hinweise auf die Ideengeber für die Hahn’sche Pädagogik finden sich nicht nur bei Hahn selbst („»… will Lehrer werden, nicht Königl. Preußischer Unterrichter«“, 1904; „Gedanken über Erziehung“, 1908; „Rückblick“, 1950; „Erziehung und die Krise der Demokratie“, 1962; „Grundriss eines pädagogischen Testamentes“, 1966), sondern auch bei M. Ewald (1966), K. Schwarz (1968), G. Mann (1975), W. Köppen (1967), J. Ziegenspeck („Lernen fürs Leben – Lernen mit Herz und Hand“, 1986), G. Richter/H. Münch (1960), H. Röhrs (1980), A.S. Arnold-Brown (1966) und S. Wassong (2006).

In der Diskussion um den Begriff der Reformpädagogik, als deren Vertreter Kurt Hahn gemeinhin bezeichnet wird, stehen die Ansätze von H. Röhrs (1980, 1986) und J. Oelkers (2005) im Fokus.

In der Entwicklung der UWC-Bewegung spielte Lord Louis Mountbatten, Präsident des International Council von 1968 bis 1978, eine große Rolle. Er trieb vor allem die weltweite Expansion voran und benannte die Internate von „Atlantic College“ zu „United World Colleges“ um. Ihm widmet A.D.C. Peterson, ehemaliger Generaldirektor des International Baccalaureate Office in Genf, in seiner Publikation „Schools Across Frontiers“ (1987, 22003) ein eigenes Kapitel („Mountbatten and the expansion of the United World Colleges“). Auch zu diesem Themenbereich liefert diese Primärquelle fundamentale Informationen für die Forschungsarbeit.

Von zentraler Bedeutung für die Beschaffung von Informationen über aktuelle Organisationsstrukturen und Schulangebote ist das World Wide Web. Hier finden sich auf der Homepage von UWC International unter anderem Informationen über die bisherigen UWC-Präsidenten, über die Struktur der UWC-Organisation und über die Auswahlkriterien von Schülern (United World Colleges (International)/www.uwc.org). Das Heranziehen dieser Quelle reicht allerdings nur bedingt aus. So werden zur besseren Beleuchtung zum Beispiel der Auswahlkriterien Primärquellen von K. Hahn („Schulen der Nationalitäten“, 1957; „Erziehung und die Krise der Demokratie“, 1962) sowie elektronische Literaturquellen sowohl der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. (www.uwc.de/bewerbung, 25.3.2008; www.uwc.de/bewerbung_prozess, 25.3.2008) als auch des UWC of the Pacific in Kanada (www.pearsoncollege.ca/admissions.htm, 1.11.2009) und des UWC of the American West (www.uwc-usa.org/about/index.htm, 25.3.2008) zur Unterstützung herangezogen.

Viele sachliche Informationen – mehr oder weniger ausführlich – liefen die Homepages der einzelnen United World Colleges beispielsweise über ihre jeweilige Gründungsgeschichte, ihren jeweiligen Standort und ihre jeweiligen Kursangebote. Dies sind Informationen, die in deutschen Bibliotheken nicht zu finden sind. In erziehungswissenschaftlichen Zeitschriften und erziehungswissenschaftlich ausgerichteten Magazinen wird – sofern das UWC-Konzept vorgestellt wird – vornehmlich das Gründungscollege St. Donat’s Castle präsentiert, 1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage 12 siehe: A. Pielorz („Atlantic College“, in: erleben & lernen, 1993), K. Richter („Stille, Selbstüberwindung und Dienst an der Gemeinschaft“, in: Die Höhere Schule, 1989), D. B. Sutcliffe („Das Atlantic College“, in: Neue Sammlung, 1963), N. Büchse („Die ganze Welt in einem Schloss“, in: GEO-WISSEN, 2009). Für die Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den 13 Schulen der UWC-Riege liefern neben Peterson (22003) vor allem die Angaben auf den Homepages der Colleges sowie des UWC International (www.uwc.org) und der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. (www.uwc.de) wichtige Informationen.

2. Zur Analyse der pädagogischen Grundsätze der United World Colleges wird auf Primär- und Sekundärliteratur zurückgegriffen. Als erzieherische Grundsätze werden in der vorliegenden Untersuchung friedenspädagogische Aspekte beziehungsweise Inhalte (siehe hier insbesondere die „Dienste“/ „Services“) sowie interkulturelle Erziehung angesehen. Im Forschungsstand wird erwähnt, dass die Schulen von ihrer Gründungsabsicht in den Dienst der internationalen Verständigung gestellt werden (vgl. u.a. H. Röhrs: „Die Einheit Europas und die Sicherung des Weltfriedens“, 1992; D. Sutcliffe: „Oberstufen-Kollegs im Geiste Kurt Hahns“, 1986) und dass der „Service“ einen Beitrag zur Sozial- und Friedenspädagogik leistet (vgl. M. Knoll: „Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie“, 1986). Eine Vertiefung in diese Thematik mit Verweisen auf die aktuelle Situation an den United World Colleges, beziehungsweise die Methodik zur Umsetzung der erzieherischen Intention dort, findet in der vorliegenden Untersuchung statt.

Bei der Erörterung der Begriffe „Frieden“ und „Friedenserziehung“ wird auf die Lexikonbeiträge von E. Weiß („Friedenserziehung“, 2010), P. Köck („Friedenserziehung“, 2008) und P. Heitkämper („Friedenspädagogik“, 1999) sowie auf Veröffentlichungen von H. Röhrs (u.a. „Die Einheit Europas und die Sicherung des Weltfriedens“, Monografie, 1992), G. W. Schnaitmann („Friedenserziehung in der Schule“, Beitrag in dem Sammelband „Friedenspädagogik im Paradigmenwechsel“, 1991) und H. Gudjons („Pädagogisches Grundwissen“, Kompendium, 51997) zurückgegriffen. Der Nachweis für die Tatsache, dass die UWC von Beginn an auf Frieden durch Verständigung ausgelegt waren, erfolgt auf direktem Weg durch die Aufarbeitung von Primärquellen von L. Darvall (Rede beim Sheffield Lunch, Archivmaterial Kurt-Hahn-Archiv, 1962) und K. Hahn („Schulen der Nationalitäten“, 1957).

Zur Erörterung der interkulturellen Erziehung bietet G. Auernheimer unter dem Titel Einführung in die interkulturelle Erziehung (21995) eine solide Grundlage. In Bezug auf den Begriff der „Verschiedenheit“, der im Zusammenhang mit interkultureller Erziehung fällt, können Beiträge von G. Walker (1999, 2001, 2003), zusammengefasst in seiner Publikation von 22004 unter dem Titel To Educate the Nations, herangezogen werden.

Der Erkenntnisgewinn liegt – nach Darstellung der Umsetzung interkultureller Erziehung an den UWC – schließlich darin, dass die United World Colleges nicht nur einen strukturellen Rahmen für interkulturelle Erziehung geben, sondern sich auch speziell durch ein vielfältiges Angebot von Aktivitäten sowie curricularer Lerninhalte, die kulturelle Differenzen zum Ausgangspunkt nehmen, auszeichnen. Die Aussage von G. Auernheimer „Erst wenn Schule zum Lebensraum mit vielfältigen Aktivitäten wird, kann interkulturelles Zusammenleben eingeübt werden“ (21995, S. 224) lässt sich auf die UWC übertragen. 1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage 13

3. Zur Analyse der Wurzeln der IB-Kernanforderungen kann auf Sekundärliteratur nicht zurückgegriffen werden. Im Forschungsstand findet diese Themenstellung keine Berücksichtigung. Im Gegensatz dazu finden sich in erziehungswissenschaftlichen Zeitschriften zahlreiche Aufsätze über die Hahn’sche „Erlebnistherapie“, stets im Zusammenhang mit Erlebnis-/Abenteuerpädagogik (u.a. 1993 A. Pielorz und 1994 J. Schlich in der Zeitschrift erleben und lernen), Outward Bound-Programmen oder der Person Kurt Hahns. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da Kurt Hahn hierzulande – wenn überhaupt – in den Publikationen vornehmlich als „Vater der Erlebnistherapie“ auftaucht. So wird im Forschungsstand beispielsweise nicht erwähnt, dass die Service-Idee, die dem „Service“/den „Diensten“ im Rahmen des International Baccalaureate zugrunde liegt, auf Hahn zurückgeht. Lediglich in der Veröffentlichung von Peterson (22003, S. 45) findet sich ein Hinweis.

Die Interpretation der insgesamt vorliegenden Primär- und Sekundärquellen erlaubt es, über den bisherigen Forschungsstand hinaus den Ideenimport der vier Hahn’schen Erlebnistherapie-Elemente ins heutige IB auszulegen.

Zur Darstellung der Entwicklung des International Baccalaureate liefert die Publikation von A.D.C. Peterson unter dem Titel Schools Across Frontiers. The Story of the International Baccalaureate and United World Colleges (1987, 22003) eine ausführliche Grundlage. Die Quelle zeigt nicht nur die Geschichte beider Initiativen auf, sondern auch genau die Schnittstellen, an denen sich IB und UWC treffen. Und sie zeigt damit die Sonderstellung auf, die die UWC in der Entwicklung des IB einnehmen.

Die Monografie von E. Fox („Das Internationale Bakkalaureat – Wegbereiter einer weltweiten Erziehung und Bildung”, 1991), die Beiträge von G. Walker (zusammengefasst unter dem Titel To Educate the Nations, 22004) sowie der Aufsatz („The International Baccalaureate: a curriculum at upper secondary level and a university entrance examination”, 1991) und das Interview von R. Blackburn (1991) bieten eine wertvolle Ergänzung zur Darstellung der Entwicklung des IB.

Ein Überblick über das aktuelle IB-Programm findet sich auf der Homepage der International Baccalaureate Organization (IBO; www.ibo.org). Diese Homepage liefert auch Statistiken sowie Adressen der IB World Schools. Im Zusammenhang dieser Forschungsarbeit sind gerade die Statistiken von Interesse, da durch sie ein Überblick über die Verbreitung der einzelnen IB-Programme erhältlich ist.

Für den Rückblick auf die Wurzeln der Kernanforderungen des IB-Diplom-Programms (Creativity, Action, Service = CAS-Programm) und des Extended Essay werden vor allem Beiträge und Reden von K. Hahn herangezogen. In den Mittelpunkt rücken dabei seine Reden aus den Jahren 1938 („Fitness Leadership“), 1947 („Training For and Through the Sea“), 1955 („The Development Of Character“), 1958 (Address at the Forty- Eighth Annual Dinner of Old Centralians), 1960 („Outward Bound“), 1962 („Erziehung und die Krise der Demokratie“) und 1965 (Address at the Founding Day Ceremony of the , Harrogate Address on Outward Bound) sowie die Denkschrift von 1931 „Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime“, ferner ein Schreiben von 1933 „An Eltern und Freunde“, ein Broschüren-Beitrag von 1930 „Die Sieben Salemer Gesetze“ sowie der Rundfunkvortrag von 1934 „Ein Internat in Deutschland“. Fundorte dieser Quellen sind allgemein erhältliche Publikationen, das Internet (www.kurthahn.org) sowie der Archivbestand des NATO Defense College in Rom/Italien. Originaldokumente sind im Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, einzusehen. Durch die 1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage 14

Analyse dieser Beiträge und Reden kann aufgezeigt werden, dass sich die von Hahn eingesetzten erlebnispädagogischen Elemente wie ein roter Faden über die Jahre hinweg durch seine pädagogische Arbeit gezogen haben.

Ergänzt wird der Rückblick unter anderem durch die frühe Monografie von K. Schwarz (1968) unter dem Titel Die Kurzschulen Kurt Hahns, die Monografie von M. Flavin (1996) unter dem Titel Kurt Hahns Schools & Legacy, sowie die Abhandlung „Die pädagogische Provinz im Geiste Kurt Hahns“ von H. Röhrs in seiner Publikation Die Reformpädagogik als internationale Bewegung (1980), des Weiteren durch Beiträge von J. Ziegenspeck („Kurt Hahn und die internationale Kurzschul-Erziehung“, 1986; „Kurt Hahn und die internationale Kurzschulbewegung“, 1987), M. Ewald („Der Aufbau und Ausbau Salems (1919-1933)“, 1966) sowie durch Zeitschriftenartikel (u.a. H. Breß: „Outward Bound – Persönlichkeitsbildung durch Erlebnispädagogik“, in: Deutsche Jugend, 1985).

Für eine Einsicht in die aktuellen Lehr-Angebote im Rahmen des IB Diplom-Programms an den United World Colleges dienen erneut die Homepages der jeweiligen Schulen als stets verfügbare Informationsquellen. Das aktuelle Vorkommen der einzelnen Hahn’schen Erlebnistherapie-Elemente kann durch die Gegenüberstellung mit den heutigen IB-Anforderungen anhand beispielhaft ausgewählter UWC-Kurse aufgezeigt werden.

4. Der Erkenntnisgewinn über die Wirksamkeit der Schulform UWC, gemessen am Kriterium der Selbstwahrnehmung ehemaliger Schülerinnen und Schüler, erfolgt auf qualitativ-empirischem Wege mittels Online-Erhebung. Zur Auswertung der Befragung findet lediglich eine Grundauszählung statt. Da im Mittelpunkt einer jeden Erziehungsarbeit der Schüler steht, und pädagogische Konzepte und Modelle sich daran messen lassen müssen, ob sie beim Schüler „ankommen“, steht die vorliegende Untersuchung unter dem Kriterium der Selbstwahrnehmung ehemaliger UWC-Schüler/-innen. Da der UWC-Absolvent pädagogische Angebote aus seinem subjektiven Empfinden heraus durchaus beurteilen kann und soll, wird die Selbstwahrnehmung als wichtigste Kategorie für die vorliegende Befragung angesehen. So ist die Studie auch nur darauf beschränkt. Wie A. Diekmann erläutert, ist die qualitative Forschung „an der Subjektperspektive, an den «Sinndeutungen» des Befragten interessiert.“6 Eine weitere mögliche Kategorie wäre die der Fremdwahrnehmung, also Beobachtung und Beurteilung durch eine andere Person als die des Schülers selbst. Dies könnten Lehrer, Eltern, Beobachter sein. Diese Varianten wurden aus dem oben genannten Grund jedoch bewusst nicht gewählt. Hier ergeben sich Ansätze für weiterführende Studien.

Eine bisher nicht durchgeführte Online-Befragung ehemaliger deutscher UWC-Absolventen unter dem Fokus der interkulturellen Erziehung und der sozialen Dienste als ein Element des CAS (Creativity/Action/Service)- Programms, das an den UWC ein Teil des Curriculums ist, stellt in der deutschen Forschung eine Forschungslücke dar. Zur Aufarbeitung dieses Forschungsdefizits wird die Grundauszählung und Interpretation der vorliegenden Befragungs-Ergebnisse herangezogen.

Zur Erläuterung der Klassifikation und Auswertung des vorliegenden Fragebogens wird die Publikation von K. Konrad unter dem Titel „Mündliche und schriftliche Befragung. Ein Lehrbuch“ (2007) herangezogen. Zur 1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage 15

Einführung in die Befragung als eine Form der Datenerhebung liefert die Buchpublikation von A. Diekmann unter dem Titel „Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen“ (182007) hilfreiche Hintergrundinformationen.

5. Der Erkenntnisgewinn über die United World Colleges im Kontext Internationaler Schulen erfolgt sowohl auf hermeneutischem Wege als auch auf Basis eines leitfadengelenkten Experten-Interviews. Die bisher nicht durchgeführte Untersuchung der Parallelen zwischen den United World Colleges und einer voll entwickelten Internationalen Schule stellt in der deutschen Forschung über die UWC-Bewegung eine Forschungslücke dar. Zur Aufarbeitung dieses Defizits wird in der vorliegenden Untersuchung das leitfadengelenkte Experten-Interview mit Neil McWilliam (2008) herangezogen. Durch die Analyse der Primärquellen (Hahn), Homepage-Angaben (UWC, ISD) und gewonnenen Informationen aus den Original-Tönen kann aufgezeigt werden, dass ebenso Parallelen wie Differenzen zwischen den UWC und der International School of Düsseldorf, die beispielhaft zum Vergleich herangezogen wird, bestehen.

Aufschlussreiche und grundlegende Informationen über die Entwicklung Internationaler Schulen liefert G. Kohl in ihrem Beitrag unter dem Titel „Die Internationalen Schulen weltweit“ (1991) in der Zeitschrift Bildung und Erziehung, der als solide Grundlage dient. Kohl kategorisiert hierin Internationale Schulen nach ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen und bietet eine Definition für eine „Internationale Schule im engeren Sinn“.

Zur formalen Einordnung der International School of Düsseldorf (ISD) wird auf das Internet zurückgegriffen. Eine aktuelle Auflistung von IB World Schools in Deutschland findet sich auf der Homepage der Internationale Baccalaureate Organization (www.ibo.org). Weitere aktuelle Auflistungen von Mitgliedsschulen entsprechender Organisationen sind den jeweiligen Homepages zu entnehmen: European Council of International Schools/ECIS (http://edmundo.ecis.org/search/Select_School.asp), Association of German International Schools/AGIS (www.agis-schools.org/members.html). In allen drei genannten Listen findet sich die ISD wieder, die neben den äußeren Rahmenbedingungen aber auch noch weitere entscheidende Gründe für die Auswahl zum Vergleich mit den UWC bietet, so zum Beispiel, dass sie eine der traditionsreichsten Internationalen Schulen in Deutschland ist. Basisinformationen über die ISD bietet die Homepage der Schule (www.isdedu.eu). Diese wird als Quelle für die Analyse von Parallelen zwischen den erzieherischen Grundsätzen der ISD und den Erziehungsvorstellungen Kurt Hahns herangezogen. Zu gleichem Zwecke erfolgt ein Rückgriff auf folgende Reden Kurt Hahns: „Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime“, 1928; „Schulen der Nationalitäten“, 1957; „Outward Bound“, 1960. Die Interpretation der Primärquellen erlaubt es, Parallelen zu ziehen.

Zur Aufarbeitung des Forschungsdefizits in Hinblick auf die Parallelen und Differenzen zwischen den UWC und einer voll entwickelten Internationalen Schule in Deutschland wird in der vorliegenden Untersuchung ein leitfadengelenktes Experten-Interview (2008) mit dem Direktor der ISD herangezogen. Das Interview dient der Illustration der aus den Internetquellen gewonnenen Erkenntnisse. Zur Analyse der in der vorliegenden Untersuchung aufgeführten Differenzen und Parallelen zwischen den UWC und der ISD werden zudem u.a. die

6 A. Diekmann: Empirische Sozialforschung. Reinbek 182007, S. 531. 1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage 16

Homepages der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. (www.uwc.de), der International Baccalaureate Organization (www.ibo.org) sowie der United World Colleges/International (www.uwc.org) als Quellen verwendet.

Der Gewinn der Erkenntnisse aus den Teilen 1 bis 5 liefert schließlich die Grundlagen für die abschließende Diskussion (Kapitel 7). Die These der vorliegenden Untersuchung stützt sich auf die hohe Einschätzung des „Service“-Stellenwertes sowie der Notwendigkeit interkultureller Erziehung in einer Welt, die sich in immer stärkerem Maße untereinander vernetzt. Von großer Bedeutung ist dabei vor allem die Aufnahme des „Service“ ins Diplom-Programm des International Baccalaureate als Kernanforderung – die „Dienste“ waren auch für den Pädagogen Hahn das wichtigste Element im Kanon seiner „Erlebnistherapie“. Nicht zuletzt sollen die Antworten der befragten deutschen UWC-Ehemaligen die in der vorliegenden Untersuchung aufgestellte These stützen, dass die UWC mit ihrem Konzept die Jugendlichen und ihre Bedürfnisse ansprechen; die UWC-Ehemaligen wünschten sich ebenso für ihre deutsche Schule u.a. das CAS-Programm sowie die (Welt-)Offenheit und Internationalität der Colleges. 1.3 Anmerkungen zur Untersuchungsmethodik, zum Forschungsstand und zur Quellenlage 17

Die United World Colleges und ihre aktuelle pädagogische Bedeutung

Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel 1 2 3 4 5 6 7

Einleitung Die Geschichte Pädagogische Die Entwicklung Befragung Die United Diskussion und Verbreitung Grundsätze der des International World Colleges der United United World Baccalaureate im Kontext World Colleges Colleges und die Wurzeln Internationaler seiner Kern- Schulen anforderungen

Literaturanalyse Literaturanalyse Literaturanalyse Literaturanalyse

Online- Leitfaden- Befragung, Interview N=52 2.1 Die geistigen Mentoren 18

2 Die Geschichte und Verbreitung der United World Colleges Ideen sind Produkte ihrer Zeit. Das heißt, sie spiegeln die Zeit wider, in der sie geboren und entwickelt werden. Auch die United World Colleges (UWC) sind ein Produkt ihrer Zeit, eine Reaktion auf bestehende Verhältnisse und der Versuch, diese in eine bestimmte Richtung hin zu verändern. Sie beziehen vorangegangene Entwicklungen mit ein und zeichnen zielorientiert ein Zukunftskonstrukt auf. Bei der Darstellung der Geschichte der UWC werden diese Merkmale deutlich. In diesem Kapitel will die Autorin der vorliegenden Arbeit die Entwicklung der UWC darstellen, die sich mittlerweile zu einer weltumspannenden Bewegung etabliert haben. Es handelt sich laut der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. um „eine der weltweit größten Bildungs-Bewegungen“7, sie ist – so unterstreicht UWC International deren Einzigartigkeit – „the only global educational movement that brings together students from all over the world“8.

Heute zählt die UWC-Bewegung weltweit 13 Schulen. Mit der Gründung des ersten Colleges in Wales/England im Jahr 1962 wurde zwar der offizielle Startschuss gegeben, doch reichen die Wurzeln viel weiter zurück, wie im Folgenden aufgezeigt wird. Als Ideengeber treten hier zwei Personen in Erscheinung – Kurt Hahn und Lawrence Darvall – , deren persönliche Erfahrungen ebenso wie der gesellschaftlich-politische Kontext in die Idee eines neuen Schulkonzeptes einflossen. Da vor allem der Erzieher Kurt Hahn die pädagogischen Leitlinien in vorangegangenen Schulprojekten entwickelt hatte, werden sein Werdegang und die Grundsätze seiner Pädagogik fokussiert beleuchtet. Das pädagogische Konzept der zunächst unter dem Namen „Atlantic Colleges“ geplanten Oberstufen-Internate ist demnach das Produkt bisheriger (persönlicher sowie erzieherischer) Erfahrungen vor dem Hintergrund bestehender gesellschafts-politischer Verhältnisse (zu Zeiten des Kalten Krieges) mit dem Ziel der internationalen Völkerverständigung. Es wurde von Anfang an durch eine internationale Schülerschaft nicht nur der interkulturellen Erziehung Vorschub geleistet, sondern auch der Friedenspädagogik, die durch den gemeinsamen und in der UWC-Bewegung allseits anerkannten Leitspruch („UWC mission statement“, vgl. Kap. 2.7.1) ihre Verankerung findet. Ein kurzer Überblick über die internationalen Organisationsstrukturen sowie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der bestehenden UWC schließt das Nachzeichnen der Entwicklungslinie ab.

2.1 Die geistigen Mentoren Wer sich auf die Suche nach den Wurzeln der United World Colleges begibt, trifft in den Publikationen vornehmlich auf zwei Namen: Kurt Hahn und Lawrence Darvall. Welchen Anteil diese beiden geistigen Mentoren an der Gründung des ersten Colleges hatten, wird in diesem Kapitel dargestellt.

Dementsprechend erklärt BYATT, ehemaliger Lehrer am Internat Gordonstoun (ebenfalls eine Schulgründung Hahns9), eindeutig: „The United World College of the Atlantic had its origins in the minds of Kurt Hahn and Sir

7 2008 UWC: „UWC – und danach“. www.uwc.de/ueber_danach (Datum des Zugriffs: 13.4.2008). 8 2007 United World Colleges (International): „About UWC“. www.uwc.org/about_us (Datum des Zugriffs: 25.3.2008). 9 Vgl. Kap. 2.2.3.2. 2.1 Die geistigen Mentoren 19

Lawrence Darvall.“10 Und weiter spricht BYATT von einem „gemeinsamen Geist“ der beiden, der mit Hilfe anderer eine Idee in die Tat umsetzte: „When two men of action meet and find themselves of a common mind, things happen. With the help of many others they founded the first Atlantic College at St Donat’s, in Wales.”11 BYATT schreibt Hahn und Darvall eine Pionierarbeit in Bezug auf das erste United World College zu: „1962 saw the opening at St Donat’s Castle in Wales of the first United World College of the Atlantic which Hahn pioneered with Sir Lawrence Darvall.”12 Auch STETSON sieht in Hahn und Darvall die Vorbereiter. Er schreibt Hahn jedoch die Initiatorenrolle zu, die von Darvall Hilfe erhält, und er ergänzt um eine unbestimmte Anzahl weiterer Personen: „In 1962 Hahn pioneered with the help [of; Ergänzung d. Verf.] Sir Lawrence Darvall and many others, the opening of the first United World College (The College of the Atlantic at St. Donat’s Castle in Wales).“13 Welche weiteren Personen am Zustandekommen, also an der Eröffnung des ersten College mitbeteiligt waren und somit zum erweiterten Gründerkreis gehören, wird in Kapitel 2.4 aufgezeigt. Zunächst ist hier jedoch festzuhalten, dass Hahn und Darvall als Initiatoren angesehen werden können, als, laut HOARE, „Urheber des Atlantic College-Gedankens“14, oder auch als „the original co-founders“15.

Wo und wann trafen nun die beiden Persönlichkeiten mit dem „common mind“ aufeinander, die Persönlichkeiten, die mit ihrer Idee eine weltweite Bewegung in Gang setzten? Kurt Hahn selbst gibt darauf in einer Rede von 1957 die Antwort:

„The plan was born in Paris in 1955. Air Marshal Sir Lawrance Darvall, the Commandant of the NATO Defence College, had witnessed for two years how staff officers and diplomats who had arrived from fifteen different nations with considerable prejudices learnt through the daily devotion to a common task how to give to the point of view of the foreigner first a hearing, then understanding and even sympathy, till one day a community had found itself (…). (…) I want to render account of our reading of the human nature of the young both on this side and the other side of the iron curtain: for it is this reading which has given us the courage for launching this ambitious scheme.“16

In dieser Rede spricht Hahn eindeutig von seiner und Darvalls Vision („our reading”), einer Vision, die er also auch bei Darvall als eine Gemeinsamkeit erkennt. FRIESE konkretisiert:

10 D. A. Byatt’s Einführung zum Buchbeitrag „The Atlantic College – St Donat’s Castle” von D. J. Hoare. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 57. 11 D. A. Byatt’s Einführung zum Buchbeitrag „The Atlantic College – St Donat’s Castle” von Desmond Hoare. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 57. 12 D. A. Byatt: „Kurt Matthias Robert Martin Hahn.“ In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 13 f. 13 C. P. Stetson: An Essay on Kurt Hahn. Founder of Outward Bound (1941). www.kurthahn.org/writings/stet.pdf (Datum des Zugriffs: 27. Oktober 2006), S. 6. 14 D. J. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 235. Das erste United World College wurde am 3. Oktober 1962 unter dem Namen Atlantic College eröffnet und von Admiral Desmond Hoare (bis 1969) geleitet. Sowohl auf die Umbenennung von Atlantic College in United World College (s. Kap. 2.5.2) als auch auf die Person Hoares (s. Kap. 2.4.3) wird in der vorliegenden Arbeit noch näher eingegangen. 15 The Atlantic College in the United Kingdom. Prospekt. St. Donat’s Castle. Cowbridge, Mai 1963. 16 K. Hahn: „The Atlantic College”. Rede, gehalten in Brügge am 13. September 1957. In: Time and Tide. The Independent Weekly. London, 8. Februar 1958, S. 2-6. 2.1 Die geistigen Mentoren 20

„Darvalls Einschätzung, daß Diplomaten und Offiziere, die dieses College [= NATO Defence College, an dem Darvall Kommandant war; Anm. d. Verf.] durchlaufen hatten, weniger geneigt waren, anderen mit Vorurteilen zu begegnen, traf sich mit Hahns Grundidee der Völkerverständigung auf der Basis gegenseitiger Toleranz.“17

Die Erfahrungen Darvalls als Kommandant des NATO Defence College, die die Basis des ursprünglichen Konzeptes der Atlantic Colleges mit dem übergeordneten Ziel der Völkerverständig bilden sollten, werden im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit noch ausführlich dargestellt.

An dieser Stelle ist zu konstatieren, dass die Rede, die Hahn 1955 am NATO Defense College in Paris gehalten hat, und die dortige Zusammenkunft von Hahn und Darvall wie eine Initialzündung gewirkt haben muss. Nach Aussage PETERSONs hätten Darvalls Erfahrungen Hahn tief beeindruckt, und Darvall sei ebenso angetan von Hahns Idee gewesen, diese Erfahrungen in einer internationalen Schule zu vervielfältigen:

„He [Hahn; Anm. d. Verf.] was deeply impressed by the way in which Darvall had succeeded in welding together former enemies (…). Darvall was equally enthusiastic for Hahn’s idea of replicating this experience in an international school or college.”18

SUTCLIFFE bestätigt diese Initialwirkung19. PETERSON führt weiter aus, dass Hahn und Darvall eine Gruppe von Leuten um sich versammelten, die entschlossen waren, Hahns Vision Wirklichkeit werden zu lassen: „Hahn (…) and Darvall began to gather around them a group of people, drawn from industry, banking, politics, and education, who were determined to translate Hahn’s vision into reality.“20

Von der Idee – die laut FLAVIN aus der Freundschaft zwischen Hahn und Darvall erwuchs21 – bis zur Umsetzung vergingen sieben Jahre. Das Zustandekommen des ersten Colleges war dann zwar das Ergebnis des Engagements einer Gruppe von Einzelpersonen – jedoch laut PRINCE CHARLES22 „unter Hahns Inspiration“: „The founding of Atlantic College (…) was due to the action, under Hahn’s inspiration, of a group of individuals (…).“23 Für

17 P. Friese: Kurt Hahn – Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen. Bremerhaven 2000, S. 234. 18 A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 3. 19 „Bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg brachte Hahn eine Anzahl deutscher Jungen nach Gordonstoun in einem Versuch, Gordonstoun zu einer internationalen Schule auszubauen. Aber erst als er 1955 den damaligen Kommandanten des NATO Defence College in Paris, Sir Lawrance Darvall, kennenlernte, wurde der Plan geboren, der zur Gründung des Atlantic College führte.“ D. B. Sutcliffe: „Das Atlantic College“. In: Neue Sammlung. 3. Nr. 3 (1963), S. 261. 20 A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 3. 21 „Born from Hahn’s friendship with a commandant of the NATO staff college (…), the idea was to bring together young people from around the world (…).” M. Flavin: Kurt Hahn’s Schools & Legacy. Wilmington 1996, S. 43. 22 Seine Königliche Hoheit der Prinz von Wales war als Nachfolger seines Großonkels Lord Louis Mountbatten von 1978 bis 1995 Präsident des International Council of the United World Colleges und somit am Geschick der UWC-Bewegung zu einem nicht unerheblichen Maß beteiligt. Er wird in seiner Funktion als Präsident in der vorliegenden Arbeit u.a. in Kapitel 2.6.1 ein weiteres Mal erwähnt. 23 C. Mountbatten-Windsor (Prinz von Wales): „Foreword”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. vii. In der Einleitung zur ersten Auflage, die in der zweiten Buchauflage ebenfalls abgedruckt ist, zieht PETERSON folgenden Vergleich: „Neither the United World Colleges nor the International Baccalaureate were the product of governments, international organisations, universities, or established bodies of any kind. They were conceived, launched (…) by two groups of individuals who shared a common purpose and enthusiasm (…).” A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. xi. Die Erwähnung dieser beiden Einrichtungen ist insofern relevant, als dass ihre Beziehung zueinander in Kap. 4.1.2 noch näher betrachtet wird. 2.1 Die geistigen Mentoren 21

SUTCLIFFE lieferte Kurt Hahn in dieser Zeit nicht nur die Inspiration, sondern er „war die entscheidende Persönlichkeit bei der Gründung des Atlantic College in Wales im Jahre 1962“24.

Wie die Ursprungsidee als pädagogisches Konzept umgesetzt werden sollte, wird in Kapitel 2.3 konkret erörtert. Für Desmond Hoare, den ersten Schulleiter des Atlantic College, war laut SUTCLIFFE „the Hahn-Darvall concept a venture of genuine novelty and relevance.“25 Auch auf der Homepage von TEACHERSNEWS wird das Konzept noch einmal Hahn und Darvall zugeschrieben im Zusammenhang mit einer Beurteilung durch die Londoner Times: „Der deutsche Pädagoge Kurt Hahn und der britische Luftmarshall Sir Lawrence Darvall schufen 1956 das Konzept der internationalen Schulen von UWC, das seinerzeit von der Londoner Times als das ,aufregendste Bildungsprojekt der Nachkriegszeit’ betitelt wurde.“26

2.1.1 Kurt Hahn In der Betrachtung der United World Colleges und ihrer Anfänge fokussiert sich der Blick auf Kurt Hahn. Gründer, Macher, Ideengeber – diese Bezeichnungen können den Fachpublikationen zusammenfassend entnommen werden. Als Schulgründer der Internate Salem und Gordonstoun machte er sich bereits vor der Gründung des Atlantic College St. Donat’s Castle, dem ersten United World College, einen Namen im Erziehungswesen und zog, beginnend in der Zeit der Reformpädagogik, seine Spur von Deutschland nach England27. Von Abbildung 1- Kurt hier aus verbreitete sich sein Einfluss weltweit und wirkt bis heute fort. Hahn. Foto: Kurt-Hahn- Archiv, Schule Schloss Salem

Mit v. HENTIG ist festzustellen:

„Die Geschichte der Pädagogik ist reich an pädagogischen Leistungen, deren große und menschenfreundliche Wirkung (…) in erster Linie aus der sie vollbringenden Person zu erklären ist. Das Werk Kurt Hahns gehört dazu. Es heißt: Salem, Gordonstoun, Kurz-Schulen, Atlantic College, Einrichtungen von festem Bestand, mit großem Namen, mit unverwechselbarem Profil.“28

Was zeichnet Hahn als Gründerpersönlichkeit aus, als die er sich in der Geschichte der Pädagogik hervortat29? Für BECKER war es eine beispiellose Mentalität:

24 D. Sutcliffe: „Oberstufen-Kollegs im Geiste Kurt Hahns”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 361. 25 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 89. 26 www.teachersnews.net/artikel/nachrichten/verschiedenes/000649.php (Datum des Zugriffs: 5.1.2007). 27 Auf die erwähnten Schulen soll nur hier nur kurz hingewiesen und in Kap. 2.2.3 näher eingegangen werden, haben die dort von Hahn praktizierten Erziehungsmethoden sowie seine pädagogischen Grundsätze im Zusammenhang mit den UWC doch eine fundamentale Bedeutung. Gemeinhin als „Vater der Erlebnispädagogik“ ist Hahn, der die Outward Bound Bewegung (s. Kap. 2.2.3.3) initiierte, wohl bekannter. 28 H. v. Hentig: „Kurt Hahn und die Pädagogik“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 41. 29 „Kurt Hahn ist in Bezug auf sein Werk in einer Reihe mit den anderen großen Innovatoren im Erziehungswesen zu sehen. Er leistete Großes (…). Sein Vermächtnis lag in den Schulen und in Programmen, die in der Folge zu Einrichtungen wie dem Outward Bound, den Duke of Edinburgh Awards und den United World Colleges führten.“ H. von Nostitz: „Hahn’s Erziehung zum Gentleme[a!]n“. In Mitteilungen der Altsalemer Vereinigungen 2001. www.round-square.de. Unterverzeichnis: Kurt Hahn (Datum des Zugriffs: 29.10.2006). 2.1 Die geistigen Mentoren 22

„Die Phantasie, (…) die Intensität des Engagements, der Ernst und der Witz, den Hahn für jeden Einzelfall und für jede von ihm entwickelte Institution (…) aufbringt, scheint mir in der Geschichte der Pädagogik ohne Beispiel.“30

Hahn wird beschrieben als „Macher“31, als „Schulmacher aus Leidenschaft“32. Verband Kurt Hahn seine Tatkraft mit seinem ihm vielseits attestierten Charisma33, so waren dies beste Voraussetzungen, Förderer für seine Ideen zu gewinnen. SUTCLIFFE bescheinigt ihm zudem „Geschick, Propaganda für seine eigenen Ideen zu machen“34. Selbst im hohen Alter überzeugte Hahn durch sein großes Engagement, so dass in der „Berliner Morgenpost“ eineinhalb Jahre vor der Eröffnung des Atlantic College St. Donat’s Castle zu lesen war:

„Im altehrwürdigen Londoner ,Browns Hotel’ erzählte Dr. Hahn gestern von seinem Leben und seinen Projekten. Der hochgewachsene, silberhaarige Vierundsiebziger zeigt das Feuer und die Lebendigkeit eines Dreißigjährigen, sobald er über seine neuesten Pläne spricht: die Gründung eines ,Atlantischen Kollegs’.“35

Auch SKIDELSKY beschreibt, wie Hahn sich daranmachte, „mit Enthusiasmus und Energie Förderer für dieses Projekt [Aufbau von sechs internationalen Oberstufen-Internaten/Atlantic Colleges; Anm. d. Verf.] zu gewinnen. Er trat an Industrielle, Politiker und Akademiker heran.“36

Ein Blick auf die Homepages der heute bestehenden 13 United World Colleges zeigt jedoch, dass diese Kurt Hahn nicht unisono explizit als Gründer des ersten Colleges, dem Atlantic College (AC) St. Donat’s Castle, ausweisen. Hier bestehen Unterschiede: So wird Hahn auf der Homepage des AC die Gründung zugeschrieben37, auf der des UWC Costa Rica wird er als „Co Founder of the first UWC“38 bezeichnet. Mehrheitlich wird auf den Internetseiten der Colleges Hahn jedoch als diejenige Person genannt, von der die Gründung ausging39, beziehungsweise auf deren Idee sie fußte40.

30 H. Becker: „Kurt Hahn zwischen Kindern und Erwachsenen“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 101. 31 „Ein Macher war er, eine ,energetisch impulsive Figur, die sich ständig entladen musste’. So beschreibt Bernhard Bueb, Leiter des Internats Salem, den Schulgründer Kurt Hahn.“ J. Wilhelmi: „Der Prinzenerzieher“. In: Erziehung und Wissenschaft. 46. Nr. 10 (1994), S. 20. 32 J. Wilhelmi: „Der Prinzenerzieher“. In: Erziehung und Wissenschaft. 46. Nr. 10 (1994), S. 20. 33 U.a.: W. Michl: „Verwilderungswünsche, Abenteuerlust und Grenzerfahrungen“. In: erleben & lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 11. 34 D. Sutcliffe: „Oberstufen-Kollegs im Geiste Kurt Hahns“. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 361. 35 HT [Korrespondenten-Kürzel]: „Die Schule als Lebensretter“. In: Berliner Morgenpost, Nr. 73 vom 26.3.1961. 36 R. Skidelsky: Schulen von gestern für morgen. Reinbek 1975, S. 174. 37 „(…) Atlantic College was founded by educationist Kurt Hahn (…).“ In: 2006 Atlantic College: „Enriched lives, worlds of possibility“. www.atlanticcollge.org/Page.aspx?pid=212 (Datum des Zugriffs: 28.10.2009). 38 United World College Costa Rica (2006): „Celebrities Phrases”. Unterverzeichnis: Home. www.uwccr.com/home.php (Datum des Zugriffs: 21.11.2006). 39 „The UWC Movement arose out of the work of Kurt Hahn (…).“ In: „United World College of South East Asia. College Guide 2006-2007”. Brief overview of UWCSEA and the UWC Movement, S. 3. www.uwcsea.edu.sg/brochure/guidecollege.pdf (Datum des Zugriffs: 5.11.2006). 40 „Kurt Hahn’s idea was materialised in 1962 in the foundation of Atlantic College in Wales.” In: Simón Bolívar United World College of Agriculture: „United World Colleges Movement”. www.sbuwc.uwc.org/UWCMovement.htm (Datum des Zugriffs: 5.12.2006). „United World Colleges originated in the late 1950s in the ideas of the German educationalist, Kurt Hahn (…).“ In: Li Po Chun United World College of Hong Kong: „About LPC”. www.lpcuwc.uwc.org/en/about/about_history.php (Datum des Zugriffs: 16.11.2006). „The first College, Atlantic College, in Wales was founded in 1962 inspired by the ideas of the distinguished German-born educator Kurt Hahn (…).” In: 1995-2004 Red Cross Nordic UWC: „Introduction”. www.rcnuwc.uwc.org/college/index.asp (Datum des Zugriffs: 17.11.2006). „United World Colleges had its origins in the late 1950s in the ideas of the renowned German educationalist Kurt Hahn (…).” In: United World Colleges: „UWC – A History”. www.uwc.org/about_us/history1 (Datum des Zugriffs: 24.3.2008). 2.1 Die geistigen Mentoren 23

Insgesamt kann unter Verweis auf die einschlägige Literatur Kurt Hahn als Gründer41 – beziehungsweise als Mitbegründer42 (i. S. von Beteiligter am Zustandekommen) – des ersten Colleges angesehen werden, der die Schulidee43 hatte, zur Gründung inspirierte, und somit als spiritus rector gilt. So schreibt BRERETON: „Kurt Hahn was in some sense the founder – the spiritual founder at least – (…) of the Atlantic Colleges (…).”44 SUTCLIFFE konkretisiert: „Very many others [Schools; Anm. d. Verf.] were however founded not but [by!; Anm. d. Verf.] him but under his influence and inspiration. These include the United World Colleges at the outset (Atlantic College in 1962).”45

Hingewiesen sei an dieser Stelle auf eine Tafel zur Erinnerung an Kurt Hahn, die im St. Donat’s Castle hängt. Diese Tafel wurde am 12. April 1978 vom Prinzen von Wales (Prince Charles) bei einer Feierstunde enthüllt, während dieser seinem Großonkel Lord Louis Mountbatten im Amt des Präsidenten des Internationalen Rates der United World Colleges nachfolgte. Die Tafel ist Kurt Hahn gewidmet, dessen „‘energy and vision’, as the plaque records, ‘were decisive in founding … Atlantic College, 1962’“ (Bildunterschrift zum ersten Foto in der von R. Denning herausgegebenen Publikation The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College). So werden die entscheidende Vision, im Sinne von Idee, und Energie, also Tatkraft, die zur Gründung des ersten Colleges führten, eindeutig Kurt Hahn zugeschrieben. Er nimmt damit eine herausragende Stellung ein. Und schließlich ist in der biographischen Anmerkung zu SUTCLIFFEs Aufsatz „The First Twenty Years of the United World Colleges” von Kurt Hahn als der „most important figure in the history of the United World Colleges movement“46 die Rede.

2.1.2 Lawrence Darvall Neben der in der Literatur dominant-präsenten Persönlichkeit Kurt Hahn gilt es, auch Sir Lawrence Darvall als Gründerpersönlichkeit zu beleuchten. Nach zugrunde liegender Literatur ist zu konstatieren, dass über den britischen Luftmarschall Darvall die Quellenlage um ein Vielfaches geringer ist, obwohl doch gerade er die entscheidende Idee zur Gründung des ersten UWC hatte. Nur in Verbindung mit der Gründung des Atlantic College St. Donat’s Castle ist er aufzuspüren, trat er doch auf der pädagogischen Bühne – im Gegensatz zu Hahn – bis dahin nicht in Erscheinung. Lediglich Darvalls Erfahrungen als Kommandant des NATO Defence College in Paris, über die Hahn in einer 1957 gehaltenen Rede berichtete und die ihn tief beeindruckt hatten (s. Kap 2.1), sind im pädagogischen Zusammenhang zu nennen. In dieser Rede berichtete Hahn von Darvalls zweijährigen

41 Vgl. S. Summers. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 28. Vgl. D. Sutcliffe: „The United World Colleges”. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 25. Vgl. A. Pielorz: „Atlantic College”. In: erleben & lernen. 1. Nr. 1 (1993), S. 16. Vgl. T. Fischer: „Die Schulen Kurt Hahns“. In: M. Kallbach/J. Wichmann (Hg.): Kindgemäß lernen. Alternative Schulmodelle. Berlin 1991, S. 30. 42 Vgl. J. Ziegenspeck: Lernen für’s Leben – Lernen mit Herz und Hand. Lüneburg 1986, S. 10. Vgl. C. Bomsdorf: „Schulfach Seenotrettung“. In: DIE ZEIT. 19.8.2004, Nr. 35. www.zeit.de/2004/35/C-UnitedWorldColleges (Datum des Zugriffs: 5.1.2007). Vgl. K. Richter: „Stille, Selbstüberwindung und Dienst an der Gemeinschaft”. In: Die Höhere Schule. 42. Nr. 4 (1989), S. 114. 43 „The foundation of the United World Colleges was a direct extension and fulfilment of his [Hahns; Anm. d. Verf.] vision.“ L. Fleming in: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 17. 44 H. Brereton. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Byatt. Gordonstoun School 1976, S. 22. 45 D. Sutcliffe im Interview am 13.6.2003. In: S. Roscher: Erziehung durch Erlebnisse. Augsburg 2005, S. 101. 46 R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 118. 2.1 Die geistigen Mentoren 24

Erfahrungen, die er mit Stabsoffizieren und Diplomaten aus unterschiedlichen Ländern gemacht hatte47. Diese Erfahrungen48 führten zur Idee, zum Plan des Atlantic College – und genau darin ist auch der Hauptbeitrag Darvalls auf dem Weg zur Eröffnung des ersten Colleges zu sehen. In einer programmatischen Rede im Jahr 1957 untermauert HAHN diese These. Darin spricht er über den Plan zur Gründung von Atlantischen Schulen, der „im Jahre 1955 in Paris geboren wurde und der auf die Erfahrungen des Air Marshall Sir Lawrence Darvall zurückgeht. Er war damals Kommandant des Nato Defence College.“49

Während FLAVIN beim Blick auf die United World Colleges, „Hahn’s last project“50, den Namen Darvall gar nicht erwähnt und lediglich davon spricht, dass das Projekt „from Hahn’s friendship with a commandant of the NATO staff college“51 geboren sei, erklärt HOARE, der erste Schulleiter des Ursprungscolleges: „Die Idee des Atlantic College stammt aus dem Nato Defence College in Paris und zwar von Sir Lawrance Darvall (…).“52 Darvall war der Ansicht, dass sich die Erfahrungen, die er in der Ausbildung mit Erwachsenen gemacht hatte, erst recht in den letzten zwei Schuljahren anwenden ließen. HOARE erklärt, dieser Gedanke wurde „von Kurt Hahn aufgegriffen, der ihn einige Jahre lang mit seiner üblichen Begeisterung und Tatkraft mit Freunden und Kollegen besprach.“53 Diese Aussage findet sich im Nachruf auf den Tod Darvalls im Halbjahresreport des Atlantic College im Jahr 1969 wieder:

„His [Darvalls; Anm. d. Verf.] decisive contribution to this College was quite simple. He thought up the idea, which was subsequently developed by Dr. Kurt Hahn and many others. (…) Sir Lawrance has had little hand in the working out of this project; nevertheless we can hardly owe a greater debt of gratitude to anyone more than to the one who first conceived it.”54

Ende 1956 war Air Marshal Sir Lawrence Darvall von seinem Posten als Kommandant des NATO Defence College in Paris zurückgetreten und engagierte sich von da an, das Schulprojekt in Gang zu setzen55. PETERSON berichtet von einer Personengruppe aus den Bereichen Industrie, Bankgewerbe, Politik und Erziehung, die Hahn und Darvall in den späten 1950er-Jahren um sich versammelte und die entschlossen gewesen sei, Hahns Vision in die Realität umzusetzen:

47 D. A. Byatt konkretisiert hierzu in der Einführung zum Buchbeitrag „The Atlantic College – St Donat’s Castle” von Desmond Hoare: „As an Air Marshal in the Royal Air Force, Sir Lawrence Darvall had been Commandant of the NATO Staff Training College, where he had experienced, at first hand, the benefits of training people of many nationalities together.“ In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 57. 48 Die Erfahrungen, die Darvall in der Ausübung seines Amtes machte und die schließlich zu einem bis dato neuen Schulkonzept führten, werden ausführlich in Kap. 2.2.2.3 dargestellt. 49 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 87. 50 M. Flavin: Kurt Hahn’s Schools & Legacy. Wilmington 1996, S. 42. 51 M. Flavin: Kurt Hahn’s Schools & Legacy. Wilmington 1996, S. 43. 52 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 235. 53 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 235. 54 United World Colleges – world college of the atlantic. Half yearly progress report, Nr. 11 (Jan. 1969). „Sir Lawrance Darvall“. 55 L. DARVALL berichtet: „(…) Dr. Kurt Hahn, the famous educationalist, and I, and many other friends, are going to launch the project with every hope of substantial support, both practical and moral.” L. Darvall: „Education as a basis for international co-operation”. Zeitungsaufsatz, ohne nähere Angabe. Kopie, Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 25

„Hahn had influential friends in England, and in the late fifties he and Darvall began to gather around them a group of people, drawn from industry, banking, politics, and education, who were determined to translate Hahn’s vision into reality.“56

Darvalls Kontakte kamen diesem Förderkomitee sehr zugute, denn er stellte den Kontakt zu weiteren Ländern des westlichen Staatenbündnisses her: „This promotion committee, whose members were mainly British,3 had close contacts in Germany and Scandinavia, and through Darvall, with the other countries of the Western alliance.“57 Darvall war später Vorsitzender des ,Council of the Atlantic College’.

Bei Durchsicht der UWC-Homepages fällt auf, dass Darvall hier keinerlei Berücksichtigung findet. Lediglich auf der Homepage des Lester B. Person College of the Pacific/Kanada taucht sein Name auf: „The UWC movement was founded in the United Kingdom in the 1960’s by a group of individuals including Dr. Kurt Hahn, Admiral Desmond Hoare, Antonin Besse and Air Marshall Sir Lawrence Darvall.”58 Die Personen werden als Gründer bezeichnet, ihr jeweiliger Beitrag wird allerdings nicht näher erläutert.

Der Name Darvalls wird ansonsten nur noch auf der Homepage der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. erwähnt:

„So entwarf er [Hahn; Anm. d. Verf.] Ende der 50er Jahre, konfrontiert mit dem Kalten Krieg zwischen Ost und West, gemeinsam mit dem englischen Luftmarschall Lawrence Darvall und dem englischen Admiral Desmond Hoare ein einzigartiges Schulkonzept namens United World Colleges (UWC).“59

2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept Die Hintergründe des Engagements für das neue Schulkonzept der zunächst als Atlantic Colleges bezeichneten Schulen werden nach drei Aspekten beleuchtet: dem gesellschaftlich-politischen, dem persönlichen sowie dem pädagogischen.

2.2.1 Gesellschaftlich-politische Gründe: Einordnung in den historischen Kontext Das Schulkonzept des Atlantic College muss betrachtet werden vor dem Hintergrund seiner Zeit. Die Einordnung dieses bis dato neuen Konzeptes in den historischen Kontext ist von entscheidender Bedeutung, war es doch eine Reaktion auf die damalige weltweite politische Situation. In den sieben Jahren von der Idee der internationalen Oberstufen-Internate mit dem übergeordneten Ziel der Völkerverständigung bis hin zur Eröffnung der ersten Schule am 3. Oktober 1962 war keine Wende auf weltpolitischer Bühne eingetreten. Der Ost-West-Konflikt dauerte unverändert an, und mit der Kuba-Krise erlebte man sogar gerade einen Moment, in dem der „kalte“ in einen „heißen“ Krieg umzuschlagen drohte.

56 A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 3. 57 A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 3. 58 2005 Pearson College: „History of Pearson College“. www.pearsoncollege.ca/history.htm (Datum des Zugriffs: 6.11.2006). 59 2008 UWC: „Die Entstehung“. www.uwc.de/ueber_entstehung (Datum des Zugriffs: 20.1.2008). 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 26

„Das United World College (UWC) ist ein Produkt des Kalten Krieges. Als Ende der fünfziger Jahre Ost und West immer mehr aufrüsteten, entwarf der deutsche Pädagoge Kurt Hahn das Schulkonzept. Es sollte die Absolventen befähigen, sich in ihrem Leben aktiv für eine friedlichere und gerechtere Welt einzusetzen.“ heißt es in einem Artikel der Deutschen Presse Agentur (dpa)60.

Auf der Internetseite der UWC-IB Initiative in Bosnia and Herzegovina (die Initiative will den Friedensprozess durch Umsetzung einer „post-conflict education“ in der Region unterstützen) wird auf den politischen Hintergrund zur Zeit der Gründung des ersten UWC hingewiesen: „The first UWC was set up in 1962, as a response to the tensions of the Cold War.“61

JENKINS, ehemaliger Schulleiter des UWC of the Atlantic, bezieht in seiner Rückschau nicht nur die weltweite Spaltung durch politische, sondern auch durch rassische und wirtschaftliche Teilung mit ein: „Atlantic College was established in 1962 as a clear response to a world riven by political, racial and economic division.“62 SUTCLIFFE bezieht in seinen Rückblick auf die Eröffnung des Atlantic College im Jahre 1962 die konkreten politischen Geschehnisse mit ein, die damit zugleich das Konzept der neuen Schule rechtfertigen respektive den Bedarf einer solchen betonen: „Das im Jahre 1962 gegründete Atlantic College (…) war ein Kind seiner Zeit. Die Kuba-Krise, einige Wochen nach seiner Eröffnung, diente dazu, die Aktualität dieser Gründung zu unterstreichen.“63

Ebenso weisen Pielorz64 und Fischer mit Blick auf die Kuba-Krise auf die besondere Bedeutung des Zeitpunkts der Gründung einer Schule hin, die sich der internationalen Erziehung verschrieben hat. FISCHER greift zudem noch die „Ende der fünfziger Jahre einsetzenden Formen internationaler Kooperation auf wirtschaftlichem Gebiet“ auf, die das Verlangen unterstreichen würden, „länderübergreifende Verständigung und Kommunikation bereits in den Bereich derartiger Erziehungsfelder zu verlegen.“65 Darüber hinaus weist er auf die „Kooperationsprozesse der führenden westlichen Industrienationen in der 1949 gegründeten NATO“66 hin. Und weiter berichtet FISCHER: „Die Mitte der sechziger Jahre verstärkt angestrebte internationale Kooperation westlicher Industriestaaten auf allen wichtigen Bereichen erforderte den dafür notwendigen personellen Überbau. Diese Lücke schlossen zu einem nicht unbedeutenden Anteil die UWC.“67 HOARE, der erste Schulleiter des

60 dpa/gms (21.12.2006): „Das United World College: Lernen in einer globalen Welt.“ http://magazine.web.de/de/themen/beruf/bildung/schule/ 3383488.html (Datum des Zugriffs: 23.1.2008). 61 2006-7, Initiative in Bosnia and Herzegovina: „Background United World Colleges (UWC)”. www.uwc-ibo.org/en/background (Datum des Zugriffs: 2.1.2007). 62 C. Jenkins, Schulleiter des UWC of the Atlantic, in einem Schreiben an die Verfasserin am 9.8.1996. 63 D. Sutcliffe: „Oberstufen-Kollegs im Geiste Kurt Hahns“. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 362. 64 „Der Zeitpunkt der Gründung eines College für Internationale Erziehung erhielt in der Zeit der Kuba-Krise und des Kalten Krieges besondere Bedeutung.“ A. Pielorz: „Atlantic College“. In: erleben & lernen. 1. Nr. 1 (1993), S. 16. 65 T. Fischer: Die United-World-Colleges. (= Kleine Schriften zur Erlebnispädagogik, hg. v. J. Ziegenspeck, Heft 11). Lüneburg 1991, S. 11. 66 T. Fischer: Schule als sozialer Körper – Schule ein sozialer Erfahrungsraum. (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 8). Lüneburg 1992, S. 54. 67 T. Fischer: „Die Schulen Kurt Hahns“. In: M. Kallbach/J. Wichmann (Hg.): Kindgemäß lernen. Alternative Schulmodelle. Berlin 1991, S. 30. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 27

Atlantic College, erkennt auch „starke Kräfte“68, die die Länder der ganzen Welt zusammenzögen, auch wenn diese noch voneinander getrennt seien. Zum ersten Mal in der Geschichte böte sich die Gelegenheit, die Energien der Nationen für Friedenszwecke zu vereinen, und er fordert: „Die Pädagogik muß sich an dieser großen schöpferischen Bewegung beteiligen.“69

An dieser Stelle muss noch einmal auf die Zeit vor der ersten UWC-Gründung zurückgeblickt werden, wobei es gilt, die Betrachtungsweise der damaligen Lage aus der Sicht Kurt Hahns darzulegen, beginnend in der Mitte der 1950er-Jahre. Als zeit seines Lebens politisch denkender und agierender Mensch musste sich Hahn in politische Diskussionen zur jeweils aktuellen Lage einbringen. Der Kalte Krieg zwischen dem westlichen und östlichen Machtblock beschäftigte auch ihn und beeinflusste sein Handeln. FRIESE verweist auf Leserbriefe, die Hahn beispielsweise am 7.4.1954 an die „Times“ und am 23.2.1956 an den „News Chronicle“ schickte, in denen Hahn „ein internationales Abkommen zur Verhinderung des Einsatzes von Atom- und vergleichbaren Waffen“ forderte beziehungsweise dazu aufrief, „alle Nuklear-Waffen abzuschaffen und die Wasserstoffbomben-Tests einzustellen“70. FRIESE konstatiert, dass Hahn im Jahr 1955 „eine Abkehr der NATO von der Strategie der Kriegsverhinderung durch nukleare Bedrohung (empfahl), (…) sowie eine politische und moralische Offensive gegenüber dem Ostblock“71. In diesem Jahr traf Hahn bei dem bereits erwähnten Vortrag in Paris Lawrence Darvall zum ersten Mal. HÖPFL berichtet:

„Der Luftmarschall hatte ihm nach dem Vortrag gesagt: ,Die Solidarität des Westens darf nicht auf der Furcht allein aufgebaut werden. Eine solche Basis wäre zu unzuverlässig. (…) Die freien Nationen sollten ihr gemeinsames geistiges Band, die tätige Menschlichkeit, entdecken und festigen. (…)’ (…) Der Soldat und der Erzieher haben die Möglichkeit einer Verwirklichung dieser Gedanken (…) mit interessierten Menschen vieler Nationen und Professionen erörtert.“72

Im Jahr 1957 hielt Hahn in Brügge eine programmatische Rede, in der er den Plan für die Atlantischen Schulen vorstellte. Darin bezieht er sich auch auf die politischen Geschehnisse und beschreibt – aus seiner Sicht – die Verfassung der Jugend, sowohl der westlichen als auch der östlichen Welt:

„Die westliche Jugend hat im Oktober 1956 den Ruf des Schicksals gehört. Ich spreche von der Erhebung Ungarns: Sie ist in Blut ertränkt worden, aber im Kampf der Geister hat sie den Sieg errungen. Im Oktober 1956 vernahm man einen wunderbaren Ton, »den Ton zerbrechender Fesseln«. (…) Wir dürfen gewiß nie müde werden, den Verteidigungscharakter unserer militärischen Alliance zu verkünden, aber in der psychologischen Kriegsführung sollten wir die Angreifer sein. Unsere Jugend hat es in sich, die Avantgarde unserer Offensive zu bilden. Seit Oktober 1956 wissen es die Herren der versklavten Welt, daß sie den Kampf

68 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 237. 69 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 237. 70 P. Friese: Kurt Hahn – Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen. Bremerhaven 2000, S. 226 und S. 235. 71 P. Friese: Kurt Hahn – Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen. Bremerhaven 2000, S. 232. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 28

um die Seele der Jugend verloren haben. (…) Heute sieht eine betrogene Jugend in Rußland und in den Satelliten-Ländern nach dem Westen, voll Sehnsucht und Mißtrauen zugleich und stellt die beschämende Frage: »Ist es Euch Ernst um die Ideale, die Ihr verkündet?« Wer sollte die Antwort geben? Ich sage: Freie, junge Männer und Frauen, die bereit sind, es dem guten Samariter gleich zu tun. Wir glauben, daß es möglich ist, eine Minorität der atlantischen Jugend für die Aufgabe zu begeistern, ein Beispiel zu geben, das überzeugt und verpflichtet.“73

1962, fünf Jahre später, erklärt Hahn in einer Festrede in Hamburg anlässlich der Verleihung des Freiherr vom Stein-Preises, dass die Eröffnung des ersten Atlantic College zur rechten Zeit erfolgt sei, und er schließt mit einem Mahnwort Winston Churchills, das er gern in den Mauern von St. Donat’s Castle, dem Gebäude des Atlantic College in Wales, gemeißelt sehen würde: „»Wird aus den Feuern des Krieges die Versöhnung der verfeindeten Völker erstehen? Werden sie sich zusammenfinden, eine jede Nation in Sicherheit und Freiheit, getreu ihrer Sendung, auf daß die Herrlichkeit Europas erneuert werde?«“74

Hahns Ziel war es also, mit den neu zu gründenden Atlantic Colleges auf die bestehenden politischen Verhältnisse zu reagieren. Auch DARVALL sieht angesichts der Bedrohung durch die Nuklearwaffen mehr denn je die Notwendigkeit, Wege eines friedlichen Zusammenlebens zu finden:

„Our world today is challenged more then ever before by the need of human beings to find a way to live in peace. The shadow of thermo-nuclear power hovers over all of us; our countries are divided by geography, history, language and ideology which force us to live in an atmosphere of prejudice and misunderstanding. Pressure of material advance has reduced our moral values.”75

Hahn und Darvall sahen das Atlantic College schließlich als Möglichkeit, anderen politischen Systemen als Vorbild und auch als Aufforderung zu dienen. SUTCLIFFE erklärt hierzu:

„Both Kurt Hahn and Lawrance Darvall saw the college as a demonstration of the values of the Atlantic community and therefore as a challenge to other political systems. (…) the sense of threat from the cold war was very serious, and (…) the need for a cultural and human effort to complement the military alliance was urgent (…).“76

Für SUTCLIFFE war es denn auch kein Zufall, dass sich für ein Erziehungsprojekt, das Internationalismus und Frieden verbindet, Männer aus dem militärischen Bereich als Verbündete fanden:

72 H. Höpfl: „Das erste Atlantic College“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 164 vom 18. Juli 1964. 73 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 282. 74 K. Hahn (1962): „Erziehung und die Krise der Demokratie.“ In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 308. 75 L. Darvall, Rede als Ratsvorsitzender des Atlantic College, am 12.11.1962. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 3. 76 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 89. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 29

„It can perhaps be said that UWC planners knew how to catch the tide. (…) Men of influence in that decade (…) had generally fought in the war themselves. (…) It cannot have been chance that Hahn found his most enthusiastic allies among military men – Darvall, Hoare, Mountbatten, and their counterparts in other countries.“77

PETERSON wählt eine Formulierung, die anschaulich die Rolle der NATO am Zustandekommen der UWC- Bewegung verdeutlicht, eine Bewegung, „conceived in the womb of NATO“78 (erdacht im Mutterleib der NATO).

Es bleibt festzuhalten, dass die Gründung der Schulen primär aus der Furcht vor einem Dritten Weltkrieg stattfand. Die Schulen sollten auf dem Gebiet der Erziehung als ein Vorbild für internationale Völkerverständigung einen Beitrag leisten, um dem beständigen Frieden eine Basis zu schaffen. Die atlantische Jugend sollte ein Beispiel in Samaritertum, im Dienst am Mitmenschen, geben.

2.2.2 Persönliche Gründe In diesem Kapitel wird die Person Kurt Hahn näher betrachtet, da das Schulkonzept für die Atlantic Colleges nicht nur im historischen Kontext gesehen werden muss, sondern weil sich in ihm – wie in anderen Konzepten auch – die Lebenserfahrungen des-/derjenigen widerspiegeln, der/die es entwickelt hat/haben. Es findet eine Fokussierung auf Kurt Hahn statt, da er als Vater der pädagogischen Leitlinien für die UWC angesehen werden kann. Zudem erschöpft sich mit Kapitel 2.1.2 der Informationsstand über Lebenslauf und Erfahrung von Lawrence Darvall.

2.2.2.1 Der Lebenslauf Kurt Hahns In diesem Unterkapitel werden die Stationen im Leben Hahns kurz skizziert, die hier in Blick auf die United World Colleges von Bedeutung erscheinen. So trat Hahn zwar bis 1920 auf politischem Gebiet in Erscheinung; eine ausführliche Darstellung jener Tätigkeiten würde an dieser Stelle jedoch zu weit führen79, sie werden lediglich tangiert. Stattdessen werden vornehmlich die Wegmarken aus dem pädagogischen Bereich aufgeführt. Eine tabellarische Auflistung der Lebensdaten Kurt Hahns ist dem Anhang A zu entnehmen.

Kurt Hahn, am 5. Juni 1886 in Berlin geboren, wuchs in einem weltoffenen Elternhaus auf, das ihn somit von Beginn an zum Blick über die nationalen Grenzen hinaus anregte. Dieses Zuhause, so erinnert LANDAU- WEGNER, „war offen für eine weite Weltsicht. (…) Wie die geistige Luft des damaligen Berlin vor dem ersten Weltkrieg war die Atmosphäre des Elternhauses deutsch und kosmopolitisch zugleich.“80 Auch die tiefe

77 D. Sutcliffe: „The United World Colleges“. In: P. Jonietz. (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 33 f. 78 „It may seem strange that a movement which seeks to transcend all political and racial boundaries, which has over the years spent a lot of its limited time and money on trying to attract and finance students from the socialist bloc of Eastern Europe to mix with their peers in the West, should have been conceived in the womb of NATO.“ A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 3. 79 Weiterführende Literatur zur politischen Tätigkeit Hahns sowie politische Schriften können u.a. folgenden Quellen entnommen werden: G. Mann: „Kurt Hahn als Politiker“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 9-40. M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998. 80 L. Landau-Wegner: „Familie und Tradition“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 106. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 30

Beziehung zu England, die Kurt Hahn in seinem Leben entwickelte, rührte bereits von der Familie, genauer von den Geschäftsbeziehungen seines Vaters, her. LANDAU-WEGNER:

„(…) Oskar Hahn, Kurts Vater, war (…) Großkaufmann, Weltmann. Seine Tätigkeit führte ihn häufig auf lange Reisen in das Ausland, in das zaristische Rußland und nach England, wo er für Land und Leute eine besondere Neigung faßte. Diese Liebe zu England hat ihn wohl beeinflußt, seinen Sohn Kurt zum Studium auf ein College in Oxford zu schicken; (…).“81

So kam es, dass Kurt Hahn später nicht nur in Deutschland (Berlin, Heidelberg, Freiburg, Göttingen) studierte, sondern auch in England (Oxford).

Kurz bevor der Erste Weltkrieg am 28. Juli 1914 ausbrach,

„kehrte Hahn mit profunden England-Kenntnissen nach Berlin zurück. Achtundzwanzigjährig, in der militärischen Hierarchie nichts als ein ,Landsturm’-Mann, wegen schwacher Gesundheit freigestellt für vaterländisch-zivile Zwecke, geriet er in die ,Zentralstelle für Auslandsdienst’, eine Kriegsimprovisation, dem Auswärtigen Amt beigeordnet. Ihre Mitglieder hatten die feindliche Presse zu studieren, über die Stimmungen auf der anderen Seite Referate zu verfassen; eine Aufgabe, die Hahn für England mit Glanz bewältigte“, so berichtet MANN82.

In diesem Amt habe Hahn laut KNOLL „eine Wirksamkeit entfaltet, die weit über seine Position als Englandexperte für das Auswärtige Amt und später als politischer Referent für die Oberste Heeresleitung hinausreicht: (…).“83 So nahm die politische Karriere Hahns ihren Lauf. Hierbei knüpfte er Kontakte zu Entscheidern auf oberster Ebene und entwickelte damit auch seinen Blick für internationale Verknüpfungen durch politische Agitation. Im Jahr 1918 wurde er Privatsekretär84 des Prinzen Maximilian von Baden, dem letzten Kanzler des deutschen Kaiserreichs. SKIDELSKY berichtet von Hahns Position, die er sich innerhalb von vier Jahren erarbeitete, folgendermaßen: „Hahn selbst spielte in der deutschen Politik während des Ersten Weltkriegs eine wichtige Rolle als Berater, Inspirator und Bestärker einer Personengruppe, die für einen «Verständigungsfrieden» eintrat.“85 (Diese Position sollte ihm bei seinen späteren pädagogischen Vorhaben nach seiner Emigration nach England noch von Nutzen sein.)

Kurt Hahn verließ nach dem Ersten Weltkrieg die politische Bühne und wandte sich der Pädagogik zu. Er siedelte im Juli 1919 zu Prinz Max von Baden nach Salem über, wo er sich an die Arbeit für dessen Memoiren machte.

81 L. Landau-Wegner: „Familie und Tradition“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 103. 82 G. Mann: „Erinnerungen an Kurt Hahn“. In: J. Ziegenspeck (Hg.): Kurt Hahn. Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen. (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Band 2). Lüneburg 1987, S. 25. 83 M. Knoll: „Kurt Hahn – ein politischer Pädagoge.“ In: J. Ziegenspeck (Hg.): Kurt Hahn. Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen. (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Band 2). Lüneburg 1987, S. 12. 84 Knoll erklärt, dass Hahn für Prinz Max von Baden „dessen engster politischer Vertrauter“ wurde. M. Knoll: „Einführung“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 8. 85 R. Skidelsky: Schulen von gestern für morgen. Reinbek bei Hamburg 1975, S. 154. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 31

Am 14. Juli 1920 wurde die Schule Schloss Salem86 gegründet, deren Leiter Hahn bis 1933 war. Wie es dazu kam, dass die Politiker das Feld der Pädagogik betraten, erklärt HOGAN folgendermaßen:

„(…) at the end of the First World War as secretary to Prince Max of Baden he [Hahn; Anm. d. Verf.] became involved in the affairs of a country faced with the consequences of defeat. Price Max’s interests turned to education as a means of assuring the moral rehabilitation of his nation; as a consequence Hahn found himself (…) acting as Headmaster of a school at Salem on Lake Constance.”87

EWALD erinnert sich, dass Hahn in Prinz Max einen überzeugten Förderer seiner Meinung entdeckt habe, „daß der Staat von morgen nur gedeihen werde, wenn die kommende Generation bereit sei, ihre Verantwortung als Staatsbürger ernster zu nehmen als die vorangegangene“88. Hahn selbst schreibt in einem Brief aus dem Jahr 1921 über die Erkenntnis, „daß ohne eine moralische Gesundung der Sitten auch an eine politische Wiederaufrichtung nicht zu denken ist. (…) Ich glaube, wir müssen bei den Kindern anfangen (…).“89 Dies ist der Grund, warum Hahn später auch als politischer Pädagoge bezeichnet wird. Näheres zu den Hahn’schen Erziehungszielen ist Kapitel 2.2.3 ausführlich zu entnehmen. Hahns pädagogisches Prinzip der „Erziehung zur Verantwortung“ zog sich wie ein roter Faden von da an durch seine weiteren Schulgründungen und ist daher auch für die United World Colleges von tragender Bedeutung.

Das Jahr 1933 schließlich war nicht nur für Hahn schicksalhaft – es läutete auch in seiner Pädagogik eine beginnende Internationalität ein, die sich nicht zuletzt in der UWC-Bewegung niederschlug. Auslöser war die Emigration nach England; der Grund dafür war Hahns öffentliche Stellungnahme und Aufforderung gegen die nationalsozialistische Gewaltpolitik. Hahn hatte als Reaktion auf den Potempa-Mord90 am 9. September 1932 unter anderem ein Rundschreiben an die Altschüler im Salemer Bund geschickt. Darin heißt es: „Salem kann nicht neutral bleiben. Ich fordere die Mitglieder des Salemer Bundes auf, die in einer SA oder SS tätig sind, entweder ihr Treueverhältnis zu Hitler oder zu Salem zu lösen.“91 Das Telegramm blieb nicht ohne Folgen. Hahn wurde am 11. März 1933 (kurz zuvor, am 30. Januar 1933, war Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden) in Überlingen bei Salem unter Arrest, in so genannte Schutzhaft, genommen. STETSON erklärt den historischen Hintergrund: „In the mass arrests following the Reichstag fire in February 1933, he [Hahn; Anm. d. Verf.] was jailed.”92 Im Zuge der Reichtstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 wurden Zehntausende Regimekritiker

86 Siehe hierzu Näheres in Kap. 2.2.3.1. 87 J. M. Hogan: Impelled into experiences. London 1968, S. 10. 88 M. Ewald: „Der Aufbau und Ausbau Salems (1919-1933)“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 109. 89 K. Hahn (1921): „»…es ist wieder das Zeitalter der Burgen«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 108. 90 Knoll beschreibt die Geschehnisse folgendermaßen: „Am 10. August 1932 drangen fünf SA-Leute in Potempa, Schlesien, in die Wohnung eines kommunistischen Arbeiters ein und erschlugen ihn vor den Augen seiner Mutter. Einen Tag zuvor hatte eine Verordnung der Reichsregierung (…) für Terror und politische Gewalt die Todesstrafe festgelegt. Ein Sondergericht in Beuthen verurteilte die fünf SA-Leute am 22. August zum Tode. Hitler nannte Reichskanzler v. Papen öffentlich einen »Bluthund« und sandte den Mördern am 23. August ein Telegramm: »Meine Kameraden! Angesichts dieses ungeheuerlichen Bluturteils fühle ich mich Euch in unbegrenzter Treue verbunden. (…)« Die offene Identifikation auch anderer Nationalsozialisten mit der gemeinen Mordtat bewegte die Öffentlichkeit.“ In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 188. 91 K. Hahn (1932): „An die Mitglieder des Salemer Bundes“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 189. 92 C. P. Stetson: „An Essay on Kurt Hahn. Founder of Outward Bound (1941).” www.kurthahn.org/writings/stet.pdf (Datum des Zugriffs: 27. Oktober 2006), S. 4. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 32 und Oppositionelle verhaftet. FLAVIN erklärt, dass es sich um eine willkürliche ,Schutzhaft’ gehandelt habe: „(…) (arbitrary arrest in the name of ,protective custody’ had been authorized by decree on February 28th, the day after the Reichstag fire).“93 Dies wurde auch im Ausland registriert – STETSON spricht von „Schockwellen“, die Britannien erreichten94. Hahn fand jedoch dank seiner Verbindungen nach England Fürsprecher: Nach einer Intervention des britischen Premierministers Ramsay MacDonald am 16. März 1933 wurde er freigelassen, jedoch aus Baden verbannt. Von da an hielt sich Hahn zunächst vor allem in Berlin auf, bevor er im Juli Deutschland verließ und nach England emigrierte.

LAWSON berichtet über Hahns Verfassung: „It took him a long time to recover from the shock of his rejection by Germany (…). His arrival on the educational scene in Britain was very sudden (…). He quickliy made his mark (…).”95 STETSON beschreibt gar, dass Hahn in den ersten Monaten seines Exils zutiefst deprimiert gewesen sei96. Doch er fasste sich wieder, fand zu alter Tatkraft zurück und nach weniger als einem Jahr eröffnete Hahn mit Unterstützung von vielen Freunden, die er in England hatte, am 10. Mai 1934 offiziell mit 13 Jungen das Internat Gordonstoun.

Viereinhalb Jahre später, im Dezember des Jahres 1938, erhielt Kurt Hahn die englische Staatsbürgerschaft.

Hahn leitete Gordonstoun bis zu seiner Rückkehr nach Salem im Jahr 1953. In den knapp zwei Jahrzehnten, die der Pädagoge in England verbracht hatte, formte er die pädagogischen Leitlinien aus, die er im Ansatz schon in Salem entwickelt hatte. So entwickelte er hier sein erlebnispädagogisches Konzept (vgl. Kap. 2.2.3.3), das ihm später weltweite Aufmerksamkeit einbringen sollte. Und ein weiterer Eckpunkt der Hahn’schen Pädagogik wurde hier schnell deutlich: das Zusammenführen von Schülern aus unterschiedlichen Ländern. BRERETON verweist auf die Internationalität folgendermaßen:

„War das Meer ein Grund dafür, Gordonstoun als Heimat für Hahns britische Schule zu wählen, dann war der Runde Platz ein zweiter Grund. Er erschien Hahn als ein Symbol für den Kreis der hier vereinigten Nationen.“97

An anderer Stelle heißt es bei BRERETON:

„Der übernationale Charakter Gordonstouns, eine seiner wesentlichsten Eigenschaften, (…), wurde im gleichen Maße durch seine Menschen wie durch seine Prinzipien bewirkt.“98

93 M. Flavin: Kurt Hahn’s Schools & Legacy. Wilmington 1996, S. 83. 94 „The shock waves swiftly reached Britain where his [Hahn’s; Anm. d. Verf.] friends – some from his Oxford days, others gained as Salem’s fame had spread – took up his cause.” C. P. Stetson: „An Essay on Kurt Hahn. Founder of Outward Bound (1941).” www.kurthahn.org/writings/stet.pdf (Datum des Zugriffs: 27. Oktober 2006), S. 4. 95 I. Lawson im Interview am 8.10.2003. In: S. Roscher: Erziehung durch Erlebnisse. Augsburg 2005, S. 65. 96 C. P. Stetson: „An Essay on Kurt Hahn. Founder of Outward Bound (1941).” www.kurthahn.org/writings/stet.pdf (Datum des Zugriffs: 27. Oktober 2006), S. 4. 97 H. Brereton: „Die Gründung und die Entwicklung von Gordonstoun“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 195. 98 H. Brereton: „Die Gründung und die Entwicklung von Gordonstoun“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 190. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 33

Es gilt festzuhalten, dass die internationale Ausrichtung von Anfang an in der Hahnschen Pädagogik angelegt war; die erzwungene Emigration brachte diese in Gordonstoun erst richtig zum Vorschein. Sie wird schließlich im Atlantic College konsequenterweise curricular festgelegt. BECKER:

„Das Schicksal der Emigration hat etwas entfaltet, das von Anfang an in ihm angelegt war, und nicht zufällig ist seine letzte und vielleicht größte und persönlichste Gründung das Atlantic College, eine Schule internationalen Charakters, die sich insbesondere die Verwirklichung eines internationalen Lehrplans zum Ziel gesetzt hat. (…) so hat das zwiefache nationale Engagement den Horizont einer internationalen Erziehung entwickelt.“99

Den Lebensweg, den Kurt Hahn ging, und seine Erfahrungen flossen stets in seine Pädagogik mit ein.

2.2.2.2 Der Pädagoge Kurt Hahn Wie wird der Pädagoge Kurt Hahn in der Literatur beschrieben? Darauf wird in einer kurzen Exkursion der Fokus gerichtet. Bekannt ist Hahn vor allem als Vater der Erlebnispädagogik (vgl. Kap. 2.2.3.3). Als Pädagoge trat er zuerst 1920 mit der Gründung der Schule Schloss Salem in Erscheinung.100 Seine Konzepte, Anstöße und Erziehungsprojekte schlugen auch international Wellen, er muss daher auch als Pädagoge mit weltweiter Wirkkraft bezeichnet werden.

Hahn wird in der Literatur vor allem mit lobenden, sogar überschwänglichen Worten erwähnt. Man bescheinigt ihm Größe und Weisheit: „(…) the greatness of Kurt Hahn as a headmaster and pioneer in education (…)“101, „No man with his wisdom could have done more. No man with his wisdom should have done less.”102, „(…) one of the most remarkable educators of his time.”103. SKIDELSKY sieht Hahn als einen „der bedeutendsten Pioniere der fortschrittlichen Erziehung”104. Auch auf der Homepage der Round Square Vereinigung, einem weltweiten Zusammenschluss von Schulen auf der Basis Hahn’scher Theorien (vgl. Kap. 6.2.1), wird dieser als „one of the twentieth century’s foremost revolutionaries in education“105 hervorgehoben. Seine Erziehungsgrundsätze unterschieden sich vom etablierten Schulsystem insofern, dass sie ihren Schwerpunkt nicht auf die reine Wissensvermittlung, sondern auf die Charakterbildung der Schüler legten.

Mit 18 Jahren hatte Kurt Hahn in einem Brief den Wunsch geäußert, Lehrer werden zu wollen, und verband diesen Wunsch gleich mit der Kritik am bestehenden Schulwesen. Früh kam so der Reformer in ihm zum Vorschein. Hahn schreibt in einem Brief: „(…) will Lehrer werden, nicht Königl. Preußischer Unterrichter, aber Erzieher und Unterrichter zunächst vielleicht bei Lietz, dann auf eigene Faust. Ich (…) halte die Schulreform für

99 H. Becker: „Kurt Hahn zwischen Kindern und Erwachsenen“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 101. 100 Knoll bezeichnet Hahn als eine „der großen Gründergestalten der internationalen Reformpädagogik“. M. Knoll: „Einführung“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 10. Oder: „(…) einer der großen Gestalten der neuesten Erziehungsgeschichte“. In: M. Knoll: „…das Ziel ist die politische Mündigkeit“. In: Bildung und Erziehung. 39. Nr. 2 (1986), S. 217. 101 M. Coles, Personal Recollection. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School, 1976, S. 115. 102 A. Curlewis: „The Hahn prescription for ‚the lawless, the listless and the couldn’t-care-less fraternity’“. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School, 1976, S. 70. 103 A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 1. 104 R. Skidelsky: Schulen von gestern für morgen. Reinbeck 1975, S. 10. 105 Round Square 2005: „Who We Are“. www.roundsquare.org/whoweare.htm (Datum des Zugriffs: 20.1.2007). 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 34 die nötigste Reform im Lande: (…).“106 Negative Erfahrungen, die Hahn selbst als Schüler gemacht hatte, hatten sich in ihm festgesetzt. Er bezeichnete die Schule gar als „Totenstätte“107. Zwei Jahre bevor Hahn den oben erwähnten Brief schrieb, hatte er auf einer Wanderung durch Tirol drei Schüler aus England kennengelernt. Sie hatten sich über ihre Schulerlebnisse ausgetauscht, wobei die Jungen aus England in den höchsten Tönen von ihrer Schule, der „New School Abbotsholme“ von Cecil Reddie, berichteten. Die britischen Schüler schenkten Kurt Hahn das Buch „Emlohstobba“ (Abbotsholme rückwärts gelesen) von Hermann Lietz108, dem späteren Gründer des ersten deutschen Landerziehungsheimes. KNOLL berichtet über die Wirkung von Lietz’ Ausführungen mit einem Zitat von Hahn, auf den das Buch gewirkt habe „»wie ein Ruf des Schicksals«“109.

Diesem Ruf folgte Hahn jedoch erst nach seiner politischen Karriere im Jahr 1920 mit der Gründung der Internatsschule Salem. Seine pädagogischen Ideen entlieh er verschiedensten Ansätzen und Vorbildern, so unter anderem Platons „Politeia“, Wolfgang Goethes „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ oder den Lietz’schen Landerziehungsheimen. Deshalb behauptete Hahn laut LAWSON auch nie, ein pädagogischer Pionier zu sein110. V. HENTIG schreibt, dass Hahn „für seine Ideen Originalität nicht nur nicht beanspruchte, sondern ausdrücklich zurückwies“111. Eine nähere Beleuchtung übernommener Ideen und Ansätze ist Kapitel 2.2.2.2.1 zu entnehmen.

Für das „Kleinfeld“ der pädagogischen Provinz mag dies zutreffend, und es gilt sicher auch für die Übernahme einzelner Aspekte. Doch die Synthese dieser Aspekte zu einem eigenen pädagogischen Konzept wie das der Erlebnistherapie (s. Kap. 4.3) sowie später die Einbeziehung des internationalen Kontextes machen gerade die Besonderheit seines Konzeptes aus. So wird vor allem Hahns pädagogischer Beitrag auf internationaler Ebene gewürdigt. CARPENTER sieht in Hahn „the most influential educationalist of the 20th century”112. Mit dem Anstoß zur weltweiten Kurzschul-/Outward Bound-Bewegung und später zur UWC-Bewegung hatte Hahn den Schritt zur Internationalität in der schulischen Erziehung gemacht. Auf allen Kontinenten wurden und werden Kurse angeboten beziehungsweise Schulen eröffnet, die auf Hahn’schen Konzepten beruhen. Seine erzieherischen Ideen und Ansätze werden heute weltweit angewendet. Mit MICHL ist zu konstatieren: „Kein anderer deutscher Pädagoge des 20. Jahrhunderts hat so viel bewirkt. (…) – auf allen Kontinenten finden sich Spuren von Kurt

106 K. Hahn (1904): „»…will Lehrer werden, nicht Königl. Preußischer Unterrichter«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 19. 107 „(…) die Unruhe und das Gefühl des Ekels blieben. (…) diese Schule, die oft eine Totenstätte dadurch wird, daß die Körper leben bleiben und die Seelen sterben (…).“ K. Hahn (1904): „»…will Lehrer werden, nicht Königl. Preußischer Unterrichter«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 18. 108 Lietz kritisiert in seinem Buch: „Wo der Unterricht nicht diesem charakterbildenden Zwecke entsprechend gestaltet ist, sondern nur beabsichtigt, dem Kinde eine Summe von Kenntnissen und Fertigkeiten beizubringen, dort ist mit dem gesamten Unterricht in der Schule auch kaum der Anfang der Erziehungsarbeit gethan. (…) Nicht Kenntnisse, Wissen, Gelehrsamkeit, sondern Charakterbildung; nicht alleinige Ausbildung des Verstandes und Gedächtnisses, sondern Entwickelung aller Seiten, aller Kräfte, Sinne, Organe, Glieder und guten Triebe der kindlichen Natur zu einer möglichst harmonischen Persönlichkeit; (…), sondern Leben lehren: das ist das ideale Ziel, (…).“ H. Lietz (1897): „Emlohstobba“. In: T. Rutt (Hg.): Hermann Lietz. Schulreform durch Neugründung. Ausgewählte Schriften, besorgt von R. Lassahn. (= Schöninghs Sammlung Pädagogischer Schriften, hg. v. T. Rutt). Paderborn 1970, S. 14-21. 109 M. Knoll: „Einführung“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 2. 110 I. Lawson im Interview am 8.10.2003. In: S. Roscher: Erziehung durch Erlebnisse. Augsburg 2005, S. 65. 111 H. v. Hentig: „Kurt Hahn und die Pädagogik“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 43. 112 P. Carpenter im Interview am 20.7.2003. In: S. Roscher: Erziehung durch Erlebnisse. Augsburg 2005, S. 30. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 35

Hahn.“113 Was Hahn auf pädagogischem Bereich schuf und hinterließ, nennt KNOLL „eine internationale Erziehungsrepublik, die wohl ihresgleichen nicht hat“114.

Die Reichweite der Pädagogik Hahns ist denn auch immens. FLAVIN beschreibt sie vage: Die pädagogischen Projekte, die Hahn erdachte und schuf, verteilten sich um die Welt und „affect millions of young people“115. Ein Teil von ihnen sind die Schüler der UWC.

MICHL/JAGENLAUF merken allerdings zu Recht an, dass der Name Kurt Hahn „in akademischen Kreisen der Pädagogik eine geringe Rolle [spielt], jedenfalls im deutschsprachigen Raum“116. Dies ist um so erstaunlicher, als dass zum Beispiel das Internat Salem zwar das bekannteste hierzulande ist, doch dass es „von Hahn gegründet wurde, ist nur Insidern bekannt“, betont FERENSCHILD117.

Andererseits wurde das Wirken Hahns auch gewürdigt, unter anderem mit der Ehrendoktorwürde der Universität Göttingen (1956), Tübingen (1961) und Berlin (1966) sowie dem Großen Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland (1966).

2.2.2.2.1 Ideengeber für die Hahn’sche Pädagogik

Gefragt nach der Originalität in seiner Pädagogik stieß Kurt Hahn jeglichen Anspruch darauf von sich. Sein Erziehungskonzept beschrieb er vielmehr als Synthese der Extrakte unterschiedlicher Quellen. Von wem stammen nun die Ansätze, wer hat ihn inspiriert? HAHN erinnerte in dem Zusammenhang stets an ein Ereignis in Salem:

„Ein enthusiastischer Amerikaner besuchte ihn [Prinz Max von Baden, s. Kap. 2.2.3.1; Anm. d. Verf.] und stellte die Frage: Worauf sind Sie am stolzesten in Ihren schönen Schulen? Darauf sagte Prinz Max: Ich bin am stolzesten darauf, daß (…) Sie nichts Originelles hier finden. Es ist alles gestohlen, von Hermann Lietz, von Goethe, von Plato und von den public schools, (…). Da sagte der Amerikaner: Aber soll man nicht danach streben, originell zu sein? Er erhielt die Antwort: Es ist in der Erziehung wie in der Medizin. Man muß die Weisheit der tausend Jahre ernten.“118

BECKER unterstreicht: „Er selbst [Hahn; Anm. d. Verf.] bezeichnet den Wunsch, originell zu sein, als ,eine der größten Fehlerquellen in der Pädagogik’.“119 Hahn versuchte also, sich die Erkenntnisse und Ideen Anderer zu Nutze zu machen – woraufhin diese Ansätze gleichsam zu einer eigenen Erziehungsvorstellung zusammengeschmolzen wurden. So folgte daraus vor allem die Synthese einiger Wesenszüge von Plato, den englischen Public Schools und der Entwicklungslinie der Landerziehungsheime, ausgehend von Cecil Reddie bis

113 W. Michl: „50 Jahre OUTWARD BOUND Deutschland“. In: erleben und lernen. 9. Nr. 3 & 4 (2001), S. 34. 114 M. Knoll: „Einführung“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 11. 115 M. Flavin: Kurt Hahn’s Schools & Legacy. Wilmington 1996, S. 22. 116 W. Michl/M. Jagenlauf: „Editorial“. In: erleben & lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 3. 117 H. Ferenschild: „Kurt Hahn und seine Spuren im Salem von heute“. In: erleben & lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 7. 118 K. Hahn (1962): „Erziehung und die Krise der Demokratie“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 291 f. 119 H. Becker: „Kurt Hahn zwischen Kindern und Erwachsenen”. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 100 f. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 36 zu den hiervon angeregten deutschen Gründungen von Hermann Lietz und Paul Geheeb.120 Man betrachte die einzelnen Einflüsse näher:

Der griechische Philosoph Plato (428/427 v. Chr. - 348/347 v. Chr.)

Da Plato für Hahn „sein ewiger Lehrmeister“121 war, wurde er ihm zu einer „Quelle der pädagogischen Weisheiten“122. Hahn befasste sich schon früh während seiner Schul- und Studienzeit mit der Erziehungslehre Platos, die dieser in dem Werk „Politeia“ („Der Staat“) entwickelte. Aus der Vertiefung in die griechischen Quellen entwickelte Hahn dann jene Erkenntnisse, die ihn richtungweisend prägten. So fand Hahn als Kenner und Bewunderer Platos bei diesem die klassisch-idealen Bildungsvorstellungen und übernahm seine erzieherischen Gedanken. HAHN schreibt:

„Ich glaube mit Plato an die Macht der Erziehung. In jedem Kinde schlummern gute und böse Kräfte – ob sie geweckt werden, hängt von den Einflüssen der Umgebung ab. Zunächst kommt es auf Beispiele an, die zur Nachahmung stimmen.“123

Auf Grund dieser Ansichten Platos sieht HAHN die primäre Erzieheraufgabe darin, die jungen Menschen vor einer „schlechten Weide“ zu bewahren:

„(…) mit Platos Wort: Unsere Kinder sollen nicht auf einer schlechten Weide wachsen, damit sie nicht alle Tage von schlechter Nahrung unmerklich sich nähren und eine große Krankheit in ihrer Seele tragen, (…); auf gesunden Gefilden sollen sie wohnen, vom Schönen und Guten sich nähren (…).“124

Hahn übernimmt von dem antiken Philosophen allerdings nicht nur die individuenorientierte Sichtweise, sondern auch die staatsbezogene, die beide in doppelpoliger Wechselbeziehung stehen und die Erziehungsprinzipien ausmachen. Das heißt, dass Hahn seine Pädagogik keineswegs einseitig ausgerichtet verstand. SCHWARZ formuliert wie folgt:

„Hahn sieht in Anlehnung an Plato folglich die Mitte in einer Erziehung, die im Interesse des Staates einerseits das Individuum zur Entdeckung seiner (…) latenten Kräfte hinführt und andererseits im Interesse des Individuums dieses für einen Platz im Dienst an der Gemeinschaft qualifiziert.“125

Wenn Hahn mit Plato also von Erziehung spricht, dann ist immer auch von staatsbürgerlicher Erziehung die Rede. Folglich hat auch das Landerziehungsheim Salem, das Hahn mitbegründete (s. Kap. 2.2.3.1), sein Vorbild vor

120 „Er bekennt sich zu dem Einfluß von Plato und Goethe, (…) sowie zu den (…) englischen Public Schools. Er fühlt sich dem richtungweisenden Versuch Cecil Reddies, (…), ebenso verpflichtet wie Hermann Lietz, (…).“. Aus: K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 15. 121 G. Mann: „Zum Tode eines großen Pädagogen”. In: Neue Sammlung. 15. Nr. 2 (1975), S. 107. 122 W. Köppen: Die Schule Schloß Salem in ihrer geschichtlichen Entwicklung und gegenwärtigen Gestalt. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1967, S. 30. 123 K. Hahn (1966): „Grundriss eines Pädagogischen Testamentes”. Hektografierter Entwurf. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 8. 124 K. Hahn (1908): „Gedanken über Erziehung”. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S.44. 125 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 21. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 37 allem in Platos Staatsschrift „Politeia“, in der ein Erziehungsprogramm beschrieben wird, das Hahn’s pädagogisches Denken bestimmte. Salem darf hierbei aber nicht als Politeia-Kopie betrachtet werden, sondern die Politeia stellt das Modell dar, aus dem Hahn – wie SCHWARZ resümiert – „(…) gerade jene Gedanken herausgreift, die ihm für seine eigene Erziehungskonzeption relevant erscheinen, und daß er diese gelegentlich, (…), auf durchaus eigene Weise umdeutet.“126

Die „Pädagogische Provinz“ bei Goethe

Auch das vom deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832) skizzierte Modell einer „Pädagogischen Provinz“ in dem Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ ist als ein Ideengeber für die Hahn’sche Pädagogik zu sehen. Wie bereits der Bemerkung des Prinzen Max von Baden zu entnehmen (vgl. Fußnote 118), steckt auch ein Stück Goethe’sches Ideengut in Salem. In Goethes Roman spielt „die Frage der Erziehung und Ausbildung eine große Rolle“127. Unter einer Pädagogischen Provinz ist hier ein abgegrenztes Gelände zu verstehen, in der sowohl Erzieher als auch Schüler in einer Lebensgemeinschaft wohnen. Unter Abschirmung äußerer Einflüsse ist das Ziel die harmonische Persönlichkeitsentwicklung durch manuell-praktische Ausbildung in Verbindung mit geistig-künstlerischer Arbeit.

Auch Hahn versuchte die Idee einer Erziehung in bestimmten abgegrenzten Räumen zu realisieren. Allerdings verwendete er selbst nicht den Begriff der „Pädagogischen Provinz“, sondern forderte eher, „pädagogische Werkstätten zu entwickeln“128. Auch wenn die Erziehungsprovinzen von Goethe und Hahn gemeinsame Merkmale aufzeigen, so erscheint RÖHRS „der „Ansatz Hahns von Anbeginn weltoffener und verpflichtender durch die pädagogische Aktivierung der Mitverantwortung für den Erziehungsstaat und die Pflege der Nächstenhilfe in beispielhaft opferbereiter Form.“129 Im Jahr 1921 formulierte HAHN in einem Brief:

„»Es ist wieder das Zeitalter der Burgen.« (…) Wir brauchen ummauerte Kulturzentren an allen Ecken und Enden unseres Landes, darin die Kinder für die Wirklichkeit, allerdings nicht in der Wirklichkeit erzogen werden (…): Die gegenwärtige Wirklichkeit kann nicht die modernen Ritter, die tatenfrohen Denker erziehen, die sie am allermeisten braucht.“130

Da er sich der Gefahren „ummauerter Kulturzentren“ bewusst war, präzisierte er 1933:

„Wir sehen die große Gefahr, die jede in sich abgeschlossene Gemeinschaft für werdende Menschen mit sich bringt. (…) Wir müssen Fenster in die Mauern der Schule schlagen, um die Wirklichkeit hereinzulassen.“131

126 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 22. 127 E. Bahr: „Nachwort”. In: J. W. Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre, hg. v. E. Bahr. Stuttgart 1982, S. 561. 128 K. Hahn (1957): „Hoffnungen und Sorgen eines Landerziehungsheims”. In: K. Hahn: Erziehung zur Verantwortung. Reden und Aufsätze. (= Reihe: Aus den Deutschen Landerziehungsheimen, Heft 2, hg. v. F. Linn u.a.). Stuttgart 1958, S. 89. 129 H. Röhrs: „Die pädagogische Provinz im Geiste Kurt Hahns“. In: H. Röhrs: Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 84. 130 K. Hahn (1921): „»… es ist wieder das Zeitalter der Burgen«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 108. 131 K. Hahn (1933): „An Eltern und Freunde”. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 8. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 38

Kurt Hahn wusste also um die Gefahr der Weltfremdheit und vermied möglicherweise aus diesem Grund den Begriff „Pädagogische Provinz“. Schon in seinen „Gedanken über Erziehung“ forderte er 1908:

„(…) daß Kinder nicht ohne Beziehung zu den Anforderungen ihrer Zeit und ihres Landes erzogen werden, damit sie nicht nach vollendeter Erziehung wie aus Elysium Entsprungene sich einer fremden Zeit und einem fremden Lande gegenüber befinden und nun zu einem tatenscheuen Zuschauerleben verdammt werden. Also muß ein Kind sein Land sozial, politisch und technisch verstehen lernen.“132

So ist zu resümieren, dass Hahn zwar Impulse von Goethe und seiner entworfenen Pädagogischen Provinz erhalten hat, dass seine Schulen aber von eigenem Charakter geprägt sind. Sie stellen keine Zentren in der Isolation dar (auch wenn sie eine geschlossene erzieherische Einheit bilden), sondern sie öffnen sich ihrer Umwelt.133 Kurt Hahn ist der Meinung, dass neben einer landschaftlich reizvollen Umgebung als Schulstandort vor allem die örtlich gegebenen Angebote genutzt werden müssen. WEBER erinnert:

„Er fordert, daß sich also die Schulen mit ihrem Erziehungsprogramm den Möglichkeiten der Umgebung anpassen müssen. (…) Vor allem in der Beziehung der Schule zur Bevölkerung der Umgebung zeigt sich die Wechselbeziehung des Gebens und Nehmens. (…) Die Handwerker des Salemer Tales wurden zur Ausbildung der Schüler herangezogen, (…). Umgekehrt kamen die verschiedenen ,Dienste’ der Schüler der Umgebung zugute.“134

Die Öffnung bedeutet also eine Grenzüberschreitung der Pädagogischen Provinz; dies stellt bei Hahn ein wichtiges Moment dar.

Die englischen Public Schools

Die Pädagogik Hahns speiste sich auch aus der Übernahme einiger Wesenszüge der englischen Public Schools (vgl. Fußnote 118). Durch den Einblick in die britischen Schulverhältnisse während seines Studiums in Oxford war Kurt Hahn laut ZIEGENSPECK „von den damaligen ,Public Schools’ begeistert“135, die ihm ebenfalls – wie auch RICHTER/MÜNCH bemerken – „entscheidende Anregungen“136 gaben. In einem Rundfunkvortrag im Jahr 1950 legte HAHN diejenigen Merkmale dar, die er an den Schülern der Public Schools137 schätze und versuchte, in die Internatsschule Salem zu transportieren:

132 K. Hahn (1908): „Gedanken über Erziehung”. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 33. 133 Die Öffnung liegt zum Beispiel darin – so wie HAHN wollte –, „(…) daß die Kinder die Werkstätten der Handwerker in den Nachbardörfern aufsuchen.“ Aus: K. Hahn (1950): „Rückblick“. In: Die Sammlung. 8. Nr. 12 (1953), S. 574. Außerdem „(…) war Salem eine Tagesschule angeschlossen, deren Kinder aus selbstbewußten Bauernfamilien kamen. (…) So war Salem von Anfang an nie isoliert.“ Aus: K. Hahn (1934): „Ein Internat in Deutschland”. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 225. Vor allem aber ist durch die Einrichtung der Dienste eine wichtige Verbindung zur Bevölkerung hergestellt. 134 H. Weber: Die deutschen Kurzschulen : historischer Rückblick - gegenwärtige Situation - Perspektiven. Weinheim 1983, S. 40 f. 135 J. Ziegenspeck: „Lernen fürs Leben - Lernen mit Herz und Hand”. In: Neue Sammlung. 26. Nr. 3 (1986), S. 424. 136 G. Richter, H. Münch: Kurzschule und Charakterbildung. München 1960, S. 8. 137 Zum Begriff Public School im Vereinigten Königreich ist bei bei der freien Enzyklopädie WIKIPEDIA zu erfahren: „(…) Public Schools (im Deutschen vergleichbar mit einer Privatschule), (…). In Amerika lautet die Bezeichnung private und in England public school. Dies hat seinen Ursprung darin, dass früher Schulen sehr teuer waren und sich das arme Volk keine Schulbildung leisten konnte. Daher durften nur die Adligen und Reichen ihre Kinder auf die Schule schicken, die sogenannten „publizierten“ Menschen. Das Eton College, das 1440 gegründet wurde, gilt als älteste Public School. Damals durften erstmals Schüler aus allen Teilen Englands diese Schule besuchen und nicht, wie bis dahin üblich, nur aus der 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 39

„Im Jahre 1914 hatte ich Oxford verlassen, mit dem einen Ziel, ein Internat zu gründen, das ich nach dem Vorbild einer englischen Public School aufzubauen gedachte. An den Besten, die aus diesen Schulen hervorgingen, hatte ich immer wieder bestimmte Eigenschaften wahrgenommen, die mir typisch schienen: Zuversicht in der Anstrengung Bescheidenheit im Erfolg Anmut in der Niederlage Fairness im Zorn Klarheit des Urteils selbst in der Bitternis verwundeten Stolzes Bereitschaft sich einzusetzen zu jeder Zeit.“138

HAHN berichtet in demselben Rundfunkvortrag, dass er einmal auf die Frage, was die englischen Internate für die Demokratie geleistet hätten, folgendermaßen geantwortet habe:

„es gelingt ihnen, junge Menschen heranzubilden, die argumentieren können, ohne sich zu zanken, sich zanken können, ohne sich zu verdächtigen, sich verdächtigen können, ohne sich zu verleumden.“139

Cecil Reddie (1858-1932) in Abbotsholme

Der Engländer Cecil Reddie kann als „Vater der internationalen Landerziehungsheimbewegung“ bezeichnet werden; er gründete 1889 „The New School of Abbotsholme“ bei Rochester/England, das erste Landerziehungsheim. Die Beschäftigung auch mit diesem Ansatz hat Hahn, wie RÖHRS berichtet, ebenfalls entscheident beeinflusst:

„(…) sowie die Auseinandersetzung mit (…) Reddie und Abbotsholme selbst haben sein eigenes [Hahns; Anm. d. Verf.] Schulkonzept entscheidend beeinflußt.“140

Ebenso unterstreicht ARNOLD-BROWN die Wichtigkeit dieses – wenn auch selten von Hahn kommunizierten – Einflusses:

„Abbotsholme war nur einer von vielen Einflüssen, die sich auf Kurt Hahn auswirkten, aber dieser Einfluß war nicht unbedeutend, auch wenn Hahn in seinen Schriften nur sporadisch darauf Bezug nimmt.“141

Kurt Hahn, der Cecil Reddie nie kennengelernt hatte, erfuhr zum ersten Mal von der Schule in Abbotsholme, als ihm 1903 auf einer Wanderung das Buch von Hermann Lietz mit dem Titel „Emlohstobba“ (vgl. Kap. 2.2.2.2,

umliegenden Nachbarschaft. Daher stammt der Name ,Public’ School.“ Wikipedia: „Schulsystem im Vereinigten Königreich“. http://de.wikipedia.org/wiki/Schulsystem_im_Vereinigten_K%C3%B6nigreich (Datum des Zugriffs: 12.3.2010). Letzte Aktualisierung: 8.3.2010. Einen Blick auf die Public Schools wirft auch Henry BRERETON in seinem Beitrag „Gordonstoun und die englische pädagogische Tradition“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 200 f. 138 K. Hahn (1950): „Rückblick“. In: Die Sammlung. 8. Nr. 12 (1953), S. 573. 139 K. Hahn (1950): „Rückblick“. In: Die Sammlung. 8. Nr. 12 (1953), S. 573. 140 H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 147. 141 A.S. Arnold-Brown: „Der Einfluß von Abbotsholme”. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 182. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 40

Fußnoten 108 und 109) gegeben wurde. ARNOLD-BROWN zitiert den zutiefst beeindruckten Hahn: „,Man gab mir das Buch ,Emlohstobba’, das mein Schicksal besiegelte.’“142 Neben der Tatsache, dass sich Hahn

„(…) von Abbotsholme am meisten beeindruckt davon gezeigt [habe], dass ihnen [Reddies’ Schülern; Anm. d. Verf.] die Schule Spaß gemacht hatte und sie alle ihrem Schulleiter eng verbunden waren“143, dürfte Hahn sicherlich auch die Maxime Reddies, „in erster Linie Jungen, dann erst Fächer zu unterrichten“144, geschätzt haben.

Hermann Lietz (1868-1919)

Von Reddie führt der Weg direkt zu Hermann Lietz, dem „Vater der deutschen Landerziehungsheime“, von dem – wie bereits erwähnt – ebenfalls Antriebe zu Kurt Hahns pädagogischen Überlegungen ausgingen. Bereits ein Jahr, nachdem dem 16-jährigen HAHN das Buch „Emlohstobba“ geschenkt worden war, wollte dieser nach eigenen Worten „Erzieher und Unterrichter zunächst vielleicht bei Lietz, dann auf eigene Faust“145 werden. Die Übereinstimmung zwischen Lietz und Hahn zeigt sich darin, dass sich beide gegen eine bloße Unterrichtsschule wenden und ein Bildungsideal schaffen, das die Charakterbildung höher als die Wissensvermittlung stellt.146 Als Lietz 1897 sein Buch „Emlohstobba“ veröffentlichte, betrachtete er darin kritisch das deutsche Schulwesen. Er beschrieb und beanstandete darin nicht nur die alte „Unterrichtsschule“, sondern stellte eine neue „Erziehungsschule“ dar, wie sie sich ihm im englischen Abbotsholme bereits zeigte. Lietz kritisierte vor allem an der alten „Unterrichtsschule“ das schroffe Lehrer-Schüler-Verhältnis147, die Überbetonung der Lehrpläne mit Wissensstoff148 und den Mangel an künstlerischer, körperlicher und seelischer Erziehung149. So setzte Lietz die Ziele der „Erziehungsschule“ zum Gegensatz der von ihm kritisierten „Unterrichtsschule“ eindeutig fest:

„Nicht Kenntnisse, Wissen, Gelehrsamkeit, sondern Charakterbildung; nicht alleinige Ausbildung des Verstandes und Gedächtnisses, sondern Entwickelung aller Seiten, aller Kräfte, Sinne, Organe, Glieder und guten Triebe der kindlichen Natur zu einer möglichst

142 A.S. Arnold-Brown: „Der Einfluß von Abbotsholme”. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 185. 143 A.S. Arnold-Brown: „Der Einfluß von Abbotsholme”. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 182. 144 A.S. Arnold-Brown: „Der Einfluß von Abbotsholme”. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 183. 145 K. Hahn (1904): „»… will Lehrer werden, nicht Königl. Preußischer Unterrichter«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 16. 146 HAHN gelangte bereits in jungen Jahren zu der Überzeugung: „Ich (…) halte die Schulreform für die nötigste Reform im Lande: (…) Verwandlung unseres Unterrichtssystems in ein Erziehungssystem (…).“ K. Hahn (1904): „»… will Lehrer werden, nicht Königl. Preußischer Unterrichter«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 16. 147 „(…) verrieten seine [des Kindes; Anm. d. Verf.] betrübten, verweinten Augen gar die Nachwirkung erhaltener Schläge?” Aus: H. Lietz (1897): „Emlohstobba“. In: T. Rutt (Hg.): Hermann Lietz. Schulreform durch Neugründung. Ausgewählte Schriften, besorgt von R. Lassahn. (= Schöninghs Sammlung Pädagogischer Schriften, hg. v. T. Rutt). Paderborn 1970, S. 5. 148 „Man hat bei der Aufstellung der Lehrpläne eben fast nur die Menge der Kenntnisse berücksichtigt, die der Schüler wissen müsse. Um das wahre Erziehungsziel, um die Einheit des Ganzen, um die Verbindung der Fächer, den psychologischen Fortschritt von der Anschauung zur Vorstellung, zum Denken bekümmert man sich dabei nur wenig.” Aus: H. Lietz (1897): „Emlohstobba“. In: T. Rutt (Hg.): Hermann Lietz. Schulreform durch Neugründung. Ausgewählte Schriften, besorgt von R. Lassahn. (= Schöninghs Sammlung Pädagogischer Schriften, hg. v. T. Rutt). Paderborn 1970, S. 12. 149 „Es ist die allereinfachste Wahrheit, daß genau ebenso, ja noch mehr, wie der Verstand, auch der Körper des Knaben beschäftigt, angestrengt, und sein Gefühlsleben genährt werden muß.“ Aus: H. Lietz (1897): „Emlohstobba“. In: T. Rutt (Hg.): Hermann Lietz. Schulreform durch Neugründung. Ausgewählte Schriften, besorgt von R. Lassahn. (= Schöninghs Sammlung Pädagogischer Schriften, hg. v. T. Rutt). Paderborn 1970, S. 17. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 41

harmonischen Persönlichkeit; nicht Lesen, Schreiben, Griechisch, sondern Leben lehren: das ist das ideale Ziel, welches die Erziehungsschule (…) nie außer acht lässt.“150

In den Landerziehungsheimen finden neben der akademischen Arbeit nun auch Sport, Kunstunterricht, Musik und Werkunterricht sowie individuelle Interessensberücksichtigung Eingang. Mittels dieser umfassenden Aufgaben konzipierte Lietz somit auch eine allseitige Bildung, wobei die Charakterbildung höher als die Wissensaneignung angesehen wird. Dies drückt er folgendermaßen aus:

„Es darf über der Einzelarbeit nicht vergessen werden, dass alle Erziehung schließlich Selbsterziehung zum sittlichen Charakter ist, welche der eigenen Vervollkommnung sowie der des Menschengeschlechts dient.“151

Auch Hahns erzieherisches Hauptanliegen war stets die Charakterbildung. Er erkannte in Kritik zur Stoffschule, dass Erziehung nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch Charakterbildung bedeutet. SCHWARZ fokussiert:

„Hahn betrachtet es als ein Versäumnis, wenn das gegenwärtige Schulsystem durch ein Übermaß innerfachlicher Ansprüche mit enzyklopädischen Tendenzen die große Gelegenheit einer vertieften Charakterbildung in der Zeit während und nach der Pubertät ungenutzt verstreichen läßt.“152

Was versteht Hahn nun genau unter „Charakter“? Von HENTIG erklärt,

„(…) was Hahn ,Charakterbildung’ nennt: Charakter, die Instanz in mir, die allen Verführungen zum Trotz mit sich identisch bleibt; Charakter ist Widerstand. Charakter ist aber auch ,Schönheit der Seele’ – nämlich die ursprüngliche Neigung, die Würde des Mitmenschen zu achten, Ergriffenheit vor fremdem Leid, Tatbereitschaft, energische Teilnahme.“153

Zurück zum Lietz’schen Ansatz: Im Jahr 1928 zählte HAHN mehrere Punkte auf, die seiner Meinung nach die 30 Jahre seit der ersten Lietz’schen Schulgründung bewiesen hatten:

„1. That it is the possible to establish community of life between teachers and pupils. The Country School is capable of creating a public conscience which takes the individual pupil under its protection and arms him against the character-fashions which the ethical anarchy of our time is constantly throwing up in continuous and bewildering succession. 2. That it is possible to avoid the ,breach’ in the years of development. Opportunities of healthy excitement prevent the exclusive dominance of erotic impulses at the time of puberty. The strongest impression left upon a visitor to a Country School is the freshness of body and mind

150 H. Lietz (1897): „Emlohstobba“. In: T. Rutt (Hg.): Hermann Lietz. Schulreform durch Neugründung. Ausgewählte Schriften, besorgt von R. Lassahn. (= Schöninghs Sammlung Pädagogischer Schriften, hg. v. T. Rutt). Paderborn 1970, S. 20-21. Vgl. Fußnote 108. 151 H. Lietz (1898): „Die Erziehungsgrundsätze des Deutschen Landerziehungsheims von Dr. H. Lietz bei Ilsenburg im Harz (1898)“. In: T. Rutt (Hg.): Hermann Lietz. Schulreform durch Neugründung. Ausgewählte Schriften, besorgt von R. Lassahn. (= Schöninghs Sammlung Pädagogischer Schriften, hg. v. T. Rutt). Paderborn 1970, S. 35. 152 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns. Ratingen 1968, S. 37. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 42

which is manifested by older and younger boys alike. 3. That the happy light which sparkles in a boy’s eyes ought not merely to be seen when he is playing games (…). Hermann Lietz although himself an enthusiastic athlet, never allowed games to attain an undue prominence in the life of the school. (…) The natural vitality of the young, kept ever fresh by means of games and sports, is not employed merely on games, as at Eton, Harrow, but directed into more important channels. 4. But above all Lietz proved that it is possible, to entrust boys with responsibility to an extent hitherto undreamed of. Every Country School entrusts its leading boys with tasks in which failure involves ,danger to the state’ and in which anyone who is careless at organising and inaccurate in planning is bound to fail.”154

Vor allem den Aspekt der Zuordnung der „Verantwortung” sowie die Notwendigkeit der Charaktererziehung schätzte Hahn bei Lietz sehr. Es kann festgehalten werden, dass Hahn von Lietz wesentliche pädagogische Anregungen erhalten hatte, die sich im Salemer Konzept wiederfanden. KÖPPEN erklärt:

„Die Schule Schloß Salem wurde als Landerziehungsheim gegründet.“155

Kurt HAHN bemerkt hinsichtlich dieser Bezeichnung:

„Die Bezeichnung Landerziehungsheim wählte er [Prinz Max von Baden; Anm. d. Verf.] in Bewunderung für Hermann Lietz.“156

Es muss allerdings ein wesentlicher Punkt hervorgehoben werden, der in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung ist. Im Gegensatz zu Lietz157 galt nicht das Familienprinzip – auch wenn Schüler und Lehrer im gesamten Tagesablauf beisammen waren und ein persönlicheres Verhältnis als in der Staatsschule entstand; Salem war vielmehr in der Verfolgung seiner Erziehungsziele „Verantwortung“ und „tätiger Bürgersinn“ als „kleiner Staat“ konzipiert, der bei Nichteinhaltung einzelner Schülerpflichten gefährdet wäre. Dazu HAHN:

„So sollte Salem von Anfang an keine große Familie, sondern ein kleiner Staat werden. (…). (…) Pflichten steigern sich von Jahr zu Jahr in ihrer Bedeutung, bis schließlich

153 H. v. Hentig: „Kurt Hahn und die Pädagogik”. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 49. 154 K. Hahn (1928): „The problem of Citizenchip in German Education”. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 14. 155 W. Köppen: Die Schule Schloß Salem in ihrer geschichtlichen Entwicklung und gegenwärtigen Gestalt. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1967, S. 82. 156 K. Hahn (1954): „Hoffnungen und Sorgen”. Vortrag vor den Salemer Lehrern, November 1954. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 11. 157Lietz griff das antagonistische Lehrer-Schüler-Verhältnis schon in seinem Roman „Emlohstobba” auf und wollte in seinen gegründeten Heimen beide Positionen einander nähern, indem er die Kameradschaftlichkeit in Unterricht und Schulverfassung als neue Form einbrachte. Das bei Reddie vorgefundene Präfektensystem wurde abgelöst durch das Familienprinzip, so dass RÖHRS formuliert: „In Ausweitung dieses Prinzips verstand sich Lietz als Leiter im guten Sinne ebenfalls in der Rolle des »Hausvaters«.“ In: H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 122. RÖHRS erklärt: „Die Familie sollte das erzieherische Zentrum werden, in dem in der unmittelbaren Begegnung zwischen Erzieher und Schüler Aussprache, Rat, Wegweisung und Trost möglich wurden.“ In: H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 121. Nach LIETZ’ Vorstellungen ist die erste und höchste Voraussetzung zur Erziehungsberechtigung die Liebe zum Kind. „Die Liebe zum Kinde ist und bleibt Erstes und Letztes. Wer sie nicht hegt, ist nicht wert und berechtigt, ein Kind zu besitzen oder zu erziehen.“ Aus: H. Lietz (1913): „Ein Rückblick auf Entstehung, Eigenart und Entwicklung der Deutschen Land-Erziehungsheime nach 15 Jahren ihres Bestehens“. In: T. Dietrich (Hg.): Die Landerziehungsheimbewegung. (= Klinkhardts Pädagogische Quellentexte, hg. v. T. Dietrich, A. Reble). Bad Heilbrunn 1967, S. 44. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 43

Verantwortungen daraus werden, von deren Durchführung das Wohl und Wehe des kleinen Staates abhängt.“158

Es sollte demnach der Schulstaat den Schülern als Übungsfeld dienen, in dem jeder seinem Altern nach erst Pflichten und dann immer zunehmendere Verantwortungen durch Ämterübernahme für sich und die Gemeinschaft zu tragen hatte (vgl. Kap. 2.2.3.1). Die innere Form dieses „Kleinstaates“ zeigt sich in einer strikten Schülerhierarchie. Diese beschrieb HAHN in einer Widmung an Marina Ewald im Fotoalbum „Salem“ folgendermaßen:

„An essential part of the Salem System is the training for citizenship. At the head of the boys and girls stand the Guardian and the Helpers. They are appointed, not elected. The Guardian is above all others responsible for the unwritten laws of the House. Each Helper is in charge of a department: games, practical work, Juniors, intellectual work, North and South wings, outward relations of the House. The Helpers are chosen from among the Colour-Bearers. These are the girls and boys who have proved their sense of responsibility in the school life. Colour-Bearers and Helpers are an aristrocratic instruction. ,The Aristrocracy is the salt wherewith the Democracy will be salted’.”159

Hier greift dann wieder der Einfluss Platos auf das Hahn’sche Schulkonzept. EWALD fasst zusammen:

„Kurt Hahn studierte klassische Philologie, weil er von Plato lernte, wie die Träger eines gesunden Staates handeln sollten. (…). In Salem sind Namen und Wesen der führenden Ämter der Selbstverwaltung durch Plato bestimmt. Der verantwortlichste Schüler ist der ,Wächter’ des Schulstaates.“160

2.2.2.2.2 Kurt Hahn im Kontext der Reformpädagogik

Bei aller konzeptionellen Betrachtung des Hahn’schen Erziehungskonzeptes muss auch der historische Kontext erläutert werden, in dem sich die Person bewegte, deren Strömungen sie aufnahm, in die sie eigene, neue Ideen einbrachte und auch verwirklichte. So ist zunächst einmal festzustellen, dass sich Kurt Hahn im Zeitalter der so genannten Reformpädagogik, im Geiste des Aufbruchs, bewegt hat. Eine allgemeine Bestimmung des Begriffs „Reformpädagogik“ steht demnach an.

Rein politisch-historiographisch betrachtet, betrat Hahn zur Zeit der Weimarer Republik (9. November 1918 bis 30. Januar 1933) im Jahr 1920 nach seiner politischen Laufbahn mit der Gründung des Internats Salem erstmals die „pädagogische Bühne“ – die er von nun an auch nicht mehr verließ. Unter pädagogisch-historiographischer Sichtweise fällt Hahns „zweite Karriere“ in die Zeit der Reformpädagogik, die im Allgemeinen als die Zeit um die Jahrhundertwende – genauer 1890 bis 1933 – festgemacht wird. Diese starre Epochenfestlegung ist allerdings

158 K. Hahn (1957): „Hoffnungen und Sorgen eines Landerziehungsheimes”. In: K. Hahn: Erziehung zur Verantwortung. Reden und Aufsätze. (= Reihe: Aus den Deutschen Landerziehungsheimen, Heft 2, hg. v. F. Linn u.a.). Stuttgart 1958, S. 83. 159 K. Hahn (1930): Widmung an M. Ewald. Fotoalbum „Salem“. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem. 160 M. Ewald: „Der Aufbau und Ausbau Salems (1919-1933)“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 108 f. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 44 umstritten. Zwei Ansätze sollen hier näher erläutert werden: der Ansatz von Hermann Röhrs sowie der Ansatz von Jürgen Oelkers.

Der Ansatz von Hermann Röhrs161

Röhrs ist ein Vertreter der Epochendarstellung. Er charakterisiert die Reformpädagogik, die er in mehrere Phasen einteilt, als „eine der reichsten pädagogischen Epochen“162. Der Reformpädagogik ist es seiner Meinung nach zum ersten Mal gelungen, über die Schule hinaus „die Erziehungswirklichkeit insgesamt“163 zu erschließen. RÖHRS spricht von Reformpädagogik als einer „in sich geschlossenen Bewegung, deren umfassendes Ziel die Lebensreform darstellt.“164

RÖHRS unterteilt in die erste und zweite beziehungsweise in die traditionelle und jüngere Reformpädagogik, wobei die Schulen der ersten/traditionellen Reformpädagogik „die neuere Bildungsgeschichte entscheidend mitgeprägt [haben]“165. In dem von ihm herausgegebenen Buch „Die Schulen der Reformpädagogik heute“ (1986) skizziert Röhrs im ersten Teil („Die Pluralität reformpädagogischer Ansätze“) des einleitenden Kapitels „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung“ die Verlaufsphasen und die verschiedensten reformpädagogischen Ansätze, wobei er auch ausdrücklich darauf aufmerksam macht, dass die Reformpädagogik „eine internationale Bewegung“166 ist.

Röhrs schreibt dem „Dreistadiengesetz“ nach Wilhelm Flitner – bezogen auf den äußeren Verlauf der Reformpädagogik – eine „gewisse Orientierungsfunktion“167 zu. RÖHRS erklärt:

„Demnach setzt die erste Phase um die Jahrhundertwende mit der Kritik an der alten Schule ein; sie führt zu einzelnen, vorwiegend isoliert gestalteten Reformversuchen. Etwa um 1912 beginnt eine zweite Entwicklungsperiode, in der die einzelnen Reformversuche aus ihrer Isolierung heraustreten und in der Diskussion das gemeinsame in ihrer pädagogischen Grundeinstellung entdecken. Endlich wird seit 1924 eine Tendenz deutlich, die verschiedenen reformpädagogischen Motive theoretisch zu klären und den Ertrag für die pädagogische Breitenarbeit bereitzustellen.“168

Für RÖHRS indes bildeten frühere Reformansätze für die um 1890 einsetzende Reformpädagogik den Hintergrund, der aber deshalb bedeutsam sei,

„weil er erste Lösungsmöglichkeiten hinsichtlich der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Schule aufzeigt und weil hinter den Lösungsmodellen die Ideen ROURSSEAUs und

161 Hermann Röhrs, Jahrgang 1915, ist Emeritus des Erziehungswissenschaftlichen Seminars der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 162 H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 14. 163 H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 14. 164 H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 14. 165 H. Röhrs: „Vorwort“. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 7. 166 H. Röhrs: „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 15. 167 H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 17. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 45

PESTALOZZIs stehen. Insbesondere der Rousseauismus (…) wirkt als Triebkraft hinter nahezu allen pädagogischen Aufbrüchen und Neuerungsversuchen. Es ist vornehmlich das Prinzip der negativen Erziehung, das – getragen von dem Glauben an die guten Kräfte in jedem Kinde – Raum gewähren will für die spontanen kindlichen Aktivitäten.“169

Laut Röhrs sind die Reformbestrebungen auf eine Lebens-, eine Gesellschaftsreform170, gerichtet, wobei an der Schule angesetzt wird. So resümiert RÖHRS: „Revolutionierung der Gesellschaft durch die Schule ist das Ziel (…).“171 Deshalb sei die Reformpädagogik „sicherlich keine Schulbewegung“172. Allerdings, so RÖHRS weiter, werde die gesellschaftliche Umwandlung „in erster Linie über eine grundsätzliche Reform der Bildungsinstitutionen – insbesondere der Schule – erwartet.“173

Da die Reformpädagogik eine „permanente Bewegung“174 sei, in deren Vollzug wir heute noch stünden (Erscheinungsjahr seiner Publikation war 1986), plädiert er mit Nachdruck für die Unterscheidung einer vierten Phase, die an das oben genannte Dreistadiengesetz anknüpft. Diese vierte Phase beschreibt RÖHRS so:

„Sie beginnt in den faschistisch gewordenen Ländern um 1934 und in der übrigen Welt zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Es handelt sich um eine Phase des Umgliederns unter unterschiedlichen Voraussetzungen. So richteten sich die reformerischen Bestrebungen in den USA durch DEWEY und die Gruppe verwandt denkender Kollegen im Rahmen der progressiven Erziehunsbewegung (…) auf die Gesellschaft und ihre angemessene soziale Fundierung. Mit der Kritik an der amerikanischen ,Geschäftskultur’ verbinden sich die Bestrebungen, den ursprünglich angelegten Charakter der Ein-Klassen-Gesellschaft zu stärken. (…) Diese Bestrebungen weckten aber Gegenkräfte, die – insbesondere nach den zustimmenden Reiseberichten von DEWEY und COUNTS über das sowjetrussische Bildungswesen – zunehmend die Ziele der progressiven Erziehung als veremeintlich subversiv zu decouvrieren versuchten, so daß die Bewegung erheblich an Einfluß einbüßte. Die Entwicklung verlief in Europa geradezu gegensätzlich und war im Ergebnis dennoch verwandt. In dem faschistischen Italien, dem nationalsozialistischen Deutschland, aber auch

168 H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 17. 169 H. Röhrs: „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 15. 170 RÖHRS formuliert so: „Durch eine neue Erziehung der jungen Menschen zu potentiell besseren Bürgern für eine neue Gesellschaft von morgen gilt es, diesen Wandel (ganz im Sinne ROUSSEAUs) einzuleiten.“ Aus: H. Röhrs: „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 15. 171 H. Röhrs: „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 15. 172 H. Röhrs: „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 45. 173 H. Röhrs: „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 45. 174 H. Röhrs: „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 16. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 46

in Sowjetrußland wurde die Reformpädagogik wegen ihrer liberalistischen Einstellung verdächtigt und an der Wirksamkeit gehindert.“175

Röhrs ist sich darüber bewusst, dass man die oben beschriebene Zeitspanne als eigene Epoche (wie mit einer benannten „Phase 4“ geschehen) oder als Auslauf der dritten Phase unterschiedlich auslegen kann. RÖHRS jedenfalls beschreibt diese Zeitspanne „wegen ihrer Sonderstellung in der Entwicklungslinie als eine eigene vierte Phase“176.

An diese schließt sich nach RÖHRS die fünfte Phase an. Er beschreibt die Jahre nach 1945 folgendermaßen:

„In den Jahren nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde überall in der Welt das reformpädagogische Gedankengut reaktiviert. Die leitenden Motive dafür waren in Westdeutschland, der späteren Bundesrepublik Deutschland, der Wiederanschluß an eine internationale pädagogische Tradition, deren leitende Ziele Humanisierung der Erziehung durch Grundlegung der Demokratie und Festigung des Friedenswillens waren.“177

Die nächste Phase markiert RÖHRS dann ab 1970 mit dem Beginn der Gesamtschulbewegung sowie der Gründung der Alternativschulen.

Wie aufgezeigt, teilt Röhrs die Geschichte der Reformpädagogik in zwei Perioden ein: 1. Periode von 1880 bis 1945 (Phase 1-4), 2. Periode ab 1945. Nach dieser Definition fällt Kurt Hahns Einstieg in das Praxisfeld der Pädagogik (mit Gründung des Internats Salem) in die zweite Phase und damit in die Periode der traditionellen Reformpädagogik; die Gründung des ersten Atlantic Colleges fällt in die fünfte Phase und damit in die von Röhrs so genannte zweite Periode der Reformpädagogik. Entsprechend wird Hahn zum einen aufgrund des zeitlichen Bezugs als Reformpädagoge bezeichnet und zum anderen aufgrund des konzeptionellen Bezugs, denn Hahn wird immer auch im Zusammenhang mit der Landerziehungsheimbewegung genannt.178 KUPFFER stellt Hahn neben Lietz sogar als den erfolgreichsten unter den Gründern der Landerziehungsheime dar.179 LUES umgeht den Begriff der Reformpädagogik – bewusst oder unbewusst – und spricht vielmehr von Reformern: „Sein [Hahns; Anm. d. Verf.] schöpferisches Beispiel, seine rastlose Arbeit reihen ihn ein in die Reihe jener bedeutenden Reformer, die seit dem späten 19. Jahrhundert Schule und Leben wieder zueinanderbringen wollten.“180

175 H. Röhrs: „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 16 f. 176 H. Röhrs: „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 17. 177 H. Röhrs: „Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 17. 178 RÖHRS erklärt, dass „(…) die Bewegung [der Landerziehungsheime; Anm. d. Verf.] in Deutschland durch die Gründungen von Hermann Lietz, Paul Geheeb, Gustav Wyneken, Kurt Hahn u.a. ihren Höhepunkt erreichte, (…).“ Aus: H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 101. 179 H. Kupffer: „Besprechungen”. In: Pädagogische Rundschau. 26. Nr. 8 (1972 II), S. 620. 180 H. Lues: „Vorwort”. In: K. Hahn: Erziehung zur Verantwortung. Reden und Aufsätze. (= Reihe: Aus den Deutschen Landerziehungsheimen, Heft 2, hg. v. F. Linn u.a.). Stuttgart 1958, S. 8. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 47

Der Ansatz von Jürgen Oelkers181

Im Gegensatz zu Röhrs lehnt Oelkers den Epochenbegriff ab. In der Einleitung zu seinem Buch „Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte“ (42005) nimmt er sich der „,Reformpädagogik’ als Problem der Geschichtsschreibung“182 an und kritisiert die Festschreibung der Reformpädagogik als historische Epoche von 1890 bis 1930. Laut OELKERS werde Reformpädagogik oft als historische Epoche verstanden, weil

„viele Akteue zwischen 1890 und 1930 von ,neuer’ im Unterschied zur ,alten’ Erziehung gesprochen haben und dabei einfach aus rhetorischen Gründen eine Art Epochenbruch unterstellten. Das ,Neue’ sollte sich auf ganzer Linie vom ,Alten’ unterscheiden, weil das optimale Aufmerksamkeit sicherte.“183

Doch gerade diese rhetorik-zentrierte Historiographie kritisiert OELKERS, zeigten doch auch Aussagen im international pädagogischen Diskurs des 19. Jahrhunderts (vor 1890), dass ständig Reformideen lanciert und ausprobiert wurden:

„Seit etwa 1880 ist in der pädagogischen Literatur in zunehmendem Mass[ß!]e nicht mehr nur von Reform der Erziehung die Rede, sondern von ,neuer’ oder radikal anderer Erziehung, die es zuvor nicht gegeben haben soll. Als ,neu’ wird behauptet vor allem die Orientierung an der Entwicklung und im Weiteren an der Psyche des Kindes, zudem auf ein darauf bezogenes Arsenal von lieberalen Methoden, Umgangsformen oder Lebensprinzipien etwa im Blick auf die Reform der Schulen. Aber Plädoyers für die Freiheit der Kindheit und gegen die uniforme Schulbildung gab es im 19. Jahrhundert unablässig (…).“184

Für Oelkers gibt es nicht die Reformpädagogik oder eine fest umrissene Größe.

„Das Objekt also ist vielfältig, nicht einheitlich, und die einzelnen Stränge müssen ebenso kontextspezifisch wie detailliert aufgearbeitet werden, ohne gleichsam in einer Summe zusammen zu stimmen. Das gilt für ,Phasen’ ebenso wie für ,Einheiten’ oder für einen Gesamtkorpus ,Reformpädagogik’, zudem für das verzweigte Personal (…).“185

Blickt OELKERS auf die pädagogische Geschichte des 19. Jahrhunderts, so zeigt sich ihm eine

„Geschichte vieler Experimente mit Erziehungsreformen, (…), die untereinander weit mehr und viel kontinuierlicher verknüpft waren, als es eine Geschichtsschreibung wahrhaben kann, die erst am Ende des Jahrhunderts eine herausgehobene Epoche beginnen lassen will.“186

181 Jürgen Oelkers, Jahrgang 1947, ist Professor für Allgemeine Pädagogik am Pädagogischen Institut der Universität Zürich. Seine Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem Historische Bildungsforschung und Reformpädagik im internationalen Vergleich. 182 J. Oelkers: „Einleitung: ,Reformpädagogik’ als Problem der Geschichtsschreibung“. In: J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 11-25. 183 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 14. 184 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 14 f. 185 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 17. 186 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 18. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 48

Somit lehnt Oelkers auch einen festterminierten Epochenstart ab. Schließlich ist für ihn die Geschichte der Pädagogik generell keine „unterteilte Bewegung, die scharfe Epochengrenzen kennen würde.“187 In seiner Darstellung der deutschen Geschichtsschreibung, in der man bereits früh versucht habe, die Reformpädagogik als eigene und herausragende Epoche der Erziehung darzustellen, verweist Oelkers auf Herman Nohl (1870 - 1960), von dem der nachhaltigste Entwurf stamme und „der die Zeit zwischen 1890 und 1930 als Einheit pädagogischer Bewegungen versteht“188. Die Historiographie sei von Nohls dargestellter Konstruktion bestimmt.189

OELKERS nimmt schließlich den Begriff der „Bewegung“ in den Fokus und fragt nach ihrer Endlichkeit und ihrer Weiterleitung. Denn die Energie einer jeden Bewegung sei nicht unbegrenzt. So sei laut OELKERS die Frage „was aus Reformbewegungen wird, wie und wo sie enden, was den Stillstand auslöst uns was die nachfolgende Bewegung, von zentraler Bedeutung für das gesamte Problemfeld.“190 Lineare Verknüpfungen über die Zeit gebe es offenbar nicht. Daher kann man laut Oelkers auch nicht einfach Reformpädagogik als Epoche ansehen.

Wenn man von einer historischen Epoche in der Geschichte der Pädagogik sprechen wolle, von einer einmaligen, abgeschlossenen und irreversiblen Epoche, dann müssten seiner Meinung nach drei Bedingungen erfüllt sein. Diese sind:

„(…) die Umgrenzung ihrer Dauer, die Unterscheidbarkeit gegenüber Vorläufern und Nachfolgern sowie die Zuordnung eines bestimmten, unverwechselbaren Personals.“191

Da dies für Oelkers „weder auf die Sprache der Erziehung noch auf die Entwicklung ihrer Praxisfelder [zutrifft]“192, kann nach Oelkers auch nicht von einer Epoche Reformpädagogik gesprochen werden. Er sieht Pädagogik im modernen Sinne stets als Reformpädagogik, da sich ihre grundlegenden Konzepte mit praktischen Neuerungen den sich verändernden Situationen anpassen würden. OELKERS erteilt dem Begriff der Reformpädagogik als Epoche erneut eine klare Absage:

„Semantisch, motivational oder argumentativ gesehen hat es eine eigene, strikt unterscheidbare Epoche ,Reformpädagogik’ nicht gegeben, die Sprache der Reform entsteht nicht neu, die Einstellungen hinter der Sprache werden am Ende des 19. Jahrhunderts nicht neu geprägt und zentrale Argumente für die bessere oder die neue Erziehung sind seit der Antike nachweisbar (…). Gleichwohl ist der Zeitraum zwischen 1880 und 1930, dem die

187 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 19. 188 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 19. In einer Fußnote erfährt der Leser, dass die Idee der Einheit der „pädagogischen Bewegung” bei Nohl als Chiffre für Reformpädagogik steht. 189 OELKERS resümiert: „NOHL stellt eine vorbildliche Epoche dar, also nicht lediglich die Geschichte von Gruppen und Reformereignissen. Reformpädagogik erscheint als Ensemble von pädagogischen Bewegungen, die bei aller programmatischen oder praktischen Differenz in der Idee übereinstimmen und in diesem Sinne eine Einheit bilden. Diese Konstruktion bestimmt die auf NOHL zurückgehende Historiographie, ausgehend von Kulturkritik habe sich zwischen 1890 und 1930 eine spezifische Konstellation deutscher Reformpädagogik ausgebildet, die es zuvor nicht gab, die originell ist und die weitreichende Innovationen auslöste (…).“ Aus: J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 21. 190 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 22. 191 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 22. 192 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 22. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 49

Reformpädagogik gemeinhin zugeordnet wird, eine historisch besondere Erfahrung gewesen. Die Erziehungsreflexion musste auf eine grundlegend neue gesellschaftliche Situation reagieren, für die es vielen Hinsichten keine Vorbilder gab.“193

Was zusätzlich zur grundlegend neuen gesellschaftlichen Situation neu war, war die Erweiterung der so genannten „Reflexionseliten“. Nicht mehr nur Lehrer wurden angesprochen, sondern auch Literaten und Intellektuelle; „auf diesem Wege verdichteten sich die pädagogischen Diskussionen und erfuhren weltanschauliche Aufladung“194, stellt OELKERS fest.

Abschließend sollte an dieser Stelle noch mit Oelkers auf ein Ereignis hingewiesen werden, das erklärt, warum gerade das Jahr 1890 oft als Startjahr für die Reformpädagogik gilt – auch wenn es für Oelkers kein bestimmtes Datum, keinen bestimmten Auslöser gibt, „denn das würde implizieren“, so OELKERS zu Beginn seines zweiten Buchkapitels „Reformpädagogik vor der ,Reformpädagogik’“195, „vorher habe keine Auseinandersetzung über pädagogische Reform stattgefunden.“196 Bei diesem angesprochenen Ereignis handelt es sich um die Eröffnungsrede des deutschen Kaisers Wilhelm II. auf der von ihm eingerufenen Schulkonferenz vom 4. bis 17. Dezember 1890 in Berlin mit dem Titel „Verhandlungen über Fragen des höheren Unterrichts“. In dieser Rede kritisierte der Kaiser vor allem drei Punkte, die OELKERS ins Positive umformuliert in die Forderung:

„ (…) nach der Lebensdienlichkeit und Nützlichkeit des in der Schule Gelernten, die Entlastung von Ballast [Überladung an Unterrichtsstoff; Anm. d. Verf.] (…), und (…), dass die Schule an der Bildung des Charakters mitzuwirken habe (…).“197

OELKERS stellt klar, dass alle Schulreformforderungen nach 1890 diese Motive enthalten hätten. Gleichzeitig betont er aber auch, dass es ebenso vor 1890 kein Reformprogramm gegeben habe, das die obigen Forderungen nicht auch enthalten hätte. Sein Fazit lautet daher: „Das Jahr 1890 stellte keinen Einschnitt dar, der einen irgendwie dramatischen Wandel auslöste.“198 Vielmehr, so Oelkers, wurden bestimmte, bereits entwickelte pädagogische Forderungen durch die Berliner Konferenz bekannter.

Entsprechend der beiden vorgestellten Ansätze von Hermann Röhrs und Jürgen Oelkers ist Kurt Hahn entweder als Reformpädagoge oder als Reformer199 zu betrachten. Auf jeden Fall kann festgehalten werden, dass sich Hahn mit seiner ersten Schulgründung im Geiste des Auf- und Umbruchs bewegt hat, in einer Zeit, in der – wie Oelkers sagt – „auf eine grundlegend neue gesellschaftliche Situation“ (vgl. Fußnote 193) reagiert werden musste.

Kurt Hahns pädagogisches Wirken, das in der Zeit der Weimarer Republik seinen Anfang nahm, fällt zugleich in eine Zeit, in der, so beschreibt es WASSONG, „reformpädagogisches Gedankengut im In- und Ausland sich

193 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 23. 194 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 23. 195 J. Oelkers: „Reformpädagogik vor der ,Reformpädagogik’“. In: J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 27-92. 196 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 27. 197 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 27. 198 J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 27. 199 Vgl. J. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte. Weinheim 42005, S. 173. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 50 bereits wirkungsvoll ausgebreitet hatte und die Grundlage gebildet hatte für den Aufbau von Reformschulen.“200 Dieses Gedankengut beschäftigte auch Hahn. So fügt hier WASSONG gleich Hahns Verweis auf den Deutschen Hermann Lietz sowie die US-Amerikaner John Dewey und William Kilpatrick an:

„In seinen Schriften bringt Hahn selbst immer wieder Beispiele für den bereits weit vor ihm angelaufenen progressiven Zeitgeist im Erziehungswesen, den er immer wieder in Verbindung bringt mit dem theoretischen und praktischen Wirken von Hermann Lietz und den beiden US-Amerikanern John Dewey und Kilpatrick. Lietz hatte in Deutschland an der Wende zum 20. Jahrhundert die heute so populäre LEH-Bewegung in das Leben gerufen; die beiden US-Amerikaner John Dewey und Kilpatrick können (…) verantwortlich gemacht werden für den Aufbau zahlreicher Projektschulen, die ihre Wirkungsgeschichte vor allem in den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts entwickelten.“201

Ein Rückgriff auf bereits angewandte und erprobte neue Lehrmethoden kann auch für Hahns erste pädagogische Wirkungsstätte Salem konstatiert werden, welche später auch in den nachfolgenden Schulgründungen und Erziehungskonzepten weitergeführt wurden – gemeint ist hier insbesondere das Projekt (s. Kap. 4.3.1). WASSONG erinnert:

„Methodisch fühlte man sich [in Salem; Anm. d. Verf.] der von Dewey und Kilpatrick entwickelten Projektmethode eng verbunden, durch die dem traditionellen Frontalunterricht eine Absage erteilt und die Selbstorganisation des Arbeitens mit pflichtgemäßer Selbstkontrolle sowie das Arbeiten und Lernen in der Gemeinschaft gefördert wurden.“202

In Salem wurde das Projekt 1926 eingeführt203. KNOLL merkt an, dass es Kurt Hahn war, der „vielleicht 1926 als erster in Deutschland den Begriff Projekt für eigene Erziehungsversuche verwendet [hat]“204. Noch Jahre später, 1957, bekräftigte Hahn die Wichtigkeit von Projekten für den Schulunterricht.205

KNOLL charakterisiert den US-Amerikaner Dewey als „,Vater’ und ,Hüter’ der Projektidee“206. In einem kleinen Exkurs sei auf die Ausführungen OELKERS bezüglich Deweys Rolle in der Reformpädagogik verwiesen. Er erklärt:

200 S. Wassong: „Die Rolle und Funktion des Sports im Erziehungskonzept von Kurt Hahn”. Antrittsvorlesung an der Deutschen Sporthochschule Köln am 22. Juni 2006. 201 S. Wassong: „Die Rolle und Funktion des Sports im Erziehungskonzept von Kurt Hahn”. Antrittsvorlesung an der Deutschen Sporthochschule Köln am 22. Juni 2006. 202 S. Wassong: „Die Rolle und Funktion des Sports im Erziehungskonzept von Kurt Hahn”. Antrittsvorlesung an der Deutschen Sporthochschule Köln am 22. Juni 2006. 203 Vgl. M. Ewald: „Der Aufbau und Ausbau Salems (1919-1933)“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 124. 204 M. Knoll: „Paradoxien der Projektpädagogik”. In: Zeitschrift für Pädagogik. 30. Nr. 5 (1984), S. 668. 205 In einem Rundfunkvortrag, gehalten im Süddeutschen Rundfunk am 30. Mai 1957, führt Hahn fünf Punkte auf, die ihm für eine Unterrichtsreform als wesentlich erscheinen, darunter hebt er das Projekt hervor: „Die Reform im Unterrichtssektor – das ist das Gebot der Stunde (…). Ich setze die wesentlichen Elemente einer solchen Reform her, wie sie in Landerziehungsheimen bereits angebahnt ist, unter anderem auch in Salem (…). (…) 2. Eine Anzahl unserer Lehrer sollte sowohl die Lenkung von Arbeitsstunden als auch die Betreuung der Projekte ebenso ernst nehmen wie ihren Unterricht. (…). 3. Wir brauchen für unsere Projekte Fachzimmer, deren Ausstattung zum Forschen ermutigt. (…) 4. (…) Ein Wochenvormittag sollte unterrichtsfrei sein und den Projekten gewidmet werden. Die Arbeiten der Oberprima sollten als Jahresleistungen im Abitur vorgelegt und für das Endergebnis gewertet werden, (…).“ Aus: K. Hahn (1957): „Hoffnungen und Sorgen eines Landerziehungsheims“. In: K. Hahn: Erziehung zur Verantwortung. Reden und Aufsätze. (= Reihe: Aus den Deutschen Landerziehungsheimen, Heft 2, hg. v. F. Linn u.a.). Stuttgart 1958, S. 88 f. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 51

„Deweys Philosophie der Erziehung wird oft mit falschen oder irreführenden Etiketten versehen, die von der Standardgeschichtsschreibung der Reformpädagogik gepflegt werden, (…). Dewey ist nicht der Erfinder der »Projektmethode«, wie gerade in Deutschland oft angenommen wird. (…) Sowohl die Entwicklung der Reformpädagogik als auch Deweys Rolle in ihr sind wesentlich schwieriger zu bestimmen, als es die Standardgeschichtsschreibung durchscheinen lässt. Maßgebend für die Theorie ist nicht einfach die Kindorientierung, sondern vor allem Deweys Konzept des Lernens und so die Gleichsetzung von Denken mit Problemlösen.“207

OELKERS führt weiter aus:

„Der Unterricht in seiner Schule in Chicago [in der Laborschule/„Laboratory School“; Anm. d. Verf.] ging von Problemen aus und die Schüler führten auch »Projekte« durch (…). Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass Dewey oder die Lehrkräfte seiner Schule die Projektmethode erfunden hätten. (…) Die Geschichte beginnt viel früher. (…).“208

So zeichnet OELKERS im Unterkapitel „Forschendes Lernen und Projektarbeit“ in seinem 2009 erschienenen Buch „John Dewey und die Pädagogik“ die Entwicklungslinie der Projektmethode auf:

„Von den Bauakademien in Frankreich verbreitete sich der Gedanke einer »Projektmethode« auch im deutschen Sprachraum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, (…). Und von Europa aus kam die Methode nach Amerika: 1879 wurde an der Washington University in St. Louis die erste Manual Training School gegründet, in der die Projektmethode angewendet wurde. (…) Die Schüler waren für die Planung und Durchführung der Projekte selbst verantwortlich, (…). (…) Zwischen 1900 und 1920 entstand eine regelrechte Projektbewegung (…), die einen Zusammenhang von selbsttätigem Lernen und Schulreform propagierte. John und Evelyn Dewey beschrieben in ihrem Buch Schools of To-Morrow im Wesentlichen Versuche mit Projektunterricht, der (…) technische, praktische, soziale und künstlerische Varianten kannte. Irgendwie schien alles »Projekt« sein zu können, sofern für einen Unterricht gesorgt war, der Selbsttätigkeit oder »forschendes Lernen« in den Mittelpunkt rückte. Angesichts der Häufung der praktischen Versuche verlangte die Diskussion nach einer terminologischen Klärung oder einer Theorie der Projektmethode. Die Formulierung dieser Theorie hat zuerst William Kilpatrick vorgelegt (…).“ 209

206 M. Knoll: „Paradoxien der Projektpädagogik”. In: Zeitschrift für Pädagogik. 30. Nr. 5 (1984), S. 668. 207 J. Oelkers: John Dewey und die Pädagogik. Weinheim 2009, S. 156 f. 208 J. Oelkers: John Dewey und die Pädagogik. Weinheim 2009, S. 180. 209 J. Oelkers: John Dewey und die Pädagogik. Weinheim 2009, S. 181 f. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 52

Das Lernen versteht der Philosoph John Dewey als Problemlösung. „Die didaktische Form des Lernens ist oft als »Projekt« bezeichnet worden“, erläutert OELKERS und merkt gleich an, dass „Dewey selbst diesen Ausdruck kaum benutzt hat.“210

Durch die bisherige Betrachtung Kurt Hahns also im Kontext der Reformbewegung ebenso wie die Auflistung seiner „Ideengeber“ lässt sich zusammenfassend feststellen, dass das Hahn’sche Erziehungskonzept nicht von einem Nullpunkt ausging, sondern dass Hahn vielmehr auch ältere Konzepte für das seine übernahm. Hahn fügte eigene Vorstellungen mit ein und konzipierte alle gemeinsam zu einem neuen Format. Dies machte schließlich die Innovation aus. Das neue, eigene Erziehungskonzept war an die aktuelle Situation, an den von Hahn als Problem und Defizit angesehenen Gegebenheiten, orientiert.

2.2.2.3 Air Marshal Sir Lawrence Darvall Im Gegensatz zu Kurt Hahn präsentiert sich die Quellenlage zur Person Lawrence Darvall dürftig, obwohl doch gerade er die entscheidende Idee zur Gründung des ersten UWC hervorbrachte. In diesem Zusammenhang wird Darvall denn auch stets erwähnt. Es wird immer wieder an jene Erfahrungen erinnert, die der britische Luftmarschall in Ausübung seiner Tätigkeit als Leiter des NATO Defense College in Paris machte. Da diese Erfahrungen von entscheidender Bedeutung sind, führt auch Hahn bei seinen Vorträgen zur Vorstellung des UWC-Konzeptes diese immer wieder an. Diese Passage (siehe Fußnote 212) kann als Schlüsselstelle bewertet werden.

Im Jahr 1955 trafen Hahn und Darvall zusammen, als Hahn am 7. Oktober 1955 am NATO Defense College einen Vortrag mit dem Titel „The development of character“ hielt. Darin trug er vor, welches Konzept im Internat Gordonstoun entwickelt wurde, um den seiner Meinung nach unter der Jugend vorherrschenden Verfallserscheinungen entgegenzuwirken211. Hahn und Darvall tauschten bei dieser Gelegenheit ihre Erfahrungen aus – der eine als Leiter eines Internates, der andere als Kommandant des NATO Defense Colleges. Das Ergebnis dieses Gespräches fasste HAHN – wie oben als Schlüsselstelle erwähnt – wie folgt in einem programmatischen Vortrag über die United World Colleges, gehalten am 13. September in Brügge, zusammen (da es von konzeptioneller Bedeutung ist, wird es hier in seiner Ausführlichkeit dokumentiert):

„Zwei Jahre lang hatte es Sir Lawrence erlebt, wie die Stabsoffiziere und Diplomaten aus verschiedenen Ländern mannigfache Vorurteile mitgebracht hatten und dann durch die tägliche Hingabe an eine gemeinsame Sache lernten, zunächst dem Standpunkt des Ausländers zuzuhören, dann ihm Verständnis und schließlich sogar Sympathie entgegenzubringen, bis sich eines Tages eine Gemeinschaft zusammengefunden hatte. Nach 6 Monaten verließen viele dieser Männer Paris, man konnte beinahe sagen, mit dem Gefühl einer Sendung. Ihr Patriotismus war nicht geschwächt, wohl aber veredelt. Darvall hatte

210 J. Oelkers: John Dewey und die Pädagogik. Weinheim 2009, S. 137. 211 K. HAHN: „Our young are today surrounded by three decays; the decay of enterprise, the decay of skill and care, and the decay of compassion. (…) We have tried to have elements of healing for these three decays: athletic training, training in expedition, training in project, and above all training in rescue services. We have instituted from Gordonstoun the short term schools.” K. Hahn: „The development of character.” Vortrag gehalten am 7.10.1955 am NATO Defense College in Paris. Draft minute. NATO Defense College Library, Rom. Gefaxt an die Verfasserin der vorliegenden Arbeit am 27.9.2007. S. 5-7. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 53

ferner die Einsicht gewonnen, daß es nicht ausreicht, die Erhaltung des Friedens nur auf die gemeinsame Furcht zu gründen. Es gilt den Abscheu einzupflanzen vor der Vergewaltigung von Menschen und Völkern im Krieg wie im Frieden. Seine Erfahrungen veranlaßten Sir Lawrence, sich an eine Anzahl von Pädagogen folgendermaßen zu wenden: »Wenn Duldsamkeit und menschliches Verstehen noch neue Wurzeln schlagen können bei reifen Männern von ganz verschiedenen Nationalitäten dank gemeinsamer Erlebnisse, wieviel hoffnungsvoller wäre die Aufgabe, werdende Menschen aus aller Welt in ihren empfänglichsten Jahren durch die Kameradschaft eines fordernden Gemeinschaftslebens miteinander zu verbrüdern?« So entstand der Plan zur Gründung von Atlantischen Schulen.“212

Es wird deutlich, dass sich Hahn und Darvall gegenseitig inspiriert haben. SUTCLIFFE macht beide Pole deutlich:

„(…) Darvall was inspired by Hahn’s analysis of Western society and the state of the young [vgl. Fußnote 211; Anm. der Verf.]; Hahn in turn was challenged by the success of this international military staff college in reconciling national differences, often between former enemies, (…).“213

Die biographischen Daten zu Darvall sind allgemein rar. Lawrence („Johnny”) Darvall wurde am 24. November 1898 geboren. Er starb knapp 70-jährig am 17. November 1968, sechs Jahre nach Gründung des Atlantic College in Wales. Angaben zu seinen Diensträngen im Laufe seines Dienstes bei der Royal Air Force können dem Internet214 entnommen werden. Im November 1953 wurde Darvall Kommandant des NATO Defence College in Paris. Er bekleidete dieses Amt zwei Jahre. Am 15. Januar 1956 trat er zurück. Während seiner zweijährigen Amtszeit hatte DARVALL erlebt, wie „staff officers and diplomats coming from 15 different countries grew in tolerance and sympathetic understanding towards nations other than their own”215. Die Erkenntnisse, die er währenddessen mit Stabsoffizieren und Diplomaten aus den damals 15 Ländern des Bündnisses, Männern im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, gewonnen hatte, wollte er fortan der Jugend zugute kommen lassen. Zu diesem Zweck engagierte er sich in den folgenden Jahren für die Einrichtung einer Reihe von Atlantischen Schulen. SUTCLIFFE erinnert daran, dass Darvall „laboured so loyally (…) that makes him an irreplaceable figure in our story“216.

212 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 280-281. 213 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 88. 214 Air of Authority – A History of RAF [Royal Air Force] Organisation: „Air Marshal Sir Lawrence Darvall“. www.rafweb.org/Biographies/Darvall.htm (Datum des Zugriffs: 21.1.2007). 215 L. Darvall: Brief an die Ford Foundation, USA, o. J. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 1. 216 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 88. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 54

2.2.3 Erzieherische Gründe. Im Fokus: der pädagogische Visionär/Vater der pädagogischen Leitlinien, Kurt Hahn. Die Grundsätze seiner Pädagogik bis dato. Da das pädagogische Konzept der United World Colleges auf der Basis Hahn’scher Erziehungsprinzipien fußt, die er bis zur Gründung des ersten Colleges in seiner Laufbahn als Pädagoge aufgestellt hatte, werden diese näher betrachtet. Dabei stellt Hahn nicht nur den einzelnen Schüler in den Mittelpunkt seiner Bemühungen, sondern gleichzeitig auch die Gemeinschaft. Der Pädagoge hatte dementsprechend auch die Zeit nach der Schulzeit im Blick. V. HENTIG erklärt, dass

„Kurt Hahn weiß, daß es keine ,eigenständige’ Pädagogik gibt, sondern daß sie immer auf die Politik, genauer: die Polis bezogen bleibt; seine Anstrengungen haben gerade deshalb immer der Stärkung des Individuums gegolten – dessen, was es befähigt, in der Gemeinschaft für die Gemeinschaft zu bestehen: des Charakters.“217

Dieser Blick brachte Hahn auch den Ruf des politischen Pädagogen ein218, zugleich ist er aber auch als Pädagoge zu betrachten, dem es eben vor allem auf die Charakterbildung ankommt. Die Charakterbildung stand bei Hahn von Anfang an – seit der Gründung Salems (1920) – in der Erziehungsaufgabe an erster Stelle. Hierin kritisierte er auch stets die Staatsschule, die die Charakterbildung seiner Meinung nach vernachlässigt. 1955 sagte er im Vortrag vor dem NATO Defense College: „(…) the proper priority of educating (…) should be, character first, intelligence second, knowledge third. The present priority is knowledge first, intelligence second and character seventeenth, (…).”219 Darin ist denn auch das Neue der Hahnschen Erziehungsansätze gegenüber den staatlichen Schulen zu sehen: Hahn stellt von Anfang an die Entwicklung des Charakters in den Vordergrund seiner Bemühungen. Mit FLAVIN ist festzustellen: „Innovations at Salem were not in the classroom, but in the establishment of principles and practices to foster character development and preparation for life.“220

Hahn hat also nicht nur die Charakterbildung in den Fokus des Erziehungsinteresses gestellt und damit seine Kritik am bestehenden Schulsystem zum Ausdruck gebracht. Sondern er hat auch gleichzeitig die Gemeinschaft in den Blick genommen und damit an seinem zweiten Kritikpunkt, nämlich an der Gesellschaft angesetzt. Kurz nachdem sich Hahn aus der Politik zurückgezogen und auf die Bildungsaufgabe konzentriert hatte, forderte er 1921:

217 H. v. Hentig: „Kurt Hahn und die Pädagogik“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 43. 218 In den Publikationen wird Kurt Hahn desöfteren als „politischer Pädagoge“ bezeichnet. Michael KNOLL zum Beispiel stellt seinen kompletten Aufsatz 1986 für die Zeitschrift „Erziehungswissenschaft – Erziehungspraxis“ unter den Titel „Kurt Hahn – ein politischer Pädagoge. Zu seinem 100. Geburtstag“, in: Erziehungswissenschaft – Erziehungspraxis. 2. Nr. 1 (1986), S. 17-20. Der Aufsatz erschien ein Jahr später als überarbeiteter Beitrag unter demselben Titel „Kurt Hahn – ein politischer Pädagoge. Zu seinem 100. Geburtstag“ in: J. Ziegenspeck (Hg.): Kurt Hahn. Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 2, hg. v. J. Ziegenspeck). Lüneburg 1987, S. 9-20. Auch für Anja PIELORZ ist Hahn „der politische Pädagoge“; A. Pielorz: „Kurt Hahn und die Erlebnistherapie – ein Essay über Inhalte und Stellenwert ihres präventiven Charakters“, in: erleben und lernen. 1. Nr. 4 (1993), S. 11. Oder auch Werner Michl wählt denselben Begriff über zehn Jahre später, in: W. Michl: „Verwilderungswünsche, Abenteuerlust und Grenzerfahrungen. Anmerkungen zu Kurt Hahns Begriff der Erlebnistherapie“, in: erleben und lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 10. 219 K. Hahn: Vortrag gehalten am 7.10.1955 am NATO Defense College in Paris. NATO Defense College Library, Rom. Draft minute, gefaxt an die Verfasserin der vorliegenden Arbeit am 27.9.2007. S. 19. 220 M. Flavin: Kurt Hahn’s Schools & Legacy. Wilmington 1996, S. xi. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 55

„Wir brauchen bundesgenössisches Talent. Der Deutsche von heute (…) unterschätzt das, was er der Gemeinschaft schuldet. (…) Die gegenwärtige Wirklichkeit kann nicht die modernen Ritter, die tatenfrohen Denker erziehen, die sie am allermeisten braucht.“221

Politik und Pädagogik sind bei Hahn eng miteinander verwoben. Die Erstere braucht die Letztere. „Endziel bei Hahn war der selbstbewußte und selbstverantwortliche einzelne, der sich immer wieder neu den Fragen der Politik zu stellen hatte“, erklärt PIELORZ222. Aus dieser Zielsetzung heraus entwickelte Hahn seine pädagogischen Leitlinien – ausgehend vom Internat Salem über das Internat Gordonstoun und die Kurzschulbewegung bis hin zum internationalen College.

VON HENTIG kommt zu dem Fazit:

„In der Erziehung hat sich Hahns ,politischer’ Wille am wirksamsten, erfolgreichsten und sichtbarsten entfaltet – sein politischer Wille, von dem wir nun wissen, dass er ein moralischer war.“223

Dem gemäß pflichtet Hahns ehemaliger Schüler Golo MANN bei:

„Kurt Hahn hat nie ,Politik als Beruf’ betrieben. Sie war nicht das Zentrum seines Wirkens, obgleich im Zusammenhang mit ihm, eben mit seiner Pädagogik. Diese hat immer auch politische Zwecke verfolgt, zeitweise direkt und bewusst. Zuletzt sind im Umkreis des Hahnschen Humanismus Pädagogik und Politik ein und dasselbe; eine Identität, die auf klassische Vorbilder zurückgeht.“224

Wie bereits kurz erwähnt (s. Kap. 2.2.2.1), hatte Hahn erst eine poltische Karriere eingeschlagen (s.a. Anhang A, Kap. 9.1) – er arbeitete zunächst ab 1914 als englischer Lektor im Auswärtigen Amt, war ab 1918 Privatsekretär von Prinz Max von Baden (dieser war vom 3.10. bis 9.11.1918 letzter Reichskanzler des Deutschen Kaiserreichs) und arbeitete vom 4. Oktober bis 9. November 1918 in der Reichskanzlei, war dann drei Monate lang bei der deutschen Schuldfragekommission in Versaille. Nach dem Rückzug aus der Politik mit Abschluss der Versailler Friedensverhandlungen (28. Juni 1919) begann Hahns zweite Karriere, die als Pädagoge. Erst sie machte ihn national und international bekannt. „Abgeschlossen“ hatte er mit der Politik aber keineswegs. Wenn WASSONG nun konstatiert:

„Zwar war er [Hahn; Anm. d. Verf.] nicht mehr in politischen Ämtern tätig, jedoch bemühte er sich durch seine Auffassung von Erziehung in die Politik hineinzuwirken.“225,

221 K. Hahn (1921): „»… es ist wieder das Zeitalter der Burgen«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 108. 222 A. Pielorz: „Kurt Hahn und die Erlebnistherapie – ein Essay über Inhalte und Stellenwert ihres präventiven Charakters“. In: erleben und lernen. 1. Nr. 4 (1993), S. 14. 223 H. v. Hentig: „Kurt Hahn und die Pädagogik“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 41. 224 G. Mann: „Kurt Hahn als Politiker“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 9. 225 S. Wassong: „Die Rolle und Funktion des Sports im Erziehungskonzept von Kurt Hahn“. Antrittsvorlesung an der Deutschen Sporthochschule Köln am 22. Juni 2006. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 56 dann wird die Bezeichnung für Hahn als „politischer Pädagoge“ noch einmal unterstützt. Im Jahr 1928, acht Jahre nach Gründung seines ersten Schulprojekts, des Landerziehungsheims Salem, erklärte Hahn: „Vom Standpunkt der Nation ist das Wichtigste, das die Landerziehungsheime leisten, die staatsbürgerliche Erziehung.“226 Hahn war damit, die Politik als Sache der Erziehung zu sehen, nicht allein. WASSONG hebt Hahns Verbindung zu dem US- amerikanischen Philosophen, Psychologen und Pädagogen John Dewey (1859-1952) hervor, an dessen erziehungspolitische Schriften sich Hahn gerne angelehnt habe:

„In seinen Forderungen nach einer modernen staatsbürgerlichen Erziehung (…) greift Hahn nicht nur gerne zurück auf die platonischen Staatslehren, sondern – und dies sogar mit Vorliebe – auf die erziehungspolitischen Schriften John Deweys. In starker Anlehnung an die Kernaussagen Deweys (…) subsumierte auch Hahn unter dem Begriff der staatsbürgerlichen Erziehung eine Vielzahl von Tugenden und Werten: bürgerliches Pflichtbewusstsein und eine demokratisch-republikanische Grundgesinnung wurden von Hahn beziehungsweise Dewey genauso aufgezählt wie Verantwortungsbereitschaft, Altruismus, Integrität, Initiativbereitschaft und Gemeinschaftssinn.“227

Hahn wollte gleich mit seiner ersten Schulgründung erreichen, dass die Schüler dort lernten, wie in einem kleinen Staat Verantwortungen zu übernehmen (s. a. Kap. 2.2.2.2.1). So entwickelte sich das Schlagwort „Erziehung zur Verantwortung“; die Schule sollte gleichsam die Aufgabe der staatsbürgerlichen Erziehung übernehmen. WASSONG, der auch hier auf einen Schnittpunkt mit Dewey und seiner Laboratory School of Chicago hinweist, merkt an:

„Die Förderung der Charakterschulung und die Ausbildung des lebenstüchtigen Staatsbürgers (…) sollte in Salem durch die Betonung des Gemeinschaftslebens und durch die Organisation von Salem als kleiner Schulstaat gewährleistet werden. Auch in dieser Forderung lehnt Hahn sich gerne an Dewey an, der auch erfolgreich versucht hatte, seine bereits 1896 gegründete Laboratory School of Chicago zu organisieren als ,model home, a complete community and embryonic democracy’. Diese Zielsetzung sollte in Salem unter anderem erreicht werden durch eine straff organisierte Schülermitverwaltung und durch die Übernahme von sozialen Diensten.“228

Auf Jürgen OELKERS’ Erklärungen zur Erziehungstheorie John Deweys sei hier kurz verwiesen. So stellt er fest: „John Dewey begründete seine pädagogische Philosophie, die Erfahrung und Demokratie in den Mittelpunkt

226 K. Hahn (1928): „Die Aufgabe der Landerziehungsheime“. In: K. Hahn: Erziehung zur Verantwortung. Reden und Aufsätze. (= Reihe: Aus den Deutschen Landerziehungsheimen, Heft 2, hg. v. F. Linn u.a.). Stuttgart 1958, S. 35. 227 S. Wassong: „Die Rolle und Funktion des Sports im Erziehungskonzept von Kurt Hahn“. Antrittsvorlesung an der Deutschen Sporthochschule Köln am 22. Juni 2006. 228 S. Wassong: „Die Rolle und Funktion des Sports im Erziehungskonzept von Kurt Hahn“. Antrittsvorlesung an der Deutschen Sporthochschule Köln am 22. Juni 2006. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 57 stellte, gegen die Tradition.“229 Dewey kann als ein Protagonist des Progressivismus in den USA betrachtet werden.230

Letztlich kann festgehalten werden, dass jedes von Hahns Schulprojekten den Kern seines pädagogischen Anliegens beinhaltet und somit fortführt, und dass jedes neue Schulprojekt ihn aufgrund seiner Besonderheiten entsprechend weiterentwickelt und damit das nächste Projekt bereichert. Das heißt: Von Salem ausgehend wurde das Ziel der Charakterbildung im Sinne einer Erziehung zur Verantwortung in Gordonstoun weiterentwickelt, und mit der Kurzschulbewegung wurde hier die humanitäre Komponente im Sinne vom „Dienst am Nächsten, Dienst am Frieden“ fortgeführt. Dabei war der Aspekt der Internationalität bereits in Gordonstoun angelegt und fand mit den United World Colleges unter der Zielstellung der internationalen Verständigung ihre Weiterentwicklung und Ausprägung.

Somit lässt sich der rote Faden in der Hahnschen Pädagogik von der Erziehung des Einzelnen über das Engagement für die Gemeinschaft bis hin zur internationalen Verantwortung ausmachen. Die in seiner Pädagogik angelegten Werte (Verantwortung, Mitgefühl gegenüber dem Nächsten) sind bis heute die Basis in den Schulen.

Es werden nun die Stationen Salem (1. Schulgründung Hahns in Salem am Bodensee) und Gordonstoun (2. Schulgründung Hahns in England) mit ihren spezifischen Grundsätzen sowie der Ursprung der Outward Bound- Bewegung mit der von Hahn konzipierten „Erlebnistherapie“ dargestellt. Diese Stationen können als Etappen hin zur UWC-Bewegung angesehen werden.

2.2.3.1 Salem: Erziehung zur Verantwortung

Abbildung 2 - Die Schule Schloss Salem, eine ehemalige Zisterzienserabtei. Foto: Fred Krahwinkel, K3design

Die Gründung Salems im Jahr 1920 erfolgte vor politischem Hintergrund. Nachdem Prinz Max von Baden aus der Politik ausgestiegen und Kurt Hahn ihm gefolgt war, intendierten sie mit der Gründung eines

229 J. Oelkers: John Dewey und die Pädagogik. Weinheim 2009, S. 83. 230 Dewey fragte neben dem Zusammenhang zwischen Demokratie und Erziehung laut OELKERS zugleich auch danach, „welche Theorie der Erziehung für diesen Zusammenhang überhaupt geeignet ist. Wenn die moderne Demokratie eine historisch neue Erfahrung darstellt, dann können dazu nicht einfach die alten Theorien der Erziehung passen. Sie bilden keine ,Tradition’, aus der man zeitlos schöpfen könnte. Vielmehr muss die neue Verfassung der demokratischen Gesellschaft den Ausgangspunkt abgeben.“ Aus: J. Oelkers: John Dewey und die Pädagogik. Weinheim 2009, S. 85. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 58

Landerziehungsheimes in der ehemaligen Zisterzienserabtei Salem „im Schatten des Vertrags von Versailles“231 auch einen politischen Neuanfang. Dies geschah in der gemeinsamen Überzeugung, dass bei den Kindern anzusetzen sei, ein Verantwortungsgefühl zum Staatsbürger zu entwickeln, um durch eine moralische Gesundung der Sitten auch eine politische Wiederaufrichtung zu erreichen (vgl. Kap 2.2.2.1, Fußnoten 88, 89). Wie der ehemalige Schulleiter Salems, Bernhard BUEB, erklärt, gründeten Prinz Max und Hahn die Schule „as a political foundation, a state within a state, where young people would be able to experience the individual and collective responsibility for one another that politics actually is. Hahn took new directions in acting politically as an educator.”232 Ein „Schulstaat”233, wie auch KÖPPEN die Gründung bezeichnet. Dass man eine Neuerung wollte und sich mit einer Privatschule nicht an das Bestehende koppelte, unterstreicht die Aussage KÖPPENs, dass der Staat „nicht mehr Einfluß auf die Erziehung haben [sollte], als es die gesetzliche Schulaufsicht erforderte.“234

Das pädagogische Mittel, das Hahn für eine Erziehung zur Verantwortung einsetzte, war die Erziehung durch Verantwortung. SCHWARZ erkennt in dem Hahn’schen System einen „Stufungsprozeß, der sich äußerlich von der Übernahme kleiner Pflichten bis zu echten Verantwortungen und innerlich von der Entwicklung eines ,Gemeinsinns’ im Menschen bis zur Weckung eines ,tätigen Bürgersinns’ vollzieht. Seine [Hahns; Anm. d. Verf.] Erziehung ist damit letztlich in doppelter Hinsicht sowohl auf das Individuum wie auf den Staat ausgerichtet.“235

Von Beginn an wurde in Salem die Mitverantwortung der Schüler großgeschrieben. Die Schüler erhielten Aufgaben, Ämter, und sollten lernen, sie verantwortungsvoll im Sinne der Gemeinschaft zu erfüllen. „Politische Verantwortung wurde im ,Hier und Jetzt’ gelebt und gelernt“, beschreibt HINRICHS236.

So sollten die Schüler Erfahrungen im politischen Handeln machen. Oberstes Gremium war die Versammlung der „Farbentragenden“, denen einige Lehrer sowie zum größeren Teil Schüler angehörten, die sich in der Gemeinschaft bereits bewährt hatten. Neue Mitglieder der Versammlung wurden durch Wahl aufgenommen und hatten sich vorbildlich zu verhalten. EWALD erklärt das System so:

„Die Farbentragenden sind eher einem Orden als einem Parlament vergleichbar, haben aber gesetzgebende und gesetzdurchführende Funktion. (…) Die in den Ämtern der Selbstverwaltung gemeinsam getragene Verantwortung für die Schule schuf eine kameradschaftliche Bundesgenossenschaft (…).“237

Eine vertiefende Darstellung dieses Systems wäre an dieser Stelle zu weitreichend, sollte aber angerissen werden, um mit BYATT zu betonen, dass alle Schulen, die Hahn gründete (mit Ausnahme der Kurzschulen), eine

231 K. Hahn (vor 1934): „Ein Internat in Deutschland”. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 223. 232 B. Bueb: „Kurt Hahn, the Politician“. Vortrag bei der Round Square Konferenz in Salem am 16. Oktober 2002. www.salemcollege.de/D3Gesch_00.html (Datum des Zugriffs: 29.10.2006). 233 W. Köppen: Die Schule Schloß Salem in ihrer geschichtlichen Entwicklung und gegenwärtigen Gestalt (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1967, S. 24. 234 W. Köppen: Die Schule Schloß Salem in ihrer geschichtlichen Entwicklung und gegenwärtigen Gestalt (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1967, S. 27. 235 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 46. 236 A. Hinrichs: „Wer war Kurt Hahn?“ In: erleben und lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 5. 237 M. Ewald: „Der Aufbau und Ausbau Salems (1919-1933)“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 117f. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 59 politische Basis hatten. BYATT stellt fest, dass „the involvement of his pupils in the affairs of their community was a guiding principle meant (…) to be carried on into later life.”238 Der Gemeinsinn war für Hahn die erstrebenswerteste Eigenschaft, die ein Schüler entwickeln sollte. So verwundert es nicht, dass die Beurteilung des Gemeinsinns im Salemer „Abschließenden Bericht an die Eltern” auch an oberster Stelle stand, gefolgt vom Gerechtigkeitsgefühl sowie der Fähigkeit zur präzisen Tatbestandaufnahme und der Fähigkeit, das als recht Erkannte durchzusetzen239. In einem Brief an Golo Mann, der in Salem Schüler war, schrieb Hahn 1925: „Du musst nicht nur das Knie, sondern auch den Gemeinsinn täglich üben.“240 Hier spiegelt sich das Prinzip der Erziehung zur Verantwortung wider. Der Schüler soll lernen, aktiv an den schulischen Belangen teilzuhaben, sich für diese im Dienst der Gemeinschaft einzusetzen. FISCHER schreibt dazu:

„Es geht und ging darum, eine Persönlichkeit heranzubilden, die im Bewußtsein steht, daß nicht Standesprivilegien und soziale Herkunft, sondern staatsbürgerliches Engagement und soziale Befähigung letztlich entscheiden, ob und wie moderne Gesellschaften funktionieren, als Ausdruck und Ergebnis des kooperativen Zusammenwirkens (…).“241

In Bezugnahme auf den „Abschließenden Bericht an die Eltern“ beinhaltet die soziale Befähigung neben dem Gemeinsinn und der Solidarität auch die Tugenden der Gerechtigkeit und der Zivilcourage. Diese übergeordneten Eigenschaften sollten bei dem jungen Menschen ausgeprägt werden. Auch JAMES betont neben der schulischen Ausbildung die moralischen und staatsbürgerlichen Werte, die Hauptziele der Schule: „The curriculum at Salem prepared young people for higher education, but not without laying the groundwork for a life of moral and civic virtue, the chief aims of the school.“242

2.2.3.2 Gordonstoun: Internationalisierung und soziale Dienste Die folgende, zweite Station auf der Hahn’schen „Schullandkarte“ ist das Internat Gordonstoun. Nach der Emigration nach England im Juli 1933 begann Hahn dort schon bald – mithilfe seiner „weitverzweigten englischen Beziehungen, im Dienste seines, zähen, geschickten Willens“, wie MANN243 es beschreibt – mit dem Aufbau einer neuen Schule nach dem Muster Salems. Nach nicht einmal einem Jahr wurde das Jungeninternat Gordonstoun, die „British Salem School“, an der Nordostküste Schottlands, eine Meile vom Moray Firth entfernt244, eröffnet. Das offizielle Eröffnungsdatum der Schule (mit 13 Schülern) ist der 10. Mai 1934. Kurt Hahn

238 D.A. Byatt im Vorwort zur „Personal Recollection” an K. Hahn von T. Beaumont. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 124. 239 Siehe: K. Hahn (1931): „Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 32. 240 K. Hahn (1925): „»… nicht nur das Knie, sondern auch den Gemeinsinn täglich üben«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S.118. 241 T. Fischer: „Die Schulen Kurt Hahns“. In: M. Kallbach, J. Wichmann (Hg.): Kindgemäß leben und lernen. Alternative Schulmodelle. Berlin 1991, S. 32. 242 T. James (2000): „Kurt Hahn and the Aims of Education”. www.kurthahn.org/writings/james.pdf (Datum des Zugriffs: 27.10.2006), S. 3. 243 G. Mann: „Kurt Hahn als Politiker“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 32. 244 „Mr. Walter Laffan, der Hahns Liebe für die Landschaft von Moray kannte, bot sich an, ihn auf eine Autofahrt durch Schottland mitzunehmen. Bei dieser Gelegenheit besuchte man auch das ,alte Haus’ von Gordonstoun (…). In seinem ersten Bericht an das Kuratorium der neuen Schule sagte er [Hahn; Anm. d. Verf.] ein Jahr später, daß er den Kuratoriumsmitgliedern und Mr. Laffan dafür danken möchte, daß ,sie es mir ermöglichten, meine Zelte in Morayshire aufzuschlagen. Hier oben ist eine gute Weide. (…) am Horizont liegt die Herausforderung: im Norden das Meer und im Süden 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 60 war zu dieser Zeit 47 Jahre alt. BRERETON erinnert daran, „daß Hahn es zurückweist, Gründer von Salem genannt zu werden, dessen Gründung er Prinz Max von Baden zuschreibt, während er sich aber durchaus als Gründer Gordonstouns bezeichnen läßt. Doch genaugenommen wurde die Schule von einem Kuratorium gegründet, dessen Angestellter Hahn wurde.“245 Diesem Kuratorium gehörten prominente Persönlichkeiten an; allen voran der Erzbischof von York, William Temple.

BRERETON erklärt, dass die neue Schule „als Zufluchtsort eines kleinen Kreises von Flüchtlingen aus Salem“246 anzusehen sein könne. Unter ihnen auch jüdische Jungen. Die Zahl der Internatsschüler stieg schnell – bis zum Ende des ersten Jahres auf 45; neben britischen Jungen wies Gordonstoun eine internationale Schülerschaft aus allen Bevölkerungsschichten auf.

In Gordonstoun entwickelte Hahn sein pädagogisches Konzept weiter. Zwei Trends kristallisierten sich heraus: der Dienst am Nächsten und die internationale Erziehung. Zunächst ist jedoch von Anfang an eine Öffnung nach außen zu konstatieren, die Öffnung der pädagogischen Provinz. Wie FRIESE erklärt, „sollte der Schulbetrieb von Anfang an Teil des Gemeinde-Gesamtlebens werden“.247 Vor allem in Hinblick auf die später eingerichteten United World Colleges sind die zwei hier weiterentwickelten Trends von entscheidender Bedeutung. KNOLL schreibt, dass in Gordonstoun „die Idee des sozialen Dienstes und der internationalen Verständigung neue Bedeutung [gewann]“248. Der Aspekt der internationalen Verständigung ist gerade vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen umso bedeutender. Er erkennt in der internationalen Erziehung ein Mittel der Verbrüderung. HAHN schreibt:

„In Gordonstoun haben wir 70 Jungen; davon sind zwanzig Prozent nicht britischer Herkunft und gehören fünf verschiedenen Nationalitäten an. Der Junge, der in Bruderschaft mit Ausländern aufwächst, lernt, sich um die Rechte und das Glück mindestens einer anderen Nation zu kümmern.“249

FRIESE verweist auf eine Rede Hahns vor den Rotariern Elgins mit dem Titel „Education and Peace“, die der „Inverness Courier“ am 24. März 1936 veröffentlichte. FRIESE: „Dem Elgin Rotary Club hatte Hahn an Beispielen erläutert, wie in der täglichen schulischen Erziehung aus Chauvinisten Vertreter aktiver Völkerverständigung werden könnten und außerdem soziale Klassenschranken aufgehoben würden.“250 Damit ist der Grundstock für eine Friedenspädagogik mittels interkultureller Erziehung gelegt. Da diese auch als die pädagogischen Grundpfeiler der UWC anzusehen sind, werden sie in Kapitel 3 näher beleuchtet.

die hohen Berge’.“ F. Chew: „Seemännische Ausbildung, Expedition und Projekte“. In. H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 205. 245 H. Brereton: „Die Gründung und die Entwicklung von Gordonstoun“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 192. 246 H. Brereton: „Die Gründung und die Entwicklung von Gordonstoun“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 189. 247 P. Friese: Kurt Hahn – Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen. Bremerhaven 2000, S. 168. 248 M. Knoll: Vorwort zu „»…die Public Scholl als Zentrum sozialen Dienstes«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 233. 249 K. Hahn (1935-41): „»… die Public School als Zentrum sozialen Dienstes«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 234. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 61

Der zweite Trend, der in Gordonstoun an Bedeutung gewann und bis zu einem Markenzeichen ausgebaut wurde, ist der soziale Dienst. Sein Ursprung liegt im Küstenwachdienst an der Felsenküste von Moray. Hahn hatte seinen Schülern die Geschichte eines Mönchs erzählt, der im 8. Jahrhundert bei Sturm nachts mit einer Laterne an der Küste entlangging, um die Fischer vor den gefährlichen Felsen zu warnen. Hahn wollte die Schüler so zum Küstenwachdienst motivieren – das Gegenteil trat ein: „(…); sie hatten mich im Verdacht, ich wollte ihre Seelen verbessern“, so HAHN251. Der Zufall kam dem Pädagogen zu Hilfe: Die Königliche Küstenwache erfuhr von Hahns Idee, den Küstenstreifen von Schülern beobachten zu lassen, und bot an, eine Station mit der nötigen Ausrüstung zur Lebensrettung zur Verfügung zu stellen, wenn die Jungen die Hütte im Bedarfsfall besetzen. Von da an waren die Schüler für die Sache bereit. „Denn als die Jungen hörten, das Handelsministerium sei gewillt, erhebliche Kosten zu tragen“, so erinnert sich HAHN, „da spürten sie die Notwendigkeit des Dienstes, der von ihnen gefordert wurde. In zunehmender Zahl schrieben sie sich als Königliche Küstenwache ein. Bald klappten unsere Übungen.“252 KNOLL sieht unter anderem in der Errichtung dieser Seenotrettungsstation im Jahr 1935 Hahns ernsthaften Versuch, „die eigene pädagogische Provinz zu überschreiten und das Internat zu einem Zentrum sozialen Dienstes zu machen“253. Damit hat der Rettungsdienst – wie er später in der Pädagogik Hahns ausgeweitet wurde – hier seinen Ursprung.

Dem deutschen Pädagogen Kurt Hahn gelang es also, innerhalb kurzer Zeit gut 50 Kilometer von der walisischen Küste entfernt, mit Gordonstoun ein zweites Internat auf den pädagogischen Grundzügen des ersten (Salem) zu errichten und hier in Einbeziehung der örtlichen Gegebenheiten ein gesteigertes pädagogisches Mittel der Erziehung zur Verantwortung (Küstenwache) zu entwickeln. Die Verantwortung war nun nicht mehr auf die eigene, begrenzte Gemeinschaft gerichtet, sondern stellte den Nächsten außerhalb der pädagogischen Provinz in den Mittelpunkt der Bemühungen.

Der Erziehung für die See war von Beginn an auch eine Erziehung durch die See zur Seite gestellt. So erhielt jeder Schüler auf Kuttern im Moray-Firth eine Segelausbildung. Das Segeln nahm seit Gründung der Schule einen wichtigen Raum im Schulleben ein.

2.2.3.3 Der Ursprung der Outward Bound-Bewegung – die „Erlebnistherapie“ Die nächste Marke, die Kurt Hahn auf der „pädagogischen Landkarte“ setzte, ist die von Gordonstoun ausgegangene Outward-Bound-Bewegung (OBB). Inwieweit sich deren Ursprünge bis nach Salem zurückzuverfolgen lassen, wird in diesem Kapitel dargestellt. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass die weltweit verbreitete OBB den Namen Kurt Hahn mit auf alle Kontinente trug – sie war es, die den deutschen Pädagogen weltbekannt machte. In erster Linie wird jedoch aufgezeigt, was sich hinter dem Begriff „Outward Bound“

250 P. Friese: Kurt Hahn – Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen. Bremerhaven 2000, S. 179. 251 K. Hahn (1935-41): „»… die Public School als Zentrum sozialen Dienstes«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 233. 252 K. Hahn (1935-41): „»… die Public School als Zentrum sozialen Dienstes«“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 234. 253 M. Knoll: „Die Sieben Salemer Gesetze – ein vergessenes Dokument Kurt Hahn (1886-1974) zum Gedenken“. In: Pädagogische Rundschau. 40. Nr. 3 (1986), S. 287. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 62 verbirgt, welches Konzept dahinter steht und warum dieses letztlich im Kontext der United World Colleges eine entscheidende Rolle einnimmt:

Nach der Gründung Salems und Gordonstouns eröffnete Hahn im Oktober 1941 im walisischen Aberdovey eine weitere Schule: die erste „Kurzschule“ (short term school; sie erhielt später die Bezeichnung „Outward Bound School“, worauf die Verfasserin der vorliegenden Arbeit im weiteren Verlauf noch eingehen wird). Diese Kurzschul-Gründung ist als Abschluss eines langjährigen Prozesses anzusehen, in dem Hahns pädagogische Grundpfeiler erprobt wurden.

Dieser Prozess setzte im Jahr 1936 ein, als über die schlechte Fitness der Jugend berichtet wurde. „Als 1936 alarmierende Berichte über die körperliche Untauglichkeit der Jugend die englische Öffentlichkeit bewegen, empfindet Hahn Unruhe darüber, daß er in Salem zwar wesentliche Heilkräfte erkannt und erprobt hat“, so berichtet SCHWARZ254, diese aber noch nicht über die Salemer Schulgrenzen hinaus verbreiten konnte. „Nicht 1941, sondern in dieser inneren Unruhe von 1936 sieht Hahn selbst den eigentlichen Beginn der Kurzschulidee“, erklärt SCHWARZ255. Hier muss das eingeführte „Moray Badge“ erwähnt werden. Noch im selben Jahr führte Hahn gemeinsam mit der nahe gelegenen Tagesschule Elgin Academy dieses nach der Grafschaft Moray benannte Leistungsabzeichen256 ein. Hahn wollte nun den leistungsschwachen Jugendlichen zweiwöchige Trainingskurse in Form von Sommerkursen und damit die Möglichkeit der Verbesserung bieten. Hahn initiiert 1938 in Guisachan und 1939 im schottischen Gordon Castle Sommerkurse von zweiwöchiger Dauer. SCHWARZ schreibt, dass damit „die ersten Spezialschulen für Hahns Erlebnistherapie geschaffen [sind]“257 – obgleich noch zwei (Projekt und Rettungsdienst) der vier Elemente der späteren Hahn’schen Erlebnistherapie fehlen. Dennoch sind diese Kurse als Vorstufe zu den ersten „Short-term schools“ zu sehen. Die Ergebnisse dieser Sommerschulen waren positiv, so dass man nun versuchte, die Kurse zeitlich auszuweiten und eine Freistellung der Jugendlichen von ihren Berufen zu erreichen.

Ein solcher Versuch wurde im August 1940 in einem dreiwöchigen Sommerkurs im walisischen Plas Dinam (hierher wurde die Schule Gordonstoun im Krieg evakuiert), fast 50 Kilometer vom Meer entfernt, durchgeführt. Hahn lud dazu Schüler, Lehrlinge, Seekadetten und Soldaten im Alter von 15 bis 18 Jahren ein. Das Kursprogramm umfasste nun Sport, Expeditionen und Rettungsdienste. Auch hier zeigte sich eine erhebliche Leistungsschwäche der 18-jährigen Soldaten gegenüber den jüngeren Schülern. SCHWARZ hält fest: „Die Notwendigkeit eines vorbereitenden Trainings (,pre-service training’) nicht nur für Armee und Marine wird nach den Erfahrungen in der Summer School in weiten Kreisen offenkundig.“258 Dennoch wurde Hahns Appell an die britische Erziehungsbehörde um finanzielle Unterstützung zurückgewiesen. Dafür jedoch gründeten führende

254 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 50. 255 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 50. 256 Zum Moray Badge schreibt SCHWARZ: „Spezifiziertere Formen der Hilfeleistung – Prüfungen im Rettungsschwimmen und in Wiederbelebung – und Expeditionen von mindestens zweitägiger Dauer treten zu den Übungen in Leichtathletik und Schwimmen hinzu.“ K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 51. In Salem wurde im Gegensatz dazu um ein Sportabzeichen geworben, das sich ausschließlich auf sportliche Leistungen konzentriert. 257 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 52. 258 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 53. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 63

Persönlichkeiten im Dezember 1940 das „County Badge Experimental Committee“, um Hahns Pläne zu unterstützen und das Moray Badge auf alle Grafschaften Großbritanniens auszudehnen.

„Dabei erfahren auf Wunsch von [Julian; Anm. d. Verf.] Huxley und [Lord; Anm. d. Verf.] Lindsay die ursprünglichen Moray-Badge-Bedingungen zwei wesentliche Ergänzungen: Hilfeleistung (,Service’) und Projekt gelten jetzt nicht mehr als fakultativ oder alternativ, sondern werden als obligatorische Bedingungen zum Erwerb des Abzeichens einbezogen. Mit den Bestandteilen körperliches Training, Expedition, Projekt und Hilfeleistung sind somit erstmals die vier Elemente der Erlebnistherapie als gleichwertige Bestandteile in einem Trainingsprogramm zusammengefasst (…)“, erläutert SCHWARZ259.

Die vier Elemente wurden nun erstmals als pädagogische Einheit gesehen. In Bezug auf ihre charakterbildende Wirkung unterstreicht SCHWARZ: „Die eigentliche charakterbildende Wirkung der ,Erlebnistherapie’ wird erst in der gegenseitigen Verzahnung und im tatsächlichen Vollzug des Zusammenspiels ihrer Elemente unter dem gemeinsamen Motiv des ,Erlebnisses’ (…) voll sichtbar.“260 Auf die vier Elemente der Hahn’schen „Erlebnistherapie“ wird in Kapitel 4.3 näher eingegangen, da sie sich auch im Curriculum des International Baccalaureate und somit in den United World Colleges wiederfinden.

Wenn auch nur kurz, so muss hier der Begriff „Erlebnis“ doch zumindest angeleuchtet werden, gab er dem Konzept, der „Therapie“, immerhin ihren Namen. Das Erlebnis im Sinne Hahns sollte nicht nur im Moment der „Therapie“, sondern auch gewissermaßen nachhaltig wirken. SCHWARZ erklärt:

„Erlebnis ist dabei für Hahn nicht einfach etwas zufällig dem jungen Menschen Widerfahrendes, sondern das Endprodukt eines pädagogisch weitgehend vorbedachten Planes. Auf Grund dieser pädagogisch gestalteten Erlebnisse entstehen bei den Jugendlichen jene ,unauslöschlichen Erinnerungen’, die Hahn als ,Kraftquellen’ für entscheidende Augenblicke im späteren Leben ansieht.“261

Um in der von Hahn gewählten medizinischen Terminologie zu bleiben, kann also von einer Therapie gesprochen werden, die kurieren und zugleich präventiv wirken soll. Dies führt SCHWARZ näher aus:

„Entsprechend ist der pädagogische Wert der Erlebnistherapie mit ihrer gegenwärtig- heilenden Wirkung gegenüber den Verfallserscheinungen der Zeit noch nicht erschöpft. Noch bedeutsamer erscheint Hahn die zukünftig-schützende Wirkung der prägenden Erlebnisse (…) in Form ,heilsamer Erinnerungsbilder’ (,helpful memories’) für das spätere Leben. (…) Von James’ [William James; Anm. d. Verf.] Anschauung über ,Association’ lernt Hahn, daß der Intensitätsgrad eines Erlebnisses im späteren Leben bei ähnlichen Erfahrungen für die Wieder-Erinnerung oder Nicht-Erinnerung verantwortlich ist: (…). (…) Aufgabe der Erziehung muß daher sein, eine Vielzahl solcher unauslöschlicher Erinnerungen auf Grund

259 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 53. 260 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 39. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 64

beispielhafter Erlebnisse in den jungen Menschen einzupflanzen. (…) Im Gegensatz zu der auf Übung beruhenden Gewohnheit ist somit hier im wesentlichen nicht die Dauer, sondern die Stärke des Erlebnisses und des handelnden Einsatzes für das spätere Verhalten entscheidend.“262

HÖHLE erklärt das Erlebnis allgemein-theoretisch für den erlebnispädagogischen Raum so:

„Von einem ,Erlebnis’ (…) spricht man in diesem Zusammenhang erst, wenn bestimmte Inhalte als individuell bedeutsam angesehen werden und sich im Gedächtnis über einen längeren Zeitraum (abhängig von der Intensität des Erlebnisses) als positive oder negative Erinnerung einprägen. Erlebnisse heben sich vom Alltäglichen ab. Sie werden als etwas Besonderes empfunden, etwas, das berührt, ergreift und beschäftigt. (…) Die pädagogische Arbeit wird sich an Erlebnissen mit abenteuerlichem Charakter orientieren, die natürlich geplant sind, aber auch überraschende Momente enthalten.“263

Soweit der Exkurs.

Zurück zur Abzeichenbewegung und zur Gründung der ersten Outward Bound-Schule:

Trotz der Unterstützung blieb auch diesmal wieder die erhoffte Resonanz auf das Abzeichen aus. Erst als im Jahr 1956 Prince Philip auf Anfrage Hahns dem County Badge-Konzept seinen Namen gab und es unter dem Titel „The Duke of Edingburgh’s Award“264 angeboten wurde, erfolgte eine schnelle Ausbreitung nicht nur im Lande, sondern im Commonwealth. „Dieses Leistungsabzeichen (…) ist eine erlebnispädagogische Weiterentwicklung des Deutschen Sportabzeichens und der Regeln des Alt-Salemer Bundes“, fasst KNOLL265 zusammen, der damit auch frühere Erziehungselemente Hahns aus dessen Salemer Zeit anspricht266.

Mit FISCHER ist zu konstatieren, dass diese „Abzeichenbewegung 1941 in die Gründung der ersten Kurzschule (Short Term School) [mündete].“267 Diesmal erhielt Kurt Hahn Unterstützung durch den Reeder Lawrence Holt. „Die Gründung der ersten ständigen Schule mit den neuen Erziehungsgrundsätzen im Herbst 1941 in Aberdovey durch Kurt Hahn und den Reeder Lawrence Holt ist der beispielgebende Meilenstein in der weiteren Entwicklung“, schreibt SCHWARZ268. Von hier aus entwickelte sich die Outward Bound-Bewegung. Am 4. Oktober 1941 wurde die Outward Bound See School Aberdovey für regelmäßige Kurse von vierwöchiger Dauer

261 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 39. 262 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 44 f. 263 S. Höhle: „Mit Hoch-Mut“. In: Olympische Jugend. 45. Nr. 8 (2000), S. 18 f. 264 Weitere Informationen hierzu unter anderem bei: P. Carpenter: „Das Herzog von Edinburgh-Leistungsabzeichen“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 248-254. Oder auf der Homepage von „The Duke of Edinburgh’s Award International Association“, www.intaward.org. 265 M. Knoll im Vorwort zu K. Hahn: „Ein Fitness-Abzeichen“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 239. 266 Die Bedingungen des Salemer Bundes, der 1925 gegründet wurde und dessen Mitglieder ehemalige Schüler Salems waren, sah unter anderem ein alljährliches vierwöchiges Training mit dem Ziel des Deutschen Sportabzeichens vor, sowie eine praktische soziale Arbeit. Vgl.: K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 49. 267 T. Fischer: „Die Schulen Kurt Hahns“. In: M. Kallbach u.a. (Hg.): Kindgemäß leben und lernen. Alternative Schulmodelle. Berlin 1991, S. 29. 268 K. Schwarz: „Die Kurzschulen Kurt Hahns“. In: T. Dietrich (Hg.): Die Landerziehungsheimbewegung (= Klinkhardts pädagogische Quellentexte, hg. v. T. Dietrich u.a.). Bad Heilbrunn 1967, S. 156. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 65 auf der Grundlage der vier Elemente der Erlebnistherapie für Jugendliche eröffnet. PRINCE PHILIP, selbst ehemaliger Schüler in Gordonstoun bei Kurt Hahn, schreibt rückblickend:

„The original idea for the four-week courses was derived from a war-time experiment conducted by my old Headmaster, Kurt Hahn of Gordonstoun, in conjunction with Lawrence Holt, the shipowner, who was worried about the unnecessary loss of life at sea when his ships were sunk.”269

Hierin wird auch das Motiv deutlich, das den Reeder Holt, der laut HOGAN „schon seit langer Zeit Hahns Erziehungspraxis [bewunderte]“270, dazu bewegte, sich für das Erziehungsprojekt zu engagieren. SCHWARZ berichtet, dass es Holt auf sich nimmt,

„das notwendige Kapital sowie die Lehrer für die seemännische Ausbildung in der Kurzschule zur Verfügung zu stellen. Erst durch diese Unterstützung ist es möglich, daß die erste ständige Schule mit Hahns Erziehungsgrundsätzen ins Leben gerufen werden konnte.“271

Schließlich war es auch der Reeder Lawrence Holt, der der Schule den programmatischen Namen „Outward Bound School“ gab. Denn nicht der zeitliche Aspekt von vier Wochen Kursdauer sollte den Titel bestimmen („Short term“ – „Kurzschulen“ war später für die deutschen Schulen namensgebend), sondern die inhaltliche Ausrichtung. Der Begriff Outward Bound stammt aus der englischen Seemannssprache und umfasst symbolisch die pädagogische Zielsetzung der Kurse: Die jungen Menschen, die die Kindheit hinter sich gelassen haben und im Übergang zum Erwachsensein stehen, sollten wie ein zu großer Fahrt ausgerüstetes Schiff auf ihre Fahrt ins Leben vorbereitet werden.

Das pädagogische Konzept kam an, wurde ein Erfolg. Allein von 1941 bis 1944 hatten nach Berichten FRIESEs zufolge

„rund tausend junge Menschen aus Handelsmarine, Kriegsmarine, verschiedenen Firmen und Oberschulen in zwanzig Kursen die Outward-Bound-School in Aberdovey durchlaufen und als Multiplikatoren ein breites öffentliches Interesse an dieser Einrichtung geweckt. Die Ausbreitung der Outward-Bound-Bewegung über den gesamten Globus war nicht mehr aufzuhalten, (…).“272

Die vierteilige Erlebnistherapie zielte in ihrer Ganzheit sowohl auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit als auch auf die Charakterbildung ab und gilt somit als ganzheitliches Bildungskonzept. Hahn lehnte in seiner Terminologie an die Medizin an. Er bekräftigte stets: „Wir müssen mehr als erziehen: wir müssen heilen. Ich empfehle die Erlebnistherapie – (…).“273 Die von ihm erkannten („diagnostizierten“) Defizite der

269 Prince Philip, Duke of Edinburgh: „Foreword“ (1957). In: D. James (Hg.): Outward Bound. London 1958, S. ix. 270 J. Hogan: „Die Gründung der ersten Outward Bound-Schule in Aberdovey, Merionethshire“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 273. 271 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S 55. 272 P. Friese: Kurt Hahn – Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen. Bremerhaven 2000, S. 196. 273 K. Hahn (1952): „Kurzschulen”. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn – Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 275. 2.2 Hintergründe des Engagements für ein neues Schulkonzept 66 modernen Zivilisation nannte der Erzieher „Verfallserscheinungen“ oder Krankheiten; die von ihm dagegengesetzten Elemente, die zur Heilung führen sollten, nannte er „Gegengift“. Für HAHN ergeben sich dadurch die folgenden vier Elemente seiner „Therapie“:

„Adressing the Five Diclines in Modern Civilization: These four elements – fitness training, expeditions, projects, rescue service (…). I should like to call them antidotes. (…) There can be no doubt that the young of today have to be protected against certain poisonous effects inherent in present-day civilization. Five social diseases surround them (…). There is the decline in fitness due to the modern methods of locomotion, the decline in initiative, due to the widespread disease of spectatoritis, the decline in care and skill, due to the weakened tradition of craftsmanship, the decline in self-discipline, due to the ever-present availability of tranquilizers and stimulants, the decline of compassion (…).”274

Die Jugendlichen durchliefen ein Charaktertraining, mit dem Hahn vor allem das Verantwortungsgefühl und den Dienst am Mitmenschen steigern wollte – gleich dem Motto der Outward Bound-Schulen: „To serve, to strive and not to yield“. Es sei hier HAHNs vielzitierter Satz aufgeführt, der schließlich dem Pädagogen den Ruf des „Erlebnispädagogen“ einbrachte:

„It is the sin of soul to force young people into opinions – indoctrination is of the devil – but it is culpable neglect not to impel young people into experiences.“275

So gilt Hahn „als der eigentliche ,Vater’ der Erlebnispädagogik, obgleich er diesen pädagogischen Begriff gar nicht gebrauchte“, gibt ZIEGENSPECK276 zu bedenken.

Es bleibt jedoch festzuhalten, dass bei Hahn das Erlebnis das pädagogische Mittel der Wahl ist: Durch Erlebnisse sollen junge Menschen in ihrer Persönlichkeit entwickelt und in der Bewährung der eigenen Potentiale gewahr werden277. Ein Aspekt, der als zeitlos anzuerkennen ist. Zudem sieht unabhängig davon auch LORENZ, dass die „gesellschaftskritische Grundlage seiner [Hahns; Anm. d. Verf.] ,Erlebnistherapie’ auch heute ihre aktuellen Entsprechungen [findet]“278.

Schließlich gilt es, einen weiteren Aspekt hervorzuheben: Das erlebnistherapeutische Konzept brachte Kurt Hahn auch den Ruf eines Friedenspädagogen ein – nicht erst die auf Völkerverständigung ausgerichteten United World Colleges. Bezug genommen wird hier auf das dominierende Element im Viererbund der Erlebnistherapie (gemeinsam mit den Elementen körperliches Training, Expedition und Projekt), nämlich auf den Rettungsdienst.

274 K. Hahn (1960): „Outward Bound”. Address at the Annual Meeting of the Outward Bound Trust (20. Juli 1960). www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf. (Datum des Zugriffs: 27.10.2006), S. 7. 275 K. Hahn (1965): „Harrogate Address on Outward Bound”. Address at the Conference at Harrogate (9. Mai 1965). www.kurthahn.org/writings/gate.pdf. (Datum des Zugriffs: 27.10.2006), S. 3. 276 J. Ziegenspeck: „Erlebnispädagogik“. In: Zeitschrift für Erlebnispädagogik. 13. 1 (1993), S. 9. 277 Das Wesentliche des Charaktertrainings beschreibt MACKINTOSH wie folgt: „The claim is made that in actually living up to the motto ‘to serve, to strive and not to yield’ the boy discovers himself and something of his potentialities, and that the deep satisfaction that comes of successful achievement is not so much the outcome of winning against the rock face or the sea as in winning against himself.” H. S. Mackintosh: „Character Training and the Contribution made by Outward Bound”. In: D. James (Hg.): Outward Bound. London 1958, S. 169. 278 H. Lorenz: „Editorial“. In: be-trifft. Jubiläumsausgabe. Nr. 2 (2002). S. 3. 2.3 Das pädagogische Konzept für die Atlantic Colleges 67

So findet sich bei KNOLL die Einschätzung, dass Hahn mit der Idee der Erlebnistherapie, „einen unschätzbaren Beitrag zur Sozial- und Friedenserziehung“279 geleistet hat, zumal Hahn – wie KNOLL sagt – „nicht das Kind ins Zentrum der erzieherischen Bemühungen stellt, sondern den Jugendlichen“280.

HÄNDEL/ZIEGENSPECK bringen in dem Zusammenhang noch einmal den historischen Kontext zur Sprache und betonen Hahn’s pädagogische Friedensarbeit,

„die er 1941, mitten im Krieg, begonnen hat. Als damals die erste Kurzschule der Welt in Aberdovey gegründet wurde, ging es nur darum, schiffbrüchigen jungen Seeleuten mehr Zuversicht und den Willen zum Überleben in einer heillosen Welt zu vermitteln. Aber Hahn ging noch weiter. In einer Zeit, in der alle Kräfte der Jugend darauf gerichtet wurden, einander umzubringen, brachte er ihnen bei, wie man sich gegenseitig rettet.“281

Dieses Motiv scheint den Schulgründer Hahn stets geleitet zu haben: Der Erste und Zweite Weltkrieg sowie der Kalte Krieg veranlassten ihn, pädagogische Gegenpole zu setzen. Er reagierte damit auf die aktuellen politischen Situationen. Dabei waren für ihn sowohl die Herausbildung der Verantwortungs- und Tatenbereitschaft (im Sinne vom Dienst am Nächsten) sowie der Wunsch, die Völker miteinander zu verbinden, gar zu verbrüdern, oberstes Anliegen seiner pädagogischen Arbeit.

Die Aufzeichnung der pädagogischen Leitlinien von Kurt Hahn, die sich wie ein roter Faden durch seine Bildungseinrichtungen ziehen, sind demnach auch so fundamental wichtig, um das Konzept der United World Colleges in ihrer Anlage nachvollziehen zu können. Die UWC stehen – der Historie folgend – nun als nächste Wegmarke an.

2.3 Das pädagogische Konzept für die Atlantic Colleges Nach der Gründung der Internate Salem und Gordonstoun folgte die dritte Schulgründung: das erste von heute 13 United World Colleges, das Atlantic College St. Donat’s Castle in Wales. Diese Schule setzte nicht nur den Schlusspunkt in der Reihe der Hahn’schen Internatsgründungen, sondern die United World Colleges waren, wie JAMES es bezeichnet, Hahns „crowning achievement“282. Wie im Vorangegangenen dargestellt, wollte Hahn den zeitgeschichtlichen, respektive politischen Verhältnissen mit pädagogischen Mitteln begegnen. So kommt SKIDELSKY folgerichtig zu dem Schluss, dass Hahn mit dem Atlantic College eine Schule konzipierte, „in der durch Erziehung jenes Verständnis geschaffen werden sollte, das die Politik nicht zu bewirken imstande gewesen war“283. Den Schülern sollte die Möglichkeit gegeben werden, in einer kleinen Gemeinschaft neben dem eigenen auch das andere Land kennen und lieben zu lernen (s. Kap. 3.1.2.1) und damit laut Hahn einen Schritt „auf dem

279 M. Knoll: „Einführung“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 9. 280 M. Knoll: „Einführung“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 10. 281 U. Händel/J. Ziegenspeck: „Kurzschulen. Pädagogik mit Segeln und Bergsteigen“. In: betrifft:erziehung. 16. Nr. 12 (1983), S. 63. 282 T. James (2000): „Kurt Hahn and the Aims of Education“. www.kurthahn.org/writings/james.pdf. (Datum des Zugriff: 27.10.2006), S. 13. 283 R. Skidelsky: Schulen von gestern für morgen. Reinbek bei Hamburg 1975, S. 173. 2.3 Das pädagogische Konzept für die Atlantic Colleges 68

Weg zu einem Atlantischen Staatsbürgertum“284 zu gehen. FISCHER bezeichnet das atlantische Staatsbürgertum als „Sinnbild und Voraussetzung internationaler Zusammenarbeit“285. Das eigentliche Ziel ist damit umrissen: die Förderung der Völkerverständigung.

Doch zunächst: Wer sollte auf die Schulen gehen? Wo sollten sie entstehen? Was war ihr Ziel? Und mit welchen Mitteln sollte es erreicht werden? Auf all diese Fragen gab Kurt Hahn am 13. September 1957 in Brügge in einer programmatischen Rede klare Antworten und beschrieb das Konzept der „Atlantischen Internate“. In dieser Rede fasste der 71- Jährige zunächst die Erfahrungen von Lawrence Darvall als Kommandant des NATO-Defense College in Paris zusammen, die zu dem Plan der Atlantischen Schulen führten. Als nächstes folgte die Diagnose der „seelischen Lage der heutigen Jugend“ in der atlantischen Gemeinschaft, in der die „Ohne-mich-Bewegung“ blühe. Diese Einstellung der Teilnahmslosigkeit führte Hahn auf eine „Reihe sozialer Seuchen“ zurück: den Verfall der körperlichen Tauglichkeit, der Initiative und des Erbarmens. Schließlich stellte Hahn in der Rede den Plan der Atlantischen Internate vor. Man wollte die Jugendlichen für

Betätigungen gewinnen, „die ihnen seelische Gesundheit bringen“, so Abbildung 3 - Kurt Hahn (im Alter von 80 Jahren). HAHN. Foto: Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem

 Es sollten zunächst sechs Internate entstehen: in Deutschland, England, Frankreich, den USA, Kanada und Griechenland (ob diese Reihenfolge bewusst gewählt wurde, ist unklar. Bis heute gibt es nur in dreien der genannten Länder ein UWC).

 Als Schulabschluss war ein Abitur angedacht, „das von allen freien Nationen anerkannt würde, und eines Tages auch von den Satelliten“286, so plante HAHN. Damit hat er bereits die Notwendigkeit für eine zunehmend mobile Gesellschaft erkannt, der letztlich mit der Einrichtung des International Baccalaureate Rechnung getragen wurde (vgl. Kap. 4). Zudem würde dieser international anerkannte Schulabschluss auch eine Erleichterung für die Schüler bedeuten, sich in der atlantischen Gemeinschaft (s.o. „freien Nationen“) zu bewegen.

 Der Schwerpunkt im Internatsleben sollte im Rettungsdienst liegen. HAHN: „Der Rettungsdienst soll eine entscheidende Rolle im Gemeinschaftsleben spielen.“287

 Bereits von Anfang an sah Hahn ein Schüler-Auswahlverfahren vor, bei dem die Schüler – zunächst aus den fünf Natoländern kommend – „sorgsam auszuwählen [wären] ohne Rücksicht auf soziale Herkunft

284 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 284. 285 T. Fischer: „Die Schulen Kurt Hahns“. In: M. Kallbach, J. Wichmann (Hg.): Kindgemäß lernen : Alternative Schulmodelle. Berlin 1991, S. 33. 286 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 287 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 2.3 Das pädagogische Konzept für die Atlantic Colleges 69

und die finanzielle Lage ihrer Eltern.“288 Damit wird – neben dem Auswahlverfahren – indirekt ein Stipendiatentum angesprochen, um geeigneten Kandidaten auch ohne finanzielle Eigenmittel den Schulzugang zu ermöglichen. (In einer Rede, gehalten 1960 beim Jahrestreffen des Outward Bound Trusts, konkretisierte HAHN das Eintrittsalter der Schüler sowie die Länge ihres Schulaufenthaltes: „Boys will come at the age of 16 or 17 for two or three years (…).“289)

 Die Einrichtung so genannter „nationaler Häuser“ sollte den Jugendlichen der jeweiligen Nation als „eine Art Zufluchtshort“ dienen. „Der Zweck dieser Einrichtung wäre“, so erklärte HAHN, „die Jungen nicht ihrer Heimat zu entfremden.“290

 Interessant ist nun das eigentliche pädagogische Konzept, das Hahn hier vorlegte: Es beinhaltet die Elemente seiner Erlebnistherapie, die er bis dato entwickelt hatte und die in den Kurz-Schulen angeboten wurden (vgl. Kap. 2.2.3.3). Damit nennt er auch die Mittel, die er den in der Rede bereits erwähnten „sozialen Seuchen“ entgegensetzen will. Die Erfahrungen seiner bisherigen Lehrtätigkeit fließen also hier mit ein. Da die Elemente von entscheidender Bedeutung sind, wird HAHN an dieser Stelle ausführlicher zitiert. Er erklärt: „Die Jungen würden ein Training durchmachen, das geeignet ist, jene vitale Gesundheit aufzubauen, um die die totalitären Machthaber sich so eifrig bemühen, die aber innerhalb der herrschenden Erziehungsmethoden des Westens nachlässig behandelt wird. Der Stundenplan wird demzufolge Betätigungen einschließen, die Initiative und Tatkraft verlangen, die Zähigkeit des Durchhaltens, Umsicht und Voraussicht üben: Durch Expeditionen in die Berge oder Fahrten auf hoher See in Segelschiffen. Wir wollen diese Kräfte planmäßig entwickeln und zum Einsatz in der Not der Mitmenschen bringen. Das kann am besten geschehen durch eine sorgsame Ausbildung in den verschiedenen Zweigen des Rettungsdienstes mit dem Ziel, die Jungen fähig zu machen, sich im Ernstfall zu bewähren, als Mitglieder der Feuerwehr, der Küstenwache oder der Bergwacht.“291 Damit sind ausdrücklich die Elemente körperliches Training, Expedition und Rettungsdienst für das Curriculum vorgesehen.

Im weiteren Verlauf seiner Rede betont Hahn noch einmal die Wichtigkeit des aktiven Rettungsdienstes, der „die menschliche Natur zu ihrer höchsten Dynamik bringt“292.

Das übergeordnete Ziel der Völkerverständigung, das mit der Einrichtung der Atlantischen Internate angestrebt wurde, ist in der Literatur der zentral hervorgehobene und reflektierte Aspekt. Schließlich wollte HAHN mit dem Atlantic College in Zeiten des Kalten Krieges einen Gegenpol setzen und auf die politische Situation mit pädagogischen Mitteln reagieren. Er wollte nicht nur eine Gruppe von Schulen aufbauen, die der Verständigung

288 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 289 K. Hahn (1960): „Outward Bound”. Address at the Annual Meeting of the Outward Bound Trust (20. Juli 1960). www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf. (Datum des Zugriffs: 27.10.2006), S. 12. 290 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 291 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 292 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 284. 2.3 Das pädagogische Konzept für die Atlantic Colleges 70 unter den westlichen Staaten dienen sollte, sondern auch, um zu einer Verständigung über die Grenzen der beiden Blöcke hinweg zu gelangen. HAHN: „Die Jungen würden aus den fünf Natoländern kommen, aus neutralen Ländern, später vielleicht aus Polen und anderen Satellitenländern, und eines Tages, so hoffen wir, auch aus Rußland.“293

Hier ein kleiner Querschnitt durch die Literatur: KNOLL erklärt zum Beispiel, dass Hahn „mit seinem letzten großen Schulprojekt noch mehr als sonst zur internationalen Verständigung beitragen [wollte]“294. Laut FRIESE wollte Hahn „eine europäische Keimzelle für internationale Völkerverständigung schaffen“295. PIELORZ führt den Gedanken fort zu dem übergeordneten Ziel des Friedens und schreibt, dass es die Gründungsabsicht war, „eine weltweite Bewegung zu schaffen, die im erzieherischen Dienst des Friedens stehen sollte.“296 FISCHER bewertet das Ziel der einzurichtenden Internate als „originell, notwendig und zeitgemäß“297. Und auch Flavin bezieht in seiner Darstellung die damaligen aktuellen Verhältnisse mit ein, indem Einsatz von Gewalt durch Verständnis ersetzt werden soll. So war laut FLAVIN die Idee, „to bring together young people from around the world to promote an understanding which would in time supplant the use of force. The dream was of elite schools whose alumni (…) could pick up the telephone and reach classmates in corridors of power, but now across the world.”298 Für SUTCLIFFE war die Idee der Atlantic Colleges „originell, phantasievoll, weitsichtig und realistisch“299, wohingegen in einem Artikel der britischen Zeitung „The Observer“ aus dem Jahr 1960 die Internate als „idealistic“ bezeichnet werden300.

Welches Mittels bedient sich der Pädagoge nun, um sein Ziel zu erreichen? Es ist gleichermaßen simpel wie naheliegend: Um Verständnis füreinander zu entwickeln und Vorurteile abzubauen, gilt es zunächst einmal, sich kennenzulernen. So werden die jungen Menschen aus unterschiedlichen Ländern im Internat für die Dauer von zwei Jahren zu einer Gemeinschaft zusammengeführt301. Die Internationalität wird damit zum konstituierenden Moment. HOARE, erster Schulleiter des Atlantic College, stellt fest, dass es nicht genüge, nationale Schranken zwischen einzelnen Nationen zu beseitigen. Er erklärt, dass die Schüler „die verschiedenartigen Denkweisen und Charakterzüge anderer Völker kennenlernen [sollen]. Sie sollen die Besonderheiten anderer Nationen und anderer

293 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 294 M. Knoll: Einführung zu K. Hahn: „Schulen der Nationalitäten“, in: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 87. 295 P. Friese: Kurt Hahn – Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen. Bremerhaven 2000, S. 239. 296 A. Pielorz: „Atlantic College“. In: erleben und lernen. 1. Nr. 1 (1993), S. 16. 297 T. Fischer: Die United-World-Colleges. (= Kleine Schriften zur Erlebnispädagogik, hg. v. J. Ziegenspeck, Heft 11). Lüneburg 1991, S. 11. 298 M. Flavin: Kurt Hahn’s Schools & Legacy. Wilmington 1996, S. 43. 299 D. Sutcliffe: „Oberstufen-Kollegs im Geiste Kurt Hahns“. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 362. 300 N.N.: „Character Builder“. In: The Observer, 13. November 1960. 301 An dieser Stelle sei auf folgende wissenschaftliche Annahme bezüglich der Einstellungen gegenüber fremden Gruppen hingewiesen, wie sie bereits 1966 von KARSTEN formuliert wurde: „Allgemein nimmt man an, daß vorurteilsvolles Denken am ehesten eingeschränkt wird, wenn die Kontakte zwischen Menschen herbeigeführt werden, die ungefähr einen gleichen sozialen Status einnehmen, wenn von allen Partnern ein übergreifendes Ziel angestrebt wird und eine gemeinsame Aufgabe gelöst werden muß, ferner wenn diese Zusammenarbeit eine längere Zeit in Anspruch nimmt. Diese Punkte sollte man sich vor Augen halten, wenn Programme aufgestellt werden, die auf Grund der einfachen Begegnung zwischen den Angehörigen verschiedener Nationen internationale Beziehungen fördern sollen.“ A. Karsten: „Methoden zur Erforschung von Gruppenbeziehungen“. In: D. Danckwortt (Bearb.): Internationale Beziehungen (= Politische Psychologie. Eine Schriftenreihe, hg. v. K. Aurin u.a., Band 5). Frankfurt 1966, S. 48. Die genannten Aspekte (gleicher sozialer Status, übergreifendes Ziel, gemeinsame Aufgabe, längere Zeit) decken sich mit denen der UWC. 2.3 Das pädagogische Konzept für die Atlantic Colleges 71

Kulturen verstehen und schätzen lernen, ohne jedoch ihrer eigenen Heimat und ihrer eigenen Kultur entfremdet zu werden.“302

Es ist davon auszugehen, dass das Leben in einem international besetzten Internat ohnehin – fernab von curricularer Verordnung – zur Auseinandersetzung mit den verschiedenen Nationalitäten auffordert und damit zum Alltag der Schüler gehört. Die Tatsache, dass sich die Jugendlichen, die ein United World College besuchen wollen, bewerben und einem Auswahlverfahren unterziehen müssen, setzt ihren grundsätzlichen Willen und ihre Bereitschaft zur Verständigung voraus, was zudem verbunden ist mit der Notwendigkeit, die eigene Heimat zu verlassen und sich in einer (zumeist) fremden Sprache verständigen zu müssen. Der Pädagoge Kurt Hahn setzt mit seinem Konzept ganz bewusst nicht bereits im Kindesalter an, sondern (erst) an der Schwelle zum Erwachsenenalter. Die Schüler sollten einerseits in ihrer eigenen Kultur bereits verwurzelt, andererseits aber noch empfindsam und empfänglich genug sein, um von anderen zu lernen. Dementsprechend ist der Homepage von UWC (International) zu entnehmen: „He [Hahn; Anm. d. Verf.] envisaged a college for students aged 16 to 18 who were already grounded in their own cultures but impressionable enough to learn from others.”303

In seinem Konzept für die Atlantischen Internate legt Hahn den Fokus auf die nicht-akademischen Aufgabenbereiche. Es ist zwar ein Schulabschluss angestrebt, der den Universitätszugang in verschiedenen Ländern ermöglichen soll, doch konzentriert sich Hahn mit seinem pädagogischen Programm auf die Aktivitäten außerhalb des Klassenzimmers, nämlich auf den Gemeinschaftsdienst, den Dienst am Nächsten. Es sind für Hahn vor allem „jene gesunden Betätigungen (…), die in den Atlantischen Internaten den Ehrenplatz haben“304.

2.3.1 Die Rolle der Umgebung An dieser Stelle wird die Rolle der Umgebung der Colleges kurz angesprochen, da der Standort nicht unbedeutend für die Verwirklichung des pädagogischen Konzeptes ist. So stellte HAHN 1957 in seinem für die Internate vorgelegten Plan das Ziel auf, dass sie „wenn möglich in der Nähe vom Gebirge, vom Meer und von Seen“305 liegen sollten. DARVALL begründet die Nähe zu Meer und Bergen damit, „to obtain the opportunity of the challenge of adventure”306.

„Adventure“, das Abenteuer, spielt in Hahns „Erlebnistherapie” eine wichtige Rolle. Er setzte es als Erziehungsmittel ein, um durch dieses auf die Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen einwirken zu können (es sei hier verwiesen auf den Leitgedanken der englischen Kurzschulen: „Character Training through Adventure“307). Hahn wollte den Jugendlichen die ursprüngliche Form eines Erlebnisraumes bieten. Dieser sollte vor allem für die Elemente Rettungsdienst und Expedition genutzt werden. (Auf die Persönlichkeitsentwicklung

302 D. J. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 237 f. 303 2007 United World Colleges (International): „UWC – A History“. www.uwc.org/about_us/history1 (Datum des Zugriffs: 24.3.2008). 304 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 284 f. 305 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 306 L. Darvall: „Education as a basis for international co-operation“. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, o. J. (Anm. d. Verf.: Es muss sich um einen Artikel von Beginn des Jahres 1957 handeln, da einleitend erklärt wird, dass der Autor kürzlich als Kommandant des NATO Defence College in Paris zurückgetreten sei. Dies war Ende 1956.) 307 Angegeben in: K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 58. 2.4 Das erste Atlantic College: St. Donat’s Castle in Wales 72 durch die Bewährung in der Herausforderung wird in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht näher eingegangen, da diese Thematik vor allem das Feld der Erlebnispädagogik betrifft). So stellen denn auch für HOARE, den ersten Schulleiter des Atlantic College St. Donat’s Castle, das Meer und die Felsen „für die Abenteuerlustigen eine unmittelbare Herausforderung dar, aber auch für die Zaghaften sind sie nach gründlicher Ausbildung ein Ansporn.“308 HOGAN, ehemaliger Kurator der Outward Bound Sea School in Aberdovey, berichtet, dass Kurt Hahn „sich in hohem Maße der versteckten Wirkung bewußt [war], die von der Umgebung auf den Menschen ausgeht, und wählte die Häuser, in denen seine Schulen untergebracht werden sollten, gleichermaßen nach ihrer ,Atmosphäre’ und äußerem Bild wie nach ihrer praktischen Verwendbarkeit aus.“309 Hahn selbst berichtete in einem Rundfunkvortrag 1934 über die Landschaft, die das Internat Salem umgibt, dass sie bereits „eine stärkende Wirkung auf die Unternehmungslust“310 hat.

So wurde auch der Standort für das erste Atlantic College zielgerichtet ausgewählt: es liegt am zerklüfteten und felsigen Ufer des Bristol Channel, zudem 30 Kilometer südlich von den Black Mountains. Der Standort ist prädestiniert für die Ausbildung in Rettungsdiensten und zur Seeausbildung. Durch die Einbeziehung der natürlichen Gegebenheiten erlangen die Einsätze Authentizität.

WEBER sieht in der Nutzung der geographischen Lage als pädagogische Möglichkeit eine Kontinuität bei Hahn. Sie sagt: „Hahn hat immer versucht, die pädagogischen Möglichkeiten (…), die sich aus der geographischen Lage ergaben, (…) zu nutzen.“311 Hat er zunächst (in Salem) die gegebene Lage „nur“ genutzt, so ging er später dazu über, dass die Standorte der Atlantic Colleges gleich auf deren pädagogischen Nutzbarkeitswert hin ausgesucht werden sollten.

2.4 Das erste Atlantic College: St. Donat’s Castle in Wales Da mit dem Atlantic College St. Donat’s Castle die UWC-Bewegung eingeleitet wurde, und Kurt Hahn und Lawrence Darvall an diesem Schulprojekt noch selbst direkt mitgewirkt haben, wird im Folgenden seine Gründungsgeschichte, sein pädagogischer Aufbau und der dabei federführende Personenkreis näher vorgestellt. Insofern kann dieses College als Musterbeispiel angesehen werden. SKIDELSKY erklärt, dass Großbritannien „als die passende Startrampe für das erste dieser Colleges ausgewählt“312 wurde. Diese Wahl lag obendrein wohl auch von vornherein auf der Hand, da aus diesem Land die Hauptgeldgeber kamen, und Hahn nach seiner Emigration aus Deutschland von hier aus weiter wirkte.

308 D. J. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 243. 309 J. M. Hogan: „Die Gründung der ersten Outward Bound-Schule“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 275. 310 K. Hahn (1934): „Ein Internat in Deutschland“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 61. 311 H. Weber: Die deutschen Kurzschulen: historischer Rückblick – gegenwärtige Situation – Perspektiven. Weinheim 1983, S. 40. 312 R. Skidelsky: Schulen von gestern für morgen. Reinbek bei Hamburg 1975, S. 174. 2.4 Das erste Atlantic College: St. Donat’s Castle in Wales 73

2.4.1 Die Gründungsgeschichte: Finanzierung „Ein zäher, schlauer Wille, der Traum in Wirklichkeit umsetzt, hat hier gewaltet“313, resümiert MANN das entschlossene Wirken Hahns, das sowohl für Salem als auch für die Gründung des Atlantic College gelte. Schließlich musste für die Finanzierung gesorgt und nach Mitarbeitern gesucht werden. Zu diesem Zweck wurde 1960 ein provisorisches Komitee mit Persönlichkeiten aus den verschiedensten Bereichen des öffentlichen Lebens gegründet. Ihm gehörten, laut Hoare, neben Darvall und Hahn unter anderen an:

 Lord Alexander Fleck, u.a. von 1953 bis 1960 Vorsitzender von Imperial Chemical Industries, 1963 Präsident der Royal Institution of Great Britain, einer Organisation, die sich der wissenschaftlichen Bildung und Forschung widmet,

 Richard Hornby, britischer Politiker der Konservativen Partei sowie Geschäftsmann,

 Alec D. C. Peterson, Direktor des Oxforder Instituts für Erziehung und späterer Generaldirektor des International Baccalaureate Office in Genf,

 Sir Spencer Summers, britischer Politiker der Konservativen Partei,

 Eric Warburg, deutsch-US-amerikanischer Bankier jüdischer Herkunft, der 1938 vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen war. 1952 gründete er mit der Publizistin und „Zeit“- Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff den Verein „Atlantik-Brücke“, der an der deutsch-amerikanischen Aussöhnung beteiligt war und heute intellektuellen und personalen Austausch ermöglicht. Warburg gilt als engagierter Förderer eines freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Deutschland und den USA.

Wie HOARE berichtet, schlossen sich viele andere „inoffiziell dem Unternehmen an“314. Zum Vorsitzenden dieses provisorischen Komitees ernannte man Lawrence Darvall, der später auch den Vorsitz des Atlantic College Council inne hatte. Da es sich um eine private und keine staatliche Schulgründung handelte, mussten Gönner und Stifter gefunden werden. Als Erster wird in diesem Zusammenhang stets der Name Antonin Besse genannt, der als Finanzier eine entscheidende Rolle spielte. „Durch die großzügige Spende von £ 60 000 durch Monsieur Antonin Besse war es möglich, St. Donat’s zu erwerben“, erinnert sich HOARE315. Er zählt auch die weiteren Geldgeber und ihre Finanzbeiträge für die Unternehmung auf316. PETERSON, einer der Kommissions-Mitglieder, erinnert in einem Rückblick daran, dass sich zur Geldbeschaffung die damalige Situation als günstig erwies:

„Fund-raising is never easy, but the 1960s were a relatively good time in which to seek funds for idealistic and international projects. Capital donations came mainly from British industry,

313 G. Mann: „Kurt Hahn als Politiker“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 9. 314 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 235. 315 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 236. 316 „Weitere £ 30 000 wurden von drei anonymen Stiftern gespendet, zwei Engländern und einem Amerikaner. (…) Bedeutsam ist, daß die englische Regierung und die deutsche Bundesregierung £ 80 000 bzw. £ 70 000 gestiftet haben. Dazu kommen noch die sehr beträchtlichen Summen, die aus staatlichen Quellen dieser beiden Länder für Stipendien zur Verfügung gestellt werden. 70 % der gesamten Kapitalinvestierung für das englische College stammen aus englischen Quellen, darunter allein £ 270 000 von dem Dulverton Trust. Die amerikanische Ford-Stiftung gab £ 50 000.“ D. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 236. 2.4 Das erste Atlantic College: St. Donat’s Castle in Wales 74

particularly the steel companies in Wales, followed by some of the big foundations, above all the Dulverton Trust and the Bernard Sunley Foundation (…).“317

In der Geschichte der United World Colleges wird Antonin Besse, „a Frenchman and close friend of Kurt Hahn“318, der die Unternehmung mitermöglichte durch seine Schenkung des Schlosses St. Donat’s Castle und des Grundstückes, auch auf der Homepage von UWC International namentlich hervorgehoben und in die Reihe der großen Drei (Hahn, Hoare, Darvall) gestellt: „The College was the fruit of Kurt Hahn’s vision and the work of men such as the founding Headmaster Rear Admiral Desmond Hoare, Antonin Besse, who made the extraordinary donation of St Donat’s Castle for the College’s premises, and Air Marshal Sir Lawrence Darvall.“319 HÖPFL schreibt in einem Artikel der „FAZ“, dass die Stiftung von Besse an eine Bedingung geknüpft war, nämlich „daß das erste College in Großbritannien gegründet werde. Sein [Besses; Anm. d. Verf.] Vater war der Stifter des 1950 gegründeten St. Antony’s College in Oxford.“320 Im Herbst 1960 wurde St. Donat’s Castle, ein aus dem 14. Jahrhundert stammendes, in der südwalisischen Grafschaft Glamorgan über dem Meer gelegenes Schloss, erworben. Zwei Jahre später, am 3. Oktober 1962, wurde das Internat offiziell eröffnet. Auf der UWC-Homepage wird die britische Zeitung „The Times“ zitiert, die die Eröffnung des Atlantic College freudig begrüßte als „the most exciting experiment in education since the Second Word War“321.

2.4.2 Die Gründungsgeschichte: Curricularer Anfang Da es sich um eine Schulgründung von Kurt Hahn handelt, ist auch seine Handschrift klar zu erkennen. Die Inhalte, die er in seinem pädagogischen Konzept für die Atlantic Colleges vorsah (siehe Kap. 2.3) finden sich – wie dargestellt werden wird – auch im Lehrplan wieder. Dabei wollte man von Anfang an keine Imitation vorangegangener Einrichtungen wie Gordonstoun oder Outward Bound sein. David SUTCLIFFE, der zuerst vier Jahre in Salem, dann ein Jahr in Gordonstoun tätig war und von 1969 bis 1982 auch als Internatsleiter am Atlantic College, zählt auf, was es in den ersten Jahren des Atlantic College St. Donat’s Castle zu beweisen galt:

„- that it was not simply an ‘international Gordonstoun’ - that it was not an Outward Bound School - that it believed in and practised high academic standards whilst being concerned first and foremost with human attitudes - that it was a loyal expression of Kurt Hahn’s ideas but not a slavish one, and that it was open to many other influences as well.“322

Die Hahn’schen Ideen gaben das Grundgerüst und die Ausrichtung vor. Ziel des zweijährigen Oberstufen- Internats war es von Beginn an – wie es auch HAHN in seinem Plan vorsah –, die Jungen auf ein Abitur

317 A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 7. 318 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 86. 319 2007 United World Colleges (International): „UWC – A History“. www.uwc.org/about_us/history1 (Datum des Zugriff: 24.3.2008). 320 H. Höpfl: „Das erste Atlantic College. Musterbeispiel eines internationalen Internats“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 164 vom 18.7.1964. 321 2007 United World Colleges (International): „UWC – A History“. www.uwc.org/about_us/history1 (Datum des Zugriffs: 24.3.2008). 2.4 Das erste Atlantic College: St. Donat’s Castle in Wales 75 vorzubereiten, „das von allen freien Nationen anerkannt würde, und eines Tages auch von den Satelliten.“323 Hahn wollte, dass den Schülern der Universitätszugang in ihrem Heimatland ermöglicht würde, auch ohne dass sie in ihrem Heimatland den Schulabschluss gemacht hätten. So erwies der Pädagoge der international zusammengesetzten und orientierten Schülerschaft einen wertvollen Dienst, indem schon bald daran gearbeitet wurde, den Schülern einen international anerkannten Schulabschluss zu ermöglichen. SKIDELSKY rückt in diesem Zusammenhang ins Bewusstsein, dass in den Anfangsjahren „viel Zeit damit vertan [wurde], über äquivalente Abschlüsse zu verhandeln, die den Zugang zu den jeweiligen nationalen Universitäten erlaubten. (…) Das Endziel ist die Einrichtung eines Internationalen Bakkalaureats.“324 Denn schließlich waren Schüler aus unterschiedlichen Nationen am College vertreten und einen international anerkannten Schulabschluss gab es noch nicht. Dieser wurde mit dem Internationalen Bakkalaureat (IB) angestrebt (vgl. Kap. 4).

Zunächst wurde das Problem aber noch dahingehend gelöst, als dass – wie SUTCLIFFE berichtet – die Schüler in ihren Heimatländern aufgrund einer vereinbarten Kombination Universitäten besuchen konnten:

„The students, now 240, were entering universities in their home countries on agreed combinations of British ‘A’ level examinations and supporting subsidiary level courses. The countries of student origin extended well beyond the Atlantic Alliance (…). (…) In 1971, the College decided that it would abandon the British system of examination in favour of the still largely unproven International Baccalaureate. Thus was the stage set for larger things.“325

Vor der Schuleröffnung im Oktober 1962 hatten Robert Blackburn und Alex Peterson den gesamten Sommer über an der Ausarbeitung des akademischen Curriculums gearbeitet. PETERSON erklärt die Problematik:

„The problem was not an easy one. (…) Entry to universities (…) was (…) dependent on performance in examinations – the baccalauréat, the GCE, the Abitur, the matura, and so forth. These examinations were based on differing curricula.”326

Die Aufteilung der Schülerschaft in nationale Unterrichtsgruppen galt es aber auf jeden Fall zu verhindern, da dies ansonsten die Aufgabe des Kardinalprinzips bedeutet hätte. So lag die einzige Lösung zunächst darin, den wissenschaftlichen Lehrplan auf dem Advanced Level (‚A’ level) of the British General Certificate of Education (GCE) zu begründen. Ein erfolgreicher Prüfungsabschluss berechtigte die Schüler, sich für den Universitätszugang in den (bis 1976 – wobei Griechenland von 1967 bis 1974 suspendiert war) 17 Mitgliedsstaaten des Europäischen Rats zu bewerben.327 Einige Länder – darunter auch Deutschland – forderten eine Zusatzprüfung für die Nostrifizierung.

322 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges”. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 89. 323 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 324 R. Skidelsky: Schulen von gestern für morgen. Reinbek bei Hamburg 1975, S. 174. 325 D. Sutcliffe: „The United World Colleges“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 29. 326 A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 9 f. 327 Allerdings zeigten sich hier vor allem bildungserzieherische Probleme, da laut Peterson „the English sixth-form course leading to A-levels was by far the narrowest and most specialised in the world.” A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 11. Weitere Ausführungen zur 2.4 Das erste Atlantic College: St. Donat’s Castle in Wales 76

Allerdings gab es fundamentale erzieherische Bedenken „to using the national curriculum and examinations of any one country and then relying on ,equivalence’”328, erinnert sich PETERSON. Jedes Land biete naturgemäß vom Standpunkt des Curriculums stark national ausgerichtete Programme an; „none was internationally oriented“329, erklärt PETERSON.

Das Atlantic College nahm schließlich eine führende Rolle in der Entwicklung des International Baccalaureate ein (s. Kap. 4), um für all seine Schüler die gleichen Startbedingungen und einen gleichen Wissensstand für eine weitere Universitätslaufbahn zu schaffen.

Den Ausführungen von Desmond Hoare, dem ersten Schulleiter des Atlantic College St. Donat’s Castle, in einem Buchbeitrag mit dem Titel „Das Atlantic College“330 sind Einzelheiten über den konkreten, wissenschaftlichen Stundenplan zu entnehmen. Seinen Buchbeitrag verfasste er vier Jahre nach Gründung der Schule. In seinem Fazit über das bis dahin Geleistete kommt er zu folgendem Schluss:

„Es kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß es für durchschnittlich begabte Schüler durchaus möglich ist, ihre Unterrichtssprache und ihr Bildungssystem zu wechseln, ohne die Zulassung zur Universität im eigenen Land zu gefährden, und daß solche Schüler für ihr Hochschulstudium eine breitere geistige Grundlage mitbringen. Konkrete Fortschritte in der Anerkennung ausländischer Zeugnisse sind gemacht worden.“331

Aus dem oben genannten Buchbeitrag sind hier die wichtigsten Punkte zusammengefasst:

 Ein Schuljahr ist in zwei Halbjahre mit insgesamt 36 Unterrichtswochen unterteilt. Jedes Schulhalbjahr enthält zusätzlich eine Woche für Expeditionen oder eine größere, eigene, selbst gewählte Arbeit (Projekt).

 Der Vormittag beinhaltet fünf Unterrichtsstunden à 45 Minuten. Am Nachmittag folgen fünfmal wöchentlich ein zweistündiges „Activities“-Programm sowie weitere zwei Stunden Unterricht.

 Dem Unterrichtsprogramm folgen alle Schüler gemeinsam – stets in national gemischten Klassen (bis auf einige Stunden in der Heimatsprache und -literatur). Die Unterrichtssprache ist Englisch.

 Das Curriculum sieht geistes- und naturwissenschaftliche Fächer vor, wobei der Schüler relativ freie Wahl innerhalb der Fachgruppen hat. Am Ende der College-Laufbahn nach zwei Jahren hat der Schüler drei Hauptfächer für zwei Jahre und sechs Nebenfächer je ein Jahr lang belegt. Aus jeder der sechs Fachgruppen (a) Muttersprache, b) 1. Fremdsprache, c) 2. Fremdsprache bzw. fremde Literatur, d) Geschichte, Erdkunde, Volkswirtschaft, e) Mathematik, Naturwissenschaften, f) Kunst/Musik) muss der Schüler ein Fach wählen.

Problematik sind nachzulesen in dem Kapitel „The Founding of Atlantic College” bei A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 1-14. 328 A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 11. 329 A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 11. 330 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In : H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 235-247. 2.4 Das erste Atlantic College: St. Donat’s Castle in Wales 77

 Das „Activities“-Programm (AP) wird mit dem wissenschaftlichen Programm „zu einer erzieherischen Einheit verschmolzen“332, so erklärt HOARE. „Das Activities-Programm will die menschliche Entwicklung jedes einzelnen fördern und gleichzeitig den natürlichen Drang nach persönlicher Geltung in der Gemeinschaft und den Trieb zum Dienst am Nächsten befriedigen. Solche Forderungen können zu einer wirklichen Verständigung führen, die nationale Vorurteile vertreibt.“333 Die Ausbildung in Erster Hilfe und Schwimmen ist für alle Schüler als Activities verpflichtend. Aus dem weiteren AP – „Körperliches, Geistiges und Künstlerisches“334 wird hierbei gefördert – kann der Schüler frei wählen.

 Die Rettungsdienste haben am College einen hohen Stellenwert. Im ersten Semester erhält der Schüler eine Einführung in Erster Hilfe sowie in jeden der Rettungsdienste. Im zweiten Semester werden wöchentlich vier Stunden am Nachmittag der Ausbildung in unterschiedlichen Rettungsgruppen gewidmet (Erste Hilfe, Strandrettungs-, Kanurettungs-, Felsrettungsdienst, Rettungsboote).

 Musik, Kunst, Handwerkliches oder Theaterspiel stehen bei jedem Schüler an einem oder zwei Nachmittagen pro Woche auf dem Stundenplan.

 Jedes Semester sieht eine Woche Gruppen- oder Einzelprojekt vor. Das erste Mal wird der Schüler vom Lehrer unterwiesen in: Umgang mit Karte und Kompass, Leben im Freien, Kanufahren, Klettern. Die nächsten drei Projekte bereiten Schüler und Lehrer gemeinsam vor. Der Schüler kann selbst wählen, ob das Projekt geistiger, künstlerischer, handwerklicher oder rein körperlicher Natur sein soll.

 Maximal zwei Stunden wöchentlich werden mit Sport belegt (zum Beispiel Fußball, Leichtathletik, Tennis).

Damit finden sich die vier Elemente der Hahn’schen Erlebnistherapie (Projekt, Expedition, Rettungsdienst, körperliches Training) im Curriculum des Atlantic College wieder. Diese Elemente sind auch heute noch im Diploma Program-Curriculum (für 16- bis 19-Jährige) des International Baccalaureate enthalten. Eine nähere Darstellung dieser Elemente enthält das Kapitel 4.3.

2.4.3 Die Gründungsgeschichte: Aufbau unter Desmond Hoare Geht es um die Darstellung der Aufbaujahre des Atlantic College St. Donnat’s Castle, so finden sich Primärquellen vor allem von Desmond Hoare sowie David Brooke Sutcliffe. Sutcliffe gehörte zum Gründungs- Lehrkörper der Schule und übernahm von Desmond Hoare im Jahre 1969 das Amt des Schulleiters, das er bis 1982 innehatte, bevor er schließlich Schulleiter des UWC of the Adriatic im italienischen Triest wurde. Das Hauptaugenmerk soll hier jedoch Desmond Hoare gelten, der – wie SUTCLIFFE sagt – „as founder headmaster, brought the concept into being. (…) the period of Desmond Hoare’s headmastership from 1962-69 forms the

331 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In : H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 247. 332 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In : H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 243 f. 333 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In : H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 243. 334 D. Hoare: „Das Atlantic College“. In : H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 244. 2.4 Das erste Atlantic College: St. Donat’s Castle in Wales 78 natural first chapter.“335 So ist der Name Hoare fest mit dem College verbunden, dessen Konzept er nicht nur umsetzte, sondern dessen Standort er auch auswählte336. Er trat nicht erst im September 1962 in Erscheinung, als die Schule ihren Lehrbetrieb aufnahm. Hoare wurde schon früh in die Entwicklungsphase involviert und war sowohl von Hahn als auch von Darvall als Wunschkandidat für das Amt des Schulleiters vorgesehen. HOARE erinnert sich:

„Sometime in 1956 or 1957 the question of Atlantic College came up and I was introduced by Kurt to Sir Lawrence Darvall. In 1958 I was asked by them both wether I would leave the Navy to found Atlantic College when the time was ripe. I agreed.”337

Nicht ohne Stolz blickt Hoare auf die Anfangsjahre zurück, in denen Kurt Hahn ihm und seinem Lehrerkollegium freie Hand in der Umsetzung des Konzeptes ließ: „It is a great privilege for a headmaster and his staff to breathe the first life into a new school. Kurt understood this and did not interfere in our design.“338

Hoare selbst wurde hier zum ersten Mal mit der Leitung einer Schule betraut. Zu dem Zeitpunkt, als Hahn und Darvall mit der Anfrage an ihn herantraten, stand Hoare als Konteradmiral (Rear Admiral) im Dienst des Militärs; er war Konstruktions-Ingenieur bei der Marine („design engineer in the navy“339). Seine bis dahin erzieherischen Erfahrungen sammelte er in der Ausbildung von Lehrlingen der Marinetechnik340. Außerdem hatte er auch außerhalb des Dienstes Erziehungsaufgaben übernommen: ehrenamtlich als Jugendpfleger im Londoner Arbeiterviertel Notting Hill Gate, wo er einen Jugendclub leitete341. In einem der ersten Schulprospekte wird Hoare in einem kurzen Porträt vorgestellt. Darin heißt es:

„During his Naval training he was selected for advanced courses in mathematics and science (…). He has had experience in Naval Technological education, is a yachtsman, mountaineer and canoeist and has been actively concerned with youth work in London.”342

Am 1. Januar 1962 gab er seinen Posten bei der Royal Navy zugunsten der Leitertätigkeit am College auf.

Am 19. September 1962 wurde der Lehrbetrieb aufgenommen343. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Collegium aufgestellt und das Schloss zur Internatsschule umfunktioniert344. Konzipiert war das Atlantic College für weitaus

335 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 89 f. 336 HOARE schreibt über sich selbst: „Der Leiter des ersten College wurde bereits 1960 ernannt. Ihm wurde aufgetragen, eine geeignete Lage für die Schule zu suchen. Dieses Problem ließ sich rasch lösen, da das St. Donat’s Castle etwa um diese Zeit verkauft werden sollte. Seine Lage (…) machte weiteres Suchen überflüssig. (…) Man könnte meinen, seine sechshundertjährige Geschichte habe ausschließlich der Vorbereitung für eine Oberschule für Primaner aus vielen Nationen gedient.“ D. J. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 236. 337 D. J. Hoare: „The Atlantic College – St Donat’s Castle”. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 58. 338 D. J. Hoare: „The Atlantic College – St Donat’s Castle”. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 60. 339 Vgl. D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 96. 340 Vgl. D. Sutcliffe: „The United World Colleges“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 28. 341 Vgl. H. Höpfl: „Das erste Atlantic College“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 164 vom 18. Juli 1964. Sowie: P. Friese: Kurt Hahn. Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen. Bremerhaven 2000, S. 240. 342 The Atlantic College in the United Kingdom. Prospekt, o. J. [um 1961]. „Administration”. – Wesentliche Neuerungen übrigens, die Hoare einführte, waren Neopren-Anzüge für die Schüler beim See-Rettungsdienst sowie schnell aufblasbare Rettungsboote. 2.4 Das erste Atlantic College: St. Donat’s Castle in Wales 79 mehr Schüler als im ersten Jahr unterrichtet wurden. Laut DARVALL war vorgesehen, dass die Anzahl der Schüler – abhängig von den einfließenden Finanzmitteln – stetig steigen sollte. Bis 1965 sollte die avisierte Zahl von 450 erreicht sein:

„We plan to build the first dormitory house for 50 students, Housemaster and assistant in time to double the school next year. As funds come in, further Houses will be built to allow the planned intake of students to go on until by September, 1965 the full numbers of 450 will be in residence and the College self-supporting.“345

Ganz so rasant, wie es Darvall vorsah, geschah dies jedoch nicht. SUTCLIFFE berichtet von 270 Schülern bis zum Jahr 1969. Er schreibt von vorzeigbaren Errungenschaften und Erfolgen, wie einem koordinierten Küstenrettungsdienst sowie „an outstanding record of university entry success“346 – aber auch von einem Banküberziehungskredit. SUTCLIFFE spricht im Zusammenhang der finanziellen Situation vom „struggle for survival in the early years“347. In diesem Zusammenhang wird die Rolle von Sir George Schuster, der als einer der angesehensten Bürger Englands galt, hervorgehoben. Dieser setzte sich für die Finanzierung der Schule ein, indem er nach Unterstützung von verschiedensten Quellen suchte. SUTCLIFFE schreibt:

„With his immense experience and prestige from having managed the financial affairs successively of the Sudan and India, Sir George sought immediate support from a wide variety of sources beginning with the governor of the Bank of England.”348

Schließlich konnte Schuster 1967 nach einigen Jahren „entwarnen“; SUTCLIFFE formuliert: „The hard slog continued for several more years (…). However, by 1967 Schuster felt able to say that he had gained control of the financial situation.“349 Über die Phase der knappen Kasse, des Beinahe-Bankrotts und der Geldbeschaffung ist bei SUTCLIFFE350 Näheres zu erfahren. Mit der Sicherung der Finanzen ist die Gründungsphase als abgeschlossen anzusehen. Das Projekt war auf die Beine gestellt; die internationale Bewegung konnte nun zu laufen beginnen.

343 Die in der Literatur angegebene Schülerzahl variiert: Skidelsky spricht von 56 (R. Skidelsky: Schulen von gestern für morgen. Reinbek bei Hamburg 1975, S. 174), und laut Sutcliffe hatten sich 62 Schüler eingeschrieben (D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 90). 344 „The interior of the castle had been renewed and adapted to provide dormitories, classrooms, the first school language laboratory in Britain, a staff common room, offices, living quarters and an infirmary; the Hearst [William Randolph Hearst (1863-1951), Amerikaner und ehemaliger Besitzer des Schlosses; Anm. d. Verf.] swimming pool had been adapted to school use and given a new heating and filtration plant, and laboratories for the sciences had been set up in an old pre-war wooden hut.” D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 90. 345 L. Darvall: Rede, gehalten beim Sheffield Lunch am 12. November 1962. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 4. 346 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 91. 347 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S 103. 348 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S 105. 349 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 106. 350 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 103-106. 2.5 Die internationale Verbreitung der Colleges 80

2.5 Die internationale Verbreitung der Colleges Nachdem das Atlantic College of St. Donat’s Castle sich allmählich etabliert und Fuß gefasst hatte, konnte die Umsetzung eines der nächsten Ziele, nämlich die Gründung weiterer Schulen, angegangen werden. Hahn hatte zwar einerseits geplant, sechs Internate zu errichten – heute sind es über doppelt so viele, insgesamt 13 –, doch gibt es mit England, den USA und Kanada die Schulen nur zum Teil in denjenigen Ländern, die als gewünschte Länderstandorte vorgesehen waren (zu den aktuellen Standorten s. Kap. 2.7).

2.5.1 Die Rolle von Lord Louis Mountbatten Für die internationale Verbreitung der Schulen ist vor allem eine Person zu nennen, die bis dahin noch nicht in Erscheinung getreten war. Es handelt sich um Lord Louis Mountbatten. Auch er war – wie Darvall – ein Mann mit militärischem Hintergrund351. Wie von SUTCLIFFE zu erfahren ist, hat sich Mountbatten vor allem auf Einladung und Drängen von George Schuster bereit erklärt, den neuen Posten des Präsidenten des International Council zu übernehmen. Er hatte schon seit einigen Jahren – wenn auch im Hintergrund bleibend – Interesse an dem Projekt des Atlantic College gezeigt, und sein Einfluss war, laut SUTCLIFFE, „of decisive help in 1964 in securing the major donation from the British Government“352.

1968 übernahm Mountbatten den Vorsitz mit der Aufgabe der internationalen Verbreitung. PETERSON berichtet, dass Mountbatten zustimmte

„to become chairman not just of Atlantic College, but of a more widely internationalised group of such colleges, which he was determined to establish, as his final contribution to the avoidance of World War Three. To this chain he subsequently gave the name of the United World Colleges”353.

So war Mountbatten nicht nur Vorsitzender des International Council, sondern von ihm stammt auch die Umbenennung in den fortan offiziellen Titel „United World College”. SUTCLIFFE berichtet, dass er auf die Einführung eines neuen Titels, „which would more accurately reflect the true aims of the project“354, beharrt habe (weitere Ausführungen zur Umbenennung s. Kap. 2.5.2). Um eine stärkere Internationalisierung zu erreichen, sollte ein International Office355, das ihm zuarbeitete, eingerichtet werden.

351 Der freien Internet-Enzyklopädie Wikipedia ist über Louis Mountbatten (25.6.1900-27.8.1979), britischer Großadmiral und Vizekönig von Indien, zu entnehmen: „Im Zweiten Weltkrieg kommandierte er zunächst eine Zerstörerflottille; er war berühmt für seine mutigen und gewagten Einsätze. Im Januar 1942 erhielt er den Auftrag, auf die von der deutschen 302. Infanteriedivision besetzte nordfranzösische Küstenstadt Dieppe (Seine-Maritime) einen Angriff durchzuführen. Dieser Angriff mit dem Namen Operation Jubilee fand am 19. August 1942 statt (…). Mountbatten war von 1943 bis 1946 sodann Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte in Südostasien, wobei er sich im Birma-Feldzug auszeichnete. (…) In den 1950er und 1960er Jahren bekleidete er hochrangige Ämter in der britischen Marine (…) und bei der NATO.“ http://de.wikipedia.org/wiki/Louis_Mountbatten,_1._Earl_Mountbatten_of_Burma (Datum des Zugriffs: 21.3.2008). 352 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 106. 353 A. D. C. Peterson: „The Six-Year Experiment with the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 66. 354 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 106. 355 Das Internationale Büro hat seinen Sitz in London. Die Adresse lautet: The United World Colleges (International), 17-21 Emerald Street, London, WC1N 3QN, UK (E-Mail: [email protected]). 2.5 Die internationale Verbreitung der Colleges 81

Dank seines Engagements, Ansehens und Einflusses erhielt die Bewegung einen starken Schub – sowohl im Sinne eines höheren öffentlichen Bekanntheitsgrades als auch finanziell. „Public awareness world-wide was sharply increased by his involvement, and new avenues of fund-raising opened up“, erinnert sich SUTCLIFFE356. Unter Mountbattens Präsidentschaft kam das Konzept einer internationalen Bewegung in Schwung – wie auch der Homepage des 1992 gegründeten Li Po Chun UWC of Hong Kong zu entnehmen ist: „many national committees were established to promote UWCs within their own countries and to select students for the colleges“357. Ebenso findet Mounbattens Beitrag auf der Homepage von UWC International im historischen Rückblick anerkennende Erwähnung: „Mountbatten was a great UWC supporter and encouraged heads of state, politicians and personalities throughout the world to share his interest.“358

PETERSON widmet dem ersten UWC-Präsidenten ein ganzes Kapitel mit dem Titel „Mountbatten and the expansion of the United World Colleges”359 in seinem ausführlichen Buch über die Geschichte des International Baccalaureate (IB) und der United World Colleges (so auch der gleich lautende Untertitel des Buches). Der Autor spricht in dieser – durchaus als herausragend anzusehenden – Lektüre nicht nur die Frieden erhaltende Absicht Mountbattens360 an, sondern auch Mountbattens Erkenntnis „that his grand design for a world-wide chain of United World Colleges depended on the success of the IB experiment (…).“361 Ein international anerkannter Schulabschluss war schließlich schon von Hahn angedacht (vgl. Kap. 2.3) und machte die Schule obendrein für potenzielle Bewerber umso attraktiver. Im Vorwort zu der oben genannten Lektüre betont auch der Prince of Wales, Großneffe von Mountbatten und dessen Nachfolger im Amt des Präsidenten des International Council of the United World Colleges (s. Kap. 2.6.1), die Ansicht Mountbattens, dass das IB und die UWC in einer Wechselbeziehung zueinander stehen: „No one understood better the value and the interdependence of the two projects than Lord Mountbatten.“362 Schließlich war es übrigens Lord Louis Mountbatten, der die ersten International Baccalaureate Diplomas 1970 in Genf überreicht hat.

In seiner zehnjährigen Präsidentschaft des International Council (1968-1978) gab Mountbatten der Bewegung nicht nur einen neuen Namen und richtete das International Office ein, sondern er gründete auch weltweit nationale Komitees und sorgte für eine Verstärkung der Finanzen363. „He it was“, erklärt sein Nachfolger zusammenfassend, „who developed from the original model of Atlantic College in South Wales the still growing

356 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 107. 357 Li Po Chun UWC: „About LPC“. www.lpcuwc.uwc.org/en/about/about_history.php (Datum des Zugriffs: 16.11.2006). 358 2007 United World College (International): „UWC – A History“. www.uwc.org/about_us/history1 (Datum des Zugriffs: 24.3.2008). 359 A. D. C. Peterson: „Mountbatten and the Expansion of the United World Colleges”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 99-130. 360 „Mountbatten himself saw it as the best contribution which he, the last surviving Supreme Allied Commander from World War Two, could make to preventing World War Three.“ In: A. D. C. Peterson: „Mountbatten and the Expansion of the United World Colleges”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 104. 361 A. D. C. Peterson: „The Six-Year Experiment with the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 66. 362 The Prince of Wales: „Foreword“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. viii. 363 Vgl. A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 110. 2.5 Die internationale Verbreitung der Colleges 82 chain of six United World Colleges in four of the five continents; (…).“364 Seinen offiziellen Abschied gab Mountbatten am 13. April 1978 bei einem Treffen des International Council am Atlantic College365.

Seinen 80. Geburtstag erlebte er nicht. Am 27. August 1979 wurde er bei einem Angelausflug vor der Küste Irlands getötet „when a bomb, planted by the IRA, blew up the boat. He, one of his grandsons, and a local fisher- boy were killed instantly (…)“, berichtet PETERSON366.

2.5.2 Hintergründe zur Umbenennung in „United World Colleges” (UWC) Bevor die Gründe dafür, warum Lord Louis Mountbatten, erster Präsident des International Council, den ursprünglichen Namen „Atlantic Colleges“ in „United World Colleges“ geändert hat, erläutert werden, kommt zunächst Lawrence Darvall, Mitbegründer des Colleges, ob der ursprünglichen Namensgebung zu Wort: Einen Monat nach der Eröffnung des Atlantic College, im November 1962, betonte der ehemalige Kommandant des NATO Defense College in einer Rede, dass

„(…) the name Atlantic College has no connection, direct or indirect, with N.A.T.O. In fact the name Atlantic was chosen after much enquiry and discussion as the appropriate designation for this College and the others to be founded later in many countries, for the Atlantic Ocean is the natural and historic link between the continents of Europe and America.”367

Darvall schließt somit jegliche Verbindung zur NATO (North Atlantic Treaty Organization) aus und bezieht die Namensgebung vielmehr auf den Atlantischen Ozean als natürliche Verbindung zwischen Europa und Amerika.

Auch SUTCLIFFE verweist auf das Meer, das „schon immer ein Symbol der Freiheit, des Abenteuers und vor allem der internationalen Verbindungen [war]“368. In diesem Sinne bekomme der Name „Atlantic College“ seine wahre Bedeutung, fügt er hinzu. Allerdings lässt er im Rückblick 20 Jahre später nicht unerwähnt, dass es zu öffentlichen Missverständnissen ob einer scheinbaren Verbindung mit der NATO kommen würde.369

PETERSON nennt – neben Desmond Hoares Glaube an das „Meer als einen Erzieher” – weitere Gründe für die Namensgebung: teils auch wegen der ersten Schüler, die aus Ländern kamen, die an den Atlantik grenzen, teils auch aus dem Glauben heraus, mit dem Namen finanzielle Unterstützung von den USA anzuziehen.370

364 The Prince of Wales: „Foreword“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. viii. 365 Eine seiner letzten Amtshandlungen war es im Übrigen, dass sich Mountbatten während dieses Abends für die sofortige Zulassung der südafrikanischen Schule Waterford Kamhlaba als eine dem UWC angegliederte Schule einsetzte. „This (…) was by no means the least and was typical not only of his vision but of his capacity for grasping an occasion and carrying others with him”, berichtet PETERSON. In: A. D. C. Peterson: „Mountbatten and the Expansion of the United World Colleges”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 125. 366 A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 130. 367 L. Darvall: Rede, gehalten beim Sheffield Lunch am 12. November 1962. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 2. 368 D. B. Sutcliffe: „Das Atlantic College“. In: Neue Sammlung. 3. Nr. 3 (1963), S. 271. 369 „It was clear almost from the outset that the College was to suffer from its apparent connection with NATO. Public misunderstanding was excusable – we had Air Marshal Darvall, Rear-Admiral Hoare, Captain Pearson the bursar, and Major-General Hare, the first secretary to the board.” D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 88. 370 Siehe A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 7. 2.6 Die internationalen Organisationsstrukturen 83

Lord Louis Mountbatten änderte gleich nach seiner Amtsübernahme als Präsident des International Council den Namen des Projektes, das er nun anging – nämlich eine weltweite Bewegung zu initiieren – in United World Colleges. Insofern ist die Namensänderung nachvollziehbar: eine globale Öffnung sowie die Einbeziehung möglichst vieler Nationen weltweit war avisiert. Entsprechend ist mit SUTCLIFFE festzustellen, dass der Name Atlantic College „was no longer appropriate for worldwide expansion“371.

Das Adjektiv „united“ (verbunden, vereinigt) wurde bewusst gewählt. Das Adjektiv „international“ hätte lediglich eine deskribierende Funktion ausgeübt, insofern, als dass zum Ausdruck gebracht wird, dass die Schüler und Lehrer aus aller Herren Länder kommen. Vielmehr sollte aber auch die inhaltliche Ausrichtung mit dem neuen Namen deutlich gemacht werden: mittels interkultureller Erziehung ein wachsendes Verständnis füreinander zu entwickeln mit dem übergeordneten Ziel der Völkerverständigung. Die Gründungsabsicht, mit der Erziehung einen Gegenpol zur politischen Situation zu Zeiten des Kalten Krieges zu setzen, rückt damit stärker in den Fokus (vgl. Kap. 2.2.1). Entsprechend stellt BOMSDORF in Bezug auf die Völkerverständigung als eines der Anliegen der Schulen fest: „Die UWC sollten nach dem Zweiten Weltkrieg Schüler verschiedener Nationen zusammenbringen, die Welt in einer Schule vereinen, wie auch der Name der Internate sagt.“372 Die friedenserzieherische Absicht, die sich nicht geografisch begrenzt, sollte mit der neuen Formulierung „United World“ stärker signalisiert werden. Im Grunde drückt SUTCLIFFE diese Haltung bereits 1963 mit einem Zitat des internationalen Staatsmannes Paul-Henri Spaak (1899 bis 1972) aus, auf die Frage, aus welchen Ländern die Schüler weiterer Colleges kommen sollen:

„Die Nationen der Atlantischen Gemeinschaft sind ein guter Ausgangspunkt, aber wir würden die Frage im Sinne Spaaks beantworten: ,Unsere Kultur ist allen zugänglich, die zu ihr gehören wollen, ohne Rücksicht auf Rasse oder Religion. Die Grenzen der Atlantischen Gemeinschaft werden durch die Geisteshaltung, nicht durch die Geographie bestimmt.’“373

Mountbatten hat mit der neuen Namensgebung also diese Geisteshaltung aufgegriffen und nachdrücklich den Erziehungsanspruch der Colleges unterstrichen.

2.6 Die internationalen Organisationsstrukturen In diesem Kapitel wird kurz die Reihe der bisherigen Präsidenten der United World Colleges aufgezeigt. Ein kleiner Überblick über die internationalen Organisationsstrukturen der UWC-Bewegung schließt daran an. Auf nationaler Ebene treten die Länder-Komitees als erste Ansprechpartner für die Bewerber in Erscheinung. Am Beispiel des deutschen Komitees wird ihre Aufgabe vorgestellt.

371 D. Sutcliffe: „The United World Colleges“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 29. 372 C. Bomsdorf: „Schulfach Seenotrettung“. In: Die Zeit. Nr. 35 vom 19. August 2004. Auch unter: www.zeit.de/2004/35/C-UnitedWorldColleges (Datum des Zugriffs: 5.1.2007). 373 D. B. Sutcliffe: „Das Atlantic College“. In: Neue Sammlung. 3. Nr. 3 (1963), S. 270. Hier zitiert er Spaak aus seiner Schlussrede auf der Plenarsitzung der Atlantischen Konferenz, Brügge, September 1957. 2.6 Die internationalen Organisationsstrukturen 84

2.6.1 Die UWC-Präsidenten  Im Jahr 1968 übernahm – wie in der vorliegenden Arbeit bereits erwähnt (s. Kap. 2.5.1) – Lord Louis Mountbatten als Erster das Amt des Präsidenten des International Council.

 Am 12. April 1978 folgte ihm sein Großneffe, der Prince of Wales, Charles Mountbatten-Windsor, in diesem Amt nach. Nachdem Lord Mountbatten die Präsidentschaft an den Prinzen von Wales überreicht hatte, „the United World College became one of the prince’s major preoccupations“, berichtet SUTCLIFFE374. Prinz Charles war selbst Schüler in Gordonstoun, dem von Kurt Hahn gegründeten Internat (vgl. Kap. 2.2.3.2), gewesen. Nun bekleidete er 15 Jahre lang das Amt des UWC-Präsidenten, in das auch er seine Persönlichkeit und eigene Vorstellungen mit einbrachte. Mit der Gründung des Simón Bolívar UWC of Agriculture in Venezuela schlug er eine bis dahin völlig neue Richtung ein (s. Kap. 2.7.2). Prinz Charles war der Meinung, dass sich die UWC-Bewegung viel deutlicher an den Herausforderungen der Dritten Welt ausrichten müsse375.

 Im November 1995 folgten Prinz Charles zwei herausragende Persönlichkeiten in der Präsidentschaft nach. Die UWC-Bewegung gewann Königin Noor von Jordanien als Präsidentin (sie repräsentiert die UWC-Organisation bis heute) sowie Nelson Mandela als Präsident des UWC International Council (für eine fünfjährige Amtszeit). Der Friedensnobelpreisträger und ehemalige südafrikanische Staatspräsident Nelson Mandela blieb der UWC-Bewegung auch nach Ablauf der Rats-Präsidentschaft verbunden: Seit 1999 ist er Ehrenpräsident. Auch Mandela hat eine persönliche Verbindung zur UWC-Bewegung. Seine Kinder und Enkel besuchten das Waterford Kamhlaba UWC in Südafrika. Die Homepage von UWC International zeigt in einem kleinen Porträt die Schnittstellen zwischen ihm und der Bewegung auf und macht deutlich, dass er vielen Schülern und Absolventen ein Vorbild ist: „Through his life-long defence of freedom and justice, Nelson Mandela encapsulates many of the ideals which UWC strives to achieve and provides great inspiration for students and graduates.“376 Königin Noor von Jordanien377 ist die derzeit amtierende UWC-Präsidentin. SUTCLIFFE hebt hervor, dass ihre Bereitschaft „to visit Colleges and support profile-raising events has been very significant in helping Colleges to burnish their reputations and their fundraising.“378

374 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 112. 375 SUTCLIFFE erklärt, dass Prinz Charles überzeugt war, „that there must be a far more explicit identity of aims and purpose with the challenges facing third-world countries if the United World Colleges were to merit their claim to a global conscience and to peace-making.” D. Sutcliffe: „The United World Colleges in the new Millennium”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 229 f. 376 2009 United World Colleges (International): „Presidents of UWC“. www.uwc.org/who_we_are/uwc_international/our_presidents.aspx (Datum des Zugriffs: 15.8.2009). 377 Detaillierte Informationen über Königin Noor Al Hussein von Jordanien sowie ihr Wirken ist der Homepage King Hussein Foundation zu entnehmen unter www.kinghusseinfoundation.org/index.php?pager=end&task=view&type=content&pageid=61 (Datum des Zugriffs: 1.11.2009). 378 D. Sutcliffe: „The United World Colleges in the new Millennium”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 230. 2.6 Die internationalen Organisationsstrukturen 85

2.6.2 Die Organisationsstruktur Die vorliegenden Informationen, die einen kleinen Einblick in die Struktur der UWC-Organisation geben, sind vornehmlich der Homepage von United World Colleges (International) entnommen.379

Die UWC-Bewegung, die derzeit 13 Colleges weltweit zählt, hat ihren Hauptsitz in London, wo seinerzeit Lord Louis Mountbatten während seiner Präsidentschaft ein International Office einrichten ließ. Die United World Colleges werden durch nationale Komitees (zu ihren Aufgaben s. Kap. 2.6.3) vertreten. Weltweit bestehen in über 120 Ländern „National Committees“ (Stand: August 2009).380

Das UWC International Office (IO) ist sowohl das eingetragene Büro für The United World College (International) als auch der ausführende Arm des UWC International Board of Directors. Die Aufgaben des IO, so wird auf der Homepage angegeben, sind

„to act as a secretariat for the International Board including the development of the UWC movement and implementation of the Board’s policies, and to deal with movement-wide communications and coordination, especially in relation to National Committees and the selection of students.“381

So laufen im International Office in London alle Fäden zusammen – ausgehende wie eingehende.382

Geleitet wird die internationale UWC-Bewegung durch das International Board of Directors „which carries direct responsibility for the governance of the movement“383. Das International Board of Directors, das aus bis zu 40 Mitgliedern besteht, gibt die inhaltliche Ausrichtung vor. Es bestimmt einerseits die strategische Entwicklung der Bewegung und hält andererseits die Aufsicht über die einzelnen bestehenden Einheiten, sprich Colleges und nationalen Komitees. Auf der Homepage von UWC (International) wird der Verantwortlichkeitsbereich klar definiert.384

379 www.uwc.org. Hier finden sich Informationen in entsprechenden Unterverzeichnissen unter anderem zum International Board, International Office sowie zu den Präsidenten und Patronen. 380 2007 United World Colleges (International): „Our National Committees“. www.uwc.org/who_we_are/our_national_committees.aspx (Datum des Zugriffs: 29.8.2009). 381 2007 United World Colleges (International): „International Office”. www.uwc.org/about_us/international_movement/international_office (Datum des Zugriffs: 23.3.2008). 382 In einem Brief vom 1. August 1996 an die Verfasserin der vorliegenden Arbeit konkretisiert Dan Tyson, ehemaliger Lehrer am UWC of the American West, in seiner Funktion als Director of Admissions and University Counselor am UWC of the American West, die Arbeit des International Office in London: „This office coordinates the work of the national committees, attempts to raise support for existing programs and nurtures the planning stages of any new United World Colleges that may wish to emerge and sets the conditions for membership (…).“ 383 2007 United World Colleges (International): „International Board“. www.uwc.org/about_us/international_movement/international_board (Datum des Zugriffs: 24.3.2008). 384 „Among the responsibilities of the UWC International Board of Directors are defining the ethos of the UWC movement, the strategic development of the movement and oversight of UWC´s constituent entities (Colleges and National Committees). The Board also acts as a forum for discussing new ideas, programmes and projects and is responsible for coordination and communications within and UWC´s global profile.” 2007 United World Colleges (International): „International Board“. www.uwc.org/about_us/international_movement/international_board (Datum des Zugriffs: 24.3.2008). 2.6 Die internationalen Organisationsstrukturen 86

Das UWC International Council (IC) fungiert als eine Art Kontrollinstanz. Es bewertet und überdenkt zum einen Ziel und Zweck der UWC-Bewegung und überprüft zum anderen die Arbeit des International Board of Directors. Das IC kann dem Direktorengremium auch Empfehlungen unterbreiten.385

2.6.3 Die nationalen Komitees Erste Anlaufstelle für Schüler, die ein UWC besuchen möchten, ist das jeweilige nationale Komitee. Dessen Aufgaben werden in der vorliegenden Arbeit am Beispiel des deutschen Komitees386 aufgezeigt.

Für die Bewerber ist das nationale Komitee von entscheidender Relevanz, da es die Bewerbung entgegennimmt, das Auswahlverfahren durchführt und schließlich die Schülerauswahl trifft. Somit ist es nicht möglich, dass sich ein Bewerber direkt an einem der UWCs bewirbt. Die Deutsche Stiftung UWC repräsentiert offiziell die UWC- Bewegung in Deutschland. Ihre Aufgaben sind vornehmlich – neben der bereits erwähnten Auswahl der Stipendiaten/-innen – die Finanzierung der Stipendien, Fundraising sowie Öffentlichkeitsarbeit.

2.6.3.1 Auswahlkriterien für Schüler Grundsätzlich sind die UWC offen für jedermann. Es gilt jedoch für jeden Bewerber, ein umfassendes Bewerbungsprogramm über das nationale Komitee zu durchlaufen. Auf der Homepage von UWC International387 wird explizit erklärt, dass es zwar eine Auswahl nach persönlicher Leistung gibt, die Auswahl aber ansonsten unabhängig von der Religion, der Politik und der Zahlungsfähigkeit ist. Bereits Kurt Hahn sah die Auswahl der Bewerber durch nationale Komitees vor und stellte gleichzeitig die Kriterien für geeignete Schüler auf: Begabung, Wissen, Charakter388. Auch die Offenheit der Colleges für die Bewerber sah er als heraushebenswert an und erklärte in seinem Plan für die Atlantischen Schulen, dass die Jungen „sorgsam auszuwählen [wären] ohne Rücksicht auf soziale Herkunft und die finanzielle Lage ihrer Eltern“389. Für die Aufnahme an einem der Colleges gilt ein Mindestalter (16 Jahre) beziehungsweise ein Maximalalter (noch nicht 18).

Auch das Hahn’sche Auswahlkriterium „Charakter“ wird weiterhin in das Bewerbungsverfahren von den nationalen Komitees miteinbezogen. So heißt es bei der Deutschen Stiftung UWC, dass die Auswahl „ausschließlich auf der persönlichen Eignung der Bewerberinnen und Bewerber“390 basiert, beziehungsweise sie „orientiert sich ausschließlich an ihrer Eignung, ihren Leistungen, ihrem Potential und ihrer Persönlichkeit.“391 Auf den Homepages der einzelnen UWCs ist Konkreteres zu den gewünschten Persönlichkeitsmerkmalen beziehungsweise Einstellungen zu erfahren. Eine Durchsicht der Internetseiten lässt eine Übereinstimmung der

385 „The Council`s functions are to review the purpose of the UWC movement, review the work of the International Board of Directors, propose constitutional amendments and make recommendations to the Board.“ 2007 United World Colleges (International): „International Board“. www.uwc.org/about_us/international_movement/international_board (Datum des Zugriffs: 24.3.2008). 386 Die Adresse lautet: Deutsche Stiftung UWC, Darmstädter Landstraße 110, 60598 Frankfurt, Telefon 069/63307563, Internet: www.uwc.de, E- Mail: [email protected]. 387 Vgl. 2007 United World Colleges (International): „About UWC“. www.uwc.org/about_us (Datum des Zugriffs: 25.3.2008). 388 „Nationale Komitees sollen die geeigneten Jungen aus Bewerbern heraussuchen auf Grund ihrer Begabung, ihres Wissens und ihres Charakters.“ K. Hahn (1962): „Erziehung und die Krise der Demokratie“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 307. 389 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 390 2008 UWC: „Bewerbung“. www.uwc.de/bewerbung (Datum des Zugriffs: 25.3.2008). 391 2008 UWC: „Bewerbungsprozess“. www.uwc.de/bewerbung_prozess (Datum des Zugriffs: 25.3.2008). 2.7 Überblick über die United World Colleges 87

Colleges dahingehend feststellen. Es werden beispielsweise auf der Homepage des Leser B. Pearson College of the Pacific in Kanada – neben dem allgemeinen Kriterium des Alters sowie den akademischen Kriterien – folgende nicht-akademische Erwägungen genannt:

„The successful applicant will have a genuine enthusiasm for the aims of the College and for the idea of understanding between peoples of widely differing cultures. An openness of mind is essential. Students need to approach new and unfamiliar experiences with enthusiasm, balance and good humour. They should be able to accept and enjoy customs and attitudes which are vastly different from their own. The College looks for students who are socially mature and morally responsible.”392

Von den Bewerbern wird also bereits bei Eintritt ins UWC eine hohe persönliche Reife, Toleranzbereitschaft und vor allem Identifikation mit den Zielen der Schulen erwartet. Laut Armand Hammer UWC of the American West in New Mexico/USA stellen die nationalen Auswahlverfahren sicher, dass die Schülerschaft eines jeden Colleges aus „young people committed to the ideals of a united world”393 besteht. Diese Bereitschaft, gar der Wunsch, sich die Ziele der Schule „zu eigen zu machen“ und sich den Zielen dieser internationalen Gemeinschaft „anzuschließen“, war bereits zu Anfangszeiten der UWC-Bewegung im Atlantic College of St. Donat’s Castle Voraussetzung für die Aufnahme am College.394

Das Auswahlverfahren, das beispielsweise ein deutscher Bewerber durchlaufen muss, um auf einem der Colleges aufgenommen zu werden, besteht aus mehreren Stadien: Nach Einreichung der schriftlichen Bewerbungsunterlagen bei der Deutschen Stiftung UWC erfolgt nach einer Vorauswahl die Hauptauswahl der Kandidaten.395

Von der Finanzkraft der Eltern ist der Schulbesuch unabhängig. So vergibt die Deutsche Stiftung UWC Teil- und Vollstipendien.396

2.7 Überblick über die United World Colleges Weltweit existieren 13 United World Colleges. Diese Zahl erscheint zunächst einmal sehr gering. Zieht man jedoch die „Vorposten“, die National Committees, hinzu, so ergibt sich ein sehr engmaschiges Netz. Die Adressen und Kontaktdaten der UWC sind dem Anhang B zu entnehmen. Die UWCs sind in der Reihenfolge ihrer Gründung aufgelistet:

 UWC of the Atlantic, Großbritannien (1962)

392 2005 Pearson College: „Admissions for Canadian Students”. www.pearsoncollege.ca/admissions.htm (Datum des Zugriffs: 1.11.2009). 393 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West: „About UWC-USA“. www.uwc- usa.org/about/index.htm (Datum des Zugriffs: 25.3.2008). 394 Vgl. D. J. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 239. 395 Näheres unter www.uwc.de/bewerbung. 396 Seit dem Schuljahrgang 2007-09 gibt es auch das „Alexander Krebs-Gehlen Stipendium“, das vor allem Schüler unterstützt, die sich mit besonderen Leistungen im Bereich Naturschutz, Geschichte des 20. Jahrhunderts oder des Sports hervorgetan haben. Siehe 2007 UWC: „Alexander Krebs-Gehlen Stipendium“. www.uwc.de/aktuelles_stipendium (Datum des Zugriffs: 3.2.2007). 2.7 Überblick über die United World Colleges 88

 UWC of South East Asia, Singapur (1971)

 Lester B. Pearson UWC of the Pacific, Kanada (1974)

 Waterford-Kamhlaba UWC of Southern Africa, Swaziland (Schule gegründet 1963, UWC seit 1981)

 Armand Hammer UWC of the American West, USA (1982)

 UWC of the Adriatic, Italien (1982)

 Simón Bolívar UWC of Agriculture, Venezuela (gegründet 1986, UWC seit 1988)

 Li Po Chun UWC of Hong Kong, Hong Kong (1992)

 Red Cross Nordic UWC, Norwegen (1995)

 Mahindra UWC of India, Indien (1997)

 UWC of Costa Rica, Costa Rica (2006)

 UWC Mostar (UWC-IBO Initiative in Bosnia and Herzegovina, 2006)

 UWC Maastricht, Niederlande (UWC seit 2009; Zusammenschluss zweier bestehender Internationaler Schulen)

Nachdem das erste College in Wales 1962 eröffnet worden war, musste sich zunächst zeigen, ob das Konzept durchführbar und standfest war. Die Gründungen in den Folgejahren zeigten, dass dies der Fall war.397 So kann JENKINS, der zehn Jahre lang Rektor am UWC of the Atlantic war, zu Recht behaupten: „Atlantic College (…) became the model for an expanding family of like minded colleges (…). The expansion is testament to the success of the model established here in Wales (…).”398. Diesen, wie Jenkins formuliert, „gleichgesinnten” Colleges wurde durch ebensolche Persönlichkeiten Anschubhilfe geleistet, das heißt sie wurden gefördert oder ins Leben gerufen. Die Idee strahlte aus und fand einen Nährboden bei weiteren Personen, die sich dem Gedanken des Friedens und der Völkerverständigung verschrieben haben – zu nennen seien hier zuvorderst UWC- Ehrenpräsident und Friedensnobelpreisträger (1993) Nelson Mandela sowie Lester B. Pearson, ebenfalls Friedensnobelpreisträger (1957) und treibende Kraft in der Gründung des United World College of the Pacific in Kanada, das seinen Namen trägt.

Mit STETSON ist zu konstatieren, dass während der UWC-Geschichte hindurch „notable world leaders have been instrumental in furthering Kurt Hahn’s goal of promoting goodwill, understanding and world peace among youngsters of an impressionable age”399. Eine detaillierte Darstellung der Gründungsgeschichte der einzelnen Colleges wäre an dieser Stelle zu weitreichend. Es sei hier vor allem auf das vertiefende und ausführliche Werk von A.D.C. Peterson, „Schools Across Frontiers“, Open Court 22003, verwiesen.

397 Bereits 1966 schreibt Atlantic College-Rektor Desmond HOARE in einem Buchbeitrag, dass sich die Grundgedanken Hahns und Darvalls „als durchführbar erwiesen“ haben. Es gelte jetzt, weitere Colleges ins Leben zu rufen. D. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 247. 398 C. D. O. Jenkins in einem Dokument vom April 1996, gesandt an die Verfasserin in einem Antwortbrief vom 9. August 1996. 2.7 Überblick über die United World Colleges 89

2.7.1 Gemeinsamkeiten der UWC Mit 13 Schulen ist die UWC-Riege recht übersichtlich. Um ein Bild von ihnen zu zeichnen, werden zunächst einige hervorstechende Gemeinsamkeiten, sodann in Kapitel 2.7.2 wesentliche Unterschiede aufgeführt.

Da sich alle 13 Schulen der spezifischen UWC-Bewegung zuordnen, verbindet sie alle derselbe „Geist“, dieselbe Philosophie – sie teilen dieselben Wertvorstellungen und unterliegen einem gemeinsamen Auftrag. Dieser kommt im gemeinsamen Leitspruch, im „UWC mission statement“, zum Ausdruck; er lautet: „UWC makes education a force to unite people, nations and cultures for peace and a sustainable future.”400 Die UWC weisen darüber hinaus in folgenden Punkten Gemeinsamkeiten auf:

 Autonomie: Jedes UWC hat ein eigenes Direktorium, genießt einen autonomen Status und ist selbstverantwortlich für Finanzen und Verwaltung. Dies war auch der erste Grundsatz, den man für die Colleges festgelegt hatte, wie PETERSON berichtet: „Within the guidelines agreed by the movement as a whole, each college was to have its own board of governors and be responsible for its own policy, finance, and administration, with the International Office lending such assistance as it could, mainly in the raising of scholarships.”401 Die Colleges sind nicht-staatliche und damit unabhängige Internationale Schulen, die sich durch Stiftungen, Schenkungen/Spenden finanzieren.402

 Bewerberauswahl/Stipendien: Wie bereits in Kap. 2.6.3.1 erwähnt, erfolgt die Auswahl aller Bewerber ausschließlich – in den nationalen Komitees – über die persönliche Eignung und Leistung. Seitens des UWC International heißt es, dass ausgewählt wird „on personal merit, irrespective of race, religion, politics and the ability to pay“403. Unabhängig von der Zahlungsfähigkeit der Eltern soll damit jedem Schüler die Möglichkeit gegeben werden, sich um die Aufnahme an einem der UWC zu bewerben. Dieser Anspruch besteht seit Beginn an.404 Damit dies auch durchführbar ist, werden Gelder von verschiedenen Seiten her aufgebracht – von Absolventen, Freunden, über Stiftungen bis hin zu Regierungen405. Die Deutsche Stiftung UWC

399 C. P. Stetson: „An Essay on Kurt Hahn“. www.kurthahn.org/writings/stet.pdf, S. 7 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 400 2007 United World Colleges (International): „About UWC“. www.uwc.org/about_us (Datum des Zugriffs: 25.3.2008). 401 A. D. C. Peterson: „Mountbatten and the Expansion of the United World Colleges”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 107. 402 Das Lester B. Pearson College/Canada gibt beispielsweise seinen Status an als eine „not-for-profit corporation constituted under the Federal laws of Canada. It is a registered charity. The College is also supported by donations to the Pearson College of the Pacific Foundation.” 2005 Pearson College: „About Pearson College”. www.pearsoncollege.ca/about.htm (Datum des Zugriffs: 1.4.2008). Und das Waterford Kamhlaba UWC erklärt, dass es funktioniert „as an independent international school, but is also part of a larger international network – the United World Colleges.” Waterford Kamhlaba United World College of Southern Africa 2009: „Waterford Kamhlaba as a United World College”. www.waterfordkamhlaba.org/main/uwc.php (Datum des Zugriffs: 16.8.2009). 403 2007 United World Colleges (International): „About UWC“. www.uwc.org/about_us (Datum des Zugriffs: 25.3.2008). 404 PETERSON berichtet, dass das „new council [International Council, gegründet 1968; Anm. d. Verf.] and board were determined that, following the example of Atlantic College, the provision of scholarships should be so generous that no sixteen-year-old selected on merit from any country should be denied access because the family could not pay.” A. D. C. Peterson: „Mountbatten and the Expansion of the United World Colleges”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 107. 405 „(…) funds are raised from graduates, friends, foundations, business, non-governmental organisations and governments.“ 2007 United World Colleges (International): „About UWC“. www.uwc.org/about_us (Datum des Zugriffs: 25.3.2008). 2.7 Überblick über die United World Colleges 90

vergibt an Schüler, deren Eltern kaum oder keine finanzielle Unterstützung leisten können, jährlich 20 bis 25 Teil- oder Vollstipendien.406

 Ganzheitliche Erziehung: An den UWC wird eine ganzheitliche Erziehung verfolgt. Das Programm zum International Baccalaureate (IB) sieht nicht nur die Wissensvermittlung auf hohen akademischen Standards vor, sondern ebenso soziale Dienste sowie kreative und sportliche Aktivitäten (siehe Kern-Anforderung III: CAS (Creativity, Action, Service); Kap. 4.2.1). Dieses ganzheitliche Programm gehört aufgrund des IB- Lehrplans fest zum UWC-Programm. Eine Sonderstellung nimmt das Simón Bolívar UWC of Agriculture in Venezuela ein. Da der Fokus verstärkt auf der praktischen Ausbildung liegt, werden 70 Prozent der Lehrtätigkeit außerhalb des Klassenzimmers (Farmbetrieb) durchgeführt, die verbleibenden 30 Prozent sind dem theoretischen Lernen gewidmet (Näheres zum differenzierten Angebot des SB UWC siehe Kapitel 2.7.2).

 Internationale Zusammensetzung: Sowohl die Schüler- als auch die Lehrerschaft eines jeden UWC ist international zusammengesetzt. In den Schulen lernen und leben Jugendliche aus aller Herren Länder und bilden zwei Jahre lang eine multinationale Internatsgemeinschaft. Sie lernen auf diese Weise gleichzeitig fremde Kulturen kennen und sie lernen, sich mit den verschiedensten kulturellen Blickrichtungen auseinanderzusetzen. Wie die Deutsche Stiftung UWC betont, stehe an den Colleges auch die „gelebte Vielfalt“ im Mittelpunkt des UWC-Konzeptes.407 Die Colleges rekrutieren mittels der Arbeit der nationalen Komitees ihre Schüler aus einem gemeinsamen Kandidatenpool, der weltweit gespeist wird. Zur interkulturellen Erziehung und ihrer Umsetzung an den United World Colleges siehe Kapitel 3.2.

Abbildung 4 - Schülerinnen und Schüler des UWC Mostar präsentieren gemeinsam ihre unterschiedlichen Nationalflaggen. Foto: UWC Mostar

406 Vgl. 2008 UWC: „Spenden“. www.uwc.de/spenden (Datum des Zugriffs: 30.3.2008). Die Stipendien rekrutieren sich wesentlich aus Spendenbeiträgen von Ehemaligen. Vgl. 2008 UWC: „Spenden“. www.uwc.de/Network_Spende (Datum des Zugriffs: 30.3.2008). Im Oktober 2006 veranstaltete die Deutsche Stiftung UWC übrigens darüber hinaus eine Kunstauktion mit knapp 200 geladenen Gästen – darunter Sammler sowie Freunde und Förderer. Unter der Schirmherrschaft von Eva Luise Köhler, der Gattin des Bundespräsidenten, wurde ein sechsstelliger Betrag für UWC-Stipendien ersteigert. 407 Vgl. 2008 UWC: „Die Idee“. www.uwc.de/ueber_idee (Datum des Zugriffs: 30.3.2008). 2.7 Überblick über die United World Colleges 91

 Anspruchsvolle Schulausbildung und Schulabschluss: Bis auf das SB UWC in Venezuela bieten alle anderen zwölf United World Colleges das International Baccalaureate (IB) als Bildungsnachweis an. Dieser Schulabschluss wird von Hunderten von Universitäten weltweit als Hochschulreife anerkannt. Das Diploma Programme (s. Kap. 4.2.1) läuft über ein Zwei-Jahres-Curriculum und führt zu Abschlussprüfungen. Die erfolgreichen Absolventen erhalten das IB. Die International Baccalaureate Organization (IBO; s. Kap. 4) entwickelt und bietet drei unterschiedliche Programme (The Primary Years Programme/ The Middle Years Programme/ The Diploma Programme) an – „a continuum of high-quality education“408, wie die IBO erläutert. „High academic standards” sind denn auch nach Angaben von UWC International Teil der Herausforderung und des Reizes einer UWC- Erziehung.409

 Dienste für die Umgebung: Die sozialen Dienste der Schüler für ihre lokale Umgebung sind das besondere Wesensmerkmal eines jeden UWC. Hier kommt der „Dienst am Nächsten“, eines der zentralen Anliegen Kurt Hahns, zum Tragen. Das Internat öffnet sich damit seiner unmittelbaren Nachbarschaft und kommt dieser mit den Diensten zugute. Die Schüler lernen so, ihre Arbeit an realen Bedürfnissen auszurichten, was nicht nur eine physische, sondern auch psychische Herausforderung für die Jugendlichen darstellt. Als Beispiele seien hier zu nennen: die verschiedenen Rettungsdienste am Atlantic College/Großbritannien (zum Beispiel Inshore Lifeboat Service, Lifeguard Service, Ausbildung für die Unterstützung der Hilfsdienste wie Ambulanz und Feuerwehr der ,Cardiff and Vale Rescue Association’410) oder die über 40 Sozial- Dienste am UWC of the Adriatic/Italien (von der Arbeit mit Kindern über Besuche bei älteren Menschen bis hin zur Unterstützung für Menschen mit Behinderung).

2.7.2 Unterschiede der UWC Bei aller grundsätzlichen Übereinstimmung in Philosophie und Struktur weisen die Colleges einige Unterschiede auf, die sich jedoch zumeist aus den jeweiligen geografischen Standpunkten der Schulen ergeben. Explizit hingewiesen werden muss auf die Besonderheit des Simón Bolívar UWC of Agriculture/Venezuela. Diese Schule nimmt im UWC-Verbund eine Sonderstellung ein, welche in einem Punkt gesondert dargestellt wird.

 Unterrichtssprache: Die Haupt-Unterrichtssprache an den UWC ist Englisch. Am UWC in Venezuela ist Spanisch die Unterrichtssprache. Vor Beginn eines Schuljahres (acht Wochen vorher) werden hier Intensiv-Spanischkurse für Nicht-Muttersprachler angeboten. In den Prüfungen

408 International Baccalaureate Organization, 2005: „What makes the IBO unique?“. www.ibo.org/who/slidec.cfm (Datum des Zugriffs: 31.12.2006). 409 Vgl. 2007 United World Colleges (International): „About UWC“. www.uwc.org/about_us (Datum des Zugriffs: 25.3.2008). 410 Nähere Ausführungen zu den Diensten siehe www.atlanticcollege.org, Unterverzeichnis „Prospective Students“, „Service“. 2006 Atlantic College: „Active community service with impact“ (Datum des Zugriffs: 17.8.2009). 2.7 Überblick über die United World Colleges 92

werden Nicht-Muttersprachler entsprechend berücksichtigt.411 Das UWC Costa Rica ist das erste voll-bilinguale UWC. Hier werden die Unterrichtskurse in Englisch sowie in Spanisch angeboten.

 Vertretene Nationen am College: Alle Schulen zeichnen sich durch eine große Anzahl vertretener Nationen aus. Auf der Homepage der Deutschen Stiftung UWC wird festgestellt, dass es durchaus nicht ungewöhnlich sei, dass an den Colleges „Schülerinnen und Schüler aus mehr als 80 Nationen und allen sozialen Schichten vorzufinden“ seien412. Durch die ständigen Zu- und Abgänge sowie die unterschiedliche Anzahl angebotener Plätze pro College variiert die Anzahl der repräsentierten Nationen. Allerdings gibt es auch Schwerpunkt-Belegungen: Während zum Beispiel die Mehrheit der Schüler des SB UWC of Agriculture/Venezuela einheimische Schüler sind413, ist das UWC Costa Rica angesichts seiner geografischen Lage bestrebt, denjenigen Schülern Plätze anzubieten, die aus ganz Lateinamerika sowie der Karibik kommen (fast die Hälfte der übrigen Schülerschaft kommt aus anderen Regionen der Welt)414. Und im ersten Semester des 2006 eröffneten UWC in Mostar kamen von den 92 Schülern insgesamt 66 aus Bosnien-Herzegowina (26 aus Mostar, 40 aus den übrigen Landesteilen) und 26 Schüler aus anderen Nationen der Welt.415

 Schulatmosphäre: Da sich die UWC auf unterschiedliche Länder und Kontinente verteilen, liegt es auf der Hand, dass sie sich allein schon durch die umgebenden Bedingungen und standortspezifischen Einflüsse voneinander unterscheiden. Jede Schule wird nicht nur von den sozio-kulturellen und geografischen Gegebenheiten des Standortes (zum Beispiel Klima, Landschaft, innerhalb/außerhalb einer Stadt oder Tradition und Kultur der Bevölkerung) beeinflusst, sondern diese werden in der Schule und ihrem Programm auch wieder aufgegriffen (zum Beispiel durch die Ausrichtung der Dienste auf die speziellen Bedürfnisse der Bevölkerung oder durch das Activities-Angebot; s. Meer, Berge, Wälder). So heißt es auch auf der Homepage des Lester B. Pearson UWC: „Each college reflects the particular milieu in which it is located.“416 Somit erhält ein jedes College seinen eigenen, markanten Charakter. Dieses besondere, jeweilige Umfeld wird auch in der Architektur der Schulgebäude aufgegriffen: Bestehen beispielsweise die Gebäude des College-Campus’ des Lester B. Pearson UWC of the Pacific/Kanada aus Zedernholz, so werden die Schüler des UWC of the Atlantic/England im

411 „The school works to support non-native speakers by giving them special consideration in examination circumstances.“ Simón Bolívar United World College of Agriculture: „Information for New Students“. www.sbuwc.uwc.org/NewStudent.htm (Datum des Zugriffs: 5.4.2008). 412 2008 UWC: „Die Idee“. www.uwc.de/ueber_idee (Datum des Zugriffs: 30.3.2008). 413 Vgl. Simón Bolívar United World College of Agriculture: „Information for New Students“. www.sbuwc.uwc.org/NewStudent.htm (Datum des Zugriffs: 5.4.2008). 414 Vgl. United World College Costa Rica, 2006: „UWC COSTA RICA“. www.uwccr.com/home.php (Datum des Zugriffs: 5.4.2008). 415 Vgl. 2006-7, Initiative in Bosnia and Herzegowina: Unterverzeichnis „News & Documents“: „UWC in Mostar celebrates Successful First Term“. uwc-ibo.org/en/news/44 (Datum des Zugriffs: 2.1.2007). 416 2005 Pearson College: „History of Pearson College“. www.pearsoncollege.ca/history.htm (Datum des Zugriffs: 1.4.2008). 2.7 Überblick über die United World Colleges 93

altehrwürdigen St. Donat’s Castle unterrichtet, einem „breath-taking“417 Schloss aus dem 12. Jahrhundert418. Das UWC of the Adriatic/Italien ist wiederum ungewöhnlich im College-Verbund, da es keinen eigenen Campus hat. Die Schüler wohnen und lernen in verschiedenen Gebäuden, die verteilt in Duino, einem kleinen historischen Dorf im Nordosten Italiens, liegen.419 Und für das 2009 zur UWC-Riege hinzugekommene UWC Maastricht, einem Zusammenschluss der International School Maastricht und der International Primary School Joppenhof, wird derzeit ein neuer Campus gebaut. Er soll 2012 fertiggestellt sein. Noch liegt die UWC-Schule im Campus der International School Maastricht; die Internatsschüler wohnen in einer Unterkunft im Zentrum der Stadt. Auch für die Schüler des UWC Mostar bilden Schul- und Wohnort keine Gesamtanlage.

Abbildung 5 - St. Donat's Castle. Foto: Deutsche Stiftung UWC

 Differenzierung des Bildungsweges: Das Simón Bolívar (SB) UWC of Agriculture/Venezuela nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als dass es als einzige der 13 Schulen nicht das International Baccalaureate anbietet. Der Abschluss, den die Schüler hier erreichen können, ist das in Venezuela so genannte „Técnico Superior Universitario en Administración de Fincas“, ein berufshinführendes Diplom, das außerhalb des Landes als Abschluss in Farm-Management anerkannt wird. Das SB UWC weist auf seiner Homepage darauf hin, dass dieses Diplom nicht einem Universitätsabschluss entspricht und in manchen Ländern nicht für einen Eintritt in weitere Erziehungseinrichtungen ausreichen mag.420

417 2006 Atlantic College: „An inspirational coastal campus“. www.atlanticcollege.org/Page.aspx?pid=213 (Datum des Zugriffs: 17.8.2009). 418 Detaillierte Angaben zur Vorgeschichte des mittelalterlichen Schlosses und seiner früheren Besitzer finden sich in dem Buch von Roy Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 1-83. 419 „The choice of Duino as the home of the only College in Italy was not casual, any more than was the decision to avoid isolating the students in a separate campus. It was intended that they should have a full opportunity of experiencing the richness and diversity of the surrounding area. The neighbourhood of Duino is a meeting point between three historically significant cultures in Europe: the Latin, the Slav and the Germanic.” United World College of the Adriatic: „Our location – Duino (Trieste)”. www.uwcad.uwc.org/about/where_are_we/ (Datum des Zugriffs: 7.4.2008). 420 Simón Bolívar United World College of Agriculture: „Academics”. www.sbuwc.uwc.org/Academics.htm (Datum des Zugriffs: 6.4.2008). 2.7 Überblick über die United World Colleges 94

Entsprechend seiner landwirtschaftlichen Ausrichtung ist das wissenschaftliche Programm in so genannte theoretische und praktische Module unterteilt. Die Themen sind unter anderen: Agrarbetrieb, Maschinenbau und Motorisierung, Ländliche Entwicklung, Buchführung, Verwaltung. Die Schüler lernen zum Beispiel, einen autarken Bauernhof zu betreiben, mit einer Molkerei zu arbeiten sowie Viehwirtschaft. Im zweiten Semester des letzten Schuljahres absolvieren die Schüler ein sechsmonatiges Praktikum auf einer kommerziellen Farm. Die Schulzeit am SB UWC beträgt nicht wie an den anderen UWC zwei Jahre, sondern ist auf drei Jahre festgesetzt. Neben der leistungsbezogenen Eignung müssen die Bewerber für eine Zulassung zudem ein Interesse an Landwirtschaft und ländlicher Entwicklung aufweisen.421 Dazu wird auf der Homepage des SB UWC erklärt: „Almost all students come from rural areas of developing countries and have a desire to remain based in rural communities.“422 Prinz Charles schlug zur Zeit seiner Präsidentschaft während eines Besuches in Venezuela im Jahr 1978 die Einrichtung eines Colleges im Land vor – „(…) thanks to the role played by HRH The Prince of Wales, the college officially became the first centre for vocational education within the UWC family of colleges”423, ist auf der Homepage des SB UWC zu erfahren. Inwieweit passt nun dieser neue UWC-Typ in die übrige UWC-Gemeinschaft? In seinem Auftrag („Mission”) formuliert es das SB UWC so: „Provide to young people (…) education in Sustainable Rural Development, encouraging the values of understanding international solidarity and commitment to combating rural poverty and environmental degradation.“424 Eine sozialwirtschaftliche Verbesserung ländlicher Gebiete ist somit das Ziel des SB UWC, das durch die Ausbildung von Vertretern einer nachhaltigen Entwicklung erreicht werden soll, in denen wiederum jene Werte wie Solidarität und Kooperation gefördert werden, die die UWC-Bewegung inspiriert und führt.425 Dieses College verfolgt somit zwei Ziele: zum einen die praktische Ausbildung zum Farmmanager, zum anderen die Förderung der internationalen Verständigung durch die inhaltliche Einbeziehung von Themen wie beispielsweise weltweite Agrarpolitik. PETERSON merkt hierzu an, dass das Argument von Sir George Schuster (ehemaliger Vorsitzender des Atlantic College Council) weiterhin überzeuge, nämlich, „that this was a legitimate diversification of UWC activity to a different field where our fundamental aims could be pursued by bringing young people of many nations together in a common course“.426 Die hier

421 Das SB UWC bietet keine Stipendienplätze für deutsche Stipendiaten an. 422 Simón Bolívar United World College of Agriculture: „About Simón Bolívar UWC”. www.sbuwc.uwc.org/About.htm (Datum des Zugriffs: 6.4.2008). 423 Simón Bolívar United World College of Agriculture: „History of SB UWC”. www.sbuwc.uwc.org/About.htm (Datum des Zugriffs: 6.4.2008). Siehe auch Näheres zur Geschichte des SB UWC bei A.D.C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 169-174. 424 Simón Bolívar United World College of Agriculture: „About Simón Bolívar UWC”. www.sbuwc.uwc.org/About.htm (Datum des Zugriffs: 6.4.2008). 425 „The Simón Bolívar United World College of Agriculture is a vanguard International Institute, whose educative action (…) contributes to the socioeconomic and environmental improvement of rural areas, and the training of leading agents of sustainable development, promoting in them the values of equity, justice, solidarity and cooperation that inspire and guide the United World Colleges organisation.” Simón Bolívar United World College of Agriculture: „About Simón Bolívar UWC”. www.sbuwc.uwc.org/About.htm (Datum des Zugriffs: 6.4.2008). 426 A. D. C. Peterson: „Some Issues for the Future”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 214. 2.7 Überblick über die United World Colleges 95

angesprochene Auffächerung der UWC-Arbeit wird als legitim angesehen, da die grundlegenden Ziele weitergeführt werden.

 Schwerpunkte: Manche der Colleges zeichnen sich durch einen besonderen CAS (Creativity, Action, Service)- Schwerpunkt aus (siehe in England: die (Seenot-) Rettungsdienste427), greifen Spezifika des Landes auf (Costa Rica: Umweltprojekte428) oder vertiefen ihr Engagement in einer der ursprünglichen Bestimmungen (USA: Bartos Institute for Constructive Engagement of Conflict429; Italien: Mondo 2000430).

427 Bereits 1966 schrieb HOARE, dass das College „in zunehmendem Maße zu einem Wegbereiter auf dem Gebiet des Küstenrettungsdienstes durch Jugendliche“ werde. D. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 247. 428 Das UWC Costa Rica hat sich als eines seiner Schwerpunkte die „Umwelt-Säule“ gesetzt, deren Themen sich vor allem im CAS-Programm wiederfinden. „Our goal is to educate young people (…) as nature and environmental conservationists as well as defenders of peace (…)“, wird hierzu auf der Homepage des Colleges erklärt. United World College Costa Rica, 2006: „History”. www.uwccr.com/history.asp (Datum des Zugriffs: 6.4.2008). Dies ist als durchaus neuer Ansatz innerhalb der UWC-Philosophie zu sehen. Da Costa Rica seit den 1970er Jahren fast 25 % seiner Landfläche zu Nationalparks und Schutzgebieten erklärt hat, stehen vor diesem Hintergrund Umweltprojekte am dortigen UWC im Mittelpunkt der interdisziplinären Ausbildung. 429 Das Bartos-Institut ist untergebracht im Montezuma Castle, dem Haupthaus des Armand Hammer UWC of the American West/USA. Die Ziele des Instituts bestehen in der Entwicklung von Konfliktlösungstechniken. Näheres hierzu siehe: United World College – USA, Unterverzeichnis „UWC Life“: „Bartos Institute/CEC“. www.uwc-usa.org/podium/default.aspx?t=116632 (Datum des Zugriffs: 17.8.2009). 430 Das „Mondo 2000“ ist eine im Jahr 2000 gegründete Freiwilligen-Arbeitsgemeinschaft, in der junge Leute aus der Umgebung sowie UWC-Schüler gemeinsam an unterschiedlichen Projekten teilnehmen. „It is a non-profit organisation aimed at setting up multi-cultural and social projects (…) to promote international understanding, tolerance and peace.“ United World College of the Adriatic: „Associazione ‘Mondo 2000’”. www.uwcad.uwc.org/about/mondo2000/index.html (Datum des Zugriffs: 6.4.2008). 2.7 Überblick über die United World Colleges 96

3 Pädagogische Grundsätze der United World Colleges Es stellt sich nun die Frage nach den pädagogischen „Bausteinen“, aus denen die gemeinsame Basis der United World Colleges besteht. Um die pädagogischen Grundsätze der United World Colleges herauszustellen, genügt ein Blick auf die vom obersten Direktorium, dem International Board, im Oktober 2005 in Singapur verabschiedete so genannte „UWC´s Mission“ (vgl. Kap. 2.7.1), die da lautet: „UWC makes education a force to unite people, nations and cultures for peace and a sustainable future.“431 Entscheidend sind hier folgende Begriffe: „unite” (vereinigen, verbinden), „nations” (Nationen), „cultures” (Kulturen), „peace“ (Frieden). Sie geben den Grundstock für die pädagogische Arbeit, sie beschreiben sowohl das Ziel, als auch die Methode. Es sollen Schüler unterschiedlicher Nationalitäten im Streben nach Frieden und einer nachhaltigen Zukunft zusammengebracht werden.

So werden in diesem Kapitel 3 die Friedenspädagogik und die interkulturelle Erziehung jeweils zunächst im Allgemeinen, sodann im Rahmen der UWC betrachtet.

Der „UWC’s Mission“ nach wird auch heute der ursprünglichen Gründungsabsicht, nämlich der Förderung der internationalen Verständigung, Rechnung getragen. Im Halbjahresbericht 1963 des ersten Colleges, dem Atlantic College St. Donat’s Castle, wird das Ziel eindeutig benannt: „The Atlantic College project is designed to promote international understanding through education (…).“432 RÖHRS sieht übrigens das Atlantic College als eine „der wenigen Einrichtungen, die von ihrer Gründungsurkunde her in den Dienst der internationalen Verständigung gestellt sind“433, an. Auch CARPENTER spricht diesen Aspekt – allerdings in Einbeziehung der Person Kurt Hahns – an: „Im Jahre 1962 wurde ein (…) Traum Hahns Wirklichkeit: die Gründung einer internationalen Gemeinschaft zur Förderung des internationalen Verständnisses.“434 Auch heute noch kann die internationale Erziehungsgemeinschaft als ein entscheidendes Charakteristikum der Schulen angesehen werden.

Auf der Homepage von UWC International werden mehrere Werte genannt, die von den UWC gefördert und von ihnen als entscheidend angesehen werden, um Frieden und eine tragfähige/nachhaltige („sustainable“) Zukunft zu erreichen. Zuoberst: internationale und interkulturelle Verständigung435.

Am deutlichsten wird die globale Zusammengehörigkeit aller Menschen und Völker mit dem Namen des afrikanischen UWC zum Ausdruck gebracht. Dessen Schulleiter Laurence NODDER schildert auf der Homepage des Waterford Kamhlaba UWC of Southern Africa, wie die Schule zu ihrem Namen kam und was dieser bedeutet:

431 2009 United World Colleges (International): „Mission and Values“. www.uwc.org/who_we_are/mission_and_vision.apx (Datum des Zugriffs: 17.8.2009). 432 The Atlantic College in the United Kingdom. Half Yearly Progress Report. Cowbridge, Nr. 2 (Juli 1963). Prospekt. 433 H. Röhrs: Die Einheit Europas und die Sicherung des Weltfriedens. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. V. Lenhart, H. Röhrs, Bd. 36). Frankfurt 1992, S. 152. 434 P. Carpenter: „Kurt Hahn and the Salem-Tradition“. In: W. Henze (Hg.): B. Zimmermann – H. Nohl – K. Hahn. Ein Beitrag zur Reformpädagogik. (= Schriftenreihe des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte Hoya e. V., Bd. 9). Duderstadt 1991, S. 101. 435 Vgl. 2009 United World Colleges (International): „Mission and Values“. www.uwc.org/who_we_are/mission_and_vision.apx (Datum des Zugriffs: 17.8.2009). 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 97

„When naming the College ‘Kamhlaba’ in 1967, His Majesty King Sobhuza II, Ngwenyama of Swaziland, eloquently described our culturally rich and diverse community: ”We are all of the earth, which does not see differences of colour, religion or race. We are ‘Kamhlaba’ – all of one world””436

3.1 Friedenspädagogische Aspekte Im Jahr 1986 schreibt SUTCLIFFE, ehemaliger Leiter des Atlantic College sowie des UWC of the Adriatic: „Die ,United World Colleges’ sind eine Investition für den Frieden.”437 Mehr als 20 Jahre hatte Sutcliffe bis dato Erfahrungen an den UWC sammeln können. Mit seiner Überzeugung, dass die friedenspädagogische Arbeit an diesen Schulen einen relevanten Einfluss hat, steht er nicht allein: Über den „guten Beitrag“ der UWC zu einem friedlichen Miteinander äußerte sich auch Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt in seiner Festrede anlässlich der Gründung der Deutschen Stiftung UWC im Jahr 1995:

„Erziehung ist eine ganz entscheidende Kraft, ein ganz entscheidender Faktor dafür, daß wir Deutschen im nächsten Jahrzehnt und im nächsten Jahrhundert im Konzert der Völker (…) nur dann werden bestehen können, wenn unsere Erziehung zum friedlichen Miteinander Erfolg hat. Ich denke, die United World Colleges werden auch in Zukunft einen guten Beitrag dazu leisten.“438

In dieser Rede äußerte Schmidt übrigens die Hoffnung, dass es demnächst eine Schule der UWC, die „dazu beitragen [wollen], junge Menschen im Geist von Frieden und Verständigung zwischen den Völkern zu erziehen“439, auch in Deutschland geben werde – dieser Wunsch blieb bisher unerfüllt.

Voraussetzung für eine Verständigung sind Begegnung und Kommunikation. Von der Durchführbarkeit internationaler, vorurteilsfreier Begegnung in institutionalisiertem (UWC-Schul-)Kontext ist beispielsweise auch FISCHER überzeugt. Er erklärt:

„(…) daß man eine Art von nationalen Vorurteilen befreiter Begegnung, liberales und humanes Zusammensein schon in den Bereich komplexer Erziehungsfelder vorverlegen und institutionalisieren kann, darauf verweisen beispielsweise die friedenspädagogischen Grundsätze der United-World-Colleges (…) in anschaulicher und praktischer Vielfalt (…).“440

Somit „greifen“ seiner Meinung nach die friedenspädagogischen Grundsätze der UWC.

436 Waterford Kamhlaba United World College of Southern Africa 2008: Startseite: „Welcome Remarks from the Principal“. www.waterford.sz/ (Datum des Zugriffs: 7.5.2008). 437 D. B. Sutcliffe: „Oberstufen-Kollegs im Geiste Kurt Hahns“. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 367. 438 H. Schmidt: „Europa und die Deutschen in einer sich ändernden Welt“. Festrede anlässlich der Gründung der Deutschen Stiftung United World Colleges am 17. März 1995 in Hamburg. S. 2. 439 H. Schmidt: „Europa und die Deutschen in einer sich ändernden Welt“. Festrede anlässlich der Gründung der Deutschen Stiftung United World Colleges am 17. März 1995 in Hamburg. S. 1. 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 98

An dieser Stelle sei auf Kurt Hahn verwiesen, der schon früh die Rolle der Erziehung als Helfer der guten Beziehungen zwischen den Völkern sah. 1936, nach seiner Emigration nach England, schrieb HAHN:

„Nothing but goodwill between nations and classes can save this generation from wars and revolutions. And education can help to build this bedrock of goodwill as a foundation of the society to be.”441

Dass der Beitrag zur Friedensarbeit, den Hahn der Erziehung zuteilte, von den UWC nicht nur geleistet wird, sondern in den Schulen gleichsam erhöht zum Ausdruck kommt, beschreibt JAMES mit folgender lebhaften Beschreibung: „His [Hahns; Anm. d. Verf.] love of peace flourishes in the United Wold Colleges (…)“442.

Die Betrachtung der Friedenspädagogik im Kontext der United World Colleges drängt sich förmlich auf, da sie letztlich das Wesen der UWC-Pädagogik mitbestimmt. Bevor die friedenspädagogischen Ansätze und Inhalte an den UWC näher betrachtet werden, steht zunächst eine terminologische Eingrenzung der Begriffe „Frieden“ und „Friedenserziehung/-pädagogik“ an.

3.1.1 Über die Begriffe „Frieden“ und „Friedenserziehung“ Was versteht man im Allgemeinen unter dem Begriff „Frieden“? Was ist es also, in dessen Dienst sich die United World Colleges letztlich stellen? Ein Blick durch die Literatur lässt schnell erkennen: Die Definition für Frieden gibt es nicht. Aufgrund der Vieldeutigkeit des Bedeutungsinhaltes ist eine Eingrenzung kaum möglich. Die Aussage RÖHRS aufgreifend, dass der Friede „eine alte Sehnsucht der Menschheit [ist], die viele Ausdrucksformen gefunden hat“443, lässt folgern, dass es ebenso viele Definitionen von Frieden gibt. RÖHRS stellt an anderer Stelle daher selbst fest, dass der Friedensbegriff durch eine permanente Diskussion ohne definitives Ergebnis in den Verdacht des Schwammigen gekommen sei.444 Den Grund dafür sieht er darin, weil Friede „keinen eindeutigen Zustand, sondern einen Prozeß umschreibt“445. Diese Prozesshaftigkeit unterstreicht RÖHRS mit folgender Definition:

„Der Friede ist kein paradiesischer Zustand, in den man gnadenhaft versetzt wird, sondern er ist in der modernen Welt das immer wieder zu sichernde Ergebnis einer konstanten Auseinandersetzung mit einer Vielzahl möglicher Konflikte, die erst durch Erziehung und Selbsterziehung unter Kontrolle zu bringen sind.“446

440 T. Fischer: „Erhöhung der Erziehungswirksamkeit der Schule in den Funktionen und Möglichkeiten der modernen Erlebnispädagogik“. In: Zeitschrift für Erlebnispädagogik. 13. Heft 10/11 (1993), S. 6. 441 K. Hahn: „Education and Peace: The Foundation of Modern Society“. Abdruck vom „The Inverness Courier“. 24. März 1936. www.kurthahn.org/writings/ed_peace.pdf, S. 1 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 442 T. James: „Kurt Hahn and the Aims of Education“ (2000). www.kurthahn.org/writings/james.pdf (Datum des Zugriffs: 27.10.2006), S. 14. 443 H. Röhrs: „Friedenspädagogik“. In: Lexikon der Pädagogik. II in 4. Hg. v. Willmann-Institut München-Wien-Freiburg 1970, S. 34. 444 H. Röhrs: Die Einheit Europas und die Sicherung des Weltfriedens. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. V. Lenhart und H. Röhrs, Bd. 36). Frankfurt 1992, S. 11. 445 H. Röhrs: Die Einheit Europas und die Sicherung des Weltfriedens. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. V. Lenhart und H. Röhrs, Bd. 36). Frankfurt 1992, S. 11. 446 H. Röhrs: Erziehung zum Frieden. Stuttgart 1971, S. 37. 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 99

Röhrs stellt mit dieser Definition nicht nur die Auseinandersetzung des Einzelnen mit seiner Umwelt heraus, sondern er weist auch der Erziehung eindeutig ihre Aufgabe zu beziehungsweise stellt ihren Platz in dem Prozess dar. Die Erziehung wirkt somit über das Individuum auf den gesellschaftlichen Zustand ein. RÖHRS formuliert mit Blick auf den Menschen:

„Der Friede ist (…) ein höchst dynamischer Vorgang, der auf die permanente Mitwirkung der ihn tragenden Menschen angewiesen bleibt. Insofern ist er so gefestigt und gestaltungsfähig wie die Menschen, die sich zu ihm bekennen und für ihn eintreten.“447

Ausgangspunkt für Frieden ist somit der Einzelne. Hier setzt die Friedenserziehung an. Ob der Begriffe „Friedenserziehung“ und „Friedenspädagogik“ erklärt WEISS:

„Nur selten wird der Begriff [Friedenserziehung; Anm. d. Verf.] wie bei Hermann Röhrs (Erziehung zum Frieden, 1971) zur Kennzeichnung eines Handlungskomplexes von der »Friedenspädagogik« als entsprechender wissenschaftlicher Reflexionsinstanz unterschieden; meist werden beide Begriffe mehr oder minder synonym gebraucht.“448

Für HEITKÄMPER beispielsweise ist Friedenserziehung „die Erziehung zur Minimierung von Gewalt und zur Maximierung sozialer Gerechtigkeit.“449 WEISS legt eine Definition von Friedenserziehung (›F.‹) vor, die nicht wie bei Heitkämper das Endprodukt beschreibt, sondern die vielmehr Fähigkeit und Verhalten des Schülers in den Blick rückt:

„Mit dem Begriff ›F.‹ bezeichnet man alle → Erziehung mit dem ausdrücklichen Anspruch, dem Aufbau von Friedensfähigkeit und friedlichem Verhalten zu dienen.“450

Diese „Friedensfähigkeit“ nennt auch RÖHRS, definiert sie jedoch neben der „Friedensbereitschaft“ und „Friedensfertigkeit“ als eines von drei Stadien innerhalb der Friedenserziehung, die aufeinander abzustimmen sind:

„Wenn der Mensch in einer zu sichernden Epoche des Weltfriedens ein friedensbereites, friedensfähiges und friedensfertiges Wesen werden soll, dann muß es durch Friedenserziehung auf diesen Zustand vorbereitet werden. Die drei genannten Stadien sind aufeinander abzustimmen. Friedensbereitschaft umschließt die Aufgeschlossenheit, Konflikte als solche zu erkennen und an ihrer Lösung mitzuwirken (…). Dementsprechend beschreibt die Friedensfähigkeit die menschliche Qualifikation, den Frieden als sozialen Prozeß hinsichtlich seiner Möglichkeiten zu gestalten und seine Gefährdungen auf Grund menschlicher Unzulänglichkeiten vorausschauend zu begrenzen. (…) Friedensfertigkeit ist letztlich die produktive Summe aus Friedensbereitschaft und Friedensfähigkeit; sie beinhaltet

447 H. Röhrs: „Die Internationale Gesamtschule Heidelberg als Friedensschule und als UNESCO-Projektschule“. www.igh.hd.bw.schule.de/igh/profil/frieden/roehrs.pdf, S. 20 (Datum des Zugriffs: 11.1.2007). 448 E. Weiß: „Friedenserziehung“. In: S. Jordan u. M. Schlüter (Hg.): Lexikon Pädagogik. Stuttgart 2010, S. 107. 449 P. Heitkämper: „Friedenspädagogik“. In: G. Reinhold u.a. (Hg.): Pädagogik-Lexikon. München 1999, S. 217. 450 E. Weiß: „Friedenserziehung“. In: S. Jordan u. M. Schlüter (Hg.): Lexikon Pädagogik. Stuttgart 2010, S. 107. 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 100

das wichtige Können der Umsetzung (…). (…) Sie ist keine natürliche Größe, sondern das Ergebnis einer planmäßigen friedenserzieherischen Arbeit.“451

SCHNAITMANN betont, dass Friedenserziehung ein kontinuierlicher und nie endender Prozess ist, der sich durch die unterschiedlichen Dispositionen eines jeden Einzelnen ergibt:

„Friedenserziehung ist (…) ein kontinuierlicher Prozeß, denn die Offenheit der menschlichen Natur und die sich daraus ergebenden Unterschiedlichkeiten der Sichtweisen und Lebenseinstellungen lassen vermuten, daß es niemals an Dissens, Konflikt, Aggression und damit Einwirkung durch Gewalt direkter und indirekter Art fehlen wird.“452

Die Existenz der Friedenserziehung setzt zunächst einmal das Bewusstsein um ihre Notwendigkeit voraus. Die Pädagogik hat diese Notwendigkeit erkannt. Sie hat die Aufgabe der Friedenserziehung – im Mikro- (mit Blick auf den Einzelnen) wie im Makrokontext (mit Blick auf die Völker) – angenommen und sich damit den Herausforderungen der Zeit gestellt. Im Zeitalter der Massenvernichtungsmittel haben die Überlegungen zur Sicherung des (Welt-)Friedens erste Priorität. Da jeder Forschungszweig nun die Aufgabe hat, die ihm aus der Gesellschaft gestellten Fragen aufzugreifen (u.a. Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen/zu prüfen), muss auch die Pädagogik, die den Menschen unter dem Blickwinkel seiner Erziehung erforscht, durch den Zweig „Friedenspädagogik/-erziehung“ verstärkt den gesellschaftlichen Erfordernissen der Zeit nachkommen.

WEISS macht darauf aufmerksam, dass es aufgrund des unterschiedlich ausgelegten Friedensbegriffes keine einheitliche Friedenserziehung (F.) gibt:

„Eine homogene Theorie und Praxis der F. gibt es unterdessen schon infolge der mitunter sehr verschiedenen Auslegungen des Begriffs ›Frieden‹ (Abwesenheit von Krieg und Konflikt, gewaltfreie Konfliktbearbeitung, Überwindung sozialer Diskrepanzen usw.) nicht.“453

Dass die Friedenserziehung sich als Aufgabe setzt, über die bloße Information hinauszugehen, wird aber in der Literatur eindeutig beschrieben; Friedensfähigkeit und eine Änderung der Einstellung sind ebenso das Ziel. So schreibt GUDJONS:

„Dabei zielt sie [die Erziehung zum Frieden; Anm. d. Verf.] weit über Information hinaus auch auf den Abbau von Vorurteilen und Feindbildern sowie auf eine Veränderung von Einstellungen, begreift ihr Anliegen also im Sinne eines sozialen Lernprozesses.“454

Auch KÖCK beschreibt die Aufgabe der Friedenserziehung, die über die bloße Informationsvermittlung hinaus ausgerichtet ist – auf Wahrnehmen der eigenen Einstellung und auf Fertigkeiten der Konfliktbewältigung. Er listet Aufgaben und Ziele auf. So…

451 H. Röhrs: „Die Internationale Gesamtschule Heidelberg als Friedensschule – ein Hoffnungsträger der Friedenspolitik.“ In: V. Buddrus, G. W. Schnaitmann (Hg.): Friedenspädagogik im Paradigmenwechsel. Weinheim 1991, S. 168. 452 G. W. Schnaitmann: „Friedenserziehung in der Schule“. In: V. Buddrus, G. W. Schnaitmann (Hg.): Friedenspädagogik im Paradigmenwechsel. Weinheim 1991, S. 175. 453 E. Weiß: „Friedenserziehung“. In: S. Jordan u. M. Schlüter (Hg.): Lexikon Pädagogik. Stuttgart 2010, S. 107. 454 H. Gudjons: Pädagogisches Grundwissen. Bad Heilbrunn 51997, S. 334. 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 101

„(…) muss Friedenserziehung 1. umfassende Information über Bedingungen, konkrete Ursachen und Auswirkungen von Aggressionen im weitesten Sinne ermöglichen. (…) 2. Friedenserziehung muss aber über die bloße Information hinausführen. Das Wissen muss in Gesinnung, Haltung umgesetzt werden als Einübung in die Friedensfähigkeit. Diese Einübung in die Friedensfähigkeit bedeutet 2.1. Bewusstseins- und Verhaltensänderung aufgrund der genannten Informationsprozesse. 2.2. Sie geschieht durch sensibles Wahrnehmen und durch selbstkritisches Erkennen der eigenen Affekte, Vorurteile, Wirkungen auf andere und der eigenen Aggressionen. 2.3. Sie zielt ab auf das Erlernen und Beherrschen von Interaktions- und Kooperationsformen zur Konfliktbewältigung im konkreten Alltag und in der Arena öffentlicher Auseinandersetzungen.“455

Die Geschichte und Entwicklung der Friedenserziehung (›F.‹) sowie ihre unterschiedlichen Ansätze können im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur angerissen werden. Die folgende kurze Zusammenfassung von WEISS dient dazu:

„Pädagogische Bemühungen um eine Friedensförderung lassen sich historisch seit Langem nachweisen. So verstand schon im 17. Jh. Johann Amos Comenius seine Pädagogik vor dem Hintergrund der leidvollen Erfahrung des Dreißigjährigen Krieges als einen Beitrag zur »Allbefriedung« (Der Engel des Friedens, 1667). Im Zeitalter des Imperialismus, zur Zeit des Ersten Weltkriegs und in seiner Folge engagierten sich Reformpädagogen (…) für eine Erziehung im Dienste von Frieden, Völkerverständigung und Gewaltlosigkeit. Geläufig wurde der Begriff ›F.‹ aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Eindruck des Nationalsozialismus, nuklearer Vernichtungswaffen und des ›Kalten Kriegs‹.“456

Zu diesem Zeitpunkt – mit Gründung des Internats Gordonstoun 1934 – hat der Pädagoge Kurt Hahn in der internationalen Erziehung bereits ein Mittel der Verbrüderung, der aktiven Völkerverständigung erkannt und eingesetzt (s. Kap. 2.2.3.2).

Vor dem Hintergrund zahlreicher pädagogischer Innovationen zur Zeit der Reformpädagogik457 ist also auch das Bemühen um eine Grundierung der „Erziehung im Dienste von Frieden“ zu sehen. Diese wurden nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg war man bemüht, aus den Erfahrungen spezifisch pädagogische Ansätze zu entwickeln, um den angestrebten Frieden auch erzieherisch zu untermauern. Das Ziel von Kurt Hahn war von Beginn an die internationale Verständigung – mit der Erziehung als Mittel.458 Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges rückte er die Erziehung zum Frieden in den

455 P. Köck: „Friedenserziehung“. In: P. Köck: Wörterbuch für Erziehung und Unterricht. Augsburg 2008, S. 157. 456 E. Weiß: „Friedenserziehung“. In: S. Jordan u. M. Schlüter (Hg.): Lexikon Pädagogik. Stuttgart 2010, S. 107 f. 457 Zur Reformpädagogik, die im Allgemeinen von 1890 bis 1933 festgemacht wird, vergleiche Kapitel 2.2.2.2.2. 458 Diese Aussage stützen M. Knoll sowie D. J. Hoare. „Er [Hahn; Anm. d. Verf.] glaubte an die Macht der Erziehung und haßte Gleichgültigkeit gegenüber Leid, Unrecht, Gewalt; Völkerverständigung war ihm ein Herzensanliegen von Anfang an.“ M. Knoll: „Einführung“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 13. „It had always been Hahn’s view that education was a means of reducing national barriers and fostering international co-operation.“ D. J. Hoare: „The Atlantic College – St Donat’s Castle”. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 57. 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 102

Mittelpunkt seiner pädagogischen Bemühungen, was in der Gründung des Atlantic College im Jahr 1962 zum Ausdruck kam.

Der historische Abriss der Friedenserziehung (›F.‹), den WEISS gibt, wird an dieser Stelle fortgeführt und knüpft an seine obigen Ausführungen an:

„Geläufig wurde der Begriff ›F.‹ aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Eindruck des Nationalsozialismus, nuklearer Vernichtungswaffen und des ›Kalten Kriegs‹. Dominierten dabei zunächst Appelle an die individuelle Friedfertigkeit, Überlegungen zum Aggressionsabbau sowie Vorstöße zur Konfliktvermeidung und zum Konfliktmanagement (…), wurden etwa seit Ende der 1960er Jahre unter dem Einfluss der Frankfurter Schule und der maßgeblich von Johan Galtung inspirierten Kritischen Friedensforschung (…) Ansätze zu einer Kritischen F. [Friedenserziehung; Anm. d. Verf.] entwickelt. Sie orientierten sich an Galtungs Zielbestimmung »negativen« (Kriegsvermeidung bzw. Überwindung »direkter« Gewalt) und »positiven Friedens« (soziale Gerechtigkeit bzw. Überwindung »struktureller« Gewalt), richteten den Blick auf sozio-ökonomische Zusammenhänge und bemühten sich um die Einübung kommunikativer Konfliktlösungsprozeduren. In den 1980er Jahren griff die F. verstärkt ökologische Aspekte auf (…). Unterdessen ist im Zeitalter der Globalisierung und des intensivierten Aufeinandertreffens der Kulturen die Aufgabe der Überwindung kultureller Konflikte im Zeichen einer einigenden Friedenskultur und der ›Anerkennung des Anderen‹ ins Zentrum der F. gerückt.“459

Schließlich ist das Fazit HEITKÄMPERs zu zitieren, der zu bedenken gibt, dass Friedenserziehung überlebenswichtig sei, „aber in seiner Reichweite, wie jede Erziehung, begrenzt, und sie kann Politik nicht ersetzen.“460

3.1.2 Friedenspädagogische Ansätze und Inhalte an den UWC Als friedenspädagogische Elemente, die die United World Colleges aufweisen, sieht die Verfasserin der vorliegenden Arbeit zum einen die Dienste („Services“; s. IB-Kernanforderung III: CAS), zum anderen die interkulturelle Erziehung.

„Services“ – Dienste/Rettungsdienst

Das Element „Rettungsdienst“ in der von Hahn entwickelten „Erlebnistherapie“ findet an dieser Stelle besondere Beachtung, da es zum einen bei Hahn den wichtigsten Stellenwert einnimmt und zum anderen ganz eindeutig in den Dienst am Frieden gestellt wird. HAHN schreibt: „Heute sehe ich die Möglichkeit, Millionen von arbeitenden und lernenden jungen Menschen in der westlichen Welt für einen fordernden und freiwilligen Dienst in Bewegung zu setzen: ’Dienst am Nächsten, Dienst am Frieden’.“461. Schon diese Setzung unterstreicht den

459 E. Weiß: „Friedenserziehung“. In: S. Jordan u. M. Schlüter (Hg.): Lexikon Pädagogik. Stuttgart 2010, S. 108. 460 P. Heitkämper: „Friedenspädagogik“. In: G. Reinhold u.a. (Hg.): Pädagogik-Lexikon. München 1999, S. 218. 461 K. Hahn: „Grundriß eines Pädagogischen Testaments“. Hektographierter Entwurf. Salem, 21. Januar 1966. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 1. 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 103 friedenspädagogischen Ansatz. Den Aufruf Christi „Geh auch du hin, tue desgleichen!“462 wollte Hahn im Rettungsdienst umsetzen. Der Jugendliche soll nach dem Vorbild des Samariters handeln und dem/den in Not befindlichen Menschen helfen. HAHN kam durch seine pädagogische Erfahrung zu der Überzeugung:

„Es ist nicht der Krieg, der die menschliche Seele zum höchsten Einsatz bringt. Die Leidenschaft des Rettens entbindet die stärkere Dynamik.“463

Hahn war sich sicher, damit das von William James (1842-1910; US-amerikanischer Psychologe und Philosoph) gesuchte „moralische Äquivalent des Krieges“ im Rettungsdienst gefunden zu haben. HAHN erklärt 1952 in einem Aufsatz zur Verbreitung der Outward Bound-Idee (vgl. Kap. 2.2.3.3):

„William James hat recht, wenn er der Erziehung das Ziel setzt, im Leben der Jugend ein moralisches Äquivalent des Krieges zu schaffen. Nur irrt er, wenn er sagt, daß der Krieg die Menschenkraft in ihrer höchsten Dynamik zeigt. Ich stelle dem entgegen, daß die Leidenschaft des Rettens noch eine höhere Dynamik entbindet.“464

Hahn bezieht diese Überzeugung aus seinen pädagogischen Erfahrungen, die er auch in die Atlantic Colleges (AC) einfließen lassen wollte. So betont er diese Überzeugung 1957 in Brügge bei der Präsentation des AC- Konzeptes und nennt Beispiele:

„Das Wagnis im Dienste am Nächsten, das ist mehr als das moralische Äquivalent des Krieges, das vor 60 Jahren William James die Erzieher und Staatsmänner aufforderte zu entdecken. Ein Äquivalent wurde von »Bruderschaften« in allen Ländern entdeckt. In den USA ist es die National Ski Patrol, die im Winter jedes Wochenende bereitsteht, in Australien die Surf Life Association (Brandungs-Lebensrettungs-Gesellschaft), die seit 1907 mehr als 104000 Menschen das Leben gerettet hat, in Bayern die Bergwacht, in England die Johanniter-Brigade.“465

In einer Rede 1962 reiht HAHN die „Rettungszweige in Gordonstoun“ und die „Kurzschulen“ in die Liste der Beispiele ein, die seine These untermauern:

„Die Leidenschaft des Rettens entbindet eine Dynamik der menschlichen Seele, die noch gewaltiger ist als die Dynamik des Krieges. Das ist eine ermutigende Erfahrung, die immer wieder bestätigt worden ist. Ich erinnere an (…), die Rettungszweige in Gordonstoun, die Kurzschulen, (…).“466

462 Das Evangelium nach Lukas 10,37. 463 K. Hahn (1950): „Rückblick“. In: Die Sammlung. 8. Nr. 12 (1953), S. 579. 464 K. Hahn (1952): „Kurzschulen“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 276 f. 465 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 284. 466 K. Hahn (1962): „Erziehung und die Krise der Demokratie“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 303. 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 104

Der politische Pädagoge, als der Hahn auch bezeichnet wird, versucht mit dem Rettungsdienst als erzieherischem Instrument467 in zweifacher Weise zu wirken: zum einen beim einzelnen Schüler selbst (siehe Charakterbildung), zum anderen für das Wohl der Gemeinschaft (Hilfe für den Mitmenschen). Hahn lenkt mit dem Rettungsdienst die „Instinkte und Sehnsüchte“ des Einzelnen auf ein friedliches Ziel. MANN beschreibt dies so:

„Wohl aber hat er [Hahn; Anm. d. Verf.] dem Krieg eine erlösende Wirkung für sonst gebundene, brachliegende menschliche Möglichkeiten, Instinkte und Sehnsüchte zuerkannt: Tapferkeit, Abenteuer, Phantasie und Dienst, Aufopferung für die gemeinsame Sache. Solche vom Krieg gebotenen Erfahrungen zu ersetzen durch vergleichbare Aufgaben im Frieden, ohne Mord, ist ein Teil seiner Pädagogik.“468

In diesem Ersatz sieht Hahn nun das so genannte moralische Äquivalent des Krieges. Das Ziel ist der vorurteilslose, ganzheitliche Einsatz für den Mitmenschen – gleich welcher Nationalität er ist. Somit kann der Rettungsdienst als Element der Erziehung zum Frieden angesehen werden. Dieser Einsatz wird auch verglichen mit dem aktiven Samariterdienst469. RÖHRS kommt zu dem Schluss, dass in der Verbindung der Charakterbildung im Dienst der Nächstenhilfe mit der internationalen Verständigung „die fundamentale Bedeutung der Pädagogik Hahns“470 liegt. (Zur vertieften Betrachtung des Begriffs „moralisches Äquivalent des Krieges“ wird an dieser Stelle auf entsprechende Literaturquellen verwiesen.)471

Aufgrund seiner Erziehungsphilosophie der „aktiven Humanität“ mit der Einbeziehung des Rettungsdienstes als methodischem Mittel in sein pädagogisches Schulkonzept erlangte Hahn schließlich den Ruf eines „Friedenspädagogen“: KNOLL schreibt:

„Mit der Idee der Dienste, die bis heute das Besondere seiner Erziehungseinrichtungen ausmacht, hat er einen unübersehbaren Beitrag zur Sozial- und Friedenspädagogik geleistet.“472

Der „Rettungsdienst“ im Elemente-Kanon der Erlebnistherapie beziehungsweise als ein Element („Service“) der Kern-Anforderung III (CAS) im heute angebotenen IB-Diploma Program an den UWC wird in Kapitel 4 näher dargestellt.

467 „He [Hahn; Anm. d. Verf.] passionately believed in rescue services as an educational tool (…).“ D. A. Byatt: Einführung zum Beitrag von Commander Lewtly. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 112. 468 G. Mann: „Kurt Hahn als Politiker“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 12. 469 „Hahn’s ‘moral equivalent of war’ was to captivate the young through active Samaritan service, demanding of them care and skill, courage and endurance, discipline and initiative.“ C. P. Stetson: An Essay on Kurt Hahn. Founder of Outward Bound (1941). www.kurthahn.org/writings/stet.pdf, S. 7 (Datum des Zugriffs: 27. Oktober 2006). 470 H. Röhrs: „Die pädagogische Provinz im Geiste Kurt Hahns“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 84. 471 Siehe u.a.: K. Hahn: „Outward Bound“. Rede beim Treffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. Unter: www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf (Datum des Zugriffs 27.10.2006), S. 1-2. K. Hahn: „Gordonstoun and a Europe Mission“, o. J. Unter: www.kurthahn.org/writings/gston.pdf (Datum des Zugriffs: 27.10.2006), S. 5-6. K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 30-36. H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 154-155. 472 M. Knoll: „Einführung“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 13 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 105

Interkulturelle Erziehung

Die United World Colleges als Oberstufen-Schulen mit internationaler Schülerschaft geben die Möglichkeit, Menschen anderer Kulturen kennen, verstehen und respektieren zu lernen (zur interkulturellen Erziehung siehe Kap. 3.2). Da die internationale Schülerschaft das spezifische Merkmal der UWC ist, ist damit auch ihr pädagogischer Auftrag offenbar: Erziehung zur Völkerverständigung und somit Erziehung zum Frieden. Kurz nach Eröffnung des Atlantic College 1962 erklärte DARVALL in einer Rede, dass das gemeinsame Leben junger Menschen aus unterschiedlichen Ländern Vorurteile zerstört und zu Verständnis und Freundschaft führt – ein Friedensbeitrag durch Verständigung:

„The Atlantic College (…) will provide an environment in which good young men from many countries will study, serve and adventure together and thus master the national and linguistic differences that normally divide them. Their natural prejudices will be tamed, if not destroyed. They will have found that human beings of different race and language are every whit as good as themselves once they understand them. Understanding and firm comradeship will have developed. Thus in the political field a real contribution will be made to our vital search for peace through understanding.”473

Interkulturelle Erziehung wird somit als Beitrag auf dem Weg zum Frieden verstanden. Auf überschaubarem Internatsraum wird die internationale Verständigung Tag für Tag über einen vorbestimmten Zeitraum hinweg, nämlich zwei Jahre lang, „er-lebt“, praktiziert und damit als steter Prozess ins Schulleben integriert. In diesem Prozess sollen die Schüler Kenntnis erlangen über die Geschichte, Kultur und gegenwärtige Situation der jeweils anderen Nation. RÖHRS sieht das Ziel der internationalen Verständigung nicht nur in der dauerhaften Vertiefung der Toleranz- und Kooperationsbereitschaft beschränkt auf eine Nation, sondern „gegenüber dem „Fremden“ generell“.474 Damit ist die grundsätzliche Bereitschaft des Schülers angesprochen – über die Schulzeit hinaus – , dem Fremden aufgeschlossen gegenüber zu treten.

Die UWC wollen den Schülern einen Lern- und Erfahrungsraum bieten, der aber auch von ihnen die Mitarbeit im Sinne der Auseinandersetzung verlangt:

„Unterstützt durch gemeinschaftliche Aktivitäten erhalten sie [die Jugendlichen aus allen Nationen; Anm. d. Verf.] die Möglichkeit, fremde Kulturen zu erleben und lernen, sich mit neuen, anderen Lebensvorstellungen auseinander zu setzen.“475

Auf der Homepage der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. werden die Werte, zu denen die Colleges erziehen wollen, eindeutig definiert:

473 L. Darvall: Rede, gehalten beim Sheffield Lunch am 12. November 1962. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 3. 474 H. Röhrs: Die Einheit Europas und die Sicherung des Weltfriedens. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. V. Lenhart und H. Röhrs, Bd. 36). Frankfurt 1992, S.194. 475 2008 UWC: „Die Idee“. www.uwc.de/ueber_idee (Datum des Zugriffs: 30.3.2008). 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 106

„Die Schülerinnen und Schüler (…) erhalten die Möglichkeit, zwei Jahre in einer Gemeinschaft zu leben, die Toleranz, Völkerverständigung, Frieden und Gerechtigkeit fördert.“476

Friedenspädagogische Lerninhalte

Nicht nur durch die international zusammengesetzte Gemeinschaft per se soll das gegenseitige Verständnis unter den Schülern unterstützt werden. Ein kurzer Rundblick durch die UWC-Angebote zeigt unterschiedliche friedenspädagogische Lerninhalte, die im Klassenzimmer vermittelt werden. Dies sind zum Beispiel:

 UWC-USA: „Global Issues“(GI)- /„Constructive Engagement of Conflict”(CEC)-Program477. Im ersten Jahr nehmen die Schüler am GI-Programm teil, das den Rahmen für Reflexion und Diskussion zu globalen Angelegenheiten bietet. Dabei werden Themen wie Krieg und Frieden, Umwelt, internationale Wirtschafts-Beziehungen, interkulturelle Werte und demografische Probleme behandelt. Im zweiten Jahr lernen die Schüler im CEC-Programm Methoden der Konfliktlösung. Sowohl rhetorische und analytische Fähigkeiten, als auch die Fähigkeit zuzuhören und Techniken der Verarbeitung von gegensätzlichen Standpunkten werden erlernt.

Abbildung 6 - Schülerinnen in einer Gesprächsrunde am Bartos Institute for Constructive Engagement of Conflict. Foto: UWC of the American West

 UWC of the Adriatic: „International Affairs“/„Mondo 2000”. Der Kurs „International Affairs” gehört zu den ergänzenden Programmen. Der Schüler soll in internationale Themen eingeführt werden. Es soll ihm geholfen werden, ein erweitertes Verständnis

476 2008 UWC: „Die Idee“. www.uwc.de/ueber_idee (Datum des Zugriffs: 30.3.2008). 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 107

gegenwärtiger Verhältnisse zu entwickeln. Dies geschieht über verschiedene Wege, wie zum Beispiel Diskussionen, Gast-Redner, Referate von Studenten/Lehrern, Ganztages-Konferenzen oder Workshops. Auf der Homepage des UWC of the Adriatic478 werden Beispiel-Themen genannt: Israel und Palästina, EU-Erweiterung, Religion und Politik, Terrorismus. „Mondo 2000“ ist eine im Jahr 2000 gegründete Vereinigung von UWC-Schülern sowie Schülern aus der Umgebung mit dem Ziel, multikulturelle und soziale Projekte aufzubauen, um internationale Verständigung, Toleranz und Frieden zu fördern479. In diesem Rahmen wurde zum Beispiel auch die Bewegung „Young Builders of Peace“ von UWC-Schülern initiiert, die große Unterstützung sowohl von Schülern aus dem Ort als auch von Vereinen und öffentlichen Institutionen der Region erhielt. Das Ziel der Friedensgruppe ist es „to raise awareness about conflicts in the world and to illustrate the everyday actions we can all make to encourage peace.”480 So wurde zum Beispiel ein Friedensmarsch organisiert, an dem Hunderte Schüler aus mehreren Schulen teilnahmen.

 Li Po Chun UWC of Hong Kong: „Conflict Resolution“, „Initiative for Peace“. Im CAS (= Creativity, Action, Service)-Programm, der Kern-Anforderung III des IB-Diploma Program, finden sich innerhalb der Sparte „Creativity“ Angebote mit verschiedensten Inhalten: neben „Chinese Cooking“ oder „African Dance“ gibt es die Kurse „Conflict Resolution“ und „Initiative for Peace – Focus on Kashmir“.

 UWC Costa Rica (UWCCR): „CAS Course on Global Citizenship and Public Service”. Dieser Kurs ist ein Zusatzelement des CAS-Programms. Hierbei geht es unter anderem um die Untersuchung historischer Wurzeln verschiedener Nationalitäten und um unterschiedliche Formen von staatsbürgerlicher Verpflichtung und Engagement. Hier soll der Schüler auch seine eigene Sichtweise reflektieren und sich seines Einflusses bewusst werden, den er zukünftig auch zur Förderung des Friedens haben kann. So ist auf der UWCCR-Homepage formuliert, dass die Schüler „should become aware of their own beliefs and cultural biases and the potential impact that the work they do in the future (…) may have on a wide range of fields such as community development, environmental protection and the promotion of peace.“481

Festzuhalten ist, dass die beiden Elemente „Rettungsdienst“/„Dienste“ sowie „interkulturelle Erziehung“ an den United World Colleges miteinander verknüpft zur Anwendung kommen – wobei jedes für sich allein schon einen

477 Siehe dazu: 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West: „Other UWC-USA Graduation Requirements“. www.uwc-usa.org/academics/uwcusa_requrirements.htm (Datum des Zugriffs: 17.5.2008). 478 United World College of the Adriatic: „What we do”. www.uwcad.uwc.org/about/what_we_do (Datum des Zugriffs: 17.5.2008). 479 Vgl. United World College of the Adriatic: „Associazione ‘Mondo 2000’”. www.uwcad.uwc.org/about/mondo2000/index.html (Datum des Zugriffs: 6.4.2008). 480 United World College of the Adriatic: „Associazione ‘Mondo 2000’”. www.uwcad.uwc.org/about/mondo2000/index.html (Datum des Zugriffs: 6.4.2008). 481 United World College Costa Rica, 2006: „Programe for Creativity, Action and Service“. www.uwccr.com/casprogramme.asp (Datum des Zugriffs: 18.5.2008). 3.1 Friedenspädagogische Aspekte 108 hohen pädagogischen Wert beinhaltet.482 Ergänzend dazu werden auf kognitiver Ebene friedenspädagogische Lerninhalte angeboten.

3.1.2.1 Hahns Anliegen: Eigene und andere Nationen lieben Wichtig ist herauszustellen, dass es in der erzieherischen Arbeit nicht darum geht, dass ein Schüler die eigene Kultur aufgibt, sondern dass er lernt, eine internationale Sichtweise zu bilden. Dies war ein Anliegen Kurt Hahns. Es ist damit ein Grundstein für die heutige Friedensarbeit an den UWC. Es ging HAHN nicht darum, alle Grenzen aufzuheben, sondern die anderen Länder mit ihrer Andersartigkeit kennen und vor allem schätzen zu lernen. In seiner programmatischen Rede 1957 in Brügge beschreibt er seine Vision:

„Unsere Atlantischen Jungen werden sich der kleinen Gemeinschaft verbunden fühlen, in der sie zusammen gearbeitet, Wagnisse bestanden und im Dienst des Nächsten sich eingesetzt haben. Sie werden lernen, noch ein anderes Land neben dem eigenen Vaterland zu lieben.“483

Damit sind Ziel (anderes Land/andere Länder lieben) und Methode genannt. Die gemeinsame Sache, Bewährung und Nächstenhilfe sollen die Internatsschüler aus verschiedenen Ländern zusammenführen.

RÖHRS gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass internationale Verständigung eine Basis („die Liebe um die heimatliche Bindung“) braucht:

„Die übernationale Begegnung kann nur fruchtbar gestaltet werden, wenn sie getragen ist von Wissen und Liebe um die heimatliche Bindung, die in der Begegnung eine Bereicherung und keineswegs ihre Aufhebung erfährt. Gerade das Erleben von Menschen anderer Nationen, die in weltbürgerlicher Haltung sich dem heimatlichen Bezirk tief verbunden fühlen, weil sie ihm ihre Existenz verdanken, vermag ein neues Licht auf die eigene Situation und ihre Verwurzelung in der eigenen Geschichte zu werfen; sie ist zugleich ein Teil der Menschheitsgeschichte.“484

Das bedeutet, dass internationale Verständigung eine Reflexion seitens des Schülers voraussetzt beziehungsweise dass sie im Zusammenleben mit Menschen anderer Nationen/Kulturen eine Reflexion in Gang setzt – eine Reflexion, an deren Ende die Erkenntnis über die eigenen Wurzeln und ihre globale Verwobenheit steht.

An anderer Stelle betont RÖHRS eine weitere Folge interkulturellen Austausches, nämlich „modifizierende Rückwirkungen auf die eigene Kulturstufe, die weitgehend einer Um- und Neudeutung gleichkommen“485.

482 Einem Prospekt des Atlantic College zufolge ist man sich des Friedensbeitrages durch die Verbindung beider Faktoren (Einzelne Schüler verschiedener Nationalitäten gemeinsam / Rettungsdienst) sicher: „Nothing binds individuals of different nations together more firmly than the shared experience of giving expert assistance to others in need. Such experience must, we feel, make some contribution to peace.” United World Colleges – world college of the atlantic at st. donat’s castle, south wales. Prospekt, o. J. 483 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn – Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 284. 484 H. Röhrs: Die Einheit Europas und die Sicherung des Weltfriedens. (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. V. Lenhart und H. Röhrs, Bd. 36). Frankfurt 1992, S. 222. 485 H. Röhrs: Schule und Bildung im internationalen Gespräch. Frankfurt 1966, S. 90. 3.2 Interkulturelle Erziehung 109

Indem Hahn von der „Liebe“ zu einem anderen Land – neben dem eigenen – spricht, stellt er beide Länder zum einen auf die gleiche Ebene, zum anderen wählt er einen emotional stark besetzten Begriff, der auch Respekt und Verständnis beinhaltet. Denn was man liebt, zerstört/„be-kriegt“ man nicht.

3.2 Interkulturelle Erziehung Die interkulturelle Erziehung ist gleichermaßen ein Kernmerkmal wie ein pädagogischer Grundsatz der United World Colleges. Deshalb ist ihr ein eigenes Unterkapitel in der vorliegenden Arbeit gewidmet.

Die interkulturelle Erziehung kann im Allgemeinen als pädagogische Antwort auf die Realität der multikulturellen Gesellschaft gesehen werden. Da durch veränderte Situationen Personen verschiedener Kulturen auf engem Raum zusammenleben, gilt: miteinander leben – einander verstehen – miteinander auskommen (s. Fußnote 511). Das Konzept interkulturellen Lernens muss auf einen möglichst weiten und umfassenden Kulturbegriff bezogen sein, um dann möglichst viele verschiedene Handlungsmuster von Personen unterschiedlicher Nationen deuten zu können. Dies setzt voraus, dass der Schüler lernt, fremde kulturelle Traditionen zu entschlüsseln. Dabei sollten nicht nur ethnische und religiöse Kulturspezifika kennengelernt und erklärt werden, sondern ebenso soziale wie geschlechts- und schichtspezifische Differenzen innerhalb einer Kultur beziehungsweise Gesellschaft. Interkulturelle Erziehung erkennt auch Kulturwandel und -diffusion als tatsächliche und notwendige Abläufe beziehungsweise Chancen an. Sie versucht, bei deren Bewältigung Hilfe zu leisten, indem sie Verunsicherungen entgegenwirkt.

AUERNHEIMER definiert das Ziel interkultureller Erziehung auf der Basis der Verschiedenheit der Kulturen:

„Der Begriff der interkulturellen Erziehung wie des interkulturellen Lernens impliziert die Unterstellung kultureller Differenzen. Interkulturelle Erziehung, so ließe sich ihr Aufgabenbereich knapp definieren, hat den richtigen Umgang mit kultureller Differenz zum Ziel. (…) Interkulturelle Erziehung muß zum interkulturellen Dialog befähigen.“486

Der Begriff der Differenz – im englischen Sprachgebrauch wird der Begriff „diversity“ (Verschiedenheit, Vielfalt) verwendet – ist hier ein zentraler. Vor dem Umgang mit kultureller Differenz steht jedoch das Erkennen der Unterschiedlichkeiten. So ist es Ziel des interkulturellen Lernens, dem Schüler verschiedene Sichtweisen und Erfahrungen zu ermöglichen und dadurch über Einblicke in unterschiedliche Lebenswelten kulturell bedingte Werte, Einstellungen und Traditionen bewusst zu machen. Und es gilt, Differenz als Chance und Bereicherung und nicht als Bedrohung zu begreifen. Der Schüler soll schließlich in einen Dialog mit Vertretern anderer Nationen/Kulturen treten können.

AUERNHEIMER erklärt weiter, dass es bei der interkulturellen Erziehung zwar darum gehe, eine respektvolle Haltung anderen Kulturen gegenüber zu vermitteln, andererseits dürfe eine kritische Prüfung und Auseinandersetzung jedoch nicht ausgeklammert werden.487 Und: Interkulturelle Erziehung müsse die Erfahrung

486 G. Auernheimer: Einführung in die interkulturelle Erziehung. Darmstadt 21995, S. 178 f. 487 G. Auernheimer: Einführung in die interkulturelle Erziehung. Darmstadt 21995, S. 179. 3.2 Interkulturelle Erziehung 110 vermitteln, dass die eigene Kultur und Lebensweise eine unter vielen sei.488 Der Schüler soll also zu der Erkenntnis gelangen, dass er sich selbst in einer Lebenswelt befindet, die zum einen ihrerseits in kulturelle Traditionen verstrickt ist und zum anderen eine unter vielen ist.

Das fortgeschrittene Stadium interkulturellen Lernens ist für AUERNHEIMER schließlich dadurch gekennzeichnet, „daß die Lernenden Elemente der anderen Kultur ins eigene Denk- und Motivsystem oder m.a.W. ins eigene Weltbild aufnehmen.“489

Wie der interkulturelle Dialog schließlich geführt wird, hängt für AUERNHEIMER entscheidend von einer Grundhaltung seitens des Schülers ab, von seiner Offenheit: „Man kann es so formulieren: dafür offen sein, daß der andere anders anders ist, als man dachte.“490 Das heißt, dass der Schüler bereit sein muss, sich für Neues, Fremdes zu öffnen, dieses Fremde in seiner tatsächlichen Gegebenheit zu erkennen und dann gegebenenfalls die Revision der eigenen vorher gefassten Meinung zulässt. Dieses Merkmal der Offenheit ist eine von mehreren Voraussetzungen für die Aufnahme eines Schülers an einem United World College (vgl. Kap. 2.6.3.1). SCHMITT geht noch einen Schritt weiter als Auernheimer und formuliert: „Im Falle des Umgangs mit Fremden muß gar der hartnäckige Wunsch zu Verständigung bestehen (…).“491 SCHMITT beschreibt auch die Situation, in der interkulturelles Lernen am besten gelingt, und zwar dort, „wo sich Menschen miteinander in Lernaktivitäten verwickeln lassen“492. Auch diese zwei Aspekte treffen auf die UWC-Schüler zu: Sie begeben sich willentlich in die gemeinsame, langfristige Lebens- und Lernsituation.

An dieser Stelle sei noch einmal auf den o.g. Begriff der „Verschiedenheit“ Bezug genommen. Diese Verschiedenheit wird an den UWC als Bereicherung und Chance, die es zu feiern („celebrate“) gilt, angenommen. Das Waterford Kamhlaba UWC of Southern Africa hat dazu in seiner Allgemeinen Informations-Broschüre das Feiern der Verschiedenheit in seinen Strategie-Plan explizit aufgenommen:

„We continue to strive to celebrate the richness and opportunity that comes with living, learning and serving in a community drawn together from a wide diversity of backgrounds.”493

Robert BLACKBURN494 sieht genau darin den Zweck internationaler Erziehung: „(…) to teach our kids how to welcome diversity not just tolerate it: (…).”495 George WALKER496 setzt das „Feiern der Verschiedenheit” an die

488 G. Auernheimer: Einführung in die interkulturelle Erziehung. Darmstadt 21995, S. 180. 489 G. Auernheimer: Einführung in die interkulturelle Erziehung. Darmstadt 21995, S. 181. 490 G. Auernheimer: „Mit kultureller Differenz umgehen lernen“. In: Pädagogik. 48. Heft 11 (1996), S. 52. 491 G. Schmitt: „Fächerübergreifende Dimensionen interkultureller Bildung“. In: H. Reich, U. Pörnbacher (Hg.): Interkulturelle Didaktiken – Fächerübergreifende und fächerspezifische Ansätze. Münster 1993, S. 9. 492 G. Schmitt: „Fächerübergreifende Dimensionen interkultureller Bildung“. In: H. Reich, U. Pörnbacher (Hg.): Interkulturelle Didaktiken – Fächerübergreifende und fächerspezifische Ansätze. Münster 1993, S. 14. 493 Waterford Kamhlaba United World College of Southern Africa: „General Information Brochure for boarding and day students”. Aktualisiert im Februar 2007. www.waterford.sz/documents/GIB.pdf (Datum des Zugriffs: 31.5.2008), S. 3 494 Robert Blackburn (1927-1990) war von 1962 an stellvertretender Schulleiter am Atlantic College und wechselte auf Einladung von Lord Mountbatten 1969 zum UWC International Council. 1979 wurde er zum stellvertretenden Generaldirektor der International Baccalaureate Organization (IBO) ernannt. 3.2 Interkulturelle Erziehung 111

Spitze seiner 5-Punkte-Zielformulierung für internationale Erziehung497. Er macht allerdings an anderer Stelle auf ein fundamentales Dilemma aufmerksam, das in der internationalen Erziehung steckt: „unity versus diversity“498. Er bezeichnet dieses Dilemma auch als eine der kreativen Spannungen von internationaler Erziehung. Diese Spannung liegt für ihn eben in „the celebration of human diversity on the one hand, and the recognition of a common humanity on the other.“499

Das Erkennen und die Annahme von gleichzeitiger Gemeinsamkeit sowie Unterschiedlichkeit machen dementsprechend den Kern der interkulturellen Erziehung aus.

Eben diese zwei Pole greift der UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert auf, in dem es heißt: „Das Wissen über andere Kulturen führt dazu, sich der Einzigartigkeit der eigenen Kultur bewußt zu werden, aber ebenso des gemeinsamen Erbes der Menschheit.“500

3.2.1 Die politische Dimension interkultureller Erziehung Die politische Dimension interkultureller Erziehung gehört untrennbar in den Kontext der United World Colleges, weil sie sich aus der „UWC’s Mission“ ableitet (vgl. Fußnote 431). Es geht darum, Menschen, Nationen und Kulturen miteinander zu verbinden mit dem Ziel des Friedens. Bereits 1957 sprach Kurt HAHN von dieser Vorstellung – indem er Darvall zitiert, der sich mit folgenden Worten an Pädagogen gewendet hatte:

„»Wenn Duldsamkeit und menschliches Verstehen noch neue Wurzeln schlagen können bei reifen Männern von ganz verschiedenen Nationalitäten (…), wieviel hoffnungsvoller wäre die Aufgabe, werdende Menschen aus aller Welt in ihren empfänglichsten Jahren durch Kameradschaft eines fordernden Gemeinschaftslebens miteinander zu verbrüdern?«“501.

Die Erziehung junger Menschen aus verschiedenen Nationen und unterschiedlichsten Kulturkreisen mit dem Ziel der „Verbrüderung“ ist Erziehung zum Frieden und gewinnt damit höchste politische Bedeutung. Indem die Schüler – laut Hahn – im Atlantic College lernen würden, neben dem eigenen Vaterland noch ein anderes Land zu lieben (vgl. Kap. 3.1.2.1), werde das „ein Schritt sein auf dem Weg zu einem Atlantischen Staatsbürgertum.“502 Das Ziel war also ein Atlantisches Staatsbürgertum. War der avisierte Kreis für die Atlantic Colleges ursprünglich mit sechs Staaten benannt, so erweiterte er sich im Zuge der Expansion schließlich auf den globalen Raum.

495 R. Blackburn im Interview am 25.9.1989. Aus: P. L. Jonietz: „A philosophy of international education – an interview with Robert Blackburn, Deputy Director of the International Baccalaureate Office“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 222. 496 George Walker (geboren am 25. Januar 1942) war von 1991 bis 1999 Schulleiter der International School of Geneva, der weltweit ältesten Internationalen Schule (s. Kap. 4), und von 1999 bis 2005 Generaldirektor der International Baccalaureate Organization (IBO). 497 Vgl. G. Walker (1999): „Trends in international education and the IBO of the future“. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 52. 498 G. Walkers Einführung zu: „What does international education offer to a divided world“ (2003). In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 175. 499 G. Walkers Einführung zu: „Our shared humanity: developing an international conscience” (2001). In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 111. 500 Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.): Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum. Neuwied 1997, S. 40 f. 501 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn – Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 281. 502 Vgl. K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn – Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 284. 3.2 Interkulturelle Erziehung 112

Da sich interkulturelle Pädagogik grenzüberschreitend mit dem „Anderen/Fremden“ befasst, wird der eigene Kulturkreis zwangsläufig kognitiv – und im Falle eines Aufenthaltes in einem UWC gleich mit der ganzen Person – verlassen. Der Schüler soll dabei globale Zusammenhänge und Abhängigkeiten sowie nationale Eigenheiten (wie beispielsweise die Geschichte, Bräuche/Traditionen, Denkweisen und das Rollenverständnis) erkennen und verstehen lernen. Im gegenseitigen Verständnis liegt auch die politische Dimension der interkulturellen Erziehung der UWC begründet. So zitierte bereits DARVALL 1962 einen Araber aus dem 11. Jahrhundert:

„`Peace comes from understanding, not agreement’. We know only too well that agreement is often forced by fear, by misrepresentation and by war. Understanding is a state when both sides see the problem equally and a solution is much less difficult to find and much more likely to be lasting.”503

Somit wird „understanding” (Verständnis, Verstehen, Einsicht) als Basis für Frieden betrachtet. Dieser Friede ist nach Darvalls Meinung leichter zu finden und zu halten als der, der durch erzwungene oder erkämpfte Zustimmung zustande kommt. Zu Verständnis zählen auch Respekt und Toleranz, die ein friedliches – und im besten Falle freundschaftliches (s. „Kameradschaft“/Fußnote 501) – Verhältnis ausmachen.

Interkulturelle Erziehung hat den Frieden stets als oberstes Ziel; sie ist damit also als eine Erziehung zum Frieden zu verstehen. Die politische Dimension trägt sie damit in sich.

HAHN war optimistisch, dass die Schüler, die nach dem Schulbesuch in ihre Heimat zurückkehren, sich bewähren würden – hier zitiert er Churchill – „»als Sendboten und Vorkämpfer unserer Gesinnung (…)«“504. Das heißt, die Sendung der Jugendlichen, die für das College ausgewählt werden, soll sich nicht einbahnig vollziehen, also von einem Land heraus in die Schule, ins Atlantische Internat. Diese Sendung soll sich auch wieder zurückvollziehen.

In der Bipolarität von Globalem und Lokalem sieht DELORS505 eine Spannung, die es im 21. Jahrhundert zu überwinden gilt: „Die Menschen müssen schrittweise Weltbürger werden, ohne ihre Wurzeln zu verlieren. Dabei sollen sie weiterhin eine aktive Rolle im Leben ihrer Nation und ihrer örtlichen Gemeinschaft spielen.“506

3.2.2 Umsetzung interkultureller Erziehung an den United World Colleges Welches sind nun an den United World Colleges die Schritte, die zu einem – wie Delors sagt – Weltbürger führen, beziehungsweise welche Aktivitäten, institutionellen Vorgaben oder Kurse setzen die UWC in der interkulturellen Erziehung praktisch um? Dass die UWC ein Beispiel für die Umsetzung interkultureller Erziehung abgeben, hob bereits George WALKER, ehemaliger Generalsekretär der International Baccalaureate Organization, mit

503 L. Darvall: Rede, gehalten beim Sheffield Lunch am 12. November 1962. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 1. 504 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn – Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 284. 505 Jacques Delors war von 1985 bis 1995 Präsident der EG- beziehungsweise EU-Kommission. Delors hatte auch den Vorsitz der Internationalen Kommission „Bildung für das 21. Jahrhundert“, die die UNESCO 1993 ins Leben gerufen hatte. Nach dreijährigen Beratungen von Lehrern, Wissenschaftlern, Regierungsvertretern und Nichtregierungsorganisationen entstand ein Bericht weltweiter Analysen. Dieser UNESCO-Bericht „Lerning: the treasure within“, auch Delors-Bericht genannt, erschien 1996 und wurde 1997 von der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK) unter dem Titel „Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum“ herausgegeben. Die DUK betont, dass der Bericht besonders die Notwendigkeit mehrsprachiger Bildung hervorhebe. „Er betont die Erziehung zum Pluralismus als Wertschätzung und Anerkennung anderer Kulturen (…).“ Deutsche UNESCO-Kommission: „″Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum″“. www.unesco.de/delors-bericht.html?&L=O (Datum des Zugriffs: 2.6.2008). 3.2 Interkulturelle Erziehung 113 folgenden Worten lobend hervor: „To those who ask me, how can I best see international education in action? my reply has always been, visit a United World College.“507 WALKER sieht in den UWC auch eine Erziehung mit „internationaler Dimension”, unter der er „something more substantial than the famous ´five Fs of international education’: food, festivals, famous people, fashion and flags’“508 versteht – also mehr als nur das Bekanntmachen mit Äußerlichkeiten.

Die folgende Liste gibt anhand einiger Beispiele einen Einblick, wie interkulturelle Erziehung an den UWC umgesetzt wird:

 Internationale Schülerschaft: Die internationale Schülerschaft ist das Kennzeichen der United World Colleges. Für RICHTER ergibt sich daraus – betrachtet am Beispiel des UWC of the Atlantic – eine „Völkergemeinschaft im Kleinen“509. Sie ist eine Voraussetzung für interkulturelle Erziehung.

 Internationale Zimmerbelegung: Nicht nur der Unterricht erfolgt in international gemischten Klassen, auch die Zimmer der Internate sind mit Schülern aus unterschiedlichen Nationen belegt510. „Dieses enge Zusammenleben kann natürlich zu Konflikten führen, bietet aber vor allem die große Chance, sich mit anderen Menschen wirklich auseinanderzusetzen und sie verstehen zu lernen“, heißt es dazu auf der Homepage der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V.511. Kulturelle Unterschiedlichkeiten werden dabei hautnah erlebt, sie werden „very real“512, wie CLARE betont. Diese Unterschiedlichkeiten müssen respektiert werden, man muss sich miteinander arrangieren – und zwar ohne den sonstigen Druck expliziter Lehrererwartungen und die Aussicht auf gute Benotung oder Beurteilung. Ein friedliches, freundschaftliches Zusammenleben auf kleinstem (Privat-)Raum muss somit intrinsisch motiviert erfolgen und setzt voraus, dass der Schüler auch Missverständnisse oder kommunikative Schwierigkeiten erträgt.

506 J. Delors: „Bildung: Eine notwendige Utopie“. In: Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.): Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum. Neuwied 1997, S. 14. 507 G. Walker (1. Dezember 2005): „Beyond the UWC model”. http://blogs.ibo.org/georgew (Datum des Zugriffs: 3.11.2009). 508 G. Walker (2001): „Learning to live with others“. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 129. 509 K. Richter: „Stille, Selbstüberwindung und Dienst an der Gemeinschaft“. In: Die Höhere Schule. 42. Nr. 4 (1989), S. 114. 510 „In den meisten Colleges teilen sich (…) vier Schülerinnen oder Schüler vier unterschiedlicher Nationalitäten ein gemeinsames Zimmer.” Unter: 2008 UWC: „Frequently Asked Questions“. www.uwc.de/ueber_faq (Datum des Zugriffs: 8.6.2008). 511 2008 UWC: „Frequently Asked Questions“. www.uwc.de/ueber_faq (Datum des Zugriffs: 8.6.2008). 512 J. Clare: „Cash cuts cloud the horizon”. In: The Daily Telegraph, 27. März 1996. 3.2 Interkulturelle Erziehung 114

Abbildung 7 - Internatsleben am Armand Hammer UWC of the American West, USA. Vier Schülerinnen unterschiedlicher Nationen teilen sich ein Zimmer. Foto: UWC of the American West

 Nationale Abende/Tage: Die Nationen stellen sich vor. Während des Schuljahres richten die Schüler zum Beispiel am Atlantic College513 so genannte National Evenings aus, an denen sie typische Aspekte ihrer kulturellen Traditionen präsentieren. Oder das Pearson-College veranstaltet dreimal im Jahr „National Days“514, die es als einen der Hauptwege ansieht, mehr über andere Kulturen zu lernen.

Abbildung 8 - Hier wird am UWC-USA ein „African National Day" gefeiert. Foto: UWC of the American West

513 Vgl. 2006 Atlantic College: „Embrace – the UWC mission”. www.atlanticcollege.org, Unterverzeichnis: „About AC“, „Our Vision“ (Datum des Zugriffs: 7.6.2008). 3.2 Interkulturelle Erziehung 115

Abbildung 9 - Schülerinnen und Schüler am UWC of South East Asia in Singapur feiern am Dover-Campus den jährlichen „United Nations Evening". Foto: UWC of South East / Henry Chang and the UWC Days roving photographers

 „World Cultures“ – Kurs im curricularen IB-Programm: Die Schüler können ihre Fächer aus sechs Fächergruppen wählen (jeweils ein Fach aus Fachgruppe 1 bis 5 sowie Musik oder Bildende Kunst oder ein zweites Fach aus Gruppe 1 bis 4). Am UWC of the Adriatic wird in Fächergruppe 3 („Individuals and Societies“) unter anderem der Kurs „World Arts & Cultures“ angeboten. Das College selbst beschreibt den Kurs so:

„World Cultures, a unique course pioneered in this College, explores in a critical and informed way aspects of the world’s cultural diversity. (…) students study works of art and other cultural phenomena in order both to appreciate them in their own right and understand them as manifestations of wider cultural and social life. Students are encouraged to observe, analyse and ponder cultural differences and similarities.”515

 CAS (Creativity, Action, Service): Gegenseitiges Kennenlernen vollzieht sich am besten in gemeinsam zu bewältigenden Anforderungen und Aufgaben. Die IB-Kernanforderung III, das CAS-Programm, bietet hierfür den idealen Rahmen. Vor allem während des Sozialdienstes („Service“) für die Bevölkerung im lokalen/regionalen Umfeld der jeweiligen Schule hat der Schüler die Möglichkeit, Menschen einer anderen Nation direkt in ihrem sozio-kulturellen Umfeld kennenzulernen und sie ein Stück weit hilfreich zu begleiten – Hilfe sowie Entwicklung von Empathie über Grenzen hinweg. Des Weiteren finden sich im „Creativity“-Angebot aber auch – wie beispielsweise am UWC of Hong Kong – die Kurse „International Cookery“ oder „African Dance“516.

514 Vgl. 2005 Pearson College: „School Program – Services & Activities”. www.pearsoncollege.ca/activities.htm (Datum des Zugriffs: 7.6.2008). 515 UWC of the Adriatic: „Description of Courses“. www.uwcad.uwc.org/students/prospective_students/ibgroupdetails.html (Datum des Zugriffs: 7.6.2008). 516 Siehe Li Po Chun UWC: „QUAN CHAI“. www.lpcuwc.uwc.org/en/qc (Datum des Zugriffs: 18.5.2008). 3.2 Interkulturelle Erziehung 116

Abbildung 10 - Ein Schüler des UWC Mostar beim Sozialdienst im Altenheim „Miran San". Foto: UWC Mostar

 Diverse Aktivitäten: Schüler des Pearson College beispielsweise treten jedes Jahr in öffentlichen Theatern auf und präsentieren Musik und Tänze ihrer Heimatländer; sie geben ein so genanntes One World Concert.517

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die United World Colleges nicht nur einen strukturellen Rahmen für interkulturelle Erziehung geben, sondern sich auch speziell durch ein vielfältiges Angebot von Aktivitäten sowie curricularer Lerninhalte, die kulturelle Differenzen zum Ausgangspunkt nehmen, auszeichnen. Mit AUERNHEIMER ist festzuhalten:

„Erst wenn Schule zum Lebensraum mit vielfältigen Aktivitäten wird, kann interkulturelles Zusammenleben eingeübt werden. In unterrichtlichen Arrangements sind die Schüler viel weniger als in ,lebensnahen’, unstrukturierten Situationen gezwungen, ,sich zusammenzuraufen’.“518

Die Schulen, welche Weltoffenheit sowie Toleranz und Respekt gegenüber Menschen anderer Nationalitäten und Kulturen propagieren, haben denn auch die Brasilianerin Monica Moreno, die SMITH in ihrem Artikel in der „Sunday Times“ zitiert, zu folgender Aussage über das Atlantic College beflügelt:

„Immediately after you arrive a learning process starts which makes you realise your own roots and carries an irresistible force for change and understanding of others.“519

517 Siehe 2005 Pearson College: „One World 2008“. www.personcollege.ca/one_world.html (Datum des Zugriffs: 7.6.2008). 518 G. Auernheimer: Einführung in die interkulturelle Erziehung. Darmstadt 21995, S. 224. 519 I. Smith: „School for change“. In: The Sunday Times, 25. Oktober 1987, S. 41. 3.2 Interkulturelle Erziehung 117

3.2.3 Die Bedeutung des Sprachenlernens Im Kontext der interkulturellen Erziehung spielt der Fremdsprachenunterricht eine wichtige Rolle. Er wird als Medium betrachtet, um in eine fremde Kultur eintauchen zu können und diese aus der neuen Perspektive heraus kennen zu lernen.

DARVALL sah die Wichtigkeit des Sprachenlernens zunächst einmal darin, in Kommunikation mit jenen Menschen treten zu können, die eine andere Sprache sprechen. Dazu reiche das bloße Erlernen der Sprache aber nicht; es müsse vielmehr verbunden werden mit dem Erwerb an Geschichtskenntnissen sowie Kenntnisse über Bräuche und Denkweisen:

„Benjamin E. Whorf, the American thinker and linguist, stated: `a man’s world is largely conditioned by his linguistic upbringing’. It is for this reason that the study of modern languages, for any practical application, is insufficient by itself and must be accompanied and permeated by a thorough acquaintance with the history, customs and manner of thinking of the people. (…) We must, therefore, know the character and manner of thinking of the people to whom we are trying to speak and obviously we must also know the medium we have to use to reach them in a way that they will understand. We are determined in the Atlantic Colleges to tackle the problem of speaking the languages of the Atlantic world (…).”520

Durch die spätere globale Ausrichtung der United World Colleges (vgl. Kap. 2.5.2) wurde schließlich auch das Spektrum der Fremdsprachen über die Grenzen der „Atlantischen Welt“ hinaus erweitert.

Dass sich diese Wichtigkeit des Sprachenlernens auch direkt im Lehrplan des ersten Colleges, dem Atlantic College (AC) in Wales, widerspiegelte, bestätigen sowohl HOARE als auch SUTCLIFFE, die erklären, dass „eine starke Betonung auf Sprachen gelegt [wird]“521. So war übrigens auch das AC die erste Oberschule, die in England ein Sprachlabor betrieb. Dies berichtet Sutcliffe im Jahr 1963, also bereits ein Jahr nach Gründung der Schule.

Auch im International Baccalaureate wird der Bedeutsamkeit der Sprachen Rechnung getragen: In den sechs Fächergruppen sind zwei Sprach-Fächergruppen enthalten, die für die Schüler verpflichtend sind: Gruppe 1 (Sprache A), Gruppe 2 (Sprache B)522.

Worin wird nun die Stärke der Sprache im Kontext der interkulturellen Erziehung gesehen? Es besteht Einigkeit darüber, dass durch die Aneignung einer fremden Sprache die Tür zu der Kultur, in der sie Anwendung findet, geöffnet wird. „Das Erlernen einer fremden Sprache“, erklärt NIDA-RÜMELIN, „ist der Schlüssel zu einer

520 L. Darvall: Rede, gehalten beim Sheffield Lunch am 12. November 1962. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 2 f. 521 D. J. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 242. D. Sutcliffe: „Das Atlantic College“. In: Neue Sammlung. 3. Nr. 3 (1963), S. 265. 522 Das Armand Hammer UWC of the American West beispielsweise beschreibt die Sprachgruppen wie folgt: „Group 1: Language A. Language A (the student’s best language) is designed for native speakers of a language or for students with an equivalent ability in writing, reading, speaking and comprehending the language and its literature. (…). Group 2: (…) This course emphasizes the development of the student’s linguistic competence in a second language.” 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West: „Academics”. www.uwc- usa.org/academics/academics.htm (Datum des Zugriffs: 28.6.2008). 3.2 Interkulturelle Erziehung 118 fremden Kultur (…).“523 Für JACOBY beschränkt sich das Sprachenlernen nicht auf Wortschatz, Grammatik und Stil, sondern berührt auch die Persönlichkeit des Schülers:

„Die Aneignung einer neuen Sprache zielt nicht nur auf das Erlernen eines angemessenen Wortschatzes oder auf grammatische Exaktheit und stilistische Eleganz ab. Eine andere Sprache erlernen bedeutet, aus dem Wesen heraus einer anderen Kultur entgegen zu gehen. Der Lernende eignet sich Schritt für Schritt neue Denkweisen an, die neue Sprache enthüllt neue Gesichtspunkte, die Persönlichkeit des Lernenden öffnet sich einer anderen Welt.“524

DINES erläutert nun die Wirkung, wenn das Gelernte angewendet wird. Für ihn vollzieht sich beim Anwenden einer anderen Sprache ein Identitätswechsel des Sprechenden:

„Wenn man eine fremde Sprache spricht, schlüpft man gewissermaßen in eine andere Kultur und eignet sich eine andere Identität an. Dies geschieht, weil Sprache einen Spiegel der zugrunde liegenden Strukturen einer Kultur bildet. (…) In verschiedenen Kulturen (…) wird die Welt unterschiedlich geordnet, was sich in der Struktur der verschiedenen Sprachen widerspiegelt. Wenn ich eine fremde Sprache lernen will, muß ich in diese andere Ordnung eintreten und erlebe dadurch eine andere Welt.“525

Wie DINES weiter ausführt, verlasse man beim „Eindringen in eine andere Kultur durch das Mittel der Sprache“ gleichzeitig die eigene Muttersprache und Kultur. Beim Rückblick von der neuen Perspektive auf die eigene Welt wiederum gelinge es, die „alte Welt“ aus der Distanz heraus reflektierend zu betrachten.526

Der pädagogische Wert des Fremdsprachenlernens für die interkulturelle Erziehung liegt auch in der Bereitschaft, sich auf Fremdes einzulassen und Eigenes beiseite zu legen. WALKER spricht sogar von einem „Opfer“: Indem man die eigene Muttersprache aufgibt und die Sprache des Anderen spricht, unterwirft man sich einem klaren psychologischen Nachteil – dies mit dem Ziel, das Zusammenleben zu erlernen.527

Damit wird deutlich, dass das Erlernen von Fremdsprachen an den United World Colleges nicht lediglich dem Zweck einer besseren schulinternen Kommunikation oder einer besseren Vorbereitung auf eventuell zukünftige berufliche Herausforderungen dient. Es wird vielmehr deutlich, dass es als pädagogisches Mittel im Rahmen der interkulturellen Erziehung eingesetzt wird.

523 J. Nida-Rümelin: „Zukunftsfähige Bildung: Persönlichkeit – Fähigkeiten –Tugenden“. In: Pädagogik. 55. Nr. 7-8 (2003), S. 56. 524 L. Jacoby: „Mehrsprachigkeit und Interkulturelle Erziehung in der Europäischen Gemeinschaft.“ In: S. Luchtenberg, W. Nieke (Hg.): Interkulturelle Pädagogik und Europäische Dimension. Münster 1994, S. 220. 525 P. Dines: „,You understand?’“ In: Friedrich Verlag (Hg.): Wege nach Europa – Spuren und Pläne. (= Jahresheft IX/1991 aller pädagogischen Zeitschriften des Friedrich Verlages). Seelze 1991, S. 93. 526 Vgl.: P. Dines: „,You understand?’“ In: Friedrich Verlag (Hg.): Wege nach Europa – Spuren und Pläne. (= Jahresheft IX/1991 aller pädagogischen Zeitschriften des Friedrich Verlages). Seelze 1991, S. 93. 527 „Why does the IBO [International Baccalaureate Organization; Anm. d. Verf.] put such an emphasis on learning a foreign language? Simple communication is one good reason. (…) But perhaps the best reason is to make a sacrifice: to admit to someone that if I am going to learn to live with you then I must put myself at a distinct psychological disadvantage by speaking your language.” G. Walker: „Learning to live with others“ (2001). In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 137. 3.2 Interkulturelle Erziehung 119

Letztlich wird die zweisprachige Kommunikation in den Dienst der Toleranz und Akzeptanz kultureller, ethnischer und religiöser Unterschiede gestellt. Folgende Zielformulierung des UWC Costa Rica kann stellvertretend für die übrigen UWC angesehen werden:

„As part of its fundamental objectives the Pillar of Multiculturalism at United World CollegeCosta Rica aims to encourage tolerance and the acceptance of cultural, ethnic and religious diversity (…). These goals are to be achieved through the promotion of bilingual communication (…).”528

Letztlich dient damit auch das Erlernen von Fremdsprachen dem Ziel der Völkerverständigung, dem originären und fundamentalen Ziel der United World Colleges.

528 Colegio del mundo unido Costa Rica, 2006: „UWC Mision”. www.uwccr.com/philosophy.asp (Datum des Zugriffs: 18.5.2008). 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 120

4 Die Entwicklung des International Baccalaureate und die Wurzeln seiner Kernanforderungen Wie kann es gelingen, die umgesetzte Idee zu etablieren? Diese Frage stellte sich mit der Eröffnung des Atlantic College, dem ersten United World College. Immerhin ging es darum, die neue Schulform auf stabilem Grund zu verankern, dem Lehrplan, in dem sich die pädagogischen Ideen widerspiegelten, einen festen Rahmen zu geben und den Schülern einen verbindlichen Schulabschluss anbieten zu können. Die Schüler sollten nicht nur die Möglichkeit erhalten, Internationalität im Schulraum zu leben und zu erfahren, sondern es sollte ihnen auch ermöglicht werden, einen universitären oder beruflichen Weg mittels eines international anerkannten Schulabschlusses „barrierefrei“ auf allen Kontinenten einschlagen zu können. Das Atlantic College war schließlich einer der Vorreiter in der Entwicklung des International Baccalaureate (IB), eines heute weltweit international anerkannten Schulabschlusses.

Somit lag es nahe, dass sich im Diploma Program, dem IB-Oberstufen-Lehrplan, denn auch die pädagogischen Ideen und Ansätze von Kurt Hahn wiederfinden lassen würden. Dass sie hier tatsächlich enthalten sind, wird im vorliegenden Kapitel 4 gezeigt. Bis heute sind Elemente der Hahn’schen Pädagogik im IB-Diplom-Programm enthalten: in den Kernanforderungen CAS (Creativity, Action, Service) und im „Extended Essay“.

Im vorliegenden Kapitel 4 wird zum einen die Entwicklung des International Baccalaureate sowie die Rolle, die das Atlantic College dabei spielte, aufgezeichnet. Zum anderen werden die Elemente der Hahn’schen Erlebnistherapie, die teilweise die Wurzeln der Kernanforderungen des heutigen IB-Diplom-Programms sind, aufgezeigt. Die Erlebnistherapie kann als das „Herzstück“ der Hahn’schen Pädagogik angesehen werden.

Es ist festzuhalten, dass das IB auch Kurt Hahns „Handschrift“ trägt.

4.1 Das International Baccalaureate (IB) Was ist das International Baccalaureate, kurz „IB“ genannt? Auf der Homepage der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. wird das IB als „ein international bekannter und anerkannter Schulabschluss, der dem deutschen Abitur gleichwertig ist“529, beschrieben. Robert BLACKBURN, ehemaliger Konrektor des UWC of the Atlantic und ehemaliger Generalsekretär der International Baccalaureate Organization (IBO), bezeichnet das IB auch als „an ’international passport’ to higher education“530.

Das IB-Programm, dessen erfolgreicher Abschluss das IB-Diplom ist, wird nicht nur an den United World Colleges angeboten. Ein Blick auf die „IB World School statistics“531 beim Stand vom 5. November 2009 zeigt: In insgesamt 138 Ländern der Welt gibt es so genannte IB World Schools; in allen 138 Ländern wird das Diploma Program angeboten. Insgesamt gibt es 2741 IB World Schools; an 2007 wird das Diploma Program durchgeführt.

529 2008 UWC: „Das Programm“. www.uwc.de/ueber_programm (Datum des Zugriffs: 17.6.2008). 530 R. Blackburn: „The International Baccalaureate: a curriculum at upper secondary level and a university entrance examination“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 15. 531 Die Zahlen sind der Homepage der IBO (International Baccalaureate Organization, 2005-2009), „IB World School statistics“, entnommen. www.ibo.org/facts/schoolstats/progsbycountry.cfm?text_size=1 (Datum des Zugriffs: 5.11.2009). 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 121

Einem Artikel von Iola SMITH in der „Sunday Times“ aus dem Jahre 1987 ist zu entnehmen, dass das IB- Diploma zur damaligen Zeit „at more than 350 colleges across the world“532 angeboten wurde. Das heißt, dass sich in gut 20 Jahren die Zahl derjenigen Schulen, an denen es heute möglich ist, das IB-Diplom abzulegen, fast verfünffacht hat. In Deutschland gibt es (beim Stand von 5. November 2009) insgesamt 39 IB World Schools; an 35 von ihnen kann das IB-Diplom erworben werden (15 Schulen bieten das „Primary Years Programme“ an, sieben Schulen das „Middle Years Programme“ – Näheres zu den Programmen s. Kap. 4.2).

Im Jahr 1971 war in Deutschland zum ersten Mal eine Schule dazu bevollmächtigt, das Diploma Program anzubieten.533

4.1.1 Idee und Mission Ein Curriculum ist so gut, wie es den Anforderungen, denen die Schüler in der jeweiligen Zeit gegenüber gestellt werden, entspricht. Eben dies haben die „Väter“ des IB mit dem Curriculum versucht umzusetzen. Sie wollten mit dem IB auf die sich verändernden globalen gesellschaftlichen Bedingungen reagieren. Damit gaben sie den Schülern, wie gezeigt werden wird, gleichzeitig die Möglichkeit für einen größeren Aktionsraum nach der Schulzeit.

Wie BLACKBURN erklärt, wollten die Begründer des IB helfen, „to extend and improve the quality of international education. They were idealists. They believed international education was not a luxury but a necessity in an increasingly interdependent and multicultural world.“534 Entsprechend wurde das IB aus ganz praktischen Bedürfnissen heraus entworfen: Zum einen sollte ein Curriculum für die höhere Sekundarstufe sowie eine Reifeprüfung angeboten werden, denen eine große Akzeptanz entgegengebracht würde, zum anderen sollte der weltweit mobiler werdenden Gesellschaft Rechnung getragen werden. BLAKBURN fasst dies wie folgt zusammen:

„However, the IB was also [neben der Notwendigkeit/dem Bedarf an interkultureller Erziehung; Anm. d. Verf.] created to meet several practical needs: 1. To provide international schools with an appropriate common curriculum at upper secondary level and a matriculation examination which had wide acceptability. 2. To assist such schools to help solve the problems of the growing internationally mobile community – parents who had to find secondary education for their children overseas but who wished to return them to higher education in their own countries.”535

532 I. Smith: „School for change“. In: The Sunday Times. 25. Oktober 1987, S. 41. 533 Diese Angabe ist der IBO-Homepage (International Baccalaureate Organization, 2005-2008) entnommen unter „Country information for Germany“. www.ibo.org/country/DE (Datum des Zugriffs: 15.6.2008). Auf der selben Seite „Country information for Germany“ führte die IBO (International Baccalaureate Organization, 2005) im Jahr 2006 noch 25 IB World Schools in Deutschland an; zehn von ihnen boten das Primary Years-, fünf das Middle Years- und 25 das Diploma-Programme an (Datum des Zugriffs: 31.12.2006). 534 R. Blackburn: „The International Baccalaureate: a curriculum at upper secondary level and a university entrance examination“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 15. 535 R. Blackburn: „The International Baccalaureate: a curriculum at upper secondary level and a university entrance examination“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 15. 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 122

An anderer Stelle hebt BLACKBURN noch einmal den zentralen Beweggrund für die Schaffung dieses neuen Curriculums hervor: „So, the IB was designed really to see if it could meet the needs of the internationally mobile student. That was the original thing.“536 Der IB-Erfolg bestätigte schließlich, dass das neue Angebot dem Bedürfnis der Zeit entsprach. HILL konstatiert:

„The IBO has expanded rapidly (…) Educators and parents see that the IB diploma prepares students for a future in a global society – it provides an international, intercultural perspective in an academically rigorous framework with an emphasis on critical thinking skills, whilst promoting personal development.”537

Auch FOX bestätigt in ihrem Rückblick auf die Entstehungsgeschichte, dass das IB-Konzept „zeitgemäß“ war:

„Es war als Hochschulzugangsberechtigung sowohl für mobile Familien als auch für Schulen (…) attraktiv. Auch für die Universitäten, die zu dieser Zeit die Angemessenheit der Schulbildung in der Oberstufe in Frage stellten und für die Regierungen, die sich darum bemühten, ein stabiles schulisches Umfeld für jene Staatsangehörigen zu schaffen, die beruflich in Übersee gebunden waren, war das IB interessant.“538

Demnach versprachen sich die verschiedensten Seiten von der neuen Curriculum-Entwicklung Vorteile.

Wurde ursprünglich ein Programm entwickelt, um international mobile Schüler auf die Universität vorzubereiten, so werden heute neben dem Diplom-Programm zwei weitere Programme für Kinder/Jugendliche im Alter von 3 bis 16 Jahren angeboten (Primary Years Program, Middle Years Program), was für den Erfolg des DP und die anerkannte Wertigkeit auch für andere Altersgruppen spricht. Die IBO macht jedoch darauf aufmerksam, dass das IB mehr sei als die drei Erziehungsprogramme:

„At our heart we are motivated by a mission to create a better world through education. (…) We promote intercultural understanding and respect, not as an alternative to a sense of cultural and national identity, but as an essential part of life in the 21st century.“539

Interkulturelle Verständigung wird also als unverzichtbarer, gar lebenswichtiger Bestandteil („an essential part“) des Lebens im 21. Jahrhundert angesehen. So beschränkt sich die IBO in ihrem „Mission Statement” (s. Fußnote 540) dann auch nicht auf die Zielvorstellung der Entwicklung von intellektuellen Fähigkeiten der Schüler („inquiring“, „knowledgeable“), sondern ihr kommt es auch darauf an, die emotionale Seite zu fördern („caring“), damit der Schüler schließlich am übergeordneten Ziel einer friedlicheren Welt („more peaceful world“) mitwirken kann. Dies soll erreicht werden durch interkulturelle Verständigung und Respekt. Das IBO Mission Statement lautet:

536 R. Blackburn im Interview mit P. Jonietz am 25.9.1989. P. Jonietz: „A philosophy of international education – an interview with Robert Blackburn, Deputy Director of the International Baccalaureate Office“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 217. 537 I. Hill: „Phenomenal growth of the IB“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 239. 538 E. Fox: „Das Internationale Bakkalaureat – Wegbereiter einer weltweiten Erziehung und Bildung“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 331. 539 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Mission and strategy“. www.ibo.org/mission (Datum des Zugriffs: 15.6.2008). 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 123

„The International Baccalaureate aims to develop inquiring, knowledgeable and caring young people who help to create a better and more peaceful world through intercultural understanding and respect.”540

Genau hier ist die Schnittstelle zu den United World Colleges zu finden. Die übergeordnete Zielsetzung („peace“) deckt sich mit der der UWC (vgl. „UWC`s Mission“, s. Fußnote 431).

4.1.2 Die Entwicklung des International Baccalaureate In diesem Kapitel wird die Entwicklungslinie des IB grob nachgezeichnet. Eine detaillierte Darstellung würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit überschreiten. Es sei an dieser Stelle auf die zweite Edition des Buches von Alec Peterson „Schools Across Frontiers“541 verwiesen, in dem ausführlich die Geschichte des International Baccalaureate sowie der United World Colleges dargestellt und auf ihre enge Wechselbeziehung eingegangen wird.

Von wem ging nun das IB aus? Sowohl Blackburn (ehemaliger stellvertretender Generaldirektor der International Baccalaureate Organization; IBO) als auch Peterson und Walker (beide ehemals IBO-Generaldirektor) benennen diesbezüglich dieselben drei Schulen: PETERSON sieht das Atlantic College sowie Ecolint (= International School of Geneva) und UNIS (= United Nations International School/New York542) als „the three ’founders’“543 des IB-Programms; BLACKBURN erklärt, dass das IB „arose out of the academic and international needs of a group of schools: the International School of Geneva, the UN School in New York, and Atlantic College were really the pioneers of that whole business.“544 Und auch WALKER sieht in den drei Schulen die Pioniere: „In the late 1960s these three schools, Ecolint, UNIS and Atlantic College, supported by several others around the world, pioneered the IB Diploma Programme.”545

Der Ursprung liegt in der 1924 in Genf gegründeten „International School of Geneva“, auch Ecolint546 (École internationale) genannt. Sie wurde laut KOHL

„(…) unter der Schirmherrschaft des Völkerbundes mit dem Ziel gegründet, den Kindern hochmobiler Familien eine ihren Bedürfnissen entsprechende Schulbildung anzubieten. Von besonderer Bedeutung war dabei, ihnen die Akzeptanz kultureller Unterschiede zu erleichtern,

540 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Mission and strategy“. www.ibo.org/mission (Datum des Zugriffs: 15.6.2008). 541 A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003. Die zweite Ausgabe greift die Geschichte ab 1987 auf und beinhaltet unter anderem eine Liste von IB-Schulen bis Oktober 2002. 542 Die UNIS wurde 1947 eröffnet, in einem „rented apartment complex in New York City, to 20 elementary school pupils from 15 countries”, wie McLELLAN berichtet. „The school is tied very closely to the United Nations, although it is an independent entity, not an agency of the United Nations.” J. L. McLellan: „The United Nations International School: An Exciting Experiment in International Education”. In: Kappa Delta Pi Record. 26. Nr. 4 (1989), S. 57. 543 A. D. C. Peterson: „The Six-Year Experiment with the IB”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 72. 544 R. Blackburn im Interview mit P. Jonietz am 25.9.1989. P. Jonietz: „A philosophy of international education – an interview with Robert Blackburn, Deputy Director of the International Baccalaureate Office“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 217. 545 G. Walker (2000): „International education: connecting the national to the global”. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 72. 546 WALKER weist darauf hin, dass Ecolint nicht die erste internationale Schule war – dies war die Spring Grove School in London, die 1866 öffnete. Vielmehr sei Ecolint „the longest serving international school“. G Walker (2002): „Speaking the language of international education”. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 141. 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 124

sie auf eine internationale Karriere vorzubereiten und die mit einem häufigen Schulwechsel zusammenhängenden Probleme auf ein Minimum zu reduzieren (…).“547

Ecolint ist von den drei o.g. Schulen die älteste. Sie stellt für WALKER „the cradle both of international education and of the International Baccalaureate“548 dar. Schon damals war als Ziel der Weltfrieden definiert.549 Die Schule, die für Kinder der Beamten des Völkerbundes sowie der Internationalen Arbeitsorganisation550 gegründet wurde, war laut WALKER kein Misstrauensvotum gegenüber dem bestehenden lokalen Schulsystem, sondern vielmehr „a combination of pragmatism (these children would return one day to their own countries) and vision (an education based on the values of the League itself).“551 So wurde von hier aus – wie von PETERSON zu erfahren ist – der Ruf nach einem internationalen Schulabschluss laut: „It was at Ecolint, (…) that the first idealistic call for an international school-leaving examination came in 1925.“552 Doch das Projekt schien laut PETERSON totgeboren, weil es – so vermutet er „did not, as it did after the Second World War, respond to a widely-felt need. There were in 1925 very few international schools and very little student mobility.“553

Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Projekt konkret: Im Jahr 1951 wurde in Paris die „International Schools Association“ (ISA) als UNESCO-Organisation in Paris gegründet. FOX berichtet, dass das ursprüngliche Ziel war, „die Interessen von drei Internationalen Schulen in Genf und der neu gegründeten ,United Nations International School’ in New York zu koordinieren“554. Nach den Worten Petersons übernahm Ecolint die Führung bei der Gründung der ISA. Die Zahl der ISA-Mitgliedsschulen stieg (bis 1963 waren es 20). Sie hatten alle das gleiche Ziel: die Entwicklung eines internationalen, weltweit anerkannten Curriculums.

FOX berichtet: „Den Anfang für die Entwicklung des IB setzte eine kleine Gruppe von Lehrern an der ,International School of Geneva’ (Ecolint). (…) Desmond Cole-Baker, Direktor von Ecolint, leitete als Präsident der ,International Schools Association’ die Arbeiten der Organisation am IB-Projekt.“555 Die Anstrengungen seien schließlich von anderen Internationalen Schulen mitgetragen worden, die ebenfalls dabei gewesen seien, ein Curriculum zu entwerfen. FOX nennt hier die UNIS sowie das Atlantic College.

1964 wurde beim Jahrestreffen der ISA der Beschluss gefasst, eine eigenständige Organisation zu gründen, die das IB-Projekt weiterführen sollte. Denn, so berichtet PETERSON: „Most ISA members were more concerned

547 G. Kohl: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 271. 548 G. Walker (1995): „An important anniversary”. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 9. 549 WALKER erinnert daran, dass Ecolint von Offiziellen des Völkerbundes gegründet wurde, „who wanted not just a school but a style of education for their children consistent with the League’s search for world peace.“ G. Walker (1995): „To Educate the Nations”. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 23. Der Völkerbund war eine internationale Organisation mit Sitz in Genf, die kurz nach dem Ersten Weltkrieg (10. Januar 1920) mit dem Ziel der Friedenssicherung ihre Arbeit begann. Der Völkerbund wurde am 18. April 1946 aufgelöst, an seine Stelle traten die Vereinten Nationen (UN). 550 Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) war ursprünglich eine Einrichtung des Völkerbundes. Seit 1946 ist sie eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Im Jahr 1969 erhielt sie den Friedensnobelpreis. 551 G. Walker (2000): „International education: connecting the national to the global”. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 71. 552 A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 15. 553 A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 15. 554 E. Fox: „Das Internationale Bakkalaureat – Wegbereiter einer weltweiten Erziehung und Bildung“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 327. 555 E. Fox: „Das Internationale Bakkalaureat – Wegbereiter einer weltweiten Erziehung und Bildung“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 327. 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 125 with primary and middle school education, and reluctant to spend time on what still seemed the visionary and for them largely irrelevant dream of an international baccalaureate.“556 Diese Organisation wurde von Ecolint gefördert, hatte aber einen unabhängigen Status. (Zunächst unter dem Namen „International Schools Examination Syndicate“ (ISES) gestartet, führte sie ab 1967 den Namen „International Baccalaureate Office“, IBO; mit Sitz in Genf). Alex Peterson übernahm die Leitung. Zunächst brachten er und Harpo Hanson einen finanziellen Zuschuss der Ford Foundation von 300 000 Dollar unter Dach und Fach. Nun waren fünf Dinge nötig, um die Machbarkeit des IB zu demonstrieren. PETERSON erinnert sich:

„The first was a unified international curriculum and examination system to be distilled out of the many panel meetings which had been going on since 1962. The second was the agreement by a significant number of universities in different countries that they would in practice recognise the results of theses examinations as qualifications for entry to the university. The third was a group of schools which would agree to teach the new curriculum; the fourth a group of parents who would agree to risk their son’s or daughter’s chances of a university place by entering them for the new examination: and the fifth, assurance of sufficient funds to ensure that the schools and students who had made this commitment were not let down by the sudden collapse of the project in mid course.”557

Im März 1965 wurde auf der ersten Curriculum-Konferenz ein erster Lehrplan-Entwurf vorgestellt und dann – wie PETERSON berichtet – „agreed between Atlantic College and Ecolint at a language conference in October. IB was designed for the last two years of pre-university education (…).”558 Die Vorstellung des IB-Plans auf der Curriculum-Konferenz im März war ein Meilenstein, denn PETERSON bezeichnet den vorgelegten Entwurf als „the basis of the IB schéma général“559. Dies konkretisiert er sodann und stellt die Pflicht- und Wahlmöglichkeiten innerhalb der sechs Fächergruppen vor:

„The key to this was that no individual subject save two languages and mathematics should be specified, but that candidates would be compelled to choose at least one subject from certain specified groups.”560

PETERSON hebt hervor, dass die Ähnlichkeit des oben genannten schéma général und dem bestehenden Atlantic College-Curriculum „was very close“561.

Entscheidende Bedeutung in der Entwicklung des International Baccalaureate hatte die im Februar 1967 am Centre Internationale des Recherches Pédagogiques in Sèvres/Frankreich stattfindende Konferenz. Hier trafen sich Regierungs- und Universitätsvertreter sowie Oberstufenlehrer aus verschiedenen Ländern, um die Ziele sowie den

556 A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 19. 557 A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 24. 558 A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 28. 559 A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 29. 560 A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 29. 561 A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 29. 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 126

Entwurf des Internationalen Bakkalaureats zu besprechen. Zwei Kommissionen legten Entwürfe zum einen zu den Lehrplänen (Kommission A: „Structure, Standards and Syllabuses of the Courses“) und zum anderen zur Prüfungsdurchführung (Kommission B: „The Organisation and Procedure of the Examinations“) vor. FOX resümiert:

„Der abschließende Vorschlag (…) legte den zukünftigen Weg des IB fest: Im Zuge einer sechsjährigen Versuchsphase von 1969 bis 1975 sollten jährlich 500 Schüler und Schülerinnen an den offiziell von den Regierungen und vom IBO anerkannten Pilotschulen zum IB geführt werden.“562

PETERSON hatte zur Vorbereitung der Konferenz eine Reihe von Internationalen Schulen besucht, um schließlich auf der Konferenz „a reasonably well-distributed pilot group which would be prepared to participate in trial examinations“563 präsentieren zu können. Auf der Pilotschul-Liste finden sich unter anderem das Atlantic College, Ecolint sowie UNIS wieder.

4.1.2.1 Die experimentelle Phase (1969-1975) FOX berichtet, dass bis 1973 eine international besetzte Gruppe von Professoren („Board of Chief Examiners“) „den Grundstein für das hohe Niveau“564 des IB legte. Die Gruppe formulierte Ziele, entwickelte Bewertungskriterien und konkretisierte den Lehrplan. Während der experimentellen Phase wurden die Prüfungsarbeiten genauestens von den Prüfern durchgeschaut. Anschließend schickten sie detaillierte Berichte an die teilnehmenden Schulen zurück. FOX stellt fest:

„Es war deutlich, daß sich während dieser frühen Entwicklungsphase viele Schulen nicht nur als Teilnehmer eines pädagogischen Experiments sahen, sondern als aktive Gestalter, die sich einer neuen, globalen Pädagogik verpflichtet fühlten.“565

Diese Einschätzung bestätigt SUTCLIFFE, der zum Gründungs-Lehrerkollegium des Atlantic College gehört und ehemaliger Direktor der Schule (1969 bis 1982) war; er erinnert sich: „We had the feeling (…) of being in the forefront of something really important, and our aim of using our College as a field laboratory for experimental work in international education was being achieved.“566

1970 wurden nach zwei Jahren der Probe die ersten IB-Diplome – „a passport to universities around the world“567, wie WALKER es bezeichnet – verliehen; 29 Schüler nutzten es zum Universitäts-Eintritt568. Drei Jahre später,

562 E. Fox: „Das Internationale Bakkalaureat – Wegbereiter einer weltweiten Erziehung und Bildung“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 330. 563 A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 27. 564 E. Fox: „Das Internationale Bakkalaureat – Wegbereiter einer weltweiten Erziehung und Bildung“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 331. 565 E. Fox: „Das Internationale Bakkalaureat – Wegbereiter einer weltweiten Erziehung und Bildung“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 332. 566 D. B. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges.” In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 94. 567 G. Walker (2000): „The IBO and the UWC: pragmatism and vision in international education“. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 100. 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 127

Ende 1973, besuchten IB-Schüler bereits 175 verschiedene Universitäten in 25 Ländern569. Schließlich waren immer mehr Schulen am IB interessiert und die Zahl der Universitäten weltweit, die das IB-Diplom als Zugangsvoraussetzung akzeptierten, stieg ebenfalls.570

Das Ende der experimentellen Phase bezeichnet FOX gleichzeitig als den „Beginn einer neuen Ära für das IBO, eingeleitet durch die erste ,IB Standing Conference of Governments’ (…).“571 Diese Konferenz fand im Februar 1976 in Den Haag statt. An ihr nahmen Minister, Staatssekretäre und höhere Beamte aus verschiedenen Ländern sowie Vertreter der UNESCO teil.572 Hier sollte die Zukunft des IB diskutiert werden (darunter vor allem die mögliche finanzielle Unterstützung durch die einzelnen Länder573). „It was the Hague conference which really marked the end of the ’experimental period’ and the launching of the IBO on the international scene”574, resümiert PETERSON.

4.1.3 Zur Anerkennung des IB Das International Baccalaureate (IB) ist – wie der Homepage der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. zu entnehmen ist – ein „international bekannter und anerkannter Schulabschluss“575. Auf der UWC-USA-Homepage wird beim Stand vom Juni 2008 ob der Anzahl der anerkennenden Universitäten eine Zahlenangabe gemacht: „There are in excess of 600 universities and colleges in nearly 50 countries that have accepted students with IB credentials.“576

Die International Baccalaureate Organization (IBO) mit Sitz in Genf erstellt den Lehrplan und nimmt die Prüfungen ab.

In Deutschland wird das IB-Diplom als gleichwertig zum Abitur angesehen. Es wird hierzulande problemlos anerkannt, „wenn die Fächerbeschränkungen der deutschen Kultusministerkonferenz eingehalten werden, die eine größtmögliche Vergleichbarkeit mit dem Abitur gewährleisten sollen“, erläutert die Deutsche Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V.577. Die „Vereinbarung über die Anerkennung des International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International“, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom

568 Vgl. A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 31. 569 Vgl. A. D. C. Peterson: „The Six-Year Experiment with the IB“. In: A. D. C. Peterson (Hg.): Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 71. 570 Vgl. A. D. C. Peterson: „The Six-Year Experiment with the IB“. In: A. D. C. Peterson (Hg.): Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 88. 571 E. Fox: „Das Internationale Bakkalaureat – Wegbereiter einer weltweiten Erziehung und Bildung“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 333. 572 PETERSON zählt die 15 Länder auf, die Vertreter zu der Konferenz nach Den Haag schickten. Es waren Belgien, Italien, Marokko, die Niederlande, Großbritannien, Kamerun, Kanada, Dänemark, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, der Iran, Rumänien, Schweden, die Schweiz und die USA. Vgl. A. D. C. Peterson: „The Six-Year Experiment with the IB“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 94. 573 Einen Auszug aus dem offiziellen Konferenzbericht gibt Peterson in: „The Six-Year Experiment with the IB“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 95-97. 574 A. D. C. Peterson: „The Six-Year Experiment with the IB“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 94. 575 2008 UWC: „Das Programm“. www.uwc.de/ueber_programm (Datum des Zugriffs: 17.6.2008). 576 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West: „Academics”. www.uwc- usa.org/academics/academics.htm (Datum des Zugriffs: 28.6.2008). 577 2008 UWC: „Das Programm“. www.uwc.de/ueber_programm (Datum des Zugriffs: 17.6.2008). 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 128

10.3.1986 in der Fassung vom 26.6.2009, ist der Homepage der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen.578

4.1.4 Die International Baccalaureate Organization (IBO) Wie bereits in Kapitel 4.1.2 erwähnt, ging die IBO aus dem ISES („International Schools Examination Syndicate“) hervor, das – wie KOHL zusammenfasst – „die Aufgabe übernommen hatte, ein zweijähriges internationales Oberstufenprogramm zu entwickeln“579. Entsprechend ihren Bestrebungen, durch Erziehung Verständnis und Respekt unter den Kulturen zu fördern580 – der stellvertretende IBO-Generaldirektor Ian HILL formuliert 2003 als IBO’s „grand mission“ das Ausbilden und Formen von Weltbürgern: „(…) the IBO pursues its grand mission: the shaping of word citizens.“581 – sieht der ehemalige IBO-Generaldirektor George WALKER die Organisation als „torchbearer for international education“582. Das Bild des „Fackelträgers“, der die Flamme hinaus in die Welt trägt, erscheint als sehr passend gewählt: die IBO als Trägermedium für interkulturelle Erziehung, an der Schüler verschiedenster Altersstufen und Nationalitäten teilhaben sollen. So umfassen die drei IB- Lehrprogramme die Altersstufen von 3 bis 19 Jahre (siehe: Primary Years Programme, Middle Y. P., Diploma P.).

HILL nennt zum Zeitpunkt Juni 2002 die Zahl von insgesamt 1368 IBO-Mitgliedsschulen in 113 Ländern.583 Ende des Jahres 2006 bezifferte die IBO die Anzahl der Schulen, mit denen sie in 124 Ländern zusammenarbeitete, auf 1918 Schulen.584 Beim Stand vom 5. November 2009 gibt es in 138 Ländern insgesamt 2741 IB World Schools.585 Die Zahlen belegen also einen steten Anstieg von Schulen, die die von der IBO ausgearbeiteten Programme anwenden.

Die IBO ist eine gemeinnützige Stiftung. Sie ist Mitglied in der Konferenz der Nichtregierungsorganisationen mit beratendem Status am „Enonomic and Social Council“ (ECOSOC) der Vereinten Nationen.586 Die IBO wird geführt von einem gewählten Rat, an deren Spitze der Generaldirektor steht – seit Januar 2006 ist es Jeffrey Beard, Nachfolger von George Walker (IBO-Generaldirektor von 1999 bis Dezember 2005). Sein Sitz ist in Genf. Die IBO hat Büros beziehungsweise Vertretungen weltweit: in Bath/England (Sitz der Forschungsgruppe; an der Universität von Bath), Peking, Buenos Aires, Cardiff/England (curriculum and assessment centre), Mumbai, New York, Singapur, Sydney, Tokio und Vancouver.587

578 2009 Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK): „Vereinbarung über die Anerkennung des ‚International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International’“. www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1986/ 1986_03_10-Vereinbarung-Baccalaureate-Dipl.pdf (Datum des Zugriffs: 29.11.2009). 579 G. Kohl: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. In: Bildung und Erziehung. 4. Nr. 3 (1991), S. 281. 580 Vgl. „Mission Statement“, s. Fußnoten 539 und 540. 581 I. Hill: „Looking Ahead“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 321. 582 G. Walker (2000): „International education and national systems“. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 96. 583 I. Hill: „Looking Ahead“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 320. 584 IBO (2005): „Discover a world of education“. www.ibo.org (Datum des Zugriffs: 31.12.2006). 585 Vgl. Fußnote 531. 586 Vgl. G. Walker (2000): „International education and national systems“. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 93. 587 Vgl. IBO (2005-2008): „Where is the IB located?“ www.ibo/who/slideh.cfm (Datum des Zugriffs: 1.7.2008). 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 129

Dabei verläuft der IB-Entwicklungsprozess nicht eindimensional, das heißt nur von der IBO ausgehend. Vielmehr sind laut BLACKBURN die Mitgliedsschulen eingebunden in den fortlaufenden Prozess der IB-Curriculum- Überprüfung und -Entwicklung. Somit beeinflussen, wie BLACKBURN erklärt, die Schulen die Programme, die sie unterrichten:

„Participating schools play an essential role. The IB (…) was largely created by them. Representatives of schools are actively involved in the governance of IBO and in the continuing process of IB curriculum review and development on the Curriculum Board and Subject Committees. As a result, the schools influence the programmes they teach.”588

Auch die United World Colleges sind an diesem Prozess beteiligt. Die Ideen und pädagogischen Elemente von Kurt Hahn sind im heutigen IB-Diplom-Programm, ausgehend vom Atlantic College in Wales, unverkennbar übernommen – dies zeigt Kapitel 4.3. Das liegt daran, dass das Atlantic College eine große Rolle in der IB- Entwicklung spielte, wie in Kapitel 4.1.5 dargestellt wird.

4.1.5 Die Rolle des Atlantic College in der Entwicklung des IB Das Atlantic College (AC) wird von JENKINS als „one of the principal laboratories for the development of the International Baccalaureate Diploma“589 bezeichnet. Der ehemalige Rektor des Atlantic College erklärt, dass das College „has been influential in the development of curricula and examinations (…).“590 PETERSON bewertet die Rolle des AC noch gewichtiger; er erklärt, dass das AC „a leading part in the development of the International Baccalaureate“ spielte.591 (FERENSCHILD sieht übrigens auch Kurt Hahn noch Ende der 1960er-Jahre an der Konzeption des IB beteiligt.592)

Da HAHN bereits in seiner Rede 1957 in Brügge erklärte, dass die Jungen der Atlantischen Internate auf ein Abitur vorbereiten werden würden, „das von allen freien Nationen anerkannt würde, und eines Tages auch von den Satelliten“593, liegt es nahe, dass sich das Atlantic College auch an den Bemühungen um ein Internationales Bakkalaureat beteiligte. Folglich benannte auch HOARE 1963 im Half Yearly Progress Report des Atlantic College als Ziel – neben der internationalen Verständigung – vor allem „to bring about the removal of University admission barriers in Europe and elsewhere (…)“594. Schließlich sah man ebenso wie an anderen internationalen Schulen hier am Atlantic College das Bedürfnis der wachsenden mobilen Gesellschaft nach einem allseits anerkannten Schulabschluss (vgl. Kap. 4.1.1). So waren die Interessen, die das Atlantic College (als erstes von heute 13 UWC) und die IBO vertraten und bis heute noch vertreten, die gleichen. Man zog an einem Strang.

588 R. Blackburn: „The International Baccalaureate: a curriculum at upper secondary level and a university entrance examination”. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 16. 589 C. D. O. Jenkins (April 1996) in einem Brief an die Verfasserin vom 9.8.1996. 590 C. D. O. Jenkins (April 1996) in einem Brief an die Verfasserin vom 9.8.1996. 591 A. D. C. Peterson: „The Founding of Atlantic College“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 13. 592 Vgl. H. Ferenschild: „Kurt Hahn und seine Spuren im Salem von heute“. In: erleben & lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 7. Hinweise darauf, dass Hahn selbst an der IB-Konzeption beteiligt gewesen ist, findet die Verfasserin der vorliegenden Arbeit jedoch an keiner anderen Stelle in der ihr zugrunde liegenden Literatur. 593 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 594 D. J. Hoare: „The Aims“. In: The Atlantic College in the United Kingdom. Half Yearly Progress Report. Nr. 2 (Juli 1963). 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 130

PETERSON erinnert in dem Zusammenhang daran, dass sowohl die UWC als auch die IBO konzipiert und gegründet wurden „by two groups of individuals who shared a common purpose and enthusiasm and who developed (…) those deep ties of friendship which often do emerge from shared devotion to a cause.“595

Dass die UWC eine Sonderstellung in der Entwicklung des IB einnehmen, daran lässt PETERSON keinen Zweifel. Er veranschaulicht die enge Wechselbeziehung und gegenseitige Hilfe zwischen IB und UWC-„Flotte“ wie folgt:

„(…) on three occasions when IBO seemed to be heading for the rocks of financial disaster, he [Lord Mountbatten; Anm. d. Verf./s. Kap. 2.5.1] intervened personally to save us [die IBO; Anm. d. Verf.]. I am as sure that without this help and the input of students and teachers from the United World Colleges, the IBO would have foundered, as I am sure that without the IB, the United World College fleet could never have set sail.”596

Selbst auf der Homepage des UWC of Hong Kong wird darauf verwiesen, dass die frühe Entwicklung der United World Colleges und die des International Baccalaureate voneinander abhängig gewesen sei, und dass viele Aspekte der IB-Philosphie (vor allem die Dimensionen von „Theory of Knowledge“/TOK und „Creativity, Action, Service“/CAS) „are integral to the thinking behind the UWCs.“597 In gleicher Weise bezeichnet auch WALKER die frühe Beziehung zwischen beiden Organisationen; er beschreibt sie als „symbiotic“598 – man habe einander gebraucht und einander genutzt599. Lord Louis Mountbatten (s. Kap. 2.5.1) benutzt noch ein anderes Bild („Nabelschnur“), um zu verdeutlichen, dass er für die UWC ohne das IB keine Zukunft sah: PETERSON zitiert: „Lord Mountbatten once called the International Baccalaureate ´the umbilical cord of the UWC movement’.“600

Als der damalige Direktor das Atlantic College (AC), David Sutcliffe, im Jahr 1971 den Entschluss fasste, die nationalen Prüfungen zu Gunsten des IB-Diploms aufzugeben, war dies – so bewertet es WALKER – „arguably the turning point in the successful development of the IBO“601. Dies war deshalb ein Wendepunkt, weil das AC – so erinnert SUTCLIFFE selbst daran – „als erstes College in der Welt“602 die IB-Lehrpläne und -Prüfungen „zugunsten einer internationalen Prüfung für alle seine Schüler verabschiedete“603. Er sieht das Atlantic College während der 1970er-Jahre (1974 kam das zweite UWC, das Pearson College/Kanada, hinzu) als das „workhorse

595 A. D. C. Peterson: „Preface to the first edition”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. xi. 596 A. D. C. Peterson: „The Six-Year Experiment with the IB”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 66. 597 „The early development of the UWCs and the IB were interdependent, and many aspects of the IB philosophy (especially the TOK and CAS dimensions) are integral to the thinking behind the UWCs.“ Li Po Chun UWC: „About LPC”. www.lpcuwc.uwc.org/en/about/about_history.php (Datum des Zugriffs: 23.6.2008). 598 G. Walker (1.12.2005): „Beyond the UWC model”. http://blogs.ibo.org/georgew (Datum des Zugiffs: 3.11.2009). 599 WALKER schreibt in der Vorbemerkung zu einer Rede, die er 2000 gehalten hat: „Early develpoments of the United World Colleges and of the International Baccalaureate Organization were very closely interlinked. Each needed the other and each used the other.” G. Walker (2000): „The IBO and the UWC: pragmatism and vision in international education.” In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 99. 600 A. D. C. Peterson: „Appendix Three: Proposal for establishing the Mountbatten Centre for International Education.” In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. La Salle 1987, S. 243. 601 G. Walker (1.12.2005): „Beyond the UWC model”. http://blogs.ibo.org/georgew (Datum des Zugiffs: 3.11.2009). 602 D. B. Sutcliffe: „Oberstufen-Kollegs im Geiste Kurt Hahns”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 363. 603 D. B. Sutcliffe: „Oberstufen-Kollegs im Geiste Kurt Hahns”. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 363. 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 131 of the evolving International Baccalaureate, both as a vehicle for its examinations and equivalence agreements, and as a source of curriculum research and testing“604.

Der UWC-Beitrag zur Entwicklung des IB liegt nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in Gegenwart und Zukunft. Das sieht beispielweise das UWC of Hong Kong („The UWCs pioneered the IB, and the UWCs remain an innovative force within IB programmes.“605) ebenso wie SUTCLIFFE, der erklärt, dass die UWC „continue to play a strong hand in setting standards for the IB concerns (…)“606.

Die beiden Organisationen, UWC und IBO, verfolgen jedoch nicht nur die stete Entwicklung des IB. Sie haben zudem das gleiche übergeordnete Ziel: Erziehung zu friedlichem Zusammenleben über Grenzen hinweg. Für PETERSON sind die United World Colleges die Gründer einer solchen Erziehung, und die Gründer des IB streben an, diese auszugestalten:

„Its [international education; Anm. d. Verf.] intention is (…) to understand and collaborate better with their [next generation; Anm. d. Verf.] fellow human beings across frontiers. It was this kind of education which the United World Colleges were founded to provide and which the founders of the IB, together with the vast majority of teachers and students involved, have striven to develop.”607

Verständnis für und Zusammenarbeit mit seinen Mitmenschen über Grenzen hinweg ist dementsprechend das Ziel, das beide Organisationen verfolgen. Während die Gründungsansätze von UWC (Angst vor einem Dritten Weltkrieg vor dem Hintergrund des Kalten Krieges; s. Darvall-Aussage Fußnote 75) und IBO (gestiegene Mobilität und damit erhöhter Bedarf eines international anerkannten Schulabschlusses) unterschiedlich waren, sind ihre Mittel, die sie einsetzen (internationale Erziehung), um ein gemeinsames Ziel (friedliches Zusammenleben/Verständigung der Völker untereinander) zu erreichen, die gleichen.

WALKER spricht von einer Erziehungsvision der beiden Organisationen, die die Welt verändern wird:

„Two modest organizations [UWC und IBO; Anm. d. Verf.] cannot by themselves change the world, but they can remain firmly committed to a vision of education that will change the world and then they can seek ways of extending their influence in order to turn that vision into reality.”608

Die gleiche inhaltliche Ausrichtung beider Organisationen hat nicht zuletzt mit einem gemeinsamen Projekt, dem United World College in Mostar, im September 2006 Gestalt angenommen. Offiziell Die gemeinsame Initiative von UWC und IBO in Bosnien und Herzegowina kann als ein besonderes Beispiel dafür angesehen werden, wofür sich bereits unter anderen Kurt Hahn mit der Gründung des Atlantic College einsetzte: Völkerverständigung im

604 D. B. Sutciliffe: „The United World Colleges”. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 34. 605 Li Po Chun UWC: „About LPC“. www. lpcuwc.uwc.org/en/about/about_history.php (Datum des Zugriffs: 23.6.2008). 606 D. Sutcliffe: „The United World Colleges in the new millennium”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 232. 607 A. D. C. Peterson: „Some Issues for the Future“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 195. 4.1 Das International Baccalaureate (IB) 132

Einsatz für den Frieden. So formuliert die UWC-IBO Initiative auf ihrer Homepage als Ziel „to support the peace process in the country and the region, by implementing a recognized model of post-conflict education.”609 Die IBO konkretisiert auf ihrer Homepage bezüglich der gesellschaftlichen Situation: „The aim of this joint initiative (…) is to contribute to the integration of the three ethno-religious communities in the post-conflict development of Bosnia and Herzegovina through international education.”610 Es verbündeten sich hier also die beiden Organisationen IBO und UWC und brachten ihre 40-jährige Erfahrung auf dem Feld der interkulturellen Erziehung von Schülern unterschiedlicher Nationen und Religionen in das gemeinsame Projekt mit ein.

Abbildung 11 - Das Mostar Gymnasium, in dem sich das UWC Mostar befindet. Die UWC-Schüler kommen aus den ethnischen Gruppen Bosniens, Herzegowinas und aus dem Ausland. Das UWC Mostar hat keinen eigenen Campus, die Schüler wohnen in zwei großen Wohnheimen in der Stadt, in denen weitere Unterrichtsräume wie ein Musikraum untergebracht sind. Foto: UWC Mostar

608 G. Walker (2000): „The IBO and the UWC: pragmatism and vision in international education.” In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 103. 609 The UWC-IBO Initiative in Bosnia and Herzegovina: „Home”. www.uwc-ibo.org (Datum des Zugriffs: 13.7.2008). 610 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „UWC-IB initiative in Bosnia and Herzegovina”. www.ibo.org/partnerships/bosniaproject (Datum des Zugriffs: 13.7.2008). Auf dieser Internetseite schildert die IBO auch kurz die Situation, wie sie sich nach dem Dayton-Abkommen, durch das im Jahre 1995 der Bosnien-Krieg beendet wurde, darstellte: „The Dayton Peace Agreement which ended the Bosnian war and established the current constitutional set-up was unable to make provision for education. As a result, education – the crucial building block of a functional civil society – has remained deeply divided with three curriculums (the Serb, the Muslim-Bosniak and the Croat), separate classes in the same building and young people the continuing victims of religious-nationalistic politics.“ 4.2 Die drei heutigen IBO-Programme 133

Abbildung 12 - Das Mostar Gymnasium dient auch als „Centre for Professional Development of Bosnia and Herzegovina Teachers“, die ein Training in internationalen pädagogischen Standards erhalten – hier ein Workshop für Deutschlehrer aus Bosnien und Herzegowina. Foto: UWC Mostar

4.2 Die drei heutigen IBO-Programme Die International Baccalaureate Organization (IBO) bietet heute drei Ausbildungsprogramme an: das „Primary Years Programme“ (PYP), das „Middle Years Programme“ (MYP) und das „Diploma Programme“ (DP).

 Das PYP richtet sich an Kinder von 3 bis 12 Jahre. Dieses Programm „focuses on the development of the whole child in the classroom and in the world outside“, erklärt die IBO611. Das PYP gibt es seit 1997.

 Das MYP ist konzipiert für Schüler im Alter von 11 bis 16 Jahre. Es bietet laut IBO „a framework of academic challenge and life skills through embracing and transcending traditional school subjects.“612 Das MYP gibt es seit 1994.

 Das DP beinhaltet eine zweijährige Oberstufenausbildung, die zum Abschluss des International Baccalaureate (IB) führt. Dieses Programm wird für Schüler im Alter von 16 bis 19 Jahre angeboten und

611 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Three programmes at a glance“. www.ibo.org/programmes (Datum des Zugriffs: 6.7.2008). Detailierte Informationen zum Primary Years Programme gibt es im Internet unter www.ibo.org/pyp. 612 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Three programmes at a glance“. www.ibo.org/programmes (Datum des Zugriffs: 6.7.2008). Detailierte Informationen zum Middle Years Programme gibt es im Internet unter www.ibo.org/myp. 4.2 Die drei heutigen IBO-Programme 134

wurde von der IBO als erstes entwickelt. HILL weist im Zusammenhang mit der Einführung weiterer Programme ab 1994 auf eine veränderte Terminologie hin: „Prior to 1994 ‘the IB’ meant the two-year program at the end of secondary education which leads to higher education studies. (…) from 1994 the long-standing IB program (…) came to be officially called the IB Diploma Program. Many people still refer to ‘the IB’, which usually means the Diploma Program.”613

An allen United World Colleges – bis auf das Simón Bolívar UWC of Agriculture (s. Kap. 2.7.2) – ist es möglich, das International Baccalaureate zu erwerben. Neben den reinen Oberstufen-UWCs gibt es drei UWCs, die nicht nur das DP anbieten: Am UWC of South East Asia, am Waterforld Kamhlaba UWC of Southern Africa sowie am UWC Maastricht werden auch jüngere Jahrgänge unterrichtet beziehungsweise andere Abschlüsse angeboten.614

4.2.1 Im Fokus: Das Diplom-Programm In der vorliegenden Arbeit wird das Diplom-Programm (DP) in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt. Zum einen, weil die United World Colleges sich von Beginn an an Schüler wandten, die auf ein Abitur vorbereitet werden sollten (vgl. Fußnote 593); zum anderen, weil das DP in den so genannten „core requirements“ (Kern- Anforderungen) Elemente der Hahn’schen Pädagogik enthält. So werden Urspünge und Entwicklungslinien der heute im DP verbindlichen Kern-Anforderungen aufgespürt beziehungsweise nachgezeichnet.

In dem auf zwei Jahre hin konzipierten DP…

 …wird der Schüler in sechs Fächern unterrichtet, die er aus sechs Fachgruppen wählt. Die Inhalte der gewählten Fächer werden auf unterschiedlichem Niveau gelernt: je drei Fächer im „higher level“ (HL/240 Unterrichtsstunden), je drei im „standard level“ (SL/150). Die Wahl eines Faches aus Fachgruppe 1 bis 5 ist verpflichtend, aus Gruppe 6 optional.

 …schreibt der Schüler einen erweiterten Aufsatz, das so genannte „extended essay“.

 …belegt der Schüler den Wissens-/Erkenntnislehre-Kurs, den so genannten „theory of knowledge“ (TOK)-course.

 …nimmt der Schüler am so genannten „CAS“ (creativity, action, service)-Programm teil.

Fachgruppe 1: Sprache A1

Die „Sprache A1“ beinhaltet Literaturwissenschaft in der Sprache, die meist die Muttersprache und erste Wahl des Schülers ist. Nach Angaben der IBO stehen 45 Sprachen regelmäßig entweder auf höherem oder Standard-Level

613 Ian Hill: „Phenomenal Growth of the IB“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 241. 614 Auf dem Dover-Campus des UWC of South East Asia in Singapur gibt es beim Stand vom Juli 2008 fünf Schulen – von der Infant School (Spielschule; Alter 4-7 Jahre) über die Middle School (11-14) bis hin zur Upper School (16-18), die dem Diploma Program folgt. Nähere Informationen gibt es im Internet: 2007 UWCSEA: „Our schools“. www.uwcsea.edu.sg/cgi-bin/WebObjects/StudywizPortal.woa/1/wa/page?pid=7 (Datum des Zugriffs: 7.7.2008). Am UWC of Southern Africa werden ebenfalls mehrere Jahrgänge – hier über drei Abschnitte – unterrichtet. Abschnitt 1: Form 1, 2, 3. Abschnitt 2: Form 4, 5 für 14- bis 16-Jährige folgt dem International General Certificate of Secondary Education (IGCSE). Abschnitt 3: Senior phase; Diploma Program. Nähere Informationen gibt es im Internet: Waterforld Kamhlaba United World College of Southern Africa 2008: „Academic Programmes“. www.waterford.sz/main/learn.php (Datum des Zugriffs: 7.7.2008). Am UWC Maastricht werden das IB- Diploma Program und das IB Middle Years Program angeboten. 4.2 Die drei heutigen IBO-Programme 135 zur Wahl zur Verfügung.615 Hier, so sieht es die IBO, kann der Schüler neben den sprachlichen Fähigkeiten und dem Literaturverständnis auch „respect for the literary heritage of their first language“616 entwickeln. Das heißt, dass nicht nur Wert auf die schriftliche und mündliche Ausdrucksfähigkeit sowie ein persönliches Literaturverständnis in der „ersten“ Sprache des Schülers gelegt wird, sondern dass er sich gleichzeitig seiner – durch die Sprache angelegten – kulturellen Wurzeln bewusst wird.

Fachgruppe 2: Zweite Sprache

Hier besteht die Möglichkeit, je nach Vorwissen des Schülers, aus drei Angeboten zu wählen: Language ab initio course (für Anfänger; SL), Language B course (für Schüler mit einigem Vorwissen; entweder SL oder HL), Language A2 course (für Fortgeschrittene, SL/HL). Mit Fachgruppe 2 kommt die Bedeutung des Sprachenlernens im Kontext der interkulturellen Erziehung stark zum Tragen. Gerade mit diesem Angebot soll das Verständnis für andere Kulturen gefördert werden. So erklärt die IBO: „The aim is to promote an understanding of another culture through the study of a second language. A large range of modern languages are available plus two classical languages (Latin and classical Greek).”617

Fachgruppe 3: Einzelpersonen und Gesellschaften

Der Schüler kann eines der folgenden neun Fächer (entweder SL oder HL) wählen618: business and management, economics, geography, history, information technology in a global society, Islamic history, philosophy, psychology, social and cultural anthropology.

Fachgruppe 4: Experimentelle Naturwissenschaften

Aus folgenden fünf Fächern kann eines ausgesucht werden619: biology, chemistry, design technology, environmental systems, physics. Bis auf das Fach „Umweltsysteme“ (nur SL) können alle anderen Fächer als SL- oder HL-Kurs gewählt werden.

Fachgruppe 5: Mathematik und Computerwissenschaft

Mindestens ein Mathematik-Kurs ist verpflichtend; aus vier unterschiedlichen Angeboten (SL/HL) kann gewählt werden. Selbst in diesem Fach spielen internationale Dimensionen eine Rolle. Die IBO erklärt hierzu: „Students are also encouraged to appreciate the international dimensions of mathematics and the multiplicity of its cultural and historical perspectives.“620 Als Wahlfach (SL/HL) wird Computerwissenschaft angeboten.

615 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Group 1: language A1“. www.ibo.org/diploma/curriculum/group1/ (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 616 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Group 1: language A1“. www.ibo.org/diploma/curriculum/group1/ (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 617 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Group 2: second language“. www.ibo.org/diploma/curriculum/group2/ (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 618 Vgl. International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Group 3: individuals and societies“. www.ibo.org/diploma/curriculum/group3/ (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 619 Vgl. International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Group 4: experimental sciences“. www.ibo.org/diploma/curriculum/group4/ (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 620 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Group 5: mathematics and computer science“. www.ibo.org/diploma/curriculum/group5/ (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 4.2 Die drei heutigen IBO-Programme 136

Fachgruppe 6: Die Künste

Die Wahl eines der angebotenen Fächer aus Fachgruppe 6 (Musik, Theater, Bildende Kunst; HL/SL) ist nicht verpflichtend. Auch hier wird auf die große Anwendbarkeit der Unterrichtsgegenstände auf die verschiedenen kulturellen Kontexte verwiesen; ein Hinweis auf westlich-orientierte Ausrichtung bestehe laut IBO ausdrücklich nicht: „The subjects in group 6 allow a high degree of adaptability to different cultural contexts. (…) In particular, there is no indication of a western-oriented bias.”621

Core requirements/Kern-Anforderungen:

Der Kern des DP-Curriculums besteht aus drei Bausteinen:

 Extended essay (erweiterter Aufsatz): Jeder Schüler muss einen Aufsatz von maximal 4000 Wörtern schreiben. Das Thema, das sich der Schüler selbstständig erarbeitet, kann je nach Interessenlage frei gewählt werden. Der Schüler erhält während des Ausarbeitungsprozesses Rat und Hilfe – normalerweise von einem Lehrer der Schule.622 PETERSON hebt hervor, dass die Schüler den Aufsatz in ihrer „eigenen Zeit“, meist über vier bis sechs Monate, erarbeiten.623

 Theory of knowledge/TOK (Erkenntnislehre): Hierbei handelt es sich um einen interdisziplinären Kurs. Laut IBO ist er „designed to provide coherence by exploring the nature of knowledge across all disciplines, encouraging an appreciation of other cultural perspectives.”624 Der Aspekt der Annäherung an andere kulturelle Perspektiven kommt in diesem Kurs stark zur Geltung. Im Rahmen interkultureller Erziehung kommt dem TOK-Kurs daher eine große Bedeutung zu. Die TOK-Anforderung wird auch als „central to the educational philosophy of the Diploma Programme“625 angesehen. Der Blick auf andere soll den Schüler gleichzeitig zum Blick in sich selbst hinein veranlassen, zum Blick auf die eigene Befangenheit, die eigenen Vorurteile beziehungsweise eine Voreingenommenheit, die schließlich beibehalten, überarbeitet oder verworfen wird. So erklärt die IBO: „It is a stated aim of TOK that students should become aware of the interpretative nature of knowledge, including personal ideological biases, regardless of whether, ultimately, these biases are retained, revised or rejected.“626 PETERSON sieht in der „Theory of Knowledge” – im Gegensatz zur reinen Philosophie, die sich an speziell interessierte

621 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Group 6: the arts“. www.ibo.org/diploma/curriculum/group6/ (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 622 Das Waterford Kamhlaba UWC SA beispielsweise lobt den erweiterten Aufsatz, indem es die Möglichkeiten aufzeigt, die mit ihm verbunden sind: „The Extended Essay offers IB Diploma candidates a unique opportunity to engage in the process of personal research, communicate ideas information logically, and develop their skills of analysis, evaluation and reasoning.” Waterford Kamhlaba United World College of Southern Africa 2008: „CAS, TOK and Extended Essay”. www.waterford.sz/learn/ib/essentials.php (Datum des Zugriffs: 12.7.2008). 623 Vgl.: A. D. C. Peterson: „From educational aims to a curriculum and examinations“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 45. 624 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Core requirements. Overview“. www.ibo.org/diploma/curriculum/core (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 625 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Core requirements. Theory of knowledge“. www.ibo.org/diploma/curriculum/core/ knowledge (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 626 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Core requirements. Theory of knowledge“. www.ibo.org/diploma/curriculum/core/ knowledge (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 4.2 Die drei heutigen IBO-Programme 137

Personen wendet – eine „,philosophy for everyone’”627. Das Red Cross Nordic United World College unterstreicht diese Aussage, indem es den Begriff der Philosophie aufgreift: „(…) Theory of Knowledge (…) gives students a forum in which to pull together the diverse aspects of their education and examine them in a philosophically comprehensive manner.“628 Durch den TOK-Kurs soll der Schüler zum Nachdenken und zur Reflexion angeregt werden. Es geht darum, eine persönliche Denkweise auf der Grundlage kritischer Prüfung von Tatsache und Argument zu entwickeln.629 Durch den TOK-Kurs seien laut UWC-USA die Schüler besser in der Lage, die relative Wahrheit verschiedener Meinungen und Behauptungen, die zu Konflikten zwischen Einzelpersonen und Nationen führen, wahrzunehmen.630 Dies ist somit ein weiterer friedenspädagogischer Lerninhalt. Zur Betrachtung und Diskussion stehen im TOK- Kurs moralische, ethische, religiöse und philosophische Themen.631 Der TOK-Kurs ist ein verpflichtendes Fach im Diplom-Programm. In den United World Colleges steht es neben weiteren friedenspädagogischen Lernangeboten (s. Kap. 3.1.2).

 Creativity, action, service/CAS (Kreativität, Bewegung, Dienst): Zur Wahrnehmung dieses Schulangebots wird nicht nur der Klassenraum, sondern gleich die „akademische Bühne“ verlassen. So geht es dabei laut der IBO um „fostering their [der Schüler; Anm. d. Verf.] awareness and appreciation of life outside the academic arena.“632 Die IBO spricht von einem „fundamental part of the programme“633 und hebt damit die Wichtigkeit des CAS-Angebotes hervor. Das Element „Creativity“ sieht in der Regel eine weite Palette künstlerischer Aktivitäten vor, „Action“ kann nicht nur die Teilnahme an einer Individual- oder Teamsportart, sondern auch die Teilnahme an einer Expedition bedeuten; und beim „Service“ wird über zwei Jahre drei Stunden pro Woche Gemeinschafts- und Sozialdienst absolviert. Laut dem UWC Costa Rica richtet das CAS-Programm den Fokus auf „individual, social responsibility and the commitment to make the world (…) a better place.“634 Auf der Homepage der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. werden Beispiele von sozialen oder karitativen Projekten aufgelistet, in denen sich die UWC-Schüler im Social Service engagieren:

627 A. D. C. Peterson: „Appendix one: The Programme of the IB Theory of Knowledge Course”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. La Salle 1987, S. 221. 628 1995-2008 Red Cross Nordic UWC: „Academic Programme: Introduction”. www.rcnuwc.uwc.org/college/academics.asp (Datum des Zugriffs: 15.7.2008). 629 Vgl.: A. D. C. Peterson: „Appendix one: The Programme of the IB Theory of Knowledge Course”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. La Salle 1987, S. 222. Sowie: Waterford Kamhlaba United World College of Southern Africa 2008: „CAS, TOK and Extended Essay”. www.waterford.sz/learn/ib/essentials.php (Datum des Zugriffs: 12.7.2008). 630 „Through this study, students are better able to examine their education and to discern the relative truth of various opinions, assertions and positions that cause conflicts between individuals and nations in the world.“ 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West: „Other IB Diploma Requirements”. www.uwc-usa.org/academics/ib_requirements.htm (Datum des Zugriffs: 13.7.2008). 631 Vgl.: Waterford Kamhlaba United World College of Southern Africa 2008: „CAS, TOK and Extended Essay”. www.waterford.sz/learn/ib/essentials.php (Datum des Zugriffs: 12.7.2008). 632 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Core requirements. Overview“. www.ibo.org/diploma/curriculum/core (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 633 International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Core requirements. Creativity, action, service (CAS)“. www.ibo.org/diploma/curriculum/core/cas (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 634 United World College Costa Rica, 2006: „Programe for Creativity, Action and Service”. www.uwccr.com/casprogramme.asp (Datum des Zugriffs: 18.5.2008). 4.2 Die drei heutigen IBO-Programme 138

„Die Bandbreite (…) umfasst Arbeit mit Straßenkindern, Betreuung behinderter Menschen, Umweltaktivitäten, Gestaltung von Freizeitprogrammen für alte Menschen, Reiten für Behinderte, Arbeit in Flüchtlingslagern, Mitarbeit in einem Kindergarten, Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfeunterricht, Sportaktivitäten mit schwer erziehbaren Jugendlichen oder die Betreuung von AIDS-Patienten.“635

Abbildung 13 - Eine Schülerin des UWC Mostar beim Sozialdienst im Waisenhaus „Egyptian Village“. Foto: UWC Mostar

Durch die Erfahrungen, die die Schüler im CAS-Programm sammeln können, lernen sie nicht nur sich selbst kennen, sondern erwerben auch Sozialkompetenz – laut dem UWC of Southern Africa entwickeln sie ein Verantwortungsgefühl für andere: „Through the shared experience of facing challenges and difficulties in the service of others, students learn about themselves and develop a sense of responsibility for others, especially those in need.“636 Die Hilfe und Unterstützung für die Menschen der Umgebung ist dabei ein wichtiger Aspekt.637 Der geschützte Raum der Schule – die „akademische Bühne“ – wird verlassen und der Schüler taucht ein in die real existierenden Probleme seiner Mitmenschen. Seine Mitarbeit ist keine Übung, sondern Einsatz im Ernstfall. So erklärt das UWC of the Adriatic, dass alle United World Colleges der Auffassung seien, dass hierin das Herz ihrer Philosophie liege: „All United World Colleges share the belief that the heart of their philosophy lies in the experience of offering

635 2008 UWC: „Frequently asked questions”. www.uwc.de/ueber_faq (Datum des Zugriffs: 8.6.2008). 636 Waterford Kamhlaba United World College of Southern Africa 2008: „Waterforld Kamhlaba as a United World College”. www.waterford.sz/main/uwc.php (Datum des Zugriffs: 18.7.2008). 637 PETERSON weist darauf hin, dass mit dem CAS-Programm unter anderem beabsichtigt wurde, dass die Schüler der IB-Schulen in Entwicklungsländern ihr „reiches Ghetto” verlassen: „It is only too easy for international schools in developing countries to become more or less affluent ghettoes, entirely cut off from the life of surrounding villages or poor city areas. It was one of the purposes of CASS activities to help in crossing this frontier (…).” A. D. C. Peterson: „Some Issues for the Future”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 204. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 139

assistance to members of the neighbouring community who require help.”638 So stellen die (Gemeinschafts-)Dienste das „Herz” dar, da hier – wie es das Atlantic College formuliert – die Schüler in diesen „sessions of experiential learning” die Ideale der Schule in die Tat umsetzen können.639 Über sein Engagement gibt jeder Schüler schließlich eine Selbst-Einschätzung ab und reflektiert seine Teilnahme am CAS-Programm.640

Die Kern-Anforderungen werden von PETERSON als die neuerungsträchtigsten Besonderheiten des International Baccalaureate betrachtet. Er bewertet sie auf der pädagogischen Seite als die befriedigendste Entwicklung in den ersten zehn Jahren der Entstehung:

„On the pedagogic side the most satisfactory development of the first decade seems to me to have been the relative success of the IB’s most innovatory features, the Theory of Knowledge Course, the Extended Essay, and the CASS [SS=Social service; Anm. d. Verf.] requirement.“641

4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen Wie bereits erwähnt, beinhaltet das Diploma Program (DP) mit seinen so genannten „core requirements“ pädagogische Elemente, die auf den Reformpädagogen Kurt Hahn und die von ihm eingeführte „Erlebnistherapie“ (vgl. Kap. 2.2.3.3) zurückzuführen sind. Es handelt sich dabei um den Extended Essay sowie das CAS-Programm. Der Kurs „Theory of Knowledge“ geht nicht auf Hahn zurück. Dem „Baustein“ TOK wird folglich in der vorliegenden Arbeit nicht weiter nachgegangen.

In der Literatur wird vor allem der Fokus auf die Dienste („Service“) gerichtet, die Kurt Hahn in seinem pädagogischen Programm verankerte und die heute Bestandteil des DP sind (vgl. Kap. 4.2.1). Doch dürfen „Creativity“ und „Action“ in der Betrachtung der Entwicklungslinie nicht übergangen werden. Ein Grund für die Fokussierung auf die Dienste dürfe allerdings darin liegen, dass sie als Herzstück der UWC-Philosopie gelten.

Während FERENSCHILD im Rahmen der obligatorischen IB-Anforderungen die „Sozialdienststunden nach Hahns Vorstellungen“642 zur Sprache bringt, erklärt der Prince of Wales, ehemaliger UWC-Präsident:

„One of Kurt Hahn’s great insights was that the ‘will to act’ needed education (…) and that this was best developed through shared, skilled, challenging, sometimes even dangerous, service to others in need. The IB includes a requirement for such social service in its diploma course and (…) this sort of activity has been increasingly recognised as an essential part of the

638 United World College of the Adriatic: „What we do”. www.uwcad.uwc.org/about/what_we_do (Datum des Zugriffs: 5.4.2008). 639 „It is in these sessions of experiential learning that students are given opportunities (…) to put the ideals of the College into practice.” 2006 Atlantic College: „Embrace – the UWC mission”. www.atlanticcollege.org/NETCOMMUNITY/Page.aspx?pid=211&srcid=183 (Datum des Zugriffs: 7.6.2008). 640 „Students are expected (…) to complete self-evaluations reflecting on the benefits of CAS participation.” 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West: „Other IB Diploma Requirements”. www.uwc-usa.org/academics/ib_requirements.htm (Datum des Zugriffs: 13.7.2008). 641 A. D. C. Peterson: „The second Decade and today“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 178 f. 642 H. Ferenschild: „Kurt Hahn und seine Spuren im Salem von heute“. In: erleben und lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 7. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 140

education of the adolescent. Not all of it, perhaps, has been as skilled as Hahn would have wished, but the impetus has been there.”643

So tritt im nicht-akademischen Bereich des DP-Curriculums die Hahn’sche Tradition zu Tage. Der Rückgriff auf die Hahn’schen Elemente ist nachvollziehbar, hatte Hahn doch bereits sehr gute Erfahrungen mit ihnen an seinen Schulen Salem und Gordonstoun sowie den so genannten Kurzschulen (Short Term Schools) gemacht.

Hahns „Erlebnistherapie” beinhaltet die Elemente Projekt, körperliches Training, Expedition und Rettungsdienst, die sich gegen die vier von ihm diagnostizierten „Verfallserscheinungen“ – den Verfall der Sorgsamkeit, der körperlichen Tauglichkeit, der Initiative und des Erbarmens – richten. „Die eigentliche charakterbildende Wirkung der ,Erlebnistherapie’, so referiert SCHWARZ, „wird erst in der gegenseitigen Verzahnung und im tatsächlichen Vollzug des Zusammenspiels ihrer Elemente unter dem gemeinsamen Motiv des ,Erlebnisses’ (…) voll sichtbar.“644 Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass nicht nur einzelne Elemente im Diploma Program auftauchen, sondern gleich drei von ihnen (außer Expedition) im Verbund.

4.3.1 Der Ursprung des Extended Essay: das Projekt Mit dem Hahn’schen erlebnistherapeutischen Baustein des „Projekts“ sind die Wurzeln für ein Element im heutigen IB-Anforderungsprofil angelegt: für das „Extended Essay“.

Dass Kurt Hahn mit dem „Projekt“ auf das IB-Diplom einwirkte – wenn auch ohne selbst direkt Einfluss genommen zu haben – bestätigt SUTCLIFFE:

„One of Kurt Hahn’s principal ambitions has been realized too, albeit without his direct influence, in that all students, in preparation for the diploma examination, must submit an extended essay of some 4000 words, or a scientific project, as a training in working with primary sources.“645

Was verstand nun Hahn unter einem Projekt, welche inhaltliche Ausrichtung hatte es im Kanon der Erlebnistherapie und welches Ziel verfolgte er damit? In einer Rede im Jahr 1962, anlässlich der Verleihung des Freiherr vom Stein-Preises in Hamburg, erläuterte HAHN seine Erlebnistherapie und sagt über das darin enthaltene „Projekt“-Element:

„Es kann ein künstlerisches oder dichterisches Projekt sein oder ein Unternehmen des Forschens oder die Konstruktion eines komplizierten wissenschaftlichen Apparates oder die Errichtung eines kleinen Bauwerkes, aber alle diese verschiedenartigen Vorhaben sollten das eine gemeinsam haben, daß sie einem klar definierten Ziel zustreben und Vertiefung und

643 Prince of Wales: „Foreword“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. viii. 644 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 39. 645 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 116. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 141

Ausdauer verlangen. Die Projekte sind nicht als Ersatz für Examina gedacht, wohl aber als Ergänzung. (…) Projekte entdecken nicht selten verborgene Reserven des Verstandes.“646

In dieser Erläuterung wird deutlich, dass das Projektthema nicht vorgegeben ist – ebensowenig wie beim heutigen Extended Essay, dessen inhaltliche Ausrichtung dem Schüler freigestellt ist. Auch Hahn beabsichtigte mit dem Projekt die Vertiefung des Schülers in ein bestimmtes Thema sowie die Entwicklung von Ausdauer beim Erreichen des Ziels. Ohne den üblichen Examensdruck kann der Schüler sein Projekt bearbeiten und dabei – idealerweise – „verborgene Reserven des Verstandes“ entdecken.

HAHN wollte den von ihm diagnostizierten „Verfallserscheinungen“ („declines“) der modernen Gesellschaft mit seinen vier Elementen der Erlebnistherapie (Körperliches Training, Expedition, Projekt, Rettungsdienst) gleich „Gegengiften“ („antidotes“) entgegenwirken. So spricht er unter anderem den Verfall an Sorgsamkeit an:

„Five social diseases surround them [die Schüler; Anm. d. Verf.], even in early childhood. There is the decline (…) in care and skill, due to the weakened tradition of craftsmanship, the decline in self-discipline, due to the ever-present availability of tranquilizers and stimulants (…).”647

SCHWARZ greift die von Hahn verwendeten Begriffe „care” (Sorgfalt) und „skill“ (Geschick, Fertigkeit) auf und erklärt dazu:

„Der Mangel an Sorgsamkeit (…) äußert sich für Hahn in einem Nachlassen der Konzentration, in fehlender Bereitschaft zu mühevollem, exaktem Arbeiten und im Niedergang des Handwerks.“648

Mit dem Projekt soll dem entgegengewirkt werden: Vertiefung und Ausdauer werden verlangt. SCHWARZ führt aus, dass das Projekt „von latenten Interessen des einzelnen ausgehend, beispielsweise als künstlerisches, literarisches oder handwerkliches Vorhaben durchgeführt werden [kann]“, es solle „durch die Bewältigung einer Aufgabe Jungen und Mädchen zur Selbstentdeckung verhelfen.“649

Hahn führte die Projektmethode bereits 1926 in Salem ein. Dem Projekt sollte im Wochenplan der Oberklassen der Samstagvormittag eingeräumt werden650. Zum Projekt ließ sich Hahn laut Schwarz von Hermann Lietz, dem „Vater der Landerziehungsheimbewegung“, inspirieren651 und Wassong erinnert an die Verbundenheit zur Projektmethode Deweys und Kilpatricks (s. Kap. 2.2.2.2.2).

646 K. Hahn (1962): „Erziehung und die Krise der Demokratie“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 302 f. 647 K. Hahn (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 7 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 648 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 41. 649 K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 42. 650 ZIEGENSPECK berichtet: „In Salem war – auf Vorschlag Kurt Hahns – seit 1926 der Samstagvormittag für die Oberklassen unterrichtsfrei. Er wurde für größere, selbständige Arbeiten freigehalten, für ein individuelles Projekt, dessen Ergebnis in Form einer Trimesterarbeit vorgelegt werden mußte.“ J. Ziegenspeck: „Kurt Hahn und die internationale Kurzschulbewegung“. In: J. Ziegenspeck (Hg.): Kurt Hahn. Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik. Bd. 2, hg. v. J. Ziegenspeck). Lüneburg 1987, S. 123. 651 SCHWARZ erinnert an „die Projekte Hahns, die ursprünglich von den Jahresarbeiten bei Lietz angeregt worden sind (…)“. In: K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 42. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 142

Während KÖPPEN für den Internatsraum Salem die „Jahresarbeiten als wissenschaftlichpropädeutische Schülerarbeiten“652 wertet, betont BRESS, dass es beim Projekt – im Rahmen der Hahn’schen Erlebnistherapie – „nicht um Beiträge für die Wissenschaft [ging], sondern darum, ,die Leidenschaft des Schaffens’ zu wecken, um die Überwindung der Mühsal, Pflege der Sorgsamkeit, das In-die Tiefe-Dringen und um die Entfaltung der Selbständigkeit.“653 Dies wird insofern verständlich, wenn man bedenkt, dass die Arbeit im Internat auf das Abitur und damit eine weiterführende Ausbildung hin ausgerichtet sein sollte, während das Projekt als erlebnistherapeutisches Element in erster Linie der Charakterbildung im Raum des Erlebnisses, hier des Selbst- Erlebnisses, diente. Im Kern jedoch verfolgen beide Ausrichtungen dieselbe pädagogische Intention: Entwicklung der Ausdauer und Sorgfalt sowie Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit des Schülers beim Erreichen eines gesteckten Zieles.

Dementsprechend betont RÖHRS, dass das Projekt der „geistigen Initiative und Erfindungsgabe einen großen Spielraum [gewährt]“654 und dass hierbei „ein hohes Maß an Selbständigkeit entfaltet werden [muß]“655. Dies kann als gültig angesehen werden sowohl für das Projekt im Rahmen der Schule als auch für das Projekt im erlebnispädagogischen Programm.

Ein weiterer Aspekt des Projekts im Rahmen der Hahn’schen Erlebnistherapie wird von MICHL angesprochen: die Rolle des Lehrers. „Der Lehrer wird im Projektverlauf zum Coach und Berater, die Schüler zunehmend zu Experten.“656 Auch hier findet sich die Parallele zur Institution Schule: Der Lehrer steht während des Projektes mit Rat zur Seite (vgl. Kap. 4.2.1), doch die Arbeit erfolgt selbstständig durch den Schüler.

Über die Projektarbeit in den ersten Jahren des Atlantic College finden sich Hinweise in einem Aufsatz von HOARE. Darin berichtet er:

„Jedes Semester unternimmt jeder Schüler eine Woche lang eine Arbeit, deren Thema er selbst wählt und die von ihm eine selbständige und sorgfältige Behandlung fordert.“657

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Hahn bereits in seiner ersten Schulgründung Salem die selbstständige Arbeit über einen längeren Zeitraum vom Schüler verlangte. Das zu behandelnde Thema konnte sich der Schüler selbst auswählen – es konnten sowohl geistige, wie musische als auch handwerkliche Arbeiten sein. Heute findet sich im Diploma-Program des International Baccalaureate diese Form der „Sorgfaltsübung“ in der Kern- Anforderung des Extended Essay.

652 W. Köppen: Die Schule Schloß Salem in ihrer geschichtlichen Entwicklung und gegenwärtigen Gestalt (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1967, S. 122. 653 H. Breß: „Outward Bound – Persönlichkeitsbildung durch Erlebnispädagogik. Die deutschen Kurzschulen als Alternativen zu Passivität und Resignation“. In: Deutsche Jugend. 33. Nr. 5 (1985), S. 224. 654 H. Röhrs: „Die pädagogische Provinz im Geiste Kurt Hahns“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 89. 655 H. Röhrs: „Die pädagogische Provinz im Geiste Kurt Hahns“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 89. 656 W. Michl: „Verwildungswünsche, Abenteuerlust und Grenzerfahrungen. Anmerkungen zu Kurt Hahns Begriff der Erlebnistherapie“. In: erleben & lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 11. 657 D. J. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 242. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 143

4.3.2 Der Ursprung der Projektwoche („Project Week“): die Expedition Die beiden Elemente der Erlebnistherapie „Projekt“ und „Expedition“ sind sich in ihrer Zielsetzung relativ verwandt. Mit der Expedition wollte Hahn dem von ihm „diagnostizierten“ Mangel an Initiative entgegenwirken.

Im Lehrplan des IB Diploma Program ist die „Expedition“ als solche nicht explizit enthalten. Dennoch gibt es an den United World Colleges die so genannte Projektwoche („Project Week“), die dem Inhalt und der Zielsetzung der Hahn’schen Expedition mitunter gleichkommt. Zudem werden zum Beispiel am Armand Hammer UWC of the American West/USA Expeditionen im Rahmen der CAS-Anforderungen angeboten. Daher findet das Hahn’sche Element der Expedition in der vorliegenden Arbeit nähere Erwähnung. Zunächst werden Zweck und Ursprung der Expedition, wie sie Kurt Hahn in seinem Konzept einsetzte, erläutert.

Im Vier-Elemente-Kanon der Hahn’schen Erlebnistherapie ist die Expedition fest integriert. Sie soll laut HAHN „the decline in initiative, due to the widespread disease of spectatoritis“658 entgegenwirken. Was bezweckt wurde, ist, dass der Schüler die Initiative ergreift und sich in der modernen Welt nicht auf das Zuschauen beschränkt. Zur Expedition gehört nicht nur die Ausführung, die Aktion, sondern auch die Planung und Vorbereitung darauf hin. HAHN fasst zusammen:

„Die Expeditionen zu Wasser und zu Lande sollten Voraussicht in der Planung und Sorgsamkeit, Umsicht, Entschlußkraft und Zähigkeit in der Durchführung fordern.“659

Hierin zeigt sich auch die Verwandtschaft zum Projekt: längere, intensive Auseinandersetzung mit einem Thema beziehungsweise die Vorbereitung auf ein Vorhaben und die Ausdauer in der Umsetzung.

In obigem Zitat Hahns wird deutlich, welche große Möglichkeit er der Expedition zuschreibt, nämlich die der Charaktererziehung. Er betont: „Experience has taught us that expeditions can greatly contribute towards building strength of character.“660 Dies äußert sich in der von Hahn angesprochenen „Entschlusskraft“ und „Zähigkeit“ (Durchhaltevermögen). Im Element Expedition – ebenso wie im Element Rettungsdienst – treffen zentrale Begriffe der Hahn’schen Pädagogik zusammen: Erlebnis, Erfahrung, Bewährung. Dem Schüler wird hierbei die Möglichkeit gegeben zu entdecken, was in ihm steckt. Die an ihn gestellte Aufgabe oder Situation kann ihm Grenzen, aber auch ungeahnte Fähigkeiten aufzeigen.661 Genau darin sieht HAHN die Aufgabe der Pädagogik und erklärt:

„While we believe that it is the sin of the soul to force any youngster into opinions, we consider it neglect not to impel everybody into health-giving experiences.“662

658 K. Hahn (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 7 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 659 K. Hahn (1962): „Erziehung und die Krise der Demokratie“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 302. 660 K. Hahn (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 5 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 661 SCHWARZ sieht darin eine weitere gemeinsame Schnittmenge von Projekt und Expedition: „Als herausfordernde ein- und mehrtägige Touren zu Wasser und zu Land helfen sie [die Expeditionen; Anm. d. Verf.], wie das Projekt, unbekannte Fähigkeiten ans Licht zu bringen.“ K. Schwarz: Die Kurzschulen Kurt Hahns (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, hg. v. H. Röhrs). Ratingen 1968, S. 42. 662 K. Hahn (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 5 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 144

Darum war für Hahn zwar auch die Planung einer Expedition wichtig, doch stand – wie mit BRESS festzustellen ist – bei der Expedition „die Ausführung eines vorbereiteten Planes im Mittelpunkt“663. Denn hier stehen die zu erwartenden Erfahrungen und Erlebnisse außerhalb des Klassenzimmers im Vordergrund.

Der Ursprung für das Element „Expedition“ liegt in einer Bootstour von Salemer Schülern. EWALD erinnert sich an die frühen Salemer Jahre:

„Zwanzig Salemer unternahmen eine Reise in offenen Booten über die finnischen Seen. (…) Sie navigierten durch kaum besiedeltes Land. Die Fahrt hatte den Charakter einer Expedition. Sie (…) legte den Grund zu dem Gewicht, das Kurt Hahn fortan auf sorgsam vorbereitete und standhaft durchgeführte, expeditionsartige Touren legte. Sie sind ein wesentlicher Teil seines Erziehungsprogramms geworden.“664

Somit wurde die „Expedition“ bereits in Salem eingeführt. Die Erlebnisse waren das pädagogische Mittel, wobei es bereits um die Bewährung in der Herausforderung ging.665 Weitergeführt wurde die „Expedition“ als Element im Kanon der Erlebnistherapie, die 1941 mit der Gründung der Outward Bound Sea School Aberdovey ihren institutionellen Rahmen erhielt (vgl. Kap. 2.2.3.3). Expeditionen, die gut geplant und vorbereitet wurden sowie Entschlossenheit und Initiative erforderten, konnten für Hahn unterschiedlichen Inhalts sein, zum Beispiel eine Kanu-, Segel-, Reit- oder Kletterexpedition.666

Folgerichtig stand auch die Expedition schließlich im Atlantic College St. Donat’s Castle auf dem Programm. In einem Aufsatz über die frühen Jahre der Schule berichtet Desmond Hoare, der erste Schulleiter, von insgesamt vier so genannter „Projekte“, die der Schüler in seinen zwei Schuljahren als Gruppen- oder Einzelprojekt zu absolvieren hatte. Dabei kam das erste Projekt einer Expedition gleich; die folgenden drei wählte der Schüler je nach Interesse. HOARE berichtet über die inhaltliche Ausrichtung:

„Das Ziel des Projekts im ersten Semester ist festzustellen, ob der Schüler in der Lage ist, auf sich selbst gestellt für sich zu sorgen. Die Leitung dieser Woche liegt in der Hand der Lehrer. Dem Jungen wird, wenn er es nicht schon kann, das Leben im Freien beigebracht, wie man zeltet, wie man mit Karte und Kompaß umgeht; dazu kommt eine Grundausbildung im Kanufahren und im Klettern. Diese erste Projektwoche prüft die Ausdauer und die Widerstandskraft des einzelnen (…). Die späteren drei Projekte werden von Schülern und Lehrern gemeinsam besprochen und vorbereitet. Sie können entweder im College oder auch

663 H. Breß: „Outward Bound – Persönlichkeitsbildung durch Erlebnispädagogik”. In: Deutsche Jugend. 33. Nr. 5 (1985), S. 224. 664 M. Ewald: „Der Aufbau und Ausbau Salems (1919-1933)“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966. 665 ZIEGENSPECK blickt zurück: „Schon in den ersten Jahren der Schule ‘Schloß Salem’ erkannte Kurt Hahn den großen erzieherischen Wert von Expeditionen. Es wurden Wanderungen und Reisen unternommen (…). Es ging dabei um das zielbewußte Herbeiführen von Erlebnissen, um der Entdeckerfreude und der Abenteuerlust der Jugendlichen Nahrung zu bieten. Nicht kurzfristige Höchstleistungen und Erfolge, sondern Ausdauer und Überwindung von Erschöpfung, Hunger und Durst waren dabei wichtig.“ J. Ziegenspeck: „Kurt Hahn und die internationale Kurzschul-Erziehung“. In: J. Ziegenspeck (Hg.): Outward Bound. Geschütztes Warenzeichen oder offener pädagogischer Begriff? (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik. Bd. 1, hg. v. J. Ziegenspeck). Lüneburg 1986, S. 12. 666 Vgl.: K. Hahn (1965): „Address at the Founding Day Ceremony of the Athenian School”. www.kurthahn.org/writings/athens.pdf, S. 5 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 145

außerhalb stattfinden. (…) Dem Schüler wird jedesmal die Entscheidung überlassen, ob das Projekt geistiger, künstlerischer, handwerklicher oder rein körperlicher Art sein soll.“667

Auch heute gibt es, wie bereits erwähnt, Projektwochen an den United World Colleges. Sie tragen mitunter einen Hauch von Abenteuer in sich. Sie werden während der zwei Schuljahre je nach UWC unterschiedlich oft angeboten und teilweise unter der Bezeichnung „Outdoor education“ beziehungsweise „Outdoors expedition“ geführt. Hier nur einige Beispiele:

 Am Armand Hammer UWC of the American West/USA ist die Expedition in das verpflichtende IB- Anforderungsprofil CAS (Creativity, Action, Service) integriert: Zum einen kann die Expedition im Rahmen des Anforderungselements „Action“ durchgeführt werden; zum anderen innerhalb des „Service“. Hier werden mit dem „Wilderness Service Program“ (WSP) und dem „Community Service Program“ zwei Service-Programme angeboten, wobei das WSP den ursprünglichen Expeditionscharakter widerspiegelt:

„The Wilderness Service Program introduces all students to (…) methods of experiencing the wilderness (…). Students learn more than technical skills through Wilderness Service. Weekend expeditions in New Mexico’s large wilderness areas teach them a great deal about themselves and others as they overcome difficulties presented by working and living in small groups in the backcountry.”668

So werden im Rahmen des „Wilderness Service” neben Erster Hilfe und Navigation auch Expeditionspraktika angeboten.669 Außerdem kann während der 10-tägigen Projektwoche, die jedes Jahr im Frühling stattfindet, eine Outdoor-Expedition gewählt werden. Diese führten in den vergangenen Jahren beispielsweise zum Grand Canyon und zum Big Bend National Park in Texas.670

 Am UWC of South East Asia/Singapur wird den Schülern der Stufe 11 (= erstes Jahr im IB-Diploma Programme) unter der Bezeichnung „Outdoor education“ gruppenweise eine Projektwoche angeboten, die die Planung und Durchführung einer günstigen Reise – „based on the IB’s CAS (…) requrirements“671 – beinhaltet. Das UWCSEA berichtet: „In 2007, 318 eleventh graders formed 78 groups and travelled to 16 different countries.”672

667 D. J. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 246. 668 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West: „Other IB Diploma Requirements”. www.uwc- usa.org/academics/ib_requirements.htm (Datum des Zugriffs: 13.7.2008). 669 Vgl. 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West: „About UWC Community Outreach“. www.uwc-usa.org/publications/presskit.htm (Datum des Zugriffs: 2.8.2008). 670 Vgl. 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West: „Project Week, Long Weekends & Vacations”. www.uwc-usa.org/academics/projectweek_vacations.htm (Datum des Zugriffs: 2.8.2008). 671 2007 UWCSEA: „Outdoor education“. www.uwcsea.edu.sg/cgi-bin/WebObjects/StudywizPortal.woa/1/wa/page?pid=174&wosid= k9wypW8uiuu0NSbumORrtg (Datum des Zugriffs: 2.8.2008). 672 2007 UWCSEA: „Outdoor education“. www.uwcsea.edu.sg/cgi-bin/WebObjects/StudywizPortal.woa/1/wa/page?pid=174&wosid= k9wypW8uiuu0NSbumORrtg (Datum des Zugriffs: 2.8.2008). 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 146

Abbildung 14 - Ein Schüler des UWC South East Asia (SEA) während der Projektwoche beim Global Service. Die jährlich stattfindende Projektwoche für die Schüler der Klasse 11 der UWC SEA führte im Jahr 2009 insgesamt 76 Schülergruppen in 12 Länder. Ihre Projekte hatten eine sehr große Bandbreite – vom Lehren bis hin zum Bauen. Sie unterstützten Schutzprojekte, kümmerten sich um Straßenkinder ebenso wie um Menschen mit Behinderung. Dieser Schüler arbeitete bei der in Kambodscha ansässigen NGO Tabitha, die Menschen sowohl mit Mikrokrediten aus der Armut holen will, als auch ihnen beim Hausbau hilft. Während einer Baupause spielt der UWC-Schüler mit einigen Kindern des Dorfes. Foto:UWC of South East Asia

Abbildung 15 - Die „Blind Kids School Blue Dragon“, eine Blindenschule für Kinder, liegt in Vietnam. Die Aufgabe dieser Schülerin des UWC SEA während der Projektwoche war es, die Schulwände zu streichen. Ebenso spielte sie mit den Kindern und unterrichtete sie ein wenig. Foto: UWC of South East Asia

 Am Lester B. Pearson College of the Pacific/Kanada wird von den Schülern erwartet, dass sie wenigstens einmal während ihres zweijährigen Schulaufenthaltes an einer Expedition teilnehmen. Hier wird keine Reise ins Ausland unternommen; vielmehr soll den Schülern im Rahmen der „Outdoors Expedition“ die lokale Umgebung nahe gebracht werden. Die Expedition kann ein Wochenende dauern 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 147

oder während der Projektwoche absolviert werden.673 Innerhalb der verpflichtenden „Services & Activities“-Angebote kann der Schüler schließlich wählen: zum Beispiel „Outdoor Leadership activities“ (OLa). Hierbei erfahren die Schüler laut College-Homepage „the West Coast environment around us from land and from sea, while participating in physically demanding activities.”674 Schrittweise verlagert sich der Schwerpunkt des Kurses von der Aneignung spezieller Fertigkeiten hin zur Führung Anderer. Beispiele für OLa sind Tauchen, Segeln sowie eben auch das so genannte „Wilderness Program”.

 Das UWC of the Adriatic/Italien bietet Projektwochen als zusätzliches Programm für unterschiedliche Interessenschwerpunkte an. So könne das Ziel unter anderem abenteuerlich sein, heißt es auf der Homepage des College (ohne nähere Angaben zum Inhalt):

„This is an oppurtunity for students to follow a special programme away from the campus. The aims may be academic, cultural, practical, adventurous – a chance to gain an experience which cannot be easily be achieved at home or in the holidays (…).”675

Somit kann abschließend festgestellt werden, dass sich die Expedition, wie sie auch von Hahn vorgesehen war, noch heute im Programm der United World Colleges wiederfindet.

4.3.3 Der Ursprung des CAS-Elements „Action“: das körperliche Training Ein weiteres, festes Element der Hahn’schen Erlebnistherapie ist das körperliche Training. Auch dieses Element ist im heutigen IB-Diploma-Programme enthalten – wenn auch nicht mit dem Stellenwert bemessen, den ihm Hahn zuerkannte. Das körperliche Training findet sich im CAS-Element „Action“ wieder, wobei laut International Baccalaureate Organization „Action“ nicht nur die Teilnahme an einer Individual- oder Mannschaftssportart beinhalten kann, sondern ebenso die Teilnahme an Expeditionen und lokalen und internationalen Projekten.676

Zählte Hahn die vier Elemente der Erlebnistherapie auf, so stand das „fitness training“ stets an Position eins, womit er bereits andeutet, dass eine bessere Fitness den Grundstock und damit gute Voraussetzung für alle weiteren Handlungen darstellt. Der Verfall an körperlicher Fitness/Tauglichkeit ist für HAHN die Folge der modernen Methoden der Fortbewegung: „There is the decline in fitness due to the modern methods of locomotion (…).“677 Allerdings sieht Hahn in diesem von ihm diagnostizierten „Verfall“ an körperlicher Fitness nicht die wichtigste zu konstatierende Verfallserscheinung und spricht daher selbst von „perhaps the least important decline which I believe affects the rising generation“678. Der Pädagoge integriert den Sport nicht nur aufgrund seiner pädagogisch nutzbaren affektiven Effekte in den Schulplan, sondern er trägt auch der Warnung von

673 Vgl. 2005 Pearson College: „School Program – Services & Activities“. www.pearsoncollege.ca/activities.htm (Datum des Zugriffs: 7.6.2008). 674 2005 Pearson College: „School Program – Services & Activities“. www.pearsoncollege.ca/activities.htm (Datum des Zugriffs: 7.6.2008). 675 United World College of the Adriatic: „What we do”. www.uwcad.uwc.org/about/what_we_do/index.html (Datum des Zugriffs: 17.5.2008). 676 Vgl.: International Baccalaureate Organization, 2005-2008: „Core requirements. Creativity, action, service (CAS)“. www.ibo.org/diploma/curriculum/core/cas (Datum des Zugriffs: 10.7.2008). 677 K. Hahn (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 7 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 678 K. Hahn (1965): „Harrogate Address on Outward Bound“. Ansprache bei der Konferenz in Harrogate am 9. Mai 1965. www.kurthahn.org/writings/gate.pdf, S. 4 f (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 148

Gesundheitsexperten Rechnung: „Medical experts tell me that ’under-exercise’ has become a menace to the health of affluent nations.“679

SKIDELSKY fasst die zwei Ziele, die Hahn mit dem Aufbau körperlicher Leistungsfähigkeit im Rahmen der Erlebnistherapie verfolgte, in zwei Punkten zusammen:

„Erstens sieht er [Hahn; Anm. d. Verf.] im Körper das Exekutivorgan des Willens. (…) Zweitens bewirkt körperliche Leistungsfähigkeit Selbstvertrauen, indem sie den Horizont der Möglichkeiten erweitert. (…) Körperliche Leistungsfähigkeit war aber nur ein Mittel, nicht das Endziel. Das Ziel war «der Dienst an der Gemeinschaft», insbesondere an der Region, in der das Erziehungsinstitut beheimatet war.“680

Der Schüler sollte Überwindungskraft und Zähigkeit ebenso einüben wie körperliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, um letztlich stets bereit und „fit“ für den Gemeinschaftsdienst zu sein. Wie SKIDELSKY erinnert, führte Hahn in Gordonstoun den Küstenwachdienst ein und fügt hinzu: „Im Verlauf der Jahre kamen zu den Wächtern die Feuerwehr und der Bergrettungsdienst hinzu, die gleichfalls bereit standen, auf Notrufe zu Hilfe zu eilen.“681 Bereits hierin zeigt sich die nächste Parallele zum heutigen CAS-Element „Service“, das der Umgebung und ihrer Bevölkerung zu gute kommen soll (vgl. Kap. 4.3.4).

Ein Rundblick durch die Literatur macht noch einmal deutlich, dass der Sport von Hahn als Mittel zum Zweck eingesetzt wurde: Formuliert SCHWARZ 1963 emphatisch:

„Als Element der Erlebnistherapie erwächst den Leibesübungen die Aufgabe, seelisch- geistige Werte im Menschen vom Leib her zu entwickeln. Aus dem Schwung (…), dem Zuwachs an Kraft und Sicherheit strömen Frische und Energie in den Menschen und „befeuern“ sein gesamtes Denken und Handeln.“682 – so beschreibt SCHLESKE 1977 das Ziel nüchterner:

„Eines der wichtigsten Anliegen HAHNs ist das regelmäßige körperliche Training, das zu erhöhter Leistungs- und Funktionsfähigkeit verhelfen soll, die ihrerseits als die vitale Basis für Engagement und Interessenbildung verstanden werden.“683 – und ANTES beispielsweise fasst über das körperliche Training 1993 knapp zusammen:

„Der Zweck liegt auf der Hand. Mut, Überwindungskraft und Ausdauer sollten gesteigert werden.“684

679 K. Hahn (1965): „Harrogate Address on Outward Bound“. Ansprache bei der Konferenz in Harrogate am 9. Mai 1965. www.kurthahn.org/writings/gate.pdf, S. 5 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). Und HAHN ergänzt kurze Zeit später in einer anderen Rede: „The medical profession has now recognized under-exercise to be as great a menace to health as undernourishment.” In: K. Hahn (1965): „Address at the Founding Day Ceremony of the Athenian School”. Ansprache von Kurt Hahn am 21. November 1965 in Danville, Kalifornien. www.kurthahn.org/writings/athens.pdf, S. 5 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 680 R. Skidelsky: Schulen von gestern für morgen. Reinbek bei Hamburg 1975, S. 195 f. 681 R. Skidelsky: Schulen von gestern für morgen. Reinbek bei Hamburg 1975, S. 196. 682 K. Schwarz: „Kurzschulen – ein neuer Weg“. In: Olympische Jugend. 8. Nr. 10 (1963), S. 12. 683 W. Schleske: Abenteuer – Wagnis – Risiko im Sport. (= Reihe Sportwissenschaft, hg. v. O. Grupe. Bd. 9). Schorndorf 1977, S. 19. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 149

Im Zusammenhang mit dem körperlichen Training im Rahmen der Erlebnistherapie äußert sich Hahn über den Umgang mit angeborenen Stärken und Schwächen. Das folgende Zitat kann als zentrale Aussage HAHNs bewertet werden:

„Keinem Schüler soll erlaubt werden, nur die angeborene Stärke zu entwickeln; er muß auch dazu gebracht werden, der meist angeborenen Schwäche Herr zu werden.“685

Eben im Erkennen der eigenen Schwäche und im Versuch, diese zu überwinden, sah Hahn die Möglichkeit für den Schüler, sich charakterlich zu entwickeln. DAY erinnert sich:

„’Dein Unvermögen ist Deine Chance’ pflegte er [Hahn; Anm. d. Verf.] einem Jungen zu sagen, der dachte, gewisse Leistungsnormen seien für ihn unerreichbar.“686

Körperliche Übungen schätze Hahn eben gerade in dieser Hinsicht, da sie, wie SKIDELSKY beschreibt,

„Gelegenheiten der «Überwindung» boten, zum «Sieg über den Defaitismus». In diesem Wechselspiel von Herausforderung und Reaktion darauf waren die Hürden im Sport ein Sinnbild für die Hürden im Leben: ihre Überwindung stärkte den Willen, indem sie dem Jungen Selbstvertrauen vermittelte und ihm ein Erfolgserlebnis bot.“687

Das zeigt, dass es Hahn nicht vorrangig darum ging, den Schüler zu sportlichen Höchstleistungen zu bringen. Das bestätigen auch die Aussagen ehemaliger Hahn-Schüler. So erklärt beispielsweise Hellmut BECKER, dass Hahn die Förderung der Unsportlichen wesentlich wichtiger gewesen sei, als der Leistungssport688. Und Prinz Georg Wilhelm von Hannover, der ebenfalls Schüler von Kurt Hahn war und später auf dessen Veranlassung elf Jahre lang die Salemschule leitete, konkretisiert:

„Nicht die Höchstleistung, sondern die persönliche Leistungssteigerung im Sport und die Freude am Erkennen des Erfolges eigenen Bemühens war das Ziel der sportlichen Erziehung.“689

Die „Leibesübungen“ fanden von Beginn an im Hahn’schen Lehrkanon ihren Platz. Bereits in seiner ersten Schulgrüngung Salem hatte Hahn sie in den Stundenplan integriert; sie wurden also nicht erst im Laufe seiner Lehrtätigkeit für wichtig erachtet und ensprechend sukzessive eingeführt. Im damaligen Salemer „Abschließenden Bericht an die Eltern“ werden die zu beurteilenden „Leibesübungen: Kampfkraft / Zähigkeit /

684 W. Antes: „Erlebnispädagogik. Fundierte Methode oder aktuelle Mode?“ In: Jugendstiftung Baden-Württemberg (Hg.): Erlebnispädagogik. Münster 1993, S. 15. 685 K. Hahn (1962): „Erziehung und die Krise der Demokratie“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn - Pädagoge mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 301. 686 John H. Day: „The Basic Conception of Education of Kurt Hahn and its Translation into Practice.“ In: W. Henze (Hg.): B. Zimmermann – H. Nohl – K. Hahn. Ein Beitrag zur Reformpädagogik. (= Schriftenreihe des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte Hoya e.V. Bd. 9). Duderstadt 1991, S. 163. 687 R. Skidelsky: Schulen von gestern für morgen. Reinbek bei Hamburg 1975, S. 160 f. 688 Vgl.: H. Becker: „Kurt Hahn, der Erzieher“. In: Neue Sammlung. 15. Nr. 2 (1975), S. 112. 689 Georg Wilhelm Prinz von Hannover: „Gedanken zum 10. Todestag und bevorstehenden 100. Geburtstag von Kurt Hahn“. In: W. Henze (Hg.): B. Zimmermann – H. Nohl – K. Hahn. Ein Beitrag zur Reformpädagogik. (= Schriftenreihe des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte Hoya e.V. Bd. 9). Duderstadt 1991, S. 96. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 150

Reaktionsgeschwindigkeit“690 zwar an letzter Position aufgeführt, doch kommen auch die anderen klassischen Schulfächer wie Deutsch oder Mathematik nicht an erster Stelle; zuoberst werden Gemeinsinn und Gerechtigkeitsfühl aufgelistet. Dies verdeutlicht klar Hahns Prioritätensetzung.

Letztlich wird auch der Sport – hier gerade der Mannschaftssport – in den Dienst des obersten Ziels, des Gemeinsinns, gestellt. FISCHER erklärt:

„Er bietet objektive Möglichkeiten, das Tragen von Verantwortung lebendig zu üben, den Gemeinschaftsgeist der Schule als sozialer Körperschaft zu stärken, kameradschaftliches und faires Verhalten zu entwickeln und die Selbstbescheidenheit zu entfalten.“691

Der Sport wird von Hahn aber nicht nur als Mittel zum Zweck eingesetzt. Hahn spricht ihm durchaus auch eine Funktion als „Erfrischer und Sorgenbrecher“692 zu. Diese kann der Sport seiner Meinung nach aber nur ausüben, wenn er zeitlich beschränkt wird, da er sonst „seelentaub“ machen könne und seinen Zauber verlöre693. Und so fordert Hahn im sechsten der „Sieben Salemer Gesetze“, die 1930 in einer Broschüre veröffentlicht wurden: „Laßt Spiele eine wichtige, aber keine vorherrschende Rolle spielen.“694 Im Jahr 1938 bekräftigt HAHN vor dem Nationalen Fitness-Rat von Schottland seine Position mit folgenden Worten:

„Leibesübungen sind nicht von lebensausfüllendem Inhalt. Jemand, der ständig redet, studiert, sich sportlich betätigt, ist nicht nur langweilig, sondern – was noch schlimmer ist – langweilt sich selbst.“695

Es gilt festzuhalten, dass Hahn den Sport bereits in Salem in sein pädagogisches Konzept aufnahm696 und es im „Gepäck“ nach England, wohin er 1933 emigrierte, mitnahm. Dort, in seiner zweiten Schule in Gordonstoun, verfolgte Hahn weiter das Ziel einer ganzheitlichen Erziehung. Schließlich räumte er dem Sport sowohl durch die Abzeichenbewegung (ab 1938 Moray Badge; ab 1940 Country Badge; vgl. Kap. 2.2.3.3) als auch im Rahmen der Erlebnistherapie (s. Outward Bound Bewegung) seinen festen Platz ein.

690 Vgl.: K. Hahn (1931): „Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 126. 691 T. Fischer: Schule als sozialer Körper – Schule ein sozialer Erfahrungsraum. (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, hg. v. J. Ziegenspeck. Bd. 8). Lüneburg 1992, S. 130. 692 K. Hahn (1931): „Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 129. An anderer Stelle schreibt Hahn dem Sport vor allem während der Entwicklungsjahre des jungen Menschen eine „belebende Kraft“ zu, die unentbehrlich sei, „um die bedrohte Vitalität zu schützen“. Aus: K. Hahn (1933): „An Eltern und Freunde“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 203. 693 Hahn: „Wenn das Kicken und Ballschlagen zu einer Angelegenheit wird, die jede freie Minute erfüllt, so laufen die Menschen Gefahr – wie Plato sagt – »seelentaub« zu werden, und der Sport selbst verliert seinen Zauber und wird zu einer stumpfsinnigen Angewohnheit.“ Aus: K. Hahn (1931): „Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 129. 694 K. Hahn (1930): „Die Sieben Salemer Gesetze“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 153. 695 K. Hahn (1938): „Fitness Leadership“. In: W. Henze (Hg.): B. Zimmermann – H. Nohl – K. Hahn. Ein Beitrag zur Reformpädagogik. (= Schriftenreihe des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte Hoya e.V. Bd. 9). Duderstadt 1991, S. 149. 696 Hahn berichtet in einem Rundfunkvortrag im Jahr 1934 über die sportlichen Aktivitäten an der Schule Schloss Salem und über die Erfahrungen, die er als Lehrer mit dem Sportunterricht gemacht hat: „Alle Kinder müssen vor dem Frühstück einen Morgenlauf machen. Fast alle Jungen üben sich das ganze Jahr über im Laufen, Springen und Werfen, viermal die Woche – in der Trainingspause am Vormittag – halten wir sie dazu an. Wir fanden heraus, daß die Widerstandsfähigkeit und Spannkraft bei 90 Prozent der Jungen gesteigert werden kann. Der Hochsprung eignet sich besonders zur Entwicklung der Entschlußkraft. Der Junge mit ausgeprägtem Intellekt schreckt anfänglich oft vor dieser Herausforderung zurück, aber wenn er seine Abneigung gegen körperliche Anstrengung überwunden hat, beginnt das tätige Leben ihn anzulocken.“ Aus: K. Hahn (1934): „Ein Internat in Deutschland“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 64. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 151

An den United World Colleges wirke der Sport „mehr als Erfrischer, Sorgenbrecher und Kompensationsfaktor bezüglich des akademischen Bildungsprogramms“697, gibt FISCHER zu bedenken und verwendet in seiner Bestandsaufnahme Begriffe aus dem Hahn’schen Wortschatz wie „Erfrischer“ und „Sorgenbrecher“ (s. Fußnote 692).

Das Sportangebot heute an den UWC ist sehr vielfältig, und die Schulen sind mit diversen Sportanlagen ausgestattet698. Außerdem richtet sich das Angebot der „Activities“ auch nach den örtlichen Gegebenheiten. So heißt es beispielsweise beim Red Cross Nordic UWC/Norwegen, wo neben Klettern, Rad- oder Kajakfahren auch Tauchen ohne Geräte angeboten wird: „Depending on the weather, skin diving will take place in the pool or in the fjord.”699

4.3.4 Der Ursprung des CAS-Elements „Service“: der Rettungsdienst Das vierte Element der Hahn’schen Erlebnistherapie ist der Rettungsdienst. Dies ist für Hahn das wichtigste Element700. Es steht direkt im Dienst am Nächsten und kommt damit der Allgemeinheit zugute. Nicht zuletzt übt der Rettungsdienst somit auch den Gemeinsinn, den Hahn als zu beurteilende Eigenschaft an die erste Position im Salemer „Abschließenden Bericht an die Eltern“701 stellte.

HAHN führte den Rettungsdienst in seinem pädagogischen Konzept als „Gegengift“ gegen „the decline of compassion“702 ein. Den Verfall des Mitgefühls sieht Hahn als „the worst decline“703 an. In diesem Kontext muss der Pädagoge im Licht seiner Zeit betrachtet werden. Er selbst beschreibt eine Begebenheit704 aus dem Jahr 1945, mit der er seine These begründet: So fuhr er mit einem befreundeten Amerikaner durch die russische Zone in Berlin, wo sie mit dem Leid der Flüchtlinge konfrontiert wurden (HAHN: „We passed through scenes of death and misery which will haunt me for the rest of my life.“705), während ihr junger amerikanische Fahrer die ganze Zeit über Jazzmusik aus seinem Radio hörte. Von diesem Erlebnis berichtete Hahn im Jahr 1960. In einer Rede im

697 T. Fischer: Schule als sozialer Körper – Schule ein sozialer Erfahrungsraum. (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, hg. v. J. Ziegenspeck. Bd. 8). Lüneburg 1992, S. 130. 698 Im Folgenden seien hier ein paar Beispiele genannt: Das UWC of the Atlantic/England verfügt unter anderem über Tennis- und Basketball- Außenplätze sowie ein Innen- und Außen-Schwimmbecken. Auch das Lester B. Pearson College of the Pacific/Kanada hat einen 25-Meter-Pool, Tennis- und Volleyball-Freiplätze sowie ein Fußballfeld; das Li Po Chun UWC of Hong Kong besitzt auf seinem Schulgelände einen Swimmingpool und Außenfelder (für Basketball und Tennis), genauso wie das Mahindra UWC of India (Schwimmbecken, Tenniscourt, Basketballplatz, Volleyball-, Fußball- und Cricket-Felder). Wo diese Einrichtungen nicht bestehen – wie bei der UWC-IBO Initiative in Bosnia and Herzegowina – werden die städtischen Sportanlagen, die über die Stadt verteilt sind, genutzt. 699 1995-2008: Red Cross Nordic UWC: „The Programme“. www.rcnuwc.uwc.org/leirskule/programme.asp (Datum des Zugriffs: 17.8.2008). 700 Vgl. K. Hahn (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 5 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 701 Vgl.: K. Hahn (1931): „Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 125. 702 K. Hahn: (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 7 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 703 K. Hahn: (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 8 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 704 Vgl.: K. Hahn (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 8 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 705 K. Hahn (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 8 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 152

Jahr 1965 kommt er zu dem Schluss, dass der Verfall an Mitgefühl nicht nur die Jugend, sondern auch die Älteren heimsucht.706

Zumeist spricht Hahn vom Verfall an Mitgefühl, aber auch von Gefühlskälte („callousness“707). Dagegen will der Pädagoge mit dem Rettungsdienst, den er als aktiven Samariter-Dienst bezeichnet, angehen. Mit diesem könne laut HAHN zum einen der Durst nach Tätigkeit auf ehrenhafte Weise gestillt und gleichzeitig die Verbindung zum christlichen Lebenszweck hergestellt werden.708

Schließlich kann das Mitgefühl, so HAHN, als intrinsischer Wert zum Hauptmotiv des Jugendlichen werden, wenn er die Erfahrung gemacht hat, seinem Nächsten in Not zu helfen – oder zumindest ein realistisches Training darin absolviert hat:

„The experience of helping a fellow man in danger, or even of training in a realistic manner to be ready to give this help, tends to change the balance of power in a youth’s inner life, with the result that compassion can become the master motive.“709

Der gute Samariter wurde in Hahns pädagogischem Konzept zum Leitbild. Bernhard BUEB, der das Internat Schule Schloss Salem von 1974 bis 2005 leitete, erklärt:

„Kurt Hahn saw the Good Samaritan as a model for students in his schools, and called upon them to follow this example (…). (…) Kurt Hahn wanted young people to learn compassion for their fellow men. (…) The ideal of being a good Samaritan, however, is only part of Hahn’s vision as an educator. Even a good Samaritan cannot call himself a “true Kurt Hahn student” until he has taken this ideal further to the level of political action.”710

Damit macht Bueb gleichzeitig deutlich, dass der Dienst am Nächsten nicht nur auf die Hilfe im kleinen Kreis beschränkt bleiben soll, sondern dass der Politiker Hahn zugleich das Ziehen eines weiteren Kreises auf die politische Handlungsebene fordert, damit der persönliche Einsatz der Gemeinschaft zugute kommt. Dieser Einsatz soll gleichzeitig als Beispiel dienen für andere, es gleichzutun. HAHN spricht hier von einer „Aristrocracy of

706 HAHN spricht von einem Verfall, „which afflicts us all, young and old: the decline of compassion.” K. Hahn (1965): „Harrogate Address on Outward Bound”. Rede bei der Konferenz in Harrogate am 9. Mai 1965. www.kurthahn.org/writings/gate.pdf, S. 5 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). In dieser Rede berichtet er von einem Vorfall in New York ein Jahr zuvor: Ein Mädchen wurde auf offener Straße ermordet, ohne dass einer der 38 Zeugen einschritt oder die Polizei rief. 707 K. Hahn: (1958): „Address at the Forty-Eighth Annual Dinner of Old Centralians“.An address on the failure of educational systems and the essential elements of the Outward Bound experience, including expeditionary learning and Samaritian service. Gehalten am 17. November 1958 in London, veröffentlicht im „The Central: Journal of Old Centralians“, London, Nr. 119, im Februar 1959, S. 3-8. www.kurthahn.org/writings/oldcentral.pdf, S. 6 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 708 Vgl.: K. Hahn: (1958): „Address at the Forty-Eighth Annual Dinner of Old Centralians“. An address on the failure of educational systems and the essential elements of the Outward Bound experience, including expeditionary learning and Samaritian service. Gehalten am 17. November 1958 in London, veröffentlicht im „The Central: Journal of Old Centralians“, London, Nr. 119, im Februar 1959, S. 3-8. www.kurthahn.org/writings/oldcentral.pdf, S. 6 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 709 K. Hahn: (1960): „Outward Bound“. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 6 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 710 B. Bueb (2002): „Kurt Hahn, the Politician“. Rede bei der Round Square Conference in Salem am 16. Oktober 2002. www.salemcollege.de/D3Gesch_00.html, S. 1 (Datum des Zugriffs: 29.10.2006). 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 153

Service”711. Als politisches Moment sieht Hahn im Rettungsdienst zudem das „moralische Äquivalent des Krieges“ (vgl. Kap. 3.1.2).

Folgerichtig greift der Pädagoge in seinem Plan für die United World Colleges, die zur Völkerverständigung beitragen sollen, den Rettungsdienst auf und erinnert in seiner 1957 in Brügge gehaltenen Rede an den barmherzigen Samariter:

„Der Rettungsdienst soll eine entscheidende Rolle im Gemeinschaftsleben spielen. (…). (…) Denn durch den Dienst am Nächsten wird ihnen [den Jungen; Anm. d. Verf.] immer wieder Gottes Wille offenbart. Ein Glaube, der heilig gehalten werden soll, kann nicht erlernt werden, sondern muß erlebt werden. Der Glaube des Guten Samariters ist die einzige verläßliche Grundlage unserer gemeinsamen Sache. Die Atlantische Gemeinschaft wird niemals echte Loyalität in jungen Menschen erwecken können, wenn sie nicht glauben, daß sie dem Dienst an der Menscheit geweiht ist.“712

Aus seiner Erfahrung als erster Schulleiter des Atlantic College unterstreicht Desmond J. HOARE, dass nichts besser geeignet sei „als die Lebensrettung, wenn es darum geht zu zeigen, daß das, was die Menschen verbindet, wichtiger ist als Rasse oder Farbe.“713

So gilt es festzuhalten, dass der Rettungsdienst im Sinne Hahns drei Ebenen berührt: Zum einen die Ebene des Mitmenschen, der der Hilfe bedarf, zum anderen die Ebene des Helfers (Schülers) selbst sowie drittens die Ebene der Staaten. ANTES formuliert: „Solcher Dienst am Nächsten (…) ist als Akt der Nächstenhilfe Element charakterlicher Bildung, aber auch Bedingung übernationaler Verständigung.“714 Damit kann – was vor allem die letztgenannte Ebene betrifft – der Rettungsdienst in den friedenspädagogischen Kontext gerückt und hier als inhaltliches Element aufgenommen werden.

Ausgehend vom christlichen Auftrag, dem Mitmenschen in Not zu helfen und es dem barmherzigen Samariter gleichzutun – die Geschichte vom Guten Samariter war übrigens, wie FLAVIN erinnert, Hahns „favorite homily“715 –, gelangte Hahn immer mehr zu der Überzeugung, dass der Rettungsdienst bedeutendere Wandlungen im Helfer vollzieht als der Gemeinschaftsdienst. Hierzu erklärt FLAVIN:

711 K. Hahn: „″Aristrocracy,″ as a Norwegian democat said, ″is the salt wherewith democracy should be salted.″ He did not think of the aristrocracy of birth or social position. We need an ″Aristrocracy of Service.″ In a democratic society you can only accelerate developments by example.” K. Hahn (1965): „Harrogate Address on Outward Bound”. Rede bei der Konferenz in Harrogate am 9. Mai 1965. www.kurthahn.org/writings/gate.pdf, S. 8 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 712 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283 f. 713 D. J. Hoare: „Das Atlantic College“. In: H. Röhrs (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung. Heidelberg 1966, S. 238. 714 W. Antes: „Erlebnispädagogik. Fundierte Methode oder aktuelle Mode?“ In: Jugendstiftung Baden-Württemberg (Hg.): Erlebnispädagogik. Münster 1993, S. 15. 715 M. Flavin: Kurt Hahn’s Schools & Legacy. Wilmington 1996, S. 17. In Zusammenhang mit Hahn’s Lieblingspredigt und dem Gleichnis des Barmherzigen Samariters kann auch eine Aussage von James Orr erwähnt werden, die Hahns persönliche Einstellung verdeutlicht. So erinnert Orr, einer der ersten Schüler in Gordonstoun im Jahr 1934, in einem kurzen Beitrag zur Würdigung von Hahns Leben und Arbeit: „We were all familiar with Kurt Hahn’s ´reverence for human life’ which influenced so much of his work.“ Aus: J. Orr: „The Medical Commission on Accident Prevention“. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 66. So fand Hahn Inspiration für seine pädagogische Arbeit – wie beispielsweise Olivia CAMPBELL, die 1934 dem Lehrerkollegium in Gordonstoun beitrat, berichtet – im Guten Samariter. Vgl. O. Campbell: „Gordonstoun – The first seventeen years“. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 37. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 154

„(…) later as he [Hahn; Anm. d. Verf.] became involved in projects that led to the Outward Bound movement he became deeply impressed by rescue work. Its transforming effect on the rescuer captured his imagination, and he came to think it could yield more dramatic changes in the young than community service.”716

Zur Erinnerung sei hier noch einmal erwähnt, dass der Rettungsdienst in Hahns Erziehungskonzept 1935 in Gordonstoun seinen Ursprung hatte. In Salem war bereits durch das Zisterzienservorbild717 sozusagen der Grundstein gelegt. Nach der Einführung des Küstenwachdienstes in Gordonstoun folgte die Gründung diverser sozialer Dienste, wie einer Feuerwehrguppe und eines Bergrettungsdienstes. Hierdurch erhielt auch Kurt Hahns Maxime „Erziehung zur Verantwortung“ eine gesteigerte Bedeutung, weil man einerseits vor die Schulmauern trat und dort aktiv wurde, und weil man zum anderen die tätige Verantwortung nicht mehr nur vom Handelnden für diesen selbst, sondern auch für den Mitmenschen verlangte.

Schließlich kommt Hahn zu dem Schluss, dass „active service enthralls the young like noting else“718. Gleichsam rückt der Helfer selbst, der Zu-Erziehende, in den pädagogischen Mittelpunkt. THIESEN formuliert dies so: „Durch Lebensrettung soll an den Helfenden selbst etwas geschehen.“719

SCHLICH stellt die Frage: „Geht die Leidenschaft des Rettenden nicht ein Stück weit darauf zurück, daß er im anderen immer auch sich selbst rettet?“ und er bezieht seine Frage auf die „Einübung in die Selbstverantwortlichkeit“.720

Nicht zuletzt begibt sich der Helfer in reale Not-Situationen, in denen er in physische und psychische Grenzsituationen geraten kann. In diesen gilt es, sich zu bewähren721. Der authentische Einsatz erfordert vom Helfer auch körperliches Durchhaltevermögen und entsprechende Fertigkeiten, um die Situation erfolgreich bewältigen zu können. Hier kommt dann ein anderes erlebnistherapeutisches Element, das körperliche Training (vgl. Kap. 4.3.3), unterstützend zum Tragen.

Im Kanon der Elemente der Hahn’schen Erlebnistherapie bewertet RÖHRS den Rettungsdienst als „das wirksamste Erziehungsmittel, weil der Jugendliche durch den Einsatz seiner eigenen Existenz für das Wohl des

716 M. Flavin: Kurt Hahn’s Schools & Legacy. Wilmington 1996, S. 17. 717 Das Gebäude wurde 1134 als Zisterzienserkloster gebaut. Das Leben und die Tatkraft der Mönche prägten den Ort Salmansweiler, wie er damals hieß, und dem man dann „den ″heiligen″ Namen Salem – Stätte des Friedens – gab.“ Schloss Salem Kultur- und Museumsmanagement GmbH: „Willkommen in Schloss Salem“. www.salem.de/flashindex.php (Datum des Zugriffs: 6.9.2008). 718 K. Hahn: „The development of character“. Rede gehalten am 7. Oktober 1955 am NATO Defense College in Paris, S. 4. Kopie gefaxt vom NATO Defense College, Library, Rom, an die Verfasserin der vorliegenden Arbeit am 27.9.2007. 719 H. Thiesen: Kurt Hahn – Pädagogische Umwelten zwischen Konstruktion und Anknüpfung. (= Reihe: Pädagogische Studien und Kritiken, Bd. 1, hg. v. R. Koerrenz). Jena 2006, S. 294. 720 J. Schlich: „Grande Passion – drei Versuche, Kurt Hahns Erlebnistherapie in die heutige Wirklichkeit zu übersetzen“. In: erleben und lernen. 2. Nr. 6 (1994), S. 15. 721 Das Mittel der Bewährung in der Herausforderung mit dem Ziel der Persönlichkeitsentwicklung ist im erlebnispädagogischen Konzept Hahns von zentraler Bedeutung. Dem Schüler soll die Möglichkeit gegeben werden, seine verborgenen Kräfte (HAHN: „hidden powers“) zu entdecken und auszuprobieren. Vgl. K. Hahn (1947): „Training For and Through the Sea“. www.kurthahn.org/writings/train.pdf, S.4 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). Der Begriff „Bewährung“ wird in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht näher erläutert. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 155

Nächsten ein ganz neues Lebensverhältnis gewinnt.“722 Damit wird auch die obige Aussage von Thiesen unterstützt, dass durch die Lebensrettung an den Helfenden selbst etwas geschehen solle.

Als Fazit ist zu konstatieren, dass im Rettungsdienst, wie ihn Hahn vorsah, seine gesamte Erziehungsabsicht zusammenläuft; hier kumulieren die pädagogischen Intentionen. Darum ist er das zentrale Element der Erlebnistherapie. So kommt auch WINTHROP-YOUNG, einer der ersten Schüler Hahns und später unter anderem Leiter der Schule Schloss Salem, zu folgender Überzeugung:

„(…) das Beste und Wichtigste, was Hahn erfunden hat, in seiner ganzen Laufbahn, waren 1935 die Dienste. (…) Hahn hat das Ganze ins Rollen gebracht, indem er mit der Küstenwache in Gordonstoun Kontakt aufnahm. Darin spiegelt sich Hahns Wunsch wider junge Menschen zur Verantwortung zu erziehen.“723

Der „Service“ an den United World Colleges

Die Umsetzung dieser Hahn’schen „Erfindung“ stellt sich heute an den United World Colleges unterschiedlich dar. Unter dem IB-Kernanforderungselement724 „Service“ (s. CAS) werden Rettungsdienste, Umweltschutz- Aktionen und andere Sozialdienste zur praktischen Durchführung angeboten, die zum einen der Allgemeinheit zugute kommen und zum anderen dem Schüler außerschulische Erfahrungs- und Bewährungsfelder eröffnen. Allein durch ihren Standort sind die Schulen in ihrem Angebot schon per se ausgerichtet.

Abbildung 16 - Zu den Sozialdiensten gehören auch bauliche Aktivitäten, die der lokalen Gemeinde zugute kommen sollen. Hier engagieren sich beim Community Service Schüler des UWC of the American West bei der Renovierung der Mission Church in Las Vegas. Foto: UWC of the American West

722 H. Röhrs: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Hannover 1980, S. 151. 723 J. Winthrop-Young im Interview am 7.5.2003 mit S. Roscher. In: S. Roscher: Erziehung durch Erlebnisse. Augsburg 2005, S. 114. 724 Dass die Kernanforderung der sozialen Dienste innerhalb des International Baccalaureate auf die erzieherischen Zielvorstellungen Kurt Hahns zurückgehen, belegt zum Beispiel folgende Aussage von PETERSON in Zusammenhang mit der Erstellung des Lehrplans und der Prüfungen im Rahmen des International Baccalaureate: „To ensure that some part of the total curriculum included learning from direct experience rather than academic study and to stimulate the social service aspect of Kurt Hahn’s philosophy was more difficult to achieve through the medium of examination regulations.“ A. D. C. Peterson: „From educational Aims to a Curriculum and Examinations”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 45. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 156

 Besonders hervorgehoben werden muss an dieser Stelle das Atlantic College/England, das als erstes UWC nicht nur Modellcharakter hatte, sondern das sich auch vor allem im Blick auf die Rettungsdienste hervorhebt. Diese Dienste, die als „Community Services“ geführt wurden und werden, existierten bereits in den Anfangsjahren der Schule. SUTCLIFFE erinnert in einem Beitrag über die ersten 20 Jahre des Colleges, dass alle Schüler ausgebildet wurden im Schwimmen, in Lebensrettung und Erster Hilfe.725 SUTCLIFFE sagt über das Angebot:

„If the College was unusual in providing rescue teams (…), it was unique in offering a co- ordinated response to emergencies with teams trained in cliff work, beach and surf rescue, and fast inshore life-boats.”726

Heute muss jeder Schüler am Atlantic College einen Dienst wählen, den er zwei Nachmittage oder Abende pro Woche über zwei Jahre hin durchführt. Angeboten werden derzeit unter anderem die Möglichkeit zur Teilnahme bei der „Cardiff and Vale Rescue Association“ (u.a. Erlernen von Techniken der Bergrettung), beim „Inshore Lifeboat Service“ („Whithin the school world, the Inshore Lifeboat Service (ILB) Service is unique.“727) sowie bei den „Lifeguards”. Neben den „klassischen“ Rettungsdiensten gibt es auch den „Social Service”, bei dem sich die Schüler um ältere Menschen, sozial benachteiligte Kinder oder Menschen mit Behinderung kümmern. Nähere Informationen über die Dienste sind der Homepage des Atlantic College www.atlanticcollege.org unter dem Link „Students“-„Service“ („Active community service with impact“, Stand: 17.8.2009) zu entnehmen.

Abbildung 17 - Rettungsdienst am Atlantic College. Foto: Deutsche Stiftung UWC

725 Vgl. D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 98. 726 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 98. 4.3 Rückblick auf die Wurzeln der DP-Kernanforderungen 157

 Das UWC of South East Asia (UWC SEA)/Singapur zum Beispiel hat – wie die meisten UWCs – im Gegensatz zum Atlantic College keine Rettungsdienste im CAS-Angebot. Hier besteht ein dreizügiger Service („Service within the College/…Singapore/…the region: Global Concerns“). Dabei nehmen alle IB-Schüler an einem von über 30 so genannten „Singapore-based social service projects“ teil. Das UWC SEA berichtet:

„Many groups visit residential homes or day care centres for the elderly or physically and intellectually disabled. Children from homes and schools for the disabled come to the campus for swimming, cooking or crafts, and students also go to local mainstream schools to help disadvantaged children with English.“728

Das UWC of the Adriatic/Italien bietet nach eigenen Angaben über 40 verschiedene Sozialdienst- Programme an. „All United World Colleges share the belief that the experience of offering assistance to those in need is at the heart of their philosophy. This is even more so at the Adriatic College”, heißt es auf der Homepage der Schule, und weiter: „located in a small village (…), the United World College of the Adriatic is fully integrated into the local community and serves a larger area at the same time.“729

 Am UWC of the American West/USA erstreckt sich der Service ebenfalls auf eine Vielzahl von verschiedenen Gemeinschaftsprojekten, aber auch so genannter „wilderness service activities“. Die Schule ist Mitglied des New Mexico State Search and Rescue Network. Schüler, die ein erweitertes Training absolviert haben, sind berechtigt, an diesem Such- und Rettungsprogramm teilzunehmen.730

Der Rettungsdienst – wie ihn Hahn in seinem pädagogischen Konzept vorsah – existiert nicht an allen UWC. Den größten Umfang beziehungsweise das größte Angebot an Rettungsdiensten besteht am Atlantic College, dem Ursprungs-UWC (unter den neun „Services“, aus denen einer gewählt werden muss, gibt es drei verschiedene Rettungsdienst-Angebote). Es überwiegen vielmehr die Sozialdienste, die an allen United World Colleges angeboten werden. In allen Fällen soll – wie es auch Hahns Intention war – dieser Dienst der Gemeinschaft zugute kommen, womit seitens der UWCs ein Beitrag zur „Erziehung zur Verantwortung“ geleistet und man damit dem Anspruch Hahns gerecht wird.731

727 2006 Atlantic College: „Inshore Lifeboat Service“. www.atlanticcollege.org/NETCOMMUNITY/Page.aspx?&pid=318&srcid=222 (Datum des Zugriffs: 30.3.2008). 728 2008 UWCSEA: „Service“. www.uwcsea.edu.sg/cgi-bin/WebObjects/StudywizPortal.woa/1/wa/page?pid=173&wosid= zc3pqs3UxIgKdlGtEhMDbw (Datum des Zugriffs: 6.9.2008). 729 United World College of the Adriatic: „Social Service“. www.uwcad.uwc.org/about/social_service/ (Datum des Zugriffs: 6.9.2008). 730 Vgl. 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West: „Other IB Diploma Requirements“. www.uwc-usa.org/academics/ib_requirements.htm (Datum des Zugriffs: 13.7.2008). 731 Eine weitere Ausrichtung hätte Hahn dem Atlantic College-Projekt nach Einschätzung von Desmond Hoare gegeben, wenn Hahn noch weitere zehn Jahre gelebt hätte. Er hätte sich, so ist sich Hoare sicher, dem Problem des Hungers in der Dritten Welt angenommen. „If his strength had lasted another ten years“, schreibt HOARE, „he would I am sure be pushing the Atlantic College project into the problems of 1980s, especially the problem of world hunger in the Third World. His passion for rescue as an educational force could not have led him elsewhere.” D. J. Hoare: „The Atlantic College – St Donat’s Castle”. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 61. 5.1 Vorbemerkung 158

5 Befragung Das folgende Kapitel 5 beschreibt die von der Autorin der vorliegenden Arbeit erhobenen Daten im Rahmen einer halbstandardisierten Befragung unter ehemaligen deutschen UWC-Schülerinnen und -Schülern. Die Befragung zielt auf die Reflexion der Ehemaligen über das in den UWC Erlebte ab. Es gilt somit – nach der bereits erfolgten Aufzeichnung des pädagogischen „Soll-Wertes“ – die Ermittlung des „Ist-Wertes“ am Kriterium der Selbstwahrnehmung. Die Befragung wird herangezogen zur Untersuchung der Wirksamkeit der spezifischen Schulform UWC.

5.1 Vorbemerkung Der Fokus dieser Studie ergibt sich aus dem Kernextrakt des bisher Aufgezeigten, also dem, was die UWC ausmacht: internationale Völkerverständigung durch interkulturelle Erziehung in Verbindung mit sozialen Diensten, dem „Herzstück“ des Hahn’schen Erziehungskonzeptes. Dieses Kernextrakt bildet die Basis für den Befragungsansatz. Im Begleitschreiben der Befragung wurden die UWC-Ehemaligen auf diesen Fokus (interkulturelle Erziehung sowie soziale Dienste als ein Element des CAS-Programms im Rahmen des International Baccalaureate) hingewiesen.

Orientierungshypothesen:

Im Vorfeld der vorliegenden Online-Befragung wurden Orientierungshypothesen in Bezug auf das oben beschriebene Kernextrakt aufgestellt, die es mittels der Studie zu überprüfen galt. Diese Orientierungshypothesen, die nach der Auswertung der Ergebnisse in Kapitel 5.5 besprochen werden, sowie ihre Ableitungen aus den Kapiteln 2, 3 und 4 lauten wie folgt:

• „Zwischen den Motiven für einen UWC-Schulbesuch und der Annahme der dort angebotenen Lehr- /Lerninhalte besteht ein sehr enger Zusammenhang.“

Wie in Kapitel 2.6.3 („Die nationalen Komitees“) erläutert, kann ein Schüler/eine Schülerin ein UWC nur nach erfolgreicher Bewerbung beim jeweiligen nationalen Komitee besuchen. Die Bewerbungsunterlagen werden vom Schüler eingereicht. Gegebenenfalls wird dieser dann zum weiteren Bewerbungsverfahren eingeladen (s. Kap. 2.6.3.1 „Auswahlkriterien für Schüler“). Das heißt, dass der UWC-Besuch grundsätzlich dem Wunsch des Bewerbers entspricht. Das heißt weiter, dass er im Falle der Schulaufnahme die Rahmenbedingungen der United World Colleges annimmt und sich mit diesen einverstanden erklärt. Dies betrifft sowohl den äußeren Rahmen (zum Beispiel die internationale Zusammensetzung; s. Kap. 2.7.1; da es in Deutschland kein UWC gibt, bedeutet der Schulbesuch für deutsche Kandidaten zudem, für zwei Jahre ins Ausland zu gehen) als auch Lehr-/Lerninhalte (anspruchsvolle Schulausbildung/IB, ganzheitliche Erziehung/CAS-Programm, s. Kap. 2.7.1 „Gemeinsamkeiten der UWC“). Der Bewerber muss bereits Kenntnisse über die UWC haben, um für sich schließlich entscheiden zu können, ob er bereit ist, für zwei Jahre seine Familie, Freunde und Heimat zu verlassen, um in einem UWC zu leben. Die Ablehnung spezifischer UWC-Merkmale (siehe zum Beispiel: Vier-Nationen-Zimmer, internationale Schüler-/Lehrerschaft) ist daher nicht zu erwarten – im Gegenteil. Eine hohe Annahme/Zustimmung ist zu 5.1 Vorbemerkung 159 vermuten, da sich der Schüler bewusst und willentlich in das für ihn neue internationale Umfeld begibt. Da es sich bei den United World Colleges um einen Schultyp handelt, der in Deutschland allgemeinhin noch recht unbekannt ist, ist davon auszugehen, dass sich die Bewerber mehr oder weniger eingehend über die Schulen informiert haben und dass ihnen auch das „UWC Mission Statement“ (s. Kap. 3) bekannt ist. Die aktuellen, über das Internet abrufbaren Bewerbungsunterlagen für deutsche Interessenten leiten übrigens mit dem „UWC Mission Statement“ ein und führen auch die Werte von UWC, wie „Verständigung zwischen Völkern und Kulturen“, auf. Somit ist davon auszugehen, dass dem Bewerber auch die inhaltliche Ausrichtung der Colleges bekannt ist.

Außerdem orientiert sich schließlich die Auswahl der Bewerber durch das nationale Komitee an der persönlichen Eignung, den Leistungen und der Persönlichkeit des Schülers (s. Kap. 2.6.3.1 „Auswahlkriterien für Schüler“). Entsprechend wählen auch die nationalen Komitees die ihrer Meinung nach geeigneten, also auch für die UWC- Inhalte motivierten, Kandidaten aus.

• „UWC-Schüler sind international orientiert.“

Gründe für einen Schulwechsel oder den Besuch eines Internates können vielfältig sein. Doch die Motivlage gerade für den Besuch eines mit nur 13 United World Colleges noch recht selten vertretenen Schultyps weltweit (s. Kap. 2.7 „Überblick über die United World Colleges“) lässt die Eingrenzung der Motive vermuten – diese wird vor allem in Bezug auf ihre Besonderheit angenommen: die Internationalität. Für einen deutschen Bewerber liegt die neue Schule, wie bereits erwähnt, auf jeden Fall im Ausland. Mit seinen neuen Lehrern und Mitschülern bildet er zwei Jahre lang eine multinationale Internatsgemeinschaft (s. Kap. 2.7.1 / Internationale Zusammensetzung; 3.2.2 / Internationale Zimmerbelegung) und die Unterrichtssprache ist auch nicht seine Muttersprache Deutsch (die Haupt-Unterrichtssprache an den UWC ist Englisch, s. Kap. 2.7.2 / Unterrichtssprache). Dazu kommt die Aussicht auf Erlangung des International Baccalaureate, das einen universitären oder beruflichen Weg „barrierefrei“ weltweit zulässt (s. Kap. 4.1.3 „Zur Anerkennung des IB“), sowie der ausdrücklich durch die Dienste/„Services“ geförderte Kontakt zur Umgebung und Bevölkerung des Gastlandes (s.u.a. Kap. 2.7.1 / Dienste für die Umgebung; 3.2.2 / CAS; 4.3.4 / Der „Service“ an den United World Colleges).

Durch seine Bewerbung signalisiert der Schüler seinen Wunsch, sich für zwei Jahre völlig in dieses internationale/multikulturelle Umfeld zu begeben. Die Verfasserin der vorliegenden Arbeit versteht daher unter einem „international orientierten“ Schüler einen Schüler, der sich bewusst, aktiv und willentlich mit anderen Kulturen auseinandersetzt, um sie verstehen und kennen zu lernen. Der Schüler wird selbst und versteht sich selbst als Teil eines multikulturellen Gefüges.

Die Motivfrage ist per se von Interesse. So darf sie in der vorliegenden Untersuchung nicht fehlen. Die Orientierungshypothese in Bezug auf die personale Disposition ist bewusst nicht auf lernmotivationale Aspekte hin formuliert, da die Befragung auf das Kernextrakt des bisher Aufgezeigten, unter anderem die internationale Völkerverständigung (siehe u.a. Kap. 2.3 „Das pädagogische Konzept für die Atlantic Colleges“), abzielt und nicht auf akademische Bildungsangebote beziehungsweise „Lernfächer“, wie sie das Diplom-Programm des IB – neben dem CAS-Programm – ebenso vorsieht. 5.1 Vorbemerkung 160

• „Die United World Colleges fördern durch ihre spezifische Internatform die internationale Verständigung.“

Es liegt nahe, ein besonderes Merkmal der Schulen für das Gelingen des Hauptzieles „verantwortlich“ zu machen. Ein Merkmal ist ihre Internatform, die durch die 3-/4-Nationen-Zimmerbelegung die Internationalität betont (siehe u.a. Kap. 3.2.2 / Internationale Zimmerbelegung). Das Hauptziel, die internationale Verständigung, soll gefördert werden – und zwar bereits im engsten gemeinsamen Wohn-Raum; eben nicht nur im Schul-Raum. Die Bestätigung dieser Orientierungshypothese kann den Modellcharakter der United World Colleges untermauern, da gezeigt würde, auf welchem Weg es möglich sein kann, das oben genannte Hauptziel zu erreichen. Aus diesem Grund wurde die Orientierungshypothese formuliert.

Das oberste Ziel der internationalen Völkerverständigung wird vor allem in Kapitel 2.3 „Das pädagogische Konzept für die Atlantic Colleges“ erläutert. Zudem ist besonders auf das „Mission Statement“ (Kap. 3, Fußnote 431) zu verweisen, in dem es heißt „(…) to unite people, nations and cultures (…).“. Bereits im Halbjahresbericht des Atlantic College aus dem Jahr 1963 ist das Ziel „to promote international understanding“ explizit benannt (Fußnote 432). Kurt Hahn selbst sprach in seiner programmatischen Rede aus dem Jahr 1957 von der Hoffnung auf Verbrüderung (vgl. Fußnote 501).

Die Erfahrungen von Lawrence Darvall am NATO Defense College in Paris, wie bei Vertretern unterschiedlicher Nationen Vorurteile in Sympathie umschlugen, griffen Hahn und Darvall für den Plan der „Atlantischen Internate“ auf. Die Idee einer internationalen Schülergemeinschaft entstand. Diese wird durch einen Rückgriff auf einen internationalen Bewerberpool mittels der nationalen Komitees ermöglicht. Auf dem begrenzten Raum des Internats wird internationale Verständigung über zwei Jahre lang täglich „er-lebt“, geübt (vgl. Kap. 3.1.2 / Interkulturelle Erziehung).

In Kapitel 3.2.2 wird die „Umsetzung interkultureller Erziehung an den United World Colleges“ anhand einiger Punkte erörtert, unter anderem am Punkt „Internationale Zimmerbelegung“. Bezüglich dieses Internatsmerkmals wird auf der Homepage der Deutschen Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. von einer großen Chance, „sich mit anderen Menschen wirklich auseinanderzusetzen und sie verstehen zu lernen“ (s. Fußnote 511) gesprochen. Diese Aussage verstärkt die Vermutung, dass dieses Merkmal innerhalb des interkulturellen UWC- Kontextes eine bedeutende Funktion besitzt.

• „UWC-Schüler sind global politisch interessiert. Dieses Interesse wird an den UWC verstärkt.“

Zunächst muss an den historisch-politischen Hintergrund erinnert werden, vor dem die Atlantic College-Idee entstand und die erste Schule dieser Art auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges gegründet wurde (s. Kap. 2.2.1 „Gesellschaftlich-politische Gründe: Einordnung in den historischen Kontext“). Das Gründungsmotiv war bezogen auf das oberste Ziel (internationale Völkerverständigung) letztlich auch ein politisches. Wie in Kapitel 2.3 resümiert, wollte Kurt Hahn den zeitgeschichtlichen, respektive politischen Verhältnissen mit pädagogischen Mitteln begegnen – und das bereits zu Beginn seines pädagogischen Wirkens mit der Gründung Salems (vgl. Fußnoten 88, 89). Dies brachte ihm auch die Bezeichnung „politischer Pädagoge“ ein (s.u.a. Kap. 2.2.3 „Erzieherische Gründe. Im Fokus: der pädagogische Visionär/Vater der pädagogischen Leitlinien, Kurt Hahn. Die 5.1 Vorbemerkung 161

Grundsätze seiner Pädagogik bis dato“). Auch Darvall spricht in Bezug auf das Atlantic College von einem wahren Beitrag auf politischem Feld (s. Fußnote 473).

Bei Schülern, die sich für einen Platz an einem United World College bewerben und sich damit der UWC- Philosophie anschließen, ist auch ein gewisses politisches Interesse zu vermuten. Denn nicht zuletzt aufgrund der internationalen Lern- und Lebenssituation an den Internaten werden sie täglich dazu angeregt, neben den persönlichen auch die kulturellen und politischen Wurzeln ihres Gegenübers zu hinterfragen, um Verhalten, Denkweisen und Einstellungen erkennen und verstehen zu können. An dieser Stelle sei auch auf Kapitel 3.2.1 „Die politische Dimension interkultureller Erziehung“ verwiesen. Das gemeinsame Leben und Lernen ermöglicht es, Freundschaften zu schließen; es offenbart aber auch Vorurteile. Diese nicht nur auf soziale oder kulturelle Zusammenhänge, sondern auch auf politische Hintergründe zu hinterfragen und zu erklären, lässt eine Verstärkung des politischen Interesses im Laufe der UWC-Schulzeit vermuten.

Es kann also davon ausgegangen werden, dass das grundsätzlich vorhandene politische Interesse des Schülers an den UWC verstärkt wird – dies aber nicht nur durch die international zusammengesetzte Gemeinschaft. Auch – so ist anzunehmen – die an den Colleges angebotenen „Friedenspolitischen Inhalte“ (s. Kap. 3.1.2) tragen dazu bei. Ein global politisches Interesse dürfte, so ist zu vermuten, gerade bei „international orientierten“ Schülern (s. 2. Orientierungshypothese) bereits zum Schuleintritt vorhanden sein.

• „Die UWC fördern unter der internationalen Schülerschaft das Erkennen und Annehmen von kulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten.“

Mit dieser Orientierungshypothese wird der Kern der interkulturellen Erziehung beschrieben (s. Kap. 3.2: Das Erkennen und die Annahme von gleichzeitiger Gemeinsamkeit sowie Unterschiedlichkeit machen (…) den Kern der interkulturellen Erziehung aus.). Da die interkulturelle Erziehung sowohl Kernmerkmal als auch pädagogischer Grundsatz der UWC ist, liegt es nahe zu hinterfragen, ob der „pädagogische Soll-Wert“ diesbezüglich erreicht wird. Das Ziel interkultureller Erziehung besteht nach Auernheimer darin, mit der kulturellen Differenz richtig unzugehen und einen interkulturellen Dialog führen zu können (s. Fußnote 486). Vor dem richtigen Umgang mit kultureller Differenz steht das Erkennen der Unterschiedlichkeiten. Diese sollen als Chance und Bereicherung begriffen werden. Hier ist an ein Zitat von Robert Blackburn, dem ehemaligen stellvertretenden Schulleiter am AC und stellvertretenden IBO-Generalsekretär, zu erinnern (s. Fußnote 495):

„(…) the purpose of international education is to teach our kids how to welcome diversity not just tolerate it: diversity in language, diversity in culture, and diversity in race seem to me one of the few desirable aspects of human condition, (…).“732

Die Aussage SCHMITTs, dass interkulturelles Lernen am besten dort gelinge, wo sich Menschen miteinander in Lernaktivitäten verwickeln ließen (s. Fußnote 492), lässt sich auch auf die United World Colleges als Schulen mit

732 R. Blackburn im Interview am 25.9.1989. Aus: P. L. Jonietz: „A philosophy of international education – an interview with Robert Blackburn, Deputy Director of the International Baccalarueate Office“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S., 222. 5.1 Vorbemerkung 162 internationaler Lehrer- und Schülerschaft projizieren. Auch dieser Aspekt findet sich in der Orientierungshypothese wieder.

• „Die sozialen Dienste werden von den Schülern als UWC-Kernelement angenommen.“

Die sozialen Dienste und die Rettungsdienste sind Schwerpunkte an den UWC. Für Hahn war der Rettungsdienst das wichtigste Element seiner Erlebnistherapie (s. Kap. 4.3.4 „Der Ursprung des CAS-Elements „Service“: der Rettungsdienst“). Er forderte in seiner programmatischen Rede von 1957, dass der Rettungsdienst „eine entscheidende Rolle im Gemeinschaftsleben spielen“ (s. Fußnote 287) solle. Die sozialen Dienste, die heute an den UWC überwiegen, können, wie erwähnt, als das „Herzstück“ des Hahn’schen Erziehungskonzeptes angesehen werden. Somit stehen sie – neben der interkulturellen Erziehung – im Fokus der Befragung. Es ist nun der Frage nachzugehen, ob auch die Schüler dieses UWC-Kernelement annehmen, ob es ihnen also wichtig erscheint. Aus diesem Grund wurde die Orientierungshypothese formuliert.

Gestützt wird die Hypothese durch die pädagogischen Erfahrungen Hahns. Er gelangte nach Einführung des Rettungsdienstes in seinen vorangegangenen Schulgründungen zu der Erkenntnis: „active service enthralls the young like nothing else“ (s. Fußnote 718). Er spricht also hier von einem Dienst, der die Schüler fesselt. Mit Einführung des Küstenwachdienstes in Gordonstoun (s. Kap. 2.2.3.2), der von der Königlichen Küstenwache unterstützt wurde, erkannte der Pädagoge auch, dass es dem Schüler wichtig erscheint, dass seine Tätigkeit ernsthaft anerkannt und tatsächlich benötigt wird (vgl. Fußnote 252). Auch die sozialen Dienste, die die UWC- Schüler heute zu absolvieren haben, setzen an real existierenden Nöten und Bedürfnissen der Mitmenschen an. Somit ist zu vermuten, dass die Schüler von den Diensten auch derart „gefesselt“ werden, wie es Hahn beschreibt. Der Pädagoge sieht den Grund dafür im „Samaritergeist“. In einer 1943 in der Liverpooler Kathedrale gehaltenen Laienpredigt sagt er:

„Man beobachte nur die jugendlichen Dienstgruppen, wie sie sich als Meldereiter der Feuerwehr, als Rote-Kreuz-Kadetten, als Küstenwache im Ernstfall bewähren, (…). Die Übungen sind in der Tat sehr verschieden voneinander, aber der Samaritergeist belebt sie alle, und eine jede Fertigkeit verlangt ruhig Blut, Geschicklichkeit und Hingabe.“733

• „Das CAS-Programm an den UWC fördert den Kontakt zum Gastland und kommt den international- orientierten Schülern entgegen.“

In dieser Orientierungshypothese wird das CAS(Creativity/Action/Service)-Programm mit dem Aspekt der Internationalität verknüpft. Durch das CAS-Programm sammelt der Schüler – auch neben dem Internatsraum – ganz authentisch interkulturelle Erfahrungen jenseits der Schulmauern. So trifft er auf Menschen unterschiedlichen Alters, Bildungsgrades und Sozialstatus’ innerhalb ihres Lebensraumes. Die Öffnung des UWC nach außen bedeutet für den Schüler, aus der „Pädagogischen Provinz“ (vgl. Kap. 2.2.2.2.1 / Die „Pädagogische Provinz“ bei Goethe) heraustreten zu können. Gerade mit den „Services“/„Diensten“ wird diese Möglichkeit

733 K. Hahn (1943): „Über das Mitleid“. In: K. Hahn: Erziehung zur Verantwortung. Reden und Aufsätze. (= Reihe: Aus den Deutschen Landerziehungsheimen, Heft 2, hg. v. F. Linn u.a.). Stuttgart 1958, S. 55. 5.2 Methodische Vorgehensweise 163 eröffnet (s. Kap. 2.7.1 / Dienste für die Umgebung) und somit der Kontakt zum Gastland und seinen Menschen gefördert – Peterson spricht hier von Hilfe zur Grenzüberschreitung zwischen reichem Ghetto und umliegenden Dörfern oder einem armen Stadtgebiet (s. Fußnote 637).

Wie in Kapitel 3.2.2 „Umsetzung interkultureller Erziehung an den United World Colleges“ unter Punkt „CAS (Creativity, Action, Service“ erläutert, bietet vor allem der Sozialdienst für die Bevölkerung im lokalen/regionalen Umfeld des jeweiligen UWC dem Schüler die Möglichkeit, das Gastland und seine Menschen kennen zu lernen. Außerdem kann der Schüler in diesen „sessions of experiential learning“ (Abschnitten des Lernens berufend auf Erfahrung) – so drückt es das Atlantic College aus – die Ideale der Schule direkt in die Tat umsetzen (s. Fußnote 639).

Diese Möglichkeiten, so ist anzunehmen, kommen dem „international-orientierten UWC-Schüler“ (zu dieser Beschreibung siehe 2. Orientierungshypothese) entgegen, da er den internationalen und kulturellen Austausch wünscht. An dieser Stelle kann auch die 1. Orientierungshypothese aufgegriffen werden, die besagt, dass zwischen den Motiven für einen UWC-Schulbesuch und der Annahme der dort angebotenen Lehr-/Lerninhalte – in diesem Fall das CAS-Programm – ein sehr enger Zusammenhang besteht. Das CAS-Programm müsste den international orientierten UWC-Schülern also entgegenkommen.

• „Die ,Services’ im Rahmen des CAS-Programms an den UWC fördern das Mitgefühl des Schülers.“

Es stellt sich schließlich die Frage: Ist das „Herzstück“ des Hahn’schen Erziehungskonzeptes so wirksam wie von dem Pädagogen gewünscht? Im Kapitel 4.3.4 wird „Der Ursprung des CAS-Elements „Service“: der Rettungsdienst“ erläutert. Der Rettungsdienst im Hahn’schen Konzept der Erlebnistherapie sollte als so genanntes „Gegengift“ („antidote“) gegen den Verfall des Mitleids/Mitgefühls („decline of compassion“, s. Fußnote 274) eingesetzt werden. Immer wieder bezieht sich der Pädagoge Hahn auf das Vorbild des Barmherzigen Samariters. Auch in seiner Rede vom 13. September 1957 in Brügge wird der Gute Samariter zweimal erwähnt (s. Fußnoten 73 und 712). Und bereits 14 Jahre zuvor, während des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1943, hält Hahn die Laienpredigt in der anglikanischen Kathedrale zu Liverpool „Über das Mitleid“.

5.2 Methodische Vorgehensweise

5.2.1 Durchführung und Beteiligte Um die Befragung durchführen zu können, nahm die Autorin am 30. Juni 2008 Kontakt mit dem UWC Network Deutschland e.V., dem Alumni-Netzwerk von UWC Deutschland, auf und bat hinsichtlich der Fragebogen- Versendung um Unterstützung für das Studienprojekt.

Da auch der UWC-Network Deutschland e.V. eine Befragung unter den Ehemaligen plante, wurde schließlich eine Online-Befragung734 mit einem gemeinsamen Anschreiben, aber mit zwei klar voneinander getrennten Befragungsteilen durchgeführt. Auf diese Zweiteilung wurden die Befragten auch explizit im Umfrage-

734 DIEKMANN bewertet Online-Erhebungen als „ein Mittel der Wahl, wenn für die Zielpopulation eine zugängliche Liste von E-Mail-Adressen vorliegt (…)“. A. Diekmann: Empirische Sozialforschung. Reinbek 182007, S. 530. 5.2 Methodische Vorgehensweise 164

Anschreiben hingewiesen; zum einen durch die Benennung und Erläuterung der Themenbereiche „Aktivitäten von UWC Deutschland“ (Teil I) und „UWC als Modell für internationale Schulen“ (Teil II), zum anderen durch den ausdrücklichen Hinweis der Fragenzugehörigkeit (Teil I besteht aus Frage 3 bis 38 sowie Frage 66; Teil II besteht aus Frage 39 bis Frage 65 sowie Frage 67)735. Unter Fragepunkt 66 und 67 konnten die Befragten Kommentare zu Teil I des Fragebogens (Frage 3 bis 38) beziehungsweise zu Teil II des Fragebogens (39 bis 65) abgeben. Jede Seite der Online-Befragung wies außerdem im Seitenkopf die entsprechende Zugehörigkeit zu Teil I beziehungsweise Teil II aus, was zusätzlich für eine klare Orientierung sorgte.

Die Versendung des gemeinsamen Umfrage-Anschreibens erfolgte über den UWC-Network Deutschland e.V. per E-Mail-Adressverteiler an alle UWC-Ehemaligen in Deutschland. Dieses Anschreiben enthielt einen Link zum Fragebogen, der vom Befragten auch nur einmal beantwortet werden konnte.

Die Daten der vorliegenden Arbeit wurden ausschließlich aus Teil II „UWC als Modell für internationale Schulen“ der oben beschriebenen Online-Befragung erhoben und nur in anonymisierter Form an die Autorin zum Zwecke der wissenschaftlichen Arbeit übermittelt.

5.2.2 Online-Software Für die Befragung der UWC-Ehemaligen in Deutschland wurde das Online-Tool von www.surveymonkey.com genutzt. Über gemeinsame Login-Daten konnten sowohl der UWC-Network Deutschland e.V. als auch die Verfasserin dieser Arbeit ihren jeweiligen Fragebogen-Teil programmieren. Hierbei ist es möglich, verschiedene Frageoptionen auszuwählen (s. Kap. 5.3). Durch das gemeinsam genutzte Tool war ein einheitliches Layout gewährleistet.

5.2.3 Befragte Insgesamt wurden 568 deutsche UWC-Ehemalige angeschrieben; davon sind 471 männlich. Nach der Aussendung kam es zu zehn Fehlrückläufen aufgrund falscher E-Mail-Adressen.

Für die Datenerhebung der vorliegenden Arbeit wurde eine Auswahl vorgenommen, die nur die UWC- Ehemaligen der International Baccalaureate-Jahrgänge 2004 bis 2008 berücksichtigt. Diese Auswahl ist darin begründet, als dass die Erfahrungen und Eindrücke, die die Ehemaligen an „ihrem“ jeweiligen UWC gemacht und gewonnen haben, noch nicht allzu lange zurückliegen sollten, also noch relativ „frisch“ sein sollten. Darum wurde der Kreis der für diese Studie relevanten Befragten auf das Kriterium „IB-Abschlussjahr“ beschränkt. Schließlich betrug die Gesamtzahl der angeschriebenen deutschen UWC-Ehemaligen der IB-Jahrgänge 2004 bis 2008 insgesamt 91 (davon 29 männlich). Hier kam es zu 4 Fehlrückläufen aufgrund falscher E-Mail-Adressen.

735 Punkt 1 und 2 beinhalten die Datenschutzerklärungen. Diese lauten wie folgt: „1. Ich erkläre mich einverstanden, dass meine Angaben aus Teil I und Teil II dieser Umfrage durch den United World Colleges Network Deutschland e.V. sowie die Deutsche Stiftung United World Colleges gespeichert und für interne Zwecke und in anonymisierter Form für externe Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit und Spendenwerbung verwendet werden. Diese Einverständniserklärung kann jederzeit widerrufen werden.“ (Hier Optionen: ja/nein). „2. Ich erkläre mich einverstanden, dass meine Antworten aus Teil II in anonymisierter Form für die wissenschaftliche Forschungsarbeit von Frau Cornelia Schaffeld verwendet werden.“ (Hier Optionen: ja/nein). 5.3 Fragenkatalog 165

5.2.4 Befragungszeitraum Die Online-Befragung erstreckte sich über einen Zeitraum von einem Monat, vom 16. Januar bis zum 16. Februar 2009. Erinnerungsmails an diejenigen Befragten, die noch nicht geantwortet hatten, erfolgten am 5., 9. und 15. Februar 2009.

5.3 Fragenkatalog Der Fragenkatalog von Teil II der Online-Befragung („United World Colleges als Modell für internationale Schulen“) war in fünf Themenblöcke (Motivation, Völkerverständigung, Kulturelle Unterschiede, CAS- Programm, Vergleich mit dem deutschen Schulsystem) sowie in den Bereich „Statistische Angaben und Kommentare zum Fragebogen“ unterteilt.

Die statistischen Angaben bezogen sich auf Geschlecht, Geburtsjahr, besuchtes United World College und das Jahr, in dem die/der Befragte das IB erworben hat.

Die fünf Themenbereiche umfassten insgesamt 26 Fragen unterschiedlicher Fragetypen zur Erhebung von Einstellungen, Bewertungen und Persönlichkeitsmerkmalen (darunter war lediglich eine Frage zur Erhebung von Aktivitäten). Demnach lässt sich der Fragebogen als meinungs- sowie persönlichkeitsorientierter diagnostischer Fragebogen klassifizieren.736 Es wurden sowohl offene als auch geschlossene Fragen gestellt. Die offenen Fragen zielten vor allem darauf ab, eine möglichst breite Palette an Wünschen, Meinungen, Erfahrungen, Aktionsräumen und Fakten abzubilden. Konkret ergab sich folgende Aufteilung: 14 geschlossene Fragen737, 10 offene Fragen738, 2 halboffene Fragen739.

Von den 14 geschlossenen Fragen („Multiple choice“) ließen 13 Fragen nur eine Antwort zu; eine Multiple Choice-Frage ließ mehrere Antworten zu. 740

Die Frage Nr. 45, eine offene Frage, ist die einzige reine Filterfrage.

Bei den halboffenen Fragen handelt es sich um Rating-Skalen zur Erhebung der individuellen Motivation sowie der Einschätzung persönlicher Eigenschaften.

Der komplette Fragebogen Teil II steht in Anhang C.

736 KONRAD erklärt: „Nach dem Inhalt der angestrebten Aussagen kann man unterscheiden: • Fakten-, wissens- oder kenntnisorientierte Fragebogen: Es sollen Informationen über Individuen oder Gruppen in Erfahrung gebracht werden. • Meinungs- bzw. einstellungsorientierte Fragebogen: Hier sollen ebenfalls Kenntnisse über einzelne Personen oder Gruppen gewonnen werden. Jedoch werden nicht Kenntnisse, sondern Meinungen erfragt. • Persönlichkeitsorientierte diagnostische Fragebogen: Ziel dieser Instrumente ist es, etwas über die Person des Befragten zu erfahren, z.B. über seine Vorlieben, Interessen oder über bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (etwa Angst).“ K. Konrad: Mündliche und schriftliche Befragung. Ein Lehrbuch. Landau 52007, S. 43. 737 Es handelt sich bei den geschlossenen Fragen um Frage 40, 44, 46, 48, 49, 50, 51, 52, 58, 59, 60, 61, 62 (inklusive eines Kommentarfelds) und 64. 738 Es handelt sich bei den offenen Fragen um Frage 41, 42, 45, 47, 53, 54, 55, 56, 57 und 63. 739 Es handelt sich bei den halboffenen Fragen um Frage 39 und 43. Halboffene Fragen definiert DIEKMANN wie folgt: „Halboffene Fragen («Hybridfragen») sind ein Kompromiss zwischen geschlossenen und offenen Fragen. Dabei werden geschlossene Antwortkategorien plus einer offenen Antwortmöglichkeit vorgesehen.“ A. Diekmann: Empirische Sozialforschung. Reinbek 182007, S. 478. 740 Multiple choice (only one answer) sind Frage 40, 44, 46, 48, 49, 51, 52, 58 (inklusive einer offenen Filterfrage), 59, 60, 61, 62 (inklusive einem Kommentarfeld) und 64. Multiple choice (multiple answers) ist Frage 50. 5.4 Auswertung 166

5.4 Auswertung Die Auswertung der offenen Fragen erfolgte über ein Kategoriensystem. Das heißt, die von den Befragten gegebenen Antworten wurden nach mehrmaliger, intensiver Durchsicht – so präzise wie möglich – in inhaltsgleichen beziehungsweise -verwandten Gruppen zusammengefasst, die eine übergeordnete Kategorie bilden. Des Öfteren musste dabei abgewogen werden, ob sich eine Aussage einer Kategorie zuordnen ließ oder nicht. War keine eindeutige Zuordnung möglich, oder traten Aussagen inhaltlich nur einmal auf, so wurden sie unter „Sonstiges“ zusammengefasst. Schließlich wurden die Nennungen pro Kategorie ausgezählt. Einige offene Fragen boten die Möglichkeit an, zwei oder drei Nennungen abzugeben. In diesen Fällen wurde bei der Auswertung keine Rangfolge erstellt, da die Reihenfolge der Nennungen nicht immer ihre Wichtigkeit für den Befragten ausdrückt. Möglicherweise hatte der Befragte den für ihn wichtigsten Aspekt nicht genannt, weil er für ihn selbstverständlich war. Bei diesen so genannten „Multiple textboxes“-Antworten wurden – wie bei den „Single textbox“-Antworten – alle Nennungen pro Kategorie addiert. Es handelt sich somit bei der Auswertung der offenen Fragen um eine quantitative Inhaltsanalyse.741

5.4.1 Rücklauf Von den 87 erreichten deutschen UWC-Ehemaligen der IB-Jahrgänge 2004 bis 2008 antworteten insgesamt 52, die auch ihre Zustimmung für die Weiterverwendung ihrer Antworten gaben (zur Einverständniserklärung s. Fußnote 735). Dies ergibt eine Rücklaufquote von 60 Prozent742. Es musste jedoch festgestellt werden, dass die Befragten den Fragebogen nicht komplett ausfüllten und die ein oder andere Frage ausließen. So wurden die Fragen nicht immer von allen Befragten beantwortet. Beim Anlegen des Online-Fragebogens wurde diese Eventualität in Kauf genommen, um ein gänzliches „Aussteigen“ des Befragten zu vermeiden.

Der Kreis der 52 deutschen UWC-Absolventen, die in den Jahren 2004 bis 2008 ihren IB-Abschluss gemacht haben und an der Befragung teilnahmen, stellt sich wie folgt dar:

17 Personen (33 %) sind männlich, 29 (55 %) weiblich, 6 (12 %) machten keine Angaben.

741 KONRAD erklärt: „Weit verbreitet ist die quantitative Inhaltsanalyse, die eine Zuordnung der einzelnen Teile eines Textes zu ausgewählten, übergeordneten Bedeutungseinheiten (Kategorien) anstrebt. Die Zuweisung von Textteilen zu Kategorien wird als ,Kodierung’ bezeichnet. (…) Die Ergebnisse einer quantitativen Inhaltsanalyse bestehen aus Häufigkeitsdaten, (…).“ In: K. Konrad: Mündliche und schriftliche Befragung. Ein Lehrbuch. Landau 52007, S. 78. 742 Die Prozentzahl ist von 59,77011 auf 60 aufgerundet. 5.4 Auswertung 167

keine Angabe 12%

männlich 33%

weiblich 55%

Diagramm – Frage 65 / Geschlecht

Die Befragten sind im Alter zwischen 18 und 24 Jahren. Die meisten (N=12 / 26 %) der 46 Befragten, die ihr Alter angaben, sind 20 Jahre alt (Geburtsjahr 1988).

1990

1989

1988

1987

1986

1985

1984

0 2 4 6 8 10 12 14

Diagramm – Frage 65 / Geburtsjahr

Die meisten (N=11 / 24 %) der 45 Antwortenden gaben an, das UWC of the Atlantic, also das UWC- „Mutterhaus“ in Wales, besucht zu haben. Lediglich jeweils ein Schüler besuchte das UWC Costa Rica beziehungsweise das UWC in Mostar, was jedoch daran liegen mag, dass diese Schulen zu den jüngsten in der 5.4 Auswertung 168

UWC-Geschichte zählen, und somit noch nicht so viele Schüler von den nationalen Komitees dorthin geschickt worden sind. Die „Top 5“ der besuchten Häuser zeigt das nachstehende Balkendiagramm. Sieben Befragte machten hier keine Angabe.

Andere

Red Cross Nordic UWC

Waterford-KaMhlaba UWC of Southern Africa

Mahindra UWC of India

Li Po Chun UWC of Hong Kong

UWC of the Atlantic

0 2 4 6 8 10 12 14

Diagramm – Frage 65 / Besuchtes UWC – Top 5

Die Verteilung der Befragten auf die Jahre, in denen das Internationale Baccalaureate (IB) von ihnen erworben wurde, ist relativ ausgeglichen. Die meisten (N=11 / 24 %) der 46 Befragten, die hier eine Angabe machten, legten das IB im Jahr 2008 ab. Ihre Eindrücke, die sie im UWC gesammelt haben, sind also noch sehr präsent, was auch mit dem Anlegen des Auswahlkriteriums „IB-Abschlussjahr“ (s. Kap. 5.2.3) beabsichtigt war.

2008

2007

2006

2005

2004

0 2 4 6 8 10 12

Diagramm – Frage 65 / Erwerb des IB im Jahr 5.4 Auswertung 169

5.4.2 Ergebnisse Die Ergebnisse der Befragung werden in der Reihenfolge dargestellt und interpretiert, wie sie auch im Online- Fragebogen aufgeführt waren. Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass die im Rahmen der vorliegenden Arbeit relevanten Fragen den zweiten Befragungsteil bildeten und somit erst mit Frage Nummer 39 starteten.

Themenblock I: Motivation (Frage 39-43)

Die erste Frage einer Befragung ist sehr bedeutsam. Denn mit ihr soll das Engagement zur Beantwortung des gesamten Fragebogens geweckt werden, sie soll gleich ins Thema einführen, eindeutig relevant sowie neutral sein. Da die Frage nach dem Grund, warum sich ein Schüler um einen UWC-Platz beworben hat, zentral und damit von großem Interesse ist, wurde sie im vorliegenden Fragebogen als erste gestellt. Mit Frage 39 wurden den UWC- Ehemaligen 7 Gründe für den UWC-Schulbesuch vorgelegt.743 Diese sollten je nach Wichtigkeit für die persönliche Entscheidung in eine Reihenfolge gebracht werden. Daraus ergab sich unter den 52 Befragten, die alle ein Rating aufstellten, folgende durchschnittliche Gewichtung:

... Anderer Grund.

... aus der Monotonie des altbekannten Umfeldes heraus.

... die Welt und andere Kulturen kennen lernen.

... eine anspruchsvolle und vielseitige Schulausbildung erhalten.

... einen international anerkannten Bildungsabschluss machen.

... meine Fremdsprachenkenntnisse verbessern.

... Freundschaften schließen mit Schülern anderer Nationen.

... Teil einer internationalen Gemeinschaft sein.

0 1 2 3 4 5 6 7

Diagramm – Frage 39 / Ratingskala / Warum hast Du ein UWC besucht? Bitte gib mit abnehmender Wichtigkeit eine Reihenfolge von 1., 2., 3. … an. (1. = am wichtigsten).

Eindeutig sind die „Top 3“-Gründe (sie haben auf der Ratingskala die niedrigsten Werte): „die Welt und andere Kulturen kennenlernen“, „Freundschaften schließen mit Schülern anderer Nationen“ sowie „Teil einer

743 Die Auflistung der Items erfolgte teilweise in Anlehnung an Befragungs-Ergebnisse, die das Deutsche Komitee UWC e.V. in seinem Prospekt „UWC. United World Colleges. Schulen ohne Grenzen“ (1993) veröffentlichte. Es handelt sich um Ergebnisse einer 3-Fragen-Erhebung des deutschen UWC Komitees aus dem Jahr 1986 unter allen ehemaligen Stipendiaten. Deutsches Komitee UWC (Hg.): UWC. United World Colleges. Schulen ohne Grenzen. Freiburg 1993. 5.4 Auswertung 170 internationalen Gemeinschaft sein“. Daran ist abzulesen, dass den Ehemaligen der Aspekt der Internationalität am wichtigsten war; eine internationale Orientierung der Schüler lässt sich hieraus ableiten (die Ergebnisse untermauern die Erkenntnisse aus Kap. 2.6.3.1 zum Einstellungsprofil der Bewerber). Verstärkung findet diese Aussage bei der Betrachtung der freien Antwortmöglichkeit („Falls es noch einen anderen Grund gab, nenne ihn bitte hier:“).

… die UWC-Idee verw irklichen / die Ziele der UWC umsetzen.

… eine persönliche Herausforderung.

… einen anderen Kontinent kennenlernen.

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5

Diagramm – Frage 39 / Falls es noch einen anderen Grund gab, nenne ihn bitte hier:

Aus den Antworten der Ehemaligen, die einen anderen Grund nannten (N=7), warum sie ein UWC besuchten, wurden drei neue Items gebildet.744 Hier überwiegt eindeutig (N=4 / 57 %) das Item „…die UWC-Idee verwirklichen / die Ziele der UWC umsetzen“. Beispielhaft sind für dieses Item folgende Aussagen zu zitieren: „Die UWC-Ideale. Ich wollte mit Menschen zusammensein, die diese Ideale teilen und von ihren Ideen und ihrem Idealismus inspiriert werden. Das wichtigste war für mich, Fähigkeiten zu entwickeln, um während AC [Atlantic College; Anm. d. Verf.] und danach zur Schaffung einer besseren Welt beizutragen.“ Und: „Ins Ausland wollte ich schon immer, die Ziele, für die die UWCs stehen, waren dabei aber einzigartig und entscheidend.“ In diesen Aussagen drückt sich der Wunsch der Befragten nach Internationalität noch einmal aus und wird zudem explizit mit den UWC-Zielen in Verbindung gebracht. Damit ist festzustellen, dass sich das „UWC Mission Statement“ („UWC macht Bildung zu einer Kraft, die Menschen, Nationen und Kulturen im Streben nach Frieden und einer nachhaltigen Zukunft verbindet.“; vgl. Kap. 2.7.1) in den Gründen für einen UWC-Schulbesuch widerspiegelt. Das heißt, die Bewerber weisen bereits vor Schuleintritt eine hohe Identifikation mit den UWC-Anliegen auf beziehungsweise setzen sich mit diesen auseinander.

744 Die drei neuen Items lauten: 1.) „…die UWC-Idee verwirklichen / die Ziele der UWC umsetzen“, 2.) „…eine persönliche Herausforderung“, 3.) „…einen anderen Kontinent kennenlernen“. Beispielhafte Aussagen für 2.): „persönliche Herausforderung und Entwicklung“; für 3.) „Einen anderen Kontinent kennenzulernen (in meinem Fall Afrika)“. Alle wörtlichen Aussagen der Befragten finden sich in Anhang D. 5.4 Auswertung 171

Für die Bewerber ist der akademische Aspekt in ihrer Schulwahl eher zweitrangig (Rang 4: „eine anspruchsvolle und vielseitige Schulausbildung erhalten“, Rang 6: „…einen international anerkannten Bildungsabschluss machen“, Rang 7: „…meine Fremdsprachenkenntnisse verbessern“).

Bemerkenswert ist mit Blick auf Frage 40 („Sind Deine Erwartungen erfüllt worden?“), dass die United World Colleges den Erwartungen aller 52 ehemaligen Schüler – wenn auch bei 11 Ehemaligen (21 %) nur „teilweise“ – gerecht werden konnten; mit „Ja“ antworteten 22 Ehemalige (42 %), für 19 Befragte (37 %) wurden die „Erwartungen sogar noch übertroffen“, und nicht ein einziger äußerte sich enttäuscht und kreuzte die Antwortmöglichkeit „Nein“ an. Das Ergebnis spricht für eine sehr hohe Zufriedenheit unter den Ehemaligen mit „ihrem“ UWC. Es ist daraus zu schließen, dass die Schulen „halten“, wofür sie stehen.

Die Zahl derer, deren Erwartungen erfüllt wurden, ist mit 78,8 Prozent / N=41 (addiert man die Nennungen für „Ja“ und „Meine Erwartungen wurden sogar noch übertroffen“) sehr hoch. Auch wenn im Rahmen der Schulausbildung am UWC einige Wünsche offen blieben. Durch Frage 41: „Für welches Angebot im Rahmen der Schulausbildung am UWC hättest Du Dir mehr Zeit gewünscht?“ und Frage 42: „Was hat Dir gefehlt?“ sollten diese Wünsche ermittelt werden. Es handelt sich um offene Fragen, wobei die/der Befragte maximal zwei Nennungen (Frage 41) beziehungsweise nur eine Nennung (Frage 42) abgeben sollte. Die ausführliche Darstellung der Auswertung von Frage 41 und 42 ist dem Anhang D zu entnehmen.

Die Auswertung der Frage 41 ergab, dass die meisten Nennungen auf das CAS-Element „Service“ entfielen. Dafür hätten sich im Rahmen der Schulausbildung am UWC die Antwortenden mehr Zeit gewünscht – ein Angebot also, das den Schülern wichtig war, ihnen „am Herzen lag“. Es ist demnach ein Schulangebot, das von den Schülern angenommen und als bedeutsam betrachtet wird.745 An zweiter Stelle wünschten sich die Antwortenden mehr Zeit fürs/Kontakt zum Gastland und seine/n Menschen. Dieser Wunsch geht einher mit dem vorrangig genannten Motiv, ein UWC zu besuchen, nämlich „die Welt und andere Kulturen kennenlernen“ (s. Frage 39). Die beiden am stärksten besetzten Kategorien der Frage 41 („CAS-Element Service“, „Rund um das Gastland und seine Menschen“) bilden gleichsam Kernelemente der UWC-Pädagogik ab. Der Wunsch der Schüler, sich auf diesen Feldern zu engagieren und Erfahrungen zu sammeln, zeigt, dass die Schulangebote den Schülern „passen“ (s. hierzu auch Frage 59 und 60).

Bei der Auswertung der Frage 42 („Was hat Dir gefehlt?“) fällt auf, dass den Schülern vor allem auch „Zeit“ fehlte. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass die zweijährige Schulzeit zu kurz war, um alle Eindrücke ausreichend wahrnehmen und verarbeiten zu können und dass sich die Schüler mehr Zeit für einzelne Elemente des Lebens und Lernens am UWC gewünscht hätten. Dies weist auf einen vollen Lehrplan (und gegebenenfalls zu viele Aktivitäten) hin; es stellt sich die Frage der Überfrachtung. Neben der „Zeit“ stellt die „Reflexion“ eine wichtige Kategorie dar. Auf die Frage „Was hat Dir gefehlt?“ antworteten die Befragten: „Reflexion“, „(organisierte) Reflexionsmöglichkeiten“, „Zeit zur Reflexion“, „Eine ,akademische’ Annäherung zum Thema interkulturelle Kompetenzen und Kommunikation – leider ging das immer unter, und die meisten passten sich

745 Kurt HAHN äußerte sich über die Wirkung des Rettungsdienstes wie bekannt: „Die Leidenschaft des Rettens entbindet eine Dynamik der menschlichen Seele (…).“ K. Hahn (1962): „Erziehung und die Krise der Demokratie“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn - Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 303. (Vgl. Fußnote 466.) 5.4 Auswertung 172 einfach an den eher amerikanischen Lebensstil an. Ein analytischer Ansatz zu kulturellen Unterschieden fehlte mir sehr!“ Hier besteht also ein Bedarf seitens der Schüler, bezüglich ihres Erlebten und Erfahrenen kognitiv begleitet zu werden; sie wünschen sich, das Erfahrene aufarbeiten zu können beziehungsweise eine Hilfe, Erlebtes einzuordnen.

Mit Frage 43 wurden den UWC-Ehemaligen 4 Persönlichkeitsmerkmale vorgelegt. Sie sollten einschätzen, inwieweit die Entwicklung bezüglich eines der vorgegebenen Merkmale persönlich auf sie zutraf und daraufhin eine Rangfolge erstellen. Daraus ergab sich unter den 52 Befragten, die ein Rating aufgestellt hatten, folgende durchschnittliche Gewichtung:

Anderes:

höhere Bereitschaft, sich Herausforderungen zu stellen

höheres Verantwortungsbewusstsein

mehr Selbstbewusstsein und innere Stärke

mehr Toleranz, Respekt und Verständnis gegenüber anderen Kulturen

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5

Diagramm Ratingskala – Frage 43 / Deine persönliche Weiterentwicklung während der Zeit am UWC erfolgte vor allem in Bezug auf … (Bitte mit abnehmender Wichtigkeit eine Reihenfolge 1., 2., 3. … angeben. 1. = trifft am meisten zu)

Die meisten der Befragten (siehe den geringsten Wert im Balkendiagramm) gaben an, dass ihre persönliche Weiterentwicklung während ihrer Zeit am UWC vor allem in Bezug auf „mehr Toleranz, Respekt und Verständnis gegenüber anderen Kulturen“ erfolgte. Dieses Merkmal sahen sie für sich als am zutreffendsten an. Damit ist ein vorrangiges UWC-Bildungsziel erreicht, welches als Voraussetung für das übergeordnete Ziel (s. UWC Mission Statement: „UWC macht Bildung zu einer Kraft, die Menschen, Nationen und Kulturen im Streben nach Frieden und einer nachhaltigen Zukunft verbindet.“) gilt. Dadurch, dass die Schüler nicht nur innerhalb des Internats multikulturelle Erfahrungen sammeln und in ständigem kulturellen Austausch leben, sondern auch dadurch, dass sie vor allem durch die „Services“ mit der lokalen (und für sie fremden) Bevölkerung in engen Kontakt treten, wird ein Kennenlernen verschiedener Kulturen durch die United World Colleges ermöglicht. Neben den „Services“/Diensten sieht die Verfasserin der vorliegenden Arbeit die interkulturelle Erziehung als friedenspädagogisches Element (vgl. Kap. 3.1.2) – das somit erfolgreich „greift“, zumindest – wie die Studie hier zeigt – laut Selbsteinschätzung der ehemaligen Schüler. Die Befragten konnten auch eine andere Eigenschaft bezüglich ihrer persönlichen Weiterentwicklung nennen. Von dieser Möglichkeit machten 12 Personen 5.4 Auswertung 173

Gebrauch.746 Dabei waren die meisten Nennungen (N=3 / 25 %) der Kategorie „Reflexion global / zwischenmenschlich“ zuzuordnen, was auf eine erhöhte Weitsicht und Sensibilität schließen lässt.

Es kann festgehalten werden, dass das Motiv für den UWC-Schulbesuch (Internationalität/kultureller Austausch) in engem Zusammenhang mit der Annahme der Lehr-/Lerninhalte steht. Das heißt: Die Angebote, die die Schüler in ihrer Grundintention („…die Welt und andere Kulturen kennen lernen“) unterstützten (wie beispielsweise die „Services“), wurden so gut angenommen, dass sich die Schüler (noch) mehr Zeit für ihre Ausübung wünschten. Die Befragten fanden an der Schule, was sie suchten; ihre Erwartungen wurden erfüllt (vgl. Frage 40).

Themenblock II: Völkerverständigung (Frage 44-48)

Internationale Völkerverständigung stellt nicht nur ein Topthema täglicher Diplomatie auf höchster Ebene dar. Sie ist auch das zentrale Hauptanliegen der United World Colleges. So wurde ihr ein eigener Themenblock im Rahmen der Befragung eingeräumt. Da bereits von den UWC-Bewerbern eine hohe Identifikation mit den Zielen der Schulen erwartet wird, ist zu vermuten, dass es sich bei den Bewerbern nicht nur um international-orientierte, sondern auch um politisch interessierte Jugendliche handelt, die sich über das aktuelle Weltgeschehen auf dem Laufenden halten. Es ist anzunehmen, dass diese Haltung durch Freundschaften mit Schülern aus anderen Nationen, die sie am UWC knüpfen, noch verstärkt wird.

Auf die Frage (Frage 44), inwieweit sich durch den Schulbesuch am UWC ihr Interesse an globalen politischen Zusammenhängen verändert hat, ergab sich folgende Verteilung unter den Befragten:

... war vorher nicht so ausgeprägt und ist durch den Besuch des UWC geweckt worden.

... war vorher nicht so ausgeprägt und ist auch heute eher gering.

... war bereits vor dem Besuch des UWC hoch entwickelt, und das ist auch so geblieben.

... hat sich durch den Besuch des UWC noch verstärkt.

0 5 10 15 20 25 30 35 40

Diagramm – Frage 44 / Inwieweit hat sich durch den Schulbesuch am UWC Dein Interesse an globalen politischen Zusammenhängen verändert? Mein Interesse an globalen politischen Zusammenhängen…

746 Die ausführliche Darstellung der Auswertung der offenen Antwortmöglichkeiten von Frage 43 ist dem Anhang D zu entnehmen. 5.4 Auswertung 174

Von den 50 Antwortenden gab die Mehrzahl (N=36 / 72 Prozent) an, dass sich ihr Interesse an globalen politischen Zusammenhängen durch den UWC-Schulbesuch noch verstärkt habe. Das Interesse war also bereits vorhanden und wurde am College weiter gefördert. 9 der Antwortenden (N=9 / 18 %) schätzten ihr Interesse an globalen politischen Zusammenhängen bereits vor dem Besuch des UWC als hoch ein; eine Veränderung stellten sie aber nicht fest. Lediglich ein Befragter nannte sein Interesse gering, was auch der Schulbesuch nicht zu ändern vermochte. Immerhin konnte bei vier Befragten durch die Schule das Interesse, was vorher nicht so ausgeprägt war, geweckt werden. Es ist festzuhalten: Die große Mehrzahl der UWC-Ehemaligen (90 Prozent / N 36+9=45) war bereits vor dem Schulbesuch politisch interessiert. Und eine weitere Förderung beziehungsweise Entwicklung des Interesses erreichten die Colleges insgesamt bei 80 Prozent (N 36+4=40) der Antwortenden.

Die Palette der globalen Themen/Zusammenhänge, für die die Befragten sensibilisiert wurden, ist breit gefächert. Dies ergab die anschließende offene Filterfrage (Frage 45), die nur diejenigen beantworten brauchten, deren Interesse an globalen politischen Zusammenhängen durch den Schulbesuch entweder hoch geblieben war, sich noch verstärkt hatte oder erst am UWC geweckt worden war. Eine detaillierte Darstellung der Ergebnisse ist dem Anhang D zu entnehmen. Auffällig ist, dass in der gebildeten Kategorie „Konflikte / Kriege im Besonderen und Allgemeinen“ die meisten Nennungen zu verzeichnen sind. Das bedeutet, dass die Befragten vor allem jenen Zuständen und Ereignissen gegenüber aufmerksam sind, die im direkten, krassen Gegensatz zum Weltfrieden beziehungsweise zur Völkerverständigung stehen. Dass es durch das Leben an einem UWC zu einer erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber Konflikten und Kriegen sowie dem Weltgeschehen allgemein gekommen ist, lassen einige Befragte in ihren Antworten erkennen, die sie wie folgt erklärten: „Kriege und Konflikte in der Welt (man kennt ja nun oft Leute persönlich, die aus diesem Land kommen“, „Internationale Nachrichten ,allgemein’ (durch indirekten Bezug)“, „Alle aktuellen Themen, wo Freunde von mir sind/herkommen“, „Viel größerer persönlicher Bezug zu Nachrichten aus aller Welt“, „Regionale Konflikte, die mir vorher unverständlich und ,weit weg’ erschienen“, „Dass auch ,politische Erzfeinde’ Menschen sehr gute Freunde sein können, wie zum Beispiel Israelis und Palästinenser an unserem College“. Dass sich unter der Kategorie „Konflikte / Kriege im Besonderen und Allgemeinen“ insgesamt 8 Nennungen einordnen lassen, die speziell den Nahost-Konflikt beziehungsweise den Konflikt zwischen den Israelis und Palästinensern ausdrücklich ansprechen, hatte möglicherweise Gründe im aktuellen Geschehen kurz vor der Befragung747.

Eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber Kriegen beziehungsweise Konflikten auf der Welt kann dahingehend interpretiert werden, dass diese auch gleichzeitig mit dem Wunsch nach Frieden und dem Streben nach internationaler Völkerverständigung einhergeht. Da vom Schüler bereits vor seinem Eintritt in ein UWC vor allem die Identifikation mit den Zielen der United World Colleges erwartet wird (vgl. Kap. 2.6.3.1), ihm somit also auch die internationale Völkerverständigung ein Anliegen sein sollte, verwundert denn auch das Ergebnis von Frage 46 („Wurde Dir die internationale Völkerverständigung durch den UWC-Schulbesuch zum Anliegen?“) nicht: Hier gaben 88 % (N=43) der 49 Antwortenden an, dass ihnen internationale Völkerverständgung bereits vor ihrem UWC-Schulbesuch wichtig gewesen sei. Die übrigen 12 % (N=6) gaben an, dass sich dieses Anliegen erst im

747 Die Befragung war zwei Tage vor Beendigung der so genannten „Operation Gegossenes Blei“ (Gazastreifen, 27. Dezember 2008 bis 18. Januar 2009) gestartet worden. 5.4 Auswertung 175

Laufe ihres UWC-Schulbesuches entwickelt habe. Keiner der Befragten kreuzte die dritte Antwortmöglichkeit „Dieses Anliegen wurde während meines UWC-Schulbesuchs nicht entwickelt“ an. Die UWC lassen also zumindest niemanden von diesem Anliegen „unberührt“.

Wie bereits anhand der Daten aus Frage 39 ersichtlich, sind die Schüler international orientiert und anderen Kulturen gegenüber nicht nur offen eingestellt, sondern sie suchen gar wissbegierig den Kontakt zu diesen. Einen anderen Menschen und seine Kultur, sein Land kennenzulernen, setzt voraus, mit ihm (und wenn möglich auch mit seiner Umwelt, die ihn geprägt hat) in Kontakt zu treten. Verstehen und Verständnis setzt Wissen und Erfahren voraus. Dieses Aneignen von Wissen, also Kennenlernen, sowie Erleben/Erfahren und der gegenseitige Austausch werden an den United World Colleges ermöglicht. Man kann sagen, internationale Völkerverständigung wird hier „im Kleinen“ oder auch „an der Basis“ tagtäglich geübt und vollzogen. Denn die Schulen sind international besetzt; die Zahl von über 80 vertretenen Nati onen pro College ist nicht unüblich (vgl. Kap. 2.7.2). Entsprechend entstehen an den UWC auch viele internationale Freundschaften. Mit der offenen Frage 47 sollten die ehemaligen UWC-Schüler herausstellen, worin ihrer Meinung nach der ausschlaggebende Faktor hierfür liegt. Nur eine Nennung sollte daher genügen.

Diagramm – Frage 47 / Am UWC entstehen viele persönliche internationale Freundschaften. Was ist Deiner Meinung nach der ausschlaggebende Faktor hierfür? (Bitte nur eine Nennung)

Aus den Aussagen der insgesamt 42 Antwortenden wurden die im Diagramm aufgeführten neun Kategorien sowie eine Kategorie „Sonstiges“ gebildet.748 Die wörtlichen Aussagen sind dem Anhang D zu entnehmen. Die eindeutig meisten Nennungen (N=15 / 36 %) entfallen auf die Kategorie „Extrem enges Zusammenleben /

748 Anmerkung zur Auswertung: Bei Nennung mehrerer Aspekte wurden „Aspekt-Paare“ (z.B. „Zusammenleben + zusammen arbeiten/lernen) für eine Kategorie gebildet. Oder es wurde nur der erste Aspekt aus der jeweiligen Aussage herausgezogen und kategorisiert, wenn sich keine weitere „Aspekt-Paarung“ mehr angeboten hat. 5.4 Auswertung 176

Internatsleben“. Diese Kategorie berücksichtigt die Äußerungen, die sich nur auf das Zusammenleben beziehen, die Tatsache also, zwei Jahre lang in einem Internat miteinander zu leben und auf engstem Raum miteinander auszukommen – egal, aus welchem Land der/die Schüler/-in kommt, welche Hobbys er/sie hat oder welche finanziellen Hintergründe oder kulturellen Wurzeln bestehen. Die UWC führen die Jugendlichen aus unterschiedlichen Erdteilen zusammen. Die Tatsache, dass die Schüler auf Drei-/Vier-Nationenzimmern untergebracht sind, verstärkt die Erfahrung der „Viel-Nationen-Gemeinschaft“. Das Zusammenleben auf engstem Raum rund um die Uhr wird als Hauptgrund für die Entstehung vieler persönlicher internationaler Freundschaften betrachtet. Einige Befragte (N=6 / 14 %) sahen aber nicht nur den Aspekt des Zusammenlebens, sondern mit ihm in Verbindung auch den Aspekt des Zusammen-Arbeitens/-Lernens, den Aspekt der gemeinsamen Erfahrungen (N=4 / 10 %) oder den Aspekt der gemeinsamen Probleme (N=2 / 5 %) als entscheidend an. Addiert man alle Aussagen, die grundsätzlich das Zusammenleben als ausschlaggebenden Faktor betrachten, so ergeben sich N=27 (64 %). Die Institution Internat wird somit herausgestellt. Betrachtet man die übrigen Kategorien „Gemeinsame Interessen“, „Gemeinsames Erleben“, „Gemeinsame Erfahrung“, so fällt auf, dass die Antwortenden vor allem so genannte Schnittmengen, also das Gemeinsame unter den Schülern, herausstellen, und nicht einzelne Dispositionen – bis auf die Kategorie „Neugier“ (bei den zwei hier zuzurechnenden Aussagen spricht jedoch wiederum einer der Befragten auch die Gemeinsamkeit der Schüler an: „Wissbegierde und Neugier der Schüler, die trotz der Unterschiede einen ähnlichen ,Kern’ haben.“). Auch die Kategorie „Gleiche Voraussetzungen für alle in einem neuen Kontext“ zeigt, dass sich alle Schüler in einem für sie neuen Raum befinden, in dem es gilt, gemeinsam zurechtzukommen. Die Startbedingungen sind für alle gleich – zumindest, was den äußeren Rahmen betrifft.

Die Antworten zeigen, dass sich die Befragten in ihren Aussagen auf das Zentrum der besonderen Lebenssituation an den UWC fokussieren: das Gemeinsame. Das Verbindende wird herausgestellt. Die Schüler erfahren das Gemeinsame trotz ihrer kulturellen Unterschiede, Religion oder Herkunft. An dieser Stelle sei erinnert an den Ausspruch von König Sobhuza II: „We are all of the earth, which does not see differences of colour, religion or race. We are ‘Kamhlaba’ – all of one world”.749 Als entscheidendes Charakteristikum der Schulen kann somit die internationale Erziehungsgemeinschaft angesehen werden. Deutlich setzt hier die politische Dimension interkultureller Erziehung an (vgl. Kap. 3.2.1), die zum Ziel hat, Menschen, Nationen und Kulturen miteinander zu verbinden, um im Frieden leben zu können. Die internationale Völkerverständigung wird somit bereits in der Schule eingeübt.

Der Aussage „Das Leben und Lernen an einem UWC trägt zu aktiven Fortschritten in internationaler Völkerverständigung bei“ stimmten unter Frage 48 knapp drei Viertel (N=36 / 74 %) der 49 Antwortenden „vollkommen“ zu; gut ein Viertel (N=13 / 27 %) stimmte dieser Aussage zwar „nur teilweise“ zu. Die Antwortoption „Dieser Aussage stimme ich gar nicht zu“ ging allerdings leer aus, was zeigt, dass die UWC in den Augen der Ehemaligen durchaus ihren Beitrag zu internationaler Völkerverständigung leisten. Worin allerdings die Befragten diesen Beitrag sehen beziehungsweise wie sie ihn definieren, wurde nicht erhoben.

749 Zitiert nach Laurence Nodder auf der Homepage des Waterford Kamhlaba UWC of Southern Africa. Siehe Fußnote 436. 5.4 Auswertung 177

Themenblock III: Kulturelle Unterschiede (Frage 49-51)

Wie bereits angesprochen, ist die interkulturelle Erziehung an den United World Colleges sowohl ein Kernmerkmal wie auch ein pädagogischer Grundsatz. Deshalb wird ihr auch in der Befragung ein eigener Themenblock eingeräumt. Durch eine internationale Schüler- und Lehrerschaft, internationale Zimmerbelegung, nationale Abende/Tage aber auch beispielsweise durch das CAS-Programm wird interkulturelle Erziehung an den UWC in die Praxis umgesetzt (vgl. Kap. 3.2.2). Wie reagieren nun die Schüler auf kulturelle Differenzen, die sie an einem United World College zwei Jahre lang auf engstem Raum intensiv erleben? Können sie die wahrgenommenen Kulturspezifika richtig deuten, sie entschlüsseln? Auf Frage 49 „Verstehst Du kulturelle Zusammenhänge nun besser als vor dem Besuch eines UWC?“ fielen die Antworteten wie folgt aus: Von den insgesamt 50 Antwortenden erklärten die meisten (N=32/64 %), dass sie verschiedene kulturelle Zusammenhänge kennengelernt hätten und diese „auf jeden Fall“ nun besser verstünden als vor dem Besuch eines UWC. Immerhin noch ein Drittel (N=17/34 %) äußerte sich dahingehend, kulturelle Zusammenhänge nun „ein bisschen besser“ zu verstehen. Möglich ist, dass diese Gruppe selbstkritisch noch einen weiteren Bildungs- beziehungsweise Aufklärungsbedarf bei sich selbst sieht. Möglicherweise interpretieren sie selbst auch die Aneignung interkultureller Kompetenz als fortwährenden Prozess, der nie ganz beendet sein wird, weil sich auch gesellschaftliche/kulturelle Geschehnisse stets im Fluss befinden. Nur ein einziger der Antwortenden (N=1/ 2%) erklärte, er habe „verschiedene kulturelle Zusammenhänge kennen gelernt, verstehe aber nicht alle besser als vorher“.

Insgesamt ist damit festzustellen, dass interkulturelle Erziehung an den United World Colleges erfolgreich stattfindet – zumindest in der Selbsteinschätzung der ehemaligen Schüler. Werden die Antworten derjenigen addiert, die erklärten, kulturelle Zusammenhänge nun „auf jeden Fall“ oder zumindest „ein bisschen besser“ zu verstehen, so ergibt sich ein Wert von 98 %. Schließlich geht es bei interkultureller Erziehung darum, dass die Schüler lernen sollen, möglichst viele verschiedene Handlungsmuster von Personen unterschiedlicher Nationen deuten zu können. Die Schüler sollen fremde kulturelle Traditionen entschlüsseln können, das heißt, ethnische und religiöse Kulturspezifika sowie geschlechts- und schichtspezifische Rollen innerhalb einer Kultur/Gesellschaft erkennen und deren Zusammenhänge verstehen. Nicht zuletzt können so Unsicherheiten im Umgang mit dem „Anderen“, dem zuvor „Fremden“, aufgehoben werden.

Daraus ist zu folgern, dass die Schüler im Laufe ihrer UWC-Schulzeit eine wichtige Voraussetzung erlernt haben, nämlich jene, die zum interkulturellen Dialog befähigt750.

Bei der anschließenden Frage 50 sollte ermittelt werden, welche Folgen sich durch die interkulturelle Erziehung an den UWC für den Schüler selbst ergaben, das heißt, welche Rückwirkung in Bezug auf die Einstellung zu seiner eigenen Kultur einsetzte. Auf die Frage „Hat sich die Einstellung zu Deiner eigenen Kultur dadurch verändert, dass Du andere Kulturen und Nationalitäten am UWC näher kennen gelernt hast?“ antworteten 50

750 An dieser Stelle sei an die von AUERNHEIMER genannte Aufgabe interkultureller Erziehung erinnert: „Interkulturelle Erziehung muß zum interkulturellen Dialog befähigen.“ Vgl. Fußnote 486. 5.4 Auswertung 178

Befragungsteilnehmer. Das Ankreuzen mehrerer Antwortvorgaben war möglich. 27 Befragte kreuzten eine Antwortmöglichkeit an, 23 zwei. Es ergibt sich folgende Häufigkeit der angekeuzten, vorgegebenen Items:

Ich weiß nicht.

Es hat sich nichts verändert.

Ich sehe die kulturellen Unterschiedlichkeiten noch deutlicher als eine Bereicherung für unsere Gesellschaft an.

Ich bin mir meiner eigenen Kultur und meiner eigenen kulturellen Prägung bewusster geworden.

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Diagramm Frage 50 / Hat sich die Einstellung zu Deiner eigenen Kultur dadurch verändert, dass Du andere Kulturen und Nationalitäten am UWC näher kennen gelernt hast? (Mehrere Antworten möglich)

Jeweils nur eine Person erklärte, es habe sich in ihrer Einstellung zur eigenen Kultur „nichts verändert“, beziehungsweise sie „weiß nicht“. Die Mehrheit bemerkte hingegen an sich eine Einstellungsänderung. Die Antwortvorgaben zur Einstellungsänderung waren inhaltlich unterschiedlich akzentuiert formuliert: einerseits bezogen auf die eigene Kultur („Ich bin mir meiner eigenen Kultur und meiner eigenen kulturellen Prägung bewusster geworden“), andererseits auf andere Kulturen („Ich sehe die kulturellen Unterschiedlichkeiten noch deutlicher als eine Bereicherung für unsere Gesellschaft an“). Eine Rückwirkung lediglich auf die eigene Kultur und eigene kulturelle Prägung stellten 22 der Antwortenden bei sich fest (sie kreuzten nur dieses eine Item „Ich bin mir meiner eigenen …“ an); und 3 der Antwortenden stellen eine Einstellungsänderung bei sich fest, die sich lediglich auf andere Kulturen bezog (sie kreuzten nur das Item „Ich sehe die …“ an).

Addiert man diejenigen, die nur ein Item bezüglich der Einstellungsveränderung angekreuzt haben (N=22 + N=3), und betrachtet diese auf ihre inhaltliche Aussage hin, so ist selbst schon anhand der Einfachnennungen ein positives Fazit im Sinne der interkulturellen Erziehung zu ziehen. Denn es zeigt sich, dass die Befragten kulturelle Unterschiede nicht nur wahrnehmen, sondern auch positiv bewerten – auch wenn es „nur“ in Hinblick auf die Wahrnehmung der eigenen Kultur/kulturellen Prägung (N=22) geschieht oder nur insofern, dass man kulturelle Unterschiede nun noch stärker als eine allgemeine Bereicherung ansieht (N=3).

Einzig inhaltlich logisch – und aus pädagogischer Sicht am wünschenswertesten – ist hier bei der möglichen Mehrfachnennung das Ankreuzen der beiden Items „Ich bin mir meiner eigenen Kultur und meiner eigenen kulturellen Prägung bewusster geworden“ und „Ich sehe die kulturellen Unterschiedlichkeiten noch deutlicher als eine Bereicherung für unsere Gesellschaft an“. Insgesamt kreuzten 23 Befragte beide Items an. Diese Schüler 5.4 Auswertung 179 haben also gelernt, dass die eigene Kultur eine unter vielen ist, die ihrerseits Spezifika aufweist, und dass die eigene und alle anderen Kulturen sich gleichzeitig gegenseitig bereichern. Die kulturellen Eigenheiten treten im Laufe der UWC-Schulzeit am multinational belegten Internat deutlich zu Tage. Sie müssen schließlich von jedem einzelnen Schüler ins gemeinsame Schulleben integriert werden, zu einem funktionierenden Gesamtgefüge. Dies setzt nicht nur Offenheit und den Willen zur gegenseitigen Verständigung seitens der Schüler voraus; es soll noch eine nächsthöhere Stufe erreicht werden: die Vielfältigkeit/Verschiedenheit nicht nur zu tolerieren, sondern willkommen zu heißen, wie BLACKBURN forderte751. Insgesamt 26 Antwortende (52 %) kreuzten das Item „Ich sehe die kulturellen Unterschiedlichkeiten noch deutlicher als eine Bereicherung für unsere Gesellschaft an“ an.

Die Aussage im UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert: „Das Wissen über andere Kulturen führt dazu, sich der Einzigartigkeit der eigenen Kultur bewußt zu werden, (…)“752 kann aufgrund der vorliegenden Erhebung am Kriterium der Schüler-Selbstwahrnehmung bestätigt werden. Insgesamt 45 Antwortende (90 %) kreuzten das Item „Ich bin mir meiner eigenen Kultur und meiner eigenen kulturellen Prägung bewusster geworden“ an.

Hier sei auch an die Vision Kurt Hahns erinnert, dass die Schüler durch die Erziehung an den Atlantic Colleges lernen würden, „noch ein anderes Land neben dem eigenen Vaterland zu lieben“753. Was man liebt, liebgewonnen hat oder zu schätzen gelernt hat, gilt als Bereicherung, als Schatz, den es zu bewahren gilt. Dies kann ein Land sein, es können aber auch mehrere Länder mit ihren Menschen und all ihren kulturellen Eigenheiten sein. Diese Einstellung soll bei den Schülern geweckt werden.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass der Kern der interkulturellen Erziehung an den UWC getroffen wird: das Erkennen und die Annahme von Gemeinsamkeit ebenso wie Unterschiedlichkeit (vgl. Kapitel 3.2).

Eine Möglichkeit, um mit Menschen (eines „fremden“ Landes) in Kontakt zu treten, ist verbale oder non-verbale Kommunikation. Dabei vollzieht sich ein gegenseitiger Austausch. Bei der verbalen Kommunikation fungiert die Sprache also als Medium. Sprache kann auch beim Erwerb interkultureller Kompetenz hilfreich sein. Sie dient als Medium dazu, in eine fremde Kultur einzutauchen und sie kennenzulernen (vgl. Kap. 3.2.3). Durch Frage 51 sollte erhoben werden, ob die UWC-Ehemaligen die Sprache als ein wichtiges Medium für ein besseres Kulturverständnis erachten. Die Frage lautete: „Wie wichtig ist es Deiner Meinung nach, die Sprache des Gastgeberlandes zu erlernen, um die Kultur besser verstehen zu können?“ Über zwei Drittel (N=37 / 74 %) der 50 Antwortenden sieht es als „sehr wichtig“ an, die Sprache des Gastgeberlandes zu erlernen, um die Kultur besser verstehen zu können. Für die übrigen Antwortenden (N=13 / 26 %) ist die Sprache „nützlich, aber nicht notwendig“. Keiner der Befragten erachtet es als „unnötig“, die Sprache des Gastgeberlandes zu erlernen, um die Kultur besser verstehen zu können.

Das Ergebnis zeigt, dass alle 50 UWC-Absolventen die Sprache als ein zumindest nützliches Medium betrachten, um sich einer unbekannten/fremden Kultur zu nähern. Die unterschiedliche Einschätzung der Wichtigkeit von

751 Vgl. Fußnote 495. 752 Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.): Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum. Neuwied 1997, S. 40 f. (Siehe auch Kapitel 3.2). 753 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn – Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 284. (Vgl. Fußnote 483). 5.4 Auswertung 180

Sprache als Medium legt unterschiedliche Erfahrungen seitens der ehemaligen Schüler nahe. Dies dürfte an den jeweils unterschiedlichen Angeboten – vornehmlich der Dienste (CAS-Element „Services“) – liegen. Denn gerade bei den Diensten geht es darum, mit den Menschen des jeweiligen UWC-Gastlandes in Kontakt zu treten und ihnen in irgendeiner Weise behilflich zu sein. Sicherlich hängt die Einschätzung der Wichtigkeit von Sprache als Medium auch vom jeweiligen Anforderungsprofil des Service ab, mit dem der Schüler konfrontiert wurde, und auch davon, inwieweit der Schüler bereit und fähig war, verbal-kommunikative Defizite zu tolerieren und auszugleichen.

Insgesamt bestätigt das Ergebnis – aufgrund der mehrheitlichen Einschätzung der Befragten (74 %) – die Aussage, dass das Erlernen einer fremden Sprache „der Schlüssel zu einer fremden Kultur“ sei754.

Themenblock IV: Creativity, Action und Service-Programm (Frage 52-60)

Der vierte Themenblock stellt den eigentlichen Schwerpunkt der Befragung dar755, bei dem das CAS-Element „Service“ im Fokus des Interesses steht. Nach einer Übergangsfrage wurden zwei allgemeine Fragen zum CAS- Programm gestellt, auf die sechs Fragen folgten, die sich ausschließlich auf das CAS-Element „Service“ bezogen. Grund dafür ist vor allem der besondere Stellenwert, den bereits Kurt Hahn dem Rettungsdienst – dem „Vorläufer“ dieses CAS-Elementes (vgl. Kap. 4.3.4) – beimaß. Der Rettungsdienst war im Kanon der Hahn’schen Erlebnistherapie für ihn das wichtigste Element756. Darum sollte er nach HAHN in den Atlantic Colleges „eine entscheidende Rolle im Gemeinschaftsleben spielen“757.

Mit Frage 52 wurde inhaltlich ein weicher Übergang vom dritten in den vierten Themenblock geschaffen und das Thema „Kultur des Gastlandes“ erneut aufgegriffen. Die Frage lautete: „Hat Dir der Service innerhalb des CAS (Creativity, Action, Service)-Programms geholfen, das Gastland, seine Kultur und seine Menschen näher kennen zu lernen?“ Gut die Hälfte (N=25 / 52 %) der 48 Antwortenden erklärt: „Ich habe dadurch einen kleinen Einblick bekommen.“ Einen „tiefen Einblick“ erhielten nach eigenem Bekunden 35 Prozent (N=17) der Antwortenden. Dagegen stellten immerhin 13 Prozent (N=6) der Antwortenden fest, dass sie durch das CAS-Programm „keinen Einblick“ in das Gastland, seine Kultur und seine Menschen erhalten hätten.

Diese unterschiedlichen Erfahrungen dürften (wie bei Frage 51) in Zusammenhang mit den jeweiligen Schulangeboten stehen beziehungsweise den Angeboten, die die Schüler gewählt hatten. In der Tat hatten die Dienste, die die Befragten geleistet haben, eine sehr große Bandbreite (siehe Frage 55). Eine unterschiedliche Bewertung seitens der Schüler mit Blick auf die obige Fragestellung wird dadurch verständlich. So ist leicht vorstellbar, dass beispielsweise der Umweltdienst am Red Cross Nordic UWC/Norwegen, bei dem der Fjord auf Salzgehalt und Temperatur hin überprüft wird, eine andere Wirkung auf einen Schüler hat als die Arbeit im „Mother Theresas Home“, einem Heim für kranke, alte und arme Frauen in Pune/Indien oder die Arbeit auf einer Waisenstation im Krankenhaus von Mbabene/Swaziland. Einblicke – ob tief oder oberflächlich – ins Gastland,

754 Siehe Fußnote 523. 755 Nicht zuletzt gewichtet auch die International Baccalaureate Organization die CAS-Anforderung als fundamentalen Teil des IB-Diploma- Programs; vgl. Fußnote 633. 756 Vgl. Fußnote 700. 5.4 Auswertung 181 seine Kultur und seine Menschen werden also vom jeweiligen Dienst überhaupt erst zugelassen beziehungsweise ermöglicht.

Nicht nur die Möglichkeit zur Selbsterfahrung soll dem Schüler gegeben werden, sondern er soll vor allem Sozialkompetenz abseits der „akademischen Bühne“ erwerben (s. Kap. 4.2.1). Dabei gilt es, Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln. Die Sozialdienste stellen das „Herz“ der CAS-Anforderung dar. Sie setzen an den realen Problemen und Nöten der Bevölkerung des Gastlandes an. Es kann davon ausgegangen werden, dass diejenigen Befragten, die einen Sozialdienst mit konkreter Hilfe für Bedürftige leisteten (s. beispielsweise im Waisen- oder Krankenhaus), einen tieferen Einblick in das Gastland, seine Kultur und seine Menschen erhielten als diejenigen, die einen schulinternen Dienst (zum Beispiel „Estate Service“) leisteten.758

Mit Frage 53 wurden die Befragten aufgefordert, zu benennen, was ihnen am CAS-Programm besonders gefallen hat. Die Frage wurde offen gestellt und zielte auf kein spezielles CAS-Element oder eine spezielle Anforderung ab. Auf die Frage „Was hat Dir am CAS-Programm besonders gefallen?“ zogen die Befragten folgendes positive Fazit (die Antworten im Einzelnen sind Anhang D zu entnehmen):

Vielfalt der Programme

Sonstiges

CAS-Element "Service" / Soziales Engagement

Kontakt zu Menschen des Gastlandes

Übernahme von Verantwortung

Teamwork

Ganzheitliche Anforderung

Neues erfahren und Grenzen überschreiten

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Diagramm Frage 53 / Was hat Dir am CAS (Creativity, Action, Service)-Programm besonders gefallen?

757 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 758 Die Befragungsergebnisse bestätigen dies: Von den 17 Befragten, die angaben, durch den Service innerhalb des CAS-Programms einen „tiefen Einblick“ ins Gastland, seine Kultur und seine Menschen bekommen zu haben (s. Frage 52), haben 15 einen Sozialdienst absolviert beziehungsweise sich für die lokale Bevölkerung eingesetzt (zum Beispiel: Arbeit mit Kindern in Flüchtlingslagern, Arbeit auf einer Waisenstation, zusätzlicher Unterricht an einer örtlichen Schule, Aids education service workshop in lokalen Schulen oder Arbeit in einem Heim für Arme, Kranke und Alte). Einer der 17 Befragten machte bei Frage 55 zum geleisteten Service keine Angabe, ein weiterer gab u.a. „Special Needs Music“ an. – Von den 6 Befragten, die angaben, durch den Service innerhalb des CAS-Programms „keinen Einblick“ ins Gastland, seine Kultur und seine Menschen bekommen zu haben (s. Frage 52), machten 2 Befragte bei Frage 55 keine Angaben zu einem geleisteten Service, eine/r von den 6 gab „Estate Service“ an. Zwei weitere leisteten handwerkliche Arbeit (Umbauarbeiten für eine Hilfsorganisation, Feldarbeit bei Bauern) und der/die sechste Befragte beteiligte sich an einem Sport-Programm für Kinder. Bei Letzterem/-er sowie bei dem-/derjenigen, der/die Bauern bei der Feldarbeit geholfen hat, hätte man allerdings annehmen können, dass er/sie einen „tiefen Einblick“ ins Gastland, seine Kultur und seine Menschen bekommen 5.4 Auswertung 182

Die meisten Antworten der 39 UWC-Ehemaligen, die auf diese Frage antworteten, ließen sich auf die Kategorie „Vielfalt der Programme“ zusammenfassen (N=9 / 23%). Das heißt, dass die Schüler das breite Schulangebot des CAS-Programms sehr schätzten. Es kann davon ausgegangen werden, dass es somit für sie möglich war, sich in einem Bereich zu engagieren, der sie auch von vornherein ansprach, in dem sie sich also auch engagieren wollten. Auffällig ist hier, dass aus den Antworten nur für das CAS-Element „Service“ eine eigene Kategorie gebildet werden konnte (die Elemente „Creativity“ und „Action“ gingen leer aus). Das heißt, den Schülern ist das Element „Service“, beziehungsweise das soziale Engagement, besonders positiv in Erinnerung geblieben. Es erhielt ebenso viele Nennungen wie die gebildete Kategorie „Kontakt zu Menschen des Gastlandes“ (je N=6). Daraus ist zu erkennen, dass sich die Schüler sowohl gerne sozial engagierten, als auch gerne den Kontakt zu den Menschen ihrer Umgebung, ihres Gastlandes aufnahmen (was nicht zuletzt dem Motiv entspricht, warum sie ein UWC besucht haben; vgl. Frage 39). Das CAS-Programm scheint diesem Wunsch entgegenzukommen.

Schließlich zeigen die gebildeten Kategorien „Übernahme von Verantwortung“, „Teamwork“ (je N=3) sowie „Ganzheitliche Anforderung“ und „Neues erfahren und Grenzen überschreiten“ (je N= 2), dass die UWC- Ehemaligen jene Aspekte positiv erinnern, durch die sie persönlich gefordert wurden.

Auf die Frage „Was hat Dir am CAS-Programm nicht gefallen?“ (Frage 54) antworteten insgesamt nur 31 UWC- Ehemalige. Möglicherweise gab es für die übrigen 21 Befragten keine negativen Aspekte zu berichten und sie waren mit dem Programm zufrieden. Eine Übersicht der Kategorien, die aus den gegebenen Antworten gebildet wurden, gibt folgende Grafik (die einzelnen Antworten sind Anhang D zu entnehmen):

Sonstiges

Mangelhafte Organisation

Zu wenig Zeit für CAS / Zeitdruck

Mangelnde Ernsthaftigkeit

Mangelnde Effektivität und Nachhaltigkeit des Service

Druck aufgrund zu vieler Aktivitäten

Skepsis gegenüber Nutzwert und Nachhaltigkeit des Service

Service war zu (schul-)intern

Zu geringer Fokus auf Service

0 1 2 3 4 5 6 7 8

Diagramm Frage 54 / Was hat Dir am CAS-Programm nicht gefallen?

Diejenigen, die sich äußerten, merkten zumeist (N=6 / 19%) eine mangelhafte Organisation des CAS-Programms an. Ein Grund dafür könnte die hohe Anzahl der Angebote sein, auf die im Einzelnen nicht mehr genügend

hätten. Dennoch ist insgesamt an dem Aussageverhalten aller Befragten die Tendenz auszumachen, dass der Service einen Einblick für den UWC- Schüler ins Leben der lokalen Bevölkerung gewährt. 5.4 Auswertung 183

Aufmerksamkeit gerichtet werden konnte. Zwar schätzten die Schüler insgesamt die große Angebotspalette (s. Frage 53/ N=9), doch kritisierten auch einige (N=3) den Druck aufgrund zu vieler Aktivitäten. Beispielhaft sei hierzu folgende Aussage genannt: „Wir wurden mit CAS etwas überladen, Schule und vor allem Schlaf mussten oft hinten anstehen.“

Insgesamt ergab sich inhaltlich eine breite Antwortpalette. Die meisten UWC-Ehemaligen äußerten sich hier erneut im Zusammenhang mit dem CAS-Element „Service“, das ihnen anscheinend stark in Erinnerung geblieben ist. Vier Service-bezogene Kategorien759 konnten gebildet werden, die unterschiedliche Aspekte betreffen: Effektivität, Nutzwert und Nachhaltigkeit der geleisteten Arbeit sowie zu geringer Fokus auf den Service und eine zu schulinterne Ausrichtung des Service. Insgesamt gaben – bei dieser offen gestellten Frage – acht Antwortende (26 %) ein Statement in Bezug auf das CAS-Element „Service“ ab. Dies zeigt erneut – wie bei der vorhergehenden Frage 53 –, dass dieser Teil des IB-Diplom-Programms die Schüler mehr beschäftigt hat als die Elemente „Action“ oder „Creativity“.

Welche Art von „Service“ haben die Befragten im Rahmen des CAS-Programms am United World College geleistet? Hierauf antworteten bei Frage 55 von den 52 Befragten insgesamt 43 (83 %). Pro Antwort wurden teilweise Mehrfachnennungen gegeben, da sich die Schüler in unterschiedlich vielen Serviceangeboten innerhalb ihrer zweijährigen UWC-Zeit engagierten.760 So ergab sich die Summe von 85 verschiedenen Nennungen (=Diensten), die in folgende Kategorien eingeteilt wurden (die einzelnen Antworten befinden sich in Anhang D):

Diverse Sozialdienste / Konkrete Hilfe für Bedürftige - direkter Dienst am Mitmenschen

Lehrtätigkeiten / Führungen / Aufklärungsarbeit

Sonstiges

Umweltdienst (innerhalb und außerhalb der Schule)

Gemeinschaftsdienst: Handwerkliche Hilfe für die Allgemeinheit / für Bedürftige

Schulinterne Dienste

Gemeinschaftsdienst: Organisatorische Hilfe / Dienst für die Mitmenschen

Rettungsdienst

0 5 10 15 20 25 30 35

Diagramm Frage 55 / Welche Art von „Service“ hast Du im Rahmen des CAS-Programms am UWC geleistet?

759 Es ist zwar nur eine Aussage für die Kategorie „Zu geringer Fokus auf Service“ zu verzeichnen, doch wurde eine eigene Kategorie angelegt, da zum einen das CAS-Element „Service“ im Fokus des Befragungsblockes IV steht, und zum anderen diese Aussage die allgemein starke Erinnerungsleistung gerade an das Element „Service“ unterstreicht. 5.4 Auswertung 184

Es dominieren eindeutig die klassischen Sozialdienste, bei denen die Schüler konkrete Hilfe für Bedürftige leisten und dabei in direktem Kontakt mit ihnen stehen. Die Palette der Sozialdienste reicht von der Arbeit im städtischen Kinderheim für körperlich und geistig behinderte Kinder über die Pflege und das Umsorgen von kranken und alten Bewohnerinnen eines Heimes bis hin zur Beschäftigung mit Waisenkindern in einem Drop-In-Centre. Dabei wird das gewohnte Umfeld, das Schulgelände, verlassen und die Hilfe dort geleistet, wo sie konkret benötigt wird und wo sie die reale Bedürftigkeit der Mitmenschen berührt. Es gibt aber auch Dienste, die auf dem Campus stattfinden und sowohl einerseits den Schülern/dem College selbst zugute kommen (schulinterne Dienste, zum Beispiel „Visual Rescue Service“: Multimedia-Hilfe für das College, „Estate Service“ oder Unterstützung bei der Kommunikation zwischen den UWC), als auch andererseits über die Schulmauern hinweg wirken (zum Beispiel Ausbau einer Kampagne zur Unterstützung von Waisen).

Insgesamt ist es den Schülern möglich, sich sowohl intellektuell (beispielsweise durch Lehrtätigkeiten oder Aufklärungsarbeit) als auch handwerklich (unter anderem Hilfe bei der Gebäuderenovierung oder beim Ausbau von Wanderwegen) sowie emotional (zum Beispiel Umsorgen von Heimbewohnerinnen oder Arbeit mit wasserscheuen Menschen in einem Rehabilitationszentrum) einzubringen.

Auffällig ist, dass der Rettungsdienst am unteren Ende der Skala rangiert. Dabei sollte laut Kurt Hahn der Rettungsdienst in den Colleges „eine entscheidende Rolle im Gemeinschaftsleben spielen“ (vgl. Fußnote 287). Die Schüler sollten sich im Ernstfall bewähren können „als Mitglieder der Feuerwehr, der Küstenwache oder der Bergwacht“ (vgl. Fußnote 291). Die geringe Anzahl (N=5) an Nennungen für die Kategorie „Rettungsdienst“ im Rahmen dieser Befragung erklärt sich aber durch das unterschiedliche Angebot, das die UWC ihren Schülern machen (können). Wie in Kapitel 4.3.4 bereits dargestellt, besteht das größte Angebot an Rettungsdiensten innerhalb der UWC-Gruppe am Atlantic College – allein der dort offerierte „Inshore Lifeboat Service“ ist nach eigenen Angaben des Colleges innerhalb der Schulwelt einmalig761.

Was haben letztlich die Dienste den Schülern selbst „gebracht“? Wirkt sich die Hilfe für Andere doch immer auch auf den Helfer selbst aus. Die UWC-Ehemaligen sollten dies bei Frage 56 und 57 reflektieren. Auf die offen gestellten Fragen „Welche Fertigkeiten hast Du durch diesen ,Service’ erlernt, die Dir auch heute noch im sozialen Umgang mit Anderen hilfreich sind?“ und „Welche Persönlichkeitsmerkmale hat der ,Service’ im Rahmen des CAS-Programms bei Dir verändert?“ konnten jeweils drei Nennungen abgegeben werden. Von den insgesamt 52 Teilnehmern der Befragung antworteten 31 (60 %) auf Frage 56 und 28 (54 %) auf Frage 57. Die Ergebnisse aus Frage 56, die als Übergang zu der in diesem Rahmen als interessanter zu betrachtenden Frage 57 hinleitete, sind dem Anhang D zu entnehmen. An dieser Stelle werden die Ergebnisse von Frage 57 näher beleuchtet (die gegebenen Antworten sind ebenfalls in Anhang D einzeln aufgeführt). Aus den Antworten wurden Kategorien gebildet, die sich wie folgt benennen lassen:

760 In den 43 Antworten wurden 85 Angaben zu verschiedenen Diensten gemacht. Die Nennungen teilen sich wie folgt auf die einzelnen Personen auf: Einfach-Nennungen pro Person: 21; Zweifach-Nennungen pro Person: 8; Dreifach-Nennungen pro Person: 7; Vierfach-Nennungen pro Person: 3; Fünffach-Nennungen pro Person: 1; Sechsfach-Nennungen pro Person: 1. 761 Vgl. 2006 Atlantic College: „Inshore Lifeboat Service“. www.atlanticcollege.org/Page.aspx?pid=318 (Datum des Zugriffs: 12.4.2009). 5.4 Auswertung 185

Teamfähigkeit

Selbstvertrauen

Geduld

Sonstiges

Offenheit

Selbstbeobachtung

Empathie

Gelassenheit

Verantwortung

Selbstdisziplin

Risikobereitschaft

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Diagramm Frage 57 / Welche Persönlichkeitsmerkmale hat der „Service“ im Rahmen des CAS-Programms bei Dir verändert? (Bitte maximal drei Nennungen)

Am häufigsten zählten die Befragten Veränderungen auf, die sich unter der Kategorie „Teamfähigkeit“ zusammenfassen lassen. „Kompromissbereitschaft“, „Kommunikationsfähigkeit“ oder „Höhere Toleranz“ sind nur einige Beispiele der hier gegebenen Antworten. Die Schüler haben anscheinend die gemeinsame Sache angenommen und gelernt, „an einem Strang“ zu ziehen. Bereits in Salem forderte Kurt Hahn von seinen Schülern den Gemeinsinn (vgl. Kap. 2.2.3.1) und schloss sich später der Vision Lawrence Darvalls an, in den Atlantischen Internaten junge Menschen „durch Kameradschaft eines fordernen Gemeinschaftslebens miteinander zu verbrüdern“762. Gerade der Rettungsdienst verlangt nun ein Hand-in-Hand-Arbeiten der Helfer, um eine Notsituation erfolgreich zu bewältigen. „Vertrauen in die Arbeit anderer“, wie einer der Befragten formulierte, ist ebenso notwendig für das Erreichen des Ziels. Aber auch die anderen Dienste – ob Umweltdienst, handwerkliche Hilfe oder der schulinterne Dienst – machen ein Miteinander für eine gemeinsame Sache erlebbar.

Betrachtet man hier jedoch das vierte Element der Hahn’schen „Erlebnistherapie“, den Rettungsdienst, vor dem Hintergrund seines ursprünglichen Zwecks, nämlich als „Gegengift“ gegen den Verfall des Mitleids/Mitgefühls (vgl. Kap. 4.3.4), so ist festzustellen: Der von Hahn verwendete Begriff „Mitgefühl“ spiegelt sich in der vorliegenden Umfrage zwar am ehesten in der gebildeten Kategorie „Empathie“ wieder, allerdings wurden Antworten, die sich darunter sammeln lassen, nicht sehr häufig genannt (N=4). Lediglich ein Befragter nannte explizit „Mitgefühl“ als ein bei ihm durch den Service verändertes Persönlichkeitsmerkmal. Damit liegt der hier erhobene Wert für die soziale Kompetenz Empathie unter dem erwarteten Wert. Bei der Vorgabe von Antwortöglichkeiten wäre das Ergebnis eventuell anders ausgefallen.

762 HAHN zitiert in seinem Plan für die United World Colleges Lawrence Darvall: „»Wenn Duldsamkeit und menschliches Verstehen noch neue Wurzeln schlagen können bei reifen Männern von ganz verschiedenen Nationalitäten dank gemeinsamer Erlebnisse, wie viel hoffnungsvoller wäre die Aufgabe, werdende Menschen aus aller Welt in ihren empfänglichsten Jahren durch die Kameradschaft eines fordernden Gemeinschaftslebens miteinander zu verbrüdern?»“. K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 281. 5.4 Auswertung 186

Auch der Wert für Verantwortung, einem in der Hahn’schen Pädagogik herausragenden Lernziel (vgl. Kap. 2.2.3.1), schneidet mit nur vier Nennungen eher mittelmäßig ab.763

All diejenigen Befragten, deren Antworten in der Kategorie „Empathie“ zusammengetragen wurden, haben diverse Sozialdienste (zum Beispiel Arbeit auf einer Waisenstation oder Behindertenbetreuung) geleistet.

Obwohl nur fünf Antwortende bei Frage 55 angegeben hatten, einen Rettungsdienst absolviert zu haben, ist auch hier eine Tendenz zu erkennen: Drei der fünf Rettungsdienst-Absolventen hatten bei Frage 55 nur einen einzigen geleisteten Service („Lifeguard Service“) angegeben; die anderen zwei mehrere Dienste, unter anderem „First Aid Cover“ und „Feuerwehr“. Diese fünf UWC-Ehemaligen nannten nun bei Frage 57 veränderte Persönlichkeitsmerkmale, die sich in die Kategorien „Gelassenheit“ (N=1), „Risikobereitschaft“ (N=3), „Geduld“ (N=2) und „Selbstdisziplin“ (N=1) einordnen lassen – die fünfte Person (sie absolvierte den „Lifeguard Service“) hatte Frage 57 nicht beantwortet. Es zeichnet sich hier also eine erhöhte Risikobereitschaft unter den Rettungsdienst-Absolventen ab. Sie waren auch die Einzigen, die durch ihre Aussagen diese Kategorie „befüllten“.764

Des Weiteren ist zu bilanzieren: Nur die Kategorie „Offenheit“ beinhaltet noch (neben den Kategorien Teamfähigkeit, Empathie, Verantwortung) die Ausrichtung auf eine andere Person, setzt also den Fokus auf den Hilfsbedürftigen. Alle weiteren persönlichkeitsbestimmenden Attribute, die der Helfer bei sich durch den Service als verändert einschätzt, sind auf ihn selbst bezogen: Selbstvertrauen, -beobachtung, -disziplin, Geduld, Gelassenheit, Risikobereitschaft.

Inwieweit sich die Befragten im Laufe des CAS-Programms tatsächlich gefordert sahen und ob es Situationen gab, in denen sie sich nach ihrer Selbstwahrnehmung bewähren mussten, wurde mit Frage 58 ermittelt. Sahen sich also die Schüler selbst einmal in ihren Kenntnissen und Fähigkeiten auf den Prüfstand gestellt beziehungsweise wurden hier Grenzerfahrungen gemacht? Auch HAHN verwandte den Begriff der „Bewährung“. Der Stundenplan der Atlantischen Internate sollte nach seinem Plan

„(…) Betätigungen einschließen, die Initiative und Tatkraft verlangen, die Zähigkeit des Durchhaltens, Umsicht und Voraussicht üben: Durch Expeditionen in die Berge oder Fahrten auf hoher See in Segelschiffen. Wir wollen diese Kräfte planmäßig entwickeln und zum Einsatz in der Not der Mitmenschen bringen. Das kann am besten geschehen durch eine sorgsame Ausbildung in den verschiedenen Zweigen des Rettungsdienstes mit dem Ziel, die Jungen fähig zu machen, sich im Ernstfall zu bewähren, als Mitglieder der Feuerwehr, der Küstenwache oder der Bergwacht.“765

763 Verwiesen sei im Zusammenhang CAS-Programm/Dienste und Verantwortung auf die Fußnote 634. 764 Diejenigen, die einen Rettungsdienst leisteten, schätzten bei sich selbst folgende veränderte Persönlichkeitsmerkmale ein: Lifeguarding: 1. Nennung „Größere Gelassenheit“, 2. Nennung „Mehr Mut“; u.a. First aid cover: 1. „Bin eher bereit, Herausforderungen einzugehen“, 2. „Bin um einiges geduldiger geworden“; Lifeguard: 1. „Risikobereitschaft“, 2. „Ausdauer“; u.a. Feuerwehr: 1. „mehr Geduld“. (Die Persönlichkeitsmerkmale „Mehr Mut“, „Bin eher bereit, Herausforderungen einzugehen“ und „Risikobereitschaft“ wurden unter der Kategorie „Risikobereitschaft“ zusammengefasst.) 765 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 5.4 Auswertung 187

Insgesamt beteiligten sich 48 (92 %) der Ehemaligen an Frage 58: „War der ,Service’, den Du im CAS-Programm geleistet hast, eine echte Bewährungsprobe für Dich?“ Für sechs von ihnen (12 %) war es „immer“ eine echte Bewährungsprobe, für zehn von ihnen (21 %) „nie“. Die Mehrheit (N=32 / 67 %) sah sich „manchmal“ einer echten Bewährungsprobe ausgesetzt.

In welchen Situationen wurden nun die Schüler herausgefordert, sich zu bewähren? Gab es den von Hahn ins Visier genommenen Ernstfall?766 Diese Situation muss nicht nur authentisch wirken, sie muss den Anspruch der Ernsthaftigkeit/Authentizität auch erfüllen, um pädagogisch wirksam werden zu können.767 Die an Frage 58 anschließende Filterfrage sollten nur diejenigen beantworten, die sich beim Service immer oder manchmal einer echten Bewährungsprobe ausgesetzt gesehen hatten. Für diesen Fall sollten sie ein Beispiel nennen. Die gebildeten Kategorien fassen die Aussagen der 26 Antwortenden zusammen (die gegebenen Antworten sind im Einzelnen dem Anhang D zu entnehmen).

Die eindeutig meisten Nennungen (N=9 / 35%) entfallen auf Situationen, in denen die Schüler während ihres Services in direktem Kontakt mit alten oder behinderten Menschen sich seelisch herausgefordert fühlten. Beispielhaft sei hier folgende Aussage einer/-s Befragten genannt: „Es war nicht immer leicht, demente, alte Menschen oder aber behinderte kleine Kinder um mich herum zu haben. (…)“ Dagegen wurden Situationen, in denen es um körperliche Herausforderungen ging, zwar auch genannt (N=4 / 15 %), doch weitaus seltener. Es ist zu vermuten, dass diese – im Nachhinein – als nicht so belastend empfunden werden. Zudem kann angenommen werden, dass bei seelischen Herausforderungen ein Denkprozess angestoßen wurde, der nachhaltig gewirkt hatte und möglicherweise auch noch nicht abgeschlossen war.

Insgesamt fielen in den einzelnen Aussagen der Befragten Begriffe wie „herausfordernd“, „Herausforderung“, „Überwindung“, „Durchhalten“, „Nicht aufgeben“ – Begriffe, die deutlich machen, dass die Schüler mit Aufgaben konfrontiert wurden, die ihnen alles abverlangten und sie dazu motivierten, sich der Herausforderung zu stellen.768 Es wurde ihnen gleichsam zu Erlebnissen verholfen, in denen sie möglicherweise auch Grenzerfahrungen machten, die sie bis dahin noch nicht gemacht hatten. Diese Bewährung in der Herausforderung ist auch in der Hahn’schen Erlebnispädagogik zentral. So schrieb er:

„Es ist Vergewaltigung, Jugendliche in Meinungen hineinzuzwingen, aber es ist Verwahrlosung, ihnen nicht zu Erlebnissen zu verhelfen, durch die sie ihrer verborgenen Kräfte gewahr werden können.“769

Können die Dienste einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Schüler auch nach dem Schulbesuch sozial engagieren? Es sollte mit Frage 59 ermittelt werden, ob die Erfahrungen, die die Schüler im Laufe ihres UWC-

766 HAHN forderte, dass der Rettungsdienst „zu einer ernsten Wirklichkeit“ werden müsse, um die „menschliche Natur zu ihrer höchsten Dynamik“ zu bringen. K. Hahn: (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 284. 767 HAHN sah es als notwendig an, dass die Jugendlichen das Gefühl erlebten, gebraucht zu werden. 1952 schrieb er: „Wir müssen mehr als erziehen: wir müssen heilen. Ich empfehle die Erlebnistherapie – d.h. die Vermittlung von reinigenden Erfahrungen, die den ganzen Menschen fordern und der Jugend den Trost und die Befriedigung geben: Wir werden gebraucht.“ K. Hahn (1952): „Kurzschulen“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 275. 768 Kurt HAHN sprach in diesem Zusammenhang von „Zähigkeit des Duchhaltens“. Vgl. Fußnote 765. 769 K. Hahn (1938): „Ein Fitness-Abzeichen“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 241. 5.4 Auswertung 188

Aufenthaltes durch den Service gemacht hatten, einen derart nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatten, dass sie im Schüler den Wunsch weckten, sich auch weiterhin sozial zu engagieren, weil er das Gefühl gewonnen hatte, gebraucht zu werden und einen Dienst zu erbringen, der nützlich und notwendig war. Laut Abstimmungsverhalten unter den UWC-Ehemaligen ist dies gelungen. Auf die Frage „Wurdest Du durch den ,Service’ innerhalb des CAS-Programms am UWC motiviert, Dich auch weiterhin sozial zu engagieren?“ antworteten 48 UWC- Ehemalige wie folgt: Die Mehrheit (N=35 / 73 %) klickte „Ja“ an; diese Ehemaligen äußerten also, dass der Service sie zu weiterem sozialem Engagement angeregt habe. Immerhin antworteten aber auch 12 % (N=6) mit „Nein“, dazu nicht motiviert worden zu sein; 15 % (N=7) klickten die Antwortmöglichkeit „Keine Angaben“ an.

Die Mehrheit der Absolventen fühlt sich also – auch fernab eines schulischen Bewertungs-/Benotungssystems – angesprochen, sich für Andere/für die Gemeinschaft zu engagieren; zu dieser Überzeugung gelangten sie durch den Service, oder wurden durch den Service darin bestärkt. Das Ziel dieses CAS-Programmteils kann somit als erreicht angesehen werden (siehe dazu Kap. 4.2.1/Core requirements).

Das Ergebnis aus der folgenden Frage 60 („Für wie wichtig oder unwichtig hältst Du den ,Service’ im Ausbildungsrahmen des Internationalen Baccalaureate?“) ergibt sich entsprechend:

5 (unwichtig)

4

3

2

1 (sehr wichtig)

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Diagramm Frage 60 / Für wie wichtig oder unwichtig hältst Du den „Service“ im Ausbildungsrahmen des Internationalen Baccalaureate? (Bitte kreuze die entsprechende Zahl an)

Von den 48 Befragten, die auf diese Frage antworteten, betrachten 41 (85 %) den „Service“ im IB- Ausbildungsrahmen als „sehr wichtig“, nur ein Einziger (2 %) sieht ihn als „unwichtig“ an. Damit befürwortet die Mehrheit der Absolventen diesen IB-Teil, was für eine hohe Akzeptanz und Anerkennung seiner Lerninhalte spricht.

Diese Akzeptanz spiegelt sich auch im Ergebnis der darauffolgenden Frage 61 wider, die gleichzeitig einen Übergang zum fünften und damit letzten Themenblock herstellt. 5.4 Auswertung 189

Themenblock V: Vergleich mit dem deutschen Schulsystem (Frage 61-64)

In diesem Themenblock wird das deutsche Schulsystem in den Befragungskontext integriert. Es wurde ermittelt, wo Schnittmengen zu den United World Colleges bestehen und wo aus Sicht der UWC-Absolventen „nachgebessert“ werden könnte. Das heißt, worin könnte aus Sicht der Ehemaligen das UWC Modellcharakter für die deutsche Regelschule haben?

Zunächst wurde mit Frage 61 von Themenblock IV zu Themenblock V hingeleitet, wobei das im Fokus der Befragung stehende CAS-Element „Service“ erneut in den Mittelpunkt gerückt wurde. Die Frage „Meinst Du, dass ein ähnliches Angebot wie der ,Service’ aus dem CAS-Programm auch in der deutschen Regelschule angeboten werden sollte?“ wurde von den 47 Antwortenden mehrheitlich (N=40 / 85 %) mit einem eindeutigen „Ja, unbedingt“ beantwortet. Nicht ganz sicher („Ich weiß nicht“) war sich allerdings ein nicht zu vernachlässigender Teil von 9 % (N=4). Und immerhin 6 % (N=3) stimmten mit „Nein“; sie waren nicht für ein solches Angebot in der deutschen Regelschule. In diesem Zusammenhang wäre eine Ermittlung von Gründen sinnvoll gewesen.770 Eine grundsätzlich tendenzielle Einschätzung kann jedoch abgelesen werden: Es kann davon ausgegangen werden, dass diejenigen, die ein Service-Angebot in der deutschen Regelschule befürworten, in deren Lehrplan ein Defizit sehen, dieses Angebot also vermissen oder es zumindest als nützlich/wertvoll erachten. Ansonsten hätten sich die Ehemaligen nicht für die „unbedingte“ Aufnahme des Service ins Regelschul-Angebot ausgesprochen. Daraus ist zu folgern, dass ihrer Meinung nach auch kein anderes Schulangebot – zumindest keines, das sie kennengelernt haben – dieses Defizit auffängt beziehungsweise diesen Bedarf abdeckt. Das Erbegnis von Frage 61 bestärkt noch einmal das Ergebnis von Frage 60: Die Schüler sehen den Service als wichtig und modellhaft an.

Grundsätzlich ist von Interesse, worin die UWC-Ehemaligen Gemeinsamkeiten zu ihrer Schule in Deutschland, die sie zuvor besucht hatten, und dem UWC sehen beziehungsweise erlebten. Gibt es überhaupt Gemeinsamkeiten?

770 Eine/r der Befragten nahm in der folgenden Frage 62 die offene Antwortmöglichkeit wahr, sich zu Frage 61 zu äußern. Er/sie schrieb: „Ich fände es toll und äußerst wertvoll, wenn Schüler auch in Deutschland zu sozialem Engagement hingeführt würden, insbesondere da die Arbeit e.g. mit Behinderten sicherlich mehr Toleranz und Verständnis für andere und vielleicht auch einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert. Allerdings sehe ich vor Augen klar das Risiko, dass unmotivierte Schülermassen in die Altenheime und Kindergärten der Republik gezwungen werden und dort mehr Schaden als Nutzen verursachen.“ Die/der Befragte erachtet als Voraussetzung für die Einführung solcher Dienste in die Regelschule eine grundsätzliche Bereitschaft sozialen Engagements seitens der Schüler. Diese könne aber wohl nicht vorausgesetzt werden, sie/er spricht in diesem Zusammenhang von „unmotivierten Schülermassen“. 5.4 Auswertung 190

Es gibt überhaupt keine.

Es gibt sie in Folgendem:

0 5 10 15 20 25 30 35

Diagramm Frage 62 / Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen „Deinem“ Gymnasium in Deutschland und „Deinem“ UWC?

Knapp zwei Drittel (N=29 / 64 %) der 45 Befragten, die auf Frage 62 geantwortet haben, sehen Gemeinsamkeiten zwischen den beiden besuchten Schulen; gut ein Drittel (N=16 / 36 %) sieht überhaupt keine.

Worin diese Gemeinsamkeiten konkret gesehen werden, wurde mit der anschließenden Filterfrage erhoben771, an der sich 29 Ehemalige beteiligten. Die einzelnen Aussagen zu den gebildeten Kategorien befinden sich in Anhang D. Aus dem Ergebnis hervorzuheben sind vor allem vier Kategorien, die anhand der genannten Gemeinsamkeiten (45 Aspekte/Nennungen insgesamt) gebildet wurden: Die meisten Nennungen (N=7 / 16 % ) – neben der Kategorie „Sonstiges“ – entfielen auf die Kategorie „Großes Angebot an Aktivitäten“. Das große Angebot, mit dem auch die UWC aufwarten (vgl. Frage 53), kann die Schüler also nicht bewogen haben, sich für ein United World College beworben zu haben, da sich ihnen bereits an „ihrer“ deutschen Schule eine breite Palette bot.

Am unteren Rand dagegen rangieren die Kategorien „Förderung von sozialem Engagement“ und „Internationale Schülerschaft“ (je N=3 / 7 %). Gerade diese zwei stellen einen wesentlichen Lehrinhalt beziehungsweise ein besonderes Merkmal der United World Colleges dar. In diesen Beziehungen konnten die Schüler am UWC offensichtlich neue Erfahrungen und Erkenntnisse sammeln und fanden für ihre Interessen und Orientierung (soziales Engagement, internationale Orientierung) ein Angebot. Im mittleren Bereich der Umfragewerte (N=5 / 11 %) findet sich die Kategorie „Förderung von Toleranz / Verständigung“ – ebenfalls ein Hauptziel der UWC – wieder. So dürften zumindest diejenigen, deren Aussagen hierunter zu zählen sind, für Toleranz und Verständigung in gewissem Maße bereits an ihrer deutschen Schule sensibilisiert worden sein.

771 Allerdings ist an dieser Stelle auf einen Schwachpunkt der Fragestellung hinzuweisen. Die Frage lautete: „Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen ,Deinem’ Gymnasium in Deutschland und ,Deinem’ UWC?“ Zu Recht wurde seitens der ehemaligen Schüler darauf hingewiesen, dass nicht alle UWC-Schüler zuvor ein Gymnasium besucht hatten; es wurden in den Antworten unterschiedliche Schulformen genannt: Gymnasium, Internat, Privatschule, Internationale Schule, Gesamtschule. Insofern ist ein exakter Vergleich mit dem deutschen Gymnasium nicht möglich. Dagegen ist Frage 63 bezüglich der zuvor in Deutschland besuchten Schule offen gestellt. 5.4 Auswertung 191

Besonderes Interesse gilt dem Bild, das sich aus der nächsten Frage (Frage 63) abzeichnet. Schließlich zeigt es deutlich auf, was die UWC-Ehemaligen während ihres Aufenthaltes an „ihrem“ UWC beziehungsweise am UWC- Konzept im Allgemeinen zu schätzen gelernt haben. „Welche Elemente des Lebens und Lernens an einem UWC hättest Du Dir für Deine Schule in Deutschland gewünscht?“, lautete die Frage. Das Ergebnis zeigt zudem deutlich, was die Schüler als so wertvoll am UWC erfahren haben, dass sie das Nicht-Vorhandensein jener Aspekte an der deutschen Schule als Defizit ansehen.

An dieser Frage beteiligten sich 41 (79 %) der insgesamt 52 Befragten. Dabei konnten die UWC-Ehemaligen drei Nennungen abgeben, also drei Elemente nennen, die sie am UWC erlebt hatten und die sie sich auch für „ihre“ Schule in Deutschland gewünscht hätten. Auf die erste Nennung entfielen 41 Antworten, auf die zweite Nennung 39, und ein drittes Element benannten 26 Personen. Dies ergibt insgesamt 106 Nennungen. Aus den gegebenen Antworten (im Einzelnen aufgeführt sind sie dem Anhang D zu entnehmen) wurden Kategorien gebildet, die im folgenden Diagramm aufgelistet sind:

Lehrereinstellung / Lehrer-Schüler-Verhältnis *

Schülereinstellung *

CAS

Lehrplan / Anforderung

(Welt-)Offenheit / Internationalität *

Sonstiges

Schul- und Lebensraum Internat *

Gemeinschaftsgefühl *

Unterrichtsgestaltung

Politische Themen

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Diagramm Frage 63 / Welche Elemente des Lebens und Lernens an einem UWC hättest Du Dir für Deine Schule in Deutschland gewünscht? (Bitte maximal drei Nennungen)

Es ergibt sich aus den gegebenen Antworten eine ausgewogene Verteilung an „Elementen des Lebens an einem UWC“ (5 Kategorien; mit Sternchen markiert) und an „Elementen des Lernens an einem UWC“ (4 Kategorien). Unter die „Elemente des Lebens“ sind folgende Kategorien – die nur als Oberbegriffe zu verstehen sind – zu zählen: Lehrereinstellung/Lehrer-Schüler-Verhältnis, Schülereinstellung, (Welt-)Offenheit/Internationalität, Schul- und Lebensraum Internat, Gemeinschaftsgefühl. Zu den „Elementen des Lernens“ gehören: CAS, Lehrplan/Anforderung, Unterrichtsgestaltung, Politische Themen.

Die meisten Antworten sind der Kategorie „Lehrereinstellung/Lehrer-Schüler-Verhältnis“ zuzuordnen (N=19 / 18 %), von denen 9 Antworten auf eine positive Lehrereinstellung entfallen. In den Aussagen der ehemaligen UWC- Schüler finden sich hier die Adjektive „engagiert“, „interessiert“, „motivierend“ wieder – Eigenschaften von 5.4 Auswertung 192

UWC-Lehrern, die sich die Schüler auch bei Lehrern deutscher Schulen wünschen. Beispielhaft sei hier die Aussage einer/eines Befragten genannt, die der Kategorie „Lehrereinstellung“ zugeordnet wurde: „Die große Motivation durch Lehrer, die einem das Gefühl gaben, dass man erreichen könnte, was man wolle“. In Bezug auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis fallen Begriffe wie „Unterstützung“, „näherer/enger Kontakt“, „persönlich“ auf, die das an den UWC erlebte Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern beschreiben. So lautet beispielsweise eine der Antworten: „Enge Kooperation zwischen Lehrern und Schülern, Verständnis als Lernpartner, nicht Gegner“. Es bleibt festzuhalten, dass vor allem das gute Lehrer-Schüler-Verhältnis, das an den UWC aufgebaut und gepflegt wurde, unter den UWC-Ehemaligen sehr positiv in Erinnerung geblieben ist. Daraus ist zu folgern, dass sie das Lehr- und Lernklima an den UWC sehr schätzen. Dies bestätigt auch die Kategorie „Schülereinstellung“, unter der sich annähernd gleichviele Aussagen sammeln lassen (N=18 / 17 %). Die positiven Eigenschaften, die die Ehemaligen ihren Mitschülern attestieren, sind beispielsweise „Motivation“, „Verantwortung“, „Interesse“, „Engagement“, „Verständnis“, sogar „Hingabe“ wird genannt. So wird allgemein die positive Einstellung der Mit- /Schüler stark wahrgenommen. Diese Einstellung lässt sich zurückführen auf das Bewerber-Auswahlverfahren der nationalen Komitees (s. Kap. 2.6.3.1).

Als weiteres „Element des Lebens“ ist die Kategorie „(Welt)-Offenheit/Internationalität“ zu nennen, die mit 13 Nennungen (12 %) auch noch relativ stark vertreten ist und zu den Top 5-Wünschen zählt. Das bedeutet, dass das Konzept der Internationalität an den UWC aufgrund der hohen Zustimmung unter den Schülern eine hohe Wertigkeit für sie besitzt und entsprechend erfolgreich angewendet werden kann. So hätten sich die Befragten nach eigenen Angaben auch für ihre deutsche Schule zum Beispiel „mehr Offenheit gegenüber Fremdem“, eine „internationale Perspektive, große Vielfalt an Meinungen und Standpunkten“ oder „größere Weltoffenheit“ gewünscht – dies ist unter der Kategorie „(Welt-)Offenheit/Internationalität“ zusammengefasst.

Aspekte, die unter die zwei weiteren so genannten Lebens-Elemente-Kategorien „Schul- und Lebensraum Internat“ (N=7) und „Gemeinschaftsgefühl“ (N=6) fallen, sind den UWC-Ehemaligen ebenfalls wichtig. Die Vorzüge, die ein Internat bieten kann, heben die Befragten klar hervor, zum Beispiel mit Aussagen wie „Freunde zum Lernen und gemeinsamen Leben“ oder „außerschulische Aktivitäten, in die alle Schüler eingebunden werden (24hr run)“ oder „Schule als Lebens- und nicht nur Arbeitsraum, Bezug vom Schulischen zum Privaten“. Die ständige Involviertheit scheint die Schüler nicht belastet zu haben; im Gegenteil: sie schätzen diese. Da alle stets denselben Schul- und Lebensraum teilen, ist die Voraussetzung für ein sich entwickelndes Gemeinschaftsgefühl gegeben. Auch dies schätzen die Befragten an den UWC – und vermissten es an der deutschen Schule.

Unter den „Elementen des Lernens“ nimmt das CAS-Programm den ranghöchsten Platz in der Skala ein (N=15 / 14 %). Dies spricht für seine hohe Akzeptanz unter der Schülerschaft. Bemerkenswert ist vor allem, dass allein auf das CAS-Element Service 11 der 15 Nennungen entfallen. Somit wird der „Service“ gegenüber „Creativity“ und „Action“ eindeutig aufgewertet. Dieses Ergebnis deckt sich mit dem Abstimmungsverhalten zu Frage 61, bei der sich 85 % der Antwortenden dafür aussprechen, dass ein ähnliches Angebot wie der Service aus dem CAS- Programm auch in der deutschen Regelschule angeboten werden sollte. Das soziale Lernen sehen die Schüler also als wichtige Komponente im Lehrplan an. 5.5 Auswertung der Orientierungshypothesen 193

In der mit 13 Nennungen folgenden so genannten Lern-Elemente-Kategorie „Lehrplan/Anforderung“ befinden sich unterschiedliche Wünsche für die deutsche Schule, zum Beispiel: „Akademische Herausforderung“, „,Höheres’ Ziel der Schule“, „Bessere Schärfung von Verantwortungsbewusstsein in der Gesellschaft, Welt“, „Mehr Freiheit, Fächer nach Neigung zu wählen“, „Sprachenunterricht in der jeweiligen Sprache“, „Kreative Fächer wie Theater und Musik einbringen zu können“, „Mehr kritisches Hinterfragen der Gesellschaft und Herkunft von ,Wissen’“ oder „Die Verbindung zwischen Leben und Lernen, zu erfahren, dass das Gelernte auch nützlich/anwendbar ist. (…)“.

Konkreter einzugrenzen sind die Wünsche, die in die Kategorien „Unterrichtsgestaltung“ und „Politische Themen (in Schule/Unterricht)“ eingeordnet wurden. Diese zwei Kategorien rangieren allerdings am unteren Skalenende (je N=4 / 4 %). Das heißt, die sich hier wiederfindenden Aspekte wurden für die deutsche Schule am wenigsten gewünscht beziehungsweise dort vermisst. (Antworten, die unter die Kategorie „Unterrichtsgestaltung“ fallen, sind beispielsweise: „Offener und vielseitiger Unterricht“, „Selbstständigere, projektartige Arbeit in Schule und Ausarbeitung von Wissen“ oder „Kleine Lerngruppen. (…)“).

Unter der Kategorie „Sonstiges“ findet sich im Übrigen ein interessanter Aspekt, der hier zum ersten und auch einzigen Mal im Rahmen der Gesamtbefragung Erwähnung findet – und das auch erst als dritte Nennung: „Unabhängigkeit von Eltern“. Die Rolle der Eltern wurde in der vorliegenden Arbeit völlig ausgeblendet. Beispielsweise hätten die Eltern in Themenblock I in den offenen Antwortmöglichkeiten zu Frage 39 und/oder Frage 43 erwähnt werden können. Für nachfolgende Studien wäre der Aspekt „Eltern“ als ein Ansatz durchaus vorstellbar.

Mit der letzten Frage (Frage 64) „Würdest Du Dich als Schüler/-in noch einmal für einen Platz an einem UWC bewerben?“ sollte schließlich die allgemeine Zufriedenheit der Absolventen mit „ihrem“ United World College beziehungsweise mit dem UWC-Modell erhoben werden. Deutlicher hätte das Ergebnis nicht ausfallen können: Alle 47 (100 %) auf diese Frage Antwortenden kreuzten „Ja“ an. Von den insgesamt 52 an der Befragung teilgenommenen UWC-Ehemaligen enthielten sich somit fünf.

5.5 Auswertung der Orientierungshypothesen Ob die in Kapitel 5.1 aufgestellten Orientierungshypothesen durch die vorliegende Online-Befragung unter ehemaligen UWC-Schülern verifiziert werden konnten, wird kurz besprochen:

• „Zwischen den Motiven für einen UWC-Schulbesuch und der Annahme der dort angebotenen Lehr-/Lerninhalte besteht ein sehr enger Zusammenhang.“ (Siehe F39, F46)

Diese Hypothese konnte bestätigt werden. Die Vermutung beruht zunächst auf der Tatsache, dass von den UWC- Bewerbern bereits vor dem Eintritt in ein United World College die Identifikation mit den Zielen der Schulen erwartet wird (vgl. Kap. 2.6.3.1). Die Bewerber bekennen sich also vorab zum UWC Mission Statement („UWC macht Bildung zu einer Kraft, die Menschen, Nationen und Kulturen im Streben nach Frieden und einer nachhaltigen Zukunft verbindet.“). Die Annahme der an den UWC angebotenen Lehr-/Lerninhalte, die zu diesem übergeordneten Ziel führen sollen, kann beim Schüler also grundsätzlich vorausgesetzt werden. Die Befragungs- 5.5 Auswertung der Orientierungshypothesen 194

Ergebnisse über die Motive, warum sich die Befragten beim nationalen Komitee für die Aufnahme an einem UWC beworben haben (s. Frage 39 (F39)), sprechen dafür. Als primäre Gründe wurden von den deutschen UWC- Absolventen genannt: „die Welt und andere Kulturen kennenlernen“, „Freundschaften schließen mit Schülern anderer Nationen“, „Teil einer internationalen Gemeinschaft sein“. Die Verbindung zwischen Menschen, Nationen und Kulturen – wie sie im Mission Statement formuliert ist – steht also bei den Bewerbern an oberster Stelle. Selbst bei der freien Antwortmöglichkeit zu F39 gab die Mehrzahl der Antwortenden explizit das Motiv an, die UWC-Idee verwirklichen beziehungsweise die Ziele der UWC umsetzen zu wollen. Es kann somit insgesamt daraus gefolgert werden, dass Lehr-/Lerninhalte, die dem Motiv des Schülers entsprechen, von diesem angenommen werden. Für die Verifikation der ersten Hypothese spricht ein weiteres Ergebnis aus der vorliegenden Online-Befragung: Knapp 90 % der auf Frage 46 (F46) Antwortenden gab an, dass ihnen internationale Völkerverständigung bereits vor dem UWC-Schulbesuch wichtig war.

• „UWC-Schüler sind international orientiert.“ (Siehe F39, F63)

Die Formulierung dieser Hypothese lag auf der Hand. Sie konnte ebenfalls bestätigt werden. Dafür sprechen erneut die Befragungs-Ergebnisse aus Frage 39 (F39): Die Top-3-Motive für einen UWC-Besuch lassen sich unter dem Begriff der „internationalen Orientierung“ zusammenfassen. Als „international orientiert“ versteht die Verfasserin eine Person, die sich bewusst, aktiv und willentlich mit Denkweisen, Traditionen, Verhaltensmustern und dem Rollenverständnis anderer Kulturen/Länder als der/dem eigenen auseinandersetzt, um sie kennen- und verstehen zu lernen. Die oben ermittelten Top-3-Motive rangieren vor dem Motiv der anspruchsvollen und vielseitigen Schulausbildung. Außerdem zählt „(Welt-)Offenheit/Internationalität“ zu einem der fünf Top- „Elemente des Lebens und Lernens“ an einem UWC, die sich die Befragten auch für „ihre“ Schule in Deutschland gewünscht hätten (s. F63).

Aufgrund der Befragungs-Ergebnisse aus Frage 40 (F40) kann die zweite Hypothese noch wie folgt erweitert werden: „Die UWC werden den international orientierten Schülern gerecht.“ Dafür spricht, dass die Zahl der UWC-Absolventen, deren Erwartungen erfüllt (N=22 / 42 % der Antwortenden) beziehungsweise sogar übertroffen wurden (N=19 / 37 %), mit insgesamt 79 % hoch ist. Und dafür spricht, dass alle (N= 47 / 100 %) auf Frage 64 (F64) Antwortenden sich noch einmal für einen Platz an einem UWC bewerben würden. Also müssen die UWC den Interessen der Schüler gerecht geworden sein und die Erwartungen der Schüler erfüllt haben.

• „Die United World Colleges fördern durch ihre spezifische Internatform die internationale Verständigung.“ (Siehe F43, F46, F47, F48)

Die Hypothese konnte verifiziert werden. Begründung: Das United World College bildet als Internat für zwei Jahre einen klar definierten Lern- und Erfahrungsraum für Schüler, die hier mit Gleichaltrigen aus vielen verschiedenen Ländern der Welt zusammenleben. Die 3-/4-Nationen-Zimmer, in denen die Schüler untergebracht sind, stellen ein entscheidendes Charakteristikum der UWC dar (vgl. Kap. 3.2.2). Die Mehrheit der auf Frage 47 (F47) Antwortenden nannte als ausschlaggebenden Faktor für die Entstehung vieler persönlicher internationaler Freundschaften am UWC denn auch ein „extrem enges Zusammenleben/Internatsleben“. Insgesamt wird das Gemeinsame (vom gemeinsamen Arbeiten/Lernen über gemeinsame Erfahrungen bis hin zu gemeinsamen 5.5 Auswertung der Orientierungshypothesen 195

Problemen) von den ehemaligen Schülern als entscheidend für die Entstehung vieler persönlicher internationaler Freundschaften herausgestellt. Folgendes Zitat aus den Antworten der Befragten verdeutlicht dies: „Die Tatsache, dass man sein Leben rund um die Uhr teilt.“772 Internationale Verständigung ist auf dem begrenzten Raum für ein funktionierendes, harmonisches Zusammenleben nicht nur notwendig und erfolgt täglich auf engstem (Schul- /Privat-)Raum. Sie kann im Internat – vereinfacht formuliert – wie in einer „verkleinerten Welt“ auch geübt werden. Der Schüler kann während der Schulzeit aus diesem Raum nicht heraustreten und sich der Atmosphäre entziehen. Nach den Ergebnissen von F39 liegt ihm dies allerdings auch fern, denn gerade „Freundschaften schließen mit Schülern anderer Nationen“ ist eines seiner Hauptmotive für den Besuch eines UWC.

Die Ergebnisse aus Frage 43 (F43) untermauern diese dritte Hypothese: Die meisten Befragten schätzen auf der Ratingskala ihre persönliche Weiterentwicklung während der Zeit am UWC vor allem in Bezug auf „mehr Toleranz, Respekt und Verständnis gegenüber anderen Kulturen“ ein, welche als entscheidende Voraussetzungen für eine internationale Verständigung angesehen werden können. Auch bei der hier freien Antwortmöglichkeit konnte als Eigenschaft „Reflexion global/zwischenmenschlich“ als dominierende Kategorie in Bezug auf die persönliche Weiterentwicklung gebildet werden. Das bedeutet, dass die Schüler durch gegenseitiges Kennenlernen und permanenten Dialog zur Reflexion angeregt wurden.

Bei all dem ist festzuhalten, dass die UWC multikulturelle Erfahrungen nicht nur als multinational besetztes Internat ermöglichen, sondern dass sie auch durch die „Dienste“/Services im lokalen Umfeld der Schule den direkten zwischenmenschlichen Austausch mit der Bevölkerung herbeiführen.

Im Übrigen gab keiner der UWC-Absolventen in der Befragung (F46) an, dass das Anliegen der internationalen Völkerverständigung während seines UWC-Schulbesuches nicht entwickelt worden sei. Für 88 % der Antwortenden war internationale Völkerverständigung aber schon vor dem Eintritt ins UWC wichtig; nur bei 12 % wurde dieses Anliegen nach eigenem Bekunden erst im Laufe des UWC-Schulbesuchs entwickelt.

Das Abstimmungsverhalten zu Frage 48 (F48) trägt schließlich ebenfalls zur Untermauerung der oben formulierten dritten Hypothese bei: 73 % der Antwortenden stimmten „vollkommen“ der Aussage zu: „Das Leben und Lernen an einem UWC trägt zu aktiven Fortschritten in internationaler Völkerverständigung bei“. Das heißt demnach, die UWC fördern diese.

• „UWC-Schüler sind global politisch interessiert. Dieses Interesse wird an den UWC verstärkt.“ (Siehe F44)

Da das oberste Anliegen der UWC eben auch als ein politisches angesehen werden kann, ist zu vermuten, dass auch die Schüler politisch interessiert sind – ansonsten hätten sie sich nicht für ein UWC beworben. Die Antworten der in der vorliegenden Studie Befragten bestätigen dies. Zwei Drittel (N=36 / 72%) der Antwortenden auf Frage 44 (F44) gaben an, dass sich ihr Interesse an globalen politischen Zusammenhängen durch den Besuch des UWC noch verstärkt habe. Dieses Interesse bestand also bereits vor Schuleintritt. Bei weiteren 18 % (N=9) war es laut Selbsteinschätzung bereits vor dem Schulbesuch hoch (und das sei auch so geblieben). Insgesamt gaben 40 Antwortende (80%) an, dass das Interesse noch verstärkt (N=36) beziehungsweise an den UWC geweckt

772 Siehe Anhang D, Frage 47, Kategorie „Extrem enges Zusammenleben/Internatsleben“. 5.5 Auswertung der Orientierungshypothesen 196

(N=4) wurde – in jedem Fall fand bei diesen insgesamt 80 % eine Veränderung (Verstärkung beziehungsweise Anstoß) des Interesses statt.

• „Die UWC fördern unter der internationalen Schülerschaft das Erkennen und Annehmen von kulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten.“ (Siehe F50)

Zur Verifizierung dieser Hypothese können die Ergebnisse aus den Fragen 49 (F49) und 50 (F50) herangezogen werden. Kulturelle Zusammenhänge wurden von 34 % „ein bisschen besser“ und von 64 %, also der Mehrheit, „auf jeden Fall“ nun besser verstanden als vor dem Besuch eines UWC (F49). Bei Frage 50 gaben 90 % der Antwortenden an, sich der eigenen Kultur und der eigenen kulturellen Prägung bewusster geworden zu sein, das heißt, sie haben am UWC ihre Kultur und kulturellen Wurzeln durch den Vergleich mit Schülern anderer Nationen erlebt und bewusster wahrgenommen. Somit haben sie gelernt, kulturelle Differenzen zu erkennen. 52 % erklärten, „die kulturellen Unterschiedlichkeiten noch deutlicher als eine Bereicherung für unsere Gesellschaft“ anzusehen – das heißt, die Schüler nehmen diese Unterschiedlichkeiten an und schätzen sie. Hier besteht allerdings „nur“ ein Prozentsatz von 52, was unter der erwarteten Ausprägung liegt.

• „Die sozialen Dienste werden von den Schülern als UWC-Kernelement angenommen.“ (Siehe F 41, F53, F 60, F61, F63)

An die Stelle der von Hahn ursprünglich und vor allem vorgesehenen Rettungsdienste ist vornehmlich – vom Atlantic College in England abgesehen – der Sozialdienst in unterschiedlichen Facetten gerückt (siehe F55 / vgl. Kap. 4.3.4).

Dass die Schüler diese Dienste als etwas Besonderes erlebt haben und diese schätzen, belegen die Untersuchungsergebnisse: So hätten sich die UWC-Ehemaligen im Rückblick auf ihre Schulzeit von allen Angeboten im Rahmen der Schulausbildung am UWC am liebsten mehr Zeit für das CAS-Element „Service“ gewünscht (F41). Dies spricht für eine sehr hohe Akzeptanz des „Service“.

Ebenfalls sticht der „Service“ unter den Top-3 im Ergebnis bei der Frage 53 (F53) hervor. Hier sollten die UWC- Ehemaligen äußern, was ihnen speziell am CAS-Programm gefallen habe.

Und schließlich bestätigt auch das Ergebnis aus Frage 63 (F63) die oben formulierte sechste Hypothese. Dem Ergebnis zufolge hätten sich die UWC-Absolventen vor allem das CAS-Programm auch für ihre deutsche Schule als Lernelement gewünscht. Allein 11 der 15 Nennungen, die hier unter die gebildete Kategorie „CAS-Programm“ fallen, beziehen sich auf das CAS-Element „Service“, was bedeutet, dass der Service bei den Schülern einen erhöhten Status noch vor den Elementen „Action“ und „Creativity“ genießt.

Als maßgeblich für die Verifizierung der sechsten Hypothese kann schließlich das Ergebnis von Frage 60 (F60) herangezogen werden: 85 % der Antwortenden (N=41) bewerteten den „Service“ im Ausbildungsrahmen des International Baccalaureate als „sehr wichtig“. Die Dienste haben für sie also einen hohen Stellenwert. Sie befürworten und schätzen den Service. Und zwar allgemein, das heißt, nicht nur im Rahmen der UWC- Ausbildung, sondern die UWC-Ehemaligen befürworten durchaus auch ein ähnliches Service-Angebot in der 5.5 Auswertung der Orientierungshypothesen 197 deutschen Regelschule (siehe F61). Dies spricht erneut für eine hohe Akzeptanz und Anerkennung der Service- Lerninhalte.

Aus den Untersuchungsergebnissen ist eine weitere Annahme zu folgern: „Die UWC fördern die soziale Motivation der Schüler.“ Dass die Schüler sozial motiviert sind, kann aus den vorangegangenen Ergebnissen aus F41, F53 und F63 geschlossen werden: Der Service spricht die Schüler und ihre soziale Motivation an, sonst hätten sie den Service nicht entsprechend hervorgehoben. Vor allem steht das Ergebnis von F59 für die Bestätigung dieser These: Dass der Service auf einen „guten Nährboden“ traf, zeigt das Abstimmungsverhalten bei Frage 59 (F59): 73 % der Antwortenden (N=35) wurden durch den Service innerhalb des CAS-Programms am UWC motiviert, sich auch weiterhin sozial zu engagieren.

• „Das CAS-Programm an den UWC fördert den Kontakt zum Gastland und kommt den international-orientierten Schülern entgegen.“ (Siehe F41, F52, F53)

Durch die Möglichkeit, an sozialen Projekten teilzunehmen oder soziale Aufgaben im Umfeld der Schule wahrzunehmen, wird der Kontakt zwischen Schülern und lokaler Bevölkerung zunächst hergestellt. Insgesamt 87 % der Antwortenden auf Frage 52 (F52) gaben an, durch das CAS-Programm einen Einblick – „kleinen Einblick“ = 52 %, „tiefen Einblick“ = 35 % – in das Gastland, seine Kultur und seine Menschen bekommen zu haben. Am CAS-Programm hat den Schülern gleichrangig besonders das Element „Service“ sowie der „Kontakt zu Menschen des Gastlandes“ gefallen (siehe F53). Diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu Menschen eines anderen/fremden Kulturkreises kommt den Schülern anscheinend entgegen. Dies erklärt möglicherweise auch, warum der Service von den Schülern so gut angenommen wird (siehe sechste Orientierungshypothese). Ein weiteres Studienergebnis spricht für die Bestätigung der siebten Hypothese: Sowohl für das „CAS-Element Service“ als auch für Angebote „Rund um das Gastland und seine Menschen“ hätten sich die Befragten im Rahmen der UWC-Schulausbildung noch mehr Zeit gewünscht. Beide Wünsche standen bei den Ehemaligen an Position 1 und 2 der Wunschliste (siehe F41). Das bedeutet, dass die Schüler von beiden Aspekten sehr stark angesprochen wurden. Ihr diesbezügliches Engagement wäre bei mehr Zeit noch über den geforderten Rahmen hinausgegangen.

• „Die „Services“, die Dienste im Rahmen des CAS-Programms, an den UWC fördern das Mitgefühl des Schülers.“ ( Siehe F57, F58)

Betrachtet man den Ansatz des Rettungsdienstes (Ursprung des CAS-Elements „Service“) im Konzept der Hahn’schen Erlebnistherapie – nämlich eingesetzt als „Gegengift“ gegen den „Verfall des Mitgefühls“ oder der Gefühlskälte (vgl. Kap. 4.3.4) – , so ist festzuhalten, dass sich dieses von Kurt Hahn angesteuerte Mitgefühl in den Aussagen der UWC-Absolventen nicht entscheidend widerspiegelt (s. F57: Es konnten nur vier Aussagen unter der gebildeten Kategorie „Empathie“ zusammengefasst werden; hierunter fällt auch die einzige explizite Nennung „Mitgefühl“). Möglicherweise wäre bei gleicher Fragestellung (F57: „Welche Persönlichkeitsmerkmale hat der Service im Rahmen des CAS-Programms bei Dir verändert?“) aber mit vorgegebenen Items – zum Beispiel durch das Item „Mitgefühl“ – ein anderes Ergebnis erzielt worden, als bei der hier offen gestellten Frage. 5.5 Auswertung der Orientierungshypothesen 198

Festzuhalten bleibt aber, dass vor allem anderen gerade die „Arbeit mit alten oder behinderten Menschen“ die Schüler auf eine Bewährungsprobe stellte (s. F58), wie die Schüler selbst angaben. Hier ging es in erster Linie um eine psychische Herausforderung, die sie zu bewältigen hatten. Bei diesen sozialen Diensten – ob im Waisenhaus oder im Altersheim – bedarf es eines hohen Maßes an sozialer Kompetenz, zu der auch die Empathie (Mitgefühl beziehungsweise Einfühlungsvermögen) zählt. So kann daraus geschlossen werden, dass das Empfinden der Schüler in dieser Hinsicht auf jeden Fall angesprochen wurde. Möglicherweise sehen sie diese Disposition als selbstverständlich an und haben das Mitgefühl/die Empathie deshalb zum überwiegenden Teil nicht explizit in ihren Antworten zu F57 genannt. 6.1 Beginn und Ausrichtung Internationaler Schulen 199

6 Die United World Colleges im Kontext Internationaler Schulen Die United World Colleges (UWC) stehen mit ihrer internationalen Ausrichtung in der weltweiten Schullandschaft bei weitem nicht allein. In der Darstellung der Entwicklung des International Baccalaureate (s. Kapitel 4.1.2) wurde dies bereits deutlich. In diesem Kapitel werden die UWC in den Kontext Internationaler Schulen gestellt. Dabei steht die internationale Schullandschaft in Deutschland im Fokus.

Die Ausführungen stehen unter folgenden Haupt-Fragestellungen:

• „In Deutschland gibt es kein UWC. Kommen auch in deutschen Internationalen Schulen die Hahn’schen Ideen, die an den UWC Anwendung finden, vor?“ und

• „Inwieweit sind Parallelen und Differenzen zwischen den UWC und einer Internationalen Schule in Deutschland erkennbar?“.

Nach einem kurzen historischen Abriss zur Entwicklungsgeschichte Internationaler Schulen im Allgemeinen sowie einem groben Überblick über Internationale Schulen in Deutschland werden die obigen Fragestellungen behandelt. Anhand des Beispiels der Internationalen Schule Düsseldorf e. V. werden Differenzen und Parallelen zu den United World Colleges aufgezeigt.

6.1 Beginn und Ausrichtung Internationaler Schulen Das Aufkommen der UWC-Bewegung setzte zu einer Zeit ein, in der sich überstaatliche Strukturen etablierten (zum Beispiel mit der Gründung der NATO/North Atlantic Treaty Organization 1949 oder der EWG/Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 1957), in der sich Staaten also untereinander vernetzten. Einerseits wurde diese Entwicklung durch Individuen vorangetrieben, andererseits müssen diese auf die Effekte reagieren. Im Bildungsbereich setzten und setzen hier die Internationalen Schulen an, die somit eine Reaktion auf den gesellschaftlichen Wandel darstellen773. So wuchs die Zahl der beruflich bedingt774 (hoch-) mobilen Familien. Entsprechend kommt auch KOHL zu der Feststellung, dass die globale Entwicklung die Entstehung neuer Schulformen, „die geeignet sind, den Bedürfnissen einer häufig den Wohnort wechselnder, multinationalen Schülerschaft Rechnung zu tragen“775, begünstigt habe. RENAUD benennt die 1950er-Jahre als die Zeit, ab der die Zahl der mobilen Familien stieg:

773 RÖHRS bewertet die internationalen Schulen als mittlerweile „unverzichtbar“: „In unserer zunehmend internationalisierten Lebenswelt sind die internationalen Schulen schon lange zu unverzichtbaren Einrichtungen geworden.“ H. Röhrs: Die Einheit Europas und die Sicherung des Weltfriedens (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, Bd. 36. Hg. v. V. Lenhart und H. Röhrs). Frankfurt 1992, S. 149. 774 KOHL nennt neben den beruflich bedingt hochmobilen Familien eine zweite Gruppe, die vom Problem der Austauschbarkeit der Bildungsgänge und -abschlüsse aufgrund zunehmender Internationalisierung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Beziehungen betroffen ist: „(…) Familien, die aus politischen Gründen ihr Heimatland verlassen mußten und daher gezwungen sind, sich in einem anderen Kulturkreis eine neue Existenz aufzubauen.“ G. Kohl: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 271. 775 G. Kohl: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 271. 6.1 Beginn und Ausrichtung Internationaler Schulen 200

„In the fifties (…) it was essentially to meet the needs of the increasing number of mobile families. This phenomenon of mobility had developed considerably since the Second World War (…).“776

Um nun Kindern aus mobilen Familien auf ihrem Weg durch die Welt einen oder mehrere Schulwechsel zu erleichtern, wurden verstärkt Internationale Schulen gegründet (dass bereits international ausgerichtete Schulen existierten, zeigt nicht zuletzt das Beispiel der „International School of Geneva“/„École Internationale de Genève/Ecolint; gegründet 1924777). Die meisten von ihnen wurden – so erinnert RENAUD in Bezug auf die Nachkriegszeit – von Eltern gegründet, „who had failed to find in the host country conditions of schooling corresponding to their children’s needs, or at least not without considerable disadvantage.“778 So stellt PETERSON rückblickend fest, dass die internationale Gemeinschaft und echte Internationale Schulen ein Phänomen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind.779

Die Bündelung der Interessen Internationaler Schulen übernahm die International Schools Association (ISA). Sie wurde Anfang der 1950er-Jahre mit Hauptsitz in Genf gegründet (s. Kap. 4.1.2). Dabei übernahm die International School of Geneva/„Ecolint“ die Führung –, um laut PETERSON „to help the growing number of international schools, all over the world, with their common problems.“780 Eines der dringlichsten Probleme war die Universitäts-Vorbereitung der älteren Schüler und damit die Einrichtung einer internationalen Hochschulreife. KOHL konkretisiert den Grund für die Entstehung der ISA:

„Mit dem sprunghaften Anwachsen der Schulgründungen und der Schülerzahlen in den Internationalen Schulen entstand das Bedürfnis nach übergeordneten Organisationsstrukturen, um Erfahrungen austauschen und curriculare Neuentwicklungen einander zugänglich machen zu können.“781

Drei Ziele trieben die international orientierten Schulen, auf die die ISA zurückgeht, laut ihren Angaben an: gegenseitige Beratung in gemeinsamen Problemen und Bedürfnissen, Beitrag zu internationalem Verständnis und Frieden sowie Entwicklung von gemeinsamem Curriculum und weltweit anerkannten Abschluss-Standards.782

Schließlich wurde das Ziel der Einführung des International Baccalaureate erreicht: „(…) it was ISA that launched the International Baccalaureate in the 1960s.“783 RENAUD hebt vor allem das allgemeine erzieherische Ziel der

776 G. Renaud: „The International Schools Association (ISA): historical and philosophical background“. In: P. L. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 6. 777 Vgl. Fußnote 546. 778 G. Renaud: „The International Schools Association (ISA): historical and philosophical background“. In: P. L. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 6. 779 A. D. C. Peterson: „The ‘international community’ and genuinely ‘international schools’ are a phenomenon of the second half of this [20.; Anm. d. Verf.] century.” A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 16. (Die erste Auflage erschien 1987.) 780 A. D. C. Peterson: „The Founding of the International Baccalaureate“. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 15. 781 G. Kohl: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 280. 782 Vgl.: ISA (1985): „Background information“. In: ISA: An international curriculum. Its development and content. Report der USA-Konferenz 1985, Massachusetts, USA. Genf 1985, S. 4. 783 ISA (1985): „Foreword and acknowledgements“. In: ISA: An international curriculum. Its development and content. Report der USA-Konferenz 1985, Massachusetts, USA. Genf 1985, S. 3. Vgl. dazu auch Kap. 4.1.2. 6.1 Beginn und Ausrichtung Internationaler Schulen 201

ISA hervor, nämlich „to foster international understandig“784. Darin sieht auch die ISA selbst vorrangig ihren Auftrag (s. Fußnote 790). In ihrem Leitspruch zählt die ISA folgende Werte auf, für die sie eintritt: „peace, freedom, equality, tolerance and the celebration of both diversity and similarity“785.

6.1.1 Zur Begriffsbestimmung „Internationale Schule“ Es gibt mehrere Merkmale, anhand derer sich eine Internationale Schule als solche ausweist.

VOGEL beispielsweise definiert „Internationale Schulen“ wie folgt:

„Internationale Schulen sind nichtstaatliche, allgemeinbildende Schulen, die sich zur Aufgabe machen, ausländische Schüler, die sich vorübergehend im Sitzland aufhalten, im Rahmen eines weltweit ähnlichen Bildungsganges zum ,International Baccalaureate’ (und gegebenenfalls anderen Abschlüssen) zu führen.“786

KOHL konkretisiert den Begriff der voll entwickelten Internationalen Schule, da sie „untereinander oft recht große Strukturunterschiede“787 aufgrund ihrer jeweiligen Entstehungsgeschichte aufwiesen. So definiert sie:

„A fully developed International School is defined as a school with a multicultural and multinational body of students as well as teachers, offering an international curriculum (preferably the International Baccalaureate) or at least two national curricula and diplomas and an extensive foreign language program and which has adopted international values as their philosophy.”788

In beiden obigen Definitionen ist das International Baccalaureate (IB) erwähnt. Das IB gibt damit den einheitlichen Rahmen vor, durch den für den Schüler ein Schulwechsel während der Schulzeit möglich ist, ohne von nationalen Lehrplänen abhängig zu sein und Lernstoff-Defizite durch einen Schulwechsel riskieren zu müssen. Zugleich garantiert das IB-Diplom als international anerkannte Hochschulzugangsberechtigung dem Schüler nach erfolgreichem Schulabschluss die weitere gewünschte Freiheit in Bezug auf die Universitätswahl weltweit. Das IB-Diplom dürfte daher der zumeist angestrebte, präferierte Schulabschluss sein. Beim Stand vom 5.11.2009 gibt die International Baccalaureate Organization (IBO) auf ihrer Homepage insgesamt 2007 IB World Schools an, die das Diploma Programme anbieten.789 (Zu den IB World Schools zählen diejenigen Schulen, die

784 G. Renaud: „The International Schools Association (ISA): historical and philosophical background“. In: P. L. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 7. 785 2001-2007 ISA and its licensors: „Mission Statement“. www.isaschools.org/index.php?option=com_content&task=view&id=92&Itemid=86 (Datum des Zugriffs: 15.9.2008). 786 J. P. Vogel: „Die rechtliche Stellung der Internationalen Schulen in der Bundesrepublik Deutschland“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 351. Die freie Enzyklopädie Wikipedia nennt unter dem Begriff „Internationale Schule“ eine weitere Gruppe von Schülern, an die sich die internationalen Schulen richten: „(…) interessierte, im Stammland beheimatete Schüler (…).“ Weiter heißt es hier über Status und Bildungsabschluss bezogen auf den Standort Deutschland: „Die Schulen sind meist in privater Trägerschaft. Die internationalen Schulen vergeben keine deutschen Bildungsabschlüsse.“ Wikipedia, die freie Enzyklopädie: „Internationale Schule“. http://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Schule (Datum des Zugriffs: 15.9.2008). 787 G. Kohl: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 272. 788 G. Kohl: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. Summary. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 271. 789 International Baccalaureate Organization, 2005-2009: „Find an IB World School”. www. ibo.org/facts/schoolstats/progsbycountry.cfm? text_size=1 (Datum des Zugriffs: 5.11.2009). 6.1 Beginn und Ausrichtung Internationaler Schulen 202 ein oder mehrere IBO-Programme anbieten, vgl. Kap. 4.1.4). Auch die United World Colleges – mit Ausnahme des Simón Bolívar UWC of Agriculture/Venezuela – gehören zu den IB World Schools.

In Kohls obiger Definition für „Internationale Schule“ ist außerdem eine international zusammengesetzte Lehrerschaft erwähnt sowie die Verpflichtung gegenüber internationalen Werthaltungen. An letzteren Aspekt anknüpfend sei hier der Auftrag genannt, den sich die International Schools Association (ISA) selbst an die erste Stelle gesetzt hat: „To further world peace and international understanding through education.“790

Die Förderung des Weltfriedens und der internationalen Verständigung durch Erziehung haben sich ebenfalls die United World Colleges auf ihre Fahnen geschrieben. Sie bringen es ebenfalls explizit in ihrem Mission Statement zum Ausdruck:

„UWC makes education a force to unite people, nations and cultures for peace and a sustainable future.“791

Nach obiger Kohl’scher Definition zählen also auch die United World Colleges nicht zuletzt aufgrund des letztgenannten Merkmals zu den Internationalen Schulen. Dabei zeichnen sich nach KOHL gerade die UWC durch eine „bewusst international geprägte Weltanschauung“ aus, wie aus ihrem nachfolgend zitierten Überblick hervorgeht. In diesem Überblick nennt sie weitere Schulformen, die internationale Aspekte aufweisen. KOHL, die obige Kriterien für eine Internationale Schule aufstellt (vgl. Fußnote 788), plädiert dafür, jene Schulen, die diesen Kriterien nicht voll entsprechen, als „Schulformen mit internationalen Aspekten“792 zu bezeichnen.

KOHL gibt folgenden Überblick mit „Erscheinungsformen von Internationalen Schulen und Schulformen mit internationalen Aspekten“:

„Die wichtigste Gruppe Internationaler Schulen bilden Schulen, die der oben aufgeführten Definition [siehe Fußnote 793; Anm. d. Verf.] voll entsprechen. In Deutschland sind dies die Internationalen Schulen in Düsseldorf, (…). (…) Als weitere, für die Entwicklung der Internationalen Schulen richtungsweisende Gruppe sind Schulen zu nennen, die eine bewußt international geprägte Weltanschauung vertreten. Dazu gehören vor allem die ,United World Colleges’ (UWC). (…) Die Schüler und Schülerinnen werden aufgrund einer anspruchsvollen Eingangsprüfung und einer umfassenden Begutachtung ausgewählt. (…) Eine nächste Gruppe umfasst Privatschulen, die entweder als gemeinnützige Stiftung oder eindeutig gewinnorientiert betrieben werden und internationale Aspekte in ihre Konzeption integrieren. (…) Die Gruppe der nationalen Auslandsschulen (Overseas Schools) umfaßt eine Vielfalt von

790 2001-2007 ISA and its licensors: „Mission Objectives“. www.isaschools.org/index.php?option=com_content&task=view&id=47&Itemid=85 (Datum des Zugriffs: 15.9.2008). 791 2007 United World Colleges (International): „Mission & Vision“. www.uwc.org/about_us/mission_and_vision (Datum des Zugriffs: 21.9.2008). Vgl. Fußnote 400 und 431. 792 G. Kohl: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 274. 793 KOHL definiert: „Unter einer Internationalen Schule im engeren Sinn soll (…) eine Schule verstanden werden, deren Lehrer- und Schülerschaft mehreren Nationalitäten angehört, die ein umfangreiches, intensives Fremdsprachenprogramm vorsieht, mindestens zwei nationale Curricula samt den dazugehörigen Abschlüssen oder ein internationales Curriculum (z.B. das Internationale Bakkalaureat Programm) anbietet, in ideologischer und politischer Hinsicht unabhängig ist und sich den internationalen Werthaltungen verpflichtet fühlt (…).“ Aus: G. Kohl: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 273 f. 6.1 Beginn und Ausrichtung Internationaler Schulen 203

Schulgründungen, denen gemeinsam ist, daß sie primär für die schulische Versorgung bestimmter Nationalitäten im Ausland gedacht sind. Zu nennen sind die Deutschen Schulen (…) u.v.a.m. . (…) Eine Sonderform der Auslandsschulen sind die Botschaftsschulen, die von den diplomatischen Vertretungen für ihre Angehörigen unterhalten werden und in der Regel auch internationale Aspekte aufweisen. (…) Als weitere Sondergruppe von Auslandsschulen sind die Armeeschulen (Army Schools) zu nennen. Sie sind jedoch meist nationale Auslandsschulen für Kinder von Armeeangehörigen ohne internationalen Charakter (…). (…) Nationale Schulen mit internationalen Ergänzungsprogrammen sind dadurch bestimmt, dass zwar internationale curriculare Bestandteile in das Lehrangebot aufgenommen oder internationale Abschlüsse wie z.B. das IB angeboten werden, die Schulen sich aber in erster Linie einem bestimmten nationalen System verpflichtet fühlen. (…) In diese Gruppe sind auch die UNESCO-Projektschulen (früher: UNESCO-Modellschulen) einzuordnen. (…) Eine eigene Gruppe bilden die (…) Europaschulen, die in erster Linie für die Kinder der Migliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft errichtet wurden. (…) Auch die Bildungsziele sind (…) eindeutig europäisch definiert. (…) Die nächste Gruppe bilden die Bilingualen Schulen bzw. Bikulturellen Schulen. Gelegentlich finden sich auch trilinguale Schulen, die sich ausdrücklich zwei bzw. drei Sprach- und Kultursystemen verpflichtet fühlen. (…) Eine Gruppe eigener Prägung sind die Firmenschulen (Company Schools), die von großen Konzernen für ihre multinationalen Firmenangehörigen errichtet werden. (…) Eine letzte Gruppe bilden die Missionsschulen (…).“794

Kohl erklärt gleich zu Anfang ihres oben zitierten Überblicks, dass die United World Colleges (UWC) richtungsweisend für die Internationalen Schulen (IS) sind (siehe dazu auch Kapitel 7.2). Damit erklärt sie einerseits die UWC zu einer Internationalen Schule, die sich aber andererseits von den IS darin unterscheiden, als dass sie neben einer anspruchsvollen Eingangsprüfung der Schüler eine „bewußt international geprägte Weltanschauung“ vertreten.

Den Unterschied sieht Robert BLACKBURN, 1962 erster Konrektor am AC St. Donat’s Castle und ehemaliger stellvertretender IBO-Generaldirektor, in einer philosophisch begründeten Ausrichtung; die UWC seien nicht aus einem praktischen Bedürfnis heraus entstanden, sondern sie hätten ein anderes, ein philosophisches Motiv:

„There is a philosophic element and they would claim a philosophic justification to UWC which other schools do not have or perhaps need. So if you take any IB school (…), these were set up to meet actual, practical, and local needs. The UWC were not set up for any practical need but to further a particular educational and international philosophy that

794 G. Kohl: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 274 ff. 6.2 Internationale Schulen in Deutschland 204

educational barriers can be broken down and that internationalism can be made effective at the 18+ age. There is a different motive between the UWC and many of the other schools.”795

6.2 Internationale Schulen in Deutschland In Deutschland gibt es zwar kein United World College, jedoch zahlreiche Internationale Schulen und Schulen mit internationalen Aspekten, wie Kohl sie bezeichnet. In den Fokus der Betrachtung rückt die Autorin der vorliegenden Arbeit die Internationalen Schulen (IS), bei denen es sich nach der Definition von Kohl um eine voll entsickelte IS beziehungsweise um eine IS im engeren Sinne handelt. Beispielhaft zur Beantwortung der ersten oben genannten Haupt-Fragestellung wird eine Internationale Schule herausgegriffen, die – wie die United World Colleges auch – das IB Diploma Programme anbietet und somit ebenfalls eine so genannte IB World School ist. In Deutschland gibt es beim Stand vom 27.6.2009 insgesamt 38 „IB World Schools“, 35 von ihnen bieten das IB Diploma Programme an796 – sie sind nicht alle Internationale Schulen im engeren Sinne.

Außerdem soll es sich bei der Auswahl um eine explizit „Internationale Schule“ handeln, da diese nach den Statuten des „European Council of International Schools“ (ECIS) unabhängig von irgendeinem staatlichen Schulsystem sind und sich zudem durch verschiedene Nationalitäten in der Schülerschaft als „international“ ausweisen.797 Auch darin stimmen sie mit den United World Colleges überein. Die Verfasserin der vorliegenden Arbeit wählt exemplarisch die „IS of Düsseldorf e.V.“ aus. Denn diese Schule bietet zum einen das IB Diploma Programme an und zeichnet sich zum anderen als ECIS-Mitglied798 durch Internationaliät aus.

Die Internationale Schule Düsseldorf ist Mitglied der „Association of German International Schools“ (AGIS). Die AGIS, mit Sitz in Stuttgart, ist eine gemeinnützige Organisation, der 23 Voll-Mitgliedsschulen und drei angehende Mitgliedsschulen (Stand: 23.6.2009) angehören. Nach eigenen Angaben der AGIS sind folgende Schulen AGIS-Mitgliedsschulen (IS = International School):

Augsburg IS, Bavarian IS e.V., Berlin IS e.V., Berlin Brandenburg IS GmbH, Black Forest Academy, Bonn IS e.V., Independent Bonn IS e.V., IS Amalienhof gGmbH, IS of Bremen e.V., Dresden IS e.V., IS of Düsseldorf e.V., Franconian IS e.V., Frankfurt IS, IS Hamburg e.V., IS Hannover Region GmbH, Heidelberg IS GmbH, Leipzig IS e.V., Munich IS e.V.,

795 R. Blackburn im Interview mit P. L. Jonietz am 25.9.89. „A philosophy of international education – an interview with Robert Blackburn, Deputy Director of the International Baccalaureate Office, London, 25/9/89”. In: P. L. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 220. 796 Eine Liste der IB World Schools in Deutschland ist der Homepage der International Baccalaureate Organization zu entnehmen. Hier werden detailiert die Schulen mit den jeweils von ihnen angebotenen IB-Programmen aufgeführt: 14 von ihnen bieten das Primary Years Programme an, 7 das Middle Years Programme, 35 das Diploma Programme. Sieben Schulen bieten alle drei Programme an; dies sind: Berlin Brandenburg International School, Bonn International School e.V., Dresden International School e.V., International School Hannover Region, International School of Düsseldorf e.V., International School of Stuttgart, Munich International School. Siehe: International Baccalaureate Organization, 2005-2009: „Find an IB World School“. www.ibo.org/school/search/index.cfm?programmes=&country=DE®ion=&find_schools=Find (Datum des Zugriffs: 27.6.2009). 797 Vgl. Fußnote 800. 798 Eine Liste von ECIS-Schulen in Deutschland steht auf der Homepage des European Council of International Schools: „ECIS School Search“. http://edmundo.ecis.org/search/Select_School.asp (Datum des Zugriffs: 28.6.2009). Hier ist auch die International School of Düsseldorf e.V. aufgeführt. 6.2 Internationale Schulen in Deutschland 205

Nelson Mandela IS, IS of Stuttgart e.V., Thuringia IS Weimar e.V., Metropolitan School Frankfurt gGmbH, Internationale Friedensschule Köln.799

Die Bedingung der Mitgliedschaft ist zum einen die volle Mitgliedschaft beim „European Council of International Schools“ (ECIS)800 oder einer ähnlichen Akkreditierungs-Organisation und zum anderen der Status der Gemeinnützigkeit. Laut der AGIS sind die Mitgliedsschulen vor allem einer „high quality international education“ verpflichtet.801 Entsprechend sieht auch die AGIS hierin ihre Aufgabe: „It [AGIS; Anm. d. Verf.] represents and supports the educational and public interest of member schools and their communities by promoting and improving international education.“802

Die Verfasserin der vorliegenden Arbeit sieht die Bedingungen für eine größtmögliche Vergleichbarkeit von UWC und IS Düsseldorf (ISD) – ausgehend von den oben genannten äußeren Rahmenbedingungen – als erfüllt an.

Neben den äußeren Rahmenbedingungen sind weitere Gründe für die Auswahl der ISD aus der obigen AGIS- Riege entscheidend:

1.) Die ISD ist eine der traditionsreichsten Internationalen Schulen in Deutschland; sie gehört neben der IS Hamburg (gegründet 1957), der Frankfurt IS (1961) und der Munich IS (1966) zu den ersten vier Internationalen Schulen, die in Deutschland gegründet wurden.

2.) Die ISD legt eine starke Gewichtung auf das Service-Programm und kommt damit den UWC nahe. Das Ziel eines Verantwortungsgefühls seitens des Schülers sowohl für die Schul- als auch für die lokale und weltweite Gemeinschaft wurde bereits in einer Schulbeschreibung angesprochen, die der frühere ISD- Direktor George Hoffmeier in der Zeitschrift Bildung und Erziehung im Jahr 1991 über die ISD gab. Daneben gaben auch noch George W. Smith (Frankfurt), Allan J. Wilcox (Hamburg) und Gerhard Rothstein (München) in der genannten Zeitschrift die Beschreibung für ihre Schule ab. Doch einzig bei Hoffmeier (Düsseldorf) findet sich der Aspekt der Schüler-Verantwortung wieder. HOFFMEIER zitiert in Hinblick auf die Philosophie der Schule aus International School of Düsseldorf: Philosophy of the International School of Düsseldorf. Düsseldorf o.J. wie folgt: „Die Entwicklung ihrer Kompetenzen sollte bei den Schülern zu einem Bewußtsein ihrer Verantwortung der Schulgemeinschaft sowie der lokalen und weltweiten Gemeinschaft gegenüber führen.“803 Neil McWilliam, heutiger Leiter der ISD, erklärt in einem Interview gegenüber der Verfasserin der vorliegenden Arbeit, dass „we put a lot of resources and a

799 AGIS: „Agis Schools Germany“. www.agis-schools.org/members.html (Datum des Zugriffs: 23.6.2009). 800 Eine Voll-Mitgliedschaft („Regular membership“) bei der ECIS zeichnet sich durch Internationalität aus. ECIS erklärt: „Membership is open to all schools (…) which may be called international in any of the following senses: • offering a curriculum in which the culture and educational system of two or more countries is represented; • offering a curriculum typical of one country, but located in another country and actively pursuing cultural exchange with its host country; • having a student body of diverse nationalities and educational aims and curricula offerings which promote and support the purposes of the Council.“ Siehe: European Council of International Schools: „membership categories”. www.ecis.org/categories.asp (Datum des Zugriffs: 28.9.2008). 801 AGIS: „Membership“. www.agis-schools.org/membership.html (Datum des Zugriffs: 24.9.2008). 802 AGIS: „Welcome“. www.agis-schools.org/ (Datum des Zugriffs: 15.9.2008). 803 International School of Düsseldorf: Philosophy of the International School of Düsseldorf. Düsseldorf o.J. Zitiert in: G. Hoffmeier: „Die ,International School of Düsseldorf’”. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 293. 6.2 Internationale Schulen in Deutschland 206

lot of time and effort into our service programme.“804 Diese Aussage unterstreicht die Entscheidung für die Auswahl der ISD.

3.) Der Direktor der ISD, Neil McWilliam, ist zudem Zweiter Vorsitzender im Direktorium der Association of German International Schools (AGIS). Eine besondere Verantwortlichkeit obliegt ihm bei der AGIS unter anderem im Kontakt mit der International Baccalaureate Organization. Diese Ämter und Funktionen weisen McWilliam als überaus kompetenten Gesprächspartner sowohl im Bereich der Internationalen Schulen in Deutschland als auch für das IB-Programm aus.

6.2.1 Die Round-Square-Schulen An dieser Stelle müssen auch die deutschen Schulen erwähnt werden, die der „Round Square Conference“ (RSC) angehören. Dies ist ein Zusammenschluss von Schulen, die sich auf Hahn’sche Erziehungsprinzipien berufen – FISCHER bezeichnet diese Schulen als „Internatsschulen in der Traditionslinie Abbotsho[l!]me- Salem- Gordonstoun“805 – und die diese zu ihren allgemeinen und fortwährend gültigen Pfeilern gemacht haben. Die RSC-Schulen nehmen daher eine herausragende Stellung in Bezug auf die Aufnahme Hahn’scher pädagogischer Elemente in ihr eigenes pädagogisches Verständnis ein. Auf diese Weise, so JAMES, dauere Hahns erzieherischer Einfluss an:

„Hahn’s educational influence persists under such organizations as the Round Square Conference, which comprises schools modeled on Salem and Gordonstoun.“806

Der „Round Square“-Gemeinschaft gehören weltweit nach eigenen Angaben über 70 Schulen an (Stand 29.6.09)807. Auch ihre Zahl steigt stetig: im Jahr 2006 waren es über 50 weltweit. In Deutschland gibt es beim Stand vom 28.6.2009 vier RSC-Schulen: die Schule Schloss Salem in Salem am Bodensee (Baden-Württemberg), die Schule Birklehof in Hinterzarten (Baden-Württemberg), die Stiftung Louisenlund in Güby (Schleswig- Holstein) sowie seit Oktober 2008 die Stiftung Landheim Schondorf am Ammersee (Bayern). Bei all diesen deutschen RSC-Schulen handelt es sich um staatlich anerkannte Gymnasien, an denen das Abitur abgelegt werden kann; an Louisenlund und Salem wird zusätzlich das International Baccalaureate angeboten. Alle Schulen sind Internate – zu unterschiedlichen Anteilen sowohl von internen als auch von externen Schülern besucht.

Das internationale Internats-Schul-Netzwerk RSC wurde 1967 im schottischen Gordonstoun gegründet, in jener Schule, die Kurt Hahn nach seiner Emigration nach England im Jahr 1934 gegründet hat (vgl. Kap. 2.2.3.2). Der Name geht zurück auf das Round Square-Schulgebäude808, in dem die Gründung aus Anlass des 80. Geburtstags

804 Neil McWilliam im Interview mit der Verfasserin der vorliegenden Arbeit am 31. Oktober 2008. 805 T. Fischer: Schule als sozialer Körper – Schule als sozialer Erfahrungsraum (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 8. Hg. v. J. Ziegenspeck.) Lüneburg 1992, S. 58. 806 T. James (2000): „Kurt Hahn and the Aims of Education”. www.kurthahn.org/writings/james.pdf, S. 14 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 807 Round Square: Unterverzeichnis „Who we are”. „Committed, responsible global citizens”. www.roundsquare.org/index.php?id=3 (Datum des Zugriffs: 29.6.2009). 808 Über das so genannte „Rundhaus” schrieb HAHN um 1951/52: „Ein bedeutsames historisches Gebäude ist im Umbau begriffen, das sogenannte Rundhaus; es soll ein Wahrzeichen der gemeinsamen europäischen Sendung werden. Wir sind dabei, dort Studienräume einzurichten, deren jeder den Namen eines Mannes oder einer Frau tragen wird, die ohne staatliches Geheiß, nur kraft des eigenen Gewissens, entscheidend eingegriffen haben in das Schicksal ihrer Nation und in das Schicksal der Menschheit. Wir denken auf diese Weise das Beispiel eines Carl Schurz, einer Elsa Brandström, eines Helmuth Moltke, eines Albert Schweitzer, einer Florence Nightingale für die Gemeinschaft lebendig zu erhalten als eine Mahnung zur 6.2 Internationale Schulen in Deutschland 207 von Kurt Hahn stattfand. Ursprünglich sollte die Konferenz „Hahn Schools Conference“ genannt werden. Dies lehnte Hahn allerdings strikt ab.

Die RSC-Schulen folgen den Hahn’schen pädagogischen Prinzipien. Die Schulen verpflichten sich diesen Grundsätzen. Laut „Friends of Round Square Deutschland e.V.“ arbeiten die Mitgliedsschulen nach den pädagogischen Prinzipien und Idealen Kurt Hahns,

„(…) d.h. die Schulen verpflichten sich, über eine erstklassige akademische Ausbildung hinaus, die Erziehung zur persönlichen Entwicklung, zu Verantwortungsbewußtsein und Führungsqualitäten sowie zur Völkerverständigung zu garantieren. Round Square unterstützt diese Ziele durch Schüleraustausch und insbesondere durch internationale Projekte (Round Square International Services), gekennzeichnet durch Dienste, Herausforderung und Erlebniserfahrung.“809

Die Philosophie von Round Square umfasst sechs Säulen: Internationalismus, Demokratie, Umwelt, Abenteuer, Führerschaft und Dienste.

Hier sind die zwei Kernelemente Dienste und Internationalismus hervorzuheben, die auch an den United World Colleges von großer Bedeutung sind. So sind laut „Friends of Round Square Deutschland“ „alle Schüler gehalten, sich für die Dauer von mindestens zwei Jahren in den Dienst der größeren Gemeinschaft und der Bedürftigen außerhalb der Schule zu stellen.“810 Demnach werden hier alle Schüler, egal ob im IB-Programm oder auf dem Weg zum Abitur, in einem Service811 aktiv. Ebenso wird an den RSC-Schulen auf interkulturelle Erziehung gesetzt. „Friends of Round Square Deutschland“ erklärt hierzu:

„Die Zusammensetzung der Schüler an den Round Square-Schulen ist so breit wie möglich gefächert, selbst wenn die Umstände eine multinationale Belegung nur im Austausch oder für einen befristeten Zeitraum zulassen. Der Schüler ist gehalten, sich mit anderen Kulturen, Religionen und Sprachen auseinanderzusetzen und sie schätzen zu lernen und sich selbst als echten Kosmopoliten zu verstehen.“812

Verantwortung und zur Wachsamkeit für den guten Patrioten und den guten Europäer.“ K. Hahn (ca. 1951/52): „Gästehaus in Gordonstoun“. Kurt- Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem. 809 Friends of Roundsquare: Unterverzeichnis „Home“. „Herzlich Willkommen bei Friends of Round Square Deutschland e.V.”. www.round- square.de/ (Datum des Zugriffs: 29.6.2009). 810 Friends of Roundsquare: Unterverzeichnis „Projekte“. „Round Square-Grundsätze & Programme“. www.round-square.de/ (Datum des Zugriffs: 29.6.2009). 811 An der Schule Schloss Salem beispielsweise, der ersten von Hahn gegründeten Schule, werden verschiedene Salemer Dienste angeboten. Diese sind nach eigenen Angaben „sicher eine der originellsten Ideen des Schulgründers Kurt Hahn.“ Jeder Salemer Schüler leistet ab der 9. Klasse einen Nachmittag pro Woche einen Dienst seiner Wahl – von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Nautischen Dienst, Sanitätsdienst bis hin zu Sozial-, Umweltschutz- oder Bibliotheksdienst. Schule Schloss Salem: „Salemer lernen helfen“. www.salem- net.de/de/persoenlichkeitsentwicklung/dienste.html (Datum des Zugriffs: 28.6.2009). 812 Friends of Roundsquare: Unterverzeichnis „Projekte“. „Round-Square-Grundsätze & Programme“ .www.round-square.de (Datum des Zugriffs: 29.6.2009). 6.2 Internationale Schulen in Deutschland 208

So setzen die Round Square Schulen wie die United World Colleges die Vorstellung von Förderung internationaler Verständigung in gleicher Weise um: durch den Kontakt und den Umgang mit verschiedenen Kulturen.813

Die Autorin der vorliegenden Arbeit hat keine deutsche RSC-Schule zum direkten Vergleich mit den UWC unter obiger Fragestellung zu Kapitel 6 herangezogen, da die Nähe einer RSC-Schule zu den Hahn’schen Ideen per se schon gegeben und damit – wie beschrieben – offenkundig ist. Doch gerade im Kontext der vorliegenden Arbeit stellt sich die Frage, inwieweit das Hahn’sche pädagogische Konzept – ob in Gänze oder in Teilen – Strahlkraft über den eigenen Rand hinaus besaß respektive besitzt. Aus diesem Grund werden im Folgenden nicht die IB World-Schools Schule Schloss Salem oder Stiftung Louisenlund (die zwei deutschen RS-Schulen, die auch das IB anbieten) näher im Vergleich zum UWC beleuchtet, sondern beispielhaft die Internationale Schule Düsseldorf.

6.2.2 Die Internationale Schule Düsseldorf e.V. im Kurzporträt Die International School of Düsseldorf (ISD) ist eine kostenpflichtige Privatschule, die sich in der nordrhein- westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf, im Stadtteil Kaiserswerth, befindet.814 Direktor der Schule ist Neil A. McWilliam. Insgesamt sind laut ISD-Homepage (beim Stand vom 4. Juli 2009) 1000 Schülerinnen und Schüler aus 51 Nationen an der ISD eingetragen; die 120 Lehrerinnen und Lehrer kommen aus 21 verschiedenen Nationen.815 Die Unterrichtssprache ist Englisch. An der ISD werden zwei Schulabschlüsse angeboten: das International Baccalaureate Diploma sowie das U.S. American High School Diploma.

Die ISD unterhält beim Stand vom 28.6.2009816 verschiedene Mitgliedschaften und Akkreditierungen; unter anderem bei der „International Baccalaureate Organization“ (IBO), der „Association of German International Schools“ (AGIS) sowie beim „Council of International Schools“ (CIS)817.

6.2.2.1 Geschichte, Struktur und Ausstattung Die Gründung der ISD geht zurück auf das Jahr 1968. Ihr erster Standort war im Nordpark in Düsseldorf, bevor sie 1971 zum heutigen Standort umzog. Auch der Name war zunächst ein anderer: „The American International School of Düsseldorf“. Damit sind bereits „Absender“ und „Adressat“ genannt. HOFFMEIER erläutert: „Die ursprünglichen Gründer, hauptsächlich Amerikaner, wollten ihren Kindern eine internationale Erziehung bieten, ohne jedoch ihre kulturellen und pädagogischen Traditionen zu vernachlässigen.“818 Die zunehmende

813 Vgl. Round Square: „The most powerful force in advocating and promoting international understanding is exposure to different cultures.“ Round Square: „Discover the world and make a difference”. Unterverzeichnis: Ideals. www.roundsquare.org/index.php?id=17 (Datum des Zugriffs: 29.6.2009). 814 Die Kontaktdaten lauten: International School of Düsseldorf e.V., Niederrheinstraße 336, 40489 Düsseldorf. Web: http://www.isdedu.de; Email: [email protected]. 815 Diese Zahl nennt die ISD auf ihrer Homepage; Datum des Zugriffs: 4.7.2009. International School of Düsseldorf e.V.: „Visit Us: Some Basic Data“. www.isdedu.eu/DirContactUs/visitUs.htm. 816 International School of Düsseldorf e.V.: „Visit US: Some Basic Data”. www.isdedu.eu/DirContactUs/visitUs.htm (Datum des Zugriffs: 4.7.2009). 817 Der „Council of International Schools“ (CIS) ist ebenso wie die ECIS eine Akkreditierungs-Organisation für internationale Schulen. Nach eigenen Angaben ist die CIS „the premier organisation in International Education for the accreditation of schools“. Die CIS ist eine gemeinnützige Organisation mit über 600 Mitgliedsschulen und 450 Colleges/Universitäten weltweit. Nach eigenen Angaben ist ihr Hauptzweck, ihre Mitgliedsorganisationen zu befähigen, die höchsten Standards in internationaler Erziehung zu erreichen und auszutragen sowie „continually improve the outcome of student learning“. Siehe: 2009 Council of International Schools: „Welcome to the Council of International Schools”. www.cois.org/ (Datum des Zugriffs: 28.6.2009). 818 G. Hoffmeier: „Die ,International School of Düsseldorf’“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 291. 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 209 internationale Ausrichtung veranlasste die Schule schließlich neun Jahre später, im Jahr 1987, zum Namenswechsel.819

Besuchten anfangs Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 7 bis 12 die Einrichtung, erfolgte bereits innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Gründung die Hinzunahme einer Primarschulabteilung. Mittlerweile gibt es an der ISD auch einen Hort für 3- und 4-Jährige. Die ISD ist heute dreigliedrig organisiert; an ihr werden alle drei IB- Programme angeboten: an der Grundschule/Klasse 1-5 („Elementary School“) das IB Primary Years Programme, an der „Senior School“ (Middle School/High School) das IB Middle Years Programme (Klasse 6-10) sowie das IB Diploma Programme (Klasse 11-12).

Eine Beschreibung der Schule sowie einiger Ausstattungselemente liefert der Council of International Schools (CIS) in einem Kurzporträt über die ISD, die beim CIS akkreditiert ist:

„(…) The sixteen-acre campus is situated a short walk from the Rhine in the beautiful, historic suburb of Kaiserswerth. School buildings are spacious, modern, and well-equipped. Art studios, purpose-built music teaching rooms, practice rooms and a 400 seat theatre support an extensive visual and performing arts program. Currently most classrooms in the elementary school and many in the senior school are equipped with interactive whiteboards, the first stage of an ambitious information technology development program. Two gymnasiums and three football fields support a comprehensive physical education and competitive sports program. (…)”820

6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD Die Internationale Schule Düsseldorf e.V. (ISD) wird anhand der oben genannten Kriterien beispielhaft zur Beantwortung der Fragen

• „In Deutschland gibt es kein UWC. Kommen auch in deutschen Internationalen Schulen die Hahn’schen Ideen, die an den UWC Anwendung finden, vor?“ und

• „Inwieweit sind Parallelen und Differenzen zwischen den UWC und einer Internationalen Schule in Deutschland erkennbar?“ herangezogen. Die folgenden Ergebnisse stützen sich auf Erkenntnisse der Literaturanalyse sowie auf Expertenaussagen, so genannte „O-Töne“, die anhand eines Leitfaden-Interviews gewonnen wurden.

819 George HOFFMEIER, ehemaliger Direktor an der ISD, erinnert sich: „Die Veränderungen der Struktur, und die dadurch erfolgte Internationalisierung der Curricula, der Schülerschaft und des Lehrkörpers veranlaßten die Schule 1987, ihren Namen in „International School of Düsseldorf“ (ISD) umzuwandeln. Zudem weist er in die Richtung, in die die Schule in Zukunft gehen wird.“ G. Hoffmeier: „Die ,International School of Düsseldorf’“. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 292. 820 2009 Council of International Schools: „International School of Düsseldorf e.V.”. http://members.cois.org/directory/isd_accred.aspx (Datum des Zugriffs: 24.8.2009). 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 210

6.3.1 Parallelen zwischen den erzieherischen Grundsätzen der ISD und den Erziehungsvorstellungen Kurt Hahns Die erste der oben gesetzten Haupt-Fragestellung lautet in ergänzter Form nun:

• „Kommen auch in deutschen Internationalen Schulen – hier am Beispiel der IS Düsseldorf betrachtet – die Hahn’schen Ideen, die an den UWC Anwendung finden, vor?“

Grundsätzlich kann festgehalten werden – gestützt auf die Erkenntnisse aus Kapitel 4 –, dass das IB-Diplom- Programm durch die Elemente „Extended Essay“, „Project Week“ (s. Expedition) und „CAS-Programm“ (s. v.a. Service) die „Handschrift“ von Kurt Hahn trägt und dass somit Hahn’sche Erziehungselemente und -intentionen in jede IB-World School einfließen, die das Diplom-Programm anbieten. Insofern finden sich per se durch das IB- Curriculum auch an der ISD Anknüpfungspunkte zum Hahn’schen pädagogischen Konzept.

Die ISD hat ihre Philosophie auf ihren Internetseiten explizit formuliert. Diese wird konkret beleuchtet und mit Hahn’schen Erziehungsvorstellungen in Verbindung gesetzt:

Das Hauptanliegen der ISD liegt darin, die Schüler mit dem „best possible program of academic and personal development“821 auszustatten. So wird eine ganzheitliche Entwicklung angestrebt: „We aim to promote the development of the whole child (…).“822 Daneben werden ausdrücklich internationale Verständigung sowie verantwortungsbewusste (Staats-)Bürgerschaft als Vorbilder formuliert: „We believe in the ideals of international understanding and responsible citizenship.“823 Somit ergeben sich bereits zwei Positionen (ganzheitliche Ausrichtung, internationale Verständigung), die als Parallelen betrachtet werden können.

Wie sieht dies nun konkret aus? Auf ihrer Homepage listet die ISD acht erzieherische Grundsätze auf:

„• to instill a love of learning • to provide an appropriate and challenging course of study •

to offer a balanced program with an interdisciplinary approach where appropriate • to

develop self-discipline and responsible behaviour • to foster an awareness and concern for

the well-being and dignity of every individual • to foster a sense of community • to develop

learning partnerships involving teachers, students and parents • to develop a truly international perspective”824

Diese Auflistung wird ohne eine explizite Prioritätensetzung gemacht. Die Verfasserin der vorliegenden Arbeit geht jedoch von einer beabsichtigten Rangfolge aus, da die Grundsätze auf der ISD-Homepage untereinander aufgelistet sind. Von besonderer Bedeutung erscheinen hier die folgenden vier Prinzipien: „to instill a love of learning“ (an Position 1 gesetzt), „to develop self-discipline and responsible behaviour” (4), „to foster a sense of

821 International School of Düsseldorf e.V.: „Mission and Vision”. www.isdedu.eu/DirWhatWeLearn/missionVision.htm (Datum des Zugriffs: 24.8.2009). 822 International School of Düsseldorf e.V.: „Philosophy”. www.isdedu.eu/DirWhatWeLearn/philosophy.htm (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 823 International School of Düsseldorf e.V.: „Philosophy”. www.isdedu.eu/DirWhatWeLearn/philosophy.htm (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 211 community” (6), „to develop a truly international perspective” (8). Die Hervorhebung dieser vier Grundsätze ist darin begründet, als dass diese Grundsätze im Vergleich zur Hahn’schen Pädagogik und seiner pädagogischen Vorstellung für die Atlantic Colleges von besonderer Bedeutung sind. Dies wird in den folgenden vier Punkten kurz erläutert:

 „to instill a love of lerning“ (Stichwort: Liebe zum Lernen): An Position 1 setzt die ISD klar den erzieherischen Auftrag, dem Schüler die Liebe zum Lernen beizubringen/anzuerziehen (= „to instill“). Damit ist die vordringliche Aufgabe, die Ausrichtung auf den akademischen Bereich, benannt. Im Gegensatz dazu fokussierte Kurt Hahn seine erzieherische Arbeit vor allem auf die Persönlichkeit des Schülers, auf seine Charakterbildung. Bei der Bewerberauswahl für einen Platz am Atlantic College sollten jedoch schließlich laut Hahn neben dem Charakter auch Begabung und Wissen entscheiden (vgl. Kap. 2.6.3.1, Fußnote 388); ein hoher schulischer akademischer Anspruch ist daraus abzuleiten. Jahre zuvor, in Hahns erster Schuleinrichtung Salem, findet sich im Salemer „Abschließenden Bericht an die Eltern“825 der Beurteilungspunkt „Leistungen im Unterricht“ erst noch an zwölfter von insgesamt 15 Positionen. Das lässt zu diesem Zeitpunkt (1920er-/30er-Jahre) auf eine noch relativ geringe Prioritätensetzung bei Hahn schließen.

 „to develop self-discipline and responsible behaviour” (Stichwort: Selbstdisziplin, verantwortungsvolles Verhalten): Hier liegt eine klare Parallele zur Charakterbildung im Hahn’schen Erziehungskonzept vor. Erziehung zur Verantwortung wurde bei Hahn nicht nur groß geschrieben, sondern sie war das Leitmotiv (vgl. Kap. 2.2.3.1). Und die Selbstdisziplin ist nicht zuletzt überall dort gefordert, wo es um das Erreichen von Zielen jedweder Art geht. Aus dem Salemer „Abschließenden Bericht an die Eltern“ lässt sich Selbstdisziplin unter anderem aus der zu beurteilenden Eigenschaft unter Punkt 8, „Geistige Konzentrationsfähigkeit: (…) bei Arbeiten außerhalb des eigenen Interessenkreises“826 ableiten – wird doch gerade hier Selbstdisziplin erkennbar. Selbstdisziplin war also auch schon früh bei Hahn ein Erziehungsziel. Dieses findet sich schließlich im „Extended Essay“, einem Baustein der Kernanforderungen des International Baccalaureate, wieder. Beim Extended Essay geht es um die Vertiefung in ein spezielles Thema sowie um die Ausdauer, über einen längeren Zeitraum auf ein gestecktes Ziel hin zu arbeiten (vgl. Kap. 4.3.1). Auch dies verlangt Selbstdisziplin. Und schließlich benennt HAHN ausdrücklich unter den von ihm beklagten fünf Verfallserscheinungen der modernen Gesellschaft auch „the decline in self-discipline“827 (Verfall an Selbstdisziplin). Den Verfallserscheinungen setzte Hahn die Erlebnistherapie entgegen.

824 International School of Düsseldorf e.V.: „Educational Principles”. www.isdedu.eu/DirHowWeLearn/eduPrinciples.htm (Datum des Zugriffs: 24.8.2009). 825 Vgl.: K. Hahn (1928): „Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime”. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn – Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 125-126. 826 K. Hahn (1928): „Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime”. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn – Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1996, S. 125. 827 K. Hahn (1960): „Outward Bound”. Rede beim Jahrestreffen des Outward Bound Trust am 20. Juli 1960. www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf, S. 7 (Datum des Zugriffs: 27.10.2006). 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 212

 „to foster a sense of community” (Stichwort: Gemeinschaftssinn): Der ISD ist die Förderung eines Gemeinschaftssinnes wichtig. Der Erzieher Kurt Hahn spricht von „Gemeinsinn“, den er bereits im Salemer „Abschließenden Bericht an die Eltern“ an Position 1 plazierte. Insofern ist hier also eine weitere Parallele zwischen der ISD und der Hahn’schen Pädagogik festzumachen. Hahn sieht die Aufgabe eines jeden Einzelnen darin, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Auch bei der Gründung des Atlantic College greift Hahn den Gemeinsinn im Zusammenhang mit den Diensten auf. Der Pädagoge zitiert in seiner 1957 in Brügge gehaltenen Rede über den Plan für die Atlantic Colleges den britischen Staatsphilosophen und Politiker Edmund Burke (1729-1797) wie folgt:

„Mir kommen Burkes Worte in den Sinn: »Sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, eine kleine Gemeinde zu lieben, das ist sozusagen der Keim eines hingebenden Gemeinsinns, aus dem sich die Liebe zum Vaterland und die Liebe zur Menschheit entwickelt.«“828

Somit ist der Gemeinsinn für Hahn die Voraussetzung, sich für den Mitmenschen einzusetzen; eine Voraussetzung, die vor allem im „Dienst am Nächsten“, im CAS-Element „Service“, zum Tragen kommt. Als Teil des IB-Diplom-Programms steht der „Service“ folglich auch auf dem Stundenplan der ISD- Schüler.

 „to develop a truly international perspective” (Stichwort: internationaler Blickwinkel): Die ISD setzt den internationalen Blickwinkel an die achte von acht Positionen, bei Hahn war er hingegen bei der Einrichtung des Atlantic College richtungweisend. Das Ziel, das er mit den Atlantic Colleges verfolgte, nämlich eine Basis zu internationaler Verständigung zu schaffen und sich damit in den Dienst des Weltfriedens zu stellen, hatte hier für Hahn erste Priorität. Indem die ISD die Entwicklung einer wirklich internationalen Perspektive als erzieherischen Grundsatz nennt, ist ein weiterer gemeinsamer Schnittpunkt zwischen ISD und UWC zu vermerken. Der abstrakte Begriff der „internationalen Perspektive“ gewinnt Form in dem von der ISD publizierten Titel „High School Philosophy and Goals“. In einem Zeitschriftenaufsatz aus dem Jahr 1991 zitiert der damalige ISD-Direktor George HOFFMEIER daraus wie folgt:

„Wir wollen bei unseren Schülern eine starke Identifikation sowohl mit der internationalen Gemeinschaft, als auch mit ihrer eigenen Kultur unterstützen (…). Die Entwicklung ihrer Kompetenzen sollte bei den Schülern zu einem Bewußtsein ihrer Verantwortung der Schulgemeinschaft sowie der lokalen und weltweiten Gemeinschaft gegenüber führen.“829

6.3.2 Differenzen und Parallelen zwischen den UWC und der ISD Auch für die zweite Hauptfrage des vorliegenden Kapitels 6 wird die Internationale Schule Düsseldorf (ISD) beispielhaft für die Internationalen Schulen in Deutschland herangezogen. Sie lautet nun in ergänzter Form:

828 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten”. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 284. 829 International School of Düsseldorf: Philosophy of the International School of Düsseldorf. Düsseldorf o.J. Zitiert von G. Hoffmeier: „Die ,International School of Düsseldorf’”. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 293. 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 213

• „Inwieweit sind Parallelen und Differenzen zwischen den United World Colleges und einer Internationalen Schule in Deutschland – betrachtet am Beispiel der Internationalen Schule Düsseldorf – erkennbar?“

Am 31. Oktober 2008 führte die Verfasserin der vorliegenden Arbeit ein Leitfaden-Interview mit dem Direktor der ISD, Neil A. McWilliam, in seinem Büro im Hauptgebäude der Schule. An dem Gespräch nahm Beatrice Caston, die an der ISD als „Development Director“ tätig ist, als Dolmetscherin teil. Den ersten Kontakt mit der ISD hatte die Verfasserin telefonisch am 29. September 2008 mit Beatrice Caston aufgenommen, die daraufhin das Treffen organisierte. Das auf Tonband aufgezeichnete Leitfaden-Interview diente der nachfolgenden Illustrierung der Erkenntnisse aus der Literaturanalyse.

Die inneren und äußeren Differenzen sowie Parallelen zu den United World Colleges werden im Folgenden aufgelistet und durch die Aussagen von Neill McWilliam, der seit 1999 ISD-Schulleiter ist, untermauert. Seine Aussagen, die ausschließlich aus dem Interview vom 31.8.2008 stammen, sind im Nachfolgenden kursiv hervorgehoben.

6.3.2.1 Differenzen – Innerer Rahmen  Motive für einen Schulbesuch. Schüler, die ein UWC besuchen, haben sich ganz bewusst um einen UWC-Platz beworben, ohne dass der Grund für den Schulwechsel im beruflich bedingten Wohnortwechsel der Eltern lag. Ohnehin wird dem Bewerber von der UWC-Auswahlkommission ein Platz an einem der Colleges zugeteilt; die direkte Bewerbung an einem bestimmten UWC ist nicht möglich. In den Bewerbungsunterlagen kann der/die Bewerber/-in allerdings diejenigen Colleges angeben, die er/sie gerne besuchen möchte, und auch jene, die er/sie nicht besuchen möchte. An dieser Stelle sei auf das Ergebnis aus Frage 39 der vorliegenden Befragung unter ehemaligen deutschen UWC- Schülern/-innen bezüglich ihrer Gründe für den Besuch eines UWC verwiesen (s. Kap. 5.4.2): In der Rangfolge der Motive stand bei den UWC-Absolventen der Wunsch, „die Welt und andere Kulturen kennenzulernen“, ganz oben. Auch, „die UWC-Idee zu verwirklichen“, war für einige ein Grund für den UWC-Besuch. Grundsätzlich nehmen die UWC-Schüler für den zweijährigen Schulbesuch die Trennung von ihrer Familie und ihren Freunden aus oben genannten Gründen in Kauf. Demgegenüber stammen die ISD-Schüler zumeist aus hochmobilen Familien (vgl. Kap. 6.1), die meist aufgrund der beruflichen Versetzung des Vaters/der Mutter nach Düsseldorf kommen. Tendenziell besuchten die nicht- einheimischen ISD-Schüler bereits Internationale Schulen in anderen Ländern; sie sind also bereits in der Welt unterwegs. Zudem ist für sie eine Trennung von den Eltern und möglicherweise von weiteren Familienmitgliedern nicht nötig, da sie mit ihren Familien gemeinsam den Wohnort wechseln. Neben den nicht-einheimischen ISD-Schülern gibt es an der ISD auch deutsche Schüler, die entweder universitär international orientiert sind, oder deren Eltern sich für ihre Tochter/ihren Sohn ebenfalls einen international ausgerichteten Lebensstil/Karriere wünschen, oder aber auch Schüler, deren Eltern mit den örtlichen Erziehungsangeboten unzufrieden sind. McWilliam: „Expatriate students tend to have been educated in the international setting and may have attended international schools in other countries and then come to an international school here. Expatriate students for whom this is the first overseas posting, 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 214

well, naturally look for an English language education. Local students who wish to do the University study in the United States or the United Kingdom come here. Local students whose parents are dissatisfied with the local educational offerings, they come here. And local students whose parents either live an international lifestyle or who want an international lifestyle for their children also come here.”

 Lernmotivation. Die Lernmotivation der UWC-Schüler ist – so ist zu vermuten – hoch. Dafür spricht schon die Bereitschaft zur Teilnahme an einem zweistufigen Auswahlverfahren. Dazu zählt auch ein Auswahlwochenende.830 Die Bewerber stellen sich also einem umfangreichen Bewerbungsverfahren (zunächst sind unter anderem ein Lebenslauf, vier Aufsätze, die letzten zwei Jahresendzeugnisse und zwei Gutachten einzureichen), um einen Platz an einem UWC zu erhalten. Dadurch signalisieren sie bereits eine hohe Motivation. Die Auswahl erfolgt dann laut der Deutschen Stiftung UWC „auf der Grundlage schulischer Leistungen, außerschulischem Engagement und persönlicher Eignung“831. Auch die Lernmotivation der Schüler an der ISD ist nach Aussage von Direktor Neil McWilliam extrem hoch. Dennoch scheint ein Unterschied zwischen den Schülergruppen zu bestehen: Besonders bei den nicht- einheimischen ISD-Schülern besteht laut McWilliam die Tendenz, dass der Motivationsimpuls von den erfolgsorientierten Eltern aus geht, welcher sich auf die Schüler überträgt. McWilliam: „The motivation is extremely high and you can see this if you wander around the school. The students who come here, particularly the expatriate students, they tend to have very successful parents, because their parents are being sent overseas by a company and that is very expensive. So they tend to be successful parents who are success oriented and who want success for their children and who recognise that school is important part of that success. So the students are well motivated because of that. (…) although we don’t select for the best students, our students tend to be very high achievers.” Inwieweit die Lernmotivation der UWC- Schüler bei den Eltern begründet liegt, kann an dieser Stelle nicht belegt werden und wäre somit rein spekulativ. Hier bestünde durchaus ein Ansatzpunkt für weitere Studien.

 Friedenspädagogischer Auftrag. Friedenspädagogische Inhalte werden zwar auch an der ISD aufgrund der IB-Curriculum-Vorgaben vermittelt, demgegenüber positionieren sich die UWC mit ihrer explizit friedenspädagogischen Ausrichtung, die im „UWC’ Mission Statement“ („UWC macht Bildung zu einer Kraft, die Menschen, Nationen und Kulturen im Streben nach Frieden und einer nachhaltigen Zukunft verbindet.“) verankert ist, friedenspädagogisch aber sehr viel stärker. Nicht zuletzt sei hier auch an das Gründungsmotiv der UWC erinnert: Mit den Atlantic Colleges sollten friedenspädagogische Gegenakzente zum weltweit politisch angespannten Klima in Zeiten des Kalten Krieges gesetzt werden (vgl. Kap. 2.2.1). Im Gegensatz dazu erklärt ISD-Schulleiter McWilliam: „Peace is not one of those things that is stated in our mission or in our goals but it is stated in the mission and philosophy of the curriculum that we use and that is the IB curriculum.” An dieser Stelle ist eine Parallele auszumachen, da

830 In den Bewerbungsunterlagen der Deutschen Stiftung UWC heißt es dazu: „Wer bereits an einem Auswahlwochenende von UWC Deutschland teilgenommen hat, kann sich nicht erneut bewerben, auch wenn er/sie die Altersvoraussetzungen noch erfüllt.“ www.uwc.de/img/dl/UWC_Bewerbungsunterlagen_2010.pdf, S. 1 (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 831 Deutsche Stiftung UWC: „Bewerbungsunterlagen Deutsche Stiftung UWC“. www.uwc.de/img/dl/UWC_Bewerbungsunterlagen_2010.pdf, S. 1 (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 215

die UWC und die ISD demselben Curriculum (IB) und damit gleichermaßen dem Mission Statement der International Baccalaureate Organization folgen:

„The International Baccalaureate aims to develop inquiring, knowledgeable and caring young people who help to create a better and more peaceful world through intercultural understanding and respect. (…)“832

6.3.2.2 Differenzen – Äußerer Rahmen  Gründungsanstoß. Die UWC sind vor dem Hintergrund des Kalten Krieges entstanden mit dem Ziel, durch interkulturelle Erziehung einen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten (vgl. Kap. 2.2.1). Mit dem Namenswechsel von „Atlantic Colleges“ zu „United World Colleges“ im Jahr 1968 durch Lord Louis Mountbatten wollte man eine stärkere Internationalisierung erreichen (vgl. Kap. 2.5.2). Die ISD hingegen wurde 1968 hauptsächlich von Amerikanern für ihre Kinder als „The American International School of Düsseldorf“ gegründet. Aufgrund der zunehmenden internationalen Ausrichtung änderte die Schule allerdings 1987 ebenfalls ihren Namen (vgl. Kap. 6.2.2.1); der Zusatz „American“ entfiel.

 Organisationsform. Die UWC sind – außer dem UWC of South East Asia in Singapur, dem Waterford Kamhlaba UWC of Southern Africa und dem UWC Maastricht/Niederlande, die auch jüngere Schüler unterrichten – reine Oberstufen-Internate. Und das Simón Bolívar UWC of Agriculture in Venezuela bietet einen gesonderten Ausbildungsgang und Abschluss an. UWC International weist folgende drei Schulmodelle aus:

„UWC Colleges currently follow one of three models: those offering solely a two-year pre- university diploma, those which offer this diploma within the context of a larger school, and Simón Bolívar UWC of Agriculture which offers a tertiary level three-year agricultural education and training programme.”833

Bei Bedarf vergibt die Deutsche Stiftung UWC Teil- oder Vollstipendien. Die ISD dagegen ist eine dreigliedrig organisierte Tagesschule. Neben der elementary school, der middle school und der high school ist auch eine Vorschule/Kindergarten eingerichtet. Die ISD ist eine kostenpflichtige Privatschule. Das Schulgeld ist je nach Jahrgang des Kindes/Schulklasse gestaffelt. Die ISD vergibt maximal vier Stipendien an Schüler einkommensschwacher Eltern (Stand Oktober 2008).

 Bewerbung/Auswahlverfahren. Im Gegensatz zu den UWC, für die es sich bei den Nationalen Komitees zu bewerben und zu qualifizieren gilt (vgl. Kap. 2.6.3.1), müssen diejenigen Schüler, die an der ISD in die Oberstufe eintreten möchten, kein Auswahlverfahren durchlaufen. An der ISD gibt es lediglich Einstufungstest, um eine passende Klassenzuordnung ermitteln zu können. Gibt es allerdings bei zu hoher Nachfrage Aufnahmeprobleme aufgrund der nicht ausreichenden Kapazität, so setzt die ISD Präferenzen bezogen auf Schüler, die aus dem Ausland kommen, und Schüler, die in Düsseldorf leben. McWilliam:

832 International Baccalaureate Organization, 2005-2009: „Mission and strategy”. www.ibo.org/mission/ (Datum des Zugriffs: 19.8.2009). 833 2009 United World Colleges (International): „Our Colleges”. www.uwc.org/who_we_are/our _colleges.aspx (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 216

„Students who come into the senior school, first preference goes to the expatriate students and when there are capacity issues, then second preference goes to local students. But the school is open to all students for whom we can offer a programme. Students with special needs, special educational needs, they would not benefit significantly from their programme are not admitted. There is no entrance examination. We have a number of tests, but they tend to be placement tests. We test the English to establish which classes they need to into; we test the mathematics to establish which classes they go into. If there are significant learning needs that we think we may not be able to meet, then we will get an educational psychologist to do a full report so that we can better assess whether we can meet the needs of a student or not.”

 Einbeziehung der Eltern. Anders als an den UWC, an denen die Schüler fernab von ihrem Elternhaus leben und lernen, werden die Eltern der ISD-Schüler in das Geschehen der Düsseldorfer Schulgemeinschaft miteinbezogen – worin McWilliam auch das Besondere der ISD im Vergleich zu anderen Internationalen Schulen in Deutschland sieht. McWilliam: „Every school, not just international school, has its own personality, its own mission, its own educational philosophy and they are all a little bit unique. Some of the things that make our school stand out are the fact that it is as well a school as it’s a community that is engaged with teachers, students and parents. Parents are very much engaged in the learning process and in the development of the community.”

6.3.2.3 Parallelen – Innerer Rahmen  Internationale Ausrichtung: Sowohl die UWC als auch die ISD sind international ausgerichtet. Dies wird zu allererst durch die Adjektive in ihren jeweiligen Namen erkennbar: „united“/„international“. Waren die UWC zunächst als „Atlantic Colleges“ angelegt, so öffnete Lord Louis Mountbatten mit der Einführung eines neuen und heute gültigen Namens (Änderung von Atlantic College zu United World College) die globale Perspektive (vgl. Kap. 2.5.1, 2.5.2). Neben der richtungweisenden Namensgebung gilt die multinationale Zusammensetzung der Schülerschaft (vgl. Kap. 2.7.1) als ein Grundcharakteristikum für die internationale Ausrichtung sowohl der UWC als auch der ISD (siehe auch „Parallelen – Äußerer Rahmen“/Kap. 6.3.2.4). Aufbauend darauf findet in beiden Organisationen eine interkulturelle Erziehung statt, in der die Verschiedenheit als Bereicherung und Chance begriffen wird (vgl. Kap. 3.2) und die es auch – wie es das Waterford Kamhlaba UWC of Southern Afrika formuliert (s. Fußnote 493) – zu feiern gilt. Als einen von mehreren Werten, die die UWC fördern, nennt das UWC International (direkt nach dem an oberster Stelle positionierten Wert „International and intercultural understanding“) den Wert „Celebration of difference“.834 Diese internationale Ausrichtung deckt sich mit der der ISD. Wie bereits ausgeführt, besteht bei der ISD ein erzieherischer Grundsatz darin, „to develop a truly international perspective” (vgl. Fußnote 824). ISD-Schulleiter McWilliam erläutert den Begriff „internationale Perspektive“ so: „There are many different facades to that. One facade is the acceptance of other cultures. (…) I like children to celebrate different cultures. We are a very diverging environment

834 2009 United World Colleges (International): „Mission and Values“. www.uwc.org/who_we_are/mission_and_vision.aspx (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 217

– we have 51 different nationalities in our student body and this is a great resource and we celebrate this. It is also important to know your own culture and being present in an environment with many cultures causes the children to reflect on their own culture and to know their own culture better. (…)The children in this school are growing up in the world.” Schulleiter McWilliam betont den Kern interkulturellen Lernens wie folgt: „Culture is there to be celebrated, to be shared, and to be learned from.”

 Bedeutung der Dienste. Bereits Kurt Hahn sah für die Atlantischen Internate vor, dass der Rettungsdienst „eine entscheidende Rolle im Gemeinschaftsleben“ spielen sollte.835 Der Dienst wird zwar heute im Rahmen des CAS-Programms in unterschiedlichen Formen – zugeschnitten auf die lokale Umgebung des jeweiligen Colleges – angeboten836 (die Palette der Dienste, die die deutschen UWC-Schüler an den Colleges durchgeführt haben, ist den Ergebnissen von Frage 55 der vorliegenden Befragung zu entnehmen; s. Anhang D, Kap. 9.4), gilt aber auch weiterhin als eines von drei Schlüssel-Elementen der UWC-Erziehung.837 Diese ursprünglich von Kurt Hahn in den Unterrichtsplan eingeführten Dienste wurden bis ins heutige IB-Curriculum getragen und werden in unterschiedlicher Form an den IB World Schools umgesetzt, also auch an der International School of Düsseldorf. Für ISD-Schulleiter Neil McWilliam liegt denn auch in der „idea of the absolute relevance of service to a modern curriculum“ eine der Gemeinsamkeiten zwischen den UWC und der ISD. Als ein Wert, den UWC fördert, nennt UWC International ausdrücklich „Compassion and service“838. In der ISD-Philosophie hingegen findet sich zwar keine explizite Formulierung, die die Dienste in ihrer Bedeutung betont, jedoch kann die Aussage „We believe in (…) responsible citizenship“839 als Hinweis darauf gedeutet werden – eben auf eine Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft und den Mitmenschen. Die Deutsche Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. unterstreicht nochmals auf ihrer Homepage die Wichtigkeit der Dienste für das Leben an den Colleges: „Die Sozialdienste und Arbeitsgemeinschaften sind die wichtigsten Pfeiler des Lebens an den Colleges (…).“840 Eine derart starke Betonung der Dienste findet sich zwar in der ISD- Philosophie auf der entsprechenden Homepage explizit nicht. Dafür wird aber im Kurzporträt über die International School of Düsseldorf auf der Homepage des Council of International Schools (CIS), deren Mitglied die ISD ist, hervorgehoben: „A strong development program includes extensive community and worldwide representation. Students experience community service both locally and at projects in Africa,

835 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten”. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 836 Beispiele hierfür nennt UWC International auf seiner Homepage: „Students at UWC Atlantic operate lifeboat and cliff rescue services along the South Wales coast / Mahindra UWC students work with local village organisations to alleviate some of the worst effects of poverty and illiteracy / Waterford Kamhlaba students provide care for those affected by AIDS and HIV”. 2009 United World Colleges (International): „A UWC education”. www.uwc.org/our_colleges_a_uwc_education.aspx (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 837 Als die zwei anderen Schlüssel-Elemente, die alle miteinander verbunden sind, nennt UWC International neben „A locally based social responsibility programme“ die Schlüssel-Elemente „A rigorous academic programme” sowie „A multi-cultural environment “. 2009 United World Colleges (International): „A UWC education”. www.uwc.org/our_colleges_a_uwc_education.aspx (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 838 2009 United World Colleges (International): „Mission and Values”. www.uwc.org/who_we_are/mission_and_vision.aspx (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 839 International School of Düsseldorf e.V.: „Philosophy”. www.isdedu.eu/DirWhatWeLearn/philosophy.htm (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 840 2009 UWC: „Das Programm”. www.uwc.de/ueber_programm (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 218

Europe and Asia.“841 Ein Blick auf die Liste der „CAS Service activities“842 zeigt, dass das Angebot der Schule entsprechend groß und breitgefächert ist: von gemeinnützigen Diensten für die Schulgemeinschaft (zum Beispiel „ISD Book stall – help to run the shop“, „Decorating/managing bulletin/notice boards/display cabinets“, „Sports helpers E.g. during PE or after school“) über diverse Sozialdienste (zum Beispiel „Diakonie – helping the elderly, disabled, children & teenagers“, „Intercultural Migrant Centre in Düsseldorf, IMAZ“) und Nach-/Lernhilfe an der Schule (zum Beispiel „Language tutor/helper – Spanish and German“, „Math support for Grade 8“, „Swimming coach/assistant“) oder im Ausland (zum Beispiel „Tanzania Project“, „Thailand – School for Life“) bis hin zum Erste Hilfe-Assistenten („First Aid Assistants“). Entscheidet sich ein/-e Schüler/-in für den Dienst bei der Diakonie (evangelischer Wohlfahrtsverband), so gestaltet er/sie dort beispielsweise Aktivitäten für Kinder und Jugendliche mit und leistet Hilfe im Seniorenheim. Bei der Arbeit im IMAZ e.V., dem Interkulturellen MigrantInnenzentrum in Düsseldorf, sind die Schüler behilflich bei Alltagsfragen und Sprachproblemen von Migranten. Ein besonderes Angebot stellen die ISD-Auslandsprojekte dar. Durch den Weggang einer ehemaligen ISD-Lehrerin an eine tansanische Schule vor einigen Jahren kam der „Stein ins Rollen“: Jedes Jahr reist eine Gruppe von ISD-Schülern und ISD-Lehrern, die sich auf das Projekt vorbereitet hat, nach Tanzania, um an der Schule drei Wochen lang zum Beispiel in Englisch oder Erdkunde – meist in den Klassen 7/8/9 – zu unterrichten. Beim Tanzania-Projekt geht es nicht nur um das Miteinander- Lernen, sondern auch um den kulturellen Austausch; ebenso beim Projekt „Thailand – School for Life“ in einem Aidswaisen-Center. Während des 3-wöchigen Aufenthaltes der ISD-Schüler/-Lehrergruppe in Thailand wird sowohl unterrichtet als auch beispielsweise bei Singabenden die Freizeit miteinander verbracht. Was das Rettungsdienst-Angebot843 an der Internationalen Schule Düsseldorf betrifft, so beschränkt sich dieses auf den Erste Hilfe-Dienst. Nach einer Grundausbildung in Erster Hilfe beim Deutschen Roten Kreuz unterstützt der/die Schüler/-in, der/die dieses Service-Angebot gewählt hat, als „First Aid Assistant“ auf dem Schulgelände die Arbeit der Schulärztin/der Krankenschwester.

 Ganzheitlicher Erziehungsansatz. Durch das von der IBO in Genf zentral erarbeitete Curriculum des IB- Diplom Programms sind sowohl für die UWC als auch für die ISD die akademischen Vorgaben gemacht (zu Inhalten und Zielen siehe Kap. 4.2.1). Gerade durch das CAS-Programm im Rahmen des International Baccalaureate wird die „akademische Bühne“ verlassen. Einen ganzheitlichen Erziehungsansatz betont ebenso Neil McWilliam für die ISD: „We prepare our students for life. So our approach to education is holistic.” Ausdrücklich findet sich dieses Ziel auch in der Philosophie der Schule wieder: „We aim to promote the development of the whole child (…).“844 Methodisch umsetzen

841 2009 Council of International Schools: „International School of Düsseldorf e.V.”. http://members.cois.org/directory/isd_accred.aspx (Datum des Zugriffs: 24.8.2009). 842 Eine Liste der „ISD-CAS Service activities“ erhielt die Autorin der vorliegenden Arbeit von Beatrice Caston, ISD-Development-Director, am 7.9.2009 per Post. 843 Zu den Rettungsdiensten („rescue services”) werden auf der Homepage von Deutsche Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. folgende Dienste aufgezählt, die an den United World Colleges im Programm stehen: Seenotrettungsdienst, Klippen- und Bergrettung, Küsten- und Strandrettung, Wildnis-, Such- und Rettungsdienst, Erste Hilfe. Siehe: 2009 UWC: „Das Programm“. www.uwc.de/ueber_programm (Datum des Zugriffs: 16.9.2009). 844 International School of Düsseldorf e.V.: „Philosophy”. www.isdedu.eu/DirWhatWeLearn/philosophy.htm (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 219

will man dies durch Herausforderung und Unterstützung. Der Auftrag der Düsseldorfer Schule liegt nach McWilliam darin, „to provide the best possible programme of academic and personal development in a challenging and supportive environment. And all of that is very important. The best possible programme, academic and personal development.“ In der Idee eines ganzheitlichen Erziehungsansatzes („the idea of a holistic approach to education“) sieht McWilliam auch ein weiteres gemeinsames Hauptelement der ISD und der UWC. An den United World Colleges ist der Erziehungsansatz ebenfalls ganzheitlich angelegt. Dabei werden neben dem strengen akademischen Programm als weitere Schlüssel-Elemente die Sozial-Verantwortlichkeits-Programme und die multikulturelle Umgebung genannt.845 Die inhaltlichen erzieherischen Schwerpunkte lassen sich hieraus klar ableiten (Näheres hierzu siehe Kap. 3). Eine alleinige Ausrichtung auf akademische Lerninhalte besteht demnach weder an der ISD noch an den UWC; beide verfolgen einen ganzheitlichen Erziehungsansatz.

 Leitgedanke Völkerverständigung. Wie bereits oben unter Punkt „Differenzen – Innerer Rahmen“ ausgeführt, setzen sich die United World Colleges als oberstes Ziel, Menschen, Nationen und Kulturen zum Frieden und einer nachhaltigen Zukunft zu verbinden. Die International School of Düsseldorf sieht ihre erste Priorität darin, den Schülern ein herausforderndes, aber auch unterstützendes akademisches Programm zu bieten. „We (…) believe it is important to provide our students (…) with a challenging academic program in a caring environment. (…) We will encourage students to achieve their potential in all areas of learning.“846 Gleichwohl findet sich aber auch in der ISD-Philosophie die Überzeugung von der Wichtigkeit internationaler Verständigung, da die Schule dieses Ideal ebenfalls in ihre Philosophie mitaufgenommen hat: „We believe in the ideals of international understanding (…).“847 Was können nun die ISD-Schüler aus dem Schulbesuch für ihr späteres Leben in Bezug auf internationale Verständigung mitnehmen, was trägt der Schulbesuch zum Verständnis und zum Umgang mit internationalen und interkulturellen Situationen bei? Schulleiter Neil McWilliam erklärt: „It is a really good question and it is difficult to know the answer until you can see the children years after their leave. (…) If I had to focus on one thing, it would be that when our kids leave this school, they see people. They dont`t see skin colour or dress or culture or religion or anything. They just see people, because they are surrounded by so many people. And because this is an environment where everybody is so different, these students recognise themselves as just another different person. (…) I think, that idea of people working person to person goes over the top of cultural barriers and makes for a more interculturally aware and interculturally able person.” Die Zusammenarbeit (auf multinationaler Ebene) führt zu interkulturell bewussten und kompetenten Menschen – was sich laut McWilliam also auch an der ISD zeigt. An dieser Stelle sei aus einem Vortrag des ehemaligen IBO-Generaldirektors George WALKER aus dem Jahr 2001 zitiert, der bezweifelt, dass es irgendwo auf der Welt eine internationale Schule gibt, deren Ausführungen in ihrer Schulbroschüre nicht denen der United World Colleges ähnlich wäre. Er erklärt:

845 Vgl. 2009 United World Colleges (International): „A UWC education”. www.uwc.org/our_colleges_a_uwc_education.aspx (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). Siehe auch Fußnote 837. 846 International School of Düsseldorf e.V.: „Philosophy”. www.isdedu.eu/DirWhatWeLearn/philosophy.htm (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 220

„The main goal of the United World Colleges is, to quote their mission statement, to ‘encourage young people to become responsible citizens, politically and environmentally aware, committed to the ideals of peace, justice, understanding and cooperation …’ and I doubt if there is an international school in the world without a similar statement in its brochure. (…); learning to live together has always been one of the main socialising aims of attending school. But as the world shrinks (…), the challenge has assumed a new dimension.”848

Auch LOSER erläutert mit Verweis auf KOHL, dass eine der Gemeinsamkeiten der voll ausgebauten Internationalen Schulen darin liegt, „über den Unterricht – in der Regel in Englisch – eine Erziehung anzustreben, die auf ,Völkerverständigung’ und ,vorurteilsfreie Toleranz’ ausgerichtet ist (Kohl, 1986).“849 Auch bei Durchsicht eines Berichtes der International Schools Association (ISA) aus dem Jahr 1985 ist zu erfahren, dass „international understanding“ als eines der Curriculum-Ziele formuliert wurde.850 Es bleibt festzuhalten, dass zwar an allen Internationalen Schulen – aus der Natur der Sache heraus – interkulturelle Erziehung stattfindet, die zu „a more interculturally aware and interculturally able person“ (McWilliam, siehe oben) beiträgt. An den UWC wird der Nationenmix jedoch ganz bewusst herbeigeführt, das heißt, er ist Mittel zum Zweck der Völkerverständigung.

6.3.2.4 Parallelen – Äußerer Rahmen  Internationale Schüler- und Lehrerschaft. Sowohl die UWC als auch die ISD zeichnen sich durch das Merkmal einer internationalen Schüler- und Lehrerschaft aus. An den meisten UWC sind im Schnitt 70 verschiedene Nationalitäten repräsentiert.851 An der ISD sind laut Neil McWilliam in der Schülerschaft 51 Nationen vertreten, in der Lehrerschaft 35. McWilliam: „Children here grow up with 51 different nationalities of students and with 35 different nationalities of teachers. So they grow up in a mini United Nations.”

 Angebotener Schulabschluss: IB-Diplom. Die ISD bietet ebenso wie die UWC (außer dem Simón Bolívar UWC of Agriculture/Venezuela; vgl. Kap. 2.7.1) das International Baccalaureate-Diplom als Schulabschluss an. Dementsprechend wird nach dem gleichen Lehrplan unterrichtet.

 „Nationale Abende /Tage“. Die Umsetzung kultureller Erziehung lässt sich bei den UWC unter anderem am Beispiel der „National Evenings“ (s. Atlantic College) beziehungsweise „National Days“ (s. Pearson College; vgl. Kap. 3.2.2) oder dem „United Nations Evening“ am UWC of South East Asia/Singapur

847 International School of Düsseldorf e.V.: „Philosophy”. www.isdedu.eu/DirWhatWeLearn/philosophy.htm (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 848 G. Walker (2001): „Learning to live with others“. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 129. 849 F. Loser: „Die Internationalen Schulen“. Verweis auf Kohl, Gaby: Die Schulen mit Internationalem Bakkalaureat-Abschluß in der Bundesrepublik Deutschland. Diplomarbeit, Universität Osnabrück 1986. In: Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 245. 850 „These aims [of curriculum activities; Anm. d. Verf.] could be summarized as follows: (…) – to create international understanding and an open mind to the world as a whole, its conflicts and problems, often due to the rapid changes of our modern society.” In: International Schools Association: An international curriculum – Its development and content. Report from the ISA Conference 1985, Wessesley, Massachusetts, USA, S. 4. 851 „At most Colleges, an average of 70 different nationalities are represented at any one time, (…).“ 2009 United World Colleges (International): „Our Colleges”. www.uwc.org/who_we_are/our _colleges.aspx (Datum des Zugriffs: 21.8.2009). 6.3 Ein Vergleich zwischen den UWC und der ISD 221

festmachen. Auch an der ISD stellen sich einzelne oder mehrere Nationen in bestimmtem Rahmen und an bestimmten Tagen vor, um ihre Kultur zu präsentieren, sie Anderen näher zu bringen und diese Verschiedenartigkeit auch bewusst zu feiern. McWilliam: „Usually it is set at the initiative of the community from that country. We have had celebrations of Korean national day, we had a Japanese day a while ago with all the girls dressed up in kimonos and the little children played Japanese games, they ate Japanese food. And of course we have a May fest, an international fest which is in May every year where each nationality celebrates itself. And they dress up in their costumes, and they sell the food from that country and we had national dances and that is the one day when we truly celebrate our diversity.”

Fazit:

Die Internationalen Schulen wurden aufgrund allgemein gestiegener Mobilität in einer zunehmend globalisierten Welt gegründet. Häufige Schulwechsel in unterschiedliche Länder sollten für die Kinder aus hochmobilen Familien erleichtert werden. Dies trifft auch für die Internationale Schule Düsseldorf zu. Dagegen wurden die Atlantic Colleges ins Leben gerufen, um auf dem Feld der Pädagogik Gegenakzente zu einem weltweit politisch angespannten Klima zu setzen. Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Gründungsmotive sind auch die unterschiedlichen Ausrichtungen beziehungsweise Philosophien zu sehen, selbst wenn an einigen Punkten Überschneidungen zu erkennen sind. Die UWC können als spezialisierte Form von Internationalen Schulen angesehen werden: Sie sind originär friedenspädagogisch ausgerichtet.

Die Gemeinsamkeiten zwischen den UWC und der ISD sieht Neil McWilliam in drei Hauptelementen: „The idea of the global nature of education, the idea of the absolute relevance of service to a modern curriculum, the idea of a holistic approach to education – those would be the three major elements. I think, there is a strong similarity between a good international school and the UWC.” 7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf 222

7 Diskussion Die Betrachtung der United World Colleges verlangt aber nicht nur eine Standortbestimmung im Kanon anderer Internationaler Schulen (Kap. 6), woraufhin sie als eine spezialisierte Form eben solcher gesehen wird. Sie fordert vielmehr auch zu einer internen Betrachtung auf – sowohl in einem Rückblick als auch in einem Blick nach vorn. So geht es in Kapitel 7 einerseits darum, in einer internen Betrachtung möglicherweise stattgefundene Modifikationen bezüglich ihrer pädagogischen Inhalte und Ziele im Laufe der Zeit aufzuspüren. Darüberhinaus gilt es andererseits perspektivisch zu diskutieren, worin die UWC Vorbild- beziehungsweise Modellcharakter haben könnten für andere Schulsysteme. Unter diesen Vorgaben werden folgende zwei Fragestellungen erörtert und diskutiert:

• Inwieweit stimmen die ursprünglichen Ziele und pädagogischen Ideen der UWC mit den aktuellen überein? Hat eine Neuorientierung stattgefunden?

• Welche pädagogischen Ideen der UWC könnten Vorbildcharakter haben für andere Schulsysteme?

In die Diskussion fließen zum Teil Erkenntnisse aus der vorangegangenen Literaturanalyse (Kap. 2, 3, 4) sowie Ergebnisse aus der vorliegenden Befragung unter ehemaligen deutschen UWC-Schülern/-innen (Kap. 5) ein.

7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf Bei der Innenbetrachtung stehen die Ziele und Ideen der United World Colleges im Mittelpunkt. Wenn es um die Frage geht

• Inwieweit stimmen die ursprünglichen Ziele und pädagogischen Ideen der UWC mit den aktuellen überein?, müssen im historischen Kontext Ausgangslage und Gegenwart betrachtet werden, um den Grund für eventuell stattgefundene Neuorientierungen im Schulkonzept ausfindig zu machen. Die Erörterung ursprünglicher und aktueller Ziele und Ideen ist insofern relevant, als dass sich in deren Wandel auch eine Anpassung an neue Entwicklungen ableiten lässt. Das heißt: Zeigt sich das Konzept flexibel, um auf wechselnde Anforderungen der Zeit reagieren zu können?

Eine jede Zeit ruft mit ihren spezifischen sozialen Ausprägungen und politischen Geschehnissen Reaktionen auf diese hervor. Auch im Fall der United World Colleges, zunächst Atlantic Colleges genannt, war dies so. Sie sind die pädagogische Reaktion auf die damaligen politischen Verhältnisse. Sie sind das Produkt einer berechtigten Sorge, die sich aus dem historischen Kontext heraus ableiten lässt: Zur Zeit der ersten Schulgründung (1962) hatte der Kalte Krieg seinen Höhepunkt erreicht, ein Gegengewicht auf dem Feld der Pädagogik sollte aufgebaut werden. Zudem spielten die schmerzlichen Erfahrungen aus den zwei vorangegangenen Weltkriegen eine erhebliche Rolle (s. Kap. 2.2.1). Fragt man nun nach veränderten UWC-Zielen, so gilt es zu schauen, ob und 7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf 223 inwieweit sich die politischen Bedingungen von der Gründung an bis heute verändert haben, die eine eventuelle Neuorientierung im pädagogischen Konzept hätten notwendig erscheinen lassen.

In ihrem Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert erklärt die UNESCO-Kommission ob der politischen Entwicklung:

„Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 wurde das Ende des Kalten Krieges eingeläutet, der die Jahrzehnte davor stark geprägt hatte. Trotz dieses historischen Umbruchs ist die Welt paradoxerweise nicht sicherer, sondern unsicherer, komplexer und vielleicht sogar gefährlicher geworden. Es mag stimmen, daß der Kalte Krieg lange Zeit latente Spannungen zwischen Nationen, ethnischen Gruppen und religiösen Vereinigungen verdeckt hat. Diese Konflikte brechen jetzt in zahlreichen Regionen wieder auf und schaffen damit neue Konflikte und Unruheherde.“852

Demnach besteht das allgemeine Motiv (Konflikte/Unruhen zwischen Nationen) weiterhin, auch wenn die United World Colleges primär unter dem Eindruck des Kalten Krieges gegründet wurden. Die Welt sei sogar, so bewertet es die UNESCO-Kommission, unsicherer geworden. Demnach ist die Forderung nach internationaler Völkerverständigung trotz Ende des Kalten Krieges ungebrochen notwendig; die Förderung der Völkerverständigung – auch auf pädagogischer Ebene – ebenso. Diese Einschätzung wird untermauert durch die UNESCO-Kommission, die in ihrem Bericht erklärt, dass es noch nie ein so stark ausgeprägtes Gefühl von Solidarität gegeben habe, „gleichzeitig aber auch noch nie so viele Gründe für Konflikte und Auseinandersetzungen“853. Es kann festgestellt werden, dass das ursprüngliche Ziel der Colleges, die internationale Völkerverständigung, heute noch so aktuell ist wie ehedem. Dieses Ziel dürfte mit steigender Populationsdichte und wachsender Globalisierung wohl immer stärker in den Fokus rücken.854

Eine gewisse Veränderung in der Zielsetzung der United World Colleges ist dennoch auszumachen. Der ehemalige Generaldirektor der International Baccalaureate Organization, Alec PETERSON, weist beim Blick auf die zweite Dekade der UWC-Bewegung auf die Entwicklung neuer Ziele hin, da man Gründe für einen Krieg nun mehr in der Ausbreitung des Hungers und in Nord-Süd-Spannungen sah denn in traditionellen Konflikten zwischen Nationalstaaten, die durch Diplomatie zu verhindern wären:

„For the United World Colleges (…) the second decade produced new developments in terms of objectives, of public and private status, and of decentralisation. Of these the most fundamental was in the field of objectives and owed its initiative to UWC’s new president, the Prince of Wales [er wurde 1978 UWC-Präsident; Anm. d. Verf.]. To Kurt Hahn and to

852 Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.): Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum. Neuwied 1997, S. 37. 853 Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.): Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum. Neuwied 1997, S. 38. 854 Myong Won Suhr, Mitglied der UNESCO-Kommission und ehemaliger Bildungsminister der Republik Korea, drückt in seinem persönlichen Kommentar die Notwendigkeit zu offener Politik und offener Erziehung der zukünftigen Weltbürger im globalen Dorf aus, da es sozusagen keine nationalen Grenzen mehr gebe: „Wir sind in ein Zeitalter eingetreten, in dem es sozusagen keine nationalen Grenzen mehr gibt. Die Völker der Welt müssen zusammenleben, ob sie das wollen oder nicht. Wir alle müssen diese Tatsache verstehen und die zukünftigen Weltbürger entsprechend erziehen. Es obliegt somit den staatlichen und nichtstaatlichen Organen, die Bedeutung einer offenen Politik und offener Bildung und Erziehung zu betonen.“ M. W. Suhr: „Öffnen wir uns für die Vorstellung von einem besseren Leben für Alle“. In: Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.): Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum. Neuwied 1997, S. 211. 7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf 224

Mountbatten the contribution that the United World Colleges movement could make to world peace and international understanding lay in educating a generation of potential leaders or ‘animateurs’ at all levels who had the understanding and the commitment to work for these causes, particularly in international relations, and who, through the rescue services, ‘the moral equivalent to war’, had developed their common love of all humanity and their readiness to face a challenge; but things were changing. Some people saw the long-term danger of war more in the spread of hunger and in the tension between the rich countries of the North and the poor countries of the South than in traditional conflicts between developed nation-states which might be avoided through diplomacy. Others wondered whether there were not other things than death by water or cliff from which men and women needed rescue. Could not the UWC movement contribute more directly to tackling some of the world’s great human problems?”855

Bereits in Kapitel 2.6.1 kam die Ausrichtung an Herausforderungen durch die Situation in der „Dritten Welt“ zur Sprache. Mit der Gründung des Simón Bolívar United World Colleges of Agriculture in Venezuela wurde ein neuer UWC-Typ eingerichtet, bei dem es neben dem Hauptmotiv der Schule vor allem um den Einsatz gegen ländliche Armut und Umweltzerstörung geht (s. Kap. 2.7.2, Fußnote 424). Im Zusammenhang mit dem UWC of Agriculture in Venezuela ist der zweite UWC-Präsident, der Prince of Wales, zu nennen. Das Simón Bolívar United World Colleges of Agriculture dankt dem damaligen UWC-Präsidenten dafür, in die UWC-Familie aufgenommen worden zu sein. Es schreibt:

„ (…) thanks to the role played by HRH The Prince of Wales, the college officially became the first centre for vocational education within the UWC family of colleges. Some years later, at the petition of the college, the Prince accepted to be named as the founder of the college.”856

PETERSON erinnert daran, dass sich der Prince of Wales auf einem Staatsbesuch im März 1978 mit dem Präsidenten von Venezuela getroffen hatte, und mit ihm die Gründung eines UWC of Agriculture „as a contribution, however small, to tackling the problem of world hunger“857 diskutierte. Damit wurde eines der „world’s great human problems“, die Peterson im oben zitierten Buchauszug anspricht, angegangen. Des Problems des weltweiten Hungers, vor allem des Hungers in der Dritten Welt, hätte sich nach Ansicht von Desmond Hoare, dem ersten Schulleiter des Atlantic College (s. Kap. 2.4.3), sicher auch Kurt Hahn angenommen. HOARE erklärt:

„If his [Hahns; Anm. d. Verf.] strength had lasted another ten years he would I am sure be pushing the Atlantic College project into the problems of 1980, especially the problem of

855 A.D.C. Peterson: „The second Decade and today”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 168. 856 Simón Bolívar United World College of Agriculture: „History of SB UWC” (Unterverzeichnis „About”). www.sbuwc.uwc.org/About.htm (Datum des Zugriffs: 25.8.2009). 857 A.D.C. Peterson: „The second Decade and today”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 169. 7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf 225

world hunger in the Third World. His passion for rescue as an educational force could not have led him elsewhere.”858

Um retten zu können – was mittlerweile eher als „helfen“ zu verstehen ist –, galt es schließlich, auf weiteren großen Problemfeldern, auf denen Hilfe nötig und direkte Einflussnahme möglich war, tätig zu werden.859 Die breit gefächerte Palette der Sozialdienste, in denen sich die UWC-Schüler/-innen heute engagieren, zeigt die mannigfaltigen Problembereiche auf – von der Betreuung von Waisenkindern über Häuserbau für sozial schwache Familien bis hin zur Mitarbeit in einem Naturschutzgebiet (s. Anhang D, Kap. 9.4, Frage 55). Somit weiteten die UWC ihren Aktionsraum sogar aus und setzen dabei ihre Schüler auch weiterhin dort ein, wo „Not am Mann“ ist.

Am United World College of Costa Rica (eröffnet 2006) zeigt sich eine „moderne“ Ausrichtung; wird hier doch mit der so genannten Umwelt-Säule eine neue Ausrichtung und ein neuer thematischer Schul-Schwerpunkt vertreten. Der eher abstrakte Begriff einer „nachhaltigen Zukunft“, von dem im heutigen UWC-Mission Statement860 die Rede ist („sustainable future“), erhält damit ein konkretes ökologisches Gesicht. Das Mission Statement ist nicht einzig auf die friedliche Koexistenz unterschiedlicher Völker und Kulturen im globalen Dorf zu beziehen, sondern auch in Hinsicht auf einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen, Flora und Fauna.861 Das UWC of Costa Rica nennt ausdrücklich auch das Ziel, junge Menschen als Natur- /Umweltschützer zu erziehen:

„Our goal is to educate young people with strong ethical and moral beliefs, as environmental conservationists als well as defenders of peace in a multicultural world.“862

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass nicht nur am UWC of Costa Rica Umweltdienste absolviert werden können. So steht beispielsweise am Armand Hammer UWC of the American West (USA) im Community Service Program der „Forest Service“863 im Angebot. Ebenso fußt das Programm des Red Cross Nordic UWC (Norwegen) auf drei Säulen: auf der humanitären, auf der die Umwelt betreffenden und auf der nordischen.864 Das College

858 D. J. Hoare: „The Atlantic College – St Donat’s Castle”. In: D. A. Byatt (Hg.): Kurt Hahn. Gordonstoun School 1976, S. 61. 859 PETERSON zitiert ein Statement aus dem Report der Konferenz von Ditchley Park, die der Prinz von Wales als eine seiner ersten Handlungen als UWC-Präsident einberief: „”The importance of rescue services should not be over-emphasised; the crucial considerations are the provision of services that are really needed and the fostering of good links with the local community. There is need for broad and progressive interpretations of the role and nature of service, particularly of the ideas of rescue and challenge, which might mean rescuing the disadvantaged from social problems.”” A.D.C. Peterson: „The second Decade and today”. In: A. D. C. Peterson: Schools Across Frontiers. Chicago 22003, S. 169. 860 Das UWC Mission Statement lautet: „UWC makes education a force to unite people, nations and cultures for peace and a sustainable future.” Vgl. Fußnote 431. 861 An dieser Stelle muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass auch bereits im vorherigen und ausführlicher formulierten UWC Mission Statement vom politisch und umweltbewussten („environmentally aware“) Bürger die Rede ist. Hier heißt es: „Through international education, shared experience and community service, United World Colleges encourages young people to become responsible citizens, politically and environmentally aware, committed to the ideals of peace, justice, understanding and cooperation, and to implement them through action and personal example.” Statsbygg (Hg.): Red Cross Nordic United World College Fjaler. Report Nr. 489/1995. Oslo, 1995. Prospekt, S. 4. 862 United World College Costa Rica, 2006: „History“. www.uwccr.com/history.php (Datum des Zugriffs: 26.8.2009). Vgl. Kap. 2.7.2, Fußnote 428. 863 Zur Beschreibung dieses Dienstes heißt es: „Students help prevent forest fires by trimming trees and plant trees to promote a more stable ecology in the surrounding area, learning basic forest management.“ United World College – USA: „United World College. Student Community Services 2008-2009”. www.uwc-usa.org/ftpimages/423/download/CAS 08-09.pdf (Datum des Zugriffs: 27.8.2009). 864 Über das Extra-Academic Program heißt es beim Red Cross Nordic UWC: „Our program focuses on the three pillars of the College: Humanitarian, Environmental and Nordic.“ RCNUWC 2008: „Extra-Academic Program”. www.rcnuwc.no/extra-ac.html (Datum des Zugriffs: 27.8.2009). Hier gibt es über 40 verschiedene Angebote für die so genannten „EAC`s“ (Extra-Academic Commitments). „EAC’s cover the three aspects of CAS (Creativity, Action and Service) and the three Pillars of the College (Environmental, Humanitarian and Nordic) to various degrees.“ RCNUWC 2008: „Extra-Academic Program”. www.rcnuwc.no/extra-ac.html (Datum des Zugriffs: 27.8.2009). Unter den EAC’s finden sich Gruppen wie „Nature & Youth” oder „Ozonizers”, die sich mit Umweltthemen beschäftigen und auf diesem Gebiet aktiv werden. 7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf 226 selbst unterstreicht auch seine spezielle Gewichtung – neben humanitären Belangen die umweltbezogenen.865 Welche unterschiedlichen Umweltdienste – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Schulgeländes – von ehemaligen deutschen UWC-Schülern an „ihrem“ UWC geleistet wurden, ist Anhang D/Frage 55 zu entnehmen.

Es bleibt festzuhalten, dass die UWC die Hilfsangebote für die dringenden humanitären Probleme ihrer lokalen/regionalen Schulumgebung in ihr Programm aufgenommen haben; sie nehmen die Bedürftigkeit der Menschen, in deren Mitte sie existieren, wahr und reagieren mit praktischer Hilfestellung. So richten sich beispielsweise die sozialen Dienste, in denen die UWC-Jugendlichen tätig sind, nach den speziellen Bedürfnissen, die sich aus der Situation der lokalen Bevölkerung ergeben. Die Schüler kommen zum Beispiel in Waisenhäusern, Suppenküchen und Krankenhäusern zum Einsatz. Im Laufe der Zeit ist mit steigender UWC-Anzahl auch die Vielfalt der Einsatzgebiete gestiegen, da jedes College bezogen auf seine standortspezifischen Gegebenheiten entsprechend unterschiedlich agiert. Doch auch die globalen Umweltthemen haben ins Service-Programm Einzug gehalten und werden hinsichtlich der lokalen Gegebenheiten transformiert. Gleichzeitig wurde das gemeinsame und oberste Ziel der Colleges, der Beitrag zur internationalen Völkerverständigung, zu keinem Zeitpunkt aus den Augen verloren. Letztlich dienen auch die Dienste, die das Herzstück der Hahn’schen Pädagogik ausmachen, diesem oberen Ziel. So ist die Weiterfassung servicebezogener Angebote, die die UWC im Laufe der Zeit seit ihrer Gründung vorgenommen haben, als wichtig und zielführend auch hinsichtlich des orginären Zweckes anzusehen.

Der Plan, den Kurt Hahn ursprünglich für die Atlantic Colleges vorsah und den er 1957 in seiner Rede auf einer Plenarsitzung der Atlantischen Konferenz in Brügge vorstellte866, wird an einigen Punkten ganz konkret auf Unterschiede zum heutigen Angebot abgeklopft und zur Diskussion gestellt. Die Zitate aus dieser Rede sind kursiv abgedruckt; daran schließen sich eine Erörterung sowie die Meinung der Verfasserin der vorliegenden Arbeit an.

 „Bevor ich in Einzelheiten gehe, möchte ich Ihnen Rechenschaft geben, wie wir die seelische Lage der heutigen Jugend diesseits und jenseits des ,Eisernen Vorhangs’ beurteilen. (…) Ich behaupte, daß die Haltung der Jugend in der gesamten atlantischen Gemeinschaft Anlaß zu großer Sorge geben sollte, ebenso aber zu großer Hoffnung. (…) Die heranwachsende Jugend in der freien Welt scheint nicht nur gleichgültig zu sein gegenüber unserer gemeinsamen Sache, sondern überhaupt jeder gemeinsamen Sache gegenüber. Sie zeigt keine Bereitschaft zu irgendwelcher Hingabe. In Deutschland blüht die ,Ohne- mich-Bewegung’, (…). (…) Zu viele junge Leute in der freien Welt gehen aus ihrer Entwicklungszeit hervor als gesetzlose oder als teilnahmslose Menschen. (…) Den Gesetzlosen fehlt es oft an jeder Menschlichkeit. Woher kommt das? Unsere jungen Leute sind umgeben von einer Reihe sozialer Seuchen,

865 „The Nordic College, with a special emphasis on environmental and humanitarian concerns, (…).“ RCNUWC 2008: „About RCNUWC”. www.rcnuwc.no/about.html (Datum des Zugriffs: 27.8.2009). 866 Die Rede wurde im Wortlaut unter dem Titel „Ein europäischer Schulplan“ (Dachzeile: Atlantikschulen der Nationalitäten) veröffentlicht in der politischen Monatsschrift: Der europäische Osten. 5. Nr. 51 (1959), S. 37-43. Sie wurde auch – allerdings in Auszügen – unter dem Titel „Schulen der Nationalitäten“ (Unterzeile: Der Plan für die United World Colleges) publiziert in dem von Michael Knoll herausgegebenen Buch: Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 280-285. Unter demselben Titel, aber in einer weiter verkürzten Fassung, hat Knoll die Rede veröffentlicht in dem Buch: Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie. Stuttgart 1986, S. 87-90. Die in diesem Kapitel 7.1 herausgegriffenen Zitate entstammen aus der Zeitschrift „Der europäische Osten“. 7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf 227

gegen die die herrschenden Erziehungssysteme noch keine Gegengifte entwickelt haben. Wir haben einen Verfall der körperlichen Tauglichkeit, verursacht durch die modernen Methoden der Fortbewegung. Wir haben den Verfall der Initiative als Folge der weitverbreiteten Krankheit ,Spectatoritis’, der Zuschauerkrankheit. Wir haben vor allem den Verfall des Erbarmens, zu dem die unziemliche Hast des modernen Lebens so viel beiträgt.“ Kurt Hahn nahm zunächst eine Bestandsaufnahme, eine „Diagnose“ des Zustands der Jugend vor, die ihn zu der von ihm initiierten „Erlebnistherapie“ führte (vgl. Kap. 4.3). Es stellt sich die Frage: Käme Kurt Hahn auch heute zu derselben Diagnose? Ist es wohl seiner Meinung nach auch heute noch nötig, mit „Gegengiften“ zu „heilen“? Es steht zu vermuten: ja. Schließlich entwickeln sich mit dem Fortschritt auch seine Folgen. Zum einen hat der technische Fortschritt zu einer noch weiterentwickelteren Form der von Hahn bereits beklagten „modernen Methoden der Fortbewegung“ geführt. Zum anderen dürfte auch die Intensität und Ausbreitung der schon von Hahn diagnostizierten „Zuschauerkrankheit“ aufgrund der steigenden Anzahl immer differenzierterer und technologisch weiterentwickelter moderner Medien zugenommen, gar noch weiter ausgebreitet haben. Insofern ist die Ausgangslage relativ gesehen gleich. Und wer mag behaupten, dass die „Hast des modernen Lebens“ abgenommen hat? Lediglich die von Hahn verwendeten Begriffe müssten in die heutige Sprache transponiert werden: Sprach Hahn vom „Verfall“ der „körperlichen Tauglichkeit“, der „Initiative“ und des „Erbarmens“, so wären die Begriffe zu übersetzen in Abnahme von Fitness, Engagement und Empathie.

 „Etwa 3000 Jungen wären in den verschiedenen Internaten zu versammeln, sie wären sorgsam auszuwählen ohne Rücksicht auf soziale Herkunft und die finanzielle Lage ihrer Eltern. Die Jungen würden aus den fünf Natoländern kommen, aus neutralen Ländern, später vielleicht aus Polen und anderen Satellitenländern, und eines Tages, so hoffen wir, auch aus Rußland. Jedes interessierte Land würde eine Gruppe senden, begleitet von einem Fachlehrer der jeweiligen nationalen Sprache und Geschichte.“ Zu diesem Redeausschnitt sind vor allem zwei Punkte anzumerken. Punkt 1: Hahn sprach zu keinem Zeitpunkt in der Rede von Koedukation an den „Atlantischen Internaten“. In der vorliegenden Rede ist ausschließlich von „Jungen“ (insgesamt 14 Mal)867 die Rede, die „in den verschiedenen Internaten zu versammeln“ wären. Erst fünf Jahre nach der Gründung des ersten Colleges, im September 1967, wurde die Schule für die ersten Mädchen geöffnet.868 Einen Grund, warum der Zugang zu den Colleges Mädchen hätte verwehrt bleiben sollen, sieht die Verfasserin nicht, obliegt die Aufgabe internationaler Völkerverständigung schließlich nicht nur dem einen oder dem anderen Geschlecht. Auch

867 In der Rede über den Plan für die Atlantik-Schulen verwendet Hahn den Begriff „Jugend“ am häufigsten (17 x), oder auch „junge Leute“ (2 x), „junge Menschen“ (1 x), „werdende Menschen“ (1 x). Nur einmal spricht er auch von jungen Frauen, nämlich wenn es um das allgemeine Beispiel des guten Samariters geht. Hahn sagt: „Heute sieht eine betrogende Jugend in Rußland und in den Satelliten-Ländern nach dem Westen, voll Sehnsucht und Mißtrauen zugleich und stellt die beschämende Frage: ,Ist es Euch ernst um die Ideale, die Ihr verkündet?’ Wer soll die Antwort geben? Ich sage: Freie, junge Männer und Frauen, die bereit sind, es dem guten Samariter gleich zu tun.“ 868 David SUTCLIFFE erinnert, wie es dazu kam: „In June 1965 the headmaster gave an interview to a journalist. He was asked the increasingly common question as to how, with all its ideals, the College could continue to exclude one half of humanity. He replied that, if someone would give him £40,000, he would commission a girl’s dormitory the next day. (…) On Thursday of the same week a cheque for £40,000 arrived from an American couple living on Lake Como who were hitherto unknown to us, Mr and Mrs P.H. Maresi. (…) In the event, the £40,000 donated by Mr and Mrs Maresi was spent on other needs against the promise that girls would be admitted as soon as practicabel. (…) The headmaster obtained the agreement of the chairman of governors to the experimental entry in September 1967 of a small number of day girls.” D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges”. In : R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 102 f. 7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf 228

die akademischen Grundvoraussetzungen, die mit dem Erreichen eines international anerkannten Abiturs gegeben werden, müssen sowohl männlichen als auch weiblichen Absolventen gleichermaßen ermöglicht werden. Ein Unterricht getrennt nach Geschlechtern wäre zumindest in Hinblick auf die gesetzten Ziele nicht nachvollziehbar und vertretbar. Somit lag die Koedukation auf der Hand und musste nach Meinung der Verfasserin zwangsläufig – über kurz oder lang – eingeführt werden. Punkt 2: Der Kreis derjenigen Länder, aus denen die Schüler ursprünglich rekrutiert werden sollten, hat sich – ganz im Sinne des Schulzwecks – global ausgeweitet. „Jedes interessierte Land würde eine Gruppe senden“, hatte sich Hahn vorgestellt. Dass heute nationale Kommitees (vgl. Kap. 2.6.3) weltweit in über 120 Ländern869 tätig sind und damit eine entsprechende Anzahl von Ländern ihr Interesse an der Umsetzung dieses Schulkonzeptes bekunden sowie ihre Unterstützung demonstrieren, dürfte wohl die Hoffnungen Hahns weit übertroffen haben. Dieses weit gespannte Netzwerk kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass die UWC-Ausrichtung wahrhaft global und damit supranational angelegt ist. Hahns Hoffnung, dass eines Tages auch aus Russland Schüler an den Colleges vertreten sein würden, hat sich erfüllt: Es existiert heute auch ein „National Committee of Russian Federation“870 in Moskau. „Wir glauben“, so erklärt Hahn abschließend in seiner Rede, „daß es an der Atlantischen Gemeinschaft ist, den sammelnden Weckruf erklingen zu lassen.“

 „Der Stundenplan wird (…) Betätigungen einschließen, die Initiative und Tatkraft verlangen, die Zähigkeit des Durchhaltens, Umsicht und Voraussicht üben: Durch Expeditionen in die Berge oder Fahrten auf hoher See in Segelschiffen. Wir wollen diese Kräfte planmäßig entwickeln und zum Einsatz in der Not der Mitmenschen bringen. Das kann am besten geschehen durch eine sorgsame Ausbildung in verschiedenen Zweigen des Rettungsdienstes mit dem Ziel, die Jungen fähig zu machen, sich im Ernstfall zu bewähren, als Mitglieder der Feuerwehr, der Küstenwache oder der Bergwacht.“ Die Inhalte, die Kurt Hahn für das „Herzstück“ seines Programms vorsah, wurden zum Teil durch andere ersetzt. Wie bereits in Kap. 4.3.4 ausgeführt, kommt das CAS-Element „Service“ als Fortführung des urspünglich als Rettungsdienst angelegten Elements heute an den Colleges in unterschiedlichen Variationen zur Anwendung.871 Das UWC of the Atlantic als Gründungs-College ist dem ursprünglichen Inhalt treu geblieben; hier ist der Rettungsdienst weiterhin ein Schwerpunkt. Die vorliegende Befragung unter ehemaligen deutschen UWC-Schüler/-innen (Kap. 5) ergab: Fünf der 43 Personen, die auf die Frage „Welche Art von Service hast Du im Rahmen des CAS-Programms geleistet?“ antworteten, gaben einen

869 2009 United World Colleges (International): „Our National Committees“. www.uwc.org/who_we_are/our_national_committees.aspx (Datum des Zugriffs: 29.8.2009). 870 Die Homepage des Kommitees lautet: www.rncuwc.narod.ru. Die komplette Adresse befindet sich im Internet unter: 2009 United World Colleges (International): „Russian Federation”. www.uwc.org/how_to_apply/find_your_national_committee/russian_federation.aspx (Datum des Zugriffs: 29.8.2009). 871 Bereits 1986 machte HÄNDEL auch für die Kurzschulen einen Rückzug der Rettungsdienste aus, sah aber darin kein Defizit, weil das Grundthema viele Variationen zuließe: „Durch die Professionalisierung der Rettungsmethoden ist dieser Programmteil heute in den Hintergrund getreten, ohne eine Lücke zu hinterlassen. Denn das Grundthema, die Hinwendung zum Nächsten, bei HAHN durchaus bewußt im christlichen Sinne, läßt viele Variationen zu. Noch bis in die späten sechziger Jahre hinein begann an allen Kurzschulen der Welt jeder neue Kurs mit der Lesung des Gleichnisses vom Barmherzigen Samariter.“ U. Händel: „Die Kurzschulen – ein außerschulisches Bildungsprogramm“. In: H. Röhrs (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute. Düsseldorf 1986, S. 373. 7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf 229

klassischen Rettungsdienst872 an. Drei der Fünf absolvierten den „Lifeguard Service“ am Atlantic College873, die Vierte war im „First Aid Team“ am Red Cross Nordic UWC874 und der Fünfte bei der Feuerwehr des Mahindra UWC of India875. Doch selbst an den Colleges, an denen die klassischen Rettungsdienste im Sinne Hahns angeboten werden, ist die Teilnahme für die Schüler an diesen Diensten nicht verpflichtend. Die Schüler können unter vielen weiteren Angeboten wählen. Das Hahn’sche Konzept des Rettungsdienstes als Möglichkeit der Bewährung im Ernstfall (bei Brand, See- oder Bergnot) wird nicht durchgängig an den Colleges umgesetzt. An seine Stelle treten die Sozialdienste, bei denen aber das Motiv des „Guten Samariters“ ebenso zum Tragen kommt. Die meisten der befragten UWC-Absolventen sahen denn auch eine echte Bewährungsprobe bei der Ausübung des Dienstes nicht in der Bewährung als Mitglieder von Feuerwehr, Küstenwache oder Bergwacht – wie es Hahn vorsah –, sondern vor allem in der seelischen Herausforderung bei der Arbeit mit alten oder behinderten Menschen oder aber auch beim Überwinden von Kommunikationsproblemen aufgrund von Sprachbarrieren (siehe Anhang D, Frage 58). Die „Bewährung im Ernstfall“ erfolgt zwar auch heute noch, jedoch überwiegend im Rahmen eines „sozialen Ernstfalls“. Das Element unwägbarer Natureinflüsse fehlt dabei. Hahn forderte, dass der Rettungsdienst zu einer „ernsten Wirklichkeit“ werden müsse. „Das heißt“, so erklärt Hahn, „die jungen Menschen müssen erwarten dürfen, daß sie als Männer in Not und Gefahr eingesetzt werden.“ Andererseits basiert die Notwendigkeit von Einsätzen in den Sozial- oder Gemeinschaftsdiensten auch auf realen Nöten. Die Hand des Helfers ist auch hier nötig. Die Frage der Rückwirkung einer jeweiligen und stets auch subjektiv unterschiedlich wahrgenommenen Notsituation auf den Helfenden wird an dieser Stelle nicht weiter vertieft. Dass eine starke emotionale Wirkung beim Helfer erwartet werden kann, je mehr dieser selbst in die (reale Gefahren- oder Not-) Situation involviert ist, dürfte aber auf der Hand liegen. Der Schüler begibt sich in eine Situation, die ihn ganz fordert. Unterschiedlichste Arten von Bewährungsproben haben die UWC-Schüler zu bestehen. Die Auswertung der vorliegenden Studie (s. Angang D/Frage 58) führt auf, welche Situationen während des Service von den Schülern als echte Bewährungsproben wahrgenommen wurden. Es konnten anhand der Aussagen verschiedene Kategorien von Situationen gebildet werden: „Seelische Herausforderung bei der Arbeit mit alten oder behinderten Menschen“, „Kommunikationsprobleme aufgrund von Sprachbarrieren“, „Körperliche Herausforderung“ sowie „Gruppen leiten/verantworten“. Bei extrem hohem Wellengang in ein Kajak zu steigen und dabei Verantwortung für andere zu tragen, oder den zuvor nicht gekannten Umgang mit Schwerstbehinderten einzugehen – das sind nur zwei Beispiele von Situationen, denen sich Schüler im Rahmen der UWC-Ausbildung stellen und die sie als ganze Person herausfordern. Dabei geht

872 Zu den Rettungsdiensten („rescue services“), die die Deutsche Stiftung UWC/UWC Network benennt, siehe Fußnote 843. 873 Der „Lifeguard Service“ am Atlantic College beinhaltet unter anderem sowohl die allgemeine Ausbildung in Rettungsschwimmen und Erster Hilfe (1. Jahr) als auch den Lebensrettungs-Dienst an einem nahegelegenen Strand (2. Jahr). Nähere Informationen zu den Inhalten gibt es im Internet. 2006 Atlantic College: „Lifeguard Service“. www.atlanticcollege.org/Page.aspx?pid=319 (Datum des Zugriffs: 29.8.2009). 874 Am Red Cross Nordic UWC/Norwegen können die Schüler dem „First Aid Team“, einem der über 40 EAC-Angebote am College, beitreten (siehe www.rcnuwc.no/extra-ac.html; Stand: 27.8.2009). 875 Am Mahindra UWC of India gibt es im Rahmen des CAS-Programms – hier koordiniert vom Triveni-Office – den „Fire Service“. Dieser ist jedoch ein reiner Campus Service und laut College „the most physically demanding Campus Service“. Nähere Informationen unter: MUWCI – Triveni CS: „Campus Support (CS)“. www.muwci.net/triveni/cs.html (Datum des Zugriffs: 29.8.2009). 7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf 230

es immer auch um Selbsterfahrung.876 Der Einsatz bringt also auch für den Schüler einen (Lern-) Gewinn.877 Im CAS-Handbuch der International Baccalaureate Organization (IBO) wird hinsichtlich des Service betont:

„It is essential that service activities have learning benefits for the student. Otherwise, they are not experiential learning (hence not CAS) and have no particular claim on students’ time. This rules out mundane, repetitive activities, as well as ‘service’ without real responsibility.”878

Damit stellt die IBO gleichzeitig klar, dass der Service auch tatsächlich von Verantwortlichkeit geprägt sein muss.

Bei der Darstellung all dieser Punkte wird deutlich, dass sich die Umsetzung der ursprünglichen Idee bei gleichzeitiger Beibehaltung des übergeordneten Ziels (Völkerverständigung) in einigen Punkten gewandelt hat. Das christliche Schwerpunkt-Motiv („Guter Samariter“) sowie die äußeren Rahmenbedingungen (multinationale Schüler-/Lehrerschaft, Internatsform) blieben jedoch erhalten. Die Verfasserin erinnert in diesem Zusammenhang an David SUTCLIFFEs Äußerung, dass das Atlantic College, also die erste von sechs geplanten „Atlantischen Schulen“, zwar ein getreuer, aber kein sklavischer Ausdruck der Hahn’schen Ideen sein sollte und dass man sich ebenso vielen anderen Einflüssen offen gegenüber zeigen wollte:

„In its opening years the Atlantic College had to prove (…) that it was a loyal expression of Kurt Hahn’s ideas but not a slavish one, and that it was open to many other influences as well.”879

Damit wird eindeutig erklärt, dass man von Beginn an ein starres pädagogisches Korsett vermeiden wollte und dass die Empfänglichkeit für andere pädagogische Einflüsse durchaus bestand. Mehr noch: Die Offenheit wurde von Beginn an klargestellt, so dass ein „Tunnelblick“ von vornherein ausgeschlossen werden sollte.

Nachdenklich stellte SUTCLIFFE zum Schluss seines Rückblicks auf die ersten 20 Jahre des Atlantic College allerdings die Frage:

„How widely can the UWC river run whilst retaining the depth to flow strongly and with banks high enough to preserve its sense of identity?“880

876 Die IBO spricht von einer persönlichen Reise der Selbsterkenntnis, die ein gutes CAS-Programm – also alle Angebote der drei Bausteine – auszeichnet: „A good CAS programme should be both challenging and enjoyable, a personal journey of self-discovery. Each individual student has a different starting point, and therefore different goals and needs, but for many their CAS activities include experiences that are profound and life- changing.” International Baccalaureate Organization: Diploma Programme. Creativity, action, service guide. Chippenham 2008, S. 3. 877 D. SUTCLIFFE beschreibt, dass beide, der Sozialdienst ebenso wie der Rettungsdienst, – wenn auch auf ihre eigene Weise – das Gefühl von Erfolg und Belohnung ermöglichen: „(…) the daily programme of visiting the elderly and lonely, the physically and mentally handicapped, and the socially disadvantages. This is not work which can enjoy the excitement and publicity of the rescue services, but members of the social service know that it too has its own spezial moments of drama and crisis combined with a daily sense of achievement and reward.” D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 99. 878 International Baccalaureate Organization: Diploma Programme. Creativity, action, service guide. Chippenham 2008, S. 13. 879 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 89. Vgl. Fußnote 322. 880 D. Sutcliffe: „The First Twenty Years of the United World Colleges“. In: R. Denning (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge 1983, S. 117. 7.1 Interne Betrachtung im historischen Verlauf 231

Dieses von Sutcliffe verwendete Bild des „UWC-Flusses“ gibt anschaulich die Problematik einer Bewegung wieder, die sich im Wachsen befindet, aber gleichzeitig darum bemüht ist, bei aller Offenheit ihre Identität nicht zu verlieren. Denn im Jahr 1983, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Sutcliffes Beitrag, aus dem hier zitiert wird, gab es bereits weitere United World Colleges auf anderen Kontinenten: Asien (UWC of South East Asia / Singapur, gegründet 1972), Kanada (UWC of the Pacific, 1974), Afrika (UWC of Southern Africa / Swaziland, 1981), Amerika (UWC of the American West / USA, 1982) sowie ein weiteres UWC in Europa (UWC of the Adriatic / Italien, 1982). So bestand/besteht nach Meinung der Verfasserin der vorliegenden Arbeit in der Tat die „Gefahr, zu versanden“, um im Bild zu bleiben. Der räumliche Aspekt kann durchaus bei der Umsetzung eines Konzeptes eine große Rolle spielen. Denn die unterschiedlichen kulturellen, politischen und sozialen Bedingungen des jeweiligen Standortes wirken auf die einzelne Schule ein. De facto ist dies auch der Fall. Diese Bedingungen könnten zudem der Schule eine andere (Aus-)Richtung geben. Und je mehr UWCs weltweit entstehen, desto größer ist die Gefahr, dass sie ihre gemeinsame Linie verlieren und das Hahn’sche Konzept verwässert wird. Doch da sich alle Schulen zu der einen gemeinsamen Mission (s. UWC Mission Statement) bekennen und sich dieser unterstellen, ist die Grundlinie, sozusagen die „Fließrichtung“, vorgegeben. Eine dennoch lokal-regional-national „gefärbte“ Umsetzung der Inhalte (da sich die Schulen mit ihren Diensten ihrer Umgebung und der lokalen Bevölkerung gegenüber öffnen) ist dabei ein wesentliches Merkmal der UWC. Man kann – um weiter im Bild zu bleiben – behaupten, dass durch diese regionalen Besonderheiten der große UWC- Strom wie durch „Nebenflüsse“ gespeist wird. Das Mission Statement bildet gleichsam die „Deiche“, die das Ganze zusammen und in seiner Bahn halten.

Haben sich also, wie festgestellt, einige Veränderungen ergeben, so führen die United World Colleges doch schließlich die Grundidee Hahns weiter: Erziehung zu internationaler Völkerverständigung. Dies ist weiterhin das oberste Ziel, verankert im „Mission Statement“. Auch die herausfordernden und verantwortungsvollen Dienste am Mitmenschen werden, wie zu Beginn, als friedenspädagogisches Element (vgl. Kap. 3.1.2) eingesetzt. Diese Dienste üben gleichzeitig eine persönlichkeitswirksame Rückstrahlung auf den Schüler aus, womit auch weiterhin von einer Betonung der Charakterschulung gesprochen werden kann.

Gewisse Konzeptveränderungen sind letztlich auch darauf zurückzuführen, dass sich das Hahn’sche Erlebnistherapie-Programm als anpassungsfähig erwiesen hat. Standortspezifische Variablen wie landschaftliche Gegebenheiten, kulturelle Besonderheiten oder soziale Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung können flexibel aufgegriffen werden. Durch die Möglichkeit der konzeptionellen Flexibilität können sich somit auch Tradition und Moderne treffen: die Forderung der Charaktererziehung (= Tradition) und die aktuellen, brennenden gesellschaftlichen Herausforderungen/Probleme der Zeit (= Moderne).

Die in gewissem Maße stattgefundene Neuorientierung war aus Sicht der Verfasserin der vorliegenden Arbiet denn auch notwendig. Nur so konnte der Beweis erbracht werden, auf bestehende, drängende Notwendigkeiten/Bedürfnisse reagieren zu können, ohne die eigene Linie, oder – wie SUTCLIFFE es ausdrückt – sein Identitätsgefühl („its sense of identity“) zu verlieren. Diesen Beweis haben die UWC in den zurückliegenden gut 50 Jahren nach Meinung der Verfasserin erbracht. 7.2 Die UWC als Vorbild 232

7.2 Die UWC als Vorbild Nach der Innenansicht folgt nun ein Blick „über den Tellerrand“ hinaus. Dass Elemente des „pädagogischen UWC-Kerns“ heute in zahlreichen anderen Schulen zur Anwendung kommen, zeigt, dass sie sich bewährt haben und auch von anderen Bildungseinrichtungen als sinnvoll erachtet werden. Diese Elemente sind sozusagen über den eigenen Rand „hinausgeflossen“. Die Rede ist vornehmlich vom „Service“, dem „Extended Essay“ und der „Project Week“, deren Wurzeln in der Hahn’schen Erlebnistherapie liegen und die ins Curriculum des IB-Diplom- Programms aufgenommen wurden. Dies wurde im Verlauf der vorliegenden Arbeit herausgestellt (s. Kap. 4.3). Somit kommen sie an allen IBO-Weltschulen, die dieses Programm anbieten, zur Anwendung.

Doch hat sich damit das Vorbild UWC erschöpft? Kann es nicht vielmehr auch mit weiteren Elementen des Lebens und Lernens Richtung weisend sein für andere Schulen? Es steht also zur Diskussion:

 Welche pädagogischen Ideen und Elemente der UWC könnten des Weiteren Vorbildcharakter haben für andere Schulsysteme?

Den Überlegungen vorangestellt werden muss die Erinnerung daran, dass die United World Colleges vor dem Hintergrund des Kalten Krieges gegründet wurden mit dem Ziel, ein pädagogisches Gegengewicht zu setzen (vgl. Kap. 2.2.1); es musste ein friedenspädagogisches Konzept her. Hierin wird deutlich, dass es sich um eine Neuorientierung handelte, deren Umsetzung Modellcharakter besaß. In ihrem Modellcharakter sieht RÖHRS übrigens die wichtigste Funktion der internationalen Schulen allgemein:

„Sie sollten für die breitere pädagogische Öffentlichkeit Wege und Methoden der internationalen Verständigung und Kooperation im Rahmen der Schulgemeinde erproben.“881

Was nun speziell die von Kurt Hahn gegründeten und initiierten Schulen betrifft, so sollten diese laut KNOLL Reformmodelle für das traditionelle staatliche Bildungswesen abgeben:

„Kurt HAHN denkt als Politiker auch pädagogisch, und mit seinen Schulgründungen verfolgt er primär politische Absichten. Salem und die daraus hervorgehende Erziehungsbewegung sollen Modelle abgeben für eine Reform des traditionellen staatlichen Bildungswesens. HAHNS pädagogisches Hautpanliegen ist die Charaktererziehung im Sinne einer ‘Erziehung zur Verantwortung’.“882

Diesen selbst auferlegten bildungspolitischen Auftrag des Reformpädagogen Kurt Hahn für das „öffentliche Schulwesen“ sieht auch HAMM-BRÜCHER:

881 H. Röhrs: Die Einheit Europas und die Sicherung des Weltfriedens (= Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, Bd. 36. Hg. v. V. Lenhart und H. Röhrs). Frankfurt 1992, S. 149. 882 M. Knoll: „Kurt Hahn – ein politischer Pädagoge“. In: J. Ziegenspeck (Hg.): Kurt Hahn. Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 2. Hg. v. J. Ziegenspeck). Lüneburg 1987, S. 15. 7.2 Die UWC als Vorbild 233

„Als ich den 80jährigen Kurt Hahn erstmals 1967 kennenlernte – (…) , war sein dringendster Wunsch, daß Erziehung zur Verantwortung als pädagogisches Prinzip auch in das öffentliche Schulwesen Eingang finden möge (…).“883

Diese Erziehung zur Verantwortung dem Nächsten und der Gemeinschaft gegenüber, die Hahn zum Grundsatz seiner Schulgründungen machte, sollte also auch über die Mauern der eigenen Institution strahlen und letztlich die Regelschule erfassen. Hier galt es für Hahn, ein Defizit zu beheben, das die Charakterbildung des Schülers betrifft. Diese zu erziehende Verantwortung wurde schließlich auf eine höhere Reichweite angelegt und setzte sich dementsprechend auch auf die internationale Ebene fort. Hierin ist der Ansatz der United World Colleges zu sehen: Der Schüler, jeder Einzelne, soll sich seiner Verantwortung auch der supranationalen Gemeinschaft gegenüber bewusst werden und sich fortan für eine nachhaltige Zukunft einsetzen. Für diesen Erziehungsansatz stehen die UWC. Nach Meinung SUTCLIFFEs geben die UWC ein Modell ab, das es verdient, ein „Echo“ auch in anderen Klassenräumen zu finden:

„For above all, the United World Colleges offer a model of active, committed, unprejudiced political education whose lifetime influence deserves a wide echo in other classrooms.”884

Neben der ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung, die den akademischen Bereich ebenso abdeckt wie den ästhetisch-musischen, sportlichen sowie den charakterbildenden Bereich (s. CAS-Programm), steuern die UWC in ihrer Konzeption letztlich die internationale Verständigung und eine Erziehung zum Frieden an. Damit stehen sowohl der Einzelne als auch die Gesamtheit/Gemeinschaft im Fokus der Erziehungsarbeit. Hier können die UWC ein Modell für andere Schulsysteme sein, da sie sich nicht nur der ureigenen Aufgabe von Schule annehmen, sondern in besonderer Weise die Schüler für ein globales Miteinander „fit“ machen wollen. Sie stellen sich damit der weltpolitischen Situation und den Anforderungen der Moderne.

Ist im Zusammenhang mit dem letztgenannten Punkt zu Atlantic College-Gründungszeiten die weltpolitische Lage und die atomare Hochrüstung zu nennen, so rückten nach politischer Entspannung mehr und mehr die Folgen der steigenden Globalisierung als Folge global-wirtschaftlicher Entwicklungen in den Vordergrund. Diese Entwicklung zog zunehmend auch den Ruf nach interkultureller Erziehung mit sich.

So greift auch der ehemalige IBO-Generaldirektor George WALKER das Thema Globalisierung in seinen Reden immer wieder auf. Die Globalisierung, die mittlerweile jeden Einzelnen betreffe, mache also auch vor dem staatlichen Schulsystem nicht halt. WALKER erklärt:

„At some point in our daily lives, globalization touches us all. (…) .(…) today, when the face of Nelson Mandela is more familiar than that of our next door neighbour, it would be absurd to imagine that state education can remain untouched by globalization.“885

883 H. Hamm-Brücher: „Erziehung zur Verantwortung in der Demokratie“. In: J. Ziegenspeck (Hg.): Kurt Hahn. Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen (= Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 2. Hg. v. J. Ziegenspeck). Lüneburg 1987, S. 36. 884 D. B. Sutcliffe: „The United World Colleges“. In: P. Jonietz (Hg.): International schools and international education (= Reihe: World Yearbook of Education, 1991). London 1991, S. 37. 885 G. Walker (2000): „International education: connecting the national to the global“. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 75- 80. 7.2 Die UWC als Vorbild 234

WALKER sieht die Schulen im Zugzwang, sich international auszurichten:

„National interest and national identity mean very little today outside the global context and schools are under pressure to become ‘internationally-minded’.“886

„Perhaps those who work in international education have some advice to give to those who work in national education who want to address more effectively their growing global responsibilities because we can no longer be satisfied with national responses to challenges that have to be viewed in an international perspective.”887

Die interkulturelle/internationale Erziehung muss in einer immer enger zusammenrückenden Welt mit immer engmaschigeren internationalen Verflechtungen als unverzichtbar angesehen werden. Es gilt zunehmend – nicht nur aufgrund der Arbeitsimmigration, sondern auch aufgrund der Fluchtmigration – , dass die Schüler lernen, mit kulturellen Unterschieden der einzelnen Gruppenmitglieder (hier: Schüler einer Klasse) zu leben und umzugehen.

Wie kann dies gelingen? Die Einstellung zur bestehenden Unterschiedlichkeit der Einzelnen scheint hierbei maßgeblich. Laut Auernheimer hängt der Verlauf des interkulturellen Dialogs von der Offenheit gegenüber dem Anderen ab (vgl. Kap. 3, Fußnote 490) und WALKER spricht von dem Glauben daran, dass die Verschiedenheit („diversity“) eine Bereicherung („enrichment“) darstellt. Er sagt:

„All human beings share the same human condition but it is displayed in many different cultural variants. International education celebrates that diversity and ensures that every act, every symbol, every exchange involving teachers, administrators, students and parents reinforces the belief that, in the end, human diversity is an enrichment and a source of strength.”888

Auch in dieser Hinsicht können die UWCs ein Modell für nationale Schulen sein. Die internationale Schülerschaft und internationale Zimmerbelegung garantieren einen Mix der Kulturen im Klassen- und Wohnraum, der zum Voneinander- und Miteinander-Lernen anregt, der aber auch – zu einem sicherlich nicht geringen Teil – die Auseinandersetzung mit und das Aushalten von Differenzen auferlegt. Die UWC sind hier jedoch auch als Sonderform anzusehen, da sich die Schüler bereits mit ihrer Bewerbung bewusst für diese Schul- und Lebensform entschieden haben. An staatlichen Regelschulen – und auch an den Internationalen Schulen im engeren Sinn wie der Internationalen Schule Düsseldorf (ISD) – sieht es hinsichtlich der Schulauswahl durch den Schüler anders aus: Die Schüler werden hier nicht unbedingt vor die Wahl gestellt, ob sie diese Schule auch besuchen möchten. Was aber das bewusste und ausdrückliche „Feiern der Unterschiedlichkeit“ betrifft, also einen Aspekt der grundsätzlichen Einstellung, so sei hier an den Punkt „Internationale Ausrichtung“, einer Parallele zwischen UWC und ISD, erinnert (vgl. Kap. 6.3.2.3).

886 G. Walker (2002): „Speaking the language of international education“. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 143. 887 G. Walker (2001): „Learning to live with others“. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 129. 888 G. Walker (2000): „International education: connecting the national to the global“. In: G. Walker: To Educate the Nations. Glasgow 22004, S. 80. 7.2 Die UWC als Vorbild 235

Dass Schule als ein Ort von kultureller Andersartigkeit und Vielfalt erlebt wird – in erhöhtem Maße an den Regelschulen in Metropolen und Großstädten –, ist weithin bekannt. Hier muss nach Ansicht der Verfasserin diese Verschiedenheit und Andersartigkeit aber auch von den Schülern gezeigt und gelebt werden können; sie darf nicht verdrängt, verdeckt oder lediglich mit dem Status der Duldung versehen werden. Ein gleichberechtigtes Nebeneinander ist notwendig für einen offen geführten Dialog. Mit und in diesem Dialog dürfen die Schüler nicht allein gelassen werden. Sie müssen vielmehr von den Lehrern und Erziehern begleitet werden; und zwar insofern, dass die Lehrer und Erzieher bestehende kulturelle Differenzen verbalisieren/thematisieren und diese gemeinsam mit den Mitgliedern der unterschiedlichen kulturellen Gruppen innerhalb des Klassenverbunds/der Schule veranschaulichen und erklären. Ansonsten besteht auf der einen Seite die Gefahr der „Ab- oder Verkapselung“ von Mitgliedern einzelner Kulturen/Nationen und auf der anderen Seite die Gefahr der Verfestigung von Vorurteilen, Verschlossenheit oder gar Ignoranz.

„Nationale Abende/Tage“, wie sie an den UWC und der ISD (vgl. 6.3.2.4) veranstaltet werden, können ein Beispiel für die Umsetzung interkultureller Erziehung sein und als Modell für die Regelschule dienen. Ebenso können spezielle friedenspädagogische Lern-/Lehrinhalte in die Regelschule eingebracht werden, die nicht nur im Fachunterricht, sondern auch im Rahmen von Projektwochen oder Hausarbeiten behandelt werden können.

Mit dem „Arbeitskreis reformpädagogischer Schulen“ (= „Blick über den Zaun“889) ist zu fordern, dass die Schule ein Vorbild der Gemeinschaft sein müsse, zu der und für die sie erziehe890. Folgende Überzeugung hinsichtlich kultureller Kompetenz liegt dem Arbeitskreis zugrunde:

„Die Zukunft der ,Bürgergesellschaft’ hängt auch davon ab, ob und wie die nachwachsende Generation sich ihre kulturelle Überlieferung und ihre Werte aneignet; dazu gehört auch, andere Kulturen zu verstehen und achten zu lernen.“891

Das Persönlichkeitsmerkmal der „Achtung“ führt zu weiteren Charaktereigenschaften, die – angestoßen durch die Erlebnistherapie des Reformpädagogen Kurt Hahn – an den United World Colleges von Anfang an in den Fokus der Erziehungsarbeit gestellt wurden. In seiner 1957 gehaltenen Rede über den Plan für die Atlantischen Schulen ging Hahn mit keinem Wort auf die akademische Ausbildung ein, nur, dass die Jungen „auf ein Abitur vorbereitet werden [würden], das von allen freien Nationen anerkannt würde, und eines Tages auch von den Satelliten“892. Indem sich Hahn in seiner programmatischen Rede nur auf die Darstellung der Elemente der Erlebnistherapie beschränkt, und die akademische Komponente beiseite lässt, macht er den pädagogischen Schwerpunkt deutlich: die Charaktererziehung im Dienst der Gemeinschaft (den Begriff Charakter benutzt Hahn in dieser Rede übrigens nicht; er spricht von der „Haltung der Jugend“). Die Charakterbildung wurde nach Meinung Kurt Hahns

889 Der Schulverbund „Blick über den Zaun“ besteht seit dem 9. November 1989 und ist ein Verbund von reformpädagogisch engagierten Schulen mit dem Ziel gegenseitigen Erfahrungsaustausches. Nähere Informationen gibt es im Internet unter www.blickueberdenzaun.de (Datum des letzten Zugriffs: 27.9.2009). 890 Vgl.: Arbeitskreis reformpädagogischer Schulen: „Aufruf für einen Verbund reformpädagogisch engagierter Schulen“. In: Neue Sammlung. 43. Nr. 2 (2003), S. 278. 891 Arbeitskreis reformpädagogischer Schulen: „Aufruf für einen Verbund reformpädagogisch engagierter Schulen“. In: Neue Sammlung. 43. Nr. 2 (2003), S. 278. 892 K. Hahn (1957): „Schulen der Nationalitäten“. In: M. Knoll (Hg.): Kurt Hahn. Reform mit Augenmaß. Stuttgart 1998, S. 283. 7.2 Die UWC als Vorbild 236 in der „Stoffschule“ vernachlässigt; schon früh hat er dies kritisiert. In seiner eigenen pädagogischen Arbeit stand sie daher stets im Mittelpunkt (vgl. Kap. 2.2.3) und sollte darum auch an den Atlantischen Schulen betont werden. Die bereits an den Outward Bound-Schulen mit der Erlebnistherapie erzielten Erfolge sollten auch den Schülern der geplanten internationalen Oberstufen-Internate zugute kommen:

„Die Erfahrungen von ,Outward Bound’ (Kurzschulen) ermutigen uns. (…) Wir haben viele Zeugnisse, daß die Jungen nach diesen Kursen zu ihrer Arbeit zurückkehren, gestärkt sowohl in ihrem Verantwortungsgefühl als auch in ihrer Menschlichkeit. (…) Der verbrüdernde Rettungsdienst übt überall seine Heilkraft aus.“893

Der von Hahn angesprochen Rettungsdienst, der direkte Dienst am und für den Mitmenschen, wurde schließlich auch von anderen Lehrern und Lehrplan-Entwicklern für den erzieherischen Unterrichts-Kanon als derart wichtig anerkannt, dass er sich schon bald im IB-Diplom-Programm wiederfand. Dort ist der „Service“ (als Rettungs-, Sozial- und Gemeinschaftsdienst im Rahmen des CAS-Programms) bis heute fester Bestandteil. Also war und ist das UWC-Kernelement, das Hahn bekanntermaßen bereits vor der AC-Gründung entwickelte, ein Vorbild für andere Schulen. Dieses Element sollte nach Meinung der Autorin der vorliegenden Arbeit aber eben nicht nur im Programm derjenigen IB-Weltschulen stehen, die das Element ohnehin qua Diploma-Curriculum anbieten, sondern es sollte allen Schülern ermöglicht werden, einen Service (mit unterschiedlichsten Inhalten) zu absolvieren und diesen Erfahrungsraum für sich zu erschließen.

Der „Arbeitskreis reformpädagogischer Schulen“ fordert – ganz im Sinne Hahns:

„Die Werte, zu der die Schule erzieht, müssen mehr als ,Unterrichtsstoff’ sein; Selbständigkeit und Verantwortung, Solidarität und Hilfsbereitshaft, Empathie, Zuwendung und Mitleid müssen im Alltag gelebt werden.“894

Dieser Forderung folgend, ist die Charakterbildung keine Frage der Bildungsstufe und darf somit auch nicht auf einige Schulen beschränkt bleiben, sondern muss auf „die Schule“ im Allgemeinen ausgeweitet werden. Die Dominanz von Wissensvermittlung und Wissensaneignung muss an jenen Stellen mit entsprechenden Angeboten aufgebrochen werden, wo die erziehungsunterstützte Persönlichkeitsbildung „brach liegt“. Dazu bieten sich für eine Schule diverse Möglichkeiten an, auch wenn sie nicht zu den IB-Weltschulen gehört. Um den „Service“ auch an jenen Schulen einzuführen und – im optimalen Fall – zu etablieren, wo er also nicht durch das Curriculum vorgesehen ist, sieht die Verfasserin der vorliegenden Arbeit beispielsweise die Einführung von Sozialpraktika im Rahmen des obligatorischen Schülerpraktikums. Hier könnten Schulleitung und Lehrerschaft Kooperationen mit (städtischen/privaten) Sozialeinrichtungen, mit Vereinen oder Verbänden initiieren und Schüler vermitteln. So könnte der Zugang für den Schüler einerseits erleichtert werden. Andererseits eröffnen sich für den Schüler Perspektiven, die von ihm möglicherweise zuvor gar nicht erst in Erwägung gezogen wurden. Ein gewisses Maß an zusätzlichem Engagement seitens des Lehrkörpers ist dazu notwendig.

893 K. Hahn: „Ein europäischer Schulplan“. In: Der europäische Osten. 5. Nr. 51 (1959), S. 42-43. 894 Arbeitskreis reformpädagogischer Schulen: „Aufruf für einen Verbund reformpädagogisch engagierter Schulen“. In: Neue Sammlung. 43. Nr. 2 (2003), S. 278. 7.2 Die UWC als Vorbild 237

Was Kurt Hahn seinerzeit bewog, das Element des Rettungsdienstes in seiner „Erlebnistherapie“ zu verankern, war – wie bereits herausgearbeitet – der von ihm diagnostizierte Verfall des Mitgefühls bei der Jugend (vgl. Kap. 4.3.4), „the decline of compassion“. Eben um die Entwicklung und Förderung jenes Mitgefühls geht es unter anderem auch heute – je nach ausgewähltem Service – im Rahmen der IB-Service-Stunden. Doch nicht nur an den IB-Weltschulen, die das IB-Diplom-Programm anbieten, soll der charakterbildende Wert, der auf Empathie und Solidarität ausgerichtet ist, gefördert werden. Schon längst setzen auch andere Institutionen das Instrument „Sozialpraktikum“ ein, um das Mitgefühl der Schüler anzusprechen und sie für Leid und Bedürftigkeit Anderer zu sensibilisieren. So gehören beispielsweise so genannte Compassion-Projekte laut Hans-Josef BECKER, dem Paderborner Erzbischof und Vorsitzenden der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz, „inzwischen zum Standardprogramm einer Vielzahl von Katholischen Schulen“895. Diese Compassion-Projekte, von 1996 bis 1998 als Modellversuch in der Erzdiözese Freiburg gestartet, werden unterrichtsübergreifend schulisch begleitet.896 Initiiert wurden sie von einer Arbeitsgruppe bei der Deutschen Bischofskonferenz. Es handelt sich um Sozialpraktika in Alters- oder Flüchtlingsheimen, in Behinderteneinrichtungen, Krankenhäusern oder beispielsweise auch in Kindergärten. Je zwei Wochen während des Schuljahres absolvieren die Schüler der Projektschulen ein solches Sozial-Praktikum, das mit den Lehrern vorbereitet, von diesen begleitet und anschließend gemeinsam im Fachunterricht reflektiert wird.897 Im Jahr 2002 erhielt das Compassion-Projekt von der Europäischen Elternvereinigung den Alcuin-Award für innovative Schulprojekte. Laut der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg findet dieses Projekt inzwischen auch an staatlichen Schulen statt.898

Auf dem Feld der Charakterbildung und Stärkung sozialer Kompetenz stellt das Compassion-Projekt ein anwendenswertes und lebensnahes Lehrkonzept für engagierte Schulen dar.

Das Konzept der UWC sieht im Rahmen des CAS-Elements „Service“ zwar auch Sozialdienste – durchaus im Sinne des oben beschriebenen Compassion-Projekts vor – doch nicht nur. Auch Umweltdienste, Handwerksleistungen oder Lehr- und organisatorische Tätigkeiten werden an den Colleges miteinbezogen, wobei

895 H.-J. Becker: „Katholische Schulen und ihr sozialer Bildungsauftrag“. Einführung zum 5. Bundeskongress Katholische Schulen am 28.11.2008 in Essen. Aus: Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz (066a) vom 28.11.2008. www.dbk.de/imperia/md/content/pressemitteilungen/2008- 2/2008-066a_kath-schulen_einfuehrung-eb-becker.pdf, S. 4 (Datum des Zugriffs: 14.11.2009). 896 Angelika Prauß führte im Jahr 2003 in ihrer Reportage die Hintergründe zum Compassion-Schulprojekt auf und schilderte die Erfahrungen von Schülerinnen aus der Jahrgangsstufe 11 des Bonner Sankt-Adelheid-Gymnasiums: „Der Begriff stammt aus dem englischen und bedeutet Mitgefühl. Das ist gefragt, wenn die Zehnt- oder Elftklässler für mindestens zwei Wochen die Schule verlassen, um Menschen hautnah kennen zu lernen - Menschen, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind: Alte, Behinderte, Obdachlose, Sterbenskranke. (…) Der ungewöhnliche Unterricht vor Ort macht Schule: Was 1996 in Freiburg mit etwa einem Dutzend Schulen begann, hat sich inzwischen zur bundesweiten Erfolgsgeschichte gemausert. (…) Geht es nach der Bischofskonferenz, dann soll Compassion in wenigen Jahren fester Bestandteil aller katholischen Schulen sein. (…) Der Karlsruher Religionspädagoge Lothar Kuld hat das Vorhaben von Anfang an wissenschaftlich begleitet. Damals war man auf der Suche nach einem besonderen Profil katholischer Schulen. Compassion sei auch gegen die ,Mentalität des Wegschauens’ entstanden. Stattdessen lernen die Schüler, einfühlsam und geduldig zu sein. (…) Positive wie negative Erlebnisse arbeiten die Jugendlichen auch bei der dreitägigen Nachbereitung auf. Fast alle kommen ,sehr euphorisch’ in die Schule zurück, beobachtet die Lehrerin. Sie haben ihre Ängste und Grenzen überwunden und sind stolz darauf, was sie geleistet haben. Die Schüler gehen nach Beobachtung der Pädagogin mit einem deutlichen ,Kompetenz- und Reifegewinn’ aus dem Praktikum hervor.“ A. Prauß: „Erfahrungen fürs Leben“. In: Katholische SonntagsZeitung für Deutschland. 109. Nr. 50 (2003), S. 15. 897 Nähere Informationen zum Compassion-Projekt finden sich beispielsweise im Internet auf der Homepage der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg unter www.schulstiftung-freiburg.de (Datum des letzten Zugriffs: 29.9.2009). Weitere Literatur zum Thema gibt es zum Beispiel bei: Lothar Kuld: Compassion - Raus aus der Ego-Falle. Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2003; Johann Baptist Metz u.a.: Compassion. Weltprogramm des Christentums. Soziale Verantwortung lernen. Verlag Herder, Freiburg 2000. 898 Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg: „Compassion“. www.schulstiftung-freiburg.de/de/compassion/index.php?sid=&psid=&rg=5 (Datum des Zugriffs: 29.9.2009). 7.2 Die UWC als Vorbild 238 die erbrachte Leistung immer aber der Gemeinschaft zugute kommen soll. Dies kann sowohl die Schulgemeinschaft als auch die (bedürftige) Bevölkerung der Umgebung sein.

Ist der Dienst auf die Umgebung gerichtet, und wird damit das „Hegefeld“ der Schule verlassen, werden nicht nur weitere lokale Erfahrungsfelder für den Schüler eröffnet, sondern auch emotionale. Für FERENSCHILD liegt es auf der Hand, dass „Schülerinnen und Schüler sich durch solche quasi basisdemokratische Teilhabe nicht nur mit ihrer Schule, sondern auch mit deren urbanem Umfeld inniger identifizieren“899. Die Autorin der vorliegenden Arbeit schließt sich hier der Meinung FERENSCHILDs an, der diese Dienste zukünftig auch in der Ganztagsschule verankert sehen möchte, da sie sich „im Zusammenwirken mit örtlichen Institutionen zu stadtteilbezogenen Hilfestationen“ entwickeln könnten:

„Von den Programmatikern der Ganztagsschule kann man sich mithin nur wünschen, neben einem Mehr an schulischer Förderung und betreuend-rezeptiven Freizeitangeboten auch soziale Dienste im Schulalltag zu verankern. Schulen könnten dazu einen fixierten personellen und materiellen Rahmen sichern, könnten passgenaue Einsatzmodelle und Ausbildungskonzepte entwerfen und sich im Zusammenwirken mit örtlichen Institutionen zu stadtteilbezogenen Hilfestationen entwickeln.“900

Das Service-Angebot im Rahmen des IB-Diplom-Programms, angestoßen durch die UWC, kann also hier durchaus weiterhin Vorbild sein für andere schulische Initiativen, um die „äußere“, also die lokale/die nicht- schulische Gemeinschaft zu erfassen. So wie jedes UWC auf standortspezifische Verhältnisse reagiert und seine Schüler bedarfsorientiert einsetzt, so kann dies im Grunde eine jede Schule tun – auch wenn sie eben nicht zu den IB-Weltschulen zählt.

Die Impulse, die von den UWC zu Zeiten des Aufbaus des International Baccalaureate (IB) ausgingen, haben sich im Übrigen nicht erschöpft. Die Colleges beteiligen sich auch weiterhin an der Entwicklung des IB. So haben sechs UWC mehrere der 19 „school based syllabi“ (= aus der Schule stammende Lehrpläne) erstellt, die heute im Rahmen des IB-Diplom-Programms weltweit angeboten werden (Stand: Oktober 2009). Sie werden also auch von anderen IB-Weltschulen übernommen.901

In welchen Punkten zeichnen sich die UWC noch aus, in denen sie durchaus als Vorreiter oder Ideengeber für andere nationale (Regel-)Schulen angesehen werden können? Neben den bereits genannten Punkten muss vor allem auch das Kernziel, die Erziehung zu internationaler Völkerverständigung, genannt werden. Neben Unterrichtsfächern wie Geschichte, Politik oder Sozialwissenschaft, die sich per se mit dem Thema beschäftigen, wäre auch ein außerunterrichtliches Angebot vorstellbar, in dem Krieg und Frieden, Konflikte und

899 H. Ferenschild: „Soziale Dienste als bürgerschaftliches Engagement“. In: Pädagogik. 56. Nr. 5 (2004), S. 35. 900 H. Ferenschild: „Soziale Dienste als bürgerschaftliches Engagement“. In: Pädagogik. 56. Nr. 5 (2004), S. 35. 901 Bei den Lehrplänen, die von den UWC entwickelt und designed wurden, handelt es sich um IB-Diplom-Grundkursfächer. Folgende UWC haben „school based syllabi“ entwickelt: UWC of the Atlantic (Political Thought, World Religions, Peace and Conflict Studies, Environmental Systems), UWC of the Adriatic (World Arts and Cultures), Li Po Chun UWC of Hong Kong (Chinese Studies), Lester B. Pearson UWC of the Pacific (Marine Sciences), UWC Red Cross Nordic (Human Rights), Mahindra UWC of India (Beginner’s Hindi, World Studies Extended Essay). Aus: 2009 United World Colleges (International): „School Based Syllabi”. www.uwc.org/our_colleges/curriculum/international_baccalaureate/ school_based_syllabi.aspx (Datum des Zugriffs: 4.7.2009). 7.2 Die UWC als Vorbild 239

Konfliktbewältigung auf unterschiedlichsten Ebenen thematisiert und bearbeitet werden. So ist beispielsweise ein verstärktes oder zusätzliches Angebot in Form von Arbeitsgemeinschaften/Projektgruppen an Schulen denkbar. Ebenso sind friedenspädagogische Projektarbeit und regelmäßig stattfindende Vorträge von eingeladenen Experten denkbar. Bei all dem darf sicherlich nicht außer Acht gelassen werden, dass jedes Zusatzangebot vom Engagement der Lehrkräfte abhängt.

Eine Möglichkeit, sich in internationaler Verständigung und interkulturellem Lernen zu engagieren, besteht für jede Schule – gleich welchen Typs (von der Grundschule übers Gymnasium bis hin zur berufsbildenden Schule) – ohnehin darin, sich dem weltweiten Schulnetzwerk der UNESCO anzuschließen und „unesco-projekt-schule“ zu werden. In Deutschland gibt es rund 190 (Stand: Oktober 2009).902 Das Netzwerk bietet den Schulen eine Plattform für gegenseitigen Austausch sowie Materialien, die in der schulischen Arbeit angewendet werden können. Die Schulen arbeiten dabei zum Beispiel in Form von Partnerschaftsprojekten und internationalen Projekttagen auch mit Schulen aus anderen Ländern. Die Besonderheit der Mitgliedsschulen besteht in ihrer friedenspädagogischen Tätigkeit und Ausrichtung. So setzt das Grundsatzprogramm klar fest, dass die unesco- projekt-schulen „ihr Schulleben innerhalb und außerhalb des Unterrichts in besonderer Weise an den Ideen der internationalen Veständigung und des interkulturellen Lernens (orientieren)“903. Hier heißt es weiter:

„Im Bewusstsein der EINEN WELT setzen sie sich ein für eine KULTUR DES FRIEDENS

(…): • Menschenrechte für alle verwirklichen • Nachhaltigkeit lernen, Umwelt schützen und

bewahren • Anderssein der Anderen akzeptieren •Armut und Elend bekämpfen

Dazu entfalten unesco-projekt-schulen lokale Aktivitäten nach dem Grundsatz ’Global denken – lokal handeln’. Sie eröffnen in Ergänzung und Erweiterung des regulären Unterrichts Erlebnis- und Erfahrungsräume und entwickeln Handlungskonzepte im Sinne der genannten Zielsetzungen.“904

Bei Durchsicht des Programms fallen viele Ansätze und Vorhaben auf, die denen der United World Colleges ähnlich sind. Hier sind vor allem inhaltsbezogen die friedenspädagogische Ausrichtung sowie handlungsbezogen die globale Dimension der lokalen Aktivitäten905 zu nennen. Für den 8. Internationalen Projekttag (26. April 2010) der deutschen unesco-projekt-schulen beispielsweise, der unter dem Motto „Unser Handeln – unsere Zukunft“ stand, wurden die Schulen aufgerufen, Zukunftsvisionen zu erarbeiten und diese in einem Kunstwerk zu präsentieren, das dann im öffentlichen Raum wie zum Beispiel in einem Rathaus, einem Krankenhaus oder einer Kirche ausgestellt wird. Hier geht es um die Beantwortung von Fragen wie „Wie müssen wir wirtschaften, damit die Welt gerechter wird?“ oder „Wie müssen wir unsere Welt gestalten, damit zukünftige Generationen durch uns nicht eingeschränkt werden?“ Auf der Homepage der unesco-projekt-schulen Deutschland heißt es:

902 unesco-projekt-schulen Deutschland: „Wir über uns“. www.ups-schulen.de/ueber_uns.php (Datum des Zugriffs: 3.10.2009). 903 unesco-projekt-schulen Deutschland: „Grundsätze“. www.ups-schulen.de/ueber_uns_grundsaetze.php (Datum des Zugriffs: 3.10.2009). 904 unesco-projekt-schulen Deutschland: „Grundsätze“. www.ups-schulen.de/ueber_uns_grundsaetze.php (Datum des Zugriffs: 3.10.2009). 7.2 Die UWC als Vorbild 240

„Wir fordern auf aktiv zu werden • um Empathie, Zivilcourage und Solidarität zu entwickeln • um in Verantwortung für die Zukunft zu handeln • um globales Denken mit lokalem Handeln zu verbinden“ (…) Die unesco-projekt-schulen wollen mit diesem Projekttag einen Beitrag zu einer nachhaltig verbesserten Verständigung zwischen Personen, Bevölkerungsgruppen, Kulturen und Völkern leisten.“906

Nähere Informationen über das UNESCO-Schulnetzwerk, das Aufnahme-Verfahren für interessierte Schulen sowie über Ziele und Leitlinien, Unterrichtsmaterialien, Projekte und vieles mehr findet sich im Internet unter www.ups-schulen.de.

Daran zeigt sich, dass es auch in der deutschen Regelschul-Landschaft zusätzlich Lehr-Angebote gibt, die die internationale Verständigung und das interkulturelle Lernen zum Inhalt haben und Ansätze bieten.

Lässt man schließlich die Schülerinnen und Schüler der United World Colleges selbst zu Wort kommen und fragt, welche Elemente des Lebens und Lernens sie sich für ihre Schule in Deutschland gewünscht hätten (s. Frage 63 der vorliegenden Befragung, Kap. 5), so erhält man ebenfalls eine Antwort auf die Frage nach einem möglichen Vorbild, das die UWC für andere Lehreinrichtungen abgeben können. Bei Frage 63 schneidet die „Lehrereinstellung (engagiert)/das Lehrer-Schüler-Verhältnis (persönlich)“ – dicht gefolgt von der „Schülereinstellung (motiviert, interessiert)“ – als von den UWC-Ehemaligen am häufigsten gewünschtes Element ab. Das heißt, Lehrer werden an den UWC als Lernpartner und Unterstützer wahrgenommen; die Mitschüler als offen und sich gegenseitig achtend.

Dass eine solche positive Grundatmosphäre an einer Regellschule nicht immer leicht herzustellen ist, liegt auf der Hand. Denn es muss bedacht werden, dass bei den UWC-Schülern eine relativ homogene Motivations-, Einstellungs- und Interessenslage vorherrscht. Die international orientierten Schüler sind von vornherein neugierig auf eine multi-kulturelle/-nationale Gemeinschaft; sie sind weltoffen und identifizieren sich schon vor UWC- Eintritt mit den Zielen der Bewegung (vgl. Ergebnis zu Frage 39 der vorliegenden Studie). Vor allem auch das gemeinschaftliche, extrem enge Internatsleben trägt zu der positiven Stimmung an den Colleges bei und ist laut den meisten befragten UWC-Ehemaligen der ausschlaggebende Faktor dafür, dass an den Colleges viele persönliche internationale Freundschaften entstehen (vgl. Ergebnis zu Frage 47 der vorliegenden Studie). Ein derart intensives Internatsleben bietet eine Tagesschule naturgemäß nicht.

Außerdem hatten sich die UWC-Ehemaligen das CAS-Programm (an 3. Position der „Wunschliste“) und die (Welt-)Offenheit/Internationalität der UWC (an 4. Position der „Wunschliste“) für ihre deutsche Schule gewünscht. Dies unterstreicht die große Akzeptanz der CAS-Elemente unter den Schülern (und damit den Wunsch der Schüler nach ganzheitlicher Erziehung) sowie den Wunsch nach (Welt-)Offenheit und Internationalität. Weltoffenheit und Internationalität sind nicht nur als vorbildhafte Grundausrichtung, sondern vielmehr als

905 Auch die International Baccalaureate Organization erinnert an die internationale Dimension, die den Aktivitäten innerhalb der IB-Programme innewohnt: „It is important to see activities in a broarder context, bearing in mind the maxim ’Think globally, act locally’.“ International Baccalaureate Organization: Diploma Programme. Creativity, action, service guide. Chippenham 2008, S. 4. 906 unesco-projekt-schulen Deutschland: „8. Projekttag 2010“. www.ups-schulen.de/projekttage_2010.php (Datum des Zugriffs: 12.12.2009). 7.2 Die UWC als Vorbild 241 pädagogisches Muss für eine jede Schule zu bewerten, die letztlich auf Veränderungen und Anforderungen der Zeit zu reagieren hat.

Schließlich kann aufgrund der Erkenntnisse der vorliegenden Untersuchung die These (Ein pädagogisches Konzept ist nur so gut und damit überdauerbar und modellhaft, wie es sich an der Zeit und den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Das pädagogische Konzept der UWC erfüllt diese Bedingungen.) bestätigt werden. Die Notwendigkeit interkultureller Erziehung, letztlich mit dem Ziel der Völkerverständigung, wurde bereits zu Atlantic College-Gründungszeiten – auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges – erkannt und an der Schule umgesetzt. Der Kalte Krieg ist nun zwar vorbei, doch besteht auch weiterhin vor dem Hintergrund von Konflikten und Auseinandersetzungen weltweit die Notwendigkeit der Verständigung. Zudem bedarf es in einer Welt, die sich zunehmend ökonomisch und medial vernetzt, der interkulturellen Kompetenz. Die Grundausrichtung der UWC kann hier Vorbild sein. Desweiteren unterstreicht die Fähigkeit des pädagogischen Konzeptes zur Flexibilität, auf lokale Begebenheiten und Bedürfnisse reagieren zu können, das Potential des Konzeptes und damit auch das Potential, als Modell wirksam werden zu können. Nicht zuletzt belegt der Ideenimport der Hahn’schen Erlebnistherapie-Elemente ins heutige International Baccalaureate den hohen Stellenwert, der den Elementen beigemessen wird. 8.1 Printquellen 242

8 Literaturverzeichnis

8.1 Printquellen Antes, Wolfgang: Erlebnispädagogik : Fundierte Methode oder aktuelle Mode? In: Jugendstiftung Baden- Württemberg (Hg.): Erlebnispädagogik : Theorie und Praxis in Aktion : Praxishilfen der Jugendstiftung Baden- Württemberg. Münster : Ökotopia-Verlag, 1993, S. 11-24

Arbeitskreis reformpädagogischer Schulen: „Aufruf für einen Verbund reformpädagogisch engagierter Schulen : Blick über den Zaun“. Neue Sammlung. 43. Nr. 2 (2003), S. 275-281

Arnold-Brown, Adam S.: Der Einfluß von Abbotsholme. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 182-188

Auernheimer, Georg: Einführung in die interkulturelle Erziehung. 2., überarb. und erg. Aufl., Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1995

Auernheimer, Georg: „Mit kultureller Differenz umgehen lernen“. Pädagogik. 48. Nr. 11 (1996), S. 50-52

Bahr, Erhard: Nachwort. In: Johann Wolfgang Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre oder Die Entsagenden / hg v. E. Bahr. Stuttgart : Reclam, 1982, S. 547-564

Becker, Hellmut: Kurt Hahn zwischen Kindern und Erwachsenen. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 98- 101

Becker, Hellmut: „Kurt Hahn, der Erzieher“. Neue Sammlung. 15. Nr. 2 (1975), S. 109-113

Bibel: Das Evangelium nach Lukas (Luk.) 10,37

Blackburn, Robert: The International Baccalaureate: a curriculum at upper secondary level and a university entrance examination. In: Jonietz, Patricia L. (Hg.): International schools and international education. World Yearbook of Education: 1991, London: Kogan Page Limited, 1991, S. 15-24

Brereton, Henry: Die Gründung und Entwicklung von Gordonstoun. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 189-197

Brereton, Henry: Gordonstoun und die englische pädagogische Tradition. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 198-204

Brereton, Henry: [Memorial Tribute]. In: Byatt, D. A. (Hg.): Kurt Hahn : 1886 – 1974 : An appreciation of his life and work. Gordonstoun School, 1976, S. 22-26

Breß, Hartmut: „Outward Bound – Persönlichkeitsbildung durch Erlebnispädagogik : Die deutschen Kurzschulen als Alternativen zu Passivität und Resignation”. Deutsche Jugend. 33. Nr. 5 (1985), S. 222-226 8.1 Printquellen 243

Büchse, Nicolas: „Die ganze Welt in einem Schloss“. GEO WISSEN. Nr. 44. (2009), S. 150-161

Byatt, D. A.: Kurt Matthias Robert Martin Hahn. In: Byatt, D. A. (Hg.): Kurt Hahn : 1886 – 1974 : An appreciation of his life and work. Gordonstoun School, 1976, S. 13-14

Byatt, D. A. (Hg.): Kurt Hahn : 1886 – 1974 : An appreciation of his life and work. Gordonstoun School, 1976

Campbell, Olivia: Gordonstoun – The first seventeen years. In: Byatt, D. A. (Hg.): Kurt Hahn : 1886 – 1974 : An appreciation of his life and work. Gordonstoun School, 1976, S. 37-41

Carpenter, Peter: Das Herzog von Edinburgh-Leistungsabzeichen. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 248-254

Carpenter, Peter: Kurt Hahn und die Salemtradition. In: Henze, Wilhelm (Hg.): B. Zimmermann – H. Nohl – K. Hahn : Ein Beitrag zur Reformpädagogik. In: Schriftenreihe des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte Hoya e.V., Bd. 9. Duderstadt : Mecke Druck und Verlag, 1991, S. 97-103

Carpenter, Peter: [Im Interview am 24. Juni 2003]. In: Roscher, Sandra: Erziehung durch Erlebnisse : Der Reformpädagoge Kurt Hahn im Licht von Zeitzeugen. Augsburg : ZIEL, 2005, S. 27-32

Chew, F. Robert G.: Seemännische Ausbildung, Expedition und Projekte. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 205-212

Clare, John: „Cash cuts clouds the horizon”. In: The Daily Telegraph (27. März 1996)

Coles, Max: [Personal Recollection]. In: Byatt, D. A. (Hg.): Kurt Hahn : 1886 – 1974 : An appreciation of his life and work. Gordonstoun School, 1976, S. 115-117

Curlewis, Adrian: The Hahn prescription for ‘the lawless, the listless and the couldn’t-care-less fraternity’. In: Byatt, D. A. (Hg.): Kurt Hahn : 1886 – 1974 : An appreciation of his life and work. Gordonstoun School, 1976, S. 67-70

Darvall, Lawrance: „Education as a basis for international co-operation”. Zeitungsaufsatz, o. O./o. J. Kopie, Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem

Darvall, Lawrance: Speech at the Sheffield Lunch on 12th November, 1962. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 1-4

Day, John Henry: The Basic Conception of Education of Kurt Hahn and its Translation into Practice. In: Henze, Wilhelm (Hg.): B. Zimmermann – H. Nohl – K. Hahn : Ein Beitrag zur Reformpädagogik. In: Schriftenreihe des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte Hoya e.V., Bd. 9. Duderstadt : Mecke Druck und Verlag, 1991, S. 163-164

Delors, Jacques: Bildung: Eine notwendige Utopie. In: Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.). [Übers.: Tom Hartmann. Fachred.: Christine M. Merkel; Michaela Reithinger]: Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum : UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. Neuwied : Luchterhand, 1997, S. 11-28 8.1 Printquellen 244

Denning, Roy (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge : D. Brown and Sons Ltd., 1983

Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.). [Übers.: Tom Hartmann. Fachred.: Chirstine M. Merkel; Michaela Reithinger]: Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum : UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. Neuwied : Luchterhand, 1997

Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung : Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Vollst. überarb. und erw. Neuausgabe, 18. Aufl., Reinbek bei Hamburg : Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2007

Dines, Peter: „,You understand?’ : Englisch als Weltsprache“. In: Hurrelmann, Klaus; Knoch, Peter; Otto, Gunter; Rischbieter, Henning (Hg.): Wege nach Europa – Spuren und Pläne. Friedrich Jahresheft IX/1991. Seelze : Erhard Friedrich Verlag, 1991, S. 91-94

Ewald, Marina: Der Aufbau und Ausbau Salems (1919-1933). In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 108-126

Ferenschild, Hartmut: „Kurt Hahn und seine Spuren im Salem von heute“. erleben und lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 7-9

Ferenschild, Hartmut: „Soziale Dienste als bürgerschaftliches Engagement : Die Renaissance einer alten pädagogischen Idee“. Pädagogik. 56. Nr. 5 (2004), S. 32-35

Fischer, Torsten: Die Schulen Kurt Hahns. In: Kallbach, M.; Wichmann, J. (Hg.): Kindgemäß lernen : Alternative Schulmodelle. Berlin : Altis Verlag, 1991, S. 27-40

Fischer, Torsten: Die United-World-Colleges : Modelle internationaler Internatserziehung auf reformpädagogischer Grundlage. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Schriftenreihe „Kleine Schriften zur Erlebnispädagogik“, Heft 11. Lüneburg : Klaus Neubauer, 1991

Fischer, Torsten: Schule als sozialer Körper – Schule ein sozialer Erfahrungsraum : Analyse und Kritik des pädagogischen Konzeptes der Kurt-Hahn-Schulen unter Berücksichtigung ihres Beitrages zur Theorie und Praxis einer Schule mit erhöhter Erziehungsfunktion. In: J. Ziegenspeck (Hg.): Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 8. Lüneburg : Verlag edition Erlebnispädagogik, 1992

Fischer, Torsten: „Erhöhung der Erziehungswirksamkeit der Schule in den Funktionen und Möglichkeiten der modernen Erlebnispädagogik : Konzeption eines erlebnispädagogisch akzentuierten Leitfadens. Vortrag zur Fachtagung Erlebnispädagogik (Arbeitsgruppe: Bildung und Ausbildung) vom 11.02. bis 12.02. 1993 in Hannover“. Zeitschrift für Erlebnispädagogik. 13. Hf. 10/11 (1993), S. 3-40

Flavin, Martin: Kurt Hahn’s Schools & Legacy : To Discover You Can Be More and Do More Than You Believed : the story of one of the 20th century’s most innovative and inspiring educators. Wilmington : The Middle Atlantic Press, 1996

Fleming, Lancelot: [Memorial Tribute]. In: Byatt, D. A. (Hg.): Kurt Hahn : 1886 – 1974 : An appreciation of his life and work. Gordonstoun School, 1976, S. 17-19 8.1 Printquellen 245

Fox, Elisabeth: „Das Internationale Bakkalaureat – Wegbereiter einer weltweiten Erziehung und Bildung“. Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 327-349

Friese, Peter: Kurt Hahn – Leben und Werk eines umstrittenen Pädagogen. Bremerhaven : Selbstverlag, 2000

Georg Wilhelm Prinz von Hannover: Gedanken zum 10. Todestag und bevorstehenden 100. Geburtstag von Kurt Hahn. In: Henze, Wilhelm (Hg.): B. Zimmermann – H. Nohl – K. Hahn : Ein Beitrag zur Reformpädagogik. In: Schriftenreihe des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte Hoya e.V., Bd. 9. Duderstadt : Mecke Druck und Verlag, 1991, S. 95-96

Gudjons, Herbert: Pädagogisches Grundwissen : Überblick – Kompendium – Studienbuch. 5., durchgesehene und ergänzte Auflage. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt, 1997

Händel, Ulf; Ziegenspeck, Jörg: „Pädagogik mit Segeln und Bergsteigen“. betrifft:erziehung. 16. Nr. 12 (1983), S. 56-63

Händel, Ulf: Die Kurzschulen – ein außerschulisches Bildungsprogramm. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute : Handbuch reformpädagogischer Schulideen und Schulwirklichkeit. Düsseldorf : Schwann, 1986, S. 371-381

Hahn, Kurt: The problem of Citizenship in German Education, 1928. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem

Hahn, Kurt: Salem. Fotoalbum. Widmung an Marina Ewald, 24. Oktober 1930. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem

Hahn, Kurt: An Eltern und Freunde, 5. Juni 1933. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem

Hahn, Kurt: „Rückblick“. Rundfunkvortrag gehalten in London (B.B.C.) am 22. Oktober 1950. Die Sammlung. 8. Nr. 12 (1953), S. 573-579

Hahn, Kurt: Gästehaus in Gordonstoun. Circa 1951/52. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem

Hahn, Kurt: Hoffnungen und Sorgen. Vortrag vor den Salemer Lehrern, November 1954. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem

Hahn, Kurt: „The Development Of Charakter“. Lecture delivered on 7 October 1955, NATO Defense College, Paris. Per Telefax an die Verfasserin am 27. September 2007. NATO Defense College Library, Rom, S. 1-26

Hahn, Kurt: Die Aufgabe der Landerziehungsheime. In: Hahn, Kurt: Erziehung zur Verantwortung : Reden und Aufsätze. In: Linn, Fritz; Picht, Georg; Specht, Minna (Hg.): Aus den Deutschen Landerziehungsheimen, Hf. 2. Stuttgart : Ernst Klett Verlag, 1958, S. 28-43

Hahn, Kurt: Über das Mitleid. In: Hahn, Kurt: Erziehung zur Verantwortung : Reden und Aufsätze. In: Linn, Fritz; Picht, Georg; Specht, Minna (Hg.): Aus den Deutschen Landerziehungsheimen, Hf. 2. Stuttgart : Ernst Klett Verlag, 1958, S. 50-56

Hahn, Kurt: Hoffnungen und Sorgen eines Landerziehungsheims. In: Hahn, Kurt: Erziehung zur Verantwortung : Reden und Aufsätze. In: Linn, Fritz; Picht, Georg; Specht, Minna (Hg.): Aus den Deutschen Landerziehungsheimen, Hf. 2. Stuttgart : Ernst Klett Verlag, 1958, S. 82-93 8.1 Printquellen 246

Hahn, Kurt: „Ein europäischer Schulplan“. Der europäische Osten. 5. Nr. 51 (1959), S. 37-43.

Hahn, Kurt: Grundriss eines pädagogischen Testamentes. Hektographierter Entwurf. Salem, 21. Januar 1966. Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem

Hahn, Kurt: „»…will Lehrer werden, nicht Königl. Preußischer Unterrichter«“ : Ein Brief aus Oxford. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie : Reden, Aufsätze, Briefe eines politischen Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1986, S. 15-20

Hahn, Kurt: Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime : Pläne für eine Erziehungsbewegung. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie : Reden, Aufsätze, Briefe eines politischen Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1986, S. 32-51

Hahn, Kurt: Ein Internat in Deutschland : Vortrag über Salem. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie : Reden, Aufsätze, Briefe eines politischen Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1986, S. 55-66

Hahn, Kurt: Schulen der Nationalitäten : Der Plan für die United World Colleges. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie : Reden, Aufsätze, Briefe eines politischen Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1986, S. 87-90

Hahn, Kurt: Fitness Leadership. Eine Rede vor dem Nationalen Fitness-Rat von Schottland am 10. November 1938 in Dunblane. In: Henze, Wilhelm (Hg.): B. Zimmermann – H. Nohl – K. Hahn : Ein Beitrag zur Reformpädagogik. In: Schriftenreihe des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte Hoya e.V., Bd. 9. Duderstadt : Mecke Druck und Verlag, 1991, S. 147-152

Hahn, Kurt: Gedanken über Erziehung : Ein unvollendetes pädagogisches Werk. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 25-56

Hahn, Kurt: »…es ist wieder das Zeitalter der Burgen« : Überlegungen zur Politik und Pädagogik. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 106-109

Hahn, Kurt: »…nicht nur das Knie, sondern auch den Gemeinsinn täglich üben« : Brief an einen Schüler. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 116-119

Hahn, Kurt: Die nationale Aufgabe der Landerziehungsheime : Pläne für eine Erziehungsbewegung. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 124-147

Hahn, Kurt: Die Sieben Salemer Gesetze : Ansätze der Erlebnistherapie. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 151-153 8.1 Printquellen 247

Hahn, Kurt: An Eltern und Freunde : Der Aufruf vom Juni 1933. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 198-204

Hahn, Kurt: An die Mitglieder des Salemer Bundes. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 189

Hahn, Kurt: Ein Internat in Deutschland : Vortrag über Salem. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie : Reden, Aufsätze, Briefe eines politischen Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1986, S. 55-66

Hahn, Kurt: Ein Internat in Deutschland : Vortrag über Salem. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 222-232

Hahn, Kurt: »… die Public School als Zentrum sozialen Dienstes« : Skizzen von Gordonstoun. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 233-238

Hahn, Kurt: Ein Fitness-Abzeichen : Entwurf für den Duke of Edinburgh Award. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 239-241

Hahn, Kurt: Kurzschulen : Bericht über Outward Bound. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 273-279

Hahn, Kurt: Schulen der Nationalitäten : Der Plan für die United World Colleges. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 280-285

Hahn, Kurt: Erziehung und die Krise der Demokratie : Erläuterungen zur Erlebnispädagogik. In: Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998, S. 291-308

Hahn, K.: „The Atlantic College : Speech made by Kurt Hahn at Bruges on 13th September 1957 in a plenary session of the Atlantic Conference”. In: Time and Tide. The Independent Weekly (8. Februar 1958), London, S. 2- 6. [Abschrift?], Kurt-Hahn-Archiv, Schule Schloss Salem, S. 1-5

Hamm-Brücher, Hildegard: Erziehung zur Verantwortung in der Demokratie. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Kurt Hahn : Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen : Beiträge zum 100. Geburtstag des Reformpädagogen. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 2. Lüneburg : Verlag Klaus Neubauer, 1987, S. 35-61

Heitkämper, Peter: „Friedenspädagogik“. In: Reinhold, Gerd; Pollak, Guido; Heim, Helmut (Hg.): Pädagogik- Lexikon. München : R. Oldenbourg Verlag, 1999, S. 217-219

Hentig, Hartmut von: Kurt Hahn und die Pädagogik. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 41-82 8.1 Printquellen 248

Henze, Wilhelm (Hg.): B. Zimmermann – H. Nohl – K. Hahn : Ein Beitrag zur Reformpädagogik. In: Schriftenreihe des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte Hoya e.V., Bd. 9. Duderstadt : Mecke Druck und Verlag, 1991

Hill, Ian: Phenomenal Growth of the IB. In: Peterson, A. D. C.: Schools Across Frontiers : The Story of the International Baccalaureate and the United Word Colleges. 2., überarb. und aktualisierte Aufl., Chicago : Open Court, 2003, S. 239-280

Hill, Ian: Looking Ahead. In: Peterson, A. D. C.: Schools Across Frontiers : The Story of the International Baccalaureate and the United World Colleges. 2., überarb. und aktualisierte Aufl., Chicago : Open Court, 2003, S. 301-321

Hinrichs, Anke: „Wer war Kurt Hahn?“. erleben und lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 4-5

Hoare, D. J.: The Aims. The Atlantic College in the United Kingdom. Half Yearly Progress Report. Cowbridge : D. Brown and Sons; Nr. 2, Juli 1963. Prospekt.

Hoare, Desmond J.: Das Atlantic College. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 235-247

Hoare, D. J.: The Atlantic College – St Donat’s Castle. In: Byatt, D. A. (Hg.): Kurt Hahn : 1886 – 1974 : An appreciation of his life and work. Gordonstoun School, 1976, S. 57-61

Hoffmeier, George: „Die ,International School of Düsseldorf’“. Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 291- 298

Höhle, Stefan: „Mit Hoch-Mut“. Olympische Jugend. 45. Nr. 8 (2000), S. 18-19

Höpfl, Heinz: „Das erste Atlantic College : Musterbeispiel eines internationalen Internats”. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (18. Juli 1964), Nr. 164

Hogan, James Martin: Die Gründung der ersten Outward Bound-Schule in Aberdovey, Merionetshire. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 270-276

Hogan, J. M.: Impelled Into Experiences : The Story Of The Outward Bound Schools. London : Educational Productions Limited, 1968

HT [Korrespondenten-Kürzel]: „Die Schule der Lebensretter : Ein Berliner gründete jetzt das erste ,Atlantische Kolleg’”. In: Berliner Morgenpost (26. März 1961), Nr. 73

International Baccalaureate Organization: Diploma Programme : Creativity, action, service guide : For students graduating in 2010 and thereafter. Chippenham : Antony Rowe Ltd, 2008

ISA International Schools Association: An international curriculum : Its development and content : with special emphasis on the middle years of schooling. Report from the USA Conference 1985; Wessesley, Massachusetts, USA. 8.1 Printquellen 249

Jacoby, Lucien: Mehrsprachigkeit und Interkulturelle Erziehung in der Europäischen Gemeinschaft. In: Luchtenberg, Sigrid; Nieke, Wolfgang (Hg.): Interkulturelle Pädagogik und Europäische Dimension : Herausforderung für Bildungssystem und Erziehungswissenschaft. Festschrift zum 60. Geburtstag von Manfred Hohmann. Münster : Waxmann, 1994, S. 209-222

Jenkins, Colin D. O.: Brief an die Verfasserin, 9. August 1996

Jonietz, Patricia L.: A philosophy of international education – an interview with Robert Blackburn, Deputy Director of the International Baccalaureate Office, London, 25/9/89. In: Jonietz, Patricia L. (Hg.): International schools and international education. World Yearbook of Education: 1991, London : Kogan Page Limited, 1991, S. 217-223

Karsten, Anitra: Methoden zur Erforschung von Gruppenbeziehungen. In: Danckwortt, Dieter (Bearb.): Internationale Beziehungen – Ein Gegenstand der Sozialwissenschaft. In: Aurin, K. u.a. (Hg.): Politische Psychologie : Eine Schriftenreihe, Bd. 5. Frankfurt : Europäische Verlagsanstalt, 1966, S. 43-50

Knoll, Michael: „Paradoxien der Projektpädagogik. Zur Geschichte und Rezeption der Projektmethode in den USA und in Deutschland“. Zeitschrift für Pädagogik. 30. Nr. 5 (1984), S. 663-674

Knoll, Michael: „,Die Sieben Salemer Gesetze’ – ein vergessenes Dokument Kurt Hahn (1886-1974) zum Gedenken“. Pädagogische Rundschau. 40. Nr. 3 (1986), S. 285-290

Knoll, Michael: „…das Ziel ist die politische Mündigkeit“. Bildung und Erziehung. 39. Nr. 2 (1986), S. 217-220

Knoll, Michael: „Kurt Hahn – ein politischer Pädagoge. Zu seinem 100. Geburtstag“. Erziehungswissenschaft – Erziehungspraxis. 2. Nr. 1 (1986), S. 17-20

Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn: Erziehung und die Krise der Demokratie : Reden, Aufsätze, Briefe eines politischen Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1986

Knoll, Michael (Hg.): Kurt Hahn : Reform mit Augenmaß : Ausgewählte Schriften eines Politikers und Pädagogen. Stuttgart : Klett-Cotta, 1998

Knoll, Michael: Kurt Hahn – ein politischer Pädagoge : Zu seinem 100. Geburtstag. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Kurt Hahn : Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen : Beiträge zum 100. Geburtstag des Reformpädagogen. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 2. Lüneburg : Verlag Klaus Neubauer, 1987, S. 9-20

Köck, Peter: „Friedenserziehung“. In: Köck, P.: Wörterbuch für Erziehung und Unterricht : Das bewährte Fachlexikon für Studium und Praxis. Augsburg : Brigg Pädagogik Verlag, 2008, S. 157

Köppen, Werner: Die Schule Schloß Salem in ihrer geschichtlichen Entwicklung und gegenwärtigen Gestalt. In: H. Röhrs (Hg.): Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft. Ratingen : A. Henn Verlag, 1967

Kohl, Gaby: „Die Internationalen Schulen weltweit. Entwicklung und aktuelle Situation“. Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 271-284 8.1 Printquellen 250

Konrad, Klaus: Mündliche und schriftliche Befragung : Ein Lehrbuch. 5. überarb. Aufl. In: Arbinger, Roland; Jäger, Reinhold S.; Nenninger, Peter; Wosnitza, Marold (Hg.): Forschung, Statistik & Methoden, Bd. 4. Landau : Verlag Empirische Pädagogik, 2007

Kuld, Lothar: Compassion – Raus aus der Ego-Falle. In: Mönche der Abtei Münsterschwarzach (Hg.): Münsterschwarzacher Kleinschriften, Bd. 138. Münsterschwarzach : Vier-Türme-Verlag, 2003

Kupffer, Heinrich: „Besprechungen“. Pädagogische Rundschau. 26 II. Nr. 8 (1972), S. 620-624

Landau-Wegner, Lola: Familie und Tradition. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 102-107

Lawson, Ian: [Im Interview am 8. Oktober 2003]. In: Roscher, Sandra: Erziehung durch Erlebnisse : Der Reformpädagoge Kurt Hahn im Licht von Zeitzeugen. Augsburg : ZIEL, 2005, S. 61-66

Lietz, Hermann: Ein Rückblick auf Entstehung, Eigenart und Entwicklung der Deutschen Land- Erziehungsheime nach 15 Jahren ihres Bestehens (1913). In: Dietrich, Theodor (Hg.): Die Landerziehungsheimbewegung. In: Theodor Dietrich, Albert Reble (Hg.): Klinkhardts Pädagogische Quellentexte. Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt, 1967, S. 41-57

Lietz, Hermann: Emlohstobba : Roman oder Wirklichkeit : Bilder aus der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft? (1897). In: Hermann Lietz : Schulreform durch Neugründung : Ausgewählte Pädagogische Schriften, besorgt von Rudolf Lassahn. In: Rutt, Theodor (Hg.): Schöninghs Sammlung Pädagogischer Schriften : Quellen zur Historischen, Empirischen und Vergleichenden Erziehungswissenschaft. Paderborn : Ferdinand Schöningh, 1970, S. 5-30

Lietz, Hermann: Die Erziehungsgrundsätze des Deutschen Landerziehungsheims von Dr. H. Lietz bei Ilsenburg im Harz (1898). In: Hermann Lietz : Schulreform durch Neugründung : Ausgewählte Pädagogische Schriften, besorgt von Rudolf Lassahn. In: Rutt, Theodor (Hg.): Schöninghs Sammlung Pädagogischer Schriften : Quellen zur Historischen, Empirischen und Vergleichenden Erziehungswissenschaft. Paderborn : Ferdinand Schöningh, 1970, S. 31-36

Lorenz, Heike: „Editorial“. be-trifft. Nr. 2 (2002), S. 3

Loser, Fritz: „Die Internationalen Schulen : Zu diesem Heft“. Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 245- 247

Lues, Hans: Vorwort. In: Hahn, Kurt: Erziehung zur Verantwortung : Reden und Aufsätze. In: Linn, Fritz; Picht, Georg; Specht, Minna (Hg.): Aus den Deutschen Landerziehungsheimen, Hf. 2. Stuttgart : Ernst Klett Verlag, 1958, S. 5-8

Macintosh, H. Stewart: Character Training and the Contribution made by Outward Bound. In: James, David (Hg.): Outward Bound. 2. Aufl. London : Routledge and Kegan Paul, 1958, S. 157-173

Mann, Golo: Kurt Hahn als Politiker. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 9-40 8.1 Printquellen 251

Mann, Golo: „Zum Tode eines großen Pädagogen“. Neue Sammlung. 15. Nr. 2 (1975), S. 106-109

Mann, Golo: Erinnerungen an Kurt Hahn. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Kurt Hahn : Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen : Beiträge zum 100. Geburtstag des Reformpädagogen. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 2. Lüneburg : Verlag Klaus Neubauer, 1987, S. 21-33

McLellan, James L.: „The United Nations International School: An Exciting Experiment in International Education”. Kappa Delta Pi Record. 26. Nr. 4 (1989), S. 57-59

Metz, Johann B.; Kuld, Lothar; Weisbrod, Adolf: Compassion : Weltprogramm des Christentums : Soziale Verantwortung lernen. Freiburg : Herder, 2000

Michl, Werner: „50 Jahre OUTWARD BOUND Deutschland“. erleben und lernen. 9. Nr. 3 & 4 (2001), S. 34-35

Michl, Werner; Jagenlauf, Michael: „Editorial“. erleben und lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 3

Michl, Werner: „Verwilderungswünsche, Abenteuerlust und Grenzerfahrungen : Anmerkungen zu Kurt Hahns Begriff der Erlebnistherapie“. erleben und lernen. 13. Nr. 1 (2005), S. 10-13

Mountbatten, Philip, Duke of Edinburgh: Foreword. In: James, David (Hg.): Outward Bound. 2. Aufl. London : Routledge and Kegan Paul, 1958, S. ix

Mountbatten-Windsor, Charles, Prince of Wales: Foreword. In: Peterson, A. D. C.: Schools Across Frontiers : The Story of the International Baccalaureate and the United World Colleges. 2., überarb. und aktualisierte Aufl., Chicago : Open Court, 2003, S. vii-viii

Nida-Rümelin, Julian: „Zukunftsfähige Bildung: Persönlichkeit – Fähigkeiten – Tugenden“. Pädagogik. 55. Nr. 7-8 (2003), S. 54-56

N.N.: „Charakter Builder”. In: The Observer (13. November 1960)

Oelkers, Jürgen: Reformpädagogik : Eine kritische Dogmengeschichte. 4., vollständig überarb. und erw. Aufl., Weinheim : Juventa Verlag, 2005

Oelkers, Jürgen: John Dewey und die Pädagogik. Weinheim : Beltz Verlag, 2009

Orr, James: The Medical Commission on Accident Prevention. In: Byatt, D. A. (Hg.): Kurt Hahn : 1886 – 1974 : An appreciation of his life and work. Gordonstoun School, 1976, S. 66

Peterson, A. D. C.: Schools Across Frontiers : The Story of the International Baccalaureate and the United World Colleges. La Salle : Open Court, 1987

Peterson, A. D. C.: Schools Across Frontiers : The Story of the International Baccalaureate and the United World Colleges. 2., überarb. und aktualisierte Aufl., Chicago : Open Court, 2003

Pielortz, Anja: „Atlantic College“. erleben und lernen. 1. Nr. 1 (1993), S. 16

Pielortz, Anja: „Kurt Hahn und die Erlebnistherapie – ein Essay über Inhalte und Stellenwert ihres präventiven Charakters“. erleben und lernen. 1. Nr. 5 (1993), S. 11-14 8.1 Printquellen 252

Prauß, Angelika: „Erfahrungen fürs Leben : Das Compassion-Schulprojekt macht Schule“. In: Katholische SonntagsZeitung für Deutschland. 109. Nr. 50 (13./14. Dezember 2003), S. 15

Renaud, Gerard: The International Schools Association (ISA): historical and philosophical background. In: Jonietz, Patricia L. (Hg.): International schools and international education. World Yearbook of Education: 1991, London : Kogan Page Limited, 1991, S. 6-14

Richter, Gustav; Münch, Helmut: Kurzschule und Charakterbildung. München : Juventa Verlag, 1960

Richter, Klaus E.: „Stille, Selbstüberwindung und Dienst an der Gemeinschaft“. Die Höhere Schule. 42. Nr. 4 (1989), S. 113-115

Röhrs, Hermann: Schule und Bildung im internationalen Gespräch : Studien zur Vergleichenden Erziehungswissenschaft. Frankfurt am Main : Akademische Verlagsgesellschaft, 1966

Röhrs, Hermann: Die pädagogische Provinz im Geiste Kurt Hahns. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Bildung als Wagnis und Bewährung : Eine Darstellung des Lebenswerkes von Kurt Hahn. Heidelberg : Quelle & Meyer, 1966, S. 83-97

Röhrs, H.: „Friedenspädagogik“. In: Willmann-Institut München-Wien (Hg.): Lexikon der Pädagogik. Freiburg : Herder, 1970, II in 4, S. 34-35

Röhrs, Hermann: Erziehung zum Frieden : Ein Beitrag der Friedenspädagogik zur Friedensforschung. Stuttgart : Verlag W. Kohlhammer, 1971

Röhrs, Hermann: Die Reformpädagogik als internationale Bewegung. Band 1: Die Reformpädagogik : Ursprung und Verlauf in Europa. Hannover : Hermann Schroedel Verlag, 1980

Röhrs, Hermann (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute : Handbuch reformpädagogischer Schulideen und Schulwirklichkeit. Düsseldorf : Schwann, 1986

Röhrs, Hermann: Vorwort. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute : Handbuch reformpädagogischer Schulideen und Schulwirklichkeit. Düsseldorf : Schwann, 1986, S. 7-9

Röhrs, Hermann: Die Schulen der Reformpädagogik – Glieder einer kontinuierlichen internationalen Bewegung. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute : Handbuch reformpädagogischer Schulideen und Schulwirklichkeit. Düsseldorf : Schwann, 1986, S. 13-64

Röhrs, Hermann: Die Internationale Gesamtschule Heidelberg als Friedensschule – ein Hoffnungsträger der Friedenspolitik. In: Buddrus, Volker; Schnaitmann, Gerhard W. (Hg.): Friedenspädagogik im Paradigmenwechsel : Allgemeinbildung im Atomzeitalter: Empirie und Praxis. Weinheim : Deutscher Studien Verlag, 1991, S. 167- 173

Röhrs, Hermann: Die Einheit Europas und die Sicherung des Weltfriedens : Grundlagen einer weltbürgerlichen Bildung. In: Lenhart, Volker; Röhrs, Hermann (Hg.): Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft, Bd. 36. Frankfurt a.M. : Verlag Peter Lang, 1992 8.1 Printquellen 253

Schleske, Wolfram: Abenteuer – Wagnis – Risiko im Sport : Struktur und Bedeutung in pädagogischer Sicht. In: Gruppe, Ommo (Hg.): Reihe Sportwissenschaft : Ansätze und Ergebnisse, Bd. 9. Schorndorf : Verlag Karl Hofmann, 1977

Schlich, Jutta: „Grande Passion – drei Versuche, Kurt Hahns Erlebnistherapie in die heutige Wirklichkeit zu übersetzen“. erleben und lernen. 2. Nr. 6 (1994), S. 14-18

Schmidt, Helmut: Europa und die Deutschen in einer sich ändernden Welt : Festrede von Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt anläßlich der Gründung der Deutschen Stiftung United World Colleges am 17. März 1995 in Hamburg. Sonderdruck.

Schmitt, Guido: Fächerübergreifende Dimensionen interkultureller Bildung. In: Reich, Hans H.; Pörnbacher, Ulrike (Hg.): Interkulturelle Didaktiken – Fächerübergreifende und fächerspezifische Ansätze. Münster : Waxmann, 1993, S. 1-15

Schnaitmann, Gerhard W.: Friedenserziehung in der Schule : Entwurf und Erfahrungen in der Internationalen Gesamtschule Heidelberg. In: Buddrus, Volker; Schnaitmann, Gerhard W. (Hg.): Friedenspädagogik im Paradigmenwechsel : Allgemeinbildung im Atomzeitalter: Empirie und Praxis. Weinheim : Deutscher Studien Verlag, 1991, S. 174-187

Schwarz, Karl: „Kurzschulen – ein neuer Weg“. Olympische Jugend. 8. Nr. 10 (1963), S. 10-13

Schwarz, K.: Die Kurzschulen Kurt Hahns (1964). In: Dietrich, Theo (Hg.): Die Landerziehungsheimbewegung. In: Dietrich, Theo; Reble, Albert u. Mitarb. (Hg.): Klinkhardts Pädagogische Quellentexte. Bad Heilbrunn/OBB. : Verlag Julius Klinkhardt, 1967, S. 154-160

Schwarz, Karl: Die Kurzschulen Kurt Hahns. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Heidelberger Studien zur Erziehungswissenschaft. Ratingen : A. Henn Verlag, 1968

Skidelsky, Robert: Schulen von gestern für morgen : „Fortschrittliche Erziehung“ in englischen Privatschulen. Roland Fleissner (Übers.). Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1975

Smith, Iola: „School for change”. In: The Sunday Times (25. Oktober 1987), S. 41

Suhr, Myong Won: Öffnen wir uns für die Vorstellung von einem besseren Leben für Alle. In: Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.). [Übers.: Tom Hartmann. Fachred.: Chirstine M. Merkel; Michaela Reithinger]: Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum : UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. Neuwied : Luchterhand, 1997, S. 209-212

Summers, Spencer: [Memorial Tribute]. In: Byatt, D. A. (Hg.): Kurt Hahn : 1886 – 1974 : An appreciation of his life and work. Gordonstoun School, 1976, S. 27-28

Sutcliffe, David B.: „Das Atlantic College“. Neue Sammlung. 3. Nr. 3 (1963), S. 259-271

Sutcliffe, David: The First Twenty Years of the United World Colleges. In: Denning, Roy (Hg.): The Story of St. Donat’s Castle and Atlantic College. Cowbridge : D. Brown and Sons Ltd., 1983, S. 85-118 8.1 Printquellen 254

Sutcliffe, David B.: Oberstufen-Kollegs im Geiste Kurt Hahns. In: Röhrs, Hermann (Hg.): Die Schulen der Reformpädagogik heute : Handbuch reformpädagogischer Schulideen und Schulwirklichkeit. Düsseldorf : Schwann, 1986, S. 359-396

Sutcliffe, David Brooke: The United World Colleges. In: Jonietz, Patricia L. (Hg.): International schools and international education. World Yearbook of Education: 1991, London : Kogan Page Limited, 1991, S. 25-37

Sutcliffe, David B.: [Im Interview am 13. Juni 2003]. In: Roscher, Sandra: Erziehung durch Erlebnisse : Der Reformpädagoge Kurt Hahn im Licht von Zeitzeugen. Augsburg : ZIEL, 2005, S. 97-101

Sutcliffe, David: The United World Colleges in the New Millennium. In: Peterson, A. D. C.: Schools Across Frontiers : The Story of the International Baccalaureate and the United World Colleges. 2., überarb. und aktualisierte Aufl., Chicago : Open Court, 2003, S. 219-238

Thiesen, Hildegard: Kurt Hahn – Pädagogische Umwelten zwischen Konstruktion und Anknüpfung. (Diss. Jena). In: Koerrenz, Ralf (Hg.): Reihe: Pädagogische Studien und Kritiken (PSK), Bd. 1. Jena : Verlag IKS Geramond, 2006

Tyson, Dan: Brief an die Verfasserin, 1. August 1996

Vogel, Johann Peter: „Die rechtliche Stellung der Internationalen Schulen in der Bundesrepublik Deutschland“. Bildung und Erziehung. 44. Nr. 3 (1991), S. 351-360

Walker, George: To Educate the Nations : Reflections on an international education. 2. Aufl., Glasgow : Bell & Bain Ltd, 2004

Wassong, Stephan: „Die Rolle und Funktion des Sports im Erziehungskonzept von Kurt Hahn“. Antrittsvorlesung an der Deutschen Sporthochschule Köln am 22. Juni 2006

Weber, Helga: Die deutschen Kurzschulen : historischer Rückblick – gegenwärtige Situation – Perspektiven. Weinheim : Beltz Verlag, 1983

Weiß, Edgar: „Friedenserziehung“. In: Jordan, Stefan; Schlüter, Marnie (Hg.): Lexikon Pädagoik : Hundert Grundbegriffe. Stuttgart : Philipp Reclam jun., 2010, S. 107-109

Wilhelmi, Jutta: „Der Prinzenerzieher“. Erziehung und Wissenschaft. 46. Nr. 10 (1994), S. 20

Winthrop-Young, Jocelin: [Im Interview am 7. Mai 2003]. In: Roscher, Sandra: Erziehung durch Erlebnisse : Der Reformpädagoge Kurt Hahn im Licht von Zeitzeugen. Augsburg : ZIEL, 2005, S. 112-118

Ziegenspeck, Jörg: Lernen für’s Leben – Lernen mit Herz und Hand : Ein Vortrag zum 100. Geburtstag von Kurt Hahn (1886-1974). Lüneburg : Verlag Klaus Neubauer, 1986

Ziegenspeck, Jörg: „Lernen fürs Leben – Lernen mit Herz und Hand : Zum 100. Geburtstag von Kurt Hahn (1886-1974)“. Neue Sammlung. 26. Nr. 3 (1986), S. 423-435

Ziegenspeck, Jörg: Kurt Hahn und die internationale Kurzschul-Erziehung – Ein Beitrag zum grundlegenden Verständnis. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Outward Bound : Geschütztes Warenzeichen oder offener 8.2 Elektronisches Literaturverzeichnis 255 pädagogischer Begriff ? : Stellungnahmen und Dokumente zu einem Streitfall. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 1. Lüneburg : Verlag Klaus Neubauer, 1986, S. 7-20

Ziegenspeck, Jörg: Kurt Hahn und die internationale Kurzschulbewegung – Ein Beitrag zum 100. Geburtstag des Reformpädagogen. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Kurt Hahn : Erinnerungen – Gedanken – Aufforderungen : Beiträge zum 100. Geburtstag des Reformpädagogen. In: Ziegenspeck, Jörg (Hg.): Schriften – Studien – Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 2. Lüneburg : Verlag Klaus Neubauer, 1987, S. 117-132

Ziegenspeck, Jörg: „Erlebnispädagogik : Hintergrundinformationen zu einem praktisch bedeutsamen und theoretisch interessanten Erziehungsfeld“. Zeitschrift für Erlebnispädagogik. 13. Nr. 1 (1993), S. 5-10

8.2 Elektronisches Literaturverzeichnis Air of Authority – A History of RAF [Royal Air Force] Organisation: Air Marshal Sir Lawrence Darvall (05076). Erhältlich im Internet unter: http://www.rafweb.org/Biographies/Darvall.htm [Stand: 21.1.2007].

Armand Hammer United World College of the American West, 2004 President and Trustees of Armand Hammer United World College of the American West. About UWC-USA [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc-usa.org/about/index.htm [Stand: 25.2.2008]. Other UWC-USA Graduation Requirements [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc-usa.org/academics/uwcusa_requirements.htm [Stand: 17.5.2008]. Academics [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc-usa.org/academics/academics.htm [Stand: 28.6.2008]. Other IB Diploma Requirements [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc- usa.org/academics/ib_requirements.htm [Stand: 13.7.2008]. About UWC Community Outreach [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc-usa.org/publications/presskit.htm [Stand: 2.8.2008]. Project Week, Long Weekends & Vacations [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc-usa.org/academics/ projectweek_vacations.htm [Stand: 2.8.2008].

Armand Hammer United World College of the American West. Bartos Institute/CEC [online]. Erhältlich im Internet unter: http:www.uwc-usa.org/podium/default.aspx?t=116632 [Stand: 17.8.2009].

Armand Hammer United World College of the American West, United World College – USA. United World College : Student Community Services 2008-2009 [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc- usa.org/ftpimages/423/download/CAS 08-09.pdf [Stand: 27.8.2009].

Association of German International Schools (AGIS). Welcome [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.agis-schools.org/ [Stand: 15.9.2008]. Membership [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.agis-schools.org/membership.html [Stand: 24.9.2008]. Agis Schools Germany [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.agis-schools.org/members.html [Stand: 23.6.2009].

Becker, Hans-Josef: Katholische Schulen und ihr sozialer Bildungsauftrag [online]. Einführung von Erzbischof Hans-Josef Becker, Vorsitzender der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz, 8.2 Elektronisches Literaturverzeichnis 256 zum 5. Bundeskongress Katholische Schulen am 28. November 2008 in Essen. Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz 066a vom 28.11.2008. Erhältlich im Internet unter: http://www.dbk.de/imperia/ md/content/pressemitteilungen/2008-2/2008-066a_kath-schulen_einfuehrung-eb-becker.pdf [Stand: 14.11.2009], S. 1-6

Bomsdorf, Clemens: Schulfach Seenotrettung [online]. ZEIT ONLINE. Erhältlich im Internet unter: http://www.zeit.de/2004/35/C-UnitedWorldColleges [Stand: 5.1.2007].

Bueb, Bernhard: Kurt Hahn, the Politician [online]. Lecture held at the Round Square Converence in Salem on 16th October 2002. Erhältlich im Internet unter: http://www.salemcollege.de/D3Gesch_00.html [Stand: 29.10.2006].

Council of International Schools (CIS), 2009 Council of International Schools. Welcome to the Council of International Schools [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.cois.org [Stand: 28.6.2009]. International School of Düsseldorf e.V. [online]. Erhältlich im Internet unter: http://members.cois.org/directory/isd_accred.aspx [Stand: 24.8.2009].

Deutsche Stiftung UWC. Im Internet unter: http://www.uwc.de [Stand: 1.11.2009].

Deutsche Stiftung UWC. Bewerbungsunterlagen Deutsche Stiftung UWC [online]. Frankfurt, 2. April 2009. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/img/dl/UWC_Bewerbungsunterlagen_2010.pdf [Stand: 21.8.2009].

Deutsche Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. , 2007 UWC. Alexander Krebs-Gehlen Stipendium [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/akutelles_stipendium [Stand: 3.2.2007].

Deutsche Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. , 2008 UWC. UWC und danach [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/ueber_danach [Stand: 13.4.2008]. Die Entstehung [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/ueber_entstehung [Stand: 20.1.2008]. Bewerbung [online]. Erhältlich im Internet unter: http:www.uwc.de/bewerbung [Stand: 25.3.2008]. Bewerbungsprozess [online]. Erhältlich im Internet unter: http:www.uwc.de/bewerbung_prozess [Stand: 25.3.2008]. Spenden [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/spenden [Stand: 30.3.2008]. Spenden [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/Network_Spende [Stand: 30.3.2008]. Die Idee [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/ueber_idee [Stand: 30.3.2008]. Frequently Asked Questions [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/ueber_faq [Stand: 8.6.2008]. Das Programm [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/ueber_programm [Stand: 17.6.2008].

Deutsche Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. , 2009 UWC. Das Programm [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/ueber_programm [Stand: 21.8.2009, 16.9.2009].

Deutsche Stiftung UWC/UWC Network Deutschland e.V. , UWC Deutschland. Die Idee [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/ueber-uwc/die-idee/ [Stand: 17.4.2010]. Die Chance UWC [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/ [Stand: 17.4.2010]. United World Colleges. Eine Welt. Eine Schule [online]. Allgemeine Broschüre United World Colleges (deutsch). Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.de/wp-content/uploads/2009/11/Allgemeiner-Flyer-UWC-2009.pdf [Stand: 12.4.2010]. 8.2 Elektronisches Literaturverzeichnis 257

Deutsche UNESCO-Kommission e.V., Deutsche UNESCO-Kommission. „Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum“ [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.unesco.de/delors-bericht.html?&L=0 [Stand: 2.6.2008].

Deutsche UNESCO-Kommission e.V., unesco-projekt-schulen Deutschland. 8. Projekttag 2010 [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ups-schulen.de/projekttage_2010.php [Stand: 12.12.2009]. dpa-gms: Das United World College: Lernen in einer globalen Welt [online]. WEB.DE. Erhältlich im Internet unter: http://magazine.web.de/de/themen/beruf/bildung/schule/3383488.html [Stand: 23.1.2008].

European Council of International Schools. membership categories [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ecis.org/categories.asp [Stand: 28.9.2008]. ECIS School Search [online]. Erhältlich im Internet unter: http://edmundo.ecis.org/search/Select_School.asp [Stand: 28.6.2009].

Friends of Round Square Deutschland e.V.. Home: Herzlich Willkommen bei Friends of Round Square Deutschland e.V. [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.round-square.de/ [Stand: 29.6.2009]. Projekte: Round Square – Grundsätze & Programme [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.round-square.de/ [Stand: 29.6.2009].

Hahn, Kurt: Education and Peace: The Foundations of Modern Society [online]. Reprinted from The Inverness Courier, March 24, 1936. Erhältlich im Internet unter: http://www.kurthahn.org/writings/ed_peace.pdf [Stand: 27.10.2006], S. 1-4

Hahn, Kurt: Training For and Through the Sea [online]. Address given to the Honourable Mariners’ Company in Glasgow on the 20th February, 1947. Erhältlich im Internet unter: http://www.kurthahn.org/writings/train.pdf [Stand: 27.10.2006], S. 1-6

Hahn, Kurt: Address at the Forty-Eigths Annual Dinner of Old Centralians [online]. Gehalten am 17. November 1958 in London. Gedruckt in: The Central : The Journal of Old Centralians. London, Nr. 119 (Februar 1959), S. 3-8. Erhältlich im Internet unter: http://www.kurthahn.org/writings/writings.html [Stand: 27.10.2006], S. 1-8

Hahn, Kurt: Outward Bound [online]. Address by Dr. Kurt Hahn at the Annual Meeting of the Outward Bound Trust on 20th July, 1960. Erhältlich im Internet unter: http://www.kurthahn.org/writings/obt1960.pdf [Stand: 27.10.2006], S. 1-13

Hahn, Kurt: Gordonstoun and a Europe Mission [online]. O. J. Erhältlich im Internet unter: http://www.kurthahn.org/writings/gston.pdf [Stand: 27.10.2006], S. 1-7

Hahn, Kurt: Harrogate Address on Outward Bound [online]. Address by Dr. Kurt Hahn at the Conference at Harrogate 9 May 1965. Erhältlich im Internet unter: http://www.kurthahn.org/writings/gate.pdf [Stand: 27.10.2006], S. 1-9

Hahn, Kurt: Address at the Founding Day Ceremony of the Athenian School [online]. 21. November 1965, Danville, California. Erhältlich im Internet unter: http://www.kurthahn.org/writings/athens.pdf [Stand: 27.10.2006], S. 1-11 8.2 Elektronisches Literaturverzeichnis 258

International Baccalaureate Organization, International Baccalaureate Organization, 2005. What makes the IBO unique? [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/who/slidec.cfm [Stand: 31.12.2006]. Country information for Germany [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/country/DE/index.cfm [Stand: 31.12.2006]. Discover a world of education [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/ [Stand: 31.12.2006].

International Baccalaureate Organization, International Baccalaureate Organization, 2005-2008. Country information for Germany [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/country/DE/ [Stand: 15.6.2008]. Mission and strategy [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/mission/ [Stand: 15.6.2008]. Where is the IB located? [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/who/slideh.cfm [Stand: 1.7.2008]. Three programmes at a glance [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/programmes [Stand: 6.7.2008]. Diploma Programme curriculum. Group 1: language A1 [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/diploma/curriculum/group1 [Stand: 10.7.2008]. Diploma Programme curriculum. Group 2: second language [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/diploma/curriculum/group2/ [Stand: 10.7.2008]. Diploma Programme curriculum. Group 3: individuals and societies [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/diploma/curriculum/group3/ [Stand: 10.7.2008]. Diploma Programme curriculum. Group 4: experimental sciences [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/diploma/curriculum/group4/ [Stand: 10.7.2008]. Diploma Programme curriculum. Group 5: mathematics and computer science [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/diploma/curriculum/group5/ [Stand: 10.7.2008]. Diploma Programme curriculum. Group 6: the arts [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/diploma/curriculum/group6/ [Stand: 10.7.2008]. Diploma Programme curriculum. Core requirements [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/diploma/curriculum/core [Stand: 10.7.2008]. Diploma Programme curriculum. Core requirements. Theory of knowledge [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/diploma/ curriculum/core/knowledge [Stand: 10.7.2008]. Diploma Programme curriculum. Core requirements. Creativity, action, service (CAS) [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/diploma/curriculum/core/cas [Stand: 10.7.2008]. UWC-IB initiative in Bosnia and Herzegovina [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/partnerships/bosniaproject/ [Stand: 13.7.2008].

International Baccalaureate Organization, International Baccalaureate Organization, 2005-2009. Mission and strategy [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/mission/ [Stand: 19.8.2009]. Find an IB World School [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/school/search/index.cfm? programmes=&country=DE®ion=&find_schools=Find [Stand: 27.6.2009]. IB World School statistics [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ibo.org/facts/schoolstats/progsbycountry.cfm?text_size=1 [Stand: 5.11.2009].

International Schools Association, 2001-2007 ISA and its licensors. Mission Statement [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.isachools.org/index.php?option=content&task=view&id=92&Itemid=86 [Stand: 15.9.2008]. Mission Objectives [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.isaschools.org/index.php? option=com_content&task=view&id=47&Itemid=85 [Stand: 15.9.2008]. 8.2 Elektronisches Literaturverzeichnis 259

International School of Düsseldorf e.V.. Im Internet unter: http://www.isdedu.de [Stand: 4.7.2009].

International School of Düsseldorf e.V.. Philosophy [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.isdedu.eu/DirWhatWeLearn/philosophy.htm [Stand: 21.8.2009]. Educational Principles [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.isdedu.eu/DirHowWeLearn/eduPrinciples.htm [Stand: 24.8.2009]. Mission and Vision [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.isdedu.eu/DirWhatWeLearn/ missionVision.htm [Stand: 24.8.2009]. Visit Us: Some Basic Data [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.isdedu.eu/DirContactUs/visitUs.htm [Stand: 4.7.2009].

James, Thomas: Kurt Hahn and the Aims of Education [online]. 2000. Erhältlich im Internet unter: http://www.kurthahn.org/writings/james.pdf [Stand: 27.10.2006], S. 1-14

King Hussein Foundation, 2008 King Hussein Foundation: Her Majesty Queen Noor [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.kinghusseinfoundation.org/index.php?pager=end&task=view&type=content&pageid=61 [Stand: 1.11.2009].

Lester B. Pearson United World College of the Pacific, 2005 Pearson College. History of Pearson College [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.pearsoncollege.ca/history.htm [Stand: 6.11.2006]. History of Pearson College [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.pearsoncollege.ca/history.htm [Stand: 1.4.2008]. About Pearson College [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.pearsoncollege.ca/about.htm [Stand: 1.4.2008]. School Program – Services & Activities [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.pearsoncollege.ca/activities.htm [Stand: 7.6.2008]. One World 2008 [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.pearsoncollege.ca/one_world.html [Stand: 7.6.2008]. Admissions for Canadian Students [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.pearsoncollege.ca/admissions.htm [Stand: 1.11.2009].

Li Po Chun United World College of Hong Kong, Li Po Chun UWC. About LPC [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.lpcuwc.uwc.org/en/about/about_history.php [Stand: 16.11.2006, 23.6.2008]. QUAN CAI [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.lpcuwc.uwc.org/en/qc [Stand: 18.5.2008].

Mahindra United World College of India, MUWCI – Triveni CS. Campus Support (CS) [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.muwci.net/triveni/cs.html [Stand: 29.8.2009].

Nostitz, Herbert von: Hahn’s Erziehung zum Gentleman [online]. Friends of Round Square Deutschland e.V. Erhältlich im Internet unter: http://www.round-square.de, Unterverzeichnis: Kurt Hahn [Stand: 29.10.2006, 23.6.2008].

Red Cross Nordic United World College, 1995-2004 Red Cross Nordic UWC. Introduction [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.rcnuwc.uwc.org/college/index.asp [Stand: 17.11.2006].

Red Cross Nordic United World College, 1995-2008 Red Cross Nordic UWC. Academic Programme: Introduction [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.rcnuwc.uwc.org/college/academics.asp [Stand: 15.7.2008]. The Programme [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.rcnuwc.uwc.org/leirskule/ programme.asp [Stand: 17.8.2009]. 8.2 Elektronisches Literaturverzeichnis 260

Red Cross Nordic United World College, RCNUWC 2008. Extra-Academic Program [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.rcnuwc.no/extra-ac.html [Stand: 27.8.2009]. About RCNUWC [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.rcnuwc.no/about.html [Stand: 27.8.2009].

Röhrs, Hermann: Die Internationale Gesamtschule Heidelberg als Friedensschule und als UNESCO- Projektschule [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.igh.hd.bw.schule.de/igh/profil/frieden/roehrs.pdf [Stand: 11.1.2007], S. 1-27

Round Square, Round Square 2005. Who We Are [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.roundsquare.org/whoweare.htm [Stand: 20.1.2007].

Round Square. Committed, responsible global citizens [online]. Unterverzeichnis: Who we are. Erhältlich im Internet unter: http://www.roundsquare.org/index.php?id=3 [Stand: 29.6.2009]. Discover the world and make a difference [online]. Unterverzeichnis: Ideals. Erhältlich im Internet unter: http://www.roundsquare.org/index.php? id=17 [Stand: 29.6.2009].

Schloss Salem Kultur- und Museumsmanagement GmbH. Schloss Salem am Bodensee. Willkommen in Schloss Salem [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.salem.de/flashindex.php [Stand: 6.9.2008].

Schule Schloss Salem – Internationale Privatschule in Deutschland. Salemer lernen helfen [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.salem.net.de/de/persoenlichkeitsentwicklung/dienste.html [Stand: 28.6.2009]. Wer war Kurt Hahn? [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.salem-net.de/de/ueber-salem/geschichte/das- leben-von-kurt-hahn.html [Stand: 13.12.2009].

Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg: Compassion [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.schulstiftung-freiburg.de/de/compassion/index.php?sid=&psid=&rg=5 [Stand: 29.9.2009].

Schulverbund Blick über den Zaun, Blick über den Zaun. Letzte Aktualisierung: 16.7.2009, erhältlich im Internet unter: http://www.blickueberdenzaun.de [Stand: 27.9.2009].

Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2009 Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland: Vereinbarung über die Anerkennung des „International Baccalaureate Diploma/Diplôme du Baccalauréat International“ [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1986/1986_03_10- Vereinbarung-Baccalaureate-Dipl.pdf [Stand: 29.11.2009].

Simón Bolívar United World College of Agriculture. United World Colleges Movement [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.sbuwc.uwc.org/UWCMovement.htm [Stand: 5.12.2006]. Information for New Students [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.sbuwc.uwc.org/NewStudent.htm [Stand: 5.4.2008]. Academics [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.sbuwc.uwc.org/Academics.htm [Stand: 6:4.2008]. About Simón Bolívar UWC [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.sbuwc.uwc.org/About.htm [Stand: 6.4.2008]. History of SB UWC [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.sbuwc.uwc.org/About.htm [Stand: 6.4.2008, 25.8.2009]. 8.2 Elektronisches Literaturverzeichnis 261

Stetson, Charles P.: An Essay on Kurt Hahn : Founder of Outward Bound (1941). Erhältlich im Internet unter: http://www.kurthahn.org/writings/stet.pdf [Stand: 27.10.2006), S. 1-9

TeachersNews: Schule mit Kick: Internationales Abitur an einem College von UWC [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.teachersnews.net/artikel/nachrichten/verschiedenes/000649.php [Stand: 5.1.2007].

The Duke of Edinburgh’s Award International Association. Im Internet unter: http://www.intaward.org [Stand: 2.1.2007].

The United World Colleges (International). Im Internet unter: http://www.uwc.org

The United World Colleges (International), 2007 United World Colleges (International). International Office [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/about_us/international_movement/international_office [Stand: 23.3.2008]. International Board [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/about_us/ international_movement/international_board [Stand: 24.3.2008]. UWC – A History [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/about_us/history1 [Stand: 24.3.2008]. About UWC [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/about_us [Stand: 25.3.2008]. Mission & Vision [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/about_us/mission_and_vision [Stand: 21.9.2008].

The United World Colleges (International), 2009 United World Colleges (International). School Based Syllabi [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/our_colleges/curriculum/international_baccalaureate/ school_based_syllabi.aspx [Stand: 4.7.2009]. Presidents of UWC [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/who_we_are/uwc_international/our_presidents.aspx [Stand: 15.8.2009]. Mission and Values [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/who_we_are/mission_and_vision.aspx [Stand: 17.8.2009, 21.8.2009]. Our Colleges [online]. Erhältlich im Internet unter: http://uwc.org/who_we_are/ our_colleges.aspx [Stand: 21.8.2009]. A UWC education [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/our_colleges/a_uwc_education.aspx [Stand: 21.8.2009]. Our National Committees [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/who_we_are_/our_national_committees.aspx [Stand: 29.8.2009]. Russian Federation [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc.org/how_to_apply/ find_your_national_committee/russian_federation.aspx [Stand: 29.8.2009].

The UWC-IBO Initiative in Bosnia and Herzegovina; 2006-7, Initiative in Bosnia and Herzegovina. Background United World Colleges (UWC) [online]. Erhältlich im Internet unter: http://uwc- ibo.org/en/background [Stand: 2.1.2007]. UWC in Mostar celebrates Successful First Term [online]. Erhältlich im Internet unter: http://uwc-ibo.org/en/news/44 [Stand: 2.1.2007].

The UWC-IBO Initiative in Bosnia and Herzegovina. Home [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwc-ibo.org/ [Stand: 13.7.2008].

UNESCO-Projektschulen, unesco-projekt-schulen Deutschland. Wir über uns [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ups-schulen.de/ueber_uns.php [Stand: 3.10.2009]. Grundsätze [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.ups-schulen.de/ueber_uns_grundsaetze.php [Stand: 3.10.2009].

United World College of the Atlantic, 2006 Atlantic College. Embrace – the UWC mission [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.atlanticcollege.org/NETCOMMUNITY/Page.aspx?pid=211&srcid=183 [Stand: 8.2 Elektronisches Literaturverzeichnis 262

7.6.2008]. Inshore Lifeboat Service [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.atlanticcollege.org/ Page.aspx?pid=318 [Stand: 12.4.2009]. Active community service with impact [online]. Erhältlich im Internet unter: http:www.atlanticcollege.org/Page.aspx?pid=222 [Stand: 17.8.2009]. An inspirational coastal campus [online]. Erhältlich im Internet unter: http:www.atlanticcollege.org/Page.aspx?pid=213 [Stand: 17.8.2009]. Lifeguard Service [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.atlanticcollege.org/Page.aspx?pid=319 [Stand: 29.8.2009]. Enriched lives, worlds of possibility [online]. Erhältlich im Internet unter: http:www.atlanticcollege.org/Page.aspx?pid=212 [Stand: 28.10.2009].

United World College of the Adriatic. Associazione ”Mondo 2000“ [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwcad.uwc.org/about/mondo2000/index.html [Stand: 6.4.2008]. Our location – Duino (Trieste) [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwcad.uwc.org/about/where_are_we/ [Stand: 7.4.2008]. What we do [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwcad.uwc.org/about/what_we_do [Stand: 5.4.2008, 17.5.2008]. Description of Courses [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwcad.uwc.org/students/ prospective_students/ibgroupdetails.html [Stand: 7.6.2008]. Social service [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwcad.uwc.org/about/social_service [Stand: 9.6.2008].

United World College of Costa Rica, United World College of Costa Rica (2006). Celebrities Phrases [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwccr.com/home.php [Stand: 21.11.2006]. UWC COSTA RICA [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwccr.com/home.php [Stand: 5.4.2008]. History [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwccr.com/history.asp [Stand: 6.4.2008, 26.8.2009]. Programe for Creativity, Action and Service [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwccr.com/casprogramme.asp [Stand: 18.5.2008]. UWC Mission [online]. Erhältlich im Internet unter: http:www.uwccr.com/philosophy.asp [Stand: 18.5.2008].

United World College of South East Asia, 2007 UWCSEA. Our schools [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwcsea.edu.sg/cgi-bin/WebObjects/StudywizPortal.woa/1/wa/page?pid=7 [Stand: 7.7.2008]. Outdoor education [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwcsea.edu.sg/cgi-bin/WebObjects/ StudywizPortal.woa/1/wa/page?pid=174&wosid=k9wypW8uiuu0NSbumORrtg [Stand: 2.8.2008].

United World College of South East Asia, 2008 UWCSEA. Service [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwcsea.edu.sg/cgi- bin/WebObjects/StudywizPortal.woa/1/wa/page?pid=173&wosid=zc3UxIgKdlGtEhMDbw [Stand: 6.9.2008].

United World College of South East Asia: United World College of South East Asia. College Guide 2006-2007 [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.uwcsea.edu.sg/brochure/guidecollege.pdf [Stand: 5.11.2006].

Walker, George: Beyond the UWC model [online], December 1, 2005. George Walker’s weblog. Erhältlich im Internet unter: http://blogs.ibo.org/georgew [Stand: 3.11.2009].

Waterford-Kamhlaba United World College of Southern Africa. General Information Brochure for boarding and day students [online]. Aktualisiert: Februar 2007, erhältlich im Internet unter: http://www.waterford.sz/documents/GIB.pdf [Stand: 31.5.2008].

Waterford-Kamhlaba United World College of Southern Africa, Waterford-Kamhlaba United World College of Southern Africa 2008. Welcome Remarks from the Principal [online]. Erhältlich im Internet unter: 8.3 Informationsmaterial 263 http://www.waterford.sz/ [Stand: 7.5.2008]. Academic Programmes [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.waterford.sz/main/learn.php [Stand: 7.7.2008]. CAS, TOK and Extended Essay [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.waterford.sz/learn/ib/essentials.php [Stand: 12.7.2008]. Waterford Kamhlaba as a United World College [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.waterford.sz/main/uwc.php [Stand: 18.7.2008].

Waterford-Kamhlaba United World College of Southern Africa, Waterford-Kamhlaba United World College of Southern Africa 2009. Waterford Kamhlaba as a United World College [online]. Erhältlich im Internet unter: http://www.waterfordkamhlaba.org/main/uwc.php [Stand: 16.8.2009].

Wikipedia: Louis Mountbatten, 1. Earl Mountbatten of Burma [online]. Letzte Aktualisierung: 14. März 2008, 1:22 Uhr, erhältlich im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Louis_Mountbatten, _1._Earl_Mountbatten_of_Burma [Stand: 21.3.2008]. Internationale Schule [online]. Letzte Aktualisierung: 6. Juli 2008, 21:40 Uhr, erhältlich im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Schule [Stand: 15.9.2008]. Schulsystem im Vereinigten Königreich [online]. Letzte Aktualisierung: 8.3.2010, 18:41 Uhr, erhältlich im Internet unter http://de.wikipedia.org/wiki/Schulsystem_im_Vereinigten_K%C3%B6nigreich [Stand: 12.3.2010].

8.3 Informationsmaterial Red Cross Nordic United World College Fjaler. Statsbygg (Hg.). Oslo, 1995. Report Nr. 489/1995. Prospekt.

The Atlantic College in the United Kingdom, o. O., o. J. [um 1961]. Prospekt.

The Atlantic College in the United Kingdom. Cowbridge : D. Brown and Sons, Mai 1963. Prospekt.

The Atlantic College in the United Kingdom. Half Yearly Progress Report. Cowbridge : D. Brown and Sons; Nr. 2, Juli 1963. Prospekt.

United World Colleges – world college of the atlantic. Half yearly progress report. Nr. 11, Januar 1969. Prospekt.

United World Colleges – world college of the atlantic at st. donat’s castle, south wales. Cowbridge : Brown and Sons, o. J. Prospekt.

UWC – United World Colleges : Schulen ohne Grenzen. Deutsches Komitee UWC (Hg.). Freiburg, 1993. Prospekt.

Updated Activities Lists: ISD-CAS Creativity activities, ISD-CAS Service activities, ISD-CAS Action activities. Internationale Schule Düsseldorf e.V. Per Post erhalten von der ISD am 7.9.2009. Listenausdruck. 9.1 Anhang A 264

9 Anhänge

9.1 Anhang A Der vorliegende Lebenslauf ist einer Veröffentlichung auf der Homepage der Schule Schloss Salem entnommen (http://www.salem-net.de/de/ueber-salem/geschichte/das-leben-von-kurt-hahn.html; Datum des Zugriffs: 13.12.2009) – jedoch nicht in Gänze. Es wurde eine Auswahl der in diesem Rahmen als relevant erachteten Daten getroffen. Eine Kurzbiographie von Kurt Hahn findet sich unter anderem auch in dem Buch von Wilhelm Henze (Hg.): B. Zimmermann – H. Nohl – K. Hahn : Ein Beitrag zur Reformpädagogik. In: Schriftenreihe des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte Hoya e.V., Bd. 9. Duderstadt, 1991, S. 178-179.

5. Juni 1886 geboren in Berlin als Sohn jüdischer Eltern, Oskar Hahn und Charlotte Hahn (geb. Landau)

Ausbildung am Wilhelmsgymnasium, Berlin. Abitur 1904

1904 - 1914 Studium der klassischen Philosophie und Philologie an den Universitäten Oxford (1904-1906), Berlin, Heidelberg, Freiburg, Göttingen (1906-1910) und Oxford (1911-1914)

1910 Hahns Schulromans „Frau Elses Verheißung“ erscheint

(…)

1914 Anstellung als Lektor in der „Zentralstelle für Auslandsdienst“ des Auswärtigen Amts, um die Britische Presse auszuwerten. Hahn fällt in Ungnade, als er die bevorstehende Erklärung des verschärften U-Boot-Krieges als eine „verhängnisvolle Fehlentscheidung“ bezeichnet

1918 Privatsekretär des letzten deutschen Reichskanzlers, Prinz Max von Baden

Februar 1919 Mitinitiator bei der Gründung der „Heidelberger Vereinigung“, einer politischen Arbeitsgemeinschaft von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft (…), die nach einem (…) „Frieden des Rechts und der Gerechtigkeit“ strebt

Mai/Juni 1919 Mitglied der deutschen Delegation bei den Friedensverhandlungen in Versailles als Privatsekretär von Dr. Carl Melchior

Juli 1919 Übersiedlung zu Prinz Max von Baden nach Salem. Beide beginnen, Material für die Memoiren von Prinz Max von Baden zu sichten, Veröffentlichung der „Erinnerungen und Dokumente“ 1927

14. April 1920 Gründung des koedukativen Landerziehungsheims Schule Schloss Salem, Baden. (…)

1920 - 1933 Leiter der Schule Schloss Salem. Hahn unterrichtet auch Geschichte, Politik, Altgriechisch, Shakespeare und Schiller

1923 Komplott dreier Nationalsozialisten mit dem Ziel, Hahn zu ergreifen, wird vereitelt 9.1 Anhang A 265

11. März 1933 Hahn wird in „Schutzhaft“ genommen und fünf Tage später wieder entlassen. Verbannung aus Baden. Hahn hält sich vorwiegend in Berlin auf. Im Juli Emigration nach England

1933 - 1953 Gründer und Leiter von Gordonstoun School für Jungen in Schottland (seit 1972 koedukativ)

1935 Erster „Dienst“ entsteht: Gründung der „Coast Guards“, der Küstenwache in Gordonstoun

1936 Einrichtung des „Moray Badge“ einem Leistungsabzeichen zur Förderung der körperlichen Fitness. 1940 Weiterentwicklung zum „County Badge“ und schließlich zum „Duke of Edinburgh’s Award 1956

(…)

1938 Hahn wird britischer Staatsbürger

(…)

1940 Erste Laienpredigt in der Kathedrale zu Liverpool

1941 Gemeinsam mit dem Reeder Sir Lawrence Holt von der „Blue Funnel Line“ Gründung der ersten „Outward Bound Sea School“ (Short Term School) in Aberdovey, Wales, die auf Hahns Erziehungsprinzipien basiert

1943 Zweite Laienpredigt in der Kathedrale zu Liverpool

(…)

1946 Gründung des „Outward Bound Trust“ basierend aus den Short Term Schools für den „Dienst“ in Friedenszeiten

(…)

1953 Wegen schwerer Krankheit Rücktritt als Leiter von Gordonstoun und Heimkehr auf den Hermannsberg bei Salem

(…)

1962 Mit Hilfe von Nato Air Marshall Sir Lawrence Darvall Gründung des Atlantic College in St. Donat’s Castle, Wales. Weitere „United World Colleges“ werden gegründet

(…)

14. Dezember 1974 Hahn stirbt in Ravensburg und wird in Salem beigesetzt 9.2 Anhang B 266

9.2 Anhang B Die Postadressen, Homepages und E-Mail-Adressen der 13 weltweit bestehenden United World Colleges lauten:

1. United World College of the Atlantic St Donat’s Castle Llantwit Major Vale of Glamorgan CF 61 1WF, United Kingdom URL: http://www.atlanticcollege.org E-Mail: [email protected]

2. United World College of South East Asia Dover Campus 1207 Dover Road Singapore 139654 URL: http://www.uwcsea.edu.sg E-Mail: [email protected]

3. Lester B. Pearson United World College of the Pacific 650 Pearson College Dr. Victoria British Columbia V9C 4H7, Canada URL: http://www.pearsoncollege.ca E-Mail:[email protected]

4. Waterford-Kamhlaba United World College of Southern Africa PO Box 52 Mbane Kingdom of Swaziland URL: http://www.waterford.sz E-Mail: [email protected]

5. Armand Hammer United World College of the American West PO Box 248 Montezuma New Mexico 87731, USA URL: http://uwc-usa.org E-Mail: [email protected] 9.2 Anhang B 267

6. United World College of the Adriatic Via Trieste, 29 Duino, Italien URL: http://www.uwcad.it E-Mail: [email protected]

7. Simón Bolívar United World College of Agriculture FUNDACEA- Colegio del Mundo Unido de Agricultura Simón Bolívar. Km. 2.5 Via Mijaguas Ciudad Bolivia, Barinas Venezuela URL: http://www.sbuwc.uwc.org E-Mail: [email protected]

8. Li Po Chun United World College of Hong Kong 10 Lok Wo Sha Lane, Sai Sha Road Shatin, New Territories Hong Kong SAR URL: http://www.lpcuwc.edu.hk E-Mail: [email protected]

9. Red Cross Nordic United World College N – 6968 Flekke, Fjaler Norway URL: http://www.rcnuwc.no E-Mail: [email protected]

10. Mahindra United World College of India Village Khubavali PO Paud Taluka Mulshi Pune Maharashtra 412108, India URL: http://www.muwci.net E-Mail: [email protected]

11. United World College of Costa Rica Santa Ana Downtown P.O Box 678-6150, Costa Rica URL: http://www.uwccr.com E-Mail: [email protected] (General Headmaster) 9.2 Anhang B 268

12. UWC Mostar UWC-IBO Initiative in Bosnia and Herzegovina Gimnazija Mostar / 2. kat

Španjolski trg 1, 88000 Mostar, Bosnia and Herzegovina URL: http://uwc-ibo.org E-Mail: [email protected]

13. Office United World College Maastricht Hunnenweg 4 6224 JP Maastricht Nederland URL: http://www.uwc.nl E-Mail: [email protected] 9.3 Anhang C 269

9.3 Anhang C Fragebogen („UWC als Modell für internationale Schulen“): 9.3 Anhang C 270 9.3 Anhang C 271 9.3 Anhang C 272 9.3 Anhang C 273 9.3 Anhang C 274 9.3 Anhang C 275 9.3 Anhang C 276 9.3 Anhang C 277 9.4 Anhang D 278

9.4 Anhang D Anhang D zu Kap. 5.4.2

Anmerkung: Zur Vereinheitlichung wurden die einzelnen abgegebenen Aussagen der Befragten in die neue deutsche Rechtschreibung transkribiert, zumindest dort, wo die neue Rechtschreibung noch nicht angewandt wurde. Fehlende Satzzeichen wurden ergänzt. Jede Aussage wurde mit einem Großbuchstaben begonnen. Anmerkungen von der Verfasserin der vorliegenden Arbeit zu einzelnen Aussagen der Befragten sind mit „[…; Anm. d. Verf.]“ gekennzeichnet.

Ergebnisse der Befragung

Frage 39: Warum hast Du ein UWC besucht? Bitte gib mit abnehmender Wichtigkeit eine Reihenfolge von 1., 2., 3. … an. (1. = am wichtigsten). Ich wollte… - Falls es noch einen anderen Grund gab, nenne ihn bitte hier:

Die wörtlichen Antworten und ihre Zuteilung zu den neu gebildeten Items:

• …eine persönliche Herausforderung (N=2): „Persönliche Herausforderung und Entwicklung“, „(…); unbekannte Grenzen kennenlernen und auf Hindernisse stoßen, die man so nicht erwartet hätte“.

• …die UWC-Idee verwirklichen / …die Ziele der UWC umsetzen (N=4): „Die UWC-Ideale. Ich wollte mit Menschen zusammensein, die diese Ideale teilen und von ihren Ideen und ihrem Idealismus inspiriert werden. Das Wichtigste war für mich, Fähigkeiten zu entwickeln, um während AC und danach zur Schaffung einer besseren Welt beizutragen“, „Die unglaubliche Motivation, in der Welt etwas bewegen zu wollen, und die Energie an UWC’s Projekte zu starten, die das auch schaffen können“, „Ins Ausland wollte ich schon immer, die Ziele, für die die UWCs stehen, waren dabei aber einzigartig und entscheidend“, „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mich gerne mehr für meine Umwelt engagieren möchte, mir hat aber der Ansatzpunkt und auch das Selbstvertrauen gefehlt. Ich habe UWC immer als Chance gesehen, mich mehr und besser engagieren zu können“.

• Sonstiges (N=1): „Einen anderen Kontinent kennenzulernen (in meinem Fall Afrika)“.

Anmerkung: Eine Person hat mehrere Gründe genannt. So wurde aus der Aussage ein Grund ausgewählt. 9.4 Anhang D 279

Frage 41: Für welches Angebot im Rahmen der Schulausbildung am UWC hättest Du Dir mehr Zeit gewünscht? (Bitte maximal zwei Nennungen):

CAS-Element "Service"

Rund um das Gastland und seine Menschen

Sonstiges

Rund um die Schulgemeinschaft / Möglichkeiten des Kennenlernens

Politische Reflexion und Aktion

CAS-Element "Creativity"

Akademische Ausbildung - diverse Aspekte

Projektwochen

CAS-Element "Action"

CAS - allgemein

0 2 4 6 8 10

Diagramm Frage 41/ Für welches Angebot im Rahmen der Schulausbildung am UWC hättest Du Dir mehr Zeit gewünscht? (Bitte maximal zwei Nennungen)

Wörtliche Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien:

• CAS-Element „Service“ (N=9): „Social Service“, „Community Service“, „Community Service“, „Service“, „Service“, „Services“, „Für das soziale Engagement. Das Akademische nahm sehr viel Zeit ein“, „Community Service“, „Soziales Engagement“.

• Rund um das Gastland und seine Menschen (N=7): „Aktivitäten außerhalb der UWC-Blase und innerhalb der heimischen Kultur“, „Zeit, um wirklich die Menschen kennenzulernen“, „Mehr Kontakt mit der direkten Umgebung des Colleges und eine engere Integrierung in das Land, in dem das College erbaut ist“, „Die lokale Sprache zu erlernen“, „Vorbereitung auf die interessanten Eindrücke, die dann kommen würden. Mir hätte es geholfen, was Hongkong bedeutet, bevor ich es dann zwei Jahre nach UWC erst richtig einordnen konnte“, 9.4 Anhang D 280

„Cultural Exchange“, „In der Stadt/Community direkt außerhalb der Schule involviert zu sein – oder z.B. durch die Angestellten“.

• Rund um die Schulgemeinschaft / Möglichkeiten des Kennenlernens (N=5): „Intensive Gespräche mit Schülern und Lehrerin“, „National evenings“, „Einfach Zeit zum ,Nichtstun’ und zusammen leben“, „Community interaction“, „Internationale Diskussionen und Erfahrungsaustausch“.

• Politische Reflexion und Aktion (N=5): „Politisches Engagement“, „Aktuell politisches Geschehen“, „Schülervertretung – oder irgendeine Form der Schulentwicklung unter Einschluss der Schüler“, „Politisches Engagement“, „Hinterfragung der UWC Ideals/Mission etc.“.

• CAS-Element „Creativity“ (N=5): „Mehr kreative Projekte in Theater/Film“, „Kreatives (Theater, Musik)“, „Künstlerische Aspekte“, „Musik“, „Visual Arts“.

• Akademische Ausbildung – diverse Aspekte (N=4): „Forschungsmethoden, z.B. in Hinsicht auf wissenschaftliche Literatur recherchieren“, „Akademische Ausbildung“, „Theory of Knowledge“, „Praktischer Unterricht“.

• Projektwochen (N=4): „Projektwochen“, „Projekte in den Ferien“, „Project Weeks (eine pro Jahr, im First Year von der ,faculty’ organisiert)“, „Gemeinsame Ferien/Projektwochen mit Mitschülern“.

• CAS-Element „Action“ (N=3): „Sport“, „Activities“, „Sport“.

• CAS – allgemein (N=2): „Zeitintensivere Beschäftigung mit einigen wenigen CAS“, „CAS“.

• Sonstiges N=6): „Persönlichkeitsbildung“, „Ich fand die Zeit sehr gut eingeteilt, also hier keine Verbesserungsvorschläge“, „Nicht-Routine (also stundengeplante) Wochen“, „Arbeitsgemeinschaften“, „Reisen“, „UWC-Ehemalige sollten UWC-Schüler stärker als bisher über berufliche und Studienentscheidungen (…) informieren“.

Anmerkungen:

Antworten insgesamt (mit mindestens 1 Nennung) = 33, Antworten mit 2-fach Nennung = 17. Nennungen insgesamt = 50.

Werden alle Nennungen rund um das Lehrangebot CAS addiert, so ergeben sich 19 Nennungen. Dieses Angebot kommt demnach so gut an, dass die Schüler sich noch mehr Zeit dafür wünschen. Dieser Wunsch überragt alle anderen Wünsche. 9.4 Anhang D 281

Frage 42: Was hat Dir gefehlt? (Bitte nur eine Nennung)

Sonstiges

Spezielle akademische Elemente

Reflexion

Zeit / Freiheit

Offenheit der Schulverwaltung / Mitbestimmung

Studieninformationen

Intensiverer Austausch mit dem Gastland

Unformelle / Unabhängige Schulseelsorge

0 1 2 3 4 5 6

Diagramm – Frage 42 / Was hat Dir gefehlt? (Bitte nur eine Nennung)

Wörtliche Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien:

• Spezielle akademische Elemente (N=4): „Philosophie“, „Eine Projektwoche oder etwas Ähnliches“, „Service“, „Vielleicht etwas mehr Fokus auf das IB“.

• Reflexion (N=4): „(organisierte) Reflexionsmöglichkeiten“, „Reflexion“, „Eine ,akademische’ Annäherung zum Thema interkulturelle Kompetenzen und Kommunikation – Leider ging das immer unter, und die meisten passten sich einfach an den eher amerikanischen Lebensstil an. Ein analytischer Ansatz zu kulturellen Unterschieden fehlte mir sehr!“, „Zeit zur Reflexion“.

• Zeit / Freiheit (N=4): „Zeit für alles“, „Zeit“, „Zeit“, „Freiheit“.

• Offenheit der Schulverwaltung / Mitbestimmung (N=2): „Mitbestimmung in der Schule!!!“, „Toleranz und kulturelle Offenheit seitens der Schulverwaltung, verdeutlicht vor allem in den Schulgesetzen“.

• Studieninformationen (N=2): „Informationen zu Studienmöglichkeiten und -prozessen in Deutschland“, „Entscheidungsfindung zum Studium/Studienfach/Berufswunsch“. 9.4 Anhang D 282

• Intensiverer Austausch mit dem Gastland (N=2): „Der Austausch mit der lokalen Bevölkerung hätte noch intensiver sein können“, „Eine stärkere Eingliederung in das lokale Umfeld“.

• Unformelle / Unabhängige Schulseelsorge (N=2): „Ich glaube es wäre hilfreich, bessere Schulseelsorge einzurichten, die unformell ist, es einem aber möglich macht, einfach mal mit jmd. Älterem reden zu können“, „Psychologische Betreuung an der Schule direkt (was auch daran lag, dass mein Tutor sich nicht um uns gekümmert hat). – Man braucht manchmal eine unabhängige Anlaufstelle!“.

• Sonstiges (N=5): „Vorbereitung in Deutschland“, „Freundschaftlicher Kontakt zu Menschen außerhalb meiner Altersgruppe (Ältere, Jüngere)“, „Integration zwischen Schülern mit unterschiedlichem finanziellen Hintergrund“, „UWC-Seminare bzw. mehr Veranstaltungen über die UWC-Idee“, „Schnelles Internet“.

Anmerkung: Eine Nennung (sie lautete: „s.o.“) wird nicht gezählt, somit Nennungen insgesamt = 25.

Frage 43: Deine persönliche Weiterentwicklung während der Zeit am UWC erfolgte vor allem in Bezug auf … Wenn Du eine andere Eigenschaft nennen möchtest, trage sie bitte hier ein (bitte nur eine Nennung):

Reflexion global / zw ischenmenschlich

Selbstw ahrnehmung

Kritisches Denken

Reife

Realitätssinn

Empathie

Teamfähigkeit

Organisationsfähigkeit

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5

Diagramm Frage 43 b / Deine persönliche Weiterentwicklung während der Zeit am UWC erfolgte vor allem in Bezug auf … Wenn Du eine andere Eigenschaft nennen möchtest, trage sie bitte hier ein (bitte nur eine Nennung):

Die wörtlichen Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien: 9.4 Anhang D 283

• Reflexion global / zwischenmenschlich (N=3): „Fähigkeit, die Welt ein klein wenig besser einordnen zu können – ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist“, „Das Wissen um Unterschiede, und dass sie auch egal sein können“, „Gemeinsam auf kleinem Raum friedlich leben. Wenn das klappt, wird es auch in der Weltgemeinschaft klappen“.

• Selbstwahrnehmung (N=2): „Intensive Suche der eigenen Identität im Spiegel des ,Anderen’“, „Kennenlernen meiner Grenzen und Schwächen“.

• Kritisches Denken (N=2): „Kritisches Denken“, „Kritische Einstellung gegenüber ungewählten Autoritäten“.

• Reife (N=1): „Reife“.

• Realitätssinn (N=1): „Zu erkennen, dass optimistische Illusion und nüchterne Realität weit auseinander liegen. Dass man also ausdauernd für seine Visionen kämpfen muss“.

• Empathie (N=1): „Mehr Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse Anderer“.

• Teamfähigkeit (N=1): „Teamfähigkeit“.

• Organisationsfähigkeit (N=1): „Zu entscheiden, was wirklich wichtig ist, und so seine Zeit einzuteilen“.

Anmerkung: Nennungen insgesamt = 12

Frage 45: Wenn Du eine der drei letzten Antworten der vorangegangenen Frage angekreuzt hast, bitte weiter bei folgendem Punkt: Bestimmten globalen Themen/Zusammenhängen gegenüber bin ich aufmerksamer geworden, wie zum Beispiel (maximal drei Nennungen): 9.4 Anhang D 284

Konflikte / Kriege im Besonderen und Allgemeinen Blick auf Einzelländer / Regionen Sonstiges Entwicklungsländer / Entwicklungspolitik Wirtschaft / Globalisierung Soziales Weltgeschehen / Internationale Politik allgemein Rechte Umwelt Aids Eurozentrismus Medien Flüchtlingspolitik

0 5 10 15 20 25

Diagramm Frage 45 / Bestimmten globalen Themen/Zusammenhängen gegenüber bin ich aufmerksamer geworden, wie zum Beispiel (maximal drei Nennungen):

Wörtliche Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien:

• Konflikte / Kriege im Besonderen und Allgemeinen (N=21): „Israel-Palästina Konflikt“, „Nahostkonflikt“, „Libanon/Nah-Ost-Konflikt“, „Dem Israel-Palästina-Konflikt“, „Konflikt im Nahen Osten“, „Politische Konflikte in Afrika“, „China vs. Tibet, China vs. Taiwan“, „Die Vielfältigkeit der Perspektiven in Konflikten, eg Israelis- Palästinenser, Tibet-China“, „Ethnische Konflikte“, „Kriege/politische Konflikte in anderen Ländern und deren Auswirkung“, „Kriege und Konflikte in der Welt (man kennt ja nun oft Leute persönlich, die aus diesem Land kommen“, „Regionale Konflikte, die mir vorher unverständlich und ,weit weg’ erschienen“, „Balkankriege und ihre Auswirkungen“, „Internationale Konflikte“, „Konflikte in Asien, z.B. China/Japan“, „Der Nahostkonflikt aus der Sicht der arabischen Bevölkerung“, „Religionskriege allgemein“, „Religiöse Konflikte“, „Israel/Palästina Konflikt“, „Dass auch ,politische Erzfeinde’ Menschen sehr gute Freunde sein können, wie zum Beispiel Israelis und Palästinenser an unserem College“, „Friedens- und Konfliktforschung“.

• Blick auf Einzelländer / Regionen (N=18): „Kanadische Innenpolitik“, „Die religiöse und politische Situation in Yemen“, „Politische Entwicklung Südafrikas“, „Politische Landschaft Lateinamerikas“, „Asiatischer Politik“, „Naher Osten“, „Das starke Sozialgefälle innerhalb der meisten afrikanischen Länder“, „West Sahara!!!!“, „Israel- Palästina“, „Zentral- und Südamerika“, „Den Einfluss der amerikanischen Gesellschaft auf das südliche Afrika“, „Genozide in Ruanda und Sudan“, „Politik (besonders zu Maos Zeiten) in China und ihre Auswirkungen heute“, „Jugoslawien“, „USA Interventionspolitik in Lateinamerika und im Nahen Osten“, „Bush-Regierung in Amerika“, „Iran“, „Deutsch-Israelisches Verhältnis aus einer binationalen und weltweiten Perspektive“. 9.4 Anhang D 285

• Entwicklungsländer / Entwicklungspolitik (N=9): „Entwicklungshilfe“, „Verhältnis von ,3.Welt’ zu ,1. Welt’“, „brain drain aus Entwicklungsländern“, „Die Rolle der EU-Agrarpolitik auf viele Dritte-Welt-Länder“, „aid Abhängigkeit in Entwicklungsländern“, „Probleme mit internationalen Hilfsprogrammen“, „Entwicklungshilfe“, „Entwicklungszusammenarbeit“, „Sinn und Unsinn von Entwicklungspolitik“.

• Wirtschaft / Globalisierung (N=9): „Globale wirtschaftliche Themen, World Bank, IMF, WTO, Handelsabkommen…“, „Tief sitzende Unterschiede kultureller Wurzeln, die heute in Zeiten der Globalisation vollkommen ignoriert/übergangen werden“, „Weltwirtschaftspolitik“, „,Consumerism’, inwiefern ein Problem, inwiefern aber auch einfach nur ein Feindbild“, „Globalisierung“, „Welthandel“, „Wirtschaftliche Zusammenhänge der Globalisation etc.“, „Globalisierung“, „Identität in einer globalisierten Welt“.

• Weltgeschehen / Internationale Politik allgemein (N=8): „Unterschiede in internationalen politischen Systemen“, „Internationale Nachrichten ,allgemein’ (durch indirekten Bezug)“, „Internationale Politik“, „Alle aktuellen Themen, wo Freunde von mir sind/herkommen“, „Viel größerer persönlicher Bezug zu Nachrichten aus aller Welt“, „Ungleichheit der Entwicklung“, „Politische Machtverhältnisse“, „Imperialismus“.

• Soziales (N=8): „Gender“, „Kontroversen über Homosexualität“, „Schlechte Lebensumstände“, „,Ausländer’ im eigenen und anderen Ländern“, „Der wachsenden Schere zwischen verschiedenen sozialen Klassen“, „Soziale Ungerechtigkeit“, „Tiefe Lücke zwischen denen, die für alle etwas verändern wollen, und denen, die nur für sich arbeiten“, „Immigrations- und Integrationsproblematiken“.

• Rechte (N=7): „Menschenrechte“, „Probleme mit freier Meinungsäußerung“, „Frauenrechte“, „Feminismus, Kampf der Frauen um Gleichberechtigung (besonders in Entwicklungsländern)“, „Internationales Recht“, „Menschenrechte“, „Demokratisierungsprozesse, insbesondere in Nepal; Menschenrechtsthematiken im Allgemeinen“.

• Umwelt (N=6): „Umwelt (Klimawandel, Energieverbrauch etc.)“, „Umweltpolitik“, „Umweltschutz“, „Industrialisierung vs. Umweltschutz (speziell China)“, „Umweltprobleme“, „Umweltfragen“.

• Aids (N=3): „Aids-Problematik in Afrika“, „AIDS Problem in Afrika“, „HIV und AIDS“.

• Eurozentrismus (N=2): „Eurozentrismus und wie man darüber hinwegkommt“, „Eurozentrismus“.

• Medien (N=2): „Mediendiktatur“, „Unabhängige Medien“.

• Flüchtlingspolitik (N=2): „Flüchtlingsproblem in der Westsahara“, „Flüchtlingsthematiken“.

• Sonstiges (N=15): „Die Rolle als Deutscher in der internationalen Gemeinschaft“, „Ethische Grundsätze eines national-geographisch begrenzten Nationalstaats“, „Deutschland / Israel Konflikt“, „Ich mag nicht, dass es nur um ,politische’ Zusammenhänge geht; man kann ja auch überzeugt unpolitisch sein und sich trotzdem für globale Zusammenhänge interessieren“, „Der krasse Unterschied zwischen der Politik von Staaten und den Gefühlen der 9.4 Anhang D 286

Bevölkerung dieser Staaten“, „Menschenhandel und Korruption“, „Religion“, „Wie wichtig die Unterscheidung zwischen Regierung und Bevölkerung eines Landes ist“, „Schwierigkeit, mit Ereignissen aus der Geschichte auszukommen, vor allem schon sich über Geschichte zu einigen“, „UN“, „Wichtigkeit und Möglichkeit von grassroot leadership“, „Europa vs. USA“, „Kultur“, „Kulturunterschiede bei politischen Entscheidungen“, „UNO“.

Anmerkung: Antworten 1. Nennung = 39, Antworten 2. Nennung = 39, Antworten 3. Nennung = 32. Antworten insgesamt = 110.

Frage 47: Am UWC entstehen viele persönliche internationale Freundschaften. Was ist Deiner Meinung nach der ausschlaggebende Faktor hierfür? (Bitte nur eine Nennung)

• Extrem enges Zusammenleben / Internatsleben (N=15): „Definitiv das extrem enge Zusammenleben. Die Höhen und Tiefen, die man normalerweise alleine durchmacht, erlebt man am College gezwungenermaßen vor den Augen der anderen. Ich glaube, dass das Collegeleben Extreme herausfordert, was allerdings nicht negativ ist, sondern einerseits gesund und zweitens eine gute Schule, um später damit umgehen zu können. (…)“, „Die Tatsache, dass man sein Leben rund um die Uhr teilt“, „Zeit, die man miteinander verbringt“, „Das zusammen leben“, „Das Internatsleben“, „Das Teilen absolut jeder Minute für zwei Jahre“, „Dass man zwei Jahre lang auf engstem Raum intensiv mit 200 Schülern von überall her lebt“, „(…) Mit so vielen interessanten, interessierten, liebenswürdigen Menschen zusammenzuleben und keine Freundschaften wäre absurd“, „Dichtes intensives Zusammenleben auf engstem Raum“, „Das Zusammenleben“, „Das Zusammenleben und damit der tägliche Umgang miteinander, das Teilen des Alltags“, „Das enge Zusammenleben, bei dem man merkt, dass es den bei allermeisten Sachen letztendlich allen gleich geht, es keine distinguiert anderen Motivationen gibt, nur weil jemand anders aussieht und anders aufgewachsen ist. (…)“, „Dass man die Chance bekommt, sich in der Zeit persönlich kennenzulernen (das braucht mehr als nur einen 4-Wochen-Workshop)“, „(…) da kommen ja die Freundschaften ins Spiel. Man lernt Leute und nicht Stereotypen kennen. (…); Menschen mögen sich halt, wenn sie 17-jährig zusammen in einem UWC wohnen“, „Dass man sich miteinander auseinandersetzen muss (roommates, discussions etc.)“.

• Zusammenleben + zusammen arbeiten/lernen (N=6): „Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens lässt Barrieren reduzieren“, „Zusammen zu wohnen ist ein wichtiger Faktor, aber noch wichtiger ist meiner Meinung nach, auch zusammen zu lernen. (…)“, „Das Zusammenleben auf dem Campus und der gemeinsame Schulbesuch“, „Zusammenleben in kleinen Zimmern und zusammen lernen (incl. verschiedene Aspekte in den Unterricht einbringen zu können)“, „Wir sind zusammengewachsen wie eine Familie. Es ist sehr intensiv, wenn man zusammen lebt und in die Schule geht und reist“, „Zusammen leben, lernen, erleben“. 9.4 Anhang D 287

• Enges Zusammenleben + gemeinsame Erfahrungen (N=4): „Das enge Zusammenleben und viele gemeinsame intensive Erfahrungen“, „Das gemeinsame Leben und Erfahren“, „Man wohnt zusammen, man isst zusammen, man ist gemeinsam gestresst, man heult sich beieinander aus – man lebt zusammen“, „Persönlicher und privater Kontakt mit Menschen anderer Kulturen in ihrem privaten Umfeld. Gemeinsame Erfahrungen. Verantwortung füreinander“.

• Zusammenleben + gemeinsame Probleme (N=2): „Dass man zusammen lebt und obwohl man eigene Probleme aus seinen eigenen Ländern hat, man plötzlich auch gemeinsame Probleme wie Coursework hat“, „Das intensive Zusammenleben und Teilen gemeinsamer und individueller Probleme in einer sehr prägenden Phase der persönlichen Entwicklung“.

• Gemeinsame Interessen (N=3): „Teilen von Begeisterung und der Motivation, etwas verändern zu wollen“, „Gemeinsamkeiten in Interessen, Idealen, Verantwortungsgefühl“, „Die Gemeinsamkeiten, die man entdeckt, sind wohl der große ausschlaggebende Faktor!! Und natürlich die Zeit, die man zusammen verbringt“.

• Gemeinsames Erleben (N=1): „Das gemeinsame Erleben von unvergesslichen Momenten, Erlebnissen und Interaktionen“.

• Gemeinsame Erfahrung (N=2): „Ungeheure Intensität der gemeinsamen Erfahrung und die Tatsache, dass Freundschaften geschlossen werden, ohne einander gesellschaftlich-familiäre Hintergründe zu kennen“, „Zusammen mit sehr offenen Schülern intensive Erfahrungen zu machen und sich sehr intensiv kennenlernen“.

• Neugier (N=2): „Neugier“, „(…) Wissbegierde und Neugier der Schüler, die trotz der Unterschiede einen ähnlichen ,Kern’ haben“.

• Gleiche Voraussetzungen für alle in einem neuen Kontext (N=2): „Zunächst sind wir alle nur Jugendliche in einem neuen Kontext. (…)“, „Das Zusammenleben von jungen Menschen aus der ganzen Welt in einer Umgebung, die für (fast) alle neu ist (…)“.

• Sonstiges (N=5): „Es ist für viele die erste Möglichkeit gewesen, internationale Freundschaften zu knüpfen. (…)“, „Man hört damit auf, Menschen in kulturelle Schubladen zu stecken (…)“, „Die Notwendigkeit, Freunde zu haben“, „Zufälle“, „Vorauswahl nach sozialen Kriterien, enges Zusammenleben, die spezielle Stimmung von Tag 1 an, 1000 verschiedene Aktivitäten, über die man zusammenwächst“.

Frage 53: Was hat Dir am CAS (Creativity, Action, Service)-Programm besonders gefallen?

Wörtliche Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien: 9.4 Anhang D 288

• Vielfalt der Programme (N=9): „Die Vielfalt an verschiedenen Programmen, und die Freiheit, auch selbst eine neue Activity (…) zu starten. (…)“, „Die Vielfältigkeit und die Chance, neue Aktivitäten zu erlernen. (…)“, „Die Vielfältigkeit der Tätigkeiten“, „Die Möglichkeit, verschiedenste Dinge auszuprobieren, welche unter anderen Umständen nicht unbedingt in meine Reichweite gefallen wären“, „Die Vielseitigkeit“, „Wo sonst hat man die Möglichkeit, an 80 verschiedenen Wahlfächern teilzunehmen? Morgens Surfen, mittags im Fotostudio, nachmittags Rettungsdienst, abends Staatspräsidenten zu Besuch – wo sonst gibt es das?“, „Die Vielfältigkeit des Angebots“, „Die Abwechslung (…) und die Möglichkeit, sich in die verschiedensten Richtungen weiterzuentwickeln. Keine Aktivität oder Service wird von vornherein ausgeschlossen, es gibt eine ungeheure Vielfalt“, „Die große Auswahl (…)“.

• CAS-Element „Service“ / Soziales Engagement (N=6): „Den nahen Kontakt zu den Menschen in Wales und das Gefühl, sofort vor Ort zu helfen und etwas Nützliches zu tun, wenn auch nur in kleinen Schritten wie Singen in Altenheimen und Ähnliches“, „Service“, „Die Möglichkeit, Dinge zu tun, die mir persönlich gefallen, und dies mit dem Helfen anderer Menschen zu verbinden“, „Zu geben“, „Kontakt zu den Einheimischen (v.a. anderen Jugendlichen i.R.d. Constructive Engagement of Conflict Services) – Möglichkeit, sich innerhalb eines vorstrukturierten Programms sozial einbringen zu können (…)“, „In einem Land, in dem Hilfe gebraucht wird, wird diese auch geleistet. Sprich: aktive Hilfe, direkt da, wo sie gebraucht wird; (…)“.

• Kontakt zu den Menschen des Gastlandes (N=6): „Der enge Kontakt zu den Menschen in Swaziland. Ich hätte gern mehr Zeit investiert“, „Der Bezug zur Bevölkerung“, „Der Kontakt mit ,einfachen’ Menschen der Region“, „Habe eine Gastfamilie gefunden, Anschluss zum Dorf bekommen, und schon einmal besucht“, „You get out, what you put in – Ich habe mich sehr involviert und wurde mit ganz vielen Erfahrungen belohnt. Der direkte Kontakt mit den Menschen gibt Problemen, von denen man vorher nur gehört hat, Gesichter“, „Dass man mit der Bevölkerung ungezwungen und auf einer Alltagsbasis in Kontakt gekommen ist, man sich gegenseitig als Partner eher denn als Geber-Nehmer oder als Tourist gefühlt hat. (…)“.

• Teamwork (N=3): „Mit Menschen aus aller Herren Länder zusammen für die Gemeinschaft zu arbeiten, dabei charakterlich sehr an Stärke zu gewinnen und prägende, lehrreiche Erfahrungen zu sammeln“, „Zusammenarbeit, (…), Entwicklung gemeinsamer Projekte, (…)“, „In einer Gruppe zu arbeiten, voneinander zu lernen und dies mal nicht in einem akademischen Umfeld“.

• Übernahme von Verantwortung (N=3): „Die Beziehungen, die sich entwickelt haben, und die Verantwortung, die wir übernehmen mussten“, „Verantwortung in der Planung zu übernehmen!“, „Gemeinsamer Austausch, Verantwortung übernehmen“.

• Ganzheitliche Anforderung (N=2): „(…) Man ,muss’ sich in allen drei Gebieten engagieren und wird dadurch nicht nur körperlich gesünder, geistig kreativer und sozial aufgeweckter, sondern wird auch ganz bewusst auf sein eigenes Potential in allen Bereichen aufmerksam gemacht“, „Dass man von allem etwas belegen musste und somit umfassend gefordert war“. 9.4 Anhang D 289

• Neues erfahren und Grenzen überschreiten (N=2): „Die verschiedensten Erfahrungen, Aufgaben und neuen Bereiche sind einer der wichtigsten Bestandteile des UWC-Erlebnisses. Es ist wichtig, neue Dinge kennenzulernen, dabei Herausforderungen entgegenzutreten und Grenzen zu überschreiten“, „Es hat mich an meine Grenzen gebracht und mich motiviert, Neues auszuprobieren“.

• Sonstiges (N=8): „Mir hat es einfach sehr gefallen, dass alle sich beteiligen mussten – das führte zu deutlich heterogeneren Gruppen, als ich sie vorher gewöhnt war, (…)“, „(…) ,Social Interaction’, eben jenes Geben und Nehmen, so dass jede Seite etwas lernt“, „Der Anspruch und die Möglichkeit, Neues auszuprobieren“, „Es war zwar an meinem College viel zu wenig ausgeprägt, was aber umso mehr Spielraum für Eigeninitiativen gelassen [hat]“, „Mein Musikstipendium am UWCAd“, „Intensives Beschäftigen mit Bereichen aus meinen Interessensgebieten“, „Die Ernsthaftigkeit sowie die Unmittelbarkeit des Programms in Indien“, „Meine MitschülerInnen und LehrerInnen von einer nicht-akademischen Seite kennenzulernen – man tauscht sich doch über ganz andere Erfahrungen aus“.

Anmerkung: Es wurde versucht, aus den Antworten die Kernaussage zu erfassen und zu extrahieren. Wurden mehrere Aspekte angesprochen, so wurde nur einer in eine Kategorie eingeordnet.

Frage 54: Was hat Dir am CAS-Programm nicht gefallen?

Wörtliche Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien:

• Mangelhafte Organisation (N=6): „Es war zum Teil noch nicht so gut organisiert, und nicht alle Schüler waren sehr organisiert“, „Teilweise sehr chaotische Planung“, „(…) Teilweise schlechte Organisation durchs College“, „Organisatorisch gab es öfter Schwierigkeiten (…)“, „Dass es schwierig war, selbst ein Programm/eine Aktivität zu stärten, weil man nur schwer einen Lehrer/in fand, die die Aktivität betreuen wollte“, „Kontinuität und Professionalität hätten gelegentlich stärker ausgeprägt sein können“.

• Zu wenig Zeit für CAS / Zeitdruck (N=4): „Sehr wenig Zeit zugedacht im ganzen Curriculum“, „CAS ist sehr zeitintensiv. Das ist neben dem anspruchsvollen IB-Programm einfach oft ermüdend“, „Durch Zeitmangel oft als Belastung angesehen. Wird immer so sein“, „Zeitdruck durch IB“.

• Druck aufgrund zu vieler Aktivitäten (N=3): „Der immense Druck, immer mehr und mehr Aktivitäten machen zu ,müssen’“, „Wir wurden mit CAS etwas überladen, Schule und vor allem Schlaf mussten oft hinten anstehen“, „Viel zu viele Angebote (…) – Man kam hiermit um eine intensive Beschäftigung mit zwei oder drei Projekten leicht herum. (…)“.

• Mangelnde Effektivität und Nachhaltigkeit des Service (N=3): „In AC sind manche der Service nicht wirklich sozial, sondern nur sehr teuer und helfen nicht wirklich jemandem (wie z.B. ILB Bootrettungsservice)“, „(…) man weiß, dass die Arbeit einem selber mehr bringt als – längerfristig – den Leuten, mit denen/für die man die Arbeit 9.4 Anhang D 290 macht. (…)“, „Die (in Teilen) zu große Fixierung auf kurzfristige Resultate und die zu einfach hingenommene Desillusionierung im Bezug auf einen vorher existierenden Idealismus“.

• Mangelnde Ernsthaftigkeit (N=3): „Sport (ich finde, es hätte von Lehrern geleitet werden sollen, um es etwas ernsthafter zu gestalten)“, „Von einem Großteil der Schüler und Lehrer war es mehr eine Möglichkeit, ihren Lebenslauf etwas bunter zu machen. Deshalb wurde es von vielen sehr oberflächlich ausgeübt; CAS-Stunden waren die einzigen, die man ohne Entschuldigung verpassen durfte“, „Es wurde von vielen nicht ernst genommen“.

• Skepsis gegenüber Nutzwert und Nachhaltigkeit des Service (N=2): „Manchmal hat man das Gefühl, dass der Servie nicht wirklich gebraucht wird, bzw. man weiß es nicht“, „Es ist so oft desillusionierend, wie langwierig und kleinschrittig Entwicklungsarbeit sein kann und wie oft ihre Nachhaltigkeit in Zweifel gerät. Können wir als Fremde in einer anderen Kultur überhaupt ,helfen’?“

• Service war zu (schul-)intern (N=2): „In Swaziland, einem Land voller Möglichkeiten für Service, war immer noch zuviel Service in den organisierten Programmen der Schule sinnlos, oder zumindest sehr uneffektiv. (…)“, „Services: teilweise zu ,intern’“.

• Zu geringer Fokus auf Service (N=1): „(…) im Kontext der UWCs finde ich, sollte ein stärkerer Fokus auf dem Service liegen“.

• Sonstiges (N=7): „CAS-diary! What a waste of time!“, „Die strikt einzuhaltende Pflichtwahl bestimmter CAS (zum Beispiel 1x Sport, 1x Kreativität, 2x Kultur)“, „Bürokratie und starke Trennung der drei Bereiche“, „(…) das Einzige, was ich gerne gelernt hätte (Schwimmunterricht für Fortgeschrittene) wurde nicht angeboten. (…)“, „Die Motivation, mit der viele Teilnehmer in die einzelnen Programme gegangen sind (…)“, „Mir hat absolut alles gefallen, ich war super glücklich“, „Sportliche und musische Angebote waren oft nur für Leute, die vorher schon Erfahrung darin haben“.

Frage 55: Welche Art von „Service“ hast Du im Rahmen des CAS-Programms am UWC geleistet?

Wörtliche Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien (die Auslassungsklammer „(…)“ zeigt an, dass von dem jeweiligen Befragten noch weitere Dienste genannt wurden). Alle Nennungen (insgesamt 85) wurden erfasst und in Kategorien sortiert:

• Diverse Sozialdienste / Konkrete Hilfe für Bedürftige – direkter Dienst am Mitmenschen (N=33): „Social Service“, „(…), Refugee Camp Service (Arbeit mit Kindern in Flüchtlingslagern)“, „Musikunterricht in einem Waisenhaus der Heilsarmee“, „Olympiadas Especiales (Sport mit geistig u./o. körperlich behinderten Menschen), 9.4 Anhang D 291

(…)“, „Ward 8, Arbeit auf einer Waisenstation im Krankenhaus in Mbabane. (…)“, „(…). SOS-Kinderdorf, Musikalische Früherziehung mit den Kids aus dem SOS-Kinderdorf (Singen, Tanzen etc.)“, „Arbeit mit wasserscheuen Menschen in einem Rehabilitationszentrum, (…)“, „(…) Arbeit mit sozial Benachteiligten via dem Roten Kreuz (…)“, „Schwimmunterricht für Waisenkinder (…)“, „(…) Hilfe benachteiligter Frauen“, „(…), Therapeutische Begleitung von behinderten Kindern, (…)“, „(…). Zusätzlich habe ich in einem AIDS- Waisenhaus ausgeholfen“, „Tutoring in Grundschulen (…), „(…) Mitglied einer Theatergruppe, die in Grundschulen und Behindertenstätten gegangen ist (…)“, „(…) Schwimmunterricht und Beaufsichtigung von armen Kindern“, „Ich habe am EMC teilgenommen. Ein Programm, während dem man im ersten Jahr in verschiedenen Sportarten unterrichtet wird und diese im zweiten Jahr sozial benachteiligten oder körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen beibringt. (…)“, „Extra Mural Centre am Atlantic College. Groups Instructor und Community Sport Leader für Gruppen verschiedenen Alters und Fähigkeiten“, „Arbeit im Mother- Theresas Home (Heim für Kranke, Alte und Arme (Frauen)). (…)“, „Wöchentliches Arbeiten mit geistig behinderten Menschen. (…)“, „Working/playing with children in a socially weak area“, „Hilfe in Schulen (lesen mit Schülern etc.)“, „Social [Service; Anm.], (…)“, „(…), Arbeit im städtischen Kinderheim für körperlich und geistig behinderte Kinder; (…)“, „Behindertenbetreuung“, „Mitarbeit im Mutter Teresa Heim in Pune, Indien, Heim für alte, kranke und behinderte Frauen und Kinder. Wöchentliche Großwäsche, Putzarbeiten, Pflege und Umsorgen der Heimbewohnerinnen und Essensausgabe“, „Alleinige Verantwortung für die Gestaltung eines wöchentlichen, zweistündigen ,Unterhaltungsabend’ für die Patienten in einem nahen Rehabilitationszentrums“, „Arbeit mit jugendlichen Autisten und Jungen mit Down-Syndrom“, „(…), Riding for children with disabilities“, „Ich habe Jungs der Altersgruppe 7-10 in einem Sport-Trainings-Programm geholfen, ihre Probleme mit Autorität zu bewältigen“, „(…), Ackerwirtschaft mit geistig Behinderten, (…)“, „(…), Sozialarbeit in Nordmexiko“, „,Ward 8’: Betreuung von Waisen im öffentlichen Krankenhaus, (…)“, „Ich habe Waisenkinder, die in einem Drop-In-Centre in Mbabane aufgefangen wurden, beschäftigt“.

• Lehrtätigkeiten / Führungen / Aufklärungsarbeit (N=13): „Ich habe (…) andere Schüler in die Wildnis geführt“, „(…) Kletterkurse mit Kindern (…)“, „Pre-Akshara, eine Initiative für zusätzlichen Mathe- und Englischunterricht an einer örtlichen Schule, (…)“, „(…), Coach des Leichtathletikteams“, „Im ersten Jahr haben wir in einem AIDS education service Workshops in lokalen Schulen gehalten, (…)“, „(…) Faciliator for Constructive Engagement of Conflict“, „Englischunterricht für Asylbewerber. (…)“, „(…) Active English (Englischunterricht)“, „(…); fast wöchentliche Besuche an ländlichen Schulen in Swaziland, um über HIV & AIDS und deren Auswirkungen, Verbreitung und Behandlung aufzuklären“, „(…), Gesundheitsarbeit und Prävention mit den Kindern der umliegenden Dörfer, (…)“, „(…), Wandern und Führen von Mehrtageswanderungen“, „HIV Aids Peer Educator, (…)“, „(…), Wilderness Leader, (…)“.

• Gemeinschaftsdienst: Handwerkliche Hlfe für Allgemeinheit / Bedürftige (N=7): „Ich habe geholfen, verschiedene Gebäude zu renovieren, (…)“, „Im ersten Jahr haben wir (…) einen Wanderweg ausgebaut. (…)“, „(…) – Häuserbau für sozial schwache Familien – (…)“, „Ich habe der Organisation ,Crossroads International’ [Hilfsorganisation; Anm. d. Verf.] bei Umbauarbeiten einer alten Militärbasis geholfen, die das neue Hauptquartier von Crossroads werden sollte“, „Wir sind zu lokalen Bauern gefahren und haben ihnen auf dem 9.4 Anhang D 292

Feld geholfen. In meiner project week bin ich nach Vancouver in eine Suppenküche gefahren“, „Cross Roads (charity good shipping), (…)“, „,Construction’: Bauen einfacher Backsteingebäude für bedürftige Swazis“.

• Umweltdienst (innerhalb und außerhalb der Schule (N=7): „Ich habe im Environmental Service den Fjord auf Salzgehalt, Temperatur etc. überprüft“, „(…) Environmental Service“, „Mitarbeit in einem Naturschutzgebiet des WWF, (…)“, „coral monitoring – environmental service“, „(…) Environmental [Service; Anm. d. Verf.]“, „Environmental [Service; Anm. d. Verf.]. Und finde, jeder sollte zur Abwechslung gezwungen werden“, „(…), EPA (alles, was mit den Umweltaspekten der Schule zu tun hat, e.g. Recycling, Energieverschwendung, Schulländereien und das schuleigene Umweltreservat), (…)“.

• Schulinterne Dienste (N=6): „(…), habe die Kommunikation zwischen UWCs unterstützt (…)“, „Visual Rescue Service: Multimedia-Hilfe für das Atlantic College selbst und umliegende Charity-Organisationen“, „On Campus: Leitung der Organisation von Peace Day und UWC-Day, (…)“, „Visual Rescue [Service; Anm. d. Verf.]“, „(…), Yearbook“, „Estate Service – wir kümmerten uns um das Gelände und die Tiere“.

• Gemeinschaftsdienst: Organisatorische Hilfe / Dienst für die Mitmenschen (N=5): „(…) Im zweiten Jahr habe ich dann mit anderen Schülern die Young Heroes Kampagne zur Unterstützung von AIDS-Waisen in Swaziland auf unserem Campus ausgebaut (…)“, „(…) community development Maßnahmen in einem Dorf organisiert (…)“, „(…) Community Developement (Umfragen zur Wasserqualität, Aufbau von Bibliotheken etc.) (…)“, „(…) Community [Service; Anm. d. Verf.], (…)“, „(…). Off-Campus: ,Young Heroes’, ein Projekt zur finanziellen Unterstützung ländlicher Schulen und Waisenkinder in Swaziland; (…)“.

• Rettungsdienst (N=5): „Lifeguard Service“, „Lifeguarding“, „(…) First aid cover”, „Lifeguard”, „Feuerwehr, (…)”.

• Diverses (N=9): „(…). Human Rights Group. (…)“, „(…), Global Affairs, ein im Stundenplan integriertes Diskussionsforum über global-relevante Themen, (…)”, „(…) Religion Diskussion, ein religionsübergreifendes und spirituell ausgerichtetes Dialogforum“, „(…). Außerdem leitete ich die Amnesty International und Feminism Gruppen in AC“, „(…) Basketball“, „(…), Badminton, (…)“, „Tauchen, (…)“, „(…), Special Needs Music [besondere Förderung Musik; Anm. D. Verf.], (…)“, „Community Theatre – Theaterworkshops (…)“.

Frage 56: Welche Fertigkeiten hast Du durch diesen „Service“ erlernt, die Dir auch heute noch im sozialen Umgang mit Anderen hilfreich sind? (Bitte maximal drei Nennungen)

Die 31 Antwortenden gaben insgesamt 81 Nennungen ab (erste Nennung = 31, zweite Nennung = 30, dritte Nennung = 20). Aus den Antworten wurden Kategorien gebildet, die sich wie folgt benennen lassen (die reinen Fertigkeiten sind mit einem Sternchen markiert): 9.4 Anhang D 293

Sonstiges

Führen / Leiten / Motivieren *

Kommunizieren *

Arbeiten im Team *

Mit Alten, behinderten Menschen, Kindern umgehen *

Organisieren *

Auf den Anderen eingehen / Empathie

Offenheit

Geduld

Diverse manuelle Fertigkeiten *

Toleranz

Verantwortung

Unterrichten *

Selbstbewusstsein

0 2 4 6 8 10 12 14

Diagramm Frage 56 / Welche Fertigkeiten hast Du durch diesen „Service“ erlernt, die Dir auch heute noch im sozialen Umgang mit Anderen hilfreich sind? (Bitte maximal drei Nennungen)

Wörtliche Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien:

• Organisieren (N=6): „Organisation“, „Fähigkeit, Initiativen strukturiert und organisiert zu begehen“, „Klare organisatorische Fokussierung“, „Organisationsfähigkeiten“, „Organisatorisches“, „Organisationsfähigkeit“.

• Umgang mit Alten, behinderten Menschen, Kindern (N=6): „Umgang mit alten und behinderten Menschen“, „Mit Behinderten umgehen“, „,Natürlichere’ Begegnung mit geistig und körperlich Behinderten“, „Sensibler Umgang mit kleinen Kindern; ihr Vertrauen zu gewinnen“, „Ablegen von unangenehmen Gefühlen bei der körperlichen Pflege von Menschen [Mitarbeit im Mutter-Teresa-Heim; Anm. d. Verf.]“, „Mit Kindern umgehen, spielen, Beziehungen aufbauen“.

• Kommunizieren (N=8): „Gute Kommunikation“, „Zuhören und Berühren, es gibt Kommunikation über Worte hinaus“, „Unterschiedliche Verständnisse von Respekt und dessen Ausdruck“, „Non-verbale Kommunikation mit Menschen anderer Sprache“, „Effektive Kommunikation“, „Sie [Menschen mit Behinderung; Anm. d. Verf.] verstehen lernen“, „Ich habe gelernt zu kommunizieren, ohne die selbe Sprache zu sprechen“, „Kommunikation ohne Worte“.

• Führen / Leiten / Motivieren (N=10): „Leadership“, „Motivation“, „Motivation für eine bestimmte Sache an andere weiterzugeben“, „Führungsqualitäten, da ich eine eigene Gruppe ausgebildet habe“, „Leadership- Qualitäten“, „Anleitung einer Gruppe“, „Menschen zu organisieren / (…)“, „Führungserfahrung, Möglichkeit auf 9.4 Anhang D 294 andere einzugehen und zu motivieren“, „Motivierend auf Andere zu wirken“, „Motivationstechniken für Gruppenmitglieder“.

• Unterrichten (N=3): „Lehren“, „Unterrichten/Fähigkeiten weiterzugeben“, „Kajak Lehrer“.

• Arbeiten im Team (N=7): „Teamarbeit“, „Gemeinsam schwierige Situationen meistern“, „Teamwork“, „Zusammenhalt“, „Ein großes Projekt gemeinsam anpacken und durchziehen“, „Besseres Verständnis für Gruppendynamik“, „Teamwork“.

• Diverse manuelle Fertigkeiten (N=5): „Kühe melken“, „Leistung von Erster Hilfe“, „Kochen und Gartenarbeit“, „Erste Hilfe“, „Div. Sport- und Spielarten“.

• Selbstbewusstsein (N=2): „Selbstbewusstsein“, „Selbstbewusstsein“.

• Geduld (N=5): „Geduld“, „Beharrlichkeit“, „Geduld“, „Nachhaltiges Betreiben von mühsamen Vorgängen“, „Geduld“.

• Offenheit (N=5): „Offenheit“, „Offenheit“, „Auf den anderen zugehen“, „Unvoreingenommenheit“, „Beobachten und Verstehen, sich auf Fremdes einlassen“.

• Verantwortungsgefühl (N=3): „Verantwortungsbereitschaft“, „Verantwortungsübernahme und -bewusstsein“, „Verantwortungsbewusstsein und Bereitschaft, freiwillig Verantwortung zu übernehmen“.

• Toleranz (N=3): „Toleranz“, „Toleranz – Kommunikationsfähigkeiten mit Vertretern völlig anderer Wertsysteme“, „Nachsicht“.

• Auf den Anderen eingehen / Empathie (N=5): „Individuell auf Personen und ihre Bedürfnisse einzugehen“, „Auch wenn man gestresst ist, Zeit für den anderen zu haben“, „Anderen Menschen helfen, ihre Ängste zu überwinden“, „Einfühlungsvermögen“, „Emotionen und Stimmungen an Anderen besser wahrnehmen, ohne dass sie etwas sagen“.

• Sonstiges (N=13): „Vertrauen gewinnen“, „Feinfühligkeit für (teils minimale) kulturelle Unterschiede“, „Improvisation“, „Die Möglichkeit, auch mit weniger zufrieden zu sein“, „Zielgerichtete Evaluierung“, „Respekt“, „Zusammenfassen langer Diskussion in wenige Worte“, „Das Verständnis, dass es manchmal schwer ist, zu helfen oder Hilfe anzunehmen“, „Disziplin“, „Sich selbst eher als Teil des Ganzen denn als anders zu sehen“, „Theater spielen“, „Interesse“, „Dinge anpacken“.

Anmerkung: Als reine Fertigkeiten – in der Regel durch Lernen erworbenes Können, das auf Fähigkeit, Übung und Motivation begründet ist – sind hier vor allem die manuellen Fertigkeiten (zum Beispiel Erste Hilfe) zu nennen. Fertigkeiten haben sich durch Übung mehr oder weniger verfestigt und sind entsprechend abrufbar. Auch das Organisieren, Kommunizieren, Unterrichten, Führen/Leiten/Motivieren und Arbeiten im Team können als Fertigkeiten begriffen werden. (Diese Fertigkeiten sind in der Grafik mit einem Sternchen markiert.) 9.4 Anhang D 295

Demgegenüber stehen die Kategorien „Toleranz“, „Empathie“, „Selbstbewusstsein“, „Geduld“ und „Offenheit“ für personale Dispositionen. Somit ist es in den Aussagen der Befragten zu Überschneidungen mit den Antworten zu Frage 57 gekommen, in der eben jene Persönlichkeitsmerkmale erhoben werden sollten.

Frage 57: Welche Persönlichkeitsmerkmale hat der „Service“ im Rahmen des CAS-Programms bei Dir verändert? (Bitte maximal drei Nennungen)

Die 28 Antwortenden gaben insgesamt 55 Nennungen ab (erste Nennung = 28, zweite Nennung = 21, dritte Nennung = 6). Hier die wörtlichen Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien:

• Geduld (N=7): „Es hat mich geduldiger gemacht“, „Geduld“, „Mehr Geduld“, „Ich bin geduldiger geworden“, „Bin um einiges geduldiger geworden“, „Geduld“, „Mehr Geduld im Arbeiten mit anderen Menschen“.

• Verantwortung (N=4): „Verantwortung übernehmen“, „Verantwortungsbewusstsein“, „Verantwortung und Selbstkritik“, „Stärkeres Bewusstsein meiner gesellschaftlichen Verantwortung“.

• Offenheit (N=5): „Offenheit und Weitblick“, „Mehr Aktivismus und Kontaktfreudigkeit“, „Offenheit“, „Vielseitigkeit“, „Ich bin deutlich gewillter, mich an sozialen Projekten zu engagieren, die nicht zwingend meiner persönlichen Neigung entsprechen“.

• Selbstvertrauen (N=7): „Mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten“, „Selbst-Bewusstsein“, „Selbstsicherheit“, „Mehr Selbstbewusstsein im Leiten unbekannter Gruppen“, „Schüchternheit überwinden (trotz Sprachbarrieren)“, „Mein Selbstbewusstsein“, „Sichereres Auftreten anderen Menschen gegenüber“.

• Gelassenheit (N=4): „Größere Gelassenheit“, „Entspanntheit“, „Gebe mich auch mit nicht komplett erreichten Zielen zufrieden, wenn sie ihrem Zweck dienen“, „Und eine entspanntere Grundeinstellung“.

• Empathie (N=4): „Ich bin empathischer geworden“, „Einfühlungsvermögen“, „Verständnis“, „Mitgefühl“.

• Risikobereitschaft (N=3): „Bin eher bereit, Herausforderungen einzugehen“, „Risikobereitschaft“, „Mehr Mut“.

• Teamfähigkeit (N=9): „Ich habe Vertrauen in andere Teammitglieder wieder erlernt“, „Kompromissbereitschaft“, „Weniger Fokus auf das Ich“, „Zurückhaltung“, „Teamarbeit“, „Höhere Toleranz“, „Kommunikationsfähigkeit“, „Aufmerksamkeit auf meine Mitmenschen“, „Vertrauen in die Arbeit anderer“.

• Selbstbeobachtung (N=4): „Meine Selbstwahrnehmung als in meinen verschiedenen Rollen, z.B. weiblich, weiß, bekenntnislos“, „Meine Lebensumstände für selbstverständlich zu halten“, „Bessere Selbsteinschätzung“, „Es hat mir verdeutlicht, wie viel man auch zurückbekommen kann, wenn man hilft“.

• Selbstdisziplin (N=3): „Durchhaltevermögen“, „Ausdauer“, „Überwindungsvermögen“. 9.4 Anhang D 296

• Sonstiges (N=5): „Nachdenklicher“, „Ich bin deutlich kreativer geworden“, „Durchsetzungsvermögen“, „Bewusstheit über die nicht immer einleu[ch!]tende, doch aber vorhandene Komplexität von Situationen“, „Ich bin deutlich medienkritischer geworden“.

Frage 58 b: Wenn der Service manchmal oder immer eine echte Bewährungsprobe für Dich war, nenne bitte ein Beispiel.

Hier die wörtlichen Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien:

• Bei der Arbeit mit alten oder behinderten Menschen – Seelische Herausforderung (N=9): „Es war nicht immer leicht, demente, alte Menschen oder aber behinderte kleine Kinder um mich herum zu haben. Es fordert einen, macht einen manchmal sehr traurig und war auch eine Bewährungsprobe für meinen Glauben“, „Ich war es nicht gewohnt, in ständigem Kontakt mit schwerstbehinderten Menschen zu sein. (…) Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich über meine anfänglichen Komplexe hinweg kam und mit Offenheit und ohne Scheu mit den Athleten arbeiten konnte“, „Es war herausfordernd, mit einem Mädchen aus Ward8 zu kommunizieren, das nicht sprechen konnte (Down-Syndrom)“, „(…), Überwindung zu einem unkomplizierten körperlichen Umgang mit Kranken und geistlich [geistig!] behinderten Menschen“, „Manche Tage mit den Jugendlichen waren sehr gut und wir hatten das Gefühl, es hat ihnen Spaß gemacht und sie haben etwas gelernt, aber an anderen hatten wir das Gefühl, wir haben sie eher heruntergezogen, unruhig und unsicher gemacht, wussten aber nicht, was wir ,falsch’ gemacht hatten. Außerdem mussten wir oft sehr geduldig sein, viele Sachen 40 Mal sagen, viel warten und manchmal auch wirklich mit Kraft jemanden daran hindern, sich oder andere zu verletzen“ [geleisteter Service: Arbeit mit jugendlichen Autisten und Jungen mit Down-Syndrom; Anm. d. Verf.], „Ich nahm zum Beispiel als Betreuer von Teilnehmern an der Internationalen Behinderten Wintersport Jugend-Olympiade teil. Dabei begleitete ich zwei behinderte Sportler für eine Woche bei jedem Punkt des Tagesablaufs“, „Es war nicht immer leicht, 100 % zu geben und zu organisieren und nicht sicher zu sein, dass dies aufgenommen werden kann bzw. geschätzt oder gewollt wird“ [geleisteter Service: Behindertenbetreuung; Anm. d. Verf.], „Durchzuhalten und die eigene Arbeit als essentiell anzusehen, obwohl die Umstände in den Heimen manchmal verherend und nicht mit europäischen Standards vergleichbar waren. (…)“, „Es war viel Geduld mit Pferden und Kindern gefragt“ [geleisteter Service: Reiten für behinderte Kinder; Anm. d. Verf.].

• Kommunikationsprobleme aufgrund von Sprachbarrieren (N=5): „Nicht aufgeben, wenn es unschaffbar erschien, eine geordnete Unterrichtseinheit in der Schule im Dorf abzuhalten, Sprachbarriere überwinden (die Kinder sprachen hauptsächlich Marathi)“, „Englischunterricht mittels Materialien, die Worte erklären (wie Kühlschrank), die außerhalb der Erfahrungswelt des Lernenden liegen“, „Die meisten Kinder sprachen kein oder nur wenig Englisch und mein Kantonesisch ist eigentlich nicht ausreichend, um komplexe Zusammenhänge zu erklären! Also musste man sich auf andere Arten verständigen, was nicht immer leicht war!“, „Bei der Gesundheitsarbeit mit den Dorfkindern mussten wir (…) den Eltern erklären, warum eine bestimmte Sache 9.4 Anhang D 297 wichtig ist, ohne jedoch belehrend zu wirken und insbesondere ohne die Sprache zu sprechen, mit Händen, Zeichen und Füßen“, „Mit kleinen Kindern vertraut und nah umzugehen, für die man wegen seiner weißen Haut ein Außerirdischer war, war immer ein schwieriger Prozess. Vor allem, da wir nur wenig ihrer Muttersprache lernten. (…)“.

• Körperliche Herausforderung (N=4): „Körperliche Grenzen überschreiten (Klettern usw.)“, „Unser first aid training war teilweise wirklich hart!“, „Sich den Naturgewalten zu stellen…über seine körperlichen Grenzen hinauszuschießen“ [geleisteter Service: Lifeguard; Anm. d. Verf.], „Das Wasser im Pazifik ist wahnsinnig kalt!!! Tauchen ist da echte Überwindungssache“.

• Gruppen leiten/verantworten (N=5): „Als Instructor war es wichtig, auf die verschiedenen Gruppen eingehen zu können und verschiedene Probleme zu überwältigen. (…)“, „Unmotivierte Kinder, die lieber Fernsehen würden, zu begeistern, war jedes Mal erneut eine Herausforderung, da keine Routinemaßnahmen nützten – ich war kreativ gefordert“, „Horden von Kindern auf einem kalten Fjord zum ,Spaß haben’ bringen“, „Wir hatten zum Teil extrem hohen Wellengang, waren Kajaken und dabei noch zu dritt für 10 Firstyears verantwortlich, die alle der Reihe nach aus ihren Kajaks fielen. Gutes Nerventraining. (…)“, „Manchmal haben Dinge, die wir organisiert haben, nicht funktioniert, weil der Transport gerade nicht da war oder weil derjenige, der den Schlüssel hat, nicht aufzufinden war“ [geleisteter Service: Waisenbetreuung; Anm. d. Verf.].

• Sonstiges (N=3): „Zeitmanagement, denn wir wurden schon rein zeitlich mehr gefordert als andere services“ [geleisteter Service: Umweltdienst; Anm. d. Verf.], „Bei der Geburt eines Lammes zu helfen, war eine ganz neue Erfahrung für mich“ [geleisteter Service: Grundstücksdienst; Anm. d. Verf.], „Ich wurde einmal als Kolonialherrscher und blonder Hitler bezeichnet, weil es laut dieser Person nicht Aufgabe einer Nicht-Afrikanerin sei, etwas in der Sozialstruktur afrikanischer Länder zu kritisieren oder verbessern zu wollen; das war aber nicht das eigentliche Problem, sondern mehr die Tatsache, dass ich mich fragte, ob sie nicht vielleicht in ihrem Ansatz Recht hatte“ [geleisteter Service: Aufklärungsarbeit an Schulen; Anm. d. Verf.]. 9.4 Anhang D 298

Frage 62: Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen „Deinem“ Gymnasium in Deutschland und „Deinem“ UWC? Es gibt sie in Folgendem:

Großes Angebot an Aktivitäten

Lehrereinstellung

Schülereinstellung

Akademische Aspekte / IB-Elemente

Förderung von Toleranz / Verständigung

Sonstiges

Schülervertretung/-mitbestimmung

Internationale Schülerschaft

Internatsleben

Förderung von sozialem Engagement

0 1 2 3 4 5 6 7 8

Diagramm Frage 62 / Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen „Deinem“ Gymnasium in Deutschland und „Deinem“ UWC? Es gibt sie in Folgendem:

Hier die wörtlichen Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien:

• Großes Angebot an Aktivitäten (N=7): „(…). Außerdem bot die Schule viele Aktivitäten an!“, „Viele Möglichkeiten im Sportlichen, Musikalischen etc. (…)“, „Angebot verschiedener AGs an meinem Gymnasium“, „Es gab an beiden viele außerunterrichtliche Aktivitäten, (…)“, „Außerschulische Aktivitäten (…)“, „(…). In beiden Schulen war das außerschulische Angebot groß. (…)“, „Es wurden AGs (Arbeitsgruppen) nach dem Unterricht angeboten, in denen man sich kreativ, sportlich, sozial betätigen konnte. Diese waren jedoch auf Freiwilligenbasis für Schüler und Lehrer und sprachen nur solche an, die eh schon offen und motiviert waren“.

• Schülereinstellung (N=5): „Es gab an beiden Schulen Schüler, die engagiert und interessiert waren, und Schüler, die überhaupt nicht motiviert oder interessiert waren“, „Engagement außerhalb des Klassenzimmers“, „Auch an der Lendeschule Pforta sind die meisten Schüler motiviert und engagiert, wollen etwas bewegen“, „(…) auch immer motivierte und unmotivierte Schüler (…)“, „An jeder Schule trifft man Leute, die sich engagieren, sei es im CAS-Programm oder in der Schülerbibliothek“.

• Schülervertretung /-mitbestimmung (N=3): „Das Ziel, Schüler bewusst in das Schulgeschehen miteinzubinden“, „Engagement von (…) Schülern teilweise in der Gestaltung des Schullebens. Einfluss der Schülervertretung. (…)“, „(…) an beiden vergleichsweise starke aber immer noch unausreichende Schülerbeteiligungsstrukturen“. 9.4 Anhang D 299

• Förderung von Toleranz/Verständigung (N=5): „Ich war auf keinem Gymnasium! (Gesamtschulkind!) Aber abgesehen davon gab es auch Gemeinsamkeiten, der Anspruch an Toleranz und Abbau von Vorurteilen bestand in beiden Schulen“, „Beide waren (…), politisch aktiv, auf Verständigung wurde großen Wert gelegt“, „(…) genauso ausgeprägte oder vielleicht sogar ausgeprägtere Toleranz an meiner deutschen Schule“, „(…), Austauschprogramme, (…)“, „(…). Einzelne Lehrer haben sich auch für Völkerverständigung eingesetzt, indem sie bspw. privat einen Austausch mit polnischen Schülern organisiert haben, wobei die Aufarbeitung des Dritten Reichs im Vordergrund stand“.

• Förderung von sozialem Engagement (N=3): „Soziales Engagement wurde auch dort gefördert“, „(…). Außerdem bot diese Schule einige soziale Projekte an (bspw. unterstützt diese Schule eine Suppenküche in Südafrika, für welche immer im Rahmen von ,Adventsbrötchen-Verkaufsaktionen’ Geld gesammelt wird). (…)“, „(…). Es gab ebenfalls soziale Aktionen, wenn auch einmalige (einmal im Jahr)“.

• Internationale Schülerschaft (N=3): „Mein Gymnasium in Deutschland war eine Internationale Schule (…)“, „Internationale Schülerschaft, (…)“, „Beide waren multikulti, (…)“.

• Akademische Aspekte / IB-Elemente (N=5): „Auch an meinem Gymnasium war der Creativity-Teil von CAS recht gut ausgebildet“, „Intellektuelle Herausforderung“, „(…). Akademische Förderung. Sprachbetonung“, „(…), in der CAS auch so gemacht wird“, „(…), gemeinsames Lernen (offensichtlich, ne?)“.

• Lehrereinstellung (N=5): „Lehrer waren auch an meinem Gymnasium sehr kooperativ, aber das war’s auch schon!“, „Engagement von Schulleiter sowie von Lehrern (…). Respektieren von verschiedenen Stärken und Schwächen der einzelnen Schüler“, „Klar gibt es die, aber die sind eher zufällig. Beide Schulen hatten sehr engagierte Lehrer. (…)“, „Manche Lehrer an meiner alten Schule haben sich viel Mühe gegeben, auf die Schüler einzugehen. (…)“, „Gute und schlechte Lehrer gibt es überall, (…)“.

• Internatsleben (N=2): „Internat“, „Internatsleben. (…)“.

• Sonstiges (N=7): „Ich war auf einer integrativen Schule, das heißt auch auf meiner alten Schulen waren behinderte Kinder um uns herum. (…)“, „Am UWC genau wie am Gymnasium bildeten sich mehr oder weniger isolierte Gruppen in der Schülerschaft. (…)“, „(…) Offene Kommunikation zwischen Lehrern, Schülern und der Verwaltung waren mehr am Gymnasium aber auch am UWC ein häufiges Problem“, „In beiden war ich mit Menschen zusammen, die mir sehr am Herzen liegen und einen ungemein wichtigen Teil meines Lebens darstellen“, „Jeder hat hart dafür gekämpft und gearbeitet, am UWC sein zu dürfen, an meinem Gymnasium hatten viele Leute keinen Bock und Antrieb“, „In Deutschland war ich auf einer Privatschule, bei der auch ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl und eine gewisse Verbundenheit mit der Schule besteht. (…)“, „(…). Beide Schulen haben sich selbst kritischen Evaluationen unterzogen, und sich ständig hinterfragt“. 9.4 Anhang D 300

Anmerkung: In der Fragestellung wurde die Anzahl der abzugebenden Nennungen nicht begrenzt. So nannten einige Schüler (N=12) mehrere Aspekte. Jeder Aspekt wurde berücksichtigt und einer Kategorie zugeteilt. So kommt es zu mehr Nennungen als Personen, die antworteten.

Frage 63: Welche Elemente des Lebens und Lernens an einem UWC hättest Du Dir für Deine Schule in Deutschland gewünscht? (Bitte maximal drei Nennungen)

Hier die wörtlichen Antworten und ihre Zuteilung zu den gebildeten Kategorien:

• Lehrereinstellung / Lehrer-Schüler-Verhältnis (N=19): „Bessere Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern“, „Starke persönliche Unterstützung durch die Lehrer“, „Besseres Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern“, „Das bessere Lehrer-Schüler-Verhältnis“, „Unterstützung von Engagement bei den Schülern“, „Dass unterrichtende Lehrer nicht gleichzeitig benoten. – Das könnte Deutschland verändern!“, „Engagierte und interessierte Lehrer“, „Die große Motivation durch Lehrer, die einem das Gefühl gaben, dass man erreichen könnte, was man wolle“, „Näheren Kontakt zu den Lehrern!!!“, „Interessante, engagierte, motivierende Lehrer“, „Sich für ein Thema zu interessieren und es dann auch vertiefen zu können, bzw. andere Leute/Lehrer zu finden, die auch fasziniert sind“, „Enger Kontakt mit Lehrern“, „Engagierte Lehrer, die uns auch mal zu sich nach Hause eingeladen hätten“, „Enge Kooperation zwischen Lehrern und Schülern, Verständnis als Lernpartner, nicht Gegner“, „Enthusiasmus und Angebote für Engagement“ [Zuordnung interpretiert; Anm. d. Verf.], „Die guten Lehrer, die ich in AC hatte“, „Ein so gutes und persönliches Schüler-Lehrer-Verhältnis“, „Mehr persönliches Interesse der Lehrer“, „Ein tolles Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern“.

• Schul- und Lebensraum Internat (N=7): „Internatssystem“, „Freunde zum Lernen und gemeinsamen Leben“, „Gemeinsame außerschulische Aktivitäten“, „Internatsleben“, „Außerschulische Aktivitäten, in die alle Schüler eingebunden werden (24hr run)“, „Schwer zu vergleichen, da die UWC Internate sind, und Schulen in Deutschland nicht den ganzen Tag abdecken und damit nicht das Gleiche leisten können“, „Schule als Lebens- und nicht nur Arbeitsraum, Bezug vom Schulischen zum Privaten“.

• (Welt-)Offenheit / Internationalität (N=13): „Mehr Internationalität“, „Positive Hervorhebung der Internationalität“, „Größere Weltoffenheit“, „Heterogenität“, „Offenheit Neuem gegenüber“, „Toleranz“, „Mehr Offenheit für ,Nicht-Mainstream’-Personen“, „Internationale Perspektive, große Vielfalt an Meinungen und Standpunkten“, „Konfrontation mit Andersdenkenden“, „Umgang mit verschiedenen Kulturen“, „Offenheit“, „Teilnahme am Weltgeschehen“, „Mehr Offenheit gegenüber Fremdem“.

• Gemeinschaftsgefühl (N=6): „Gemeinschaftsgefühl“, „Gemeinschaftsgefühl“, „Gemeinsamen ,Geist’ zu entwickeln beim Angehen von Projekten“, „Teamarbeit, nicht die Individualgesellschaft“, „Die Beteiligung aller an Aktivitäten“, „Die starke Schulgemeinschaft“. 9.4 Anhang D 301

• Schülereinstellung (N=18): „Motivation, Hingabe und Interesse der meisten meiner Mitschüler“, „Verantwortung“, „Teamfähigkeit“, „Soziales Engagement als Chance zu sehen, sowohl für den ,Empfänger’, als auch den ,Engagierten’“, „Überzeugung, etwas verändern zu wollen“, „Interesse und Eifer der Schüler (und Lehrer)“, „Motiviertes Lernen mit- und voneinander“, „Die Motivation meiner Mitschüler war enorm. Klar, schulisch auch, aber v.a. der Wille anzupacken, Dinge zu verändern!“, „Engagierte und interessierte Schüler“, „Mehr gesellschaftspolitisches Interesse, auch in Form von mehr Vorträgen und selbst organisierten Konferenzen“, „Verständnis und gegenseitige Rücksichtnahme“, „Schule als Lebensraum: Platz für Dialog (zwischen allen Parteien), Austausch, Inspiration und vor allem MOTIVATION, etwas zu verändern“, „Aktives Interesse an Persönlichkeitsbildung“, „Engagement“ [Zuordnung interpretiert; Anm. d. Verf.], „Engagement im außerschulischen Bereich“ [Zuordnung interpretiert; Anm. d. Verf.], „Mehr Verständnis für außerschulische Aktivitäten“ [Zuordnung interpretiert; Anm. d. Verf.], „Offeneren produktiveren Umgang mit Problemen und persönlichen Schwierigkeiten“ [Zuordnung interpretiert; Anm. d. Verf.], „Geringe Cliquenbildung und gegenseitige Achtung“.

• CAS-Angebote (N=15): „Soziale Arbeit“, „Soziales Engagement“, „Soziale Interaktion mit Projekten der Region“, „Mehr Angebote außer nur akademische Sachen (Sportteams, gemeinnützliche Aktivitäten etc.)“, „CAS (als gesamtes Programm)“, „Mehr Nachmittagsprogramme“, „CAS“, „Gemeinsame community work’“, „Ein größeres Angebot sozialer Aktivitäten“, „Mehr ,Service’-Projekte der SchülerInnen selbst, an denen sie sich beteiligt fühlen, und die dadurch auch motivieren“, „Bewusstes Fördern von sozialem Engagement und Verantwortungsbewusstsein“, „Soziale Aspekte“, „Service, oder ein Gefühl der Verantwortung gegenüber der Umwelt / Gesellschaft“, „Community-service Projekte“, „Services“.

• Poltitische Themen (N=4): „Thematisierung von aktuellen politischen Themen im Unterricht“, „Mehr Diskussion über international relevante Themen“, „Vorträge an der Schule über sozialpolitisch wichtige Themen“, „Global Issue Forum (wöchentlich)“.

• Lehrplan / Anforderung (N=13): „Mehr Freiheiten in der Lehrplanbestimmung“, „Mehr kritisches Hinterfragen und Herkunft von ,Wissen’“ [siehe Theory of Knowledge; Anm. d. Verf.], „Sprachenunterricht in der jeweiligen Sprache“, „Kreative Fächer wie Theater und Musik einbringen zu können“, „Akademische Herausforderung“, „Anspruchsvollere Kurse (habe nicht viel in der Schule in Deutschland gelernt und man hat oft keinen Finger krumm machen müssen)“, „,Höheres’ Ziel der Schule“, „Bessere Schärfung von Verantwortungsbewusstsein in der Gesellschaft, Welt“, „Mehr Toleranzförderung“, „Verbindung verschiedener Bereiche akademischen /künstlerischen/ sozialen Lebens“, „Akademische Flexibiliät“, „Die Verbindung zwischen Leben und Lernen, zu erfahren, dass das Gelernte auch nützlich/anwendbar ist. Aber auch, dass es nicht für alles Antworten gibt, dass manche Fragen einfach offen sind und auch diskutiert werden müssen (…)“, „Mehr Freiheit, Fächer nach Neigung zu wählen“. 9.4 Anhang D 302

• Unterrichtsgestaltung (N=4): „Offener und vielseitiger Unterricht“, „Selbstständigere, projektartige Arbeit in Schule und Ausarbeitung von Wissen“, „Die Art, wie im IB zu lernen“, „Kleine Lerngruppen. Mehr soziale, politische, umweltbezogene Aufklärung … so viel“.

• Sonstiges (N=7): „Freizeitangebote“, „Angebotsreichtum“, „Naturerlebnisangebote“, „Ausgefüllte Tage“, „Kleinere Gemeinschaft“, „Unabhängigkeit von Eltern“, „Austausch“.

Anmerkungen:

• Wenn die Aussage einer/s Befragten ungenau war, dann wurde die Nennung anhand der anderen Nennungen des/der Befragten interpretiert und entsprechend einer Kategorie zugeordnet.

• Eine erste Nennung wurde insgesamt 41-mal abgegeben, eine zweite Nennung 39-mal, eine dritte Nennung noch 26-mal. Somit konnten insgesamt 106 Nennungen den verschiedenen Kategorien zugewiesen werden. Lebenslauf

Name: Cornelia Schaffeld Anschrift: Kurt-Weill-Str. 11 51503 Rösrath Geburtsdatum: 13. September 1968 Geburtsort: Oberhausen/Rhld.

Schulausbildung Oktober 1974 Eintritt in die Falkensteinschule, Städtische Gemeinschaftsgrundschule August 1978 Eintritt in das Bertha-von-Suttner-Gymnasium, Städtisches Gymnasium Mai 1987 Abschluss mit Allgemeiner Hochschulreife

Studium 9. September 1987 Immatrikulation an der Deutschen Sporthochschule Köln mit angestrebtem Abschluss zur Diplom-Sportlehrerin Großer Schwerpunkt: Sportpublizistik Dezember 1989 Vordiplom November 1992 Abschluss als Diplom-Sportlehrerin 8. März 1993 Immatrikulation zur Promotion

Journalistische Praktika August 1990 Praktikum bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), Sportredaktion Oberhausen. Anschließend Freie Mitarbeiterin Oktober 1991 Praktikum bei der Deutschen Welle, Zentraldienst Sport

Berufliche Tätigkeiten 10/92-12/93 Ständige und ganztägige Mitarbeiterin in der WAZ-Sportredaktion Oberhausen 01/94-12/94 Ständige und ganztägige Mitarbeiterin in der WAZ-Sportredaktion Datteln 01/95-12/96 Redaktions-Volontariat bei der Hessisch/Niedersächsisch Allgemeinen Zeitung (HNA) 01/97 Freie Mitarbeiterin der HNA 02/97-03/97 PR-Redakteurin bei der HNA in Kassel 04/97-06/97 Sportredakteurin bei der HNA in Kassel 07/97-12/97 Sportredakteurin beim Kölner EXPRESS 01/97-04/97 Freie Journalistin für die Kölnische Rundschau seit 05/98 Redakteurin bei „die christliche familie“, Verlag Christliche Familie GmbH, Essen 11/98 Chefin vom Dienst beim Verlag Christliche Familie GmbH, Essen seit 1. Juli 2004 Stellvertretende Chefredakteurin der Katholischen SonntagsZeitung für Deutschland