NZZ am Sonntag 9. Februar 2014 CK

NNA n London lebt sie erst seit ein paar PA

A Wochen. «Aber vermutlich bleibe UR

LA ich für länger», sagt sie lachend beim Grüntee. «Ich habe mir auch schon ein Velo zugelegt.» Mit ihrem IFreund, dem irischen Maler Conor O’Donnell, ist sie unlängst hierhin gezogen, nach vier Jahren Dublin, und zwar in den aufstrebenden Stadtteil Hackney. Der liegt im Nordosten der Metropole, beherbergt ein buntes Völkergemisch und bietet auch der freien Musikszene Raum. Das ist wichtig für die junge, hochbegabte Schweizer Sängerin Sarah Büchi: Denn sie will sich nicht in einer Nische einrichten, sondern die Welt erobern. Dass sie schon seit längerem im angelsächsischen Raum lebt, hört man ihrem Schweizerdeutsch ein bisschen an – während ihr Englisch akzent- frei ist. Zumindest, wenn sie singt. Sarah Büchi ist erst 32 Jahre alt. Doch sie gehört zu jener Generation von Kultur- schaffenden, die schon früh in fremde Länder aufgebrochen sind. Sie war in Ame- rika und Afrika; anderthalb Jahre hat sie im Süden Indiens zugebracht, am Kamataka College for Percussion in der Millionenstadt Bangalore. Aufgewachsen ist sie jedoch auf dem Land, in den Kantonen Luzern und Glarus, und zwar in einer musikalischen Familie: Die Mutter wirkte als Sängerin und Organistin, der Vater als Klavierlehrer und Komponist. Beide leiteten Chöre. Das Töch- terchen hörte zu, tat bald auch mit. Geige und Klavier waren seine ersten Instru- mente, Klassik war angesagt. Der Mutter fiel auf, dass das Mädchen unentwegt sang, ganz für sich, oftmals in phantasievollem Kauderwelsch. Eine Gesangslehrerin wurde engagiert. «Es war interessant, aber nicht das, was ich suchte», sagt Sarah Büchi rückblickend. «Als Teen- ager habe ich in einer Rockband Gitarre gespielt. Janis Joplins Gesang wurde für mich zu einem Erweckungserlebnis. Diese Unbedingtheit des Ausdrucks! Das Umschlagen von Zärtlichkeit in Zorn, von Verzweiflung in Seligkeit innerhalb von Augenblicken. Sie konnte mit ihrer Stimme machen, was sie wollte.» Die Stimme als Instrument Allerdings hat Janis Joplin ihre Stimme auch ruiniert – durch Alkohol, Drogen, Überanstrengung. Mit all dem hat Sarah Büchi nichts am Hut. Sie ist eine bewusste, hellwache Künstlerin, in der sich Emotion, Professionalität und kritischer Verstand verbinden. An der Hochschule Luzern hat sie bei Susanne Abbuehl und Lauren Newton Jazzgesang studiert und dabei gelernt, ihre Stimme als vielfältiges Instru- ment einzusetzen. Täglich arbeitet sie an ihrer Atemtechnik und quält die Nachbarn mit allerlei Tonleitern. Sie weiss genau, was jeder Muskel zu tun hat. Derzeit absolviert sie eine dreijährige Zusatzausbildung am Complete Vocal Insti- tute in Kopenhagen. «Dabei geht es vor allem um die Erweiterung der Dynamik, der Klangfarben, des Volumens», erklärt sie. «Wenn man es richtig macht, kann man von den Experimenten Björks bis zu Dark Metal alles singen, ohne die Stimme zu strapazieren.» Sarah Büchi ist indes nicht nur eine viel- versprechende Sängerin mit unverwechsel- barer und wandlungsfähiger Stimme. Auf ihrem Zweitling «Flying Letters» überzeugt sie auch als Komponistin und Lyrikerin. Ihr Singt sich die Seele aus dem Leib und bewahrt dabei doch ihren hellen Verstand: Sarah Büchi. (London, 5.Februar 2014) 2010 erschienener Erstling «Vidya Mani» (Unit Records) war noch stark von indischer Rhythmik und Melodik beeinflusst. Eine Talentprobe. «Flying Letters» ist weit mehr als das. Ein reifer, durchgestalteter Song- zyklus, der afrikanische Polyrhythmik, Siemacht die Musik indische Gesangstechnik und modernes Songwriting zu etwas Neuem, Unerhörtem, Eigenem verschmelzt. Im Pianisten Stefan Aeby, im Bassisten André Pousaz und im Drummer Lionel Friedli hat Sarah Büchi drei junge Schweizer Mitmusiker gefunden, die ihre Ideen sensibel und präzis aufneh- derZukunft men, umsetzen und weiterentwickeln. Auf alten Briefumschlägen Sarah Büchis Kompositionen sind weit Die junge Schweizer Sängerin Sarah Büchi hat in Amerika und Irland, mehr als gängige Songs mit Strophen, Reimen und Refrain. Vielmehr sind sie raf- in Indien und Ghana gelebt. Sie verbindet modernes Songwriting finiert strukturierte Dramolette, in denen auf engstem Raum komplexe Geschichten mit Jazz. Ihr neues Album ist eine Sensation. Von Manfred Papst erzählt werden. «Als Teenager habe ich ganz naiv komponiert», sagt die Sängerin dazu; «ich habe mir Lieder ausgedacht und sie zur Gitarre ausprobiert. Heute gehe ich bewusster an die Sache heran. Ich bin ein konzeptuell denkender Mensch. Die Lyrics

Fortsetzung Seite 70

Kunst der Groteske Oscarverdächtig Streit um Beuys BBC-Gangsterserie Basel zeigt das Werk Die Gaunerkomödie Wem gehört In «The Fear» hat der James Ensors 70 «American Hustle»73 «Das Kapital»? 75 Boss Alzheimer 75 70 Kultur NZZ am Sonntag 9. Februar 2014 BeidenMasken vonOstende

James Ensor gilt mit seinen grotesken Bildern als einer der Väter der Moderne. Eine Ausstellung im Kunstmuseum Basel entdeckt ab nächster Woche neue Seiten seines Werks. Von Gerhard Mack

em Erlöser bleibt nur noch europäische Belle Epoque klingt auch die Bewohner. Häme dröhnt aus aufgerissenen der Fasching, wenn die Welt eigene Frustration über die gescheiterten Mündern. Man lacht und erschrickt zugleich. auf den Hund gekommen Versuche mit, in der Hauptstadt als mass- Überall lauert der Tod. Masken umringen ist: James Ensor lässt ihn gebender Künstler anerkannt zu werden. ihn, als wäre er der Star im Karnevalsumzug. am Fasnachtsdienstag 1889 Zwei Jahre später malt er sich als grimmigen Sie schweben mit einem Totenschädel um Din Brüssel einziehen. Er ist Schmerzensmann, 1893 ist er so deprimiert, ein junges Mädchen, das sein schönes Kleid umgeben von einer johlen- dass er sein ganzes Atelier für 8500 belgische möglicherweise für seine Erstkommunion den Menge. Blasmusik spielt auf, behäbige Francs verkaufen will. Aber es finden sich trägt. Die Maskerade ist Spott und schrille Bürger tragen Masken, unter einem Zylinder keine Interessenten. Die Masse will andere Feier des Lebens, ein Gag und abgründige grinst ein Totenschädel, ein kurzatmiger Freizeitvergnügungen. Es war die Zeit, in Melancholie wie der Pierrot, der von Toten Bischof marschiert vorneweg, über einem der das Bürgertum sich mit neuen Industrien bedrängt wird. Vorbilder fand Ensor bei Wald von Spruchbändern flattert eine rote etablierte und selbst ein kleines Land wie Pieter Breughel und Hieronymus Bosch und Fahne mit der Parole «Vive la Sociale». Jesus Belgien riesige Kolonien hatte. Ein neuer in den Erzählungen von François Rabelais. ist in dem Gedränge fast nicht zu sehen. Reichtum ermöglichte breiten Wohlstand. James Ensor gilt als «der Maler der «Der König von Brüssel», wie ihn ein Plakat Ensor malte die Verlogenheit, die Gier und Masken». Die Anregung dafür, die zeitgenös- bezeichnet, zieht in einer Mischung aus die Dummheit, die darin blühten. Aber er sische Gesellschaft als Verkleidungsorgie Palmsonntagsprozession, politischer griff sie nicht nur an, er machte sich auch zu malen, fand er in seiner unmittelbaren Demonstration und Karnevalsumzug in die einen Spass daraus wie ein Autor, der die Umgebung. Der Karneval war der Höhepunkt Stadt. Von der Passion der Lächerlichkeiten Puppen im Kasperletheater gegeneinander der Saison in Ostende. Der Badeort erlebte darf man sich keine Rettung der Welt erwar- antreten lässt. Dazu nutzte er die Mittel der in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhun- ten. Klamauk und Farce sind angesagt. Groteske und gab seinen Figuren Masken. derts eine Blüte, selbst die Königsfamilie James Ensor sah sich selbst gern als ver- Die Gesichter sind feist und grell. Spitze verbrachte im Sommer hier ihre Ferien. Die kannten Erlöser. In der Allegorie auf die Nasen stossen in Räume und belauern ihre Meeresluft galt als gesund, die gesellschaft- lichen Ereignisse auch. Abends gab es Kon- Eine Gesellschaft Waren, rechnete ab. Als sein Onkel ihm zerte, Kasino und Kurschatten, tagsüber zeigt sich als sein Geschäft vererbte, betrieb er es weiter. konnten die Gäste auf den Dünen spazieren, Versammlung aus Der Künstler war auch ein biederer Bürger. auf Eseln am Strand entlang reiten oder in Fratzen: James Masken, Fächer, Dosen und Vasen kehren auf Kramläden nach Souvenirs suchen. Einige Ensors Maskenbild vielen von Ensors Gemälden wieder. davon betrieb Ensors Familie. «Die Intrige», 1890. Wenn er diese Welt der Verkleidung und Kuriositäten malt, findet darin eine existen- Im Laden der Grossmutter zielle Erfahrung Ausdruck, deren Heftigkeit Im Brief an einen befreundeten Schriftsteller jüngere Künstler wie Emil Nolde und Ernst beschrieb der Maler 1898, welche Wirkung Ludwig Kirchner faszinierte und die uns die Kuriositäten auf ihn als Kind hatten: heute noch anspricht. Gleichwohl wird der «Meine Grossmutter steckte mich oft in Blick auf Ensors Werk seit ein paar Jahren bizarre Kostüme. Sie liebte Verkleidungen nicht mehr so eng auf die beiden Jahrzehnte über alles. Ich sehe sie noch in einer Karne- vor 1900 gerichtet, wie es lange Zeit der Fall valsnacht an meinem Bettchen stehen. Sie war. Vor acht Jahren hat eine Ausstellung hatte sich als kokette Bäuerin kostümiert, in Frankfurt das Spätwerk in den Fokus ihre Maske war abscheulich. Damals war gerückt, das der Künstler in den Jahrzehnten ich vielleicht fünf, sie über sechzig Jahre alt. bis zu seinem Tod 1949 geschaffen hat. Dabei Meine Kindheit war voller Wunderträume, wurde das, was zuvor als Leistungsabfall und die Besuche im Laden der Grossmutter galt, als neue Qualität entdeckt: Ensor griff entsetzten mich, ganz schillernd vor auf Bildfindungen aus seinem Werk zurück, Muschelreflexen, prächtigen Spitzen, merk- schuf Variationen, setzte sich mit der Kunst- würdigen ausgestopften Tieren und schreck- geschichte auseinander, öffnete sich der lichen Waffen von Wilden.» Unter den Musik, komponierte sogar ein eigenes Ballett Absonderlichkeiten fanden sich Masken aus und schrieb. Vom derben satirischen Kom- verschiedenen Kulturen, auch Tand aus mentar der Zeitläufte bis zu einem kaum Japan und China, die seit den 1860er Jahren entschlüsselbaren Symbolismus bespielte er in grossem Stil importiert wurden. Ensor die ganze Klaviatur von Ausdrucksmöglich- arbeitete lange Zeit in den Läden seiner keiten. Vom privaten Notschrei bis zur Ana- Der Maler als Reporter: «Badewagen, Nachmittag des 29. Juli 1876». Mutter, Grossmutter und Tante mit, bestellte lyse einer Epoche wechselte er mühelos hin

Sie macht . . . henden Materials. Aber ich will im Kompo- Monaten konnte ich erste Konzerte geben.» Neue CD, mitzuwirken: «Ich liebe es, andere Instru- nieren und Singen herausfinden, wer ich bin Grossen Einfluss übte sodann der amerikani- mente zu begleiten und in ungewohnte und wo ich stehe, auch wenn das vielleicht sche Saxofonist Steve Coleman auf Sarah Konzerte Rollen zu schlüpfen. Ich will nicht immer Fortsetzung von Seite 69 vermessen ist.» Büchi aus. «Seine Methode, mit der Über- Bandleaderin sein. Im Zusammenspiel findet Nach Indien ist Sarah Büchi nicht zuletzt lagerung verschiedener Metren die Formen Sarah Büchis CD man die eigene Sprache.» müssen sich in der Musik spiegeln, es muss deshalb gegangen, weil sie die Klangästhetik, der Melodie aufzubrechen und so das verti- «Flying Letters» Sarah Büchi komponiert und dichtet, wo sich ein dichtes Gewebe bilden. Einfach in der sie aufgewachsen war, durchbrechen kale Denken in der Musik zu überwinden», ist bei Intakt sie geht und steht. In ihrer Umhängetasche Texte über eine Akkordfolge zu legen, genügt und sich dadurch befreien wollte. Ihre Leh- fasziniert mich», sagt sie. «Er bringt die erschienen. Die hat sie alte Briefumschläge, auf die sie erste mir nicht mehr. Manchmal steht ein Satz am rerin Susanne Abbuehl hatte ihr den Floh ins Musik zum freien Fliessen. Ich habe ihn in Sängerin stellt sie Einfälle notiert. Später arbeitet sie am Kla- Anfang, manchmal auch eine Melodie oder Ohr gesetzt. «Am Anfang stand ein gewalti- Dublin in einem Workshop erlebt und durfte demnächst in der vier oder auch am Computer. Die «Flying ein rhythmisches Konzept.» ger Kulturschock», erinnert sie sich. «Aber danach einen ganzen Monat lang mit ihm in Schweiz vor: Esse Letters» hat sie akribisch genau ausgeschrie- Natürlich hat Sarah Büchi sich während dann habe ich mich in die Musik gerettet und New York studieren. Danach bin ich nach Music-Bar, Win- ben. Geprobt wurde in Irland, aufgenommen ihrer Ausbildung auch mit dem «Great Ame- mit dem Perkussionisten T. A. S. Mani sowie Ghana gereist, um beim Balafon-Musiker terthur, 20. 2., in Winterthur. «Ich habe genaue Vorstellun- rican Songbook» auseinandergesetzt. Sie mit seiner Frau, der Sängerin R. A. Ramani, Bernard Woma zu lernen – und um hautnah Gewerbehalle Lu- gen von meiner Musik», sagt die Künstlerin. bewundert die pastose Stimmfülle von Ella intensiv gearbeitet. Schon nach wenigen zu erleben, in welchem Kontext diese Musik zern, 26. 2., Bird’s «Aber mir ist auch die Balance von Kompo- Fitzgerald, die moderne Eleganz von Sarah entsteht. Aber es ist mir bewusst, dass ich an Eye, Basel, 1. 3. sition und Improvisation sehr wichtig. Von Vaughan – vor allem in ihren Aufnahmen mit den fremden Kulturen bisher nur geschnup- dieser Spannung lebt der Jazz. Allerdings kleinen Formationen –, die Phrasierung von «Mir ist die Balance pert habe. Ein Monat ist nichts. Auch andert- muss die Improvisation auf die Komposition Billie Holiday. «Gleichwohl ist das nicht von Komposition halb Jahre sind im Grunde nichts.» bezogen bleiben, so wie es Charlie Parker uns meine Welt», sagt sie. «Viele Leute denken Zum einen arbeitet Sarah Büchi an ihren gelehrt hat.» an Standards, wenn von Jazz die Rede ist, an und Improvisation eigenen Projekten. Sie versteht sich aber Die Zeit fliegt, wenn Sarah Büchi erzählt. Improvisationen über bekannte Melodien. sehr wichtig. Von auch als Teamplayerin. Es macht ihr Freude, Der Grüntee ist längst kalt, die nächste Probe Ich dagegen habe Jazz studiert, weil für mich in Bands wie Lucas Nigglis Zoom, Christy wartet. Auf ihrem Londoner Velo fährt die die eigene Kreation im Zentrum stand. dieser Spannung lebt Dorans New Bag, Ronan Guilfoyles Khanda Schweizer Sängerin beschwingt in eine ver- Nichts gegen das Neu-Interpretieren beste- der Jazz.» und Christoph Stiefels Isorhythm Orchestra heissungsvolle Zukunft. l.'' in Singen. Faszinierende Der Kunst galt ,"rrr" ar"O", ,"*J verdiente er aber als Honis-Fabrikar in St. Georgen. Zu Lebzeiten stand dt Song-Dramaturgien Autodidakt bei Publikun und Med en in hohem Ansehen. Bereits in de Eine Schublade zufinden, in die sich die 1920er-lahren nahm Wiehl Kontakl 7 Musik der SarahBuechi einordnen las- Hermann Anselment in Nürnberg un sen könnte, ist unmöglich. Die Särlge- zu Otto Dix in Dresden aui um bei il dn, die jetzt im Villinger Iazzkeller zu nen Zeichen- und Malunte[icht z erleben war, hat ihre ganz eigene Sicht nehmen. Wiehl und Dixwurden zien der Dinee und setzt die auch konse- lich gute Freunde. Sieblieben es, als Dj quent und mit eigerier Handschrift um. 1933 vor den Nationalsozialisten nac Von melancholischer Gelassenheit bis Randegg und später nach Hemmer zu expressiven Frohsinn beschreib't hofen in die innere Emisration flücl sie mit Worten, Läuten und Sounds tete. Bald begegnete Wiehl aucll Mi ihre Welt und schafft einen Klangkos- Ackermann - und wurde dessen g mos, der sichweitabvon ausgetretenen lehriger Schüler. EI lernte die Komp{ Pfaden bewegt und das Publikurn faszr- sitionslehre Adolf Hölzels kennen, d niert mitnimmt. Ackermann seit den l920er-lahren w€ Überraschende Zwischentöne, viel- terentwickelt hat. schichtige Rh''thmen und filigranes Andere Kunsteindrücke wurden ihr Zusammenspiel zeichnet das Quartett durch den Kubismus und den Kons der Luzerner Musikedn aus, die mitih- ruktivismus beschert, Begegnung€ ren 35 Jahren auf eine Fülle von Erfah- mit Ldger, Picasso, Chagall und MaxBi rungen zurückblicken kann, die sie in verstärkten wiehls Suche nach einer ihre Musik einbettet, Das indische Ban- eigenen Ausdruck und einer eigene galore oder das sangesfreudige Irland Bildauffassung. In den 1950er-Jahr€ sind nur eigene der Stationen, in denen - wiehl stellte bereits erfolgreich au sie sich ihre Impulse holte. u.a. bei der ,,Villinger Weltschau" (I94t Die sensiblen Klangbilder der Sän- im Badischen Kunstverein Karlsrul gerin können wohl nur gemeinsam mit (1958) - war er aufReisen in Italien un diesen Mitmusikern entstehen. Dazu Südfrankreich. Unzählige Bilder dt gehören der teinfühlige Pianist Stefan kumentieren diese Bewegungslust, Il Aebi und Bassist Andrd Pousaz, aber Tessir! in Pads und Zürich war er stetl auch Drummer Lionel Fdedli, der mit Gast, aber auch in der Hegau- und Bt perkussivem Feingefühl die malvolltö- denseeregion, Wiehl bewegte sich kon nigen, mal lyrischen Vokalisen unter- fortabel durch Europa, Der Fabrikax legt. nicht nur ein Augen- sondern auch ei Auch wenn bei diesem sehr eigen- Genussmensch, fuhr einen ,,dickeI ständigen Iazz durchaus intensives Zu- Benz. Im MAC Museum werden pa hören gefragt ist, nimmt Sarah Buechi allel zur Wiehl-Ausstellung Automob mit ihren Song-Dramaturgien das Pu- le ausgestellt, allerdings überwieger blikum im Villinger Jazzkeller spielend der Marke Iaguar. Auch nicht schlech gefangen. (fsc) Die Sinsulalität des werkes vo

It NOIDTI Ul Sti m m u ngsvol les Wei h nächt:

Nils Landgren gastiert bereits zum o. rldlrrzJlrurir ra!udr, 10. Mal im Franziskaner Konzert haus und feiert dort erneut ..Weih- Philipp Mariani nachten mit meinen Freunden"

Er fühle sich wohl inVillingen, sagtNils Vizemeister Landsren seinem Publikum, Das darf man ihm getrost abnehmen: Er sei an Gewichtheben: Die Eisenbacher Ge- diesem schönen, vorweihnachtlichen wichtheber waren mit z\^,'ei lrreendli Abend bereits das zehnte Mal zu Gast Sarah Buechi zu Gast im Jazzkeller

Südkurier Villingen, 29.11.2016

Die Sängerin zählt zu den interessantesten Jazzstimmen in Europa. Sie hat schon in Welt-Metropolen wie New York und London gespielt - nun kommt sie nach Villingen.

Sarah Buechi ist eine der interessantesten europäischen Sängerinnen. Sie gastiert am Samstagabend mit ihrem Quartett im Villinger Jazzkeller. Sie kommt am Samstag, 3. Dezember, mit ihrem Quartett in den Villinger Jazzkeller. Indien, New York und London sind einige der Stationen in ihrem musikalischen Werdegang. Buechis facetten- und farbenreiche Stimme und ihre Songs entziehen sich der Kategorisierung. Sie studierte bei Lauren Newton und Susanne Abbühl, hat sich mit Steve Coleman auseinandergesetzt, war eineinhalb Jahre in Indien. All ihre Erfahrungen bilden das Fundament ihrer feinen Musik, ihrer klangvollen Forschungsarbeit. Beeindruckend, wie sie nuancenreich zwischen Brust- und Kopfstimme changiert, langgezogene, überlagerte Sequenzen, schnelle Rhythmen, Text und Melodie verbindet und die einzelnen Stimmen des Quartetts zur gemeinsamen Sprache verschmelzen lässt. Dazu hat sie absolut passende Partner: Stefan Aeby (Piano), André Pousaz (Bass)und Lionel Friedli (Drums) spielen auf technisch hohem Niveau und äußerst sensibel. Das Konzert im Jazzkeller, Webergasse 5, beginnt um 21 Uhr, der Eintritt kostet 14 Euro.

46 | Fachhochschul-Absolventen handelszeit ung |Nr. 21 | 21.Mai 2015

SarahBuechi (33)

Tätigkeit: Jazzmusikerin (Gesang und Komposition) Arbeitgeber: Konzerttätigkeit im in- und ausland; Unterrichtstätigkeit in Zürich Aus- und Weiterbildung: Bachelor of arts (Ba) in Music – Vertiefung Jazz vokal, institut fürJazz und Volksmusik, Hochschule Luzern, FH Zentralschweiz; Masterofarts (Ma)in Music – Jazz-Performancemit auszeichnung sowie Jazz-Pädagogik mit auszeichnung, institut fürJazz und Volksmusik, Hochschule Luzern, FH Zentralschweiz; verschiedene Studienaufenthalte, unteranderem in Bangalore, NewYork und Kopenhagen

Darum FH ... «Natürlich sickert alles, wasich lerne, in meine musikalische Persönlichkeit. Die Jazzschuleder Hochschule Luzern iststilistisch sehr offen.» xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Gegenstand! SarahBuechis wichtigsterGegenstand als

oLLari Jazzsängerin warund istdas Mikrofon. aP Lind Musikfürden Rest ihresDaseins Sarah Buechi Die 33-Jährige studierteJazzgesang an der Hochschule Luzern und führt heuteein bewegtes Berufsleben. aNzeige MirJaMOertLi dem Studium noch fürein weiteres halbes Jahr nach Bangalore ging. «Natürlich er an Jazz denkt,be- sickert alles, wasich lerne,inmeine musi- wegt sichgedanklich kalischePersönlichkeit», sagt Buechi. wohl eher in NewOr- Aber die Einflüsseseien subtiler gewor- leans oder Chicagoals den. Siehat einen ganz eigenen Stil ent- im südindischen Ban- wickelt,nichtzuvergleichenmit klassi- galore. Doch genau dortzog es die Jazz- schem Jazz.Eher isteseine moderne, muWsikerinSarah Buechi hin, um an ihrer avantgardistische Ausprägung. Denn: Ihre Gesangstechnik zu feilen. «Südindische Musik, so Buechi, müssenichtallen gefal- Musikund Jazz habenmehr gemeinsam, len. Lieber wolle sie die Leute zum Nach- als mandenkt»,sagtdie Luzernerin. So denken anregen und dazu inspirieren, seien Rhythmus und Improvisation bei Dinge zu hinterfragen. Dies tuesie selbst beiden zentrale Bestandteile. pausenlos. Eine Offenheit fürdas Andersartige, In Indien hat Buechi viel über kulturelle aber auch fürdas Reisen ziehtsich wieein Prägung gelerntund erlebt,wie es ist, mit roter Faden durch das Lebenvon Buechi. eigenen Wahrheiten alleine dazustehen – Aufgewachsen in einer musikalischen überstimmtvon einer ganzen Kultur. «Das Familie – die Mutter istChorleiterin und warernüchternd», sagt Buechi. Dochdie Organistin, der Vater Klavierlehrer,Chor- Auseinandersetzungmit Kulturen, Reli- leiter und Komponist – kamsie zunächst gionen und Philosophie inspiriertsie mit Klassik in Berührung. Als Teenager musikalisch. merkteBuechijedochbald, dasssie sich mehr zu rhythmischer Musikhingezogen Auftritte und Unterricht fühlte – zu Pop, Rock und eben Jazz. Dass sieihren Stil so frei entwickeln Auch begann sie selbstzukomponie- konnte,hält sie nichtzuletzt dem Studium renund schriebals Maturitätsarbeit am zugute: «Die Jazzschule der Hochschule Gymnasium in Glarus ein eigenes Luzern iststilistischsehroffen.» Auch die Musicaltheater. «Ichhatte dabeisoviel Vernetzung, diedie Ausbildungmit sich Spass, dassich Tagund Nachtdaran arbei- brachte, siehtsie als Vorteil. So ergaben tete.»EineBewerbung an der sich musikalische Aufträge Jazzschuleder Hochschule Südindische oft durch Kontakte,die sie Luzern lagalsonahe.Dort vorOrt geknüpft hatte. absolvierte sie ein Bachelor- Musik und Jazz Seit dem Abschlussist StudiuminSchulmusik mit haben mehr ihr Lebenslaufeine bunte HauptfachJazzgesangund gemeinsam, als Mischung ausLändern, Pro- belegte danach die Master- jekten undteilzeitlichen StudiengängeinPädagogik man denkt. Festanstellungen:Neben und Performance.ImMittel- Auftrittenals freischaffende punktdes Jazzstudiums in Luzern steht Musikerinmit ihrer Band «FlyingLetters» die Förderungder eigenen musikalischen oder in Formationen mit anderen Künst- Sprache.Dazubrauchtesauchtheoreti- lern unterrichtete Buechi Jazzgesang am sches und musikgeschichtliches Wissen. NewparkMusic Center in Dublin. Dazwi- Dieseverschiedenen Komponentenfügen schen zogessie fürStudienaufenthalte sichsorgfältigausgewogen zusammen. nach NewYork, nach Paris, ja garnach Ghana. Inzwischen lebt sie der Liebewe- Ihr ganzeigener Stil geninLondon, machteinen Diplomkurs Es warimRahmen desStudiums,dass in kompletter Gesangstechnik in Kopen- sie den klassischen südindischen Gesang hagen, jettet zu Auftritten und Familien- kennenlernte.Buechi warfasziniertund besuchen in die Schweiz und arbeitet an beschloss,nachBangalorezureisen,wo ihrem dritten Album «FlyingLetters – Re- sie ein Jahr langbeim Musikerpaar Rama- connect». Dieses wird im Herbst beim mani und T.A.S. Mani Unterrichtnahm. Label IntaktRecords erscheinen. Eine ArtKulturschock. Dieser bezogsich Die Schweiz istals Arbeitsortzudem aber nichtnur aufLand und Leute,son- zentraler geworden, weil Buechi soeben dern auch aufdie Musik. «Ichmusstebei eine Stelleals Gesangsdozentin am Mu- null anfangen. Die ersten Wochen sass sikschuleKonservatoriumZürich (MKZ) ich gemeinsam mit kleinen Kindern im angenommen hat. Hier istsie auch verant- Unterricht.»Dochdurch ihreVorbildung wortlichfürden AufbaueinesJazz-Pop- konnte sieschnellaufbauen und gabnach Rock-Chors. Neben demUnterrichten wenigenMonaten ihreersten Konzerte arbeitet sie weiterhin als freischaffende in Indien. Musikerin. «Es ist fürmichmotivierend, Zurück in der Schweiz, schloss Buechi Erfahrungenweiterzugeben, die ich auf ihr Studium an der Hochschule Luzern ab. der Bühne sammle.» DasJahr in Indien wurde ihr angerechnet. Fürihreberufliche Zukunft hat Buechi Kein Wunder,lachtsie,seien ihreAb- lediglich einenWunsch:Dasssie Musik schlussarbeiten untereinem indischen machen kann fürden Rest ihres Daseins. Stern gestanden. Wasauchfürihr erstes Berühmtzuwerden, interessiere sienicht. Album «THALi» gelte. Es reiche ihr,wenn siegenug Publikum Heute hört manden indischen Touch finde,umihreProjekteumzusetzenund nichtmehr direkt, obwohl Buechi nach dabeisichselbstbleiben zu können. ABSOLVENTIN

indische Musik vertiefte. «Es war auch in «Joplins Stimme Bezug auf die Musik ein Kulturschock: Ich besuchte anfangs denselben Unter- richt wie die Kinder», sagt sie und lacht. war ein Weckruf» Ihr erstes Album (2010) war denn auch Machen Sie Ihren Weg stark von indischer Rhythmik und Me- lodik beeinflusst. Sarah Buechi zählt zu den vielversprechendsten jungen Unterdessen hat Sarah Buechi in New Jazzsängerinnen der Schweiz. Die Basis für ihre Karriere York und Dublin gelebt und eine dreijäh- rige Zusatzausbildung in Kopenhagen legte sie an der Hochschule Luzern. abgeschlossen. Beim Saxofonisten Steve Coleman in New York, einem «wunder- baren Musiker und Lehrer», lernte sie die Schon als Mädchen war Sarah Ihre Stimme wurde von der Kritik als «un- Methode der Überlagerung verschiedener Buechi klar: Sie will Musik machen. Als verwechselbar» gelobt, ihr zweites Album Metren – und reiste danach nach Ghana, Fünfjährige spielte sie bereits Violine und «Flying Letters» als «Sensation» gefeiert: um nach den Wurzeln dieser Musik zu Klavier. Sie ist mit Klassik aufgewachsen, Die hochbegabte Sängerin verbinde Jazz suchen. «Andere Kulturen, Reisen, Litera- gefördert von ihren Eltern: er Klavierleh- mit modernem Songwriting. Mit her- tur, zeitgenössische elektronische Musik – rer und Komponist, sie Lehrerin und Orga- kömmlichem Jazz und dem Improvisie- mich inspiriert alles Mögliche.» Fliegt ihr nistin, beide Chorleiter. Doch nicht Klassik ren über bekannten Melodien kann Sarah eine Liedzeile oder eine Melodie zu, wird sollte es sein, sondern Jazz. «Janis Joplins Buechi jedoch nichts anfangen: «Im Zent- sie auf einem Stück Papier, das sie gerade Stimme war eine Art Weckruf», erinnert rum steht meine eigene Musik.» Die Basis zur Hand hat, notiert. sich die junge Frau mit den hellen, wachen dafür hat sie sich während ihres Jazzge- Aus der herkömmlichen Musik ausbre- Augen. «Sie hat sich erlaubt, die Möglich- sangstudiums an der Hochschule Luzern chen und neue Wege beschreiten – das ist keiten ihrer Stimme auszuloten.» Auf der erarbeitet. Ihre Gesangslehrerinnen, Su- Sarah Buechis Anspruch. Sie ist sich be- Terrasse des World Café im Kultur- und sanne Abbuehl und Lauren Newton, hät- wusst, dass das Publikum so viel Experi- Kongresszentrum Luzern ist es lärmig, ten sie stark geprägt. Dennoch musste mentierlust nicht immer goutieren kann. doch das scheint die 33-Jährige nicht zu sie ihren eigenen Weg gehen, ihren eige- «Aber dieses Risiko muss ich in Kauf neh- stören. Sie wirkt lebhaft, spricht schnell nen Stil finden. Inspiration fand sie u.a. men.» Ihr Blick erlaubt keine Zweifel: Die- und doch überlegt. in Südindien, wo sie sich in die klassische ser Künstlerin ist es ernst. Tatjana Stocker

Zur Person Sarah Buechi, Jahrgang 1981, ist in Luzern aufgewachsen, hat in Glarus das Gymnasium besucht und an der Hochschule Luzern Jazzgesang studiert. 2007 schloss sie ihr Stu­ dium (Master in Jazz Performance / Master in Jazz Pädagogik) mit zwei Auszeichnungen ab. Im indischen Bangalore studierte sie eineinhalb Jahre lang indische Musik. Sie unter­ richtet an der Musikschule Konser­ vatorium Zürich und tritt international in verschiedenen Formationen auf. Entdeckungsfreudig? Im Herbst erscheint ihr drittes Album, «Shadow Garden» (Intakt Records). Machen Sie eine Weiterbildung. www.hslu.ch/entdeckungsfreudig Sie lebt mit ihrem Mann, einem irischen Maler, in Luzern und London.

Foto: LindaFoto: Polleri Architektur, Gebäude und Bau Informatik und Wirtschaftsinformatik Soziales Banking, Finance und Controlling Kommunikation und Marketing Stadt- und Regionalentwicklung Design, Kunst, Musik und Kultur Management und Leadership Technik und Engineering 50 Hochschule Luzern 3 | 2015 Gesundheit Recht und Wirtschaftskriminalistik Tourismus undHochschule Mobilität Luzern 3 | 2015 51

150825_hslu_ins_wb_200x273_entd_hslu_magazin.indd 1 25.08.15 10:53 HÖRBAR Denn kein Komponist hat die Essenz des brasiliani­ verfolgt und verfeinert. Mit anderen Worten: Die sich ab mit schrägen, zappaesken Bläserattacken. schen Lebens und Liebens so virtuos und elegant Musik auf ”Crossways” ist eine überaus sinnliche, 15 Musiker hat Jono um sich versammelt, um diese auf den Punkt gebracht wie "Tom" Jobim, so viel sei zwischen fröhlicher Heiterkeit und verschatteter unberechenbare, höchst abwechslungsreiche CD wohl unbestritten. Die elf ausgewählten Songs ge­ Melancholie changierende Ode ans Leben. Dabei aufzunehmen. Einziger Wermutstropfen: Der ganze hören zu Jobims weniger bekannten, vielleicht mit steht nicht immer fest, wo jetzt genau der Jazz auf­ Zauber dauert leider nur 35 Minuten. Gino Ferlin Ausnahme von "Dindi" und "Chovendo na Roseira" hört und die imaginierte, mediterran angehauchte mit der unverkennbaren Joyce. Pianist Helio Alves Folklore beginnt. Letztlich ist dies auch nicht erheb­ lebt seit den 1980er-Jahren in New York und legt lich. Die prägenden Einzelstimmen auf dieser CD auf "Captain Bacardi" elegante synkopische Piano­ sind Luciano Biondinis Akkordeon und John Ruoc­ Jazz'n'more-tipp einsätze hinter den Frontmann Allen. Die Chemie cos Klarinette. Georg Modestin stimmt hier vom ersten Ton weg und man fühlt sich in die 1960er-Jahre zurückgeworfen. Ein wunder­ bares Album. Phil Stöckli

The Roger Cicero Jazz Experience Roger Cicero (voc), Maik Schott (p), Hervé Jeanne (b), Matthias Meusel (dr) Sarah Buechi Clare Fischer (wavemusic) Shadow Garden Out Of The Blue Sarah Buechi (voc), Stefan Aeby (p), André Pousaz (b), Clare Fischer (p), Brent Fischer (b, perc), Peter Erskine (dr), Lionel Friedli (dr) Mike Shapiro (dr) Cicero sings Sinatra (Intakt 259/intaktrec.ch) (Clavo Records CR201509/clarefischer.com) Live in Hamburg Roger Cicero (voc), Big Band (Sony Music) Sarah Buechi/Christoph Haberer Clare Fischer ist kein Name, der den Jazzfreund Animata aufspringen liesse. Dies spricht aber nicht gegen Sarah Buechi (voc), Christoph Haberer (dr, perc, electronics) den 2012 im Alter von dreiundachtzig Jahren ver­ Mit Roger Cicero ist Swing mit deutschen Texten (JazzHausMusik JMH 234/jazzhausmusik.de) storbenen Pianisten, Komponisten, Arrangeur und seit einem Jahrzehnt hoffähig geworden. Die bei­ Bandleader, sondern für die Breite der Szene bzw. den neuen Alben des Hamburger Sängers, Sohn für den Umstand, dass es nebst den Musikern mit des berühmten Mainstream-Pianisten Eugen Cice­ Die Vokalistin führt ihre Arbeit mit der phantasti­ Starstatus einen soliden und kompetenten Unter­ ro, sprechen allerdings eine etwas andere Sprache. schen, sensiblen und perfekt auf sie eingestellten bau gibt, der meist nur regional von sich hören Sein siebtes Album ist sein jazzigstes seit Langem, Rhythmusgruppe weiter: Stefan Aeby und André macht. Fischer war ein vielgefragter Mann, der sich erinnert es doch an seine musikalischen Wurzeln. Pousaz bewiesen auch schon bei Lisette Spinnler, in vielen Spielrichtungen auskannte, was jedoch Unterstützt von einem Trio bewegt sich der Sänger wie fein sie Fäden aufnehmen, weiterspinnen und dazu beigetragen haben mag, dass er nicht mit ei­ stilsicher innerhalb der zahlreichen Popsongs von selbst Akzente setzen können, und Lionel Friedli fiel nem bestimmten künstlerischen Profil assoziiert Paul Simon, Nick Drake, den Beatles oder Tom Waits, schon vor Jahren im wunderbar queren Trio Vera wird. Aus Fischers Nachlass hat sein Sohn Brent ein die er selbst neu arrangierte. Diese seine ”Lieb­ Kappelers als eigenständiger und vifer Drummer neues Album herausgebracht, das seinen Vater im lingslieder” betrachtet Cicero als jazztauglich. ”Die auf. So erhält Buechi grösstmöglichen Support. Trioformat dokumentiert. Leider sind die Aufnah­ meisten”, bekennt er, ”sind sehr, sehr weit vom Ihre Mitmusiker wissen in jedem Moment, was ge­ medaten nicht angegeben – ein diskographischer Jazz.” Bei aller Jazzaffinität kann Roger Cicero vom schieht, wir hören ein sehr transparentes Quartett, Schönheitsfehler, der das Interesse an der Musik Pop nicht lassen. das in sich stimmt und Jazz in seiner Breite auslo­ aber nicht schmälern soll. Clare Fischer war kein Mit dem anderen neuen Album, Ciceros erstem live ten kann – bis hin zum traurigen, in Moll gehaltenen Visionär, hingegen besass er ein feines melodi­ eingespielten, verhält es sich im Grunde nicht an­ uralten Guggisberglied. sches Flair, das ihm auch in seiner Arbeit als Kom­ ders. Der Mitschnitt von zwei Konzerten in Ham­ Es ist eine ”atemraubend ruhige” Platte: Songs, die ponist und Arrangeur zugute kam. Sein Thema zu burg ist satter Big-Band-Jazz, wenn man die Mess­ auch in schnellen Rhythmen Mitte haben und Dring­ ”Love’s Walk”, mit dem das Album eröffnet wird, latte nicht allzu hoch legt. ”Cicero sings Sinatra” ist lichkeit, Lieder, die sein müssen, eine Musik voller hat Standard-Qualitäten, ebenso die verschattete eine Hommage an einen der grössten Sänger zwi­ Leidenschaft, leicht und tief, mit all ihren Überla­ Komposition ”49”. Daneben erweist sich der Pia­- schen Pop und Jazz. ”Für mich war Frank Sinatra gerungen wirkt sie unmittelbar und spontan. Bue­ nist auch als einfühlsamer Interpret fremder Titel, einer der aussergewöhnlichsten Interpreten und chis Stimme trägt in jedem Augenblick, vom Hau­ so beim Medley ”When You Wish Upon A Star” – Künstler”, liess Cicero verlauten. So singt er seine chen und Hecheln bis zum langgezogenen Ton, im ”Someday My Prince Will Come”. Georg Modestin Song-Klassiker wie ”Come fly with me”, ”I've got Wechsel von Brust- und Kopfstimme. Sie hat von you under my skin” oder ”Mack the Knife” nah am Lauren Newton und Susanne Abbuehl, von Steve Original, mit Ausnahme von ”Fly me to the moon”, Coleman gelernt. New York, Bangalore und Accra, das er übersetzte (”schiess mich doch zum Mond”). Dublin und Kopenhagen sind zentrale Stationen ih­ Die witzig moderierten Lieder werden teilweise im res Werdegangs. Ihr Interesse reicht weit über die Duett gesungen mit Yvonne Catterfeld, Sasha und Musik hinaus – Philosophie, Religionen, Wissen­ Xavier Naidoo. Drei Studio-Titel mit Paul Anka und schaft, Geschichte, das Menschsein in einem ganz­ Viktoria Tolstoy sind als Bonus-Tracks gedacht. heitlichen Sinn – und spiegelt sich in ihren Texten. Reiner Kobe Die Neugier ist ein Motor ihrer Musik, der Ursprung dafür, sich forschend auf etwas einzulassen, auch Myriam Alter wenn es zuerst abschreckt. Wenn Buechi ”let me try Crossways to step out of my comfort zone” singt, ist dies kei- Myriam Alter (comp), Luciano Biondini (acc), Melody Of A Muddled Mason ne Floskel, sondern gehört zum Kern ihrer Musik. John Ruocco (cl), Michel Massot (tu, tb), Michel Bisceglia (p), Jono El Grande (g, voc, perc, p, arr), Erik Lokra (as, ts, bs, fl), Sie ist bereit, ein Wagnis einzu­gehen, ohne die Si­ Nic Thys (b), Lander Gyselinck (dr) Torgeir Koppang (el-p), Eivind Henjum (b), Terje Engen (dr) u. a. cherheit des Gelingens: hinausgehen, ausprobie­ (Enja ENJ-9626 2/MV) (Rune Grammofon RCD 2175/Cargo Records) ren, sich einlassen, riskieren. So lebt sie ihre Musik. Auch der Drummer Christoph Haberer, 1951 in Donaueschingen geboren, der ein ansehnliches el­ Die aus einer sephardischen Familie stammende Wieder einmal Norwegen, wieder einmal das Rune ektronisches Equipment in seine Perkussion integ­ Myriam Alter hat einen höchst untypischen Lebens­ Grammofon Label und wieder einmal Spitzenklas­ riert, ist ein Weltreisender in Sachen Musik und ”als lauf – zumindest, wenn es um ihre Tätigkeit als se. Jono El Grande (Jon Andreas Hatun) nennt sich wacher Geist schätzt er die Stringenz der Struk­- Musikerin geht. Tatsächlich ist sie eine Spätberufe­ selber Komponist, Musiker, Komiker und Maler. Als tur" (Hentz). Mit Buechi verbinden ihn Indien und ne. Zwar hat sie schon früh Pianostunden erhalten, seine Einflüsse bezeichnet er u. a. Stravinsky, Mag­ Experimentierfreude. Er arbeitete mit Ramesh Sho­ im Alter von fünfzehn Jahren war aber Schluss da­ ma und . Aber ganz klar an erster tham und Trilok Gurtu, die Sängerin studierte ein­ mit und sie studierte in Brüssel Psychologie. Erst Stelle steht . Viele seiner Vorbilder hört einhalb Jahre in Indien. ”Animata” ist aus einem mit sechsunddreissig Jahren kehrte sie zu ihrem man auf dieser seiner sechsten CD deutlich raus. Auftragswerk Haberers für ein Quartett hervorge­ Instrument zurück und entdeckte ihre Begabung Aber Zappa ist allgegenwärtig. Schon beim Titel­ gangen und eine klar strukturierte Musik mit Im­ fürs Komponieren. Dabei ist sie geblieben: Sie hat stück "Melody Of A Muddled Mason", mit einem provisationsraum. Im Duo bildet Buechis vielfarbige sich einen Namen als originelle Jazzkomponistin kuriosen Gitarrensolo von Jono, stand Zappa Pate. Stimme einen idealen, abwechslungsreichen Ge­ gemacht, die auf ihren Produktionen den Platz am Musik ohne Netz, Avantgarde, , Psychedelia genpol zum oft orchestral, aber sehr flexibel ein­ Flügel mit Vorliebe anderen überlässt. Dies ist auch und Jazz ergeben eine einzigartige Mixtur, die heu­ gesetzten Perkussionsinstrumentarium Haberers. auf ”Crossways” der Fall, einem Album, auf dem sie te schwer zu finden ist. Kammermusikalische Strei­ Eine gute Mischung. Steff Rohrbach ihren schon früher eingeschlagenen Weg weiter­ cher-Arrangements, z. B. in "Lament X", wechseln ­61 JAZZ

JNM_01_16_56-70_HB.indd 61 28.12.15 21:28