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ie Erforschung der römischen Grenzanlagen bildet traditionell einen Schwerpunkt Dder archäologischen Forschung in Deutschland. Dieses nachhaltige Interesse begründet sich zunächst darin, dass die denkmalpflegerische Betreuung des Limes seit Jahrzehnten Anlass für aktuelle Untersuchungen ist. Gleichzeitig bildeten Kastelle, 3 Wachtposten und anderen Einrichtungen an oder unmittelbar hinter der antiken Grenze einst die unmittelbare Nahtstelle zwischen den Germanen und der römischen Welt. Aus diesem Grund rührt die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Limes stets auch an der Frage, nach welchen Regeln das offenbar ja überwiegend friedliche Zusammen- leben dieser unterschiedlichen Kulturen funktioniert hat.

Der vorliegende Band enthält vierzehn Aufsätze namhafter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Ende Februar 2007 in Osterburken auf dem vierten Kolloquium der Deutschen Limeskommission zusammenkamen. Ihr Untersuchungsgebiet reichte dabei Neue Forschungen vom Niederrhein bis nach Oberbayern, und das Spektrum der diskutierten Themen umfasste aktuelle Ausgrabungen und naturwissenschaftliche Untersuchungen ebenso

wie Literaturstudien oder die kritische Überprüfung alter Forschungsergebnisse. Neue Forschungen am Limes am Limes

BEITRÄGE ZUM WELTERBE LIMES 3 BEITRÄGE ZUM WELTERBE LIMES

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Deutsche Limeskommission · Bad Homburg v. d. H.

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Andreas Thiel (Hrsg.) Neue Forschungen am Limes

BEITRÄGE ZUM WELTERBE LIMES

Band 3 4. Fachkolloquium der Deutschen Limeskommission 27. / 28. Februar 2007 in Osterburken

2008 Kommissionsverlag · Konrad Theiss Verlag · 001-007 Limes_Bd3_Titelei_korr_JU:001-007 Limes_Bd_1_Titelei 17.08.2008 15:40 Uhr Seite 4

Herausgeber: Deutsche Limeskommission · Saalburg 1 · 61350 Bad Homburg v. d. H.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Gestaltung, Satz und Herstellung red.sign GbR, Stuttgart: Anette Vogt (Projektleitung), Gerhard Junker

Fotos Umschlag Kastell Böhming: Kipfenberg-Böhming (Baden-Württemberg); Luftbild: Otto Braasch, Magnetogramm: Jörg Fassbinder Drachenkopf: bronzenes Feldzeichen in Form eines Drachenkopfes aus Neuwied-Niederbieber, Generaldirektion Kulturelles Erbe – Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Koblenz

© Deutsche Limeskommission, Bad Homburg v. d. H. 2008 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ohne ausdrückliche Genehmigung der Deutschen Limeskommission ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in fremde Sprachen, Mikrover filmungen sowie Verarbeitung und Verbreitung unter Verwendung elektronischer Systeme.

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ISBN 978-3-8062-2251-7 001-007 Limes_Bd3_Titelei_korr_JU:001-007 Limes_Bd_1_Titelei 17.08.2008 15:40 Uhr Seite 5

VORWORT

Das zweitägige Kolloquium am 27. und 28. Februar 2007 in Osterburken war nach den gut besuchten Veranstaltungen im Dezember 2000 in Frankfurt a. M., im November 2001 in Lich-Arnsburg und im Februar 2005 in Weißenburg i. Bay. bereits die vierte wissenschaftliche Fachtagung zum Welterbe Limes. Fanden die beiden ersten Kolloquien in Frankfurt und Arnsburg noch im Namen der gemeinsamen Arbeitsgruppe der vier Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz zur Vorbereitung des Welterbe- Antrags statt, so konnte zur Tagung in Weißenburg bereits die im Juni 2003 gegründete Deutsche Limes kommission einladen. Mittlerweile, so darf man sicher sagen, hat sich sowohl die Einrichtung der Kommission bewährt als auch der von ihr organisierte wissenschaftliche Austausch in Form solch kleiner nationaler Limeskolloquien.

Nicht ohne Grund bilden die ausgedehnten Reste der einstigen römischen Grenzanlagen traditionell einen Schwerpunkt der archäologischen Forschung in Deutschland. Dieses nachhaltige Interesse begründet sich zunächst darin, dass die denkmalpflegerische Betreuung des Limes seit Jahrzehnten Anlass für aktuelle Untersuchungen ist. Gleichzeitig bildeten Kastelle, Wachposten und andere Ein- richtungen an oder unmittelbar hinter der antiken Grenze einst die unmittelbare Nahtstelle zwischen den Germanen und der römischen Welt. Aus diesem Grund rührt die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Limes stets auch an der Frage, nach welchen Regeln das offenbar ja überwiegend friedliche Zusammenleben dieser unterschiedlichen Kulturen funktioniert hat. Ohne dass diesmal ein Themenschwerpunkt vorgegeben war, folgten erfreulicherweise wiederum knapp fünfzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Einladung in das Römermuseum Osterburken, um über die Ergebnisse aktueller Forschungen am Limes zu diskutieren. Da sich die verschiedenen Arbeiten im Rahmen des Welterbe-Projekts mittlerweile auch auf die „nassen“ Flussgrenzen ausgedehnt haben, beschäftigten sich am ersten Tag gleich vier Vorträge mit dem Rheinlimes in Niedergermanien. Neben aktuellen Ausgrabungen wurden in den dreizehn Vorträgen des zweiten Tages auch die immer wieder überraschenden Ergebnisse der „sanften“ Archäologie in Form geophysikalischer Untersuchungen vorgestellt. Es steht zu hoffen, dass es in den kommenden Jahren gelingen wird, alle Limesanlagen mithilfe naturwissenschaftlicher Prospektionsverfahren flächendeckend zu untersuchen. Dass die Erforschung des Limes dank des Welterbes tatsächlich eine neue Stufe erreicht hat und nicht mehr Zufälligkeiten bestimmen, wo und was ausgegraben wird, wird sicherlich auch dadurch deutlich, dass bei den in Osterburken gehaltenen Vorträgen auch die kritische Überprüfung alter Forschungsergeb- nisse nicht zu kurz kam. Auch dieser Punkt wird ein wesentliches Element für die anstehenden Arbeiten an einem Forschungskonzept zum Obergermanisch-Raetischen Limes bilden.

Ich möchte abschließend im Namen der Deutschen Limeskommission den vierzehn Autorinnen und Autoren sehr herzlich dafür danken, dass sie ihre Aufsätze für den Druck in der Reihe „Beiträge zum Welterbe Limes“ zur Verfügung gestellt haben. Dem Redaktionsbüro red.sign, Stuttgart, danke ich für die kompetente Beratung und wiederum gute Zusammenarbeit bei der Redaktion der Beiträge sowie für die insgesamt gelungene Herstellung des Bandes.

Esslingen im Juli 2008 Dr. Andreas Thiel 001-007 Limes_Bd3_Titelei_korr_JU:001-007 Limes_Bd_1_Titelei 17.08.2008 15:40 Uhr Seite 6

INHALTSVERZEICHNIS

DAS RHEIN-LIMES-PROJEKT – WO LAG DER RHEIN ZUR RÖMERZEIT? Renate Gerlach, Thomas Becker, Jutta Meurers-Balke, Irmela Herzog Seite 8

DIE GRABUNG IM RÖMISCHEN ZIVILVICUS VON BONN AUF DEM GELÄNDE DES WCCB – EINE ERSTE ÜBERSICHT Cornelius Ulbert Seite 18

NACHGRABUNG UND KONSERVIERUNG DER TÜRME AM LIMES-WACHPOSTEN 1/8 IM RHEINBROHLER WALD Cliff Jost Seite 30

EIN INSCHRIFTENFRAGMENT VOM WACHTURM 1/8 BEI RHEINBROHL. ZUR „INSCHRIFTENAUSSTATTUNG“ DER WACHTÜRME AM OBERGERMANISCH-RAETISCHEN LIMES Thomas Becker Seite 42

GEOPHYSIKALISCHE PROSPEKTION AM LIMES IN HESSEN Egon Schallmayer Seite 58

COHORTES TREVERORUM AM TAUNUSLIMES? ZUR BESATZUNG DER KASTELLE ZUGMANTEL UND HOLZHAUSEN Marcus Reuter Seite 82

BEMERKUNGEN ZUR LIMESPALISADE Dietwulf Baatz Seite 92 001-007 Limes_Bd3_Titelei_korr_JU:001-007 Limes_Bd_1_Titelei 17.08.2008 15:40 Uhr Seite 7

DEM LIMES AUF DER SPUR. UNTERSUCHUNGEN EINES ABSCHNITTES DER STRECKE 8 SÜDLICH VON OSTERBURKEN Britta Rabold Seite 104

ZUR ZIVILEN BESIEDLUNG ZWISCHEN DEN LIMITES IM NECKAR-ODENWALD-KREIS Anita Gaubatz-Sattler Seite 110

DAS WELZHEIMER ALENLAGER. VORBERICHT ZU DEN GRABUNGEN IM WESTKASTELL 2005/2006 Klaus Kortüm Seite 122

DAS BILD DES KAISERS AN DER GRENZE – EIN NEUES GROSSBRONZENFRAGMENT VOM RAETISCHEN LIMES Martin Kemkes Seite 140

NEUE ERGEBNISSE DER GEOPHYSIKALISCHEN PROSPEKTION AM OBERGERMANISCH-RAETISCHEN LIMES Jörg Fassbinder Seite 154

ARCHÄOLOGIE IM KARPFENTEICH. NEUES AUS DEM RÖMISCHEN VICUS VON DAMBACH Wolfgang Czysz Seite 172

NEUE DENDRODATEN VON DER LIMESPALISADE IN RAETIEN Wolfgang Czysz, Franz Herzig Seite 182 008-017 Limes_Bd3_Gerlach_korr_JU 17.08.2008 15:41 Uhr Seite 8

8 NEUE FORSCHUNGEN AM LIMES 008-017 Limes_Bd3_Gerlach_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 9

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DAS RHEIN-LIMES-PROJEKT – WO LAG DER RHEIN ZUR RÖMERZEIT? Von Renate Gerlach, Thomas Becker, Jutta Meurers-Balke, Irmela Herzog

m Arbeitsgebiet des Rheinischen Amtes für IBodendenkmalpflege, zwischen dem Bonner Raum im Süden und der Grenze zu den Nieder- landen bei Emmerich im Norden, liegt ein mindestens 224 km langer Abschnitt (heutige Rheinkilometer 640 bis 864) der ehemaligen römischen Reichsgrenze entlang des Flusses. Aber weder ist deren konkreter Verlauf bekannt, noch kennt man, bis auf wenige Ausnah- men, die bei anderen Flussgrenzen nachweis- baren, unmittelbaren Sicherungsanlagen, wie beispielsweise eine lückenlose Wachturm- kette. Während bei einem Land-Limes die Grenzsicherungselemente wie Palisade, Gra- ben oder Mauer als mehr oder minder gut im Boden erhaltene Relikte auf weiter Strecke eine metergenaue Rekonstruktion des Grenz- verlaufs zulassen, sieht das völlig anders bei einer Flussgrenze aus, die sich zunächst dem Wechsel der Flussbetten anpassen musste und dessen Anlagen dann durch die nachfol- genden Flussaktivitäten auch wieder zerstört, bzw. überdeckt werden konnten. Dieses Pro- blem teilt der rheinische Abschnitt des Limes mit den meisten anderen Flussgrenzen des Römischen Reiches, z. B. längs der Donau oder dem Euphrat, wenn die naturräumlichen Gegebenheiten eine starke Verlagerung des Flussbettes nicht verhinderten. Natürlich sind als Teil der Grenzsicherung etliche Lager auch im Rheinland bekannt: Die Legionslager in Bonn/Bonna, Köln/Ad aram Ubiorum, Neuss/Novaesium und Xanten/ Vetera I bzw. II, dazwischen kleinere Anlagen in Wesseling, Dormagen/Durnomagus, Krefeld- Gellep/Gelduba, Moers-Asberg/ Asciburgium, Kalkar-Altkalkar/Burginatium, Wesel-Bislich und Kleve-Rindern/Harenatium. Ergänzt wird das Bild durch das Flottenlager der Classis Diese liegen fast alle auf der seit dem Abb. 1 Die Rheinaue Germanica in Köln-Alteburg und einige in der Ende der letzten Kaltzeit hochwasserfreien mit holozänen Auenter- Spätantike dazukommende Anlagen in Köln- und von holozänen Flussaktivitäten unbe- rassen, Limesstraße, Deutz/Divitia, Monheim-Haus Bürgel/Burun- Lagern und Wachtür- gum? und Qualburg/Quadriburgium (Abb.1).1 1 Gechter, Grenze. men (s. auch Tabelle 2) 008-017 Limes_Bd3_Gerlach_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 10

10 NEUE FORSCHUNGEN AM LIMES

DATENPOOLS DATENBASIS ZIELE HERAUSFORDERUNGEN 1. Geo-Kartierungen 19 geologische Kartierungen Kartierung der ■ Sammeln und digitalisieren mit unterschiedlichen Maßstäben 1. potenziellen römischen ■ Verschneiden und homogenisieren und Ausschnitten Siedlungsareale der unterschiedlichen Kartierungen 2. nachrömisch zerstörten Flächen 3. römerzeitlichen Flusslaufareale 2. Archäologische 1266 Fund-Meldungen aus der ■ Exaktere Datierung der Flächen ■ Unterteilen nach Fundlage (OF, Fundstellen holozänen Rheinaue ■ Bewertung der Fundstellen Kies, Auenlehm) bzw. Auenstufe ■ Bewerten unklarer Fundplätze 3. Pollendaten ■ 154 Zähllisten aus dem Datierung der Flächen und der ■ Stratigrafische Einhängung in Archiv des GD Altrinnen (römische Rheinläufe?) die Pollenkurven am Niederrhein ■ Pollendaten aus dem Archiv ■ Datieren unvollständiger, Univ. Köln „kurzer“ Pollenprofile 4. Digitale Gelände ■ ca. 1000 Digitale Geländemodelle ■ Relative Datierung (älter/jünger) ■ Relativ-chronologische Sortierung Modelle auf DGK Basis (DGM5), 10 m Raster der Rinnengenerationen der Rinnengenerationen mit - DGM5 ■ Geländemodell 50 m Raster ■ Reliefrekonstruktion „STRATIFY“ - DGM50 ■ Fehlende exakte Datierung der Altrinnen

Tabelle 1 Aufbau des rührten Niederterrasse. Wo dies nicht der Fall zweiten Fall wurden die massiven Mauerreste Rhein-Limes-Projektes ist, wie bei Haus Bürgel und dem Lager von Vetera II bei Auskiesungsarbeiten in 7 bis Vetera II bei Xanten, haben Zufälle zu einer 10 m Tiefe inmitten der Kiese eines Rheinver- Erhaltung bzw. Entdeckung dieser Anlagen laufs aus der frühen Neuzeit gefunden.3 Bei geführt: Im ersten Fall war es ein plötzlicher der Auskrümmung dieses Mäanders von ca. spätmittelalterlicher Mäanderdurchbruch 1600 bis 1788 n. Chr.4 wurden die noch vor- (um 1374 n. Chr.) bei dem das Kleinkastell handenen Mauerreste und Fundamente Haus Bürgel zwar auf die rechte Rheinseite unterspült, stürzten in den Strom und wur- geriet, aber im Bestand erhalten blieb.2 Im den rasch bedeckt. Die Kompaktheit der Mauern und der rasche Einbettungsvorgang Abb. 2 Versuch einer haben einen Transport und damit eine Auf- Rekonstruktion des arbeitung der Ziegel verhindert. römischen Rheins von Jüngste Ausgrabungen im Rheindelta bei 1886 Utrecht belegen nun, dass eine Grenzsiche- rung durch Wachtürme auch entlang des Rheins zu rekonstruieren ist, die allerdings wohl in einem etwas größeren Abstand, etwa jeder Kilometer ein Wachturm, gestanden haben.5 Im Rheinland sind von diesen Siche- rungselementen ganze zwei Wachtürme bekannt: Der auf einer Düne stehende Turm auf dem Reckberg bei Neuss und ein Turm bei Xanten-Lüttingen, der bei Ausgrabungen im Vorfeld einer Kiesgrube im Jahr 1995 unter jüngerer Auelehmbedeckung entdeckt wurde.6 Entsprechend spärlich sind auch die Hinweise auf den Verlauf der Grenzstraße in der holozänen Rheinaue, die in vielen Abschnitten nur vermutet werden kann.7 Dies liegt aber keinesfalls nur an der Tat- sache, dass spätere Rheinverlagerungen Teile der römischen Militär- und Siedungsanlagen in der Aue hinweg gerissen bzw. mit Auen- 008-017 Limes_Bd3_Gerlach_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 11

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lehm bedeckt haben, sondern weit mehr an dem Umstand, dass wir einfach nicht wissen, wo wir innerhalb des breiten Streifens der Aue – jenem Teil des Flussgebietes, in dem sich der Rhein in den letzten Jahrtausenden immer wieder verlagert hatte – suchen sol- len. So lautet seit mehr als einem Jahrhun- dert die entscheidende Frage: Wo lag eigent- lich der römische Rhein? Es hat in der Vergangenheit nicht an Versuchen gemangelt, einen solchen römer- zeitlichen Rhein zu kartieren (Abb. 2).8 Alle diese pauschalen Versuche müssen aber als gescheitert gelten, denn, so schrieb schon Christine Hoppe 1970: „In Wirklichkeit kann es den Römerrhein gar nicht geben. Die Römer haben den Niederrhein fast vierhundert Jahre beherrscht, und das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, wie oft der unregulierte Tieflandfluss in vierhundert Jahren, etwa von 1400 bis 1800 n. Chr., seinen Lauf verlegt hat. Somit kann man nicht annehmen, dass er während der Römerherrschaft dauernd bei demselben Lauf verblieben ist. Der Begriff „Römerrhein“ ist also unsinnig, und wenn schon ein römischer Rheinlauf rekonstruiert wird, so sollte man wenigstens durch präzise Zeitangabe klarstellen, ob die Verhältnisse um 50 v. Chr. oder etwa die um 300 n. Chr. dargestellt werden sollen.“9 Auch wenn es seit dieser Feststellung von- seiten der Geowissenschaften seriöse Bemü- rung des Rhein-Limes-Projektes des Rheini- Abb. 3 Plausible Rekon- hungen gegeben hat, ist bislang erst an weni- schen Amtes für Bodendenkmalpflege. struktionen römischer gen Rheinabschnitten, so bei Dormagen10, In diesem Projekt werden geoarchäologi- Rheinläufe am Nieder- bei Duisburg11 und bei Xanten12, aufgrund sche, archäologische und archäobotanische rhein. aufwendiger geologischer Geländearbeiten Methoden und Daten kombiniert und mit- für einzelne römische Zeitabschnitte eine hilfe eines Geografischen Informationssys- plausible Rekonstruktion des Rheinverlaufs tems (GIS) zusammengeführt (Tabelle 1). Nur gelungen (Abb. 3). diese interdisziplinäre Zusammenarbeit kann Den bislang unbefriedigenden Kenntnis- hier zu Ergebnissen führen, da jede Fachrich- stand zu erweitern, ist nun die Herausforde- tung für sich methodisch scheitern muss. Grundsätzlich standen uns zwei metho- 2 Strasser, Veränderungen 23. dische Ansätze zur Verfügung: Der erste ist der 3 Petrikovits, Vetera II. 4 Hoppe, Flussverlagerungen, Abb. 26. oben bereits erwähnte „klassische“ Ansatz, 5 Graafstal, Logistiek. bei dem versucht wird, einen einzelnen römi- 6 Kraus, Wacht. 7 zum aktuellen Stand der Rekonstruktionen: Becker, Stra- schen Rheinlauf zu kartieren. Diese historische ßensystem. 8 Schneider, Handelswege, abgebildet in Hoppe, Flussverla- Methode kann nur eine Momentaufnahme gerungen. liefern. In der Regel wird ein Rheinabschnitt 9 Hoppe, Flussverlagerungen 32. 10 Strasser, Veränderungen. kartiert, der sich aufgrund einer längeren 11 Scheller, Duisburg; Hoppe, Flussverlagerungen. Ruhephase tief eingeschnitten hat und daher 12 Klostermann, Rheinstromverlagerungen. 13 Schirmer, Rheinterrassen 259 –262. bis heute im Relief sichtbar geblieben ist.13 008-017 Limes_Bd3_Gerlach_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 12

12 NEUE FORSCHUNGEN AM LIMES

am Ende aus einem Mosaik verschieden alter Flächen, die geologisch (Stratigrafie, Boden- bildung, Radiokohlenstoff-Datierung, Dendro- chronologie, Pollendatierung etc.) bzw. archäologisch (Funde auf der Oberfläche oder im umgelager ten Kies) datiert werden kön- nen (Abb. 4).14 Dadurch ist es gegenüber der Rinnenkartierung sogar möglich, einen archäologischen Mehrwert zu erzeugen, in dem, im Hinblick auf unsere Fragestellung, drei Auenflächen unterschieden werden können: Abb. 4 Der innere Auf- Seine Datierung erfolgt über die relative 1. prärömerzeitliche Auenterrassen, d. h. bau von Flussauen. „w“ Chronologie der sich überschneidenden zur Römerzeit landfestes Gebiet (potenzielle (Würm) = kaltzeitliche Altrheinrinnen und archäologischen bzw. Siedlungsstandorte, vergleichbar mit der Nie- Niederterrassen, h = historischen Daten. derterrasse), holozäne Auenterrassen. Da der Gelände- und Rechercheaufwand 2. zur Römerzeit durch einen aktiv wan- Ab den jüngeren Metall- bei dieser Herangehensweise für den gesam- dernden Fluss gebildete Bereiche (Korridor zeiten sind die holozä- ten Rheinverlauf im Arbeitsgebiet unrealis- der römerzeitlichen Rheinverläufe) und nen Terrassen über Funde tisch hoch erschien, haben wir uns dem Pro- 3. poströmische Auenterrassen, auf im Kies und Befunde an blem mit dem zweiten Ansatz über die denen zwar keine römerzeitlichen in-situ- der Oberfläche archäo- Kartierungen holozäner Auenterrassen genä- Befunde mehr zu erwarten sind, dafür aber logisch datierbar. hert. Holozäne Auenterrassen sind Landflä- Funde im Kieskörper. chen in der Aue, die sich erst dadurch bil- Für das Gebiet des Niederrheins liegen den, dass der Strom am Prallhang seiner entsprechende geologische Kartierungen vor, Tabelle 2 Charakteristika flussabwärts wandernden Mäander (Flussbo- die zunächst als Grundlage dienen konnten. der wichtigsten geolo- gen) Material aufnimmt und weiter abwärts Die wichtigsten regionalen Kartenwerke sind gischen Kartierungen in an seinem Gleithang wieder anlandet. So in Tabelle 2 charakterisiert. Aufgrund unter- der Niederrhein-Aue werden immer wieder neue Terrassenberei- schiedlicher stratigrafischer Einheiten, (ZW = Zeitenwende) che angeschüttet. So besteht der Auenraum Maßstäbe und Genauigkeiten waren erst ein-

NAME, AUTOREN MASSSTAB REGION AUENSTUFEN RÖMISCHE TERRASSE QUELLE Digitale Geologische 1:100 000 Bonn – 3 Stufen: Teil des Jungholozäns, Geländekartierung, Karte GK100, D/NL Grenze Altholozän bis 5500 v.H. nicht näher bestimmbar Literatur-, Kartenaus- Geologischer Dienst NRW Mittelholoz. 5500 v.H. –ZW wertung Jungholoz. ZW –heute Rhine-Meuse Delta, 1:100 000 NL: Rhein- 13 Stufen in 500 Jahr- 2000 –1500 yr BP Literatur-, Berendsen & Maas-Delta Abständen von 8000 yr Kartenauswertung Stouthamer 2001 bis in den BP-Heute Xantener Raum Mittlerer Niederrhein, 1:50 000 Dormagen- 7 Stufen: ho2 Terrasse: Geländekartierung Dapeng-Zhou 2000, Duisburg hu1 –2 ■ Späteisenzeit – Dissertation Univ. hm1 –2 1200 n. Chr., Düsseldorf ho1 –3 ■ vereinzelt: 0 –500 n. Chr. Rhein zw. Krefeld 1:50 000 Krefeld- 7 Stufen: JH II Terrasse: Geländekartierung u. Dinslaken, Shala 2001, Dinslaken AH 0 – 500 n. Chr. Dissertation MH I –II Univ. Düsseldorf JH I –IV Geologische Karte 1:25 000 Umgebung 7 Stufen: Reihenterrasse 4: Geländekartierung NRW, Blatt Xanten, Xanten Reihenterrasse 1 –7 0 – 5. Jh. n. Chr. Geologischer Dienst NRW 1989 008-017 Limes_Bd3_Gerlach_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 13

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mal erhebliche Anpassungsprobleme zu lösen. Daneben galt es „Verwerfungen“ zu bereini- gen, bei denen Kartiereinheiten an den Kar- tenrändern nicht in Deckung zu bringen waren. Hier half ein digitales Geländemodell (DGM) weiter, welches das Relief der Aue und der angrenzenden Gebiete mit einer Auflösung von 50 m darstellt (Abb. 6). Es ist ein Aus- schnitt aus dem beim Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen verfügbaren DGM5015, der mit dem GIS aufbereitet wurde. Eine Auf- lösung von 50 m ist ausreichend, um die divergierenden Kartiereinheiten anhand plau- sibler morphologischer Merkmale, wie Ter- rassenkanten und Altrinnen, zu korrigieren. Diese angepassten und korrigierten geo- logischen Flächen wurden mit den archäolo- gischen Fundstellendaten verschnitten, mit dem Ziel, dass sich archäologische und geo- logische Daten gegenseitig korrigieren. So ergeben archäologische Funde im Kies einen terminus postquem, d. h. einen Zeitpunkt, nach dem das entsprechende Landstück mit den Funden wieder vom Fluss aufgearbeitet wurde, während die auf der Oberfläche einer Auen- fläche liegenden Fundstellen einen terminus antequem, also einen Zeitpunkt, vor dem diese Stelle landfest gewesen sein muss, defi- nieren. Allerdings reicht für die Anwendung dieser Methodik eine bloße Kartierung von Fundpunkten nicht aus. Es muss – soweit dies (ZADAB) des Rheinischen Amtes für Boden- Abb. 6 Das durch die Fundberichte hergeben – nach drei Lage- denkmalpflege gespeichert sind. Die Gesamt- Altrheinläufe und Ter- kriterien unterschieden werden; auf der Ober- zusammenstellung umfasste 1266 Fundstel- rassenkanten geprägte fläche, im Auenlehm, bzw. im Kies. Daneben len, die für eine weitere Bewertung zu Relief des Niederrheins, bedarf es einer kritischen archäologischen sortieren waren. Vorerst unbeachtet blieben dargestellt auf der Bewertung der Funde, die ja eventuell ganze die Meldungen, die sich nach Ausweis der Grundlage des digitalen Auenterrassen umdatieren können. Hier Geologischen Karte im Bereich der seit über Geländemodells kommt einem Grabbefund ein anderes Gewicht 10 000 Jahren landfesten Niederterrasse (DGM50). zu als einer Einzelscherbe auf dem Acker. befinden. Solche Bereiche finden sich auch Die ursprüngliche Datenmenge bestand als ältere „Inseln“ inmitten der holozänen aus sämtlichen als römisch klassifizierten Rheinaue (s. Abb.1). Unter den Fundstellen Fundstellen zwischen der Limesstraße im in und auf holozänen Flussanschüttungen Westen und der Grenze der rezenten Rheinaue finden sich 379 Fundstellen, deren Charakter im Osten, wie sie im Ortsarchiv und der eindeutig einzuordnen ist und keiner weite- Z(entralen) A(rchäologischen) DA(ten)B(ank) ren Bewertung bedurfte. Dies sind Befunde wie Trümmerstellen, Baustrukturen, Gruben

14 nach Schirmer, Breaks. oder Gräber, die über Beifunde sicher in 15 http://www.lverma.nrw.de/produkte/ römische Zeit datiert werden können und landschaftsinformation/hoehenmodelle/gelaendemodelle/ dgm50/DGM50.htm. die damit auch sicher diejenigen Flächen 008-017 Limes_Bd3_Gerlach_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 14

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oberen Sediment geborgen oder im Rhein- kies eingelagert gefunden wurden. Letzteres legt eine Einlagerung des Objektes zum Zeit- punkt nahe, an dem der Fluss noch Bestand hatte. Die anderen beiden Bergungsarten set- zen dagegen eine Verlandung in dem jeweili- gen Bereich voraus, wobei die Oberflächen- funde sowohl als Fundstelle wie auch als sekundär angelagerte Funde (z. B. Bodenauf- trag, Dungschleier) gedeutet werden können. Der Charakter dieser Einzelfunde lässt sich noch durch weitere Kriterien näher ein- grenzen. Dies gelingt vor allem durch die Klassifizierung der Art und Anzahl der gebor- genen bzw. aufgelesenen Funde. Die Fundart lässt sich vor allem nach Keramikscherben, Metallfunden und Baumaterial (Ziegel, Steine, Mörtel) untergliedern. Vor allem die Anwesenheit von Baumaterial im Fundbe- stand macht es relativ wahrscheinlich, dass es sich bei einem Oberflächenfundplatz um eine römische Siedlungsstelle handelt. Aber auch Lesefunde von römischer Keramik an der Oberfläche können als Hinweis auf eine Siedlungsstelle gewertet werden, wenn sie beispielsweise in größerer Zahl, in stärkerer räumlicher Konzentration oder bei wieder- holten Begehungen eines Areals geborgen werden konnten. Größere Metallfunde stam- men dagegen vornehmlich aus dem Kies und scheinen ein gutes Indiz für einen wasserfüh- renden Flussarm zu sein, da sie meist in grö- ßerer Zahl und daher kaum im verlagerten Kontext auftreten. Danach wurden diese beiden Datenpools mithilfe eines GIS verschnitten (MapInfo) und auf Plausibilität überprüft. Abb. 5 Das Beispiel Ilve - datieren, die zu römischer Zeit nicht mehr Als Beispiel für dieses „check and richer Rheinschlinge bei im Bereich der damaligen Flussaktivitäten balance“-Verfahren sei das Gebiet bei Meer- Meerbusch-Strümp. Es lagen und die seither auch nicht mehr beein- busch, nördlich von Düsseldorf rund um den sind nur römerzeitliche trächtigt wurden. Auf diesen Flächen kann Ilvericher Rheinarm angeführt16 (Abb. 5). Fundpunkte dargestellt, nach weiteren oberflächennahen Fundstellen Für dieses Gebiet stand eine Detailkarte die auf oder in holozä- prospektiert werden. der holozänen Terrassen im Maßstab nen Ablagerungen lie- Die übrigen Meldungen sind zunächst 1:50000 zur Verfügung.17 Diese erlaubte es, gen (Erläuterungen im als Einzelfunde ohne einen Befundkontext die holozänen Terrassenflächen in die drei Text). Lage des Karten- anzusprechen. Von ihnen konnten aktuell oben erwähnten Bereiche zusammenzufas- ausschnitts s. Abb.1 und 399 einer weiteren Untersuchung unterzo- sen: vorrömische Flächen, Flächen, die zur 6 (s. auch Tabelle 2). gen werden, die prüfen sollte, ob die Funde Römerzeit aktiv durch den Fluss gestaltet auf der Oberfläche aufgesammelt, aus dem wurden und nachrömisch wieder aufgearbei- 008-017 Limes_Bd3_Gerlach_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 15

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tete Flächen. Daneben gibt es aber auch aus den untersten Verlandungssedimenten – unzureichend datierte Flächen, wie der wurden untersucht. Demnach beginnt die Bogen des Ilvericher Mäanders (s. Abb. 5). Verlandung in der Bronzezeit. Indizien dafür Ursprünglich wurde der Verlauf der sind die geschlossene Buchenkurve, noch Grenzstraße (östlicher Straßenzug) zwischen relativ hohe Lindenwerte und niedrige Werte zwei bekannten römischen Fundplätzen bei für Kräuter und Gräser, die zeigen, dass die der Rekonstruktion durchgezogen. Der Ab - eisenzeitliche Grünlandwirtschaft mit Wie- gleich mit der geologischen Auenkartierung sen und Weiden noch nicht begonnen hatte. zeigt jedoch, dass diese Verbindung nicht Noch bis in die Eisenzeit hinein bestanden plausibel ist. Sie wäre mitten durch den Rhein viele offene Wasserflächen; dies belegt das gelaufen. Eingeengt zwischen älteren Terras- Vorkommen von Wasserpflanzen wie See- senstufen (olivgrüne Farben) muss der Rhein rose, Seekanne, Tausendblatt und der heute in römischer Zeit seinen Korridor dort gehabt im Gebiet verschollenen Wassernuss. Spätes- haben, wo sich auch der nachrömische Rhein tens bei der Anlage der Niederungsburg „Haus (rote Farbe) ausbreitete. Welchen Verlauf die Meer“ (vor 1000 n. Chr.) war der Verlandungs- Straße aber genommen haben könnte, ob vorgang abgeschlossen und es existierte hier außen am Mäander vorbei oder ihn schnei- nur noch sumpfiges Gelände. Eine solche dend, hängt vom Verlandungsalter der Ilver- Sumpfsituation muss man auch schon für icher Altrheinschlinge ab. Hier setzt die geo- die vorangegangene Römerzeit annehmen. logische Karte mit einer Alterseinschätzung Mit den vorhandenen Daten kann nun zwischen Späteisenzeit und Hochmittelalter über eine neue Rekonstruktion des römi- ein großes Fragezeichen. Als Eckpunkte für schen Straßenverlaufs nachgedacht werden. eine Präzisierung stehen uns aber zwei Auf jeden Fall hat die Straße den weiterhin archäologische Hinweise zur Verfügung: sumpfigen Altarm queren müssen und so Sicher ist dieser Rheinarm schon im Mittelal- bestehen Chancen auf die Erhaltung eines ter verlandet, denn in seinem Feuchtgebiet ausgebauten Übergangs (Bohlenweg, Brücke liegt die vor 1000 n. Chr. erbaute Niederungs- etc.) im feuchten Milieu. burg „Haus Meer“. Eine in das 2./3. Jahrhun- Mithilfe der Archäobotanik nähern wir dert datierende römische Trümmerstelle im uns auch wieder dem zweiten Ziel, einzelne Mäanderinneren (s. Abb. 5) legt es nahe, dass Rinnen besser zu datieren, um damit weitere diese Schlinge römerzeitlich nicht mehr zum römische Rheinabschnitte zu fassen. Der aktiven Fluss gehörte und der tatsächliche Geologische Dienst Nordrhein-Westfalen Rheinlauf zur Römerzeit schon in dem Korri- stellte dafür die Original-Zähltabellen von dor östlich des Durchbruchs lag. allen, zum Teil noch aus den 50er-Jahren des An dieser Stelle kommt die dritte betei- letzten Jahrhunderts stammenden, Pollen- ligte Disziplin, die Archäobotanik ins Spiel. profilen aus Altarmen im Rheintal zur Verfü- Nur mit ihrer Hilfe lassen sich das Verlan- gung. Diese Daten werden zur Zeit im dungsalter und damit der Zeitpunkt des archäobotanischen Labor des ur- und frühge- Durchbruchs näher präzisieren. Glücklicher- schichtlichen Instituts der Universität zu weise stand uns noch Probenmaterial aus Köln neu ausgewertet. Die Herausforderung den Bohrungen im Rahmen des Baus der besteht darin, die einzelnen oft nur sehr kur- Autobahn A44 (Eröffnung 2002) zur Verfü- zen Abschnitte in die Pollenkurve des Nie- gung. Dieses Autobahnteilstück musste das derrheins einzupassen. wertvolle Feuchtbiotop der Altrheinrinne Neue Möglichkeiten eröffnen sich auch untertunneln. 46 Pollenproben – vor allem durch die Nutzung digitaler Geländemodelle. Neben dem bereits erwähnten Geländemo-

16 Gerlach et al., Rhein 101 –102. dell mit 50 m Abstand zwischen den Höhen- 17 Dapeng-Zhou, Jungquartäre. punkten, steht auch das DGM5 des Landes- 18 http://www.lverma.nrw.de/produkte/landschaftsinforma- tion/hoehenmodelle/gelaendemodelle/dgm5/DGM5.htm vermessungsamtes NRW zur Verfügung.18 008-017 Limes_Bd3_Gerlach_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 16

16 NEUE FORSCHUNGEN AM LIMES

Im DGM5 haben die Höhen- wertung in Form einer Harris-Matrix wurde punkte einen Gitterabstand von ein Jahrhundert ausgewählt und das Käst- 10 m, die Genauigkeit wird mit chen, das einen Altarm repräsentiert, ent- ± 50 cm angegeben. Diese Höhen- sprechend eingefärbt. Bei der Beziehungs- punkte wurden durch unter- kette 7-6-5-4 erkennt man auf den ersten schiedliche Verfahren gewonnen, Blick, dass die chronologische Reihenfolge da aber längs der dicht besiedel- aufgrund der Jahrhundertangaben mit den ten Rheinschiene die Daten in relativ-chronologischen Beobachtungen der Regel bereits auf Laserscan- übereinstimmt. Anders sieht es bei der Bezie- Befliegungen beruhen, dürfte hungskette 13-14-15 aus – hier sind sowohl die Genauigkeit in diesem Altarme 13 und 15 dem 15. Jahrhundert Gebiet noch etwas höher liegen. zugeordnet, während für 14 die Datierung Die Reliefdarstellungen auf 18. Jahrhundert eingetragen wurde. Bei der Grundlage der DGMs erlau- näherer Betrachtung zeigt sich, dass hier ben nicht nur eine zeitsparende Widersprüche zwischen den Datierungsanga- Kartierung der einzelnen Rin- ben unterschiedlicher Quellen vorliegen, die nengenerationen am Schreib- aufgelöst werden müssen. tisch, sondern auch in vielen An dieser Stelle können nur erste Erkennt- Einzelfällen eine Aussage zur nisse präsentiert werden, da die Arbeiten noch relativen Abfolge der Altarme. laufen. Es zeigte sich aber wieder einmal, dass Somit besteht die Möglichkeit, eine Datenquelle allein kein plausibles Ergeb- diese relative Abfolge zu visuali- nis liefern kann, es kommt darauf an, die sieren, ähnlich wie bei der einzelnen Fachinformationen kritisch gegen- relativ-chronologischen Analyse einander abzuwägen. Wir erhoffen uns am archäologischer Schichten mit Ende eben nicht die Rekonstruktion eines Abb. 7 Oben: Ausschnitt der so-genannten Harris-Matrix. Hierfür imaginären „römischen Rheinlaufs“, son- aus dem DGM50, in wurde das PC-Programm STRATIFY einge- dern die Eingrenzung einer möglichst präzi- dem die Altarme nörd- setzt, das außerdem eine Einfärbung je nach sen Zone, in der die Archäologie gezielt nach lich von Kalkar erkenn- Zeitstellung unterstützt.19 Damit ergibt sich römischen Grenzanlagen suchen kann. bar sind. Mitte: Vektori- die Möglichkeit, Widersprüche zwischen der Wir bedanken uns ganz herzlich bei den sierte Mäander mit vorläufigen Datierung der Altarme und ihrer studentischen und technischen Mitarbei- ihren Nummern. Unten: relativen Abfolge zu entdecken und die tern/Mitarbeiterinnen Julia Gerz, Reiner Lub- Harris-Matrix-Darstel- Datierungen entsprechend zu korrigieren. berich, Felix Rötzel und Alexander Thieme, lung der chronologi- Ein Beispiel dazu zeigt Abb. 7: Die Altarme die all die Daten gesammelt, aufbereitet und schen Beziehungen zwi- wurden durchnummeriert und die chronolo- in Tabellen und GIS eingepflegt haben. schen den Altarmen. gischen Beziehungen im GIS festgehalten. In Lage des Kartenaus- der Harris-Matrix-Darstellung wird für jeden Prof. Dr. rer.nat. Renate Gerlach, schnitts s. Abb.1 und 6. Altarm ein Kästchen gezeichnet und chrono- [email protected] logische Beziehungen durch Verbindungs- Dr. Thomas Becker, linien wiedergegeben, sodass die jeweils [email protected] jüngsten Altarme einer Beziehungskette oben Dipl. Math. Irmela Herzog, [email protected] und die ältesten unten angeordnet werden. alle: Landschaftsverband Rheinland, Zusätzlich wurden die Datierungen aufgrund Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege, der Literaturrecherchen zugewiesen. Die Endenicher Str. 133, 53115 Bonn. Datierungen in den ausgewerteten Arbeiten Dr. Jutta Meurers-Balke, Labor für Archäo- zu den Altrheinarmen überschreiten häufig botanik, Ur- und Frühgeschichtliches die Jahrhundertgrenzen, doch für die Aus- Institut, Universität zu Köln, Wexertal 125, 50931 Köln, [email protected] 19 www.stratify.org; Herzog, Datenstrukturen. 008-017 Limes_Bd3_Gerlach_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 17

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DIE GRABUNG IM RÖMISCHEN ZIVILVICUS VON BONN AUF DEM GELÄNDE DES WCCB – EINE ERSTE ÜBERSICHT Von Cornelius Ulbert

er sogenannte zivile Vicus von Bonn Dliegt unmittelbar am Rheinufer, der Grenze des Römischen Reiches und der Pro- vinz Germania Inferior. Seine Ausdehnung deckt sich weitge- hend mit dem ehemaligen Regierungsviertel, das nach dem Wegzug der Regierung neu gestaltet wird. Die dadurch bedingten umfangreichen Bautätigkeiten werden vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege beim Landschaftsverband Rheinland beglei- tet und ermöglichen neue Einblicke in diese unter Schutz gestellte (BN 41) große römi- sche Zivilsiedlung. In diesem Rahmen wurde im Vorfeld des Neubaus des World Conference Center Bonn (WCCB) von Mai 2006 bis Juni 2007 eine eigenständigen Vicus oder um die Ausdehnung Abb. 1 Blick vom Großgrabung möglich, die eine zusammen- der Canabae handelt, ist noch zu klären.5 „Langen Eugen“ auf hängende Fläche von ca. 3,7 ha im Kernbe- Aufgrund von 135 Einzelfundstellen, Bau- das Grabungsgelände. reich des Vicus umfasste (Abb. 1)1. beobachtungen und einigen bereits erfolgten größeren Grabungen wird der Vicus auf eine Geschichte Größe von 80 ha geschätzt.6 Die bislang be - Etwa gleichzeitig mit dem im heutigen Stadt- kannten Bauten liegen auf der hochwasser- zentrum von Bonn gelegenen, in claudischer Zeit zunächst in Holz und nach dem Bataver- Abb. 2 Lage des Vicus aufstand ab 70 n. Chr. in Stein ausgebauten zum Legionslager und Legionslager entstanden südlich davon die den Canabae. canabae legionis2. Etwa 3 km südlich des Legionslagers – von den Canabae durch ein Gräberfeld getrennt3 – entwickelte sich ab der Mitte des 1. Jahrhunderts eine zweite Ansied- lung, der sogenannte zivile Vicus von Bonn (Abb. 2)4. Inwieweit es sich dabei um einen

1 Die Grabung wurde im Rahmen einer Verursachermaß- nahme vom Investor SMI-Hyundai finanziert, der auch zusammen mit der Stadt Bonn und dem Land Nordrhein- Westfalen die Translozierung des Bades übernahm. Das Gra- bungsteam bestand insgesamt aus über 50 Mitarbeitern. Die Projektleitung lag bei Frau J.-N. Andrikopoulou-Strack, die Grabungsleitung hatte der Verfasser inne. 2 Gechter, Bonn, 35 –180. 3 Kaiser, Gräber, 469 ff. 4 Andrikopoulou-Strack, Vicus, 421 ff. 5 Rüger, Germania Inferior, 74 f. 6 Andrikopoulou-Strack, Vicus, 422. 018-029 Limes_Bd3_Ulbert_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 20

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Regierungsviertels aufgefüllt worden war. So kamen beispielsweise das Bad und die Streifen - häuser erst in einer Tiefe von 4 m, z. T. unter zweifacher neuzeitlicher Bebauung zu Tage. Die folgenden Ausführungen sollen einen ersten Überblick über die äußerst viel- fältigen Grabungsergebnisse bieten. Endgül- tige Aussagen können natürlich erst nach einer eingehenderen Bearbeitung erfolgen.

Vorgeschichte Vor allem die Geländekuppe wurde bereits im mittleren Neolithikum als Siedlungsplatz aufgesucht. Zwei Siedlungsgruben enthielten rössenzeitliche Funde, die nicht nur eine sporadische sondern eine dauerhaftere Besiedlung des Geländes andeuteten. Etwas zahlreicher und weit gestreuter waren die Befunde aus der mittleren Eisen- zeit. Sie beschränken sich ebenfalls nur auf Abb. 3 Gesamtplan der freien Niederterrasse beiderseits der römischen die höher gelegenen Areale der Kuppe und WCCB-Grabung. Fernstraße Koblenz –Köln, der heutigen Bun- das noch hochwasserfreie Gelände südlich desstraße 9. Im Westen wird der Vicus von der davon. Auch hier kann man von einer dauer- Gumme, einem eiszeitlichen Altarm des Rheins haften Besiedlung ausgehen, da es sich bei begrenzt, nach Osten hin reichen die Fund- vielen Befunden um Vorratsgruben handelt. meldungen bis unmittelbar an den Rhein. Bemer kenswert ist ein Kreisgraben auf dem Im Westen, an der heutigen Reuterstraße, höchsten Punkt der Kuppe, etwa an gleicher liegt ein Gräberfeld. Stelle an der später der römische Monumen- Die Grabungsfläche war von zwei talbau errichtet wurde. Ein anderer außerge- Geländemerkmalen geprägt: Der größte Teil wöhnlicher Befund war eine Grube mit des Areals lag auf einer leichten Anhöhe, mehreren Tierskeletten, darunter auch die während im Norden eine markante, etwa Panzerschuppen eines Störs. Das daraus 200 m breite Rinne, wie ein Hohlweg das geborgene Keramikensemble enthielt u. a. Steilufer in Ost-West-Richtung durchschnei- eine scheibengedrehte keltische Schale mit det. Die Entstehung der Rinne – natürlich Omphalosboden, die für das Rheinland eine oder anthropogen – konnte bislang nicht Besonderheit ist. hinreichend geklärt werden. Durch ihr gemä- Danach gibt es bis zur römischen Besied- ßigtes Gefälle bietet sie theoretisch eine lung in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts eine befahrbare Verbindung vom Rhein zur Vicus- Siedlungsunterbrechung auf dem Gelände. hauptstraße und lässt an einen Hafen am Fluss denken. Das Gelände war zwar durch Römische Zeit mehrere moderne Gebäude gestört, anderer- Straßen (Abb. 3) seits aber als Park der ehemaligen Parlamen- Wichtigster neuer Befund zur Struktur des tarischen Gesellschaft genutzt worden, Vicus war eine Straße, die innerhalb der Rinne weshalb eine relativ gute Fund- und Befund- vom Rhein zur Vicushauptstraße verläuft. Sie erhaltung vorherrschte. Eine besondere wurde nördlich des Bades und südlich der Herausforderung war der Bereich der Rinne, Streifenhäuser erfasst. Beim Bad war sie min- der, wie sich während der Grabung heraus- destens 10 m breit und wies mehrere überei- stellte, im Zusammenhang mit dem Bau des nander liegende Kiesbeläge auf, in denen z. T. 018-029 Limes_Bd3_Ulbert_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 21

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deutliche Fahrspuren zu erkennen waren. In Abb. 4 Geniusstatuette der kleineren Baugrube konnten Kiespflaste- aus Bronze rung und Straßengräbchen nur ganz im Osten nachgewiesen werden. Dennoch ist der auf Abb. 8 dargestellte Verlauf der Straße aufgrund des begleitenden Kanals und der Front der Streifenhäuser wahrscheinlich. Ihre Breite dort betrug etwas mehr als 6 m. Aller- dings kann sie nicht immer dort verlaufen sein, da sich in ihrem Trassenverlauf mehrere ältere Gruben befanden. Für eine Verlegung der Straße spricht, dass sie nur auf einer Seite Bebauung aufwies und dass beispielsweise die Werkstatt des Töpfers und eine seiner Tongruben unmittelbar an der Straße aufge- funden wurden (s. u.). Denkbar ist, dass sie ursprünglich in der Sohle der Rinne verlief, also auf der anderen Seite der Streifenhäuser vorbeiführte und vielleicht aufgrund eines Hochwassers, für das es Indizien gibt, weiter nach oben verlegt wurde. Dies deuten auch die Fahrspuren vor dem Bad an, die eher in nordwestliche Richtung weisen. Eine weitere Straße zweigt östlich des Bades rechtwinklig nach Südosten ab und führt den Hang zum Tempel hinauf, wo sie sich verliert. Lediglich an der Nordecke waren noch Reste der gemauerten Fundamente vorhanden. Im Kanäle Westen war er durch die moderne Bebauung Zu den öffentlichen Einrichtungen gehören gestört. vermutlich auch zwei Wasserleitungen, Im Zusammenhang mit dem Heiligtum deren Funktion bislang nicht zufriedenstel- ist vermutlich auch eine ungewöhnlich hohe lend geklärt werden konnte. Die eine konnte Konzentration von Münzen und anderen über eine Länge von 70 m verfolgt werden Metallgegenständen (Abb. 4) zu sehen, die und lag mindestens 1,3 m unter dem ehema- am Abhang beiderseits der Straße zwischen ligen Laufhorizont. Sie bestand aus trocken dem Tempel und dem Bad gefunden wurden.7 verlegten unbearbeiteten Grauwackebruch- steinen und -platten und besaß über weite Monumentalbau Strecken nicht einmal einen Boden. Bei Schwieriger ist die Deutung der 12 × 16 m einem lichten Querschnitt von 0,2 m konn- großen Reste eines Monumentalbaus, der auf ten zudem an keiner Stelle Dichtungsmaterial dem höchsten Punkt der Anhöhe stand. oder Reste einer hölzernen Leitung (Deichel- Erhalten sind fünf quadratische 1,5 m große, ringe) festgestellt werden. dem Rhein zugewandte Sockelfundamente vor einer Nischenmauer und vier kleinere Öffentliche Gebäude Fundamente dahinter. Der Rest war modern Gallo-römischer Umgangstempel gestört. In die Aufweitung zwischen zwei der Der mit insgesamt 10,7 × 9,7 m eher kleine großen Sockelfundamente lässt sich eine Umgangstempel stand am nördlichen Rand der Anhöhe über der Rinne. Von ihm sind 7 Während der Grabung wurde die gesamte Fläche mit nur noch die Ausbruchgräben erhalten. einem Metalldetektor kontrolliert. 018-029 Limes_Bd3_Ulbert_korr_JU 17.08.2008 15:42 Uhr Seite 22

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Abb. 5 Rekonstruk- Ost-West orientierte spätrömische Bestat- tionsversuch des Monu- tung, die genau in ihrer Flucht vor dem Bau mentalbaus. lag. Dies bedeutet, dass der Bau im 4./5. Jahr- hundert als solcher, zumindest als Ruine, noch erkennbar gewesen sein muss, obwohl der Vicus zu dieser Zeit längst verlassen war. Die hier vorgeschlagene Interpretation ist, dass es sich um eine weithin sichtbare monumentale Toranlage mit einer Säulen- portikus gehandelt hat. Dafür, dass sich auf der Kuppe ein freier Platz befand, zu dem der Torbau gehörte, spricht die ausgesprochene Befundarmut dort. Außerdem gibt es einige wenige Indizien für eine bauliche Eingrenzung des Platzes: Dies sind zwei quadratische Fundamente, eines davon unter der äußeren Tempelmauer, das andere südwestlich davon und zwei (Aus- Symmetrieachse legen (Abb. 5), sodass die bruch- ?) Gruben am Rand des Platzes. Die Ergänzung einer zweiten Nische im Norden exponierte Lage auf der Anhöhe und etwas plausibel erscheint. Es gibt verschiedene abseits der Hauptstraße gelegen sprechen Abb. 6 Das öffentliche andere Anhaltspunkte dafür, dass der Bau in dafür, dass sich dort ein Tempelbezirk befun- Badegebäude am nörd- seiner Längsausdehnung nicht sehr viel grö- den hat. lichen Rand der Gra- ßer gewesen sein kann. Dass diese Achse das bung. Zentrum der Anlage bildete, bestätigt eine Bad Das dritte öffentliche Gebäude war eine Bade- anlage, die verkehrsgünstig an der Kreuzung der Straßen vom Rhein und zum Tempel lag (Abb. 6). Das Reihenbad konnte fast vollstän- dig freigelegt werden und besaß die drei übli- chen Baderäume (caldarium, tepidarium und frigidarium). Die beiden Ersten wurden durch eine Hypokaustanlage beheizt, deren praefur- nium außerhalb der Baugrube lag. Abgesehen von der Latrine ist die Deutung der anderen Räume um den Kernbau aufgrund ihres Erhaltungszustandes noch unsicher. Das Bad wurde einmal grundlegend um- und ausge- baut. Davon zeugen das nachträglich ange- setzte rechteckige Badebecken am caldarium sowie andere Mauern in denen ganze Becken- teile sekundär verbaut worden waren. Zu der Badeanlage gehörte vermutlich auch ein sepa- rat gelegenes kleines Gebäude südlich davon.

Gewerbliche und private Einrichtungen Auf der großen Grabungsfläche gab es eine Reihe von Befunden, die sich wie ein Gürtel 018-029 Limes_Bd3_Ulbert_korr_JU 17.08.2008 15:43 Uhr Seite 23

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um die Kuppe ziehen. Zu ihnen gehören Abb. 7 Der Ziegelbrenn- Gruben, z. T. mit rechteckigen Holzeinbauten ofen. und einer auffallenden Grünfärbung ihrer Verfüllung. Ein anderer Befund war eine rechteckige 2,6 × 1,8 m große, 0,7 m tief erhal- tene Grube mit einem 2,2 m langen und nur 0,5 m breiten schlauchartigen Fortsatz an der Südwestecke. An ihrem Rand lagen mehrere größere unbearbeitete Steine. In den Boden des Rechtecks eingetieft befanden sich meh- rere flache Mulden und genau in der Mitte eine 0,9 × 0,7 m große und 0,5 m tiefe Eingra- bung. Die Verfüllung bestand aus Brand- schutt mit verkohlten Holzbalken und schwach angeziegeltem Lehmverputz. Für die Interpretation dieser Befunde gibt es meines Erachtens zwei Möglichkeiten: Entweder der rezente Bodenabtrag in diesem Bereich war so stark, dass Baubefunde nicht mehr erhalten waren. Dann könnte es sich um Latrinen und einen Keller (obwohl der Eingang sehr schmal ist) handeln. Oder es sind Gruben, die zu einem noch nicht näher von imbrices zu erkennen waren. Außerdem bestimmten Handwerkerzweig (Gerber, befanden sich im Versturz die trichterförmig Flachsverarbeitung?) gehören. Alle erwähn- mit Lehm ausgestrichenen Pfeifen der Loch- ten Befunde gehören fast ausnahmslos zu tenne. Der obertägige Teil des Ofens, der den frühesten Spuren der römischen Besied- Brennraum, war aus luftgetrockneten, recht- lung auf dem Gelände. eckigen, häxelgemagerten Lehmziegeln er - richtet, die in situ am Rand des Ofens erhalten Ziegelofen waren. Zudem konnten mehrere Exemplare Auf der Anhöhe in der Nähe des Tempels aus dem Versturz in der Arbeitsgrube gebor- wurde ein Ziegelbrennofen aufgedeckt (Abb. 7). gen werden.8 Die 1,5 m tiefe Arbeitsgrube, in Sein Standort, am Abhang zum Rhein, wurde der sich noch eine Schicht aus ungebrannten sicherlich absichtlich gewählt, um die Hang- imbrices erhalten hatte, besaß im hinteren winde beim Feuern auszunutzen. Die Anlage Teil einen muldenartigen Absatz. Ungeklärt war inklusive der Arbeitsgrube 10,5 m lang ist die Funktion einer rechteckigen mit und 3,5 m breit. Der 3 × 3,5 m große Unter- Bruchsteinen und Lehmziegeln ausgekleide- bau des Brennraums war bis kurz unter die ten Grube an der Stirnseite des Ofens, die Tenne erhalten. Er bestand aus einem mit zweifellos zu der Anlage gehört. quadratischen Ziegelplatten ausgelegten Haupt - Abgesehen von zwei Bruchstücken aus zug, von dem durch sechs Rippen gebildet, den großen Abfallgruben wurden auf dem sieben Seitenzüge abgingen. Die Rippen Gelände keine gestempelten Ziegel gefun- waren aus tegulae aufgebaut, der Boden der den. Sie fehlen auch völlig im Ziegelofen, Seitenzüge war mit imbrices befestigt. Von der sodass man davon ausgehen kann, dass er verstürzten Tenne sind größere Fragmente privat betrieben wurde. erhalten, auf denen ausschließlich Abdrücke Nachdem der Ofen unbrauchbar gewor- den war – er war völlig überfeuert und ausge- 8 Die Verwendung von Lehmziegeln beim römischen glüht – wurde er einplaniert um Platz für den Ziegelofenbau scheint nicht ungewöhnlich zu sein; vgl. z. B. Fischer, Ziegelei. Tempelbezirk zu schaffen. 018-029 Limes_Bd3_Ulbert_korr_JU 17.08.2008 15:43 Uhr Seite 24

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Abb. 8 Die Steinfunda- mente der Streifenhäu- ser (2./3. Jahrhundert n. Chr.).

Streifenhäuser tragenden Längsseiten waren gemauert und Die Streifenhäuser lagen auf halber Höhe der bis zu 1 m tief fundamentiert. Zuoberst Rinne nördlich der Straße, die vom Rhein diente eine Ausgleichsschicht aus Tuffen zur Hauptstraße führte (Abb. 8). Sie konnten oder Ziegeln als Auflage für einen Schwell- auf einer Länge von 7 m untersucht werden balken, auf dem das Fachwerk errichtet und standen auf 6 bis 7 m breiten Parzellen. wurde. Die gerade gerichteten Mauerober- Zwischen der Straße und den Häusern befand kanten besaßen ein verhältnismäßig starkes sich als nördliche Straßenbegrenzung ein Gefälle von Süd nach Nord. Kanal und unmittelbar vor den Häusern eine Der Unterbau für die leichter gebauten breite streifenförmige dunkle Verfärbung, bei Schmalseiten bestand aus einzelnen unbear- der es sich vermutlich um die porticus han- beiteten Unterlegsteinen oder aus Kies-/Ziegel - delt.9 Die Südseite der Straße war unbebaut, stickungen, mit Schwellen und Angelsteinen. es gab aber zahlreiche Gruben und Ofen- In die Mitte jeder Wand war ein bearbeiteter stellen. Sockelstein als Unterlage für den Giebelpfos- Bei den Gebäuden lassen sich mindes- ten eingelassen. Im Inneren, vor allem bei den tens drei Bauphasen unterscheiden: Zwei zwei Parzellen umfassenden Häusern, verlief Holzbauphasen, die beide in der 2. Hälfte des in der Mitte eine einlagige Steinreihe als Basis 1. Jahrhunderts errichtet wurden und eine für Holz- oder Fachwerkkonstruktionen. Quer mit gemauerten Steinfundamenten aus dem verlaufende Raumteiler, die innerhalb der Bau - 2./3. Jahrhundert. Ganz in Stein scheinen die grube gerade noch erfasst werden konnten, Gebäude nicht ausgebaut worden zu sein. waren in ähnlicher Weise fundamentiert. ■ Von der jüngsten Bauphase konnten Keller wurden nicht gefunden, dafür zahlrei- fünf Gebäude erfasst werden, die sich z. T. che Herdstellen, Öfen und Gruben, deren über zwei Parzellen erstreckten. Zwischen zweien verlief eine bekieste Gasse. Ihre, nur 9 Eine ähnliche Situation findet sich in Schwarzenacker 0,3 bis maximal 0,4 m breiten, die Dachlast (Kolling, Schwarzenacker, Abb. 2). 018-029 Limes_Bd3_Ulbert_korr_JU 17.08.2008 15:43 Uhr Seite 25

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Deutung und Zuweisung zu den einzelnen Laufspur der Schwungscheibe einer Töpfer- Bauphasen es einer eingehenderen Bearbei- scheibe als Verfärbung im Boden nachgewie- tung bedarf. sen werden. Unmittelbar daneben befand Dem Befund nach war nur eines der sich eine rechteckige Grube mit frischen Häuser mit Ziegeln eingedeckt, die anderen Tonresten. Vor dem Haus lag eine weitere, müssen Dächer aus organischem Material deutlich größere Grube, die noch 0,1 m hoch besessen haben. Es gibt Hinweise darauf, wie mit frischem Ton verfüllt war. Zwei Geräte – z. B. ein zurückversetzter Sockelstein eines ein Modellierstäbchen aus Bein und ein Glät- Giebelpfostens, dass zwei der Häuser in den ter in Form eines sekundär verwendeten ergrabenen Abschnitten nicht oder nur Deckelknaufs – stammen aus der weiteren leicht bedacht waren, was damit zusammen- Umgebung des Töpferhauses. Ein Töpferofen hängen könnte, dass dort Werkstätten von wurde nicht gefunden, was aber an der Stö- feuergefährlichen Handwerkern (Glasbläser, rung durch das ehemalige WDR-Hauptstadt- Schmied) betrieben wurden. studio liegen kann, die auf die Parzelle des Auch wenn ihre Länge nicht ermittelt Töpfers hineinreicht. werden konnte, handelt es sich bei den Offensichtlich wurde im Vicus auch gla- Gebäuden um giebelständige Fachwerkhäu- sierte Keramik hergestellt, wie der Fund einer ser mit Satteldächern und Eingängen an der grünglasierten Brennhilfe nahelegt.10 der Straße zugewandten Schmalseite, sodass man sie als Streifenhäuser bezeichnen kann. ■ Bei den Gebäuden der jüngeren Holz- bauphase handelt es sich um Pfostenbauten, bei denen die mindestens 1 m tief in den Boden eingegrabenen, z. T. mit Unterlegsteinen unterstützten Holzpfosten exakt unter den späteren Steinkonstruktionen lagen. Wie Gie- belpfosten in der Mitte der Schmalseite und im Inneren der Häuser belegen, handelt es sich ebenfalls um Häuser mit einem Satteldach. ■ Von den ältesten Holzbauten konnten nur Abschnitte von schmalen und geraden Gräbchen dokumentiert werden, die auf Ständerbauten hinweisen. Hausgrundrisse ließen sich nicht mehr rekonstruieren.

Handwerk Trotz des nur kleinen ergrabenen Ausschnit- tes der erbrachten die Streifenhäuser eine Glasbläser (Abb.9) Abb. 9 Produktionsab- Fülle von Informationen zum Handwerk im Im mittleren Haus wurden mehrere Frag- fälle des Glasbläsers. Vicus. Die Zuweisung zu den einzelnen Bau- mente von verschiedenen Glashäfen und phasen steht noch aus. Weitere Hinweise etwas Rohglas gefunden. Obwohl die Gefäße stammen von den zahllosen Funden aus der Form Niederbieber 104 entsprechen, zwei großen Abfallgruben südlich der Strei- waren es wohl Spezialanfertigungen, da sie fenhäuser. an der Außenseite tiefe Rillen aufwiesen. Dort haftete auch verziegelter Lehm, der Töpferei zeigt, dass die Gefäße entweder zur Isolie- Der direkte Nachweis eines Töpfers gelang rung in Lehm eingepackt oder fest im Ofen im westlichen der fünf Häuser. Hier konnten die in die Erde eingelassene Achse und die 10 Henrich, Kleinfunde, 89. 018-029 Limes_Bd3_Ulbert_korr_JU 17.08.2008 15:43 Uhr Seite 26

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installiert waren. Die nur noch sehr schlecht dem Kanal vor den Streifenhäusern verbaut. erhaltenen Reste einer größeren Feuerstelle Der zwischen 1 und 1,3 m breite Kanal war könnten auf einen entsprechenden Ofen im westlichen Abschnitt mit Holzbrettern hindeuten. oder Flechtwerk befestigt, wovon in regelmä- ßigen Abständen Stakenlöcher am Rand des Schmied Kanals zeugen. Im östlichen Abschnitt war er Schon während der Grabung war aufgrund durch Trockenmauerwerk gefasst. Es stellt von Metall- und Schlackefunden, eines sich daher die Frage, ob dort nicht eine Was- tönernen Blasebalgaufsatzes und vor allem sermühle betrieben worden sein kann. von über 200 kg kleinteiligen Eisenschrotts Der einzige dafür in Frage kommende in dem Kanal vor dem östlichen Haus ver- Befund ist eine Gruppe von Bodenverfärbun- mutet worden, dass dort ein Schmied arbei- gen am nördlichen Ufer des Kanals, genau in tete. Die Metallfunde zusammen mit zahlrei- einem Abschnitt wo das sonst mit organi- chen Hammerschlagproben, die während der schem Material befestigte Ufer durch Steine Grabung systematisch aus den meisten und zwei Mühlsteinfragmente ersetzt wurde. Befunden entnommen wurden, wurden an Es handelt sich um mehrere rechteckige und der Universität Fribourg analysiert.11 Hierbei längliche, z. T. tiefe (Pfosten- ?) Gruben, die stellte sich heraus, dass in den beiden östli- sich auf einer Länge von ca. 10m am Ufer chen Häusern geschmiedet wurde. Im einen des Kanals aufreihen. Auf der anderen Seite war vermutlich ein Grobschmied tätig, wäh- des Kanals konnten keine Befunde doku- rend im Nachbarhaus Feinarbeiten ausge- mentiert werden. Vergleicht man die erhalte- führt wurden, bei denen geschweißt und nen Reste mit den Wassermühlen von Hage- gelötet wurde. dorn13 und Avenches14 – allerdings mit Weitere Hinweise auf Metallverarbeitung Holzerhaltung – so ergeben sich in sofern im Vicus stammen aus den großen Abfallgru- Parallelen zu Bonn, als auch dort auf einer ben. Daraus wurden mehrere Gusstiegelfrag - Seite des Mühlengerinnes ein langes Holz- mente von Buntmetallhandwerkern geborgen. gerüst stand.

Mühle Bestattungen Während der Grabung wurden im Bereich Insgesamt wurden auf dem Grabungsareal 26 der Streifenhäuser ungewöhnlich viele, z. T. Gräber freigelegt. Die ältesten Brandbestat- Abb. 10 Tritonshorn als große Fragmente von abgenutzten Kraftmühl- tungen stammen aus dem 1. Jahrhundert Beigabe einer Brandbe- steinen gefunden.12 Sie lagen in Gruben, und wurden unmittelbar vor oder möglicher- stattung. waren aber auch als Uferrandbefestigung in weise unter den Streifenhäusern der Holz- bauphase angetroffen. Drei Tuffkisten- und ein Ziegelplattengrab aus dem 3. Jahrhundert reihten sich am Westrand der Straße, die vom Bad zum Tempel führt. Ein isoliertes Kindergrab aus dem 2./3. Jahrhundert befand sich in der Nähe der großen Abfallgruben. Diese Beispiele zeigen ein weiteres Mal, dass im Bonner Vicus Tote auch innerhalb der Siedlung beerdigt wurden. Im Gegensatz zu den Gräbern an der Hauptstraße15 wurden die Toten hier nicht in den Hinterhöfen,

11 Perret, Hammerschlag, 196ff. 12 Ein vollständiger Mühlstein lag auf der Straße vor dem Bad. 13 Gähwiler u.a., Hagedorn. 14 Castella, Avenches. 15 Kaiser, Gräber, 477 ff. 018-029 Limes_Bd3_Ulbert_korr_JU 17.08.2008 15:43 Uhr Seite 27

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Abb. 11 Übersichtsplan des vicus mit den Gra- bungsergebnissen und dem Wegesystem nach Tranchot/Müffling (1807 –1819).

sondern vor den Häusern vergraben. Letzteres Raum geprägt wurden.16 Da die Münzen im könnte aber auch ein weiterer Hinweis auf hiesigen Zahlungsverkehr keine Rolle spiel- die oben erwähnte Verlegung der Straße sein. ten, handelt es sich wahrscheinlich um Mit- Die Lage der Gräber an der Straße zum Tem- bringsel oder Erinnerungsstücke. Ähnliches pel ist vielleicht religiös zu begründen. gilt für ein benachbartes Grab, in dem eine Am südlichen Rand der Baugrube wur- mediterrane Meeresschnecke (tritonium den 16 Brand- und Körpergräber aus dem nudifera)17 lag (Abb. 10). Diese Funde lassen 3. Jahrhundert aufgedeckt, die möglicher- einerseits an verwandtschaftliche Beziehun- weise zu einem größeren Gräberfeld gehören gen der Bestatteten denken, andererseits lie- und das südliche Ende des Vicus markieren. fern sie mögliche Aufschlüsse über die Bevöl- Besonderen Reiz erhalten drei der Gräber kerungszusammensetzung des Vicus. durch ihre Beigaben: Neben reichem Gagat- schmuck wurden einer der Toten vier Mün- 16 Klages, Münzen, 188. 17 Die Bestimmung der Schnecke verdanken wir Prof. zen beigegeben, die im kleinasiatischen Böhme vom Museum König, Bonn. 018-029 Limes_Bd3_Ulbert_korr_JU 17.08.2008 15:43 Uhr Seite 28

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Datierung Bäche des Vorgebirges abgeschnitten. Da Nach der vorläufigen Auswertung von 7018 nicht nur der Vicus selbst, sondern hier insbe- der insgesamt ca. 400 Fundmünzen19 und sondere auch das Bad und der Kanal, an dem einer ersten Durchsicht der Keramikfunde20 möglicherweise eine Wassermühle gestanden ergibt sich für den ergrabenen Bereich des hat, größere Mengen Wassers benötigten, Vicus folgender, natürlich vorläufiger Zeitrah- war bislang fraglich woher das Wasser men: Die ersten römischen Siedlungsaktivitä- gekommen ist. Auf zwei historischen Karten ten stammen aus neronisch-vespasianischer aus dem 18. Jahrhundert von Belagerungen Zeit (ca. 50 bis 70 n. Chr.) zu denen die erste der Stadt Bonn21 ist jeweils ein Bach oder ein Holzbauphase der Streifenhäuser gehört. In Kanal eingetragen, der von Süden kommend domitianische Zeit ist die erste Phase des auf dem Rücken zwischen Gumme und Bades zu datieren. Gleiches gilt auch für den Rhein verläuft, auf dem auch die Vicus- Ziegelbrennofen, in dem vermutlich die Bau- hauptstraße liegt. Beide münden südlich von keramik für das Bad gebrannt wurde. An das Bonn in den Rhein, etwa an der Stelle, wo Ende des ersten Jahrhunderts sind auch die auch die Rinne liegt. Wie oben erwähnt, lässt Pfostenbauten der Streifenhäuser zu setzten. diese Geländeformation an einen Hafen am Wann die beiden öffentlichen Bauten auf der Rhein denken. Auf dem Grabungsgelände Kuppe entstanden, ist durch Funde nur gab es keine direkten archäologischen Hin- schwer zu belegen. Einziger Hinweis ist eine weise darauf, dafür war es zu weit vom Rhein domitianische Münze aus der Grube des Fun- entfernt. Allerdings muss man sich fragen, damentsockels südwestlich des Tempels. In woher sonst die gut ausgebaute und anschei- der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts scheint die nend viel befahrene Straße, an der ein öffent- Siedlung aufgegeben worden zu sein, da es liches Bad und Handwerkerhäuser lagen, aus der Zeit danach nur noch sporadisch gekommen sein soll. Vielleicht ist es kein Funde und Befunde auf dem Grabungsareal Zufall, dass 1869 der Kaufmann J. Dahm gab. Anscheinend handelte es sich eher um genau an der Rinne eine Dampfschneide- eine Auflassung, da keinerlei Spuren einer mühle errichtete, in der aus Süddeutschland gewaltsamen Zerstörung gefunden wurden. angeflößte Hölzer verarbeitet wurden.22 Der jüngste römische Befund ist das Als Letztes sei noch auf die Karte von erwähnte Grab vor dem Monumentalbau. Tranchot und Müffling von 1807 –1819 hin- gewiesen. Dort ist nur im Bereich des Vicus Historische Daten zum Vicus ein rechtwinkliges Wegenetz beiderseits der Abschließend sei noch auf einige historische Rinne eingetragen, das möglicherweise auf Hinweise zur Infrastruktur des Vicus einge- dem römischen beruht (vgl. Abb. 11). Kartiert gangen (Abb. 11). Eine wichtige Frage ist ist dort auch die heutige Reuterstraße an der seine Wasserversorgung. Wie erwähnt, wird das Gräberfeld im Nordwesten liegt und die die Ansiedlung im Nordwesten durch die man als Ausfallstraße des Vicus deuten könnte. Gumme von der Wasserzufuhr durch die Dr. Cornelius Ulbert 18 Klages, Münzen, 187 ff. 19 Während der Grabung wurde die Fläche systematisch Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege mit einem Metalldetektor abgesucht. (RAB), Endenicher Str. 133, 53115 Bonn 20 Die Bestimmung der Keramik erfolgte durch P. Henrich. 21 Ennen, Bonn, Abb. S. 172 und 192. E-Mail: [email protected] 22 Sonntag, Villen, 256. 018-029 Limes_Bd3_Ulbert_korr_JU 17.08.2008 15:43 Uhr Seite 29

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KAISER, Gräber Abbildungsnachweis M. Kaiser, Die römischen Gräber von Bonn und ihr Bezug zur topografischen Entwick- Abb. 1, 4, 7, 9 RAB Bonn, M. Thuns; Abb. 2 lung des Legionslagers, Bonner Jahrb. 196, Andrikopoulou-Strack, Vicus, Abb. 2; Abb. 3, 1996, 469 –488. 6 RAB Bonn, K. Lang-Novikov; Abb. 5 RAB Bonn, C. Ulbert; Abb. 8 RAB Bonn, C. Ulbert; KLAGES, Münzen Abb. 10 RAB Bonn, P. Krebs; Abb. 11 RAB C. Klages, Vorläufige Auswertung der bislang Bonn, K. Lang-Novikov, C. Ulbert. untersuchten Münzen. In: Ulbert, Bericht. 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:43 Uhr Seite 30

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JOST · NACHGRABUNG UND KONSERVIERUNG DER TÜRME AM LIMES 31

NACHGRABUNG UND KONSERVIERUNG DER TÜRME AM LIMES – WACHPOSTEN 1/8 IM RHEINBROHLER WALD Von Cliff Alexander Jost

er Wachposten 1/8 liegt im Rheinbroh- Abb. 1 Lageplan von Dler Wald auf einem quer zum Rhein Wachposten (WP) 1/8 gelagerten Bergrücken, der von den Tälern im Rheinbrohler Wald. des Bahlsbaches im Norden und des Nassen- baches im Süden eingerahmt wird. Die ehe- maligen Limestürme befanden sich auf einem schmalen Plateau des Bergrückens zwischen zwei Erhebungen, dem Steinbrink und dem Beulenberg, etwa 4 km entfernt Abb. 2 Befundplan der vom Beginn des Limes am Rheinufer und Reichs-Limeskommis- rund 200 m höher.1 An dieser markanten sion von WP 1/8. Stelle treffen heute noch mehrere Wege zusammen, die vom Rheintal hochkommen und auf die Höhen des Westerwaldes und mit Abzweigungen ins Tal der Wied weiter- führen (Abb. 1).

Forschungsgeschichte und Ausgangssituation Die Reichs-Limeskommission hat hier im Jahr 1894 unter der Leitung des Strecken- kommissars G. Loeschcke die Überreste zweier Steintürme und eines Holzturmes fest- gestellt (Strecke 1, Wachposten 8 im Bezirk „Auf Hottels Buchen“).2 Der östliche der bei- den Steintürme gehörte zu den am besten er- haltenen Türmen am Limes im Westerwald, da seine Mauern noch rund 1,5 m hoch er-

halten waren (Abb. 2, 3). Den westlichen Steinturm hatte man über die Stelle eines früheren Holzturmes gebaut. Wie an vielen anderen Turmstellen auch hat die Reichs-Limeskommission nach ihren Untersuchungen die Grabungsschnitte nicht wieder verfüllt, was nicht nur zu Verwitte- Abb. 3 Östlicher Stein- rungsschäden an den frei liegenden Turm- turm von WP 1/8 im Jahr 1894 nach der Frei- legung durch die Reichs- 1 JOST, Limes, 34 ff. 2 ORL A, Strecke 1, 65 f. mit Taf. 4,2 u. 8,3. Limeskommission. 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:43 Uhr Seite 32

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„original-römischen“ Bruchsteinen wurde der Limesturm am Rheinufer in Rheinbrohl nachgebaut. Als die Bestandsaufnahme des Limes für die Antragstellung als Stätte des UNESCO- Welterbes im Jahr 2000 vorgenommen wurde, stellten sich die Überreste der Steintürme am Wachposten 1/8 nur noch als ein ziemlich zerwühlter Komplex mit Grabungsschnitten, alten Abraumhaufen und herumliegenden Bruchsteinen dar. Zusammenhängendes rö- misches Mauerwerk war kaum noch zu er- kennen (Abb. 6). Eine dauerhafte Sicherung der Turmreste war daher dringend notwendig, zumal der Standort des Wachpostens 1/8 dicht bei einem Rastplatz mit kleiner Hütte liegt und Abb. 4 Östlicher Stein- mauern geführt hat (Abb. 4). Größere Schä- eine der Anlaufstellen am Rheinhöhen- und turm von WP 1/8 den an den Fundamenten der Türme am Limeswanderweg durch den Rheinbrohler im Jahr 1968 unter Wachposten 1/8 waren vor allem seit den Wald ist. Daraufhin wurde mit der Verbands- Bewuchs. frühen 1970er-Jahren entstanden, als man gemeinde Bad Hönningen und der Ortsge- die an einem Wanderweg gelegenen Über- meinde Rheinbrohl vereinbart, die baulichen reste der Türme, insbesondere die des besser Relikte der Türme zu konservieren und an- erhaltenen östlichen Steinturmes immer wie- schließend in einen kleinen archäologischen der unsachgemäß freigelegt hat (Abb. 5). Park zu integrieren. Vorher war jedoch eine Zudem mussten die Schutthügel der beiden Nachgrabung der Turmstelle, verbunden mit Türme als Steinbruch herhalten. Mit den neuen Methoden der Dokumentation, durch

Abb. 5 Östlicher Stein- turm von WP 1/8 im Jahr 1976 mit größten- teils von Bewuchs und losem Erdmaterial frei- gelegten Grundmauern. 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 33

JOST · NACHGRABUNG UND KONSERVIERUNG DER TÜRME AM LIMES 33

die zuständige archäologische Fachbehörde (Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Archäologie, Außenstelle Koblenz) erforder- lich (Abb. 7). Sie erfolgte in jeweils kurzen Kampagnen mit längeren Unterbrechungen im Wesentlichen im Frühjahr und Herbst 2005 und noch einmal im Spätherbst 2006.3

Die archäologische Nachgrabung Mit der archäologischen Nachgrabung sollten der heutige Erhaltungszustand der Befunde erkundet, die alten Ausgrabungsergebnisse der Reichs-Limeskommission überprüft und eine neue detaillierte und steingetreue Aufnahme der noch vorhandenen Befundstrukturen an- gefertigt werden. Vorgabe war es, die noch verbliebene archäologische Substanz möglichst im Boden zu erhalten. Demgemäß sollten hauptsächlich die alten Grabungsschnitte der Reichs-Limeskommission aber auch die spä- teren Eingrabungen seit den 1970er-Jahren Holzturmes befinden sich alte Grabungsspu- Abb. 6 Östlicher Stein- wieder freigelegt und dokumentiert werden. ren in der West- und Ostecke sowie auf der turm von WP 1/8 im Darüber hinaus sollten nur sehr vorsichtig gesamten Nordseite, wobei diese mit der Jahr 2000 während der Erweiterungen dort vorgenommen werden, großflächigen Eingrabung durch die Reichs- Bestandsaufnahme des wo Unklarheiten in der Dokumentation und Limeskommission im Bereich der Unterbre- Limes für den UNESCO- bei der Befundinterpretation durch die chung des Limesgrabens zusammenhängen. Welterbeantrag. Reichs-Limeskommission auftreten würden. Die archäologischen Befunde am Wachposten 1/8 liegen unmittelbar unter einer nur 0,05m dicken Waldhumusschicht. Der Untergrund besteht aus einem Tonschiefer-Verwitterungs - horizont. Bruchsteinschutt von den Mauern der Türme wurde vor allem noch um den östlichen Steinturm herum angetroffen. Allerdings handelte es sich fast ausschließlich um bereits durch die Reichs-Limeskommission verlagertes Abraummaterial. Im Ganzen sind die Störungen am Wach- Abb. 7 Östlicher Stein- posten 1/8 wesentlich umfangreicher und turm von WP 1/8 wäh- gehen tiefer, als es die Eintragung der Gra- rend der Nachgrabungen bungsschnitte im ORL erwarten ließ. Sowohl im Jahr 2006. der westliche als auch der östliche Steinturm waren außen und innen offenbar schon Den Palisadengraben nördlich der westlichen durch die Reichs-Limeskommission vollstän- Turmstelle hatte man in seinem Verlauf nach dig freigelegt worden. Am Ringgraben des Westen hin freigelegt. Trotz dieser umfangreichen Störungen ergaben die Nachgrabungen aber noch viele 3 Für einen ersten Vorbericht zu den Nachgrabungen am WP 1/8: JOST, Limes-Wachposten 1/8. aufschlussreiche archäologische Ergebnisse, 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 34

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Abb. 8 Gesamtplan der Grabung mit Limes- durchgang, Holzturm, älterem westlichem Steinturm und jünge- rem östlichem Stein- turm. Die Störungen durch die früheren Gra- bungen der Reichs- Limeskommission sind schraffiert dargestellt.

die zum Teil auch von denen der Reichs- Südecke des westlichen Steinturmes. Um An- Limeskommission abweichen (Abb. 8). gaben über die Abmessungen und die Form des Holzturmes und des Umfassungsgrabens Holzturm zu erhalten, wurde bei der Nachgrabung ein Zuerst stand an diesem Platz ein viereckiger Profilschnitt (Abb. 8, Profil A – B) quer über Holzturm mit Seiten von rund 4,25 m Länge. die Grabenseiten von Südost nach Nordwest Vier starke Eckpfosten bildeten das Gerüst angelegt und zudem unter der Westecke des für den oberen Aufbau des Turmes. Umgeben Steinturmes gezielt nach einem zweiten Eck- war der Holzturm von einem Graben, der pfosten gesucht. Hier konnte im Planum vielleicht als leichtes Annäherungshindernis, eine runde Pfostengrube mit einem Durch- vor allem aber zur Trockenhaltung der Turm- messer von 0,5 m bestimmt werden, die noch stelle diente. Größe und Form des Holztur- eine viereckige Pfostenspur mit Seitenlängen mes am Wachposten 1/8 entsprechen dem von 0,3 bis 0,35 m erkennen lässt. Auf eine herkömmlichen Schema der bekannten weitergehende Untersuchung wurde verzich- Holztürme am nördlichen Limes. Aufgrund tet, um den archäologischen Befund nicht seiner Abmessungen zählt er zu den etwas weiter zu zerstören. Aus diesem Grund wurde kleineren Holzturmanlagen.4 auch nach den beiden vorauszusetzenden Die Pfostengrube für den südlichen Eck- nördlichen Eckpfosten des Holzturmes nicht pfosten des Holzturmes hatte bereits die Reichs- weiter gesucht. Limes kommission festgestellt. Die Pfostengrube Der Holzturm war von einem Graben in hatte einen Durchmesser von ca. 0,6 m und Form eines Vierecks mit abgerundeten Ecken lag unmittelbar an und teilweise unter der umgeben, wie er häufig bei den Holztürmen am nördlichen Abschnitt des Limes vor- kommt.5 Die Länge der Seiten beträgt 9 m, 4 ORL A, Strecke 1, bes. 51 –53; BAATZ, Wachttürme am Limes, bes. 16 –20. gemessen von Mitte zu Mitte des Grabens. 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 35

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Eine Unterbrechung im Graben als Zugang eine ziemlich kleine Innenfläche, was aber Abb. 9 Profilschnitt konnte nicht beobachtet werden. Im Profil genau der mittleren Flächengröße der Stein- über den westlichen zeichnet sich der Umfassungsgraben noch türme an dieser nördlichsten Limesstrecke Steinturm und durch deutlich als Spitzgraben mit v-förmigem zwischen Rhein und Wied entspricht.6 Die die West- und Ostseite Querschnitt ab (Abb. 9). Bei einer oberen Seite des westlichen Steinturmes ist parallel des Umfassungsgrabens Breite von 2 bis 2,4 m reicht er noch 0,7 bis zum Verlauf des Limes ausgerichtet. Der Turm vom Holzturm. 0,94m tief in den anstehenden Boden. Die steht dicht hinter dem Limes. Seine Außen- Verfüllung besteht aus einem sandig-lehmi- mauer ist nur ca. 4 m von der Mittellinie des gen, mit Tonschiefer- und Grauwackeschutt Limesgrabens entfernt, der hier aber unter- durchsetzten Boden und eingefallenen Brand- brochen ist, und 7,5 m vom Palisadengraben. schutt schichten mit Holzkohle- und Brand- Vom Steinturm, dessen Mauern zur Zeit lehm-resten. Vor allem in der unteren der Reichs-Limeskommission noch 0,55 m Verfüllung wurden zahlreiche größere Brand- hoch standen, ist heute nur noch das Funda- lehmbrocken angetroffen und Holzkohle- ment vorhanden und stellenweise die reste auf der Grabensohle. Keramisches unterste Steinlage der aufgehenden Mauer Fundmaterial stammt fast ausnahmslos aus (Abb. 10). Zum Teil sind die Mauerreste des der oberen Lage der Verfüllung des Grabens Turmes in die außen entlang der Mauern und fand sich zusammen mit dem Abbruch- geführten Grabungsschnitte der Reichs- Abb. 10 Westlicher schutt vom westlichen Steinturm, der sich Limeskommission nachgerutscht. Das Fun- Steinturm von WP 1/8 offenbar in Mulden angesammelt hatte, die dament des Turmes reicht 0,3 m tief in den während der Nachgra- im zugeschütteten Spitzgraben durch Absa- Boden. Wenige noch vorhandene Reste von bungen im Jahr 2006. cken der Einfüllung entstanden waren. Diese Funde stehen somit wohl in Zusammenhang mit dem jüngeren Steinturm an dieser Stelle.

Westlicher Steinturm Über die Stelle des Holzturmes wurde nach der Mitte des 2. Jahrhunderts ein Steinturm mit viereckigem Grundriss von 4,4 × 4,3 m gebaut. Seine Mauern haben im Mittel eine Dicke von 0,90 m im Aufgehenden und ein zwischen 0,05 und 0,10 m vorspringendes Fundament. Der Turm hat mit rund 2,5 × 2,5 m

5 ORL A, Strecke 1, 51, Taf. 4 –6, 11 –14, 16 –19, Strecke 2, Taf. 5 –7; vgl. BECKER, Wachttürme, 12 mit Anm. 30. 6 ORL A, Strecke 1, bes. 44; BECKER, Wachtturmgrund- risse, bes. 70 –71 mit Abb. 3 –4. 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 36

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Kalkmörtel weisen auf eine Kalk-Lehm-Mörtel- Südwesten hin gekippt. Sonst ist die Mauer ab Bindung hin. dem Fundamentabsatz noch zwischen etwa Im Zusammenhang mit der Erbauung 0,4 und 0,9 m hoch erhalten (Abb. 11 –13). bzw. Instandhaltung des westlichen Steintur- Vollständig abgebrochen ist die Westecke des mes stehen offenbar auch zwei Pfostengru- Turmes, und zwar offensichtlich schon seit ben vor der Nordostmauer des Turmes, die in der Zeit der Reichs-Limeskommission, die hier den aufgefüllten Umfassungsgraben des älte- vermutlich nach einem Pfostenloch eines äl- ren Holzturmes eingelassen waren. Sie könn- teren Holzturmes gesucht hatte. ten von einem Baugerüst stammen oder als Gebaut war der Turm wie auch sein west- Stützpfosten gedient haben, weil der Turm licher Vorgänger aus Grauwacke-Bruchstei- vielleicht baufällig geworden war. Die Pfos- nen, einem vor Ort gewonnenen Sandstein tengrube vor der Mitte der Nordostmauer hat mit Quarzit- und Feldspatanteilen. Verwen- einen Durchmesser von 0,3 m und eine Tiefe det wurde ein Lehmmörtel mit Kalkzuschlag, von noch 0,3 m. Die Verfüllung weist schräg wobei der Kalk heute durch den umgeben- gestellte Keilsteine und eine Pfostenstand- den sauren Boden größtenteils herausgelöst spur von ca. 0,16 m Breite auf. Die zweite und nur noch anhand weniger Spuren nach- Pfostengrube nahe der Ostecke des Turmes weisbar ist. Reste eines Außenverputzes hat einen Durchmesser von 0,3 m und eine konnten nicht festgestellt werden, wie es Tiefe von noch 0,22 m. Eine Pfostenstand- auch keine eindeutigen Hinweise auf eine spur konnte hier nicht beobachtet werden. Dachdeckung gab, etwa in Form von Dach- Nachdem man den westlichen Steinturm schiefer oder Ziegeln, was auf eine Einde- wegen Baufälligkeit oder Zerstörung endgül- ckung mit Holzschindeln hindeuten könnte. tig aufgab, wurde ein neuer Steinturm etwas Wegen der umfangreichen früheren Gra- weiter südöstlich versetzt ebenfalls dicht hin- bungen und Freilegungen waren im Innen- ter dem Limes errichtet. Für den Bau des raum des Turmes keine ungestörten neuen Turmes hatte man offenbar die Mau- archäologischen Fundschichten mehr vor- ersteine des alten als Baumaterial wieder ver- handen. Auf der Sohle ließ sich eine mit wendet, was auch erklärt, weshalb die Reste Lehm und einzelnen Bruchsteinen verfüllte des älteren Steinturmes schlechter erhalten muldenförmige Vertiefung feststellen, bei der sind als die des später gebauten östlichen es sich aber wohl um eine moderne Eingra- Steinturmes. bung handelte. Außerhalb der Mauern fan- den sich Reste einer römischen Östlicher Steinturm: Benutzungsschicht nur noch nordöstlich Der östliche Steinturm liegt 8,5 m von der und östlich vom Steinturm vor allem in Südecke des westlichen Steinturmes entfernt. Form vereinzelter Spuren von Verziegelun- Er hat eine quadratische Grundfläche mit gen im Lehm, die sich hier unter Bruchstein- Seiten von etwa 4,4 m Länge und eine Mauer- schuttresten des Turmes erhalten hatten. An dicke im Aufgehenden von 0,9 m. Seine der Südostseite des Turmes konnte auf einer Innenfläche ist mit 2,6 × 2,6 m nur wenig grö- Länge von 0,6 m ein hellerer, tonig-lehmiger ßer als die des westlichen Steinturmes. Sein Streifen mit einer durchschnittlichen Breite Fundament reicht mit 0,6 m jedoch doppelt von 0,3 m und einer Tiefe von etwa 0,2 m so tief in den anstehenden Boden. Es springt beobachtet werden, der in einem Abstand zwischen 0,06 m und 0,1 m nach außen vor. von 0,7 m parallel zur Südostmauer verlief. Im Bereich der Südwestseite des Turmes, Möglicherweise lässt sich der Befund als wo ein Abraumhaufen aus der Zeit der Reichs- Trauferinne deuten, die durch vom Dach Limeskommission die Mauer bedeckt und fallendes Regenwasser entstanden sein dadurch geschützt hat, stehen die Mauerreste könnte. Hieraus wäre ein Dachüberstand des heute noch etwa 1,5 m hoch aufrecht, wenn Turmes zwischen 0,7 m und 1 m zu rekon- auch in den oberen fünf Steinlagen stark nach struieren, was darauf hindeuten würde, dass 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 37

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dieser Steinturm wohl keinen äußeren Um- gang besessen hat.

Limes mit Durchgang Die Türme am Wachposten 1/8 standen un- mittelbar hinter einer 9,25 m breiten Unter- brechung im Limesgraben. Auch der Wall muss an dieser Stelle aufgrund seines geringen Abstandes zu den beiden Steintürmen unter- brochen gewesen sein. Es handelt sich um einen der vielen kleinen Durchgänge im Limes für die militärische Überwachung des Gebietes im Vorfeld des Limes, die besonders für die Limesstrecken 1 und 2 in Westerwald und Taunus charakteristisch sind.7 Die eigentliche natürliche Wegtrasse durch den Limes hin- durch befand sich jedoch rund 100 m westlich der Turmstelle (vgl. Abb. 1), wo ein römscher Durchlass im Limes nicht mehr nachgewiesen werden kann, aber vermutet wird.8 Der Limes zog bei seinem Aufstieg aus dem Rheintal bei Arienheller in östliche festgestellt; denn beide Limesgrabenenden Abb. 11 Aufmaß der Richtung auf den Kamm des Geländerückens sind noch eindeutig nachzuweisen. In der Außen- und Innenmau- zwischen den Tälern des Bahlsbaches und Lücke dazwischen lassen sich jedoch die ern des östlichen Stein- des Nassenbaches über die Höhen von Diels- Reste von drei parallel zueinander verlaufen- turmes von WP 1/8. berg, Steinbrink und Beulenberg bis zum so- den Gräbchen erkennen, bei denen es sich genannten Marsfeld, einem flachen vermutlich um die Überbleibsel von Absper- Geländesattel, auf dem sich der Wachposten rungen mit Holzzäunen handelt. Das nördli- 1/10 befand. Hier erreichte der Limes die Wasserscheide zwischen Rhein und Wied Abb. 12 Östlicher Stein- und bog nach Süden um. Im Bereich des turm von WP 1/8 mit Wachpostens 1/8 sind die Überreste von steingenauer fotogram- Wall und Graben des Limes eingeebnet und metrischer Aufnahme nicht mehr sichtbar, sein ehemaliger Verlauf der Nordostmauer außen. wurde aber durch die Untersuchungen der Reichs-Limeskommission ermittelt. So wurde insbesondere der Palisadengraben direkt westlich der Turmstelle untersucht. Während die Palisade offenbar vor dem Wachposten Abb. 13 Östlicher Stein- 1/8 nicht unterbrochen ist, hatte die Reichs- turm von WP 1/8 mit Limeskommission im Limesgraben eine steingenauer fotogram- Lücke mit einem rinnenartigen Auslauf der metrischer Aufnahme beiden Limesgrabenenden dokumentiert der Nordostmauer (Abb. 2). Nach dem Ausheben der alten Gra- außen. Detailfoto mit bungsschnitte der Reichs-Limeskommission Fundament. wurde indes ein etwas abweichender Befund

7 ORL A, Strecke 1, 31, Strecke 2, 13; HODGSON, Gates and Passage, bes. 184 –185. 8 Vgl. ORL A, Strecke 1, 23. 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 38

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Zaungräbchen zeitlich zueinander, zum Limes- graben und zum Palisadengraben stehen, lässt sich aufgrund der hier besonders umfangrei- chen Störungen durch die früheren Grabun- gen und der daraus resultierenden fehlenden Schichtanbindungen leider nicht mehr klären.

Fundmaterial: Die Nachgrabungen am Wachposten 1/8 lie- ferten eine Reihe von Funden, die das Fund- material ergänzen, das aus den Grabungen der Reichs-Limeskommission bekannt ist.9 Die Funde machen einen zeitlich geschlosse- nen Eindruck und lassen sich am ehesten in das späte 2. Jahrhundert datieren. Haupt- sächlich angetroffen wurden Bruchstücke einfacher Gebrauchskeramik von rauwandig- tongrundiger und glattwandig-tongrundiger Ware wie Teller, Töpfe und Einhenkelkrüge. Terra sigillata liegt lediglich in Form zweier kleiner, nicht näher bestimmbarer Rand- bruchstücke, eines Bodenbruchstücks und eines kleinen Wandbruchstücks vor (Abb. 14). Bei den Funden aus dem Bereich des östli- chen Steinturmes handelt es sich bis auf we- nige kleine und zudem äußerst schlecht erhaltene Scherben meist um verlagerte Fundstücke aus dem Abraum der Reichs-Li- meskommission, wie auch die Sandstein- platte mit Inschriftfragment (s. Beitrag Th. Becker) aus dem Abraumschutt vor der Süd- ostwand des Steinturmes stammt. Eine größere Anzahl von Keramikfunden konnte bei der Anlage des Profilschnittes durch den Umfassungsgraben des Holztur- mes geborgen werden. Während aus der un- teren Verfüllschicht des Grabens vor allem Brandlehmbrocken, teilweise mit anhaften- Abb. 14 Fundinventar che Gräbchen entspricht offenbar der durch den Putzresten und Flechtwerkabdrücken, der Nachgrabungen am die Reichs-Limeskommission vollständig aus- geborgen wurden, stammt das keramische Wachposten 1/8 im gegrabenen auslaufenden Rinne des Limes- Fundmaterial fast ausschließlich aus der obe- Rheinbrohler Wald. grabens, deren ursprüngliche Breite rund 0,4 ren Einfüllung des Grabens, die erst nach Ab- bis 0,5 m betragen haben dürfte, heute aber sackungen innerhalb des primär eingefüllten nicht mehr exakt feststellbar ist. Die beiden Bodens entstanden war. Diese Funde gelang- schmaleren, 0,25 bis 0,3 m und 0,1 bis 0,2m ten demnach erst nach Auflassen des Holz- breiten Gräbchen südlich davon wurden, um turmes, offenbar während der Nutzung des sie im Boden zu erhalten, lediglich im Pla- westlichen Steinturmes in den Graben. num untersucht. Hier zeichneten sich ver- 9 ORL A, Strecke 1 und 2, 169 mit Taf. 24 Fig. 35 u. Taf. 25 einzelte Keilsteinsetzungen ab. Wie die drei Fig. 30 u. 66. 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 39

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Konservierung der Turmstelle 14.1); Randbruchstück eines Tellers mit nach Trotz der vielen modernen Störungen, die innen verdicktem und außen leicht gekehl- dem archäologischen Befund durch die vo- tem Rand, Oberfläche stark angegriffen, rau- rausgegangenen Ausgrabungen und Freile- wandig-tongrundige Ware, hellockerfarbener gungen zugefügt worden waren, lieferten die Ton, Randdurchmesser ca. 20 cm, Inv.-Nr. Nachgrabungen am Wachtposten 1/8 zusätz- 05.44.49.7 (Abb. 14.2); Randbruchstück eines liche Erkenntnisse, mit denen sich Bauweise dünnwandigen Tellers mit innen verdicktem und Baugeschichte der Türme an diesem und außen doppelt gekehltem Rand, rau- Standort neu beurteilen lassen. wandig-tongrundige Ware, gelblicher Ton, Mit der Verbandgemeinde Bad Hönnin- Inv.-Nr. 05.44.49.8 (Abb. 14.3); Randbruch- gen und der Ortsgemeinde Rheinbrohl war stück eines Tellers mit innen verdicktem schon im Vorfeld der Nachgrabungen verein- Rand, rauwandig-tongrundige Ware, dunkel- bart worden, dass die noch vorhandenen Be- grauer Ton, Randdurchmesser ca. 22 cm, Inv.- fundstrukturen der Wachtürme und des Limes Nr. 05.44.6.4 (Abb. 14.4); Randbruchstück am Wachposten 1/8 konserviert, in eine kleine eines Kochtopfes mit horizontal abgeflach- Parkanlage integriert und mit Informations- tem, nach außen gezogenem Rand, rauwan- tafeln erläutert werden sollen. Wachposten dig-tongrundige Ware, altrosafarbener Ton, 1/8 wird dann für die Besucher des im Sommer Randdurchmesser ca. 14 cm, Inv.-Nr. 2008 neu eröffneten Informationszentrums 05.44.49.9 (Abb. 14.5); Randbruchstück eines zum Welterbe Limes in Rheinbrohl-Arienhel- dünnwandigen Kochtopfes mit gekehltem ler ein weiterer Infopunkt am Limeswander- Rand, rauwandig-tongrundige Ware, hell- weg durch den Rheinbrohler Wald. orangebrauner Ton, Randdurchmesser ca. Inzwischen konnte das Grundstück mit 14cm, Inv.-Nr. 05.44.49.5 (Abb. 14.6); Rand- dem Wachposten 1/8 durch die Ortsge- bruchstück eines Gefäßdeckels mit nach meinde Rheinbrohl aus Privatbesitz erworben oben gezogenem, abgerundetem Rand, rau- werden. Im Frühjahr 2008 werden die origi- wandig-tongrundige Ware, graubrauner Ton, nalen Fundamente und unteren Steinlagen Randdurchmesser ca. 18 cm, Inv.-Nr. der Türme wieder gänzlich mit Erdreich zu- 05.44.47.1 (Abb. 14.7); Bruchstück eines gedeckt, um sie vor Witterungseinflüssen und Bandhenkels mit Teil der aufgehenden Wand Vandalismus zu schützen. Auf dieser Erd- eines Kruges, rauwandig-tongrundige Ware, schicht wird exakt über dem römischen altrosafarbener Ton, Inv.-Nr. 05.44.49.3 (Abb. Turmmauerwerk ein neues Turmfundament 14.8); Bruchstück eines Bandhenkels eines mit einigen Steinlagen wieder angelegt, Kruges, rauwandig-tongrundige Ware, hell- wobei auch die römischen Befundstrukturen altrosafarbener Ton, Inv.-Nr. 05.44.49.4 (Abb. im Umfeld der Türme mit neuem Erdreich 14.9); Bodenbruchstück eines Kruges, glatt- abgedeckt werden, um sie und die Fundstü- wandig-tongrundige Ware, weißgrauer Ton, cke darin in ihrem wichtigen Befundzusam- Bodendurchmesser 6 cm, Inv.-Nr. 05.44.49.2 menhang zu erhalten. (Abb. 14.10); Bodenbruchstück eines Kruges, glattwandig-tongrundige Ware, weißgrauer Fundinventar der Nachgrabun- Ton, Bodendurchmesser 6,3 cm, Inv.-Nr. gen am Wachposten 1/8 im 05.44.51.3 (Abb. 14.11); 4 Wandbruchstücke Rheinbrohler Wald wohl eines Gefäßes, glattwandig-tongrundige Ware, weißgrauer Ton, Inv.-Nr. 05.44.46.2; Aus Umfassungsgraben 4 Wandbruchstücke wohl eines Gefäßes, Randbruchstück eines Tellers mit nach innen Oberfläche stark angegriffen und abgenutzt, verdicktem Rand, Oberfläche sehr stark abge- glattwandig-tongrundige Ware, weißgrauer nutzt und angegriffen, rauwandig-tongrun- Ton. Inv.-Nr. 05.44.48.3; 2 Wandbruchstücke dige Ware, hellgraubrauner Ton, Randdurch- eines Gefäßes, Oberfläche stark angegriffen, messer ca. 20 cm, Inv.-Nr. 05.44.49.6 (Abb. rauwandig-tongrundige Ware, rötlich grauer 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 40

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Ton, Inv.-Nr. 05.44.45.1; 46 Wandbruchstücke kleines Randbruchstück eines Terra Sigillata- verschiedener Gefäße, glattwandig-tongrun- Gefäßes, Inv.-Nr. 05.44.17.1 (Abb. 14.15); dige und rauwandig-tongrundige Ware, Inv.- Rand- und Wandbruchstück eines Tellers mit Nr. 05.44.48.4, 49.12-13, 51.4; Holzkohle- innen verdicktem und gekehltem Rand, rau- proben, Inv.-Nr. 05.44.46.1, 48.5, 49.11, 51.2, wandig-tongrundige Ware, graugelber bis 52.2; Brandlehmstücke, zum Teil mit anhaf- ocker-farbener Ton, Randdurchmesser ca. tenden Putzresten und Flechtwerkabdrücken, 24cm, Inv.-Nr. 05.44.17.2 (Abb. 14.17); Inv.-Nr. 05.44.19.1, 45.2, 46.3, 48.1 –3, Randbruchstück eines Kochtopfes mit nach 49.10, 51.1, 52.1. außen gezogenem profiliertem Rand, rau- wandig- tongrundige Ware, rötlich grauer Bereich westlicher Steinturm Ton, Randdurchmesser ca. 18 cm, Inv.-Nr. Funde beim Erstellen des Planums: Henkel- 05.44.22.1 (Abb. 14.18); Bodenbruchstück fragment mit Wandansatz eines Kruges mit eines Standringes einer Terra Sigillata-Schüssel, Bandhenkel, Oberfläche sehr stark angegrif- Inv.-Nr. 05.44.22.4; Bruchstück der Boden- fen, glattwandig-tongrundige Ware, weiß- platte eines Kochtopfes, rauwandig-tongrun- grauer Ton, Inv.-Nr. 05.44.20.2 (Abb. 14.12); dige Ware, grauer Ton, Inv.-Nr. 05.44.17.4; Wandbruchstück, rauwandig-tongrundige Wandbruchstück aus dem unteren Wan- Ware, rötlich grauer Ton, Inv.-Nr. 05.44.59.1; dungsbereich mit Bodenansatz eines Koch- Wandbruchstück, glattwandig-tongrundige topfes, rauwandig-tongrundige Ware, grauer Ware, rötlich grauer Ton, Inv.-Nr. 05.44.20.1; Ton, Inv.-Nr. 05.44.17.3; 2 Wandbruchstücke 4 kl. Wandbruchstücke eines Gefäßes, rau- eines Gefäßes, rauwandig-tongrundige Ware, wandig-tongrundige Ware, schwarzgrauer weißgrauer Ton, Inv.-Nr. 05.44.17.5; Wand- Ton, Inv.-Nr. 05.44.19.2; Brandlehm, Inv.-Nr. bruch- stück, rauwandig-tongrundige Ware, 05.44.15.1, 20.1, 59.1; 13 größtenteils ange- grauer Ton, Inv.-Nr. 05.44.39.1; 9 Wand- glühte Quarzsteine, Inv.-Nr. 05.44.59.2. Aus bruchstücke verschiedener Gefäße, rauwan- der Pfostengrube vor der Mitte der Nordost- dig-tongrundige Ware, Inv.-Nr. 05.44.22.2; seite, so genannte St. 55: Bruchstück eines Brandlehm, Inv.-Nr. 05.44.22.3. eisernen Nagels, Inv.-Nr. 05.44.55.1 (Abb. 14.14). Aus Pfostengrube nahe der Ostecke, Aus Limesgraben vor WP 1/8 sogenannte St. 57: Bruchstück der Boden- Randbruchstück eines Kochtopfes mit Herz- platte eines Tellers, rauwandig-tongrundige profil, rauwandig-tongrundige Ware, gelb- Ware, rötlich grauer Ton, Bodendurchmesser lichgrauer Ton, Randdurchmesser ca. 13cm, ca. 20cm, Inv.-Nr. 05.44.57.2; Bruchstück Inv.-Nr. 05.44.54.1 (Abb. 14.19); Boden- eines eisernen Nagels, Inv.-Nr. 05.44.57.3 bruchstück eines Kochtopfes, rauwandig-ton- (Abb. 14.13); Brandlehm, Inv.-Nr. 05.44.57.1; grundige Ware, weißer Ton, Bodendurch- Basaltstein, Inv.-Nr. 05.44.57.4. messer ca. 10 cm, Inv.-Nr. 05.44.54.4 (Abb. 14.20); 14 Wandbruchstücke verschiedener Bereich östlicher Steinturm Gefäße, rauwandig-tongrundige Ware, Inv.- Aus Abraum der Reichs-Limeskommission: Nr. 05.44.54.2; Roteisenstein, Inv.-Nr. kleines Randbruchstück eines Terra Sigillata- 05.44.54.3. Gefäßes, Randdurchmesser ca. 12 cm, Inv.- Nr. 05.44.6.1 (Abb. 14.16); kleines Wand- Dr. Cliff Alexander Jost bruchstück eines Terra Sigillata-Gefäßes, Inv.- Generaldirektion Kulturelles Erbe, Nr. 05.44.6.2; kleines Wandbruchstück eines Direktion Landesarchäologie, Bechers mit Griesbewurf, gefirnisste Ware, Außenstelle Koblenz Inv.-Nr. 05.44.6.3; Eisenfragment, Inv.-Nr. Niederberger Höhe 1, 56077 Koblenz 05.44.6.6; Bruchstück einer Sandsteinplatte E-Mail: [email protected] mit Inschrift, Inv.-Nr. 05.44.6.5 (vgl. S. 43, Abb. 1). Funde beim Erstellen des Planums: 030-041 Limes_Bd3_Jost_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 41

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Literaturverzeichnis the XIXth International Congress of Roman Frontier Studies held in Pécs, Hungary, Sep- BAATZ, Wachttürme am Limes tember 2003 (Pécs 2005) 183 –188. D. Baatz, Die Wachttürme am Limes. Kleine Schriften Limesmuseum Aalen 15. (Stuttgart JOST, Limes 1976). C. A. Jost, Der Römische Limes in Rheinland- Pfalz. Archäologie an Mittelrhein und Mosel BECKER, Wachttürme 14. 2. Auflage (Koblenz 2006). Th. Becker, Die Wachttürme am Taunuslimes zwischen Zugmantel und Saalburg. (Ungedr. JOST, Limes-Wachtposten 1/8 Magisterarbeit Freiburg 1998). C. A. Jost, Nachgrabung und Konservierung der Türme am Limes-Wachtposten 1/8 im BECKER, Wachtturmgrundrisse Rheinbrohler Wald. Der Limes I. 2007. 2, 4 f. Th. Becker, Überlegungen zur kleinräumigen Gliederung des Limes am Beispiel des Ober- germanischen Abschnitts. Aussagemöglich- Abbildungsnachweis keiten von Wachtturmgrundrissen. In: LIMES IMPERII ROMANI. Beiträge zum Fach- Abb. 1 GDKE, Dir. Archäologie Koblenz, kolloquium „Weltkulturerbe Limes“ Novem- A. Schmidt; Abb. 2 ORL A, Strecke 1 und 2, ber 2001 in Lich-Arnsburg. Taf. 4.2; Abb. 3 ORL A, Strecke 1 und 2, Taf. Saalburg-Schriften 6, 2004, 67 –74. 8.3; Abb. 4 H. Preißing, Rengsdorf; Abb. 5 H. Preißing, Rengsdorf; Abb. 6 GDKE, ORL A, Strecke 1 und 2 Dir. Archäologie Koblenz, C. A. Jost; Abb. 7 E. Fabricius, F. Hettner, O. von Sarwey, Der GDKE, Dir. Archäologie Koblenz, F. Brüning- obergermanisch-raetische Limes des Römer- haus; Abb. 8 GDKE, Dir. Archäologie Koblenz, reiches. Abt. A, Bd. I 1, Strecke 1 und 2 A. Schmidt; Abb. 9 GDKE, Dir. Archäologie (Berlin, Leipzig 1936). Koblenz, A. Schmidt; Abb. 10 GDKE, Dir. Ar- chäologie Koblenz, F. Brüninghaus; Abb. 11 HODGSON, Gates and Passage GDKE, Dir. Archäologie Koblenz, A. Schmidt; N. Hodgson, Gates and Passage Across the Abb. 12 GDKE, Dir. Archäologie Koblenz, Frontiers: The Use of Openings Through the A. Schmidt; Abb. 13 GDKE, Dir. Archäologie Barriers of Britain, Germany and Raetia. In: Koblenz, A. Schmidt; Abb. 14 GDKE, Dir. Zsolt Visy (Hrsg.), LIMES XIX. Proceedings of Archäologie Koblenz, M. Meinen. 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 42

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BECKER · EIN INSCHRIFTENFRAGMENT VOM WACHTURM 1/8 BEI RHEINBROHL 43

EIN INSCHRIFTENFRAGMENT VOM WACH- TURM 1/8 BEI RHEINBROHL. ZUR „INSCHRIFTEN - AUSSTATTUNG“ DER WACHTÜRME AM OBERGERMANISCH-RAETISCHEN LIMES1 Von Thomas Becker

unde von Inschriften – seien es Bau-, Inschriftenhäuftigkeit und außergewöhnli- FWeihe- oder Grabinschriften – stellen am che Bauornamentik in der Forschung hin- Obergermanisch-Raetischen Limes keine Sel- länglich besprochen wurde und im deutli- tenheit dar. Allein im ORL sind 412 Einzel- chen Kontrast zur übrigen Grenze funde aufgeführt, wobei die Zahl durch steht.4 Der Umstand der immer wieder zutage tretende Neufunde seit- „Inschriftenlosigkeit“ am rest- dem deutlich erweitert wurde.2 Betrachtet lichen Obergermanisch-Raeti- man sich die Fundumstände der Inschriften, schen Limes bedarf einer nähe- so fällt die Konzentration der Stücke bei Kas- ren Betrachtung, da er im tellplätzen auf. Nur ganz wenige Stücke klaren Gegensatz zu den Kastell- stammen aus den Streckenbeschreibungen plätzen steht. Der Neufund der Reichs-Limeskommission und damit ver- eines Inschriftenfragments meintlich von der Grenzlinie selbst, wobei vom Wachturm 1/8 (s. Beitrag sich bei der Überprüfung der einzelnen Jost) soll als willkommener Fundumstände auch hier noch der Großteil Anlass für eine Untersuchung zu Kastellen, die im Rahmen der Streckenbe- des Inschriftenbestandes von den schreibungen besprochen wurden, zuweisen Türmen und der Strecke des Limes lässt.3 Lediglich acht vollständige oder frag- dienen. mentierte Steine stammen von der Strecke Abb. 1 Wachturm 1/8. selbst, hinzu kommen noch fünf später Die Inschrift von WP 1/8 Inschriftenfragment aus gefundene Fragmente. Dieses starke Missver- Bei der als Sicherungsmaßnahme durchge- Sandstein. hältnis wird noch verstärkt durch die Vertei- führten Ausgrabung durch das Amt Koblenz lung der Inschriften auf die einzelnen Stre- der Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direk- ckenabschnitte. Fünf der Inschriften sind tion Archäologie, konnte im Schutt der öst- von Wachtürmen des Odenwaldlimes (Stre- lichen jüngeren Turmstelle das Fragment cke 10) bekannt, dessen ungewöhnliche einer Inschrift geborgen werden (Abb. 1). Der Stein misst 19 cm in der Länge, 15 cm in der Breite und hat eine Stärke von 1,4 bis 1 Ich danke ganz herzlich Herrn Dr. C. A. Jost, Amt Koblenz der Direktion Archäologie in der Generaldirektion 2,2 cm. Keine der Außenkanten weist eindeu- Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, für die Überlassung der Inschrift zur Publikation. Für Hinweise zur Lesung gebührt tige Bearbeitungsspuren auf und auch die mein Dank Herrn Dr. M. Scholz, RGZM Mainz, und Herrn Rückseite des Steins ist unregelmäßig gebro- Dr. M. Reuter, LVR/APX Xanten. 2 Zu den Funden der Reichs-Limeskommission vgl. Olden- chen. Es ist folglich davon auszugehen, dass stein, Fundindex 39 –43. Dieser schlüsselt die Inschriften- das Fragment zu einem größeren Stein funde nach ihrer Klassifizierung auf: Kaiserinschriften (26), Bauinschriften (21), Pediturasteine (13), Grabinschriften gehörte und an allen Seiten noch zu ergän- (44), Weihungen (224), Benefiziarierinschriften (27), Mei- zen ist. Das Rohmaterial ist eine nicht näher lensteine (3) und nicht zuweisbare Fragmente (78). Eine vollständige Übersicht über die immer wieder auftretenden bestimmte Sandsteinart. Neufunde gibt es aktuell nicht. Es sei hier aber beispielhaft für die verschiedenen Ergänzungen zum CIL auf Finke, Auf dem Fragment sind vier Zeilen mit Inschriften verwiesen. Buchstabenresten erhalten, deren Höhe vari- 3 Oldenstein, Fundindex 39 –43 nennt aus den Streckenbe- schreibungen des ORL (Abtl. A) insgesamt 18 Inschriften, ieren: (Zeile 1) > 3,2 cm, (Zeile 2) 6,4 cm, (Zeile 3) wovon sich zehn originär Kastellplätzen und Kleinkastellen 4,9 cm, (Zeile 4) 3,2 cm. Deutlich ist über und zuweisen lassen. 4 Baatz, Hesselbach 128 –134. unter der Zeile 2 eine dünne eingemeißelte 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:44 Uhr Seite 44

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berücksichtigt das Trennungszeichen, mit dem das Gentiliz abgekürzt wird, bleibt am Beginn der dritten Zeile nur Platz für zwei, maximal drei Buchstaben, sodass ein relativ kurzes Cognomen zu rekonstruieren ist. Hier bieten sich verschiedenste Cognomina an5, wobei eine abschließende Rekonstruktion offen bleiben muss. In der vierten Zeile befindet sich ein Wortrest, der als Blocksatz eingerückt ist und somit auch für eine relativ schmale Rekonstruktion der fehlenden lin- ken Inschriftenseite spricht. Das Wort lässt sich zweifelsfrei als praefectus ergänzen. Betrachtet man sich den Ductus der Inschrift und den Nominativ des Dedikanten, so handelt es sich um eine Weiheinschrift. Ein vom Aufbau ähnliches Stück stellt die Fortuna-Weihung des L. Sextius Victor, Prae- fekt der cohors II Raetorum civium Romanorum equitata, von der Saalburg dar6 (Abb. 2), die wahrscheinlich als frei stehender Altar zu rekonstruieren ist. Die Position des E in Zeile 1 der vorliegenden Inschrift könnte mit der gebotenen Vorsicht als Dativ einer weibli- chen Gottheit als Adressat gedeutet werden. Dies engt den Kreis der möglichen Adressa- Abb. 2 Fortuna-Weihung Linie als Orientierung für die Buchstabenhöhe ten deutlich auf Fortuna, Minerva und Victo- von der Saalburg. Deut- erkennbar. Die Inschrift ist wie folgt zu lesen: ria ein. Zumindest handelt es sich hierbei um lich ist der Stein als ur - die weiblichen Gottheiten, denen am Limes sprünglich freistehender [—-] am häufigsten Weihungen gestiftet wurden.7 Altar zu identifizieren. Zeile 1 [—-]L oder E[.] Der in der Inschrift als Dedikant Zeile 2 [.]·VLP(ius)· genannte (Marcus) Ulpius ...sius weist sich Zeile 3 [..]SIVS aufgrund seiner Tria Nomina als römischer Zeile 4 [PR]AEF(ectus) Ritter aus. Sein Gentiliz Ulpius gibt als Termi- [—-] nus post quem für die Entstehung die Regie- rungszeit des Kaisers Traian an, während Der Buchstabe in Zeile 1 kann aufgrund des diese Gentiliz bei römischen Rittern erstmals Bruches entweder als L oder als E interpretiert für das Jahr 141 n. Chr. nachgewiesen werden werden. In der zweiten Zeile befindet sich kann.8 Diese Person ist bislang aus antiken das Gentiliz Ulpius, das rückschließend aus Schriftquellen und von Inschriften nicht der Zeile 3 im Nominativ zu rekonstruieren namentlich bekannt.9 Als Kommandeur ist. Der vorhandene dreieckige Trenner vor einer Einheit im Range eines Praefekten führt dem Gentiliz deutet auf ein weiteres Wort er eine Auxiliareinheit, sodass davon aus- am Anfang dieser Zeile hin. In der Zeile 3 be- zugehen ist, dass er eine der in der Umge- findet sich der Rest des Cognomens, für des- sen Auflösung mehrere Varianten möglich 5 Moscy, Nomenclator 367 –368. 6 CIL XIII 7445. sind. Nimmt man jedoch die gängige Abkür- 7 Stoll, Skulpturenausstattung 613 zung des Praenomens mit einem Buchstaben 8 Devijver, Prosopographia I 797 –805, bes. 798 U 3. 9 vgl. Devijver, Prosopographia I 797 –805; Devijver, Proso- an, mit dem die zweite Zeile beginnt, und pographia II 2259 –2260. 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 45

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bung stationierten Truppen befehligt hat. Der Stein erweist sich somit als lang- Betrachtet man die dort am Limes stationier- schmale Inschrift, die vielleicht in Anlehnung ten Truppen, werden im 2. und 3. Jahrhun- an die oben genannte Fortuna-Weihung von dert die cohors I Flavia Hispanorum equitata der Saalburg oder die am Wachturm 10/37 und die cohors I Raetorum equitata civium „Schneidershecke“ gefundene Weihung an Romanorum in Remagen sowie die cohors VII Jupiter als schmaler Altar zu rekonstruieren ist. Raetorum equitata in Niedernberg von Prae- fekten kommandiert.10 Der cohors XXVI voluntariorum civium Romanorum in Heddes- dorf steht nachweislich genauso ein Tribu- nus vor wie den beiden im Kastell Niederbie- ber stationierten Numeri.11 Während das Kastell Bendorf zum Zeitpunkt der Entste- hung der Inschrift bereits aufgelassen war, ist für das Kastell Bad Ems aufgrund der Größe von einem Numerus oder einer Vexillation auszugehen, der normalerweise kein Praefekt vorstand.12 Dabei scheint eine Weihung eines niedergermanischen Praefekten am obergermanischen Grenzbereich eher unwahrscheinlich, sodass der stiftende Prae- fekt möglicherweise der Niederberger cohors VII Raetorum equitata zuzuweisen ist. In Inschriften von Wachtürmen jedem Fall muss es sich um einen Ritter wäh- und der Strecke des Abb. 3 Wachturm 1/8. rend seiner militia prima des cursus honorum Obergermanischen Limes Rekonstruktionsversuch handeln, da keine höherrangigen Einheiten Das Inschriftenfragment einer Weihung vom der Inschrift. für eine militia secunda (cohors miliaria) oder Wachturm 1/8 soll im Folgenden in den tertia (ala quingenaria) in diesem Limesab- Zusammenhang von Inschriftenfunden schnitt zu finden sind. anderer Wachturmstellen bzw. der Strecke Zusammenfassend kann anhand der gestellt werden. Wie bereits ausgeführt, erarbeiteten Details folgender Rekonstrukti- umfasst diese Betrachtung nicht den Bestand onsvorschlag für die gesamte Inschrift gege- der Bauinschriften des Odenwaldlimes, da ben werden (Abb. 3): ihre Interpretation unstrittig ist und sie im Vergleich zur übrigen Strecke in ihrer Art [DEAE] und Häufigkeit eine Ausnahme darstellen. [FORT] Auf die umfangreiche Auseinandersetzung in VNA]E der Wissenschaft wurde ja bereits verwiesen.13 [M(arcus)·VLP(ius)· [..]SIVS Wachposten 4/14 [PR]AEF(ectus) „Friedberger Burgwald“ [COH VII] Bei der Untersuchung der Turmstelle durch [RAET(orum)] die Reichs-Limeskommission fand der Stre- [V(otum) S(olvit) L(ibens) L(aetus) ckenkommissar 1892 an der Westseite des M(erito)] Steinturms drei Inschriftenfragmente aus Sand - stein.14 Sie wurden bereits durch die Reichs- 10 Remagen: CIL XIII 7792; 7796; 7797; 7800. Niedernberg: Limeskommission und auch in der späteren CIL XIII 7735. 11 CIL XIII 7741; 7743. 12 Oldenstein-Pferdehirt, Hilfstruppen 335 Abb. 9; Schön- 14 ORL A II,1 Str. 4 –5 65; 202 Abb. 6; Finke, Inschriften 73 berger, Truppenlager 460; Reuter, Numeri 410. Nr. 221 –223. – Die Stücke befinden sich heute im Hessi- 13 Baatz, Hesselbach 128 –134; Reuter, Numeri 442 –460. schen Landesmuseum Darmstadt. 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 46

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Forschung als Bruchstücke der Bauinschrift dort belegten Numerus NID(ensium) in Ver- der Turmstelle interpretiert.15 Die Stücke wei- brindung gebracht. sen folgende Charakteristika auf (Abb. 4): b) 10 × 7,5 × ? cm großes Sandsteinfrag- a) 20 × 30 × 10,5 bis 12,0cm großes Sand- ment, auf dessen Vorderseite der Rest einer steinfragment, auf dessen Vorderseite die Inschriftenzeile zu erkennen ist. Die Buch- Reste von zwei Inschriftenzeilen zu erkennen stabenhöhe beträgt ca. 3,5 cm. An keiner sind. Die Buchstabenhöhe beträgt jeweils Stelle des Fragments konnte eine Original- 8,5cm. Die untere Kante des Fragments kante nachgewiesen werden, die Rückseite scheint aufgrund des graden Abschlusses eine ist ebenfalls unbearbeitet. Dafür zeigen sich Originalkante des Steins zu sein, die Rück- auf der oberen Bruchkante Bearbeitungs- seite weist ebenfalls eine grobe Glättung auf. spuren.

[—-]N[—-] [—- LEG X]XII P[PF—-] [—-]NID[—-] Die Zeile wird nach der in Mainz statio- Die zweite Zeile wird mit dem im Kastell nierten Legio XXII Primigenia pia fidelis ent- Kapersburg stationierten und inschriftlich sprechend aufgelöst.

Abb. 4 Inschriftenfrag- mente von Wachturm- stellen am Obergerma- nischen Limes. a –c WP 4/14; d KK Degerfeld 4b 4c e– f WP 7/33; g WP 12/13.

4a

4f

4d 4e 4g 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 47

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c) 16,5 × 8 × 11,3 cm großes Sandsteinfrag- statt.17 Da die genaue Fundstelle und die ment, auf dessen Vorderseite der Rest einer Lage innerhalb des Grabens durch die ver- Inschriftenzeile zu erkennen ist. Die Buchsta- schiedenen Verfüllschichten nicht mehr benhöhe beträgt noch 3,5 cm. An keiner ermittelt werden kann, ist der Einlagerungs- Stelle des Fragments konnte eine Original- zeitpunkt während der Nutzung des Kastells kante nachgewiesen werden, die Rückseite ist bis Anfang des 3. Jahrhunderts oder danach ebenfalls unbearbeitet. Dafür zeigen sich auf während der langsamen Verfüllung des Gra- der oberen Bruchkante Bearbeitungsspuren bens unklar. Aufgrund der Erhaltung des sowie eine Brandrötung. Altars ist kaum von einer sekundären Ver- wendung als Baumaterial auszugehen. [—-]VID[—-] Die Weiheformel weist die Inschrift in das 3. Jahrhundert. Nach der Umzeichnung Die geringen Buchstabenreste lassen ist in der dritten Zeile der Lesung im ORL keine Lesung bzw. Interpretation zu. mit [—]FICIVS als im CIL bzw. bei Heichel- Bemerkenswert sind bei den erhaltenen heim mit [—]ITICIVS zu folgen, zumal ein Fragmenten die unterschiedliche Stärke der Name mit letztgenannter Endung bislang Steine und die variierende Buchstabenhöhe. nicht nachweisbar ist. Dagegen könnte das Die gerade Unterkante von Fragment a legt [—]FICIVS zu Cornificius oder Fuficius aufge- einen originären Abschluss der Inschrift an löst werden18, wobei dem Letztgenannten dieser Stelle nahe. Weiterhin fallen die an aufgrund des geringen Platzes auf dem Altar den Fragmenten beobachteten Bearbeitungs- und der größeren Verbreitung dabei der Vor- spuren an der Bruchkante auf. zug zu geben wäre.19 Die Stiftung eines Altars für die Wege- Im Graben des Kastelles gottheiten im Umfeld des Kleinkastells Butzbach-Degerfeld erscheint entgegen der Meinung des Stre- Bei der Untersuchung des Kleinkastells ckenkommissars nicht unbedingt unwahr- Degerfeld durch die Reichs-Limeskommis- scheinlich. Immerhin lässt sich ein Zuweg sion konnte aus dem äußeren Graben der von Südosten vom Kohortenkastell nachwei- Anlage ein Altar geborgen werden.16 Ein sen.20 Bei den Ausgrabungen der 1960er- Zusammenhang mit dem Kastell wurde aller- Jahre fanden sich nordöstlich vor dem Kas- dings vom Streckenkommissar, wahrschein- tell zwei befestigte Wege, die auf das einzige lich aufgrund des Adressats der Weihung, in Tor des Kleinkastells zuführten und von Zweifel gezogen. denen der südlichere sicherlich mit dem d) 30,75 × > 30 cm großer Altar, Material Zuweg vom Kohortenkastell identisch ist. unbekannt. Im Stirnfeld Weiheformel, im Aufgrund der Beobachtungen am südwest- Textfeld drei, möglicherweise vier Buchsta- lich anschließenden Streckenabschnitt des benreihen erkennbar. Buchstabenhöhe im Limes ist ein grenzbegleitender Weg nachge- Stirnfeld ca. 3, im Textfeld ca. 2,3 cm. wiesen21, der sich allerdings im Norden des Kleinkastells nicht mehr nachweisen, sicher- I N H D D lich aber vermuten lässt. Schließlich ist der DEABVS·QV Übergang über die Grenze im Umfeld des ADVRVBIS Kleinkastells zu suchen, wenn er auch bis- [—]FICIV[S] [—-] 15 ORL, ebd. 65. Klee, Limes 93. Reuter, Numeri 516 –519. 16 CIL XIII 7431. ORL A II, 1 Strecke 4 –5 89 Taf. 6.4b; Heichelheim, Quadruviae 717. Das Stück befindet sich nach Die Verfüllung des Grabens der jüngeren Aussage des Limeswerks im Landesmuseum in Darmstadt. 17 Jorns/Meier-Arendt, Degerfeld 19. Steinbauphase des Kastells fand nach 18 Mocsy, Nomenclator 352. Erkenntnissen aus den neueren Grabungen 19 Ebd. 130. 20 ORL A II, 1 Strecke 4 –5 Taf 6.3a. 1964 bis 1966 über einen längeren Zeitraum 21 Ebd. Taf. 5.4b. 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 48

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lang archäologisch nicht nachgewiesen wer- weiteren Fragment mit Profilierung (19 × 17 × den konnte. Die Position des Kleinkastells 9 cm), das keine Buchstabenreste zeigt, wohl hat ohne eine Querungsmöglichkeit der zu einer einzigen Inschrift. Die starke Frag- Grenze an dieser Stelle keinen Sinn.22 Folg- mentierung verhindert eine exakte Rekon- lich wäre am Kleinkastell eine Kreuzungssi- struktion des Inhalts, doch schränkt der tuation von vier Wegen gegeben und damit Buchstabe D in der ersten Zeile des Fragments eine Aufstellung einer Weihung an die Wege- e die Interpretation zumindest ein. Denkbar gottheiten anzunehmen. ist zum einen eine mit der üblichen Formel Dis Manibus beginnende Grabinschrift, wel- Bei Wachposten 7/33 che entweder ausgeschrieben die ganze Zeile Lindig-Nord füllte oder in Blocksatz geschrieben die Bei Suchschnitten, die im Auftrag des Forst- Abkürzung DM an Zeilenbeginn und -ende amts Walldürn 1971 von Bundeswehrsolda- erwarten ließe. Für beide Ausführungen las- ten angelegt und vom Landesdenkmalamt sen sich Beispiele finden.24 Möglich wäre Baden-Württemberg begleitet wurden, allerdings auch eine Weihung an eine unbe- konnte etwa 10 bis 20 m nördlich der Turm- stimmte Gottheit (D[EO —-]; D[EA —-]) oder stelle 7/33 eine als Werkplatz für Steinbear- die Göttergemeinschaft (DIIS DEABVSQVE beitung interpretierte Steinkonzentration [—-]). Diese Anrede lässt sich zumindest für beobachtet werden.23 Die Ausdehnung des Obergermanien in der Mehrzahl am Inschrif- Befundes ist unbekannt, aber Absprengungen tenbeginn für männliche Gottheiten (Attis, von zugeschlagenen Handquadern belegen Hercules, Mars, Merkur, Sol Invictus, Sucel- dies deutlich. Unter dem roten Sandsteinma- lus), aber auch für wenige weibliche (For- terial fanden sich drei Architekturfragmente, tuna, Proserpina, Sirona) belegen. wobei sich auf zwei Stücken Inschriftenreste Auffällig sind bei dieser Inschrift auch befinden (Abb. 4). die nur grob bearbeitete Außenkante und das e) 23 × 53 × 10 cm großes Fragment, durch ein Profil abgesetzte Inschriftenfeld. Außenkanten ungeglättet. Rückseite unbear- Die Profilierung ist sowohl für frei stehende beitet, Inschriftenfeld durch Rahmen abge- Steine (Altäre, Grabsteine) wie auch für ein- setzt, drei Zeilen mit jeweils einem Buchsta- gebaute Inschriften belegt. Die muschelarti- ben erhalten, Buchstabenhöhe 8 cm gen Aussprengungen an der linken Kante von e könnten Beschädigungen sein, wie sie D[—-] häufiger an Altären nachzuweisen sind.25 S[—-] Eine abschließende Entscheidung für eine T[—-] frei stehende oder eingebaute Inschrift kann [—-] daher nicht getroffen werden. Die Fundumstände, die starke Fragmen- f) 13 × 10 × 4 cm großes Fragment, tierung und die Spuren einer Umarbeitung Außenkante ungeglättet, Rückseite wohl weg- sprechen für eine geplante Wiederverwen- gebrochen, Inschriftenfeld durch Rahmen dung als Baumaterial. abgesetzt, eine Zeile zum Teil erhalten, Buch- stabenhöhe noch 7,5 cm Feldwache 12/13 „Klosterfeld“ Im Bereich der Feldwache im Klosterfeld [—-] (Größe 10,5 × 10,5 m) konnte bei „Schürfun- M[—-] gen“ in den 1970er-Jahren das Oberteil eines [—-] kleinen Altars aus Schilfsandstein (Abb. 4) geborgen werden.26 Das bestimmte Material Aufgrund des verwendeten Steinmateri- des Weihesteins steht im deutlichen Kontrast als und der gleichen Buchstabenhöhe gehö- zu dem laut ORL für den Bau der Feldwache ren beide Fragmente zusammen mit einem verwendeten Kieselsandstein (Fleinstein)27: 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 49

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g) 8,4 × > 9,5 cm × ? messendes Altarfrag- Recht als Rest einer Torkonstruktion ange- ment. Erhalten sind zwei Inschriftenzeilen sprochen werden. mit einer Buchstabenhöhe von ca. 1,8cm28: An der Strecke in der Nähe des Wach- turms 15/39 „Nördlich Laimerstadt“ konnte INHD[D] ein Bruchstück einer Steininschrift geborgen [—-] werden. Da es sich um einen Altfund han- [—-] delt, sind die Fundumstände nicht eindeutig überliefert, doch scheint das Stück im Umfeld Die erste Zeile lässt sich eindeutig als eines Feldkreuzes (Wetter-/Etterkreuz) gefun- Weiheformel In honorem domus divinae auflö- den worden zu sein. In diesem Bereich sollen sen, während die zweite Zeile aufgrund der zwei römische Straßen von Süden auf den fehlenden Observationsmöglichkeit schwie- Grenzverlauf treffen, sodass von einer Torsitua- rig zu deuten ist. Bis auf die moderne Beschä- tion auszugehen ist.30 Die Lesung wird durch digung im oberen Altarbereich und dem die spätere Überarbeitung des Steins erschwert, etwas unregelmäßigen Bruch durch das es wurde auch über einen nachrömischen Inschriftenfeld scheint das Stück unbeschä- Ursprung der Inschrift nachgedacht.31 Auf- digt zu sein. Hinweise für eine sekundäre grund der vorliegenden Informationen ist Nutzung liegen offensichtlich nicht vor. eine abschließende Interpretation des Stü- ckes nicht möglich, doch könnte die vermu- Inschriften von Wachtürmen tete Wegkreuzung mit aller größter Vorsicht und der Strecke des Raetischen in Richtung einer Weihung an die Wegegott- Limes heiten gedeutet werden. Im Gegensatz zu den Beispielen vom ober- germanischen Limesabschnitt sind aus Rae- Andere Steindenkmäler von tien bislang keine Inschriften direkt römi- Wachtürmen und der Strecke schen Wachtürmen zuzuordnen. Von der Betrachtet man sich die vorgestellten Turmstelle 13/43 „Im Mittlach“ liegen zwei Inschriften entlang des Obergermanisch-Rae- Fragmente von vergoldeten Bronzebuchsta- tischen Limes, so fällt zumindest für einige ben vor. Sie befanden sich in dem Durch- Stücke ein kultischer Zusammenhang auf. gang, der als Lücke zwischen dem Turm und Vor einer Interpretation bedarf es einer Über- der Fortführung der Mauer gebildet wird. prüfung, inwieweit andere Steindenkmäler Dort konnten nach dem Bericht des Stre- Hinweise auf Kultpraktiken am Limes außer- ckenkommissars Balken dokumentiert wer- halb der Kastellplätze liefern. Dass mit sol- den, zwischen denen sich die Buchstaben chen Funden zu rechnen ist, belegt eindeutig befanden.29 Unklar bleibt bei dieser Beschrei- die Skulpturengruppe von der Wachturm- bung zwar der Erhaltungszustand der Balken, stelle 10/37 am Odenwaldlimes.32 doch spricht die Beschreibung eindeutig für An der Turmstelle 12/9 „Bemberlesstein“ eine Anbringung an dieser Holzkonstruktion, konnten bei Restaurierungsarbeiten in den die vom Streckenkommissar sicherlich mit 1970er-Jahren zwei Skulpturenfragmente

22 Jorns/Meier-Arendt, Degerfeld 14. 28 Die Maßangaben gehen auf das in den Fundber. angege- 23 Fundber. Baden-Württemberg 5, 1980, 254. bene Maß der Höhe von 9,5 cm und den Abbildungsmaß- 24 Lehner, Steindenkmäler Nr. 631, 647, 671, 878 als Bei- stab von „knapp 1 : 3“ zurück. Bei diesem Maßstab wäre der spiele für eine Ausschreibung der Formel. Die Beispiele für Altar allerdings nur knapp 7,6 cm hoch, während der Bild- eine Abkürzung sind an gleicher Stelle zahlreich vertreten maßstab bei einer realen Höhe von 9,5 cm 1 : 3,65 wäre. und werden daher hier nicht extra aufgelistet. Die angegebenen Maße wurden aufgrund letztgenannten 25 Schillinger-Häferle, Inschriften 54 –55 Nr. 20 sind diese Verhältnisses bestimmt. Beschädigungen deutlich zu sehen. Weitere Beispiele finden 29 ORL A VI Str. 13 47; 73. sich Ebd. 58 –59 Nr. 22. 30 CIL III 5916; ORL A VII Str. 15 75; Vollmer, Inscriptiones 26 Fundber. Baden-Württemberg 2, 1975, 176 –177. Das 85, Nr. 269A. Das Stück soll sich heute im Museum in Stück befindet sich in Privatbesitz, ist dort aber heute nicht Regensburg befinden. mehr auffindbar. 31 ORL A VII Str. 15 75. 27 ORL A VI Str. 12 34. 32 Baatz, Hesselbach 135 –142. 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 50

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geboren werden.33 Es handelt sich um Teile Inschriften von Wachtürmen einer wohl vollplastischen, unterlebensgroß und der Strecke des Hadrians- gearbeiteten Statue aus Schilfsandstein. Die walls erhaltene Länge eines Fragmentes beträgt Um die am Obergermanisch-Raetischen Limes 19,5 cm, das als linke Hand zu erkennen ist, beobachteten Inschriften aus Wachtürmen die ein Füllhorn hält. Außerdem schließen und Feldwachen besser interpretieren zu sich an die Hand Gewandteile eines Falten- können, bedarf es auch einer Betrachtung wurfs an. Bei dem zweiten Fragment handelt der Situation an anderen Grenzabschnitten. es sich um den Teil einer Extremität, auf- Hier bietet sich Hadrianswall in Großbritan- grund der extrem verjüngenden Form wohl nien an, der große Ähnlichkeiten in der um einen nackten Unterschenkel oder einen Grenzverteidigung und der guten Aufarbei- Unterarm. Aufgrund der erhaltenen linken tung des Inschriftenmaterials besitzt. Dort Hand mit Füllhorn und Mantelrest ist einer- konnten an den Wachtürmen, Milecastels seits an eine Fortuna-Statue zu denken.34 In und der Strecke selbst insgesamt 293 Zusammenhang mit dem anderen Fragment Inschriften nachgewiesen werden, wobei scheint aber eher eine Genius-Statue in Frage diese Aufzählung nicht die Inschriften der zu kommen, wobei es sich dann um die fast Kastellplätze umfasst.39 Es handelt sich hier- nackte Darstellung mit seitlich herunterhän- bei mit wenigen Ausnahmen um einfache gendem Mantel handeln würde.35 (Abb. 5) Bauinschriften bzw. Markierungen der Auffällig bei diesen beiden Statuenfragmenten Abschnitte einzelner Bauabteilungen. In die- ist die Vergesellschaftung mit mittelalterlichen sen Zusammenhang sind sicherlich auch Scherben und einer wohl mittelalterlichen einige Steine mit Zahlzeichen oder einzelnen oder neuzeitlichen, beigabenlosen Bestat- Buchstaben zu setzen, bei denen es sich tung, die eine sekundäre Verlagerung der Sta- wahrscheinlich um markiertes Baumaterial tue zumindest möglich erscheinen lassen.36 handelt. Da diese Inschriftengruppe sich sehr Das im Rotenbachtal bei Schwäbisch von den am Obergermanisch-Raetischen Gmünd gefundene Oberteil eines Altars aus Limes vorgefundenen Inschriften unterschei- Stubensandstein ist ebenfalls in diese Reihe det, werden sie aus einer weiteren Betrach- der Steindenkmäler vom Limes einzuord- tung herausgenommen. Bei den übrigen Stei- nen.37 Das Stück weist auf der Vorderseite nen lassen sich in der funktionellen den Rest einer strahlenförmigen Verzierung Ansprache sowohl Weihungen (19) als auch auf, der nicht näher zu deuten ist. Es wurde Grabsteine (7) belegen, während bei wenigen im Limeswerk eine Deutung als Schleifrillen Exemplaren die Ansprache aufgrund der star- von Werkzeugen vorgeschlagen. Möglicher- ken Fragmentierung ausbleiben muss. weise handelt es sich damit um eine nach- Betrachtet man sich die Fundumstände trägliche Nutzung, sodass das Stück als der Weihungen und Grabsteine, so fällt bei inschriftenloser Altar zu deuten wäre. Solche denen mit gesicherten Fundumständen (22) Weihungen mit wahrscheinlich aufgemalter auf, dass keiner der Stücke aus Wachtürmen Inschrift lassen sich nur selten an den Kas- geborgen wurde. Alle stammen entweder aus tellplätzen des Obergermanisch-Raetischen dem Wall selbst, aus Milecastles oder aus dem Limes belegen, sind aber in geringer Zahl Umfeld südlich der Grenze. Einige wurden durchaus nachweisbar.38 sekundär verlagert in neueren Baukontexten entdeckt. Die an der Grenzlinie gefundenen Grabsteine stammen alle aus sekundärer 33 Fundber. Baden-Württemberg 2, 1975, 177. Die Stücke befinden sich in Privatbesitz, sind dort aber heute nicht mehr auffindbar. 38 Haug/Sixt, Inschriften 132 Nr. 71 (Altar); 263 Nr. 152 34 Haug/Sixt, Inschriften 475 Nr. 333d; 547 Nr. 589. (Grabstein). 35 Ebd. 496 Nr. 580. Der Typus des vollbekleideten Genius 39 Collingwood/Wright, Inscriptions Nr. 1309 –1315, (Ebd. 593f. Nr. 418 + 419) kommt dabei nicht in Frage. 1323 –26, 1353 –1394, 1406 –1422, 1438 –1446, 1497 –1519, 36 Fundber. Baden-Württemberg 2, 1975, 178. 1564 –1575, 1632 –1682, 1754 –1774, 1843 –1871, 1930 –1975, 37 ORL A VI Str. 12 94; Haug/Sixt, Inschriften 134 Nr. 74. 2010 –2024, 2031 –2037, 2049, 2050, 2054, 2055. 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 51

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Abb. 5 Rekonstruktion einer Geniusstatue anhand der beiden im Wachturm 12/9 gefun- denen Fragmente. 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 52

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Verwendung.40 Bei den Weihungen ist die Grabinschriften konnte ausschließlich in Verteilung dagegen ein wenig differenzierter. den Milecastles und von der Strecke selbst So findet sich auch hier die Zweitverwen- geborgen werden. dung im Befund oder lässt sich zumindest Im Gegensatz dazu sind vom Obergerma- aufgrund des Inschriftenkontextes nisch-Raetischen Limes immerhin aus drei vermuten.41 Bei einem Altar kann eine Auf- Wachtürmen bzw. deren Umfeld Inschriften- stellung innerhalb der Milecastles in Betracht reste überliefert, die sich jedoch nur auf den gezogen werden, ein anderer stammt aus obergermanischen Abschnitt der Grenze wohl primärer Position an einer Quelle süd- konzentrieren. Zwei weitere Inschriften lich eines Milecastles.42 Eine in ihrer Funk- stammen aus Kleinkastellen bzw. Feldwachen tion nicht näher anzusprechende Inschrift und ein Altar von der Provinzgrenze zwi- stammt vom Wall nahe dem Turm 46b.43 schen Obergermanien und Raetien. Vom Die Inschriften sind in den meisten Fäl- raetischen Abschnitt sind lediglich zwei len stark fragmentiert, was eine sekundäre Inschriften von möglichen Übergangssitua- Verwendung mittels Zerschlagung und tionen über die Grenze belegt. Aus den Umarbeitung zu Mauersteinen in den meis- Wachtürmen selbst gibt es keine überliefer- ten Fällen nahelegt. ten Inschriftenreste. Zusammenfassend ist zu beobachten, dass Untersucht man die Inschriften in ihrem zum einen die Wachtürme bei der Setzung Überlieferungscharakter, so liegen die aus der Bauinschriften zugunsten der Strecke aus- den Wachtürmen in stark fragmentiertem gespart wurden. Man kann vermuten, dass Zustand vor. An einem Teil der Stücke von die Baulose, die den einzelnen Baueinheiten den Turmstellen 4/14 und 7/33 lassen sich entlang des Grenzverlaufs zugewiesen wur- Verbrennungs- und sekundäre Bearbeitungs- den, die Türme beinhalteten und daher die spuren beobachten. Dagegen scheinen die Markierung des Bauloses entlang der Mauer beiden Inschriften aus den Kleinkastellen vorgenommen wurde. Zum anderen fanden und der Altar aus dem Rotenbachtal keine sich aber auch in den Türmen keine Weihun- Spuren einer sekundären Verwendung aufzu- gen oder Grabinschriften im primären oder weisen, will man nicht die Schleifspuren auf sekundären Kontext. Weiterhin ist für die letztgenanntem Stück römisch datieren. Alle Milecastles eine primäre Inschriftensetzung drei Altäre sind lediglich in der Mitte durch- für die Gruppe der Weihungen und Grab- brochen. Auch das Inschriftenmaterial vom steine auch nur in einem Fall belegt, ein Odenwaldlimes liegt in deutlich unterschied- zweiter findet sich zumindest im näheren lichem Erhaltungszustand vor. Mit Aus- Umfeld eines Milecastle. Alle weiteren nahme der Inschrift vom Wachturm 10/19 Inschriften stammen aus sekundärem Kon- und einer inschriftenlosen Tabula vom Turm text oder sind von der Strecke selbst. 10/32 liegen alle Exemplare von Türmen (10/22, 10/32, 10/33, 10/35) in annähernd Inschriftenfunde von Wach- türmen – ein Interpretations- 40 Collingwood/Wright, Inscriptions Nr. 1639 (in diocletia- versuch nischer Erneuerung des Südtores von Mc 38), 1641 (östl. Die vorausgegangene Zusammenstellung Turm 39a in moderner Wallerneuerung), 1667 (in Mc 42 als heartstone wiederverwendet), 1871 (in sekundärer Verwen- zeigt vordergründig, dass Unterschiede zwi- dung im severischen Südtor von Mc 49). schen dem Limes und dem Hadrianswall zu 41 Collingwood/Wright, Inscriptions Nr. 1314 (bei oder nahe Mc 3: Iul(ius) Max/imus sac(erdos) / d(ei) I[...]/ beobachten sind. Am Hadrianswall finden o[...]/pe[c(unia) sua]/ cu[ravit]/...), 1421 (im Mc im Kontext des 2. Jh.: Matrib(us) / templ(um) / cum ara / vex(illatio) sich im Gesamtbestand der Inschriften vom coh(ortis) / I Vard(ullorum) / instante P(ublio) D[.....] Streckenverlauf keinerlei aus den Wachtür- V[...... ] / v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito)), 1955, 1956 (im Fundament des Mc 52), 1961 (in einem Cottage östl. Mc men. Die große Zahl an Bauinschriften und 55), 1963 (in Low Wall östl. Mc 55), 2015 (im Fundament Bauabschnittsmarkierungen, aber auch die des Walls westl. Mc 59), 2024 (beim Anlegen eines Draina- gegrabens durch die Mauer nahe Mc 65), 2050 (auf dem deutlich geringere Menge von Weihe- und Wall bei Dykesfield südwestl. Mc 73). 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 53

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vollständigem Zustand vor.44 Imposant ist in Rückblickend auf den Charakter der diesem Zusammenhang vor allem der Altar jeweiligen Inschriften wäre es denkbar, dass aus dem Heiligtum am Wachturm 10/37, der die Steine vor ihrer Umarbeitung und sekun- unbeschädigt im Umfeld der Turmruine dären Verwendung als Weihungen oder Bau- geborgen werden konnte.45 inschriften an den Turmstellen aufgestellt Der Charakter der Inschriften unterschei- bzw. angebracht waren. Da das Fragment der det sich deutlich zwischen den Kleinkastel- Weihung von WP 1/8 aus dem jüngeren der len und den Türmen. Bei den Inschriften aus beiden Steintürme stammt, wäre eine Auf- den Kleinkastellen und dem Altar aus dem stellung am älteren Steinturm oder gar am Rotenbachtal handelt es sich jeweils um Wei- Holzturm vorstellbar. Doch stellt sich primär hungen. Der Charakter der Inschriften aus die Frage, ob der Dedikant der Inschrift, der den Wachtürmen ist dagegen indifferent. praefectus der cohors (VII Raetorum ?), eine Handelt es sich bei dem Neufund vom WP Weihung in solcher Entfernung zu seinem 1/8 gesichert um eine Weihung, sind für die eigentlichen Truppenkommando stiften anderen beiden Fundorte neben dieser würde. Hinweise für eine weitergehende Ansprache auch die Funktion als Bauinschrift Kultpraxis, wie sie durch die Skulpturen- (4/14) bzw. Grabinschrift (7/33) denkbar. funde am Wachturm 10/37 belegt wird, lie- Fasst man diese Beobachtungen zusam- gen an der Turmstelle 1/8 nicht vor, sodass men, so scheint es sich bei den aufgeführten die Weihung singulär an diesem Platz steht. Inschriften von Wachtürmen am Limes um Bei den drei Fragmenten vom Wach- sekundär als Steinmaterial genutzte Frag- turm 4/14 wäre aufgrund der Nennung der mente zu handeln. Eine primäre Nutzung an beiden Einheiten (numerus nidensium, legio den Wachtürmen, wie sie für die Bauinschrif- XXII primigenia) eine Deutung als Bauin- ten an den Türmen des Odenwaldlimes oder schrift ebenso denkbar wie die als Weihung. der Weihung vom Heiligtum am Wachpos- Entsprechend wurde in der Forschung auch ten 10/37 nachgewiesen ist, kann für die bereits argumentiert.47 Die nachgewiesenen Inschriften aus den drei Turmstellen nicht sekundären Bearbeitungsspuren und die mit belegt werden. Dieser Schluss deckt sich mit ca. 2,6 km relativ kurze Entfernung zum Kas- der Beobachtung vom Hadrianswall, wo sich tell Kapersburg, dem Stationierungsort des in den Wachtürmen keine Inschriften nach- numerus n[idensium]48, legen jedoch eine weisen lassen. Dagegen wurden sowohl in ursprüngliche Aufstellung dort oder mögli- den Kleinkastellen und Feldwachen des cherweise auch im benachbarten Kleinkastell Obergermanisch-Raetischen Limes wie auch Kaisergrube (0,3 km)49 nahe. Der für die in den Milecastles des Hadrianswalles gele- Inschriftenfragmente verwendete Sandstein gentlich Weihungen aufgestellt. Diese sind findet sich jedenfalls auch bei den Inschrif- zum Teil von unteren und mittleren Offizier- ten des Kastells Kapersburg wider. schargen, die möglicherweise als Komman- Die Interpretation der Fragmente von deure der abgeordneten Detachements fun- Turmstelle 7/33 ist aufgrund der Fundlage im giert haben könnten.46 Bereich des Werkplatzes eindeutig. Obwohl

42 Collingwood/Wright, Inscriptions Nr. 1870 ([...] / [Deo ten vielleicht hierzu einen ersten Hinweis geben könnten. sanc/to Si]l[v]an[o] / [F]lavius / Marcel / linus dec(urio) / 47 Finke, Inschriften 73; Baatz, Wachttürme 31; Klee, Limes v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito); 1665 (Deo Apol/l(i)n(i) 93; kritisch dazu Reuter, Numeri 517 –518. Melonis / Senilis dupl(icarius) / Ger(mania) Sup(eriore) / 48 zuletzt Reuter, Numeri 517 –518. (votum) s(usceptum) s(olvit) / l(aetus) l(ibens) m(erito)). 49 ORL A II,1 Str. 4 –5, 66 –67. Leider liegt nicht ausreichend 43 Collingwood/Wright, Inscriptions Nr. 1850 ([...] / Fundmaterial aus dem Steinkastell vor, um Aussagen über DVV[...] / STERV[...] / BERTO[...] / [...]). die Besetzungszeit des Lagers treffen zu können. Der Sesterz 44 ORL A V, Str. 10 Taf. 5.2c; 7.2f + g; 8.2d; 9.3d; 15.2o. Auch des Antoninus Pius, das unbestimmte Mittelerz und das eine die zahlreichen Architekturfragmente liegen durchweg in Sigillata-Fragment mit Stempel des Anisatus (Pont-des-Rèmes, unbeschadetem Zustand vor: z. B. ebd. Taf. 8.2e –i; 15.2 Heiligenberg oder Trier) stammen als einzige datierbare Funde 45 Ebd. 85, Abb. 11. aus der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts. Eine vorzeitige Aufgabe 46 Leider ist aufgrund der raren Inschriften- und Überliefe- des Kleinkastells und damit eine Wiederverwendung von rungssituation aus den Lagern dieser geringen Größe die Steinmaterial wäre folglich denkbar, auf der dünnen Datie- Kommandostruktur unbekannt, sodass diese beiden Inschrif- rungsgrundlage aber letztlich nicht zu entscheiden. 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 54

54 NEUE FORSCHUNGEN AM LIMES

die exakte Ansprache des Charakters der ten die vorgelegten Inschriftenfragmente kei- Inschrift aufgrund der starken Fragmentierung nen gesicherten Hinweis. Es erscheint wenig offen bleiben muss, kann ein Transport vom wahrscheinlich, dass der als Stifter auf der Kastell Walldürn, das in einem Abstand von Inschrift von WP 1/8 genannte Praefekt so knapp 3 km zum Fundort liegt, vermutet weit entfernt von seinem eigentlichen Statio- werden. nierungsort eine Weihung an Fortuna stiftet. Zusammenfassend ist davon auszugehen, Es könnte hier noch der Beginn der Land- dass an den Wachtürmen des Obergerma- grenze am Rhein als markanter Punkt für eine nisch-Raetischen Limes nicht mit einer pri- Aufstellung angenommen werden, wenn man mären Inschriftenausstattung zu rechnen ist. nicht einen Transport der Weihung als Bau- Eine Ausnahme bildet hier sicherlich der material von einem der Kastelle im Süden Odenwaldlimes, wo eine regelhafte Ausstat- vermuten will. Immerhin wäre das nächstge- tung der Türme mit Bauinschriften nachge- legene Auxilarkastell Niederbieber ca. 10 km wiesen werden konnte. Dabei ist die Anzahl entfernt, das nächste Kastell mit einem Prae- der nachgewiesen Inschriften so groß50, dass fekten als Kommandant in Niederberg über diese wohl weniger eine Kennzeichnung von 25 km. Gegen eine ursprüngliche Aufstellung Bauabschnitten darstellt, sondern die Türme und einen späteren Abtransport als Baumate- generell mit Bauinschriften ausgestattet waren. rial vom Kastell Bendorf, das wohl in traiani- Diese Beobachtung steht im vermeintlichen scher, spätestens hadrianischer Zeit aufgege- Widerspruch zum Hadrianswall, wo die Bau- ben wurde54, spricht das spätere Auftreten inschriften am Wall und nicht an den Tür- des Gentiliz Ulpius, also die Datierung der men angebracht waren. Da für eine Anbrin- Inschrift nach der Kastellaufgabe. gung einer Bauinschrift am Odenwaldlimes Generell wäre zu überlegen, wie wahr- nur die Wachtürme in Frage kamen, scheint scheinlich eine Aufstellung einer Weihung eine mögliche Alternativanbringung vorzu- an einem Wachturm am Limes ist. Bislang liegen. Der Unterschied in der Bauausfüh- entziehen sich zwar die Dienststrukturen auf rung zwischen dem Odenwaldlimes und den Wachtürmen am Obergermanisch-Raeti- dem übrigen Grenzverlauf und die zugrunde- schen Limes mangels entsprechender Quel- liegenden Ursachen wurde schon mehrfach len unserer Kenntnis und auch von anderen diskutiert, sodass hier nicht näher auf diesen Grenzen mit Wachturmsicherung oder Punkt eingegangen werden soll.51 Allerdings Abkommandierung von kleineren Soldaten- hat die Untersuchung gezeigt, dass es sich gruppen auf Außenposten liegen kaum Infor- bei dem Fehlen von Inschriften von der rest- mationen über die Dauer des Dienstes vor lichen Strecke offensichtlich um keine Über- Ort vor. Die zum Teil großen Fundmengen, lieferungslücke52, sondern um eine unter- die bei der Untersuchung von Wachtürmen schiedliche Bautradition handelt. geborgen wurden, lässt allerdings vermuten, Auch für eine Kultpraxis an den Wach- dass die Besatzungen über einen längeren turmstellen, wie sie der Befund von WP Zeitraum Dienst auf den Türmen hatten.55 10/37 an der Schneidershecke belegt und wie Ansonsten wäre ein deutlich geringeres sie aufgrund der Skulpturfragmente am WP Fundspektrum von den Türmen zu erwarten, 12/9 ebenfalls vermutet werden kann53, bie- wie es beispielsweise von Plätzen entlang der Straße Berenike-Edfu/Apollinopolis Magna

50 Vgl. Anm. 44. im südlichen Ägypten belegt ist, wo von 51 Baatz, Hesselbach 128 –134; Schallmayer, einer lediglich bedarfsbedingten Besetzung Odenwaldlimes 45. 56 52 Baatz, Wachttürme 30 –31. der Wachtürme ausgegangen wird. Der Auf- 53 Zu den Fundumständen und den mittelalterlichen enthalt ist dabei wohl nicht so lang gewesen, Befunden vgl. Anm. 36. 54 Oldenstein-Pferdehirt, Hilfstruppen 335 –336; Schönberger, dass eine Motivation für eine Stiftung einer Truppenlager 460 D 30. Weihung vor Ort anzunehmen wäre. Dies 55 Schallmayer, WP 5/4 78 –79; Becker, Wachttürme. 56 Sidebotham, Frontier 503 –505. zeigt sich im Vergleich mit der Häufung der 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 55

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Stiftungen von Benefiziariern an ihren Sta- vier Fundorten am obergermanischen tionierungsorten, an denen von einer halb- Abschnitt des Limes. Vom Raetischen Limes jährlichen und damit sicherlich deutlich sind Hinweise auf eine Bronzeinschrift an längeren Abkommandierung und stärkeren einem Übergang und eine nicht näher zu Identifikation mit dem Ort auszugehen ist.57 interpretierende Inschrift (verlorener Alt- Folglich sind Weihungen, die an Wachtür- fund) überliefert. Ergänzt wird das Bild noch men von den Besatzungen gestellt wurden, durch den Altar von der Provinzgrenze im auch nicht zu erwarten. Rotenbachtal, der ursprünglich wohl eine Diese Überlegung wird ergänzt durch die aufgemalte Inschrift trug. Beobachtung, dass die Weihungen aus den Bei den Inschriftenfunden aus den Tür- Kleinkastellen vom Obergermanisch-Raeti- men lassen sich eine starke Fragmentierung schen Limes wie vom Hadrianswall nie von und Spuren einer sekundären Überarbeitung einfachen Soldaten, sondern immer von beobachten. Verglichen mit den Inschriften höheren Chargen oder Teileinheiten gestiftet vom Hadrianswall und den Türmen und wurden. Möglicherweise hängt dies mit einer Kleinkastellen des Odenwaldlimes zeigt sich, gewissen finanziellen Potenz als Vorausset- dass dort entweder Inschriften kaum vorhan- zung für die Aufstellung einer Weihung den sind oder aber selten eine Fragmentie- zusammen, ist aber auch eventuell mit einer rung aufweisen. Es liegt folglich der Schluss längeren Abordnung vom eigentlichen Trup- nahe, dass die Inschriften aus den Wachtür- penstandort in das jeweilige Kleinkastell zu men am Obergermanischen Limes in sekun- erklären. Beide Überlegungen können auf die därer Verwendung an die Turmstellen Türme nicht übertragen werden, sodass bei kamen. Dies bestätigt sich auch bei der Über- den Wachtürmen keine Weihungen zu prüfung der Inschriftencharaktere, und der erwarten wären. Möglichkeiten einer Kultpraxis an den Wachturmstellen. Der Unterschied in der Zusammenfassung Inschriftenausstattung am Obergermanisch- Der Inschriftenbestand aus den Kleinkastellen Raetischen Limes verglichen mit dem Oden- und Wachtürmen sowie von der Strecke des waldlimes, vor allem das Fehlen von Bau- Obergermanisch-Raetischen Limes steht im inschriften, erklärt sich sicherlich in der Focus der vorausgehenden Untersuchung. besonderen Ausstattung des frühen Strecken- Anlass für die Überlegungen ist ein Neufund abschnitts mit Inschriften und Bauelemen- bei der Ausgrabung der Turmstelle 1/8 östlich ten. Ob dabei an der übrigen Grenze keine von Rheinbrohl, die als Weihung, möglicher- Bauinschriften an den Türmen angebracht weise an Fortuna, des (M) Ulpius ..sius, Prae- wurden oder diese heute aufgrund organi- fekt einer unbekannten Einheit, aufzulösen ist. schen Materials nicht mehr nachweisbar Die Inschrift kann als Teil eines Altars rekon- sind, lässt sich abschließend nicht klären. struiert werden, der stark zerschlagen wurde. Der Inschriftenfund erweitert die Anzahl Thomas Becker M.A. der Funde außerhalb der Auxiliarkastelle ent- Landesamt für Denkmalpflege Hessen lang des Limes auf sieben Fragmente von Schloss Biebrich, 65203 Wiesbaden E-Mail: [email protected] 57 Steidl, Obernburg 86. 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 56

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Literaturverzeichnis JORNS/MEIER-ARENDT, Degerfeld W. Jorns, W. Meier-Arendt, Das Kleinkastell BAATZ, Hesselbach Degerfeld in Butzbach, Kr. Friedberg (Hes- D. Baatz, Kastell Hesselbach und andere For- sen). Saalburg-Jahrb. 24, 1967, 12 –32. schungen am Odenwaldlimes. Limesfor- schungen 12 (Berlin 1973). KLEE, Limes M. Klee, Der Limes zwischen Rhein und BAATZ, Wachttürme Main (Stuttgart 1989). D. Baatz, Die Wachttürme am Limes. Kleine Schriften zur Kenntnis der römischen Beset- LEHNER, Steindenkmäler zungsgeschichte Südwestdeutschlands 15 H. Lehner, Die antiken Steindenkmäler des (Stuttgart 1976). Provinzialmuseums in Bonn (Bonn 1918).

BECKER, Wachttürme MOCSY, Nomenclator Th. Becker, Die Wachttürme zwischen den A. Moscy, Nomenclator provinciarum Kastellen Zugmantel und Saalburg (unpubl. Europae Latinarum et Galliae Cisalpinae. Magisterarbeit, Freiburg 1998). Dissertationes Pannonicae III.1 (Budapest 1983). CIL Berlin-Brandenburgische Akademie der Wis- OLDENSTEIN, Fundindex senschaften (Hrsg.), Corpus Inscriptionum J. Oldenstein, Der Obergermanisch-Raetische Latinarum Bd. I – XVII (Berlin 1862 ff.). Limes des Roemerreichs. Fundindex (Mainz 1982). COLLINGWOOD/WRIGHT, Inscriptions R. G. Collingwood, R. P. Wright, The Roman OLDENSTEIN-PFERDEHIRT, Hilfstruppen Inscriptions of Britain I (Oxford 1965). B. Oldenstein-Pferdehirt, Die römischen Hilfstruppen nördlich des Mains. Jahrb. DEVIJVER, Prosopographia I RGZM 30, 1983, 303 –348. H. Devijver, Prosopographia Militarum Eques - trium 2. Symbolae Ser. A, Vol. 3 (Leuven ORL 1977). E. Fabricius, F. Hettner, O. von Sarwey (Hrsg.), Der Obergermanisch-Raetische Limes DEVIJVER, Prosopographia II des Roemerreiches. Abteilungen A und B. Ders., Prosopographia Militarum Equestrium Lieferungen I –LVI (Berlin/Leipzig 1894 ff.). Suppl. 1. Symbolae Ser. A, Vol. 3 (Leuven 1987). REUTER, Numeri M. Reuter, Studien zu den numeri des Römi- FINKE, Inschriften schen Heeres in der Mittleren Kaiserzeit. Ber. H. Finke, Neue Inschriften. Ber. RGK 17, RGK 80, 1999, 357 –569. 1927, 1 –107. SCHALLMAYER, Odenwaldlimes HAUG/SIXT, Inschriften E. Schallmayer, Der Odenwaldlimes (Stuttgart F. Haug, G. Sixt, Die römischen Inschriften 1984). und Bildwerke Württembergs, (Stuttgart 1914). SCHALLMAYER, WP 5/4 E. Schallmayer, Archäologische Ausgrabun- HEICHELHEIM, Quadruviae gen an WP 5/4 „An der alten Rüdigheimer F. M. Heichelheim, RE 24 Quadruviae (Stutt- Hohle“ bei Ravolzhausen, Gemeinde Neu- gart 1963) 714 –720. berg. In: A. Thiel (Hrsg.), Forschungen zur 042-057 Limes_Bd3_Becker_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 57

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Funktion des Limes. Beiträge zum Welterbe STOLL, Skulpturenausstattung Limes 2 (Bad Homburg 2007) 57 –81. O. Stoll, Die Skulpturenausstattung römischer Militäranlagen an Rhein und Donau. Der SCHILLINGER-HÄFERLE, Inschriften Obergermanisch-Rätische Limes. Pharos – U. Schillinger-Häferle, Lateinische Inschriften. Studien zur griechisch-römischen Antike I Quellen für die Geschichte des Römischen (St. Katharinen 1992). Reiches. Kleine Schriften zur Kenntnis der römischen Besetzungsgeschichte Südwest- VOLLMER, Inscriptiones deutschlands 28 (Stuttgart 1982). F. Vollmer, Inscriptiones Baivariae Romanae sive Inscriptones Prov. Raetiae (München SCHÖNBERGER, Truppenlager 1915). H. Schönberger, Die römischen Truppenlager der frühen und mittleren Kaiserzeit zwischen Nordsee und Inn. Ber. RGK 66, 1985, 321 –497. Abbildungsnachweis

SIDEBOTHAM, Frontier Abb. 1 Generaldirektion Kulturelles Erbe, S. E. Sidebotham, The Roman frontier in the Direktion Archäologie, Amt Koblenz, eastern desert of Egypt. In: W. Groenman- M. Neumann; Abb. 2 Saalburgmuseum, van Waateringe u.a. (Hrsg.), Roman Frontier E. Löhnig; Abb. 3 Gerneraldirektion Kulturel- Studies 1995. Proceedings of the XVIth Inter- les Erbe, Direktion Archäologie, Amt Koblenz, national Congress of Roman Frontier Stu- M. Meinen; Abb. 4 a –c Zeichnung Th. Becker; dies. Oxbow Monograph 91 (Oxford 1997) d –e Regierungspräsidium Karlsruhe. f Lan- 503 –509. desamt für Denkmalpflege Baden-Württem- berg, Esslingen; Abb. 5 Foto: Landesamt für STEIDL, Obernburg Denkmalpflege Baden-Württemberg, Esslin- B. Steidl, Die Station der beneficiarii consula- gen; Rekonstruktion: N. Vogt, Bonn. ris in Obernburg am Main. Vorbericht über die Ausgrabungen 2000/2002. Germania 83, 2005, 68 –94. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 58

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SCHALLMAYER · GEOPHYSIKALISCHE PROSPEKTION AM LIMES IN HESSEN 59

GEOPHYSIKALISCHE PROSPEKTION AM LIMES IN HESSEN Von Egon Schallmayer

ei der Verleihung des Gütesiegels „Welt- zunehmen und sie als archäologische Reser- Berbe“ legt die UNESCO ein besonderes vate für die Zukunft zu erhalten. Aktuelle Augenmerk darauf, dass das zu diesen Ehren Forschungsergebnisse lassen sich durch die gelangte Monument möglichst in seinem Neubetrachtung alter Grabungsdokumenta- Status quo erhalten und der Nachwelt über- tionen und wissenschaftlicher Darstellungen geben werden soll.1 Dies gilt natürlich auch vor dem Hintergrund eines nunmehr über für den Obergermanisch-Raetischen Limes, 150-jährigen fortschreitenden Erkenntnis- der in dem zurückliegenden Jahrhundert seit fortschritts gewinnen. Dazu sind allerdings den Forschungen der Reichs-Limeskommis- die einschlägigen archäologischen Archive so sion durch Eingriffe verschiedenster Art und zu erschließen, dass mit den in ihnen verbor- aus unterschiedlichen Anlässen erhebliche genen Schätzen erneut wissenschaftlich gear- Verluste in seiner Substanz erleiden musste. beitet werden kann.3 Es gibt mittlerweile Um dies für die Zukunft weitestgehend aus- zahlreiche Beispiele, wo sich – ohne den Spa- zuschließen, ist eine nachhaltige bodendenk- ten ansetzen zu müssen – alleine durch die malpflegerische Praxis notwendig, die eine Beschäftigung mit den Altakten wichtige hohe Akzeptanz für den Schutz und die neue Erkenntnisse gewinnen ließen.4 Erhaltung der einstigen römischen Reichs- Schließlich verfügen wir im Rahmen geo- grenze in politischer und gesellschaftlicher physikalischer Prospektionsmethoden über Öffentlichkeit erreichen muss. Voraussetzung ein Instrumentarium, das es erlaubt, zerstö- dazu ist eine gute Vermittlungsarbeit im rungsfreie Forschung am Objekt zu betreiben Bereich der archäologischen Denkmalpflege mit weitreichenden weiterführenden wissen- und der archäologischen Museen auf der schaftlichen Aussagemöglichkeiten. Vor Grundlage neuester Forschungsergebnisse. allem die Geomagnetik, die Geoelektrik und Dabei sind allerdings bei der Gewinnung das Bodenradar bieten – kombiniert nach neuer Erkenntnisse im Sinne des Erhaltungs- den jeweils vor Ort herrschenden Verhältnis- anspruchs der UNESCO von den für das sen angewandt – hervorragende Chancen des Denkmal Verantwortlichen in erster Linie wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts, zerstörungsfreie Methoden einzusetzen.2 Wo wobei durch eine noch engere Zusammen- immer dies möglich ist, sollten die einzelnen arbeit zwischen Archäologen und Geophysi- Limesabschnitte und Limesanlagen in den kern die Aussagen der gewonnenen Messbilder öffentlichen oder zumindest in solchen verfeinert werden können.5 In vielen Fällen Besitz überführt werden, der es möglicht lassen sich die archäologischen Einzelheiten macht, die jeweiligen Areale aus landwirt- alleine schon in den geophysikalischen Auf- schaftlicher Nutzung und Bebauung heraus-

2 S. Pfnorr u. E. Schallmayer, Zum Schutz eines verborge- nen Weltkulturerbes. Zerstörungsfreie Bestandsaufnahme 1 Entsprechend die Formulierungen im Managementplan und Forschung am hessischen Limes. In: Posselt, Zickgraf, des Welterbe-Antrags, vgl. A. Thiel, Verpflichtung und Dobiat, Geophysik und Ausgrabung 253 –262. Chance für die Denkmalpflege. Die Aufnahme des Limes in 3 T. Fischer, W. Löhlein, J. Obmann, E. Schallmayer, Erfas- die Welterbe-Liste der UNESCO. Denkmalpflege in Baden- sung und Erschließung des Archivs und der Sammlungen Württemberg 34, 2005, 118 –124. – T. Becker, S. Bender, M. des Saalburgmuseums. Saalburg-Jahrbuch 50, 2000 (Bad Kemkes, A. Thiel, Der Limes zwischen Rhein und Donau. Homburg 2001) 195f. Archäol. Informationen Baden-Württemberg 44 (Stuttgart 4 Vgl. etwa C. S. Sommer, Der Saalburg-Vicus. Neue Ideen 2001). – D. J. Breeze, S. Jilek u. A. Thiel, Frontiers of the zu alten Plänen. In: E. Schallmayer (Hrsg.), Hundert Jahre Roman Empire (Edinburgh – Esslingen – Wien 2005). – D. J. Saalburg. Vom römischen Grenzposten zum europäischen Breeze, A. Thiel, The challenge of presentation. Visible and Museum (Mainz 1997) 155 –165. – Kühn und Schallmayer, invisible parts of the Frontiers of the Roman Empire World Landwehr. – E. Schallmayer, Neue Forschungen am Limes. Heritage Site in the United Kingdom and Germany Denkmalpflege und Kulturgeschichte H. 3, 2005, 17 –21. (Amsterdam 2005). 5 Posselt, Zickgraf, Dobiat, Geophysik und Ausgrabung. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 60

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Abb. 1 Geophysikalische nahmen erkennen und deuten. Eine den Erhebung (Abb. 2).7 Die Turmstelle ist heute Untersuchungen am Befund zerstörende großflächige Ausgrabung nicht mehr sichtbar. Limes in Hessen. kann unterbleiben und zur Befundüberprü- fung genügt der „begrenzte archäologische Untersuchungsanlass und -zeit Eingriff“. Im Folgenden werden einige der Da sowohl die Turmstelle als auch der Limes- bisher am Limes in Hessen durchgeführten abschnitt im Gelände nicht mehr erkennbar geophysikalischen Prospektionen (Abb. 1) sind, wurde im September 2004 durch den und deren Ergebnisse vorgestellt.6 Heimatverein Heidenrod e. V. eine geomag- netische und geoelektrische Untersuchung WP 2/44 „Im Gewann Dicker im Bereich der Turmstelle vorgenommen. Busch bei Huppert“, Die Prospektion sollte den vermuteten Ver- heute Flur „Judenborn“ bzw. „Am lauf des Pfahlgrabens verifizieren und den Römerwachtturm“ bei Heidenrod-Hup- Standort des Wachturmes genau lokalisieren. pert, Rheingau-Taunus-Kreis Der Pfahlgraben selbst, d. h. Wall und Gra- ben, war nämlich an dieser Stelle nie ausge- Forschungssituation baut worden. Vielmehr bestand der Limes Die Stelle wird 1898 von H. Lehner beschrie- auf der Strecke zwischen WP 2/35 „Am Lau- ben und im ORL erwähnt Fabricius an der fenselder Weg“ und WP 2/47 „Bei der Ober- Stelle herumliegende Steine und eine kleine försterei Erlenhof“ nur aus der Palisade, 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 61

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deren Gräbchen allerdings durch die Reichs- Abb. 2 WP 2/44 „Im Limeskommission mehrfach festgestellt wor- Gewann Dicker Busch den ist.8 bei Huppert“, Heiden- rod-Huppert, Rheingau- Untersuchte Areale und Flächen Taunus-Kreis, nach ORL. Untersucht wurde eine 50 × 100 m (5 000 m2) große Fläche mittels Geomagnetik und innerhalb dieser Fläche noch einmal ein klei- neres Areal von 30 × 30 m (900 m2) mittels Geoelektrik. Die Untersuchungsstelle liegt ca. 400 m nördlich der Ortsmitte von Huppert.

Ergebnis Deutlich im Messbild der Geomagnetik (Abb. 3) erkennbar ist eine von Nordwest nach Südost verlaufende lineare Struktur, die als Palisadengräbchen zu deuten ist, wäh- rend sich ein moderner Feldweg am unteren sich – aufgrund der hohen Magnetisierung – Bildrand durch mehrere, nahezu Westost auch um einen archäologischen Befund han- gerichtete, parallele Streifen zu erkennen deln. Ein ebenso starker magnetischer gibt. An diese in der Bildmitte angelehnt Bereich wurde im Innern des Turmgevierts erscheint als negativ magnetische Anomalie festgestellt. Beide Befunde dürften mit star- – kenntlich an der schwarzen Prägung – das ker Hitzeeinwirkung in Zusammenhang ste- Geviert des Steinturmes WP 2/44. Der Turm – hen. Im Falle des Turmes ließ sich an einen dessen Seitenlänge bereits im ORL mit 4,5m Brand denken, der zur Zerstörung des Baus angegeben wird – liegt mit seiner Nordseite geführt hat, während bei der „Brandstelle“ parallel zum Palisadenverlauf ausgerichtet westlich davon mit einer Feuerstelle, viel- etwa 10 m hinter der Grenzlinie. Die das leicht ein Backofen vergleichbar dem Befund Mauerviereck umgebende helle, d. h. positive von WP 5/4 Ravolzhausen vorliegen könnte.9 Anomalie könnte auf einen den Turm umge- benden Kreisgraben hindeuten, der im ORL WP 2/45 „Auf dem Elbert bei noch nicht bekannt war. Allerdings sind Huppert“, Kreisgräben bisher an diesem Abschnitt der wo der Limes – hier nur als Palisade aus- Strecke 2 noch nicht beobachtet worden. geführt, Wall und Graben fehlen – von Insgesamt zeichnet sich das Messbild in der westlicher Richtung kommend scharf Geomagnetik durch eine Vielzahl von Ano- nach Süden umbiegt, und malien aus, die zum großen Teil geologi- schen Ursprungs sind und vermutlich auf WP 2/46 „Im Gewann Rödern eiszeitliche Schotterdecken zurückzuführen bei Huppert“, sind. Lediglich bei einer positiven Anomalie wo die Reichs-Limeskommission einen 15 m nordwestlich des Turmes könnte es Wachposten angenommen hat.

Forschungssituation 6 Die Untersuchungen wurden allesamt von der Firma Posselt & Zickgraf Prospektionen GbR, Darmstadt/Marburg, Der Steinturm der Turmstelle 2/45 wurde Abb. 3 WP 2/44 „Im durchgeführt. Den vielfältigen Auftraggebern dieser natur- wissenschaftlichen Untersuchungen ist an dieser Stelle für 1898 von Pallat nachgewiesen. Er ist heute Gewann Dicker Busch die Bereitstellung finanzieller Mittel sehr herzlich zu schlecht erhalten.10 Der Standort von WP bei Huppert“, Heiden- danken. 7 Limesblatt Sp. 844. – ORL Abt. A, Strecke 2 S. 76. 2/46 wurde 1897 ebenfalls von Pallat durch rod-Huppert, Rheingau- 8 ORL Abt. A, Strecke 2 S. 13. „Tastungen“ gesucht aber nicht gefunden. Taunus-Kreis. Geomag- 9 Schallmayer, Ausgrabungen an WP 5/4. 10 Limesblatt Sp. 844 XI. – ORL Abt. A, Strecke 2, 76 f. Im April 1910 besuchte Ernst Fabricius die netisches Messbild. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 62

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Stelle, wo er 35 m westlich des nach Süden 22m Durchmesser. Im Zentrum des zweifa- ziehenden Gewannweges und etwa 15 m chen Grabenbefundes liegt ein Holzturm. hinter dem Palisadengräbchen die Turmstelle Man meint die Pfostenstellungen der Eck- anhand umherliegender Steine in einem pfosten noch im Messbild erkennen zu kön- ansonsten in dieser Gegend steinfreien nen. Vom Steinturm, den Pallat vor über Boden zu erkennen glaubte (Abb. 4).11 hundert Jahren festgestellt hatte, ergaben sich im Messbild keine Spuren. Allerdings Untersuchungsanlass und -zeit lassen sich Steinfundamente mittels Geo- Da der Limesverlauf im Bereich der beiden magnetik nicht immer sicher lokalisieren, Turmstellen von der Reichs-Limeskommis- darüber hinaus ist mit dem Ausbrechen der sion nicht sicher lokalisiert werden konnte, Steinfundamente nach den Untersuchungen Abb. 4 WP 2/45 „Auf von WP 2/45 nur der Steinturm bekannt war, der Reichs-Limeskommission zu rechnen. dem Elbert bei Hup- und WP 2/46 nur als angenommen angese- Hingegen konnte der Limes ebenfalls sehr pert“ und WP 2/46 „Im hen wurde, erfolgten im Dezember 2006 und deutlich festgestellt werden. Er erreicht die Gewann Rödern bei Februar 2007 im Auftrag des Heimatvereins Turmstelle, von Nordwesten kommend, und Huppert“, Heidenrod- Heidenrod e. V. geomagnetische Untersu- biegt dann in einem Winkel von genau 104° Huppert, Rheingau- chungen. Ziel der Messungen war das Auf- nach Süden. Der Richtungswechsel vollzieht Taunus-Kreis, nach LEP spüren archäologischer Befunde – sofern vor- sich dabei jedoch nicht in Form eines schar- Hessen. handen – um auf diese Weise Aussagen zum fen Knicks – wie im ORL angezeigt – sondern Limesverlauf und zur genauen Lage der als sanft geschwungener Bogen. Mithilfe der Wachposten zu erhalten. Geomagnetik ist also an WP 2/45 zu dem bereits bekannten Steinturm – jetzt nicht Abb. 5 WP 2/45 „Auf mehr lokalisiert – der Holzturm festgestellt dem Elbert bei Hup- worden. Der Limesverlauf ist in seiner Kon- pert“, Heidenrod-Hup- tur zu korrigieren. pert, Rheingau-Taunus- Kreis. Geomagnetisches Messbild.

Untersuchte Areale und Flächen Untersucht wurden insgesamt 1,77 ha Fläche, wobei an WP 2/45 5 200 m2 und an dem angenommenen WP 2/46 12 500 m2 prospek- tiert wurden. Pro 1 000 m2 wurden 10 000 Messpunkte aufgenommen. Abb. 6 WP 2/46 „Im Gewann Rödern bei Ergebnis Huppert“, Heidenrod- Der Wachposten 2/45 gibt sich im Messbild Huppert, Rheingau-Tau- durch die Konturen von zwei Ringgräben nus-Kreis. Geomagneti- sehr schön zu erkennen (Abb. 5). Der äußere sches Messbild. Graben umschreibt einen Kreis von etwa 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 63

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Im Bereich des vermuteten WP 2/46 Abb. 7 WP 3/4* „Auf konnte im Messbild keine Turmstruktur der Südseite des Noll“ sicher identifiziert werden (Abb. 6), wobei und WP 3/5* „Auf dem hier sicherlich nochmals die verschiedenen nach Norden geneigten Graustufenraster des aufgenommenen Mess- Rücken des Sangerts“ bildes beurteilt werden müssten. Denn die bei Hohenstein-Born, von geologisch-bodenkundlichen Phänome- Rheingau-Taunus-Kreis, nen hervorgerufene magnetische „Unruhe“ nach LEP Hessen. – die das Bild ja erkennen lässt – erschwert die Interpretation (Tonschiefer und Feinquar- zite des Unterdevon sowie Fließerden des Pleistozän) und Steinbauten sind im Mess- bild der Geomagnetik nicht immer sicher festzustellen. Allerdings ließ sich an dieser Stelle der Verlauf des Limes über eine Strecke von mehr als 100 m sicher nachweisen. Es handelt sich nur um das Palisadengräbchen. Wall und Graben waren nicht erkennbar, daher tatsächlich nicht vorhanden.

Älterer Limesverlauf zwischen WP 3/4* „Auf der Südseite des Noll“ und WP 3/5* „Auf dem nach Norden geneigten Rücken des Sangerts“ bei Hohenstein-Born bzw. Taunusstein- Watzhahn, Rheingau-Taunus-Kreis

Forschungssituation Die beiden Wachtürme wurden von der Reichs- Limeskommission 1896 und 1901 untersucht (Abb. 7).12 Es handelt sich um zwei Holztürme mit zwei jeweils die Turmplattform umgeben- den Ringgräben (Abb. 8). Die Abmessungen von Holzturm WP 3/4* konnten mit 2,6 × 2,8m festgestellt werden. An beiden Türmen stellte sich heraus, dass der innere Ringgraben bei der Anlage des äußeren mit dessen Aushub- material verfüllt worden ist, womit sich eine relativchronologische Abfolge der beiden Gräben ergibt. In dem äußeren Graben von WP 3/5* fand sich denn auch viel Brandschutt, chens gesucht worden war, hatte man an WP Abb. 8 WP 3/4* „Auf der von der Zerstörungsphase herrühren 3/4* nur an dessen Südwestseite, d. h. in die der Südseite des Noll“ dürfte. Während an dieser Turmstelle nicht falsche Richtung Nachforschungen nach der und WP 3/5* „Auf dem nach dem Vorhandensein des Palisadengräb- Palisade unternommen.13 Die durch die bei- nach Norden geneigten den beschriebenen Wachturmstellen ausge- Rücken des Sangerts“ 11 Ebda. 77. 12 Arch. Anzeiger 1896, 179 c (Jacobi) und 1902, 67 (Weh- wiesene ältere Limeslinie hat so lange bei Hohenstein-Born, ner) dort ist irrtümlich von zwei Hügeln die Rede. bestanden, bis sich mindestens zwei, wenn Rheingau-Taunus-Kreis, 13 ORL Abt. A, Strecke 3, 54 f. 14 Baatz, Limes 118. nicht drei Holztürme nacheinander ablösten.14 nach ORL. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:45 Uhr Seite 64

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Untersuchungsanlass und -zeit mit mehreren Limesanlagen zu tun, etwa mit Da der genaue Verlauf des Palisadengräbchens zwei Palisaden oder gar einem Graben? Nur der älteren Limeslinie im Gelände an diesem 10 bis 15 m unterhalb des so ermittelten Streckenabschnitt bisher noch nicht nachge- Limesverlaufs zeichnen sich in der Mitte der wiesen worden war, wurde im Auftrag der Fläche vier unregelmäßige positive Anoma- Gemeinde Hohenstein im Herbst 2006 eine lien ab, deren rechteckige Anordnung nach geophysikalische Untersuchung mittels Ansicht der Geophysiker möglicherweise auf zweier Flächen durchgeführt. die Reste eines Wachturmes deuten könnte. Es könnte sich dabei nur um einen zweiten Untersuchte Areale und Flächen Holzturm handeln. Fläche 2 weist keine Ano- Die untersuchten Flächen liegen etwa 0,8 km malien auf, die mit hinreichender Wahr- nördlich bzw. 1,2 km nordöstlich der Orts- scheinlichkeit als archäologische Befunde mitte von Hohenstein-Born und wurden auf gedeutet werden könnten. Der Limes dürfte der anzunehmenden Linie des ehemaligen somit nicht in dieser Fläche liegen. Palisadenverlaufs angelegt. Beide Flächen Verlängert man die Limeslinie aus Fläche 1 waren jeweils knapp 2400 m2 groß. Die Ein- nach Osten weiter, so fluchtet sie annähernd messung der zu untersuchenden Areale 180 m südlich von WP 3/5* vorbei. Die Limes- erfolgte anhand der Informationen aus den palisade muss daher zwischen den beiden Ortsakten der Archäologischen Denkmal- Wachposten in eine mehr nördliche Rich- Abb. 9 WP 3/4* „Auf pflege in Wiesbaden. tung verschwenkt worden sein. Dies legt auch der Südseite des Noll“ eher die Tatsache nahe, dass in Fläche 2 keiner- und WP 3/5* „Auf dem Ergebnis lei Anhaltspunkte für den Verlauf der römi- nach Norden geneigten Das Messbild (Abb. 9) der geomagnetischen schen Grenze vorliegen. Da der Gesamtbefund Rücken des Sangerts“ Prospektion zeigt in beiden Flächen zahlrei- somit etwas unsicher bleibt, müsste zukünf- bei Hohenstein-Born, che positive Anomalien, die in ihrer überwie- tig jeweils im unmittelbaren nördlichen Vor- Rheingau-Taunus-Kreis. genden Zahl als die Wiedergabe bodenkund- feld der Turmstellen prospektiert werden. Geomagnetisches Mess- lich-geologischer Phänomene zu deuten sind. bild. Auch die breite, unregelmäßig bogenförmige WP 3/7 „An der alten Hahner Struktur am Westrand der Fläche 1 deutet Straße“ und WP 3/8 und 3/8* weniger auf eine archäologische Erscheinung „An der Eisenstraße“ als vielmehr auf eine tektonische Verwerfung. bei Hohenstein-Steckenroth, Rheingau- Tatsächlich liegt das Messgebiet im Bereich Taunus-Kreis einer hier verlaufenden tektonischen Grenze. Durch die Bildmitte von Fläche 1 ziehen sich Forschungssituation mehrere Linien von Südwest nach Südost, Grabungen an beiden Turmstellen (Abb. 10) hinter denen sich in der Hauptsache die fanden im Jahr 1901 durch das Saalburgmu- Strukturen eines rezenten Feldweges verber- seum statt. Dabei haben die Untersuchungen gen dürften. Südlich dieses Weges konnte an WP 3/7 „keine sicheren Überreste des allerdings „eine schmale lineare positive Abb. 10 WP 3/7 „An der Anomalie“, nördlich von ihm ein weiterer alten Hahner Straße“ „linearer Bereich leicht erhöhter Messwerte“ und WP 3/8 und 3/8* beobachtet werden. Beide Strukturen könn- „An der Eisenstraße“ ten zum Limes gehören, wobei man in der bei Hohenstein-Stecken- schmalen durchgängigen Linie südlich den roth, Rheingau-Taunus- Verlauf des Palisadengräbchens sehen Kreis, nach LEP Hessen. könnte. Zu fragen bleibt aber, was sich hinter dem breiteren Band nördlich des Weges ver- birgt. Vielleicht zeichnet sich hier der eigent- liche Limesverlauf ab, oder aber wir haben es 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 65

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Steinturmes und auch keine einwandfreien Abb. 11 WP 3/7 „An der Graben- und Gräbchenschnitte ergeben.“ alten Hahner Straße“ Für das Limeswerk wurden später lediglich bei Hohenstein-Stecken- die Suchschnitte eingemessen (Abb. 11).15 roth, Rheingau-Taunus- Bei WP 3/8 sind nach der Beschreibung Kreis, nach ORL. des ORL „Überreste eines Steinturmes über- haupt nicht nachgewiesen und von einem etwaigen Holzturmhügel nur ganz unsichere Spuren vorhanden.“ Den Steinturm vermu- tete Fabricius aus topografischen Gründen 100 m weiter westlich. Die Ausgrabungen H. Jacobis stellten östlich der Eisenstraße und nördlich eines hier nach Osten abzweigen- den Weges den Limesgraben und südwestlich des Steckenrother Pfades das Palisadengräb- chen fest. Scherbenfunde, darunter auch Sigillata, deuteten die Nähe eines Wachpos- tens an. Der Holzturm zeichnete sich im Winkel zwischen der Eisenstraße und dem von Steckenroth kommenden Pfad schon damals als flache Erhebung ab (Abb. 12).16

Abb. 12 WP 3/8 und WP 3/8* „An der Eisen- straße“ bei Hohenstein- bereits im Sommer 2003 im Auftrag der Steckenroth, Rheingau- Gemeinde Hohenstein eine Prospektion, bei Taunus-Kreis, nach ORL. der Geomagnetik und Geoelektrik eingesetzt wurden.

Untersuchte Areale und Flächen Untersucht wurden zwei Flächen, die westli- che bei WP 3/7 war 100 × 50 m, also 5 000 m2 groß und wurde mittels Geomagne- tik untersucht, die östliche bei WP 3/8 war 20 × 20 m, d. h. 400 m2 groß und wurde geo- elektrisch prospektiert. Die erste Fläche liegt ca. 2 km südlich, die zweite 1,5 km südöstlich Untersuchungsanlass und -zeit der Ortsmitte von Steckenroth. Da die bisherige Befundlage an beiden Turm- stellen erkennbar unzureichend war und weil Ergebnis der genaue Limesverlauf an dem Streckenab- Im Untersuchungsareal bei WP 3/7 wurden schnitt der beiden Wachposten nicht sicht- Palisade und Graben des Limes – gekenn- bar ist und somit in seinem Verlauf nicht zeichnet durch parallel von West nach Ost Abb. 13 WP 3/7 „An der sicher identifiziert werden konnte, erfolgte durch die Fläche verlaufende deutliche alten Hahner Straße“ lineare Anomalien – festgestellt (Abb. 13). bei Hohenstein-Stecken-

15 ORL Abt. A, Strecke 3 S. 56. Der Verlauf des Limes konnte hier wo er im roth, Rheingau-Taunus- 16 Ebda. 56 f. und 40, wo vermutet wird, dass an dieser Gelände nicht sichtbar ist – somit auf eine Kreis. Geomagnetisches Stelle sogar ein kleines Kastell in Form einer sogenannten Feldwache gestanden haben könnte. Länge von 50 m exakt festgelegt werden. In Messbild. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 66

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der Südwestecke der Fläche ergaben sich eingezeichnet angesehen werden, dem nord- zudem Anomalien, die auf den Standort des östlich jenseits der Eisenstraße ein weiterer Wachturmes hinweisen könnten. Damit „Hügel im Hochwald von 17,3 m Durchmes- wäre der im ORL geschilderte Befund gesi- ser und 0,5 m Höhe, mit Spuren von Boden- chert worden. eingriffen, im Osten flacher Graben, süd- In Fläche 2, die östlich der Eisenstraße westlicher Randbereich wird von einem Weg und nördlich eines nach Südosten abziehen- überschnitten“ vorgelagert ist. Diesen hatte den Seitenweges auf geoelektrischem Wege D. Baatz in seiner Limeskartei bereits festge- detektiert wurde, und zwar dort wo nach halten. Leicht nördlich dieses Hügels wurde ORL der große Graben innerhalb eines Gra- das Rastergeviert des Steinturmes in der Geo- Abb. 14 WP 3/8 und bungsschnittes erfasst worden war – im Plan elektrik festgestellt. WP 3/8*„An der Eisen- eingetragen –, ließen sich die Konturen eines Schon früher wurde angenommen, dass straße“ bei Hohenstein- Steinturmes von ca. 4,8 × 5 m Größe durch an der Stelle des WP 3/8 die ältere Limeslinie Steckenroth, Rheingau- die hier angezeigten Anomalien erkennen mit der jüngeren zusammenlaufen würde. Taunus-Kreis. (Abb. 14). Damit ist der an dieser Stelle schon Dem dürfte der Befund Recht geben. Die bei- Geoelektrisches Mess- im ORL vermutete Steinturm lokalisiert. den Holzturmhügel gehörten demnach zu bild. Die Turmstelle 3/8 stellt sich nach diesen der älteren Linie und müssten konsequenter- Untersuchungen nunmehr wie folgt dar: Die weise mit WP 3/8* bezeichnet werden. Ent- im ORL beschriebene „flache, unregelmäßige weder hat also die hier 1901 angelegte Son- Erhebung, die man für einen Holzturmhügel dage den Ringgraben des zweiten Holzturmes halten könnte“ und die sich bei der Bege- oder möglicherweise den des Steinturmes hung des Limes durch S. Bender tatsächlich erfasst, nicht jedoch den Limesgraben, der als „flacher Hügel im Hochwald von 13,6 m hier zu nahe an dem Wachturm zu liegen Durchmesser, auf der Südseite ist der Hügel käme. Vermutlich ist seinerzeit daher der nicht deutlich konturiert“ zu beschreibend Limes nur in dem westlich des „von Stecken- herausstellte17 – so im Limesentwicklungs- roth kommenden Pfades“ angelegten Schnit- plan – darf als Holzturm wie im ORL-Plan tes angetroffen worden.

Abb. 15 Kastell „Kleiner Kastell „Kleiner Feldberg“ Feldberg“ bei Schmitten- bei Schmitten-Niederreifenberg, Hoch- Niederreifenberg, Hoch- taunuskreis taunuskreis, nach ORL. Forschungssituation Der Forschungsstand zum Numeruskastell „Kleiner Feldberg“ (Abb. 15) beruht auf den Ausgrabungen von Louis Jacobi aus dem Jahr 1905 und den Untersuchungen seines Soh- nes Heinrich in den Jahren 1926 –1928 sowie den Darstellungen von Ernst Fabricius im Streckenband des ORL – 1936 erschienen –, der Folgendes schreibt: „Seitdem hat die 1923 von der französischen Besatzung vorge- nommene Abholzung des ganzen Waldes auf dem Nordabhang des Kleinen Feldberges das Kastell nicht bloß seines Schmuckes beraubt, sondern auch die wohlkonservierte Ruine selbst verwüstet und stark beschädigt. Nach

17 Bender, Limesentwicklungsplan Hessen RÜD-47. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 67

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dem Abzuge der Besatzung musste die Direk- Abb. 16 Kastell „Kleiner tion der Saalburg 1926 –1928 eine gründli- Feldberg“ bei Schmit- che Instandsetzung des Kastells vornehmen ten-Niederreifenberg, lassen“. Dabei wurden allerdings „keine grö- Hochtaunuskreis. Geo- ßeren Gebäude oder Spuren der Lagerteilung magnetisches Messbild. mehr gefunden“ und „ein weiterer Auf- schluss über das Kastellinnere nicht gewon- nen.“18 Als Bauten bekannt waren die in Holz- fachwerk errichteten principia mit steinerner cella und Nebenraum, ein als horreum gedeutetes Steingebäude in der nordwestli- chen praetentura sowie Mauerreste rechts neben dem Stabsgebäude, die möglicher- weise zum praetorium gehört haben könnten. Das nach Nordwesten abfallende Kastellge- lände war in der linken Kastellhälfte durch die Stützmauer C gesichert.

Untersuchungsanlass und -zeit Zu Beginn der erneuten Sanierung des Kas- tells, die im Vorfeld der Anmeldung des Badegebäudes zur Abschätzung möglicher Obergermanisch-Raetischen Limes als Zerstörungen bei den Bodeneingriffen im UNESCO-Welterbe durchgeführt und durch Rahmen der Sanierungsmaßnahmen. das Kulturinvestitionsprogramm der Hessi- Schließlich konnte die genaue geodätische schen Landesregierung finanziert wurde, Einmessung der Mauern des Badegebäudes, erfolgte im Juli 2004 im Auftrag des Saal- der „Heidenkirche“, durchgeführt werden.20 burgmuseums eine geophysikalische Pro- spektion. Diese zielte einerseits auf die Klä- Ergebnis rung der Frage ab, inwieweit in nicht Die geomagnetischen Untersuchungen ausgegrabenen Bereichen des Kastells noch (Abb. 16) zeigten im Messbild Anomalien, die archäologische Strukturen vorhanden waren, es nur ansatzweise zulassen, archäologische die den bekannten Befundplan ergänzen Strukturen zur Ergänzung der alten Gra- konnten. Andererseits galt es, die genaue bungspläne zu verifizieren. Immerhin ließen Lage des Bades zu ermitteln, da der Grund- sich westlich der principia parallel zu deren riss im Lauf der Sanierungsarbeiten im Außenseite ausgerichtete lineare Strukturen Gelände nachgelegt werden sollte.19 erahnen, in denen sich offenbar eine gräb- chenartige und eine durch eine Reihung von Untersuchte Areale und Flächen Pfostenstellungen ausgewiesene Flucht Das gesamte Kastellgelände – genau 5 880 m2 – abzeichneten. Tatsächlich fand sich in der wurde zunächst geomagnetisch, sodann hier angelegten Testfläche der dem Hangver- gezielte Teilbereiche, d. h. die östliche Kas- lauf folgende Rest einer 30 bis 40 cm breiten tellhälfte mit 2 720 m2 Größe sowie das Areal Gräbchenstruktur und östlich davon, in des Badegebäudes – rund 1 000 m2 – geoelek- trisch untersucht. Im Anschluss erfolgte zur 18 ORL Abt. A Strecke 3 S. 75; Abt. B Nr. 10. – Saalburg- Jahrb. 7, 1930, 80 f. mit Wiedergabe eines Bildes vom ver- Überprüfung der erhobenen geophysikali- wüsteten Kastell. schen Befunde die Ausgrabung einer kleinen 19 Zuletzt E. Löhnig, E. Schallmayer, Zum Abschluss der Sanierung der Kastelle Kleiner Feldberg und Kapersburg. Fläche (8 × 3 m) westlich der principia sowie Hessenarchäologie 2005 (Stuttgart 2006) 7 –80. eines weiteren gleichgroßen Areals im Nord- 20 E. Löhnig, E. Schallmayer, Sanierungsmaßnahmen im Feldberg-Kastell. Hessenarchäologie 2004 (Stuttgart 2005) teil des Kastells, wie auch im Bereich des 93 –96. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 68

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Abb. 17 Kastell „Kleiner che Kastellgelände „bis auf den Grund“ wie Feldberg“ bei Schmit- es heißt ausgegraben und anschließend kräf- ten-Niederreifenberg, tig planiert worden. Hochtaunuskreis. Geo- Die geoelektrische Prospektion im elektrisches Messbild. Bereich des Bades (Abb. 18) – hier wurde aus- schließlich Geoelektrik eingesetzt – ließ Nordwest-Südost verlaufende Mauern sowie nördlich davor eine große positive Anomalie erkennen, die auf das praefurnium der Anlage hinwies. Zusammen mit den noch sichtba- ren Mauerresten gelang dadurch eine genaue Lokalisierung der Gesamtanlage, die aller- dings in den Jahren seit ihrer Entdeckung sehr stark unter Substanzverlust gelitten hatte. Um das Mauerwerk sanieren zu kön- nen, wurde eine nur die oberen Schichten berührende Ausgrabung unternommen.21 Dabei zeigte sich, dass schon in früheren Zei- ten bei der Konservierung des Bades „neues“ Mauerwerk auf die antiken Mauern aufge- setzt wurde, um diese besser sichtbar zu einem Abstand von etwa 1,2 m zwei Pfosten- machen. Lediglich dieses Mauerwerk wurde standspuren. Westlich des Gräbchens ergab – ohne die Originalsubstanz anzugreifen – sich in einem Abstand von 1,3 m eine wei- wieder hergerichtet (Abb. 19). tere Gräbchenstruktur. Mit aller gebotenen Vorsicht lassen sich in diesen Befunden die Kleinkastell „Lochmühle“ Reste von Mannschaftsbaracken sehen, bei Friedrichsdorf-Köppern, Hochtau- deren Wandgräbchen nur noch wenige Zen- nuskreis timeter tief erhalten waren. Das Kastell liegt unmittelbar nördlich der Deutlicher zeichneten sich die Pfosten- L 3041 von Neu-Anspach nach Rodheim vor stellungen der Exerzierhalle des Stabsgebäu- dem Eingang des Freizeitparks „Lochmühle“, des sowie die westliche und östliche Außen- ca. 80 m südlich des Erlenbachs, der das Köp- wand der Armamentariaflügel ab. perner Tal durchzieht, und etwa 40 m hinter In der Nordwestecke hatte die Geoelek- dem Limes. Die Anlage sperrte in der Antike trik mehrere massive Anomalien gezeigt den Talgrund (Abb. 20). (Abb. 17). Bei der Testgrabung hier ergaben sich im archäologischen Befund nur noch Forschungssituation Schotterlagen ohne klar umrissene Grenzen, Die 22 × 18 m (ca. 400 m2) große Anlage die in wechselnder Stärke Hang abwärts pla- wurde bereits von Rossel beschrieben, von Abb. 18 Kastell „Kleiner niert worden waren. Es handelt sich allem Cohausen 1871 freigelegt, aber wieder zuge- Feldberg“ bei Schmitten- Anschein nach um jene Planierschichten, die schüttet, und nochmals von Louis Jacobi Niederreifenberg, Hoch- entstanden, als in den 1920er-Jahren nach 1894 gegraben.22 Der Eingang befand sich taunuskreis. Kastellbad den Verwüstungen durch die französischen nach Ausweis einer 3,2 m breiten Unterbre- „Heidenkirche“. Geo- Holzeinschläge die Kastellanlage durch Hein- chung des 1,6 m breiten Trockenmauerwerks elektrisches Messbild rich Jacobi wiederhergestellt wurde. Allem und Umzeichnung. Anschein nach waren die verbliebenen Wur- 21 P. Knierriem, E. Löhnig, Die „Heidenkirche“ am Feldberg- zelstöcke der Bäume tiefgründig ausgehoben Kastell. Hessenarchäologie 2005 (Stuttgart 2006) 80 –82. – worauf die vielen positiven Anomalien der 22 Rossel, Grenzwehr 13, Cohausen, Grenzwall 105, 19 mit Taf. XII, Fig. 1; Jacobi, Saalburg 4 mit Taf. III, Fig. I; Arch. Geoelektrik hindeuten könnten –, das restli- Anz. 1893, 184; ORL Abt. A Strecke 3, 152 f. mit Taf. 11,3. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 69

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Abb. 19 Kastell „Kleiner Feldberg“ bei Schmitten- Niederreifenberg, Hoch- taunuskreis. Kastellbad „Heidenkirche“ nach der Sanierung.

der Umwehrung an der nordwestlichen stationen eine kindgerechte Vermittlung der Abb. 20 Kleinkastell Schmalseite des Kastells. Vor der Wehrmauer Römerzeit durch spielerische Module. Für „Lochmühle“ bei Fried- verlief ein Graben. Bei den Ausgrabungen Erwachsene stehen selbstverständlich die richsdorf-Köppern, befanden sich hinter dem Eingang ein Stein- üblichen Informationstafeln bereit. Die Hochtaunuskreis, nach pflaster und im hinteren Kastellteil eine Feu- Gesamtmaßnahme wurde von den Betrei- LEP Hessen. erstelle. Jacobi beschrieb „verschiedene bern des Freizeitparks finanziert (Abb. 22). Feuer- oder Kochstellen, rohe Steinfunda- Der Zugang des Kastellgeländes durch den mente von Holzbaracken und Reste von Limeswanderer ist nach Anmeldung an der Lehmstakung“.23 Im Herbst 1927 war die Kasse des Parks kostenfrei möglich. Vor der Umfassungsmauer noch 0,5 m hoch erhalten (Abb. 21).

Untersuchungsanlass und -zeit Im Herbst 2004 erwarb die Freizeitpark Loch- mühle GmbH das gesamte Kastellgelände mit umgebendem Areal in der Absicht, das Gebiet in den Freizeitpark zu integrieren, wozu eine Einzäunung erfolgte. In Abstim- mung mit der Archäologischen Denkmal- pflege wurde das Kleinkastell mittels eines archäologischen Rundweges, der das Kastell- innere allerdings nicht berührt, erschlossen. Das Kastellgelände selbst wurde der besseren Sichtbarkeit wegen ausgestockt. Da der Frei- zeitpark vor allem von Familien mit Kindern Abb. 21 Kleinkastell im Alter zwischen 4 und 12 Jahren besucht „Lochmühle“ bei Fried- wird, erfolgt an den einzelnen Informations- richsdorf-Köppern, Hochtaunuskreis, nach 23 Limesblatt Sp. 324. ORL. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 70

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Abb. 22 Kleinkastell 1 876 m2, mithilfe der Geoelektik eine solche „Lochmühle“ bei Fried- mit 2 313 m2 Größe untersucht, anschließend richsdorf-Köppern, ein Gelände mit 3 600 m2 geodätisch einge- Hochtaunuskreis. messen. Archäologischer Rund- weg für Kinder und Ergebnis Erwachsene. Während die Geomagnetik ein sehr diffuses Bild erkennen ließ, das durch positive Ano- malien lediglich den Kastellbereich grob abbildet bzw. durch zahlreiche kleinere Berei- che hoher magnetischer Intensität auf ein- zelne Metallobjekte zurückzuführen sein könnte, zeigt die Geoelektrik die Wehrmauer des Kleinkastells, besonders dessen Nordost- ecke und Nordseite, in aller Deutlichkeit (Abb. 23). Die Prospektoren sehen hier eine Anlage des Rundweges erfolgte im Herbst bessere Erhaltung des Mauerwerks als an den 2004 die geophysikalische Prospektion des übrigen Kastellseiten. Möglicherweise ist hier Kastellgeländes und seiner unmittelbaren aber auch nur ein breiterer Mauerversturz Umgebung. Ziel der Untersuchung war die zum Hang zu gegeben. Im Inneren zeigen exakte Lokalisierung der obertägig nur stel- sich auffällige Bereiche vor der Nordostecke lenweise sichtbaren Wall- und Grabenstruk- des Kastells, unmittelbar hinter dem Kastell- turen durch eine Tachymeteraufnahme des tor und entlang der südlichen Innenmauer. Areals sowie die Detektion von obertägig Vielleicht gehört die letztgenannte Struktur nicht sichtbaren archäologischen Strukturen zu einem hier gelegenen Gebäude – zu erwar- Abb. 23 Kleinkastell innerhalb und im direkten Umfeld der Kas- ten wäre eine Mannschaftsbaracke – wäh- „Lochmühle“ bei Fried- tellanlage. rend die flächige Anomalie hinter dem Ein- richsdorf-Köppern, gang das schon 1871 aufgedeckte Pflaster Hochtaunuskreis. Geo- Untersuchte Areale und Flächen nachweisen dürfte. In der Nordostecke elektrisches Messbild. Mittels Geomagnetik wurde eine Fläche mit könnte ein eigener Bau gestanden haben.

Abb. 24 Kleinkastell „Lochmühle“ bei Fried- richsdorf-Köppern, Hochtaunuskreis. Virtu- elles 3D-Modell. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 71

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Als heller Bereich (= negative Anomalie) ist und 4/49 von 1 700 m im Bereich des Flurge- der Kastellgraben an nahezu allen Kastell- wanns „Im Krötenpfuhl“ angenommen. Hier seiten erkennbar. fand Kofler an dem „von Leihgestern in der Das auf der Grundlage der topografi- Richtung auf Dorf Güll“ führenden Weg, schen Aufnahme angefertigte dreidimensio- „der bei Punkt 271,2 den Limes kreuzt“ ein nale virtuelle Geländemodell (Abb. 24) lässt eigenartiges rundes Turmgebäude (Abb. 26), sehr gut die Erhaltung der Kastellmauer das er wegen des rein römischen Fundmate- erkennen. Deutlich ist die Unterbrechung rials an dieser Stelle als Limesturm ansprach. durch das Haupttor und ein davor gelegener Der Bau bestand „aus einem 0,8 m tief funda- kleiner Hügel zu erkennen, der sich auch in mentierten runden Kern mit 5,7 m äußerem der Geoelektrik deutlich abgezeichnet hat, und 3,65 m innerem Durchmesser, um den aber wohl rezenter Natur ist. sich, etwas weniger tief fundamentiert, eine Insgesamt ergibt sich in der Kombina- zweite Mauer hufeisenförmig herumlegt, die tion der verwendeten Messmethoden das auf der dem Pfahl annähernd parallel laufen- Bild eines zwar nicht besonders eindrucks- den Westseite rechteckig abschließt“.25 Die Abb. 25 WP 4/47 „West- voll erhaltenen aber dennoch deutlich Anlage befindet sich ca. 20 m hinter dem lich von Punkt 273,4 erkennbaren und mit mehreren Innenbauten Limes. Schon Fabricius vermutete, dass es NN“, WP 4/48 „Im Krö- versehenen Kleinkastells, in dessen unmittel- sich bei dem Bau um eine mittelalterliche tenpfuhl“ und WP 4/48 barer Umgebung keine nennenswerten mas- Warte handeln könnte. a „Vor dem Hengel“ bei siven Bauspuren vorhanden gewesen sind. WP 4/48 a wurde wegen der trotz Ein- Pohlheim-Grüningen, Von einem regelrechten Lagerdorf dürfte also schub von WP 4/48 immer noch großen Ent- Landkreis Gießen, nach nicht auszugehen sein. Die Geophysiker fernung zu WP 4/49 „etwa auf der Höhe zwi- LEP Hessen. betonen, dass alle bei ihren Messungen schen dem Ober-Stein- und dem Wart-Berg erfassten Strukturen recht nahe unter der angenommen.“26 Hier hatte Kofler „hinter heutigen Oberfläche liegen und deutliche Verfallserscheinungen aufweisen. Durch die Übernahme des Kleinkastells in die Pflege des Freizeitparks Lochmühle ist der Bestand der Anlage im Zustand des Status quo aller- dings gewährleistet.

WP 4/47 „Westlich von Punkt 273,4 NN“, WP 4/48 „Im Krötenpfuhl“ und WP 4/48 a „Vor dem Hengel“ bei Pohlheim-Grüningen, Landkreis Gießen

Forschungssituation WP 4/47 (Abb. 25) wurde von Kofler1894 dem Pfahlgraben römische Gefäße gefunden Abb. 26 WP 4/48 „Im gesucht, der im Umfeld aber nur Scherben und 1896 einen Turm entdeckt.“ Fabricius Krötenpfuhl“ bei Pohl- fand. Fabricius besuchte 1910 die Stelle und vermerkt allerdings, dass genaue Angaben heim-Grüningen, Land- fand 110 m nördlich von der Spitze der Holz- über Erhaltungszustand und Größe nicht kreis Gießen, nach ORL. heimer Gemarkung, „gerade auf dem höchs- vorhanden seien. Die genauere Lokalisierung ten Punkt, den der Pfahl erreicht“ einen und Befunddarstellung der genannten Wach- Platz, an dem „in dem sonst steinfreien posten standen also noch aus. Boden sehr viele Steine umherliegen“.24 WP 4/48 wurde im ORL wegen der Ent- 24 ORL Abt. A Strecke 4 u. 5, S. 103. 25 Ebda. S 104. fernung zwischen den gesicherten WP 4/47 26 Ebda. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 72

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Größe inmitten einer weiteren runden Struk- tur, die wohl als Ringgraben zu interpretieren ist. Eine weitere Anomalie unmittelbar hinter der Südostecke des Turmes könnte vielleicht ein Nebengebäude oder die Reste eines Holz- turmes andeuten. Bei WP 4/48 ist deutlich der von Kofler beschriebene Steinbau zu erkennen, daneben aber ein viereckiges Mauerwerk mit ca. 5 × 5m Größe, sicherlich der gesuchte Steinturm des Limes, von dem die im ORL genannten römischen Funde stammen dürften, die Kof- ler bei Ausgrabung des mittelalterlichen Wartturmes fand. Im Messbild von WP 4/48 a ist eine dem Befund von WP 4/48 sehr ähnliche Erschei- Abb. 27 WP 4/47 „West- Untersuchungsanlass und -zeit nung zu erkennen. Bei der kreisrunden lich von Punkt 273,4 Im März und August 2005 gab der Oberhessi- Struktur im nördlichen Teil der Fläche, die NN“, WP 4/48 „Im Krö- sche Geschichtsverein Gießen e. V. eine geo- von einer linearen Anomalie durchschnitten tenpfuhl“ und WP 4/48 physkalische Prospektion an den beschriebe- wird, könnte es sich ebenfalls um die Reste a „Vor dem Hengel“ bei nen Stellen in Auftrag. Dabei war klar, dass eines Wartturmes handeln, während in der Pohlheim-Grüningen, diese Limesstrecke eine Überprägung durch kreisrunden Erscheinung im südlichen Landkreis Gießen. Geo- eine mittelalterliche Landwehr, die soge- Bereich der Fläche der Kreisgraben zu einem elektrische Messbilder. nannte „Solmser Landwehr“ erfahren hatte.27 Limesturm zu sehen ist, der sich innerhalb Ziel der Untersuchung waren die Bestim- des Kreises als Mauergeviert abzeichnet. Ein mung der genauen Lage der Türme im unmittelbar darunter durch die Flächenkante Gelände und die Detektion ihres direkten angeschnittener Befund ließe sich als Kreis- Umfeldes hinsichtlich weiterer Strukturen, graben wohl eines älteren Holzturmes deu- die der römischen Grenzbefestigung ange- ten. Sowohl WP 4/48 als auch WP 4/48 a hört haben könnten. werden von zahlreichen Anomalien beglei- tet, so bei ersterer ein rechteckiger „Fleck“ Untersuchte Areale und Flächen südlich der Türme, bei letzterer unmittelbar Die Limesstrecke verläuft hier in nordost- im südlichen und östlichen Umfeld. Es südwestlicher Richtung ca. 1 bis 1,5 km west- dürfte sich dabei um Befunde wie Erdkeller lich an Grüningen vorbei. In einem regelmä- oder Grubenhäuser mit Backöfen handeln, ßigen Abstand von ca. 650 m befinden sich wie sie ähnlich bei WP 5/4 am östlichen die WP 4/47 bis 48 a im ORL-Kartenwerk ein- Wetteraulimes bekannt geworden sind, wenn getragen. Die untersuchten Flächen besaßen sie nicht zur mittelalterlichen Landwehr dieser Reihenfolge nach 1 080 m2, 1 810 m2 gehören, denn beide Turmstellen werden und 2 110 m2, also insgesamt 5 000 m2. Da der von parallelen, geradlinigen Strukturen, die geologische Untergrund unter dem Lößbo- in nordost-südwestlicher Richtung verlaufen, den basaltische Gesteinsschichten aufweist, durchzogen. Die Prospektoren sehen in die- wurde auf den Einsatz der Geomagnetik nach sen Linien eher rezente Erscheinungen, also einer Testmessung (2 400 m2) bei WP 4/48 a, die die Landwehr begleitenden Wege oder die nicht so ergebnisreich war, verzichtet. später den Ackerrain begleitende Trampel- pfade und Pflugspuren. Ergebnis Bei WP 4/47 (Abb. 27) zeigt sich ein quadra- 27 D. Wolff, Die Überformung des Limes im Mittelalter durch die Anlage von Landwehren. In: Schallmayer, Limes tisches Steinturmfundament mit ca. 5 × 5 m imperii Romani 147 –161, bes. 154 ff. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 73

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Dass die Limeslinie an einigen Abschnit- ten in Taunus und Wetterau von mittelalter- lichen Landwehren als Grenzzug weiter benutzt wurde, ist seit langem bekannt und hat sich auch archäologisch in jüngster Zeit erneut feststellen lassen, wie das Beispiel des Limesschnittes in der Nähe des Kleinkastells „Holzheimer Unterwald“ zu erkennen gibt.28 Dort konnte gemeinsam mit den Boden- kundlern der Universität Gießen festgestellt werden, dass der eigentliche Wallkern des Pfahlgrabens später mit neuem Erdmaterial, das nicht aus dem Limesgraben stammen konnte, erhöht worden ist. Im Mittelalter hatte man die Limeslinie erneut für die Anlage einer Grenze, dieses Mal der Solmser Landwehr wieder verwendet. Bei einer kleinen Grabung im Jahr 2006 im Bereich von WP 4/37 „Am Griedeler Wald bei Butzbach“ (Abb. 28) ließ sich erkennen, dass die Überformung des Limes durch diese mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Maßnahmen neue Zustände schaffen Reichs-Limeskommission einen Steinturm Abb. 28 WP 4/37 konnte. Hier lag der „Stumpfe Turm“ (im angenommen, was aber nach den neuen „Am Griedeler Wald“ Plan Nr. 2), ein Wartturm der Solmser Land- Untersuchungen nicht stimmen kann, da bei Butzbach, Wetterau- wehr unmittelbar hinter dem großen Gra- WP 4/37 – Steinturm östlich der Landwehr, kreis, nach Schunk- ben, der als Landwehrgraben leicht östlich zwischen dieser und dem Pfahlgraben zu lie- Larrabee, Schunk. hinter dem eigentlichen Limes verlief.29 gen kommt (im Plan Nr. 1). Bei der vermeint- Nördlich des „Stumpfen Turmes“ hatte die lichen Steinturmstelle des ORL (Abb. 29) muss es sich also um eine zur Landwehr gehörende Struktur handeln. Bei dem dort im Plan mit Fragezeichen eingetragenen Begleitweg dürfte dies ebenso der Fall sein und würde die ähnlichen, die Kreisgraben- strukturen von WP 4/48 und WP 4/48 a durchschneidenden Linien als frühneuzeitli- che Zutat erklären.

Zwei Militärlager südwestlich von Kastell Arnsburg am Hof Güll, bei Lich-Muschenheim, Landkreis Gießen Abb. 29 WP 4/37 „Am Griedeler Wald“ Forschungssituation bei Butzbach, Wetterau- Im Sommer 1986 wurden bei Luftbildbeflie- kreis, nach ORL. gungen die Strukturen zweier neuer römi-

28 Kühn und Schallmayer, Landwehr. scher Marschlager festgestellt, der neue 29 G. Schunk-Larrabee, W. Schunk, Standort des römischen Befund wurde im Zuge der Arbeiten zum Steinturms (WP 4/37) am Griedeler Wald bei Butzbach. Hessenarchäologie 2006 (Stuttgart 2007) 85 f. Aufnahmeantrag Limes an die UNESCO 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 74

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decke über Basaltuntergrund mit Beeinträch- tigungen der Messungen zu rechnen war.

Untersuchte Areale und Flächen Beide Flächen liegen ca. 4,5 km südwestlich von Lich, unmittelbar östlich des Hofes Güll an einem schwach geneigten Oberhang (Fläche 1 = Abb. 30 oben rechts) bzw. am Übergang vom Mittel- und Unterhang (Fläche 2 = Abb. 30 unten links), der durch eine deutlich ausgeprägte Geländestufe gekennzeichnet ist. Sie erstrecken sich über ein Areal von jeweils 5 000 m2, sodass letzt- lich genau ein Hektar prospektiert wurde.

Ergebnis In Fläche 1 gab sich der Lagergraben des Lagers 2 als schwache lineare Struktur zu erkennen. Diese trat weniger als eigenstän- dige Anomalie, sondern eher als Unterbre- chung im stark magnetisierenden geologi- schen Untergrund in Erscheinung. Die Umbiegung der Struktur nach Süden lässt sich entgegen der Berichtsaussagen der Geo- physiker deutlich erkennen. Eine weitere, im Abb. 30 Militärlager gesichtet und kurz vorgestellt (Abb. 30).30 Abstand von 10 bis 15 m annähernd parallel südwestlich von Kastell Im Luftbild war im Westen ein von Nord nach zu dieser verlaufende Anomalie könnte noch Arnsburg bei Lich- Ost umbiegender dunkler Streifen zu erken- zur Umwehrung gehört haben. Muschenheim, Land- nen, der offenbar von einem von Süd nach In Fläche 2, die über dem Kreuzungspunkt kreis Gießen. Luftbild Ost und wieder nach Süden umbiegenden der ehemaligen Bahnlinie mit den Graben- von O. Braasch mit ein- zweiten Streifen überschnitten wurde. Von strukturen beider Lager angelegt wurde, konnte montierten geomagne- Letzterem war noch die südliche Umbiegung der Verlauf der antiken Gräben trotz massiver tischen Messbildern. nach Osten zu erkennen, sodass ein Lager in rezenter Störungen dokumentiert werden. Gestrichelt: Lagerum- Form eines leicht verschobenen Rechtecks Die Südwestecke von Lager 2 scheint sich in wehrungen. mit ca. 230 × 240 m Seitenlänge, d. h. ca. 5,6ha der unteren Flächenhälfte anzudeuten, Innenfläche rekonstruiert werden konnte. sodass die Rekonstruktion der Lagergröße an Die Anlage erhielt die Bezeichnung Lager 2, Richtigkeit gewinnt. Die Gräbchenstruktur die zuvor beschriebene Struktur wurde als von Lager 1 durchzieht in der Flächenmitte Teil eines Lagers 1 aufgefasst. leicht gebogen das Messbild. Obwohl also in Anbetracht der für die Geomagnetik eher Untersuchungsanlass und -zeit ungünstigen geologischen Voraussetzungen Im Winter 2002 beauftragte die Archäologi- eine Interpretation der Messbilder als schwie- sche Denkmalpflege eine geophysikalische rig prognostiziert wurde, können die Gräben Untersuchung, die in zwei Flächen durchge- der neuen Lager auch durch diese geophysi- führt wurde. Angewandt wurde die Geomag- kalische Methode sehr gut abgebildet wer- netik, obgleich durch die rezente Störung den. Zur weiteren Verdichtung der Ergeb- einer Bahnlinie, die deutlich erkennbar das nisse insbesondere in Bezug auf Spuren einer gesamte Luftbild in einem großen Bogen etwaigen Innenbebauung müssen weitere durchzieht, und durch die nur leichte Löß- Prospektionen abgewartet werden. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 75

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Kastell Arnsburg Lagerdorfs – insgesamt ca. 8 ha Fläche – durch bei Lich-Muschenheim, Landkreis Gießen die Archäologische Gesellschaft in Hessen e.V. mit Unterstützung des Landes Hessen ange- Forschungssituation kauft. Mittlerweile wurden ein archäologischer Das schon altbekannte Kastell (Abb. 31) für Rundweg mit Beschilderung angelegt und die als Besatzung aufeinander folgenden die nach den Ausgrabungen der Reichs- cohortes II Aquitanorum equitatata, I Aquitano- Limeskommission durch den Oberhessischen rum veterana equitata und V Dalmatarum Geschichtsverein Gießen vorgenommene wurde im Herbst 1893 von der Reichs-Limes- Restaurierung von Teilen der Nordmauer und kommission, Friedrich Kofler, untersucht. der nordwestlichen Kastellecke erneut saniert. Der 185 × 161 m = 3 ha großen Anlage ging Abb. 31 Kastell Arns- an gleicher Stelle ein Holz-Erde-Kastell Untersuchungsanlass und -zeit burg bei Lich-Muschen- voraus, von dem allerdings nur wenig bekannt Luftbildaufnahmen, die in den 1980er-Jahren heim, Landkreis Gießen, ist. Von der Innenbebauung des Steinkastells aufgenommen wurden, ließen die Kastell- nach ORL. ließen sich seinerzeit die principia, ein rechts daneben gelegenes horreum und ein in der rechten Praetenturaseite gelegenes großes Gebäude, möglicherweise das praetorium feststellen. Die portae praetoria, principalis dex- tra und sinistra besaßen eine doppelte Durch- fahrt, die porta decumana besaß nur eine. Neben den Ecktürmen konnten noch 10 Zwischentürme festgestellt werden. Das Lager dorf des Kastells erstreckt sich vor allem nach Westen, Osten und Süden. An der nach Süden führenden Straße lag ein Bad, beid- seits der Straße der Kastellvicus, an den sich ein Gräberfeld anschloss. Ein weiteres Bad lag im Osten vor der porta praetoria. Hier auch ein großes Gebäude, das als Unterkunftshaus gedeutet wird. Südöstlich des Kastells wurde am Rand des Lagerdorfs ein Amphitheater im Luftbild entdeckt.31 Das gesamte Kastell- gelände ist abgesehen von dem unvollstän- dig gebliebenen und nur im Chorbereich errichteten Kirchenbau der Benediktiner aus der Mitte des 12. Jahrhunderts inmitten der praetentura und einem kleinen, zu Hof Güll gehörenden Friedhofsareal in der Nordost- ecke völlig unbeeinträchtigt von Bauten und liegt als ehemalige Ackerfläche, jetzt stillge- legt, in offener Flur. Im Jahr 2005 wurden das Gelände des Kastells und große Teile des

30 S. Bender, Schon wieder römische Lager – Neue Befunde nördlich des Kastells Arnsburg bei Lich-Muschenheim. Hes- senarchäologie 2001 (Stuttgart 2002) 72 f. 31 ORL Abt. B Nr. 16. – RiH2 228 –230. – S. Bender, Ein Amphitheater im Lagerdorf des Kastells Arnsburg – Wieder- entdeckung und Deutung einer Entdeckung. Hessenarchäo- logie 2004 (Stuttgart 2005) 100 –103. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 76

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Abb. 32 Kastell Arns- burg bei Lich-Muschen- heim, Landkreis Gießen. Virtuelles 3D-Modell mit Eintragung der geo- physikalisch gemesse- nen Flächen.

strukturen, vor allem die Umwehrung und die steinernen Innenbauten mit aller Deut- lichkeit hervortreten, ebenso die des Lager- dorfs und einer sich nordwestlich unterhalb Abb. 33 Kastell Arns- des Kastellplateaus befindlichen, ausgedehn- burg bei Lich-Muschen- ten römischen Villenanlage. Nachdem nun heim, Landkreis Gießen. das gesamte Areal sozusagen in öffentlichen Geomagnetisches Besitz überführt worden ist, wird nach und Messbild. nach eine systematische geophysikalische Prospektion des ganzen Geländes vorgenom- men, um auf zerstörungsfreiem Wege weitere Einzelheiten der Innenbebauung gewinnen zu können. Da der Bodenuntergrund im Kas- tellbereich aus tertiären Vulkaniten (Basalt) besteht (in der geologischen Karte die dun- kelgelben, längsgestreiften Flächen), was sich vor allem auf die geomagnetische Messme- thode ungünstig auswirken kann, anderer- seits aber besonders im Lagerdorfbereich äolische Ablagerungen (= Löß, in der geologi- schen Karte die hellgelbe Fläche) vorkom- men, sollte mit Versuchsflächen getestet wer- den, welche Methode an welcher Stelle am besten anspricht. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 77

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Untersuchte Areale und Flächen Arnsburg, dass mit der kombinierten Anwen- Daher wurden im November 2006 auf Veran- dung verschiedener geophysikalischer lassung des Vorstandes der Archäologischen Methoden weiterführende Erkenntnisse zur Gesellschaft in Hessen e.V. zwei Testflächen Ergänzung des Kastell- und Lagerdorfplans (Abb. 32) angelegt, und zwar Fläche 1, 5 × 50m zu erzielen sind, ohne dass das Bodendenk- = 2 500 m2 messend, über der porta praetoria mal durch großflächige Ausgrabungen des Kastells und Fläche 2, 100 × 50 m = 5 000m2 zerstört wird. groß, über einem etwa 100 m südlich der Südostecke des Kastells im Lagerdorf gelege- Abb. 34 Kastell Arns- nen Bereich. In Fläche 1 wurde zudem ein burg bei Lich-Muschen- kleineres Areal von 20 × 40 m = 800 m2 Größe heim, Landkreis Gießen. mittels Bodenradar untersucht. Mithilfe des Bodenradar-Messbild. Bodenradars lassen sich gegenüber der Geo- magnetik und Geoelektrik weitergehende Informationen besonders zur Tiefenlage der angetroffenen Befunde und damit zu deren Erhaltungszustand gewinnen.

Ergebnis Man erkennt, dass die Geomagnetik auf dem „Basaltgelände“ von Fläche 1 über der porta praetoria (Abb. 33) lediglich die geologischen Formationen abbildet, archäologische Einzel- heiten sind so gut wie gar nicht zu erkennen. Dagegen lassen sich die Strukturen im Lager- dorf, allem Anschein nach die von Streifen- häusern mit Stein- und Holzkellern, in der lößbedeckten Fläche 2 sehr schön erkennen. Man sieht, wie der Steinkeller unter dem por- ticus eines Streifenhauses zu liegen kommt Abb. 35 Kastell Arns- und sich unmittelbar darüber leicht zurück- burg bei Lich-Muschen- gesetzt wohl ein Holzkeller abzeichnet. heim, Landkreis Gießen. Die Aufnahme des Bodenradars (Abb. 34) Geoelektrisches Messbild. in Fläche 1 zeigen die Konturen der porta praetoria sehr schön. Hier nicht gezeigte wei- tere Graustufenrasterbilder machen darüber hinaus deutlich, dass sich das Mauerwerk des Haupttores vor allem in den Tiefenstufen 0,4 bis 1,4 m abzeichnet. Dies entspricht in etwa dem Bericht im ORL, wo beschrieben wird, dass die Fundamentmauern der Umwehrung insgesamt noch bis in eine Tiefe von 1,2 m angetroffen werden konnten. Schließlich zeichnen sich die antiken Baustrukturen in der geoelektrischen Mes- sung (Abb. 35) der beiden Flächen besonders gut ab. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der geo- physikalischen Messungen am Kastell 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 78

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Zwischen WP 4/56 heute noch nicht auffinden. Oberhalb des „Am Kolhäuser Kopf“ Talgrundes ist der Limeswall auf eine größere und dem vermuteten Strecke wieder gut erkennbar und WP 4/59 auch durch die Untersuchungen von Fabri- WP 4/57 „Auf dem Seeberg“ cius 1919 nachgewiesen (Abb. 36).32 bzw. „Im Lauterbachswäldchen“ und im Bereich des ebenfalls angenom- Untersuchungsanlass und -zeit menen Der Verlauf des Limes lässt sich im Bereich des Übergangs über die Wetter also nur Abb. 36 Limesabschnitt WP 4/58 „Amtswiese“ anhand der Ausrichtung der Gesamtanlage bei WP 4/56 „Am Kol- unmittelbar östlich der Wetter gegen- und der Untersuchungen H. Schönbergers häuser Kopf“, WP 4/57 über den „Peterseen“ bei Lich-Arnsburg, im Jahr 1952 rekonstruieren (Abb.37).33 Es „Auf dem Seeberg“ und Landkreis Gießen. stellte sich die Frage, ob die Grenzanlagen im WP 4/58 „Amtswiese“ Auengelände überhaupt ausgebaut worden bei Lich-Arnsburg, Forschungssituation waren. Darüber hinaus sollte im Bereich des Landkreis Gießen, nach Der Limesverlauf ist bis unmittelbar nord- angenommenen WP 4/57 untersucht wer- LEP Hessen. westlich des Wettertales im Gelände sehr gut den, ob hier eine einfache oder doppelte erhalten. Im westlichen Talgrund der Wetter Palisadenreihe vorhanden war. Letztere war konnte erst Fabricius 1919 den genauen Ver- bei Luftbildaufnahmen südöstlich der Wetter bei Birklar an WP 4/61 „Auf dem Weinberg“ Abb. 37 Limesabschnitt und bei Ausgrabungen des WP 4/70/71 bei WP 4/56 „Am Kol- „Hehlingsgrund“ bei Hungen im Jahr 2005 häuser Kopf“, WP 4/57 festgestellt worden.34 Darüber hinaus sollten „Auf dem Seeberg“ und unmittelbar östlich der Wetter im Bereich WP 4/58 „Amtswiese“ des hier angenommenen WP 4/58, die bei Lich-Arnsburg, Limeslinie wieder aufgenommen und den Landkreis Gießen, nach Resten der Turmstelle nachgespürt werden. Schönberger. Im November und Dezember 2005 wurden an beiden genannten Stellen im Auftrag der Archäologischen Denkmalpflege geophysika- lische Untersuchungen durchgeführt.

Untersuchte Areale und Flächen Fläche 1 (Abb. 38) wurde in einer Größe von 75 × 30 m =2 250 m2 westlich des Wettertals, etwa 2,5 km südwestlich von Lich unterhalb lauf nachweisen, ohne aber den in der Nähe des „Kolnhäuser Kopfes“ gelegen, unter- vermuteten WP 4/57 „Auf dem Seeberg“ auf- sucht, Fläche 2 (Abb. 39) in einer Größe von finden zu können. Der Pfahl zog von der 65 × 40 m = 2 700 m2 unmittelbar östlich der Höhe des „Seebergs“ geradlinig in das Wet- Wetter unterhalb der B 488 im Talgrund und tertal hinunter, dessen Grund er bei der soge- etwa 2,5 km südwestlich von Lich entfernt, nannte „Amtswiese“ in der Flussaue erreicht. prospektiert, jeweils mittels der Geomagnetik. Der hier zu ergänzende WP 4/58 ließ sich bis Die angetroffenen Strukturen wurden anschließend geodätisch eingemessen. 32 ORL Abt. A Strecke 4 S. 112, 117. 33 H. Schönberger, Untersuchungen am Limes bei Kastell Arnsburg. Saalburg-Jahrb. 22, 1965, 14 –16. Ergebnis 34 S. Bender, Die Doppelpalisade am Limes im Vorfeld des Kastells Arnsburg. In: Schallmayer Limes – Imperii Romani In Fläche 1 zeichnete sich der Limeswall ent- 47 –54. – E. Schallmayer, Untersuchungen an WP 4/70/71 lang der westlichen Flächenkante als durch- „Hehlingsgrund“ bei Hungen. Hessenarchäologie 2005 (Stuttgart 2006) 85 –87. gängige lineare Anomalie ab, und zwar nur 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 79

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die nördliche Flanke des Walls, da dieser zur Abb. 38 Limesabschnitt Hälfte im Messbild zu liegen kam – man bei WP 4/56 „Am Kol- erkennt das an den Profilaufnahmen. Auf- häuser Kopf“, WP 4/57 fallend ist daneben vor allem der lineare „Auf dem Seeberg“ und Bereich negativer Messwerte, die den Verlauf WP 4/58 „Amtswiese“ des Limesgrabens nachvollziehen lassen, und bei Lich-Arnsburg, darauf nördlich folgende positive Anomalien Landkreis Gießen. Geo- wechselnder Intensität, die als Anzeiger für magnetisches Messbild das Palisadengräbchen gedeutet werden kön- Wetterübergangs andeuten würden. Die Fläche 1 (zwischen WP nen. Da eine weitere Struktur dieser Art im Stelle müsste also nochmals großräumiger 4/56 und 4/57). Messbild nicht beobachtet werden kann, ist mittels Geoelektrik oder Borkernanalysen davon auszugehen, dass sich in diesem Bereich untersucht werden. keine zweite Palisade wie bei Birklar oder Hungen befand. Ebenso ließ sich kein Hin- WP 5/4 „An der Alten weis auf einen innerhalb der Fläche gelege- Rüdigheimer Hohle“ nen Wachpostenstandort finden. Dies war bei Neuberg-Ravolzhausen, allerdings auch nicht zu erwarten, da das Main-Kinzig-Kreis gemessene Areal nur bis zur Mitte des Limes- Die geomagnetische Untersuchung der walls reichte und nicht mehr das Gelände Wachturmstelle und ihrer unmittelbaren hinter dem Limes einschloss. Hier müsste Umgebung von WP 5/4 „In der alten Rüdig- also zukünftig bei einer weiteren Messung heimer Hohle“ bei Neuberg-Ravolzhausen auf dem Areal hinter dem Wall Klarheit am östlichen Wetteraulimes (Abb. 40) schuf geschaffen werden. die Voraussetzungen für den weiteren gra- bungstechnischen und denkmalpflegeri- schen Umgang mit dem Gelände, das inner- Abb. 39 Limesabschnitt halb eines Neubaugebietes „Am Limes III“ zu bei WP 4/56 „Am Kol- liegen kam.35 Hier konnte die gezielte Anlage häuser Kopf“, WP 4/57 von Grabungsflächen erfolgen, bei denen „Auf dem Seeberg“ und schöne neue Erkenntnisse zutage kamen. WP 4/58 „Amtswiese“ Darüber hinaus ließen sich ohne weitere Zer- bei Lich-Arnsburg, störungen Holz- und Steinturmstelle sowie Landkreis Gießen. Geo- der Verlauf des Limes als Grünflächen in das magnetisches Messbild Neubaugebiet integrieren. Bei den Verhand- Fläche 2 (im Bereich von lungen mit allen Beteiligten, die zu einem WP 4/58). guten Ergebnis führten, war die Vorlage der In Fläche 2 scheint sich die römische geophysikalischen Messbilder außerordent- Grenzbefestigung auf den ersten Blick nicht lich hilfreich. Die im Boden verborgenen abzuzeichnen. An einigen Stellen lassen sich archäologischen Befunde ließen sich jedoch Unregelmäßigkeiten im Verlauf der dadurch auch für den Nichtfachmann ein- bodenkundlich-geologischen Strukturen sichtig nachvollziehen. erkennen. Diese werden möglicherweise von einer sehr schwachen, linearen, etwa Nord- Vermutete Wachturmstelle am west-Südost ausgerichteten Anomalie verur- Mainlimes bei Seligenstadt – sacht. Ob es sich dabei um den Limes handelt, Klein-Welzheim, Kreis Offenbach kann allein aufgrund der geomagnetischen Aufgrund einiger römischer Lesefunde, Messergebnisse nicht sicher beurteilt werden, die auf dem Ackergelände im Bereich des zumal Ausrichtung und Lage der Strukturen Flurgewann „Storchhecke“ südlich von – wenn sie denn zum Limes gehörten – einen leichten Knick der Grenzlinie im Bereich des 35 Schallmayer, Ausgrabungen an WP 5/4. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 80

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Abb. 40 WP 5/4 „An der Kleinwelzheim im Winter 1989 aufgelesen alten Rüdigheimer wurden, vermutete man an dieser Stelle den Hohle“ bei Neuberg- Standort eines Wachturms des Mainlimes.36 Ravolzhausen, Main- Eine hier im Jahr 2006 durchgeführte geo- Kinzig-Kreis. Geomag- magnetische Prospektion, die sich immerhin netisches Messbild. über ein Areal von ca. 8 ha erstreckte, ergab allerdings keinerlei Aufschlüsse, die auf einen Limesturm hinwiesen. Ein solcher muss – zumindest an dieser Stelle – ausge- schlossen werden.

Fazit Wie die aufgeführten Beispiele, die in den nächsten Jahren noch ergänzt werden sollen, zeigen, lassen sich durch systematische und klar definierte Aufnahmen des Limes und seiner Anlagen mittels geophysikalischer Pro- spektionsmethoden zerstörungsfrei neue Erkenntnisse zum Aussehen des Bodendenk- mals gewinnen. Die an vielen Stellen noch unvollständig gebliebenen Erkenntnisse der Reichs-Limeskommission können durch die neu gewonnenen Details zu den einzelnen Limesabschnitten und –anlagen ergänzt wer- den. Die genaue Lokalisierung ermöglicht aus dem Lager der naturwissenschaftlichen detailliert den verstärkten Schutz des Prospektionsunternehmen entsprechend – in UNESCO-Welterbes. Bodeneingriffe werden einen „Atlas der geophysikalischen Untersu- vermieden, bzw. dort, wo sie sich aus überge- chungen am Obergermanisch-Raetischen ordneten Gründen nicht vermeiden lassen, Limes“ münden, der die Ergebnisse des von können sie auf „gezielte archäologische Ein- der Reichs-Limeskommission erarbeiteten griffe“ minimiert werden. Zukünftig sollte Limeswerks (ORL) ergänzt. daher ein besonderes Augenmerk auf der Anwendung dieser die Denkmalsubstanz Prof. Dr. Egon Schallmayer erhaltenden Methoden liegen. Die mittels Archäol. und Paläontol. Denkmalpflege, der geophysikalischen Untersuchungen am Schloss Biebrich – Ostflügel, ganzen Limes in Deutschland gewonnenen Landesamt für Denkmalpflege Hessen neuen Erkenntnisse sollten – einer Anregung 65203 Wiesbaden E-Mail:

36 Fundber. Hessen 31, 1991, 348. – Bender, Limesentwick- [email protected] lungsplan Hessen OF-6. 058-081 Limes_Bd3_Schallmayer_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 81

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Literaturverzeichnis: SCHALLMAYER, Ausgrabungen an WP 5/4 E. Schallmayer, Archäologische Ausgrabun- BAATZ, Limes gen an WP 5/4 „An der alten Rüdigheimer Der römische Limes. Archäologische Ausflüge Hohle“ bei Ravolzhausen, Gemeinde Neu- zwischen Rhein und Donau. Berlin 2000. berg. In: A. Thiel (Hrsg.), Forschungen zur Funktion des Limes. 3. Fachkolloquium der BENDER, Limesentwicklungsplan Hessen Deutschen Limeskommission 17./18. Februar S. Bender, Limesentwicklungsplan Hessen. 2005 in Weißenburg i. Bay. Beiträge zum Maßnahmenkatalog zur Bewahrung, For- Welterbe Limes 2 (Stuttgart 2007) 56 –81. schung, Präsentation und Erschließung der ehemaligen römischen Reichsgrenze in Hes- SCHALLMAYER, Limes imperii Romani sen (Wiesbaden 2005). E. Schallmayer (Hrsg.), Limes imperii Romani. Beiträge zum Fachkolloquium COHAUSEN, Grenzwall „Weltkulturerbe Limes“ November 2001 in C. A. von Cohausen, Der römische Grenz- Lich-Arnsburg. Saalburg-Schriften 6 wall in Deutschland (Wiesbaden 1884). (Bad Homburg. d. H. 2004)

JACOBI, Saalburg L. Jacobi, Das Römerkastell Saalburg bei Hom- Abbildungsnachweis burg vor der Höhe (Homburg v. d. H.1897) Abb. 1 Limesentwicklungsplan Hessen KÜHN UND SCHALLMAYER, Landwehr (G. Preuß); Abb. 2 ORL Strecken 2 –4; Abb. 3 P. Kühn u. E. Schallmayer, Limes und Land- Posselt u. Zielgraf Prospektionen GbR; Abb. 4 wehr – neue Forschungen zum Verständnis Limesentwicklungsplan Hessen (G. Preuß); eines Bodendenkmals. Hessenarchäologie Abb. 5, 6 Posselt u. Zielgraf Prospektionen 2005 (Stuttgart 2006) 88 –91. GbR; Abb. 7 Limesentwicklungsplan Hessen (G. Preuß); Abb. 8 ORL Strecken 2 –4; Abb. 9 ORL Posselt u. Zielgraf Prospektionen GbR; Abb. 10 E. Fabricius, F. Hettner, O. von Sarwey Limesentwicklungsplan Hessen (G. Preuß); (Hrsg.), Der Obergermanisch-Raetische Limes Abb. 11, 12 ORL Strecken 2 –4; Abb. 13, 14 des Roemerreiches. Abteilungen A und B. Posselt u. Zielgraf Prospektionen GbR; Abb. 15 Lieferungen I – LVI (Berlin/Leipzig 1894 ff.). ORL Abt. B Nr. 10; Abb. 16 –18 Posselt u. Ziel- graf Prospektionen GbR; Abb. 19 E. Schall- POSSELT, ZICKGRAF, DOBIAT, Geophysik mayer; Abb. 20 Limesentwicklungsplan Hes- und Ausgrabung sen (G. Preuß); Abb. 21 ORL Strecken 2 –4; M. Posselt, B. Zickgraf u. C. Dobiat (Hrsg.), Abb. 22 E. Schallmayer; Abb. 23, 24 Posselt Geophysik und Ausgrabung. Einsatz und u. Zielgraf Prospektionen GbR; Abb. 25 Limes- Auswertung zerstörungsfreier Prospektion in entwicklungsplan Hessen (G. Preuß); Abb. 26 der Archäologie. Internationale Archäologie: ORL Strecken 2 –4; Abb. 27 Posselt u. Zielgraf Naturwissenschaft und Technologie 6 (Rah- Prospektionen GbR; Abb. 28 Nach G. Schunk- den/Westf. 2007). Larrabee; Abb. 29 ORL Strecken 2 –4; Abb. 30 Posselt u. Zielgraf Prospektionen GbR; Abb. RiH 31 ORL Abt. B Nr. 16; Abb. 32 –35 Posselt u. D. Baatz, F.-R. Herrmann, Die Römer in Zielgraf Prospektionen GbR; Abb. 36 Limes- Hessen. 2. Aufl. (Stuttgart 1989). entwicklungsplan Hessen (G. Preuß); Abb. 37 ORL Strecken 2 –4; Abb. 38 –40 Posselt u. ROSSEL, Grenzwehr Zielgraf Prospektionen GbR. Karl Rossel, Die römische Grenzwehr im Taunus (Straßburg 1872). 082-091 Limes_Bd3_Reuter_korr_JU 17.08.2008 15:46 Uhr Seite 82

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COHORTES TREVERORUM AM TAUNUSLIMES? ZUR BESATZUNG DER KASTELLE ZUGMANTEL UND HOLZHAUSEN Von Marcus Reuter

m Jahr 1909 erschien in der Reihe „Der IObergermanisch-Raetische Limes des Roe- merreiches“ der umfangreiche Band zum Kas- tell Zugmantel1, wo zwischen den Jahren 1894 und 1908 an Lager und Vicus großflächige Ausgrabungen vorgenommen worden waren. Der Stützpunkt war zunächst als 0,7ha große Holz-Erde-Schanze angelegt worden (Abb. 1) und wurde später auf eine Größe von 1,1ha erweitert. Noch im 2. Jahrhundert erfolgte ein weiterer Ausbau des Lagers auf 1,7 ha (Abb. 2), das nun mit einer steinernen Wehrmauer um - geben wurde, bevor dann im frühen 3. Jahr- hundert die letzte Vergrößerung auf schließ- lich 2,1ha Grundfläche stattfand (Abb. 3)2. Während die Besatzungen der älteren Kastellanlagen noch unbekannt sind – wahr- scheinlich bestanden diese aus kleineren wech - selnden Detachements3 – glaubten L. Jacobi und der Bearbeiter des Fundmaterials, W. Barthel, die Garnisonstruppe des jüngsten Lagers sicher identifizieren zu können: „Als Besatzung ist für die Zeit des Severus Alexan- der und des Maximinus eine Kohorte von Treverern bezeugt. Auf der Inschrift vom Jahr 223 nannte sie sich [coh…] Treveror[um Severi]ana Alexandriana e{q}(quitata) [sic!], auf derjenigen von 237/38 [coh…] Trev(erorum) Max[iminia]na, die Ordnungszahl ist auf bei- den Steinen zerstört“.4 In den beiden zitierten Inschriften ist allerdings nicht nur die Ordnungszahl, son-

1 L. Jacobi, Das Kastell Zugmantel. ORL Abt. B Nr. 8 (Heidelberg 1909). 2 Über die absolut chronologische Einordnung der einzel- nen Bauphasen bestehen differierende Auffassungen; diese Problematik ist jedoch für die vorliegende Fragestellung dern auch die Angabe zur Truppenorganisa- Abb. 1 Kastell Zugmantel, ohne Belang. Verwiesen sei hier nur auf die Arbeiten von Sommer, Kastellvicus und Kastell 471 –483 sowie auf Kor- tion der Treverer zerstört. Dass diese tatsäch- älteste Bauphase (o. M.). tüm, Datierung 35. lich als Kohorte formiert waren, lässt auch 3 Darauf deuten zumindest mehrere Graffiti hin, die u.a. vexillarii sowie exploratores nennen; vgl. M. Reuter, Studien aus dem übrigen epigrafischen Material des zu den numeri des römischen Heeres in der Mittleren Kaiser- Platzes allerdings nicht sicher erschließen. zeit. Ber. RGK 80, 1999, 553. 4 Jacobi, Zugmantel 40 u.106. Trotz des fragmentarischen Zustandes der 082-091 Limes_Bd3_Reuter_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 84

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mit dem Verweis auf den westlich benach- barten Stützpunkt in Holzhausen: „Wir ken- nen nur eine cohors II Treverorum als Besat- zung des Nachbarkastells Holzhausen, die dort auf der Bronzebuchstabeninschrift von 213 c[oh. II A]nton[in]iana Tre(verorum) und auf einem Stein [c]oh. II Seve[ria]na T[r]ev[eror]um heisst“5. Da eine weitere Treve - rerkohorte in der römischen Armee nirgends bezeugt war, schien die Vermutung berech- tigt, das Zugmantelkastell als Garnison der cohors I Treverorum anzusprechen. Diese Annahme schien sich mit der Entdeckung von sieben kleineren Fragmenten einer Doli- chenus-Inschrift mit mutmaßlicher Nen- nung der Trevererkohorte endgültig zu bestä- tigen6. Seither gilt die Existenz einer cohors I Treverorum equitata im Kastell Zugmantel bzw. einer cohors II Treverorum im Kastell Holzhausen ab spätseverischer Zeit als zwei- felsfrei erwiesen.7 Obwohl die von L. Jacobi und W. Barthel 1908 vorgeschlagenen Textrekonstruktionen einige Schwächen aufweisen, wurden die daraus gezogenen Schlussfolgerungen seither nie mehr kritisch hinterfragt. Bei einer erneuten Beschäftigung mit den Inschrift- fragmenten stellten sich jedoch einige Zwei- fel ein, ob aus dem vorhandenen Material tatsächlich auf die Existenz einer cohors I Treverorum equitata im Zugmantelkastell geschlossen werden kann. Dies gilt in glei- chem Maße auch für die Treverer-Inschriften vom Kastell Holzhausen, die L. Pallat im Jahr 1904 veröffentlicht hat8. Im Folgenden sollen daher die betreffenden epigrafischen Abb. 2 Kastell Zugmantel, Inschriften gingen L. Jacobi und W. Barthel Zeugnisse aus beiden Kastellen noch einmal Steinkastell 1 (o. M.). noch einen Schritt weiter und postulierten kurz vorgestellt werden und die daraus eine cohors I Treverorum als Besatzung des resultierenden Erkenntnisse für die Besat- Zugmantelkastells. Sie begründeten die zungsgeschichte der Lager diskutiert Anwesenheit einer ersten Trevererkohorte werden.

5 Ebda. 40. 6 H. Jacobi, Das Heiligtum des Juppiter Dolichenus auf truppen nördlich des Mains. Jahrb. RGZM 30, 1983, 342: dem Zugmantel. Saalburg-Jahrbuch VI, 1914 –24, 168 –183; „Gleiches gilt für die coh. I. Treverorum, die das nur 2,1 ha bes. 172 f. Zur Inschrift und ihrer Deutung weiter unten. große letzte Steinkastell vom Zugmantel erbaut hat. Ihre 7 Siehe z. B. die einschlägigen Formulierungen bei: E. Stein, Bauinschrift datiert in das Jahr 223.“; Schönberger, Trup- Die kaiserlichen Beamten und Truppenkörper im römi- penlager 461: „Besatzung die coh. I Treverorum equ. [sic!], die schen Deutschland unter dem Prinzipat (Wien 1932) 218: aus einem num. Treverorum hervorging“; Baatz, Limes 120: „Als equitata erscheint die Kohorte in CIL XIII 7612 vom „Als Besatzung ist seit der Zeit Caracallas die cohors I Trever- Jahr 223; […]“; D. Baatz in: RiH 502: „Als Besatzung ist in orum equitata bezeugt; […]“; zuletzt: Spaul, Cohors 188 dieser Zeit die cohors I Treverorum equitata auf Inschriften (cohors II Treverorum). bezeugt“; B. Oldenstein-Pferdehirt, Die römischen Hilfs- 8 Pallat, Holzhausen. 082-091 Limes_Bd3_Reuter_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 85

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Kastell Zugmantel

Nr. 1 Fo. unbek. (gef. beim Abtransport von Stein- material aus dem Kastell am 6.05. 1778) Dat. 2. Hälfte 2. Jahrhundert. (?) Lit. ORL Zugmantel 106 f.; CIL XIII 7613.

PEDAT(ura) TREVEROR VM P(edum) LXXXXVI SVB CVR(a) AGENTE CRES CENTIN(i)O RESPECTO C(enturione) LEG(ionis) VIII AVG(ustae) (Abb. 4 oben)

Kommentar: Die Inschrift, die von der Wehrmauer des Stein - kastells 1 stammt, stellt die bislang älteste Er - wähnung von Treverern am Taunuslimes dar. Von derselben Lagerumwehrung liegt ein zwei- ter Pedaturastein vor, dessen Inschrift einen 72 Fuß langen Bauabschnitt einer centuria Leubacci nennt (Abb. 4 unten), die ebenfalls unter dem Oberkommando des Legionscentu- rionen Crescentinius Respectus stand. Der Offizier war also entweder speziell für die

Gesamtleitung des Wehrmauerbaus von der Abb. 3 Kastell Zugmantel, Straßburger Legion in den Taunus abkom- Steinkastell 2 (o. M.). mandiert worden oder er fungierte – meines Erachtens wahrscheinlicher – als regulärer praepositus der Zugmantel-Garnison. Die Besatzung hätte in diesem Fall aus mehreren Centurien sowie einem Kontingent an Treve- rern bestanden9. Dafür spricht auch der Abb. 4 Die beiden peda- tura-Steine der Treverer 9 Anders W. Barthel a.a.O. (Anm.1) 108: „Die Treverer sind doch wohl die Mannschaft der in der Inschrift Nr. 1 und der centuria Leu- genannten Kohorte; die Centurie des Leubaccius wird von bacci nach Vorlage ORL einem Nachbarkastell zu ihrer Unterstützung detachiert worden sein.“ (o. M.). 082-091 Limes_Bd3_Reuter_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 86

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Abb. 5 Die Fragmente der Dolichenus-Inschrift vom Zugmantel nach Vorlage H. Jacobi (o. M.).

Umstand, dass der 96 Fuß lange Bauabschnitt 1. Nachtrag zum CIL XIII. Ber. RGK 17, 1927, der Treverer nur etwa ein Zehntel der gesam- 80, Nr. 240,2. ten Wehrmauer des Kastells darstellt. Die Tre- verer bildeten also wohl nicht die vollstän- Z 1 [I(ovi) O(ptimo) M(aximo) dige Lagerbesatzung. Da deren Bauabschnitt D]OLI[CHENO ET IVNO]NI REG[INAE zudem nur unwesentlich länger war als der- PRO SAL(ute) IMP(eratoris)] jenige der centuria Leubacci, wird deren perso- Z 2 [CAES(aris) M(arci) A]VRE[LII SEVERI neller Umfang ohnehin kaum mehr als ca. ALEXANDRI [A]VG(usti) [ET IVLIAE 100 Mann betragen haben. Für ein Kastell MAMAEAE AVG(ustae) MAT(ris)] von 1,7 ha Größe war diese Kopfzahl sicher Z 3 [AVGVST]I ET CAST[R(orum) —- zu gering, sodass neben den Treverern wei- PRA]EFE[C(tus) CO]H(ortis) I T[R(ever- tere Unterabteilungen im Lager anzunehmen orum)] sind. Da das Steinkastell 1 kein eigenes Stabs- Z 4 [—- SVB] SACER[D(ote) —-] gebäude besaß, spricht viel für die Annahme, (Abb. 5) dass die Besatzung keine taktisch selbststän- dige Truppe war10. Kommentar: Angesichts der nur wenigen kleinteiligen Nr. 2 Fragmente scheint eine zuverlässige Rekon- Fo. im Brunnen des Dolichenums struktion des ursprünglichen Textes kaum Dat. 222 –235 n. Chr. durchführbar (vgl. Abb. 5). Auch die Ergän- Lit. H. Jacobi, Das Heiligtum des Juppiter zung einer der cohors I Treverorum anhand Dolichenus auf dem Zugmantel. Saalburg- Jahrbuch VI, 1914 –24, 168 –183 u. H. Finke, Neue Inschriften aus dem römischen Germa- 10 In diesem Sinne bereits M. Reuter, Studien zu den numeri des römischen Heeres in der Mittleren Kaiserzeit. nien und den angrenzenden Gebieten. Ber. RGK 80, 1999, 551 –553. 082-091 Limes_Bd3_Reuter_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 87

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einzelner Buchstaben beruht allein auf der von „EQ(uitata)“ deutete und daraus auf die (unbewiesenen) Annahme, dass eine solche Existenz einer cohors Antoniniana(?) Truppe im Zugmantelkastell in Garnison lag. Treverorum Severiana Alexandriana equitata [sic!] folgerte12. Seine Textrekonstruktion Nr. 3 wurde einige Jahre später von W. Barthel Fo. unbek. (gef. beim Abtransport von Stein- leicht modifiziert, der hier eine cohors [.] material aus dem Kastell am 14.04. 1780) Treverorum Severiana Alexandriana equitata Dat. 223 n. Chr. (?) rekonstruierte13. Lit. ORL Zugmantel 106 Nr. 1; CIL XIII 7612

IMP(eratori) CAES(ari) [[M(arco) AVR(elio) SE VERO ALEXANDRO]] PIO FELICI AVG(usto) [P]ONTIFICI MA XIMO TRIB(unicia) POTEST[A]T[E] CO(n)S(uli) P(atri) P(atriae) PRO[CO(n)S(uli) —-] TREVEROR[VM [[SEVERI ANA ALEXANDRIANA]] —-] EO(uitata?) DEVOTA [NVMINI EIVS] MVRVM A SO[LO FEC(it? erunt?) —-] MAXIMO ET [AELIANO CO(n)S(ulibus)] (Abb. 6)

Kommentar: Unter Severus Alexander war eine militäri- sche Formation, die das Ethnikon „Treve- rorum“ in ihrem Namen führte, am Neubau der Lagermauer des Zugmantelkastells betei- ligt11. Ob diese Truppe für die Errichtung der Der in Zeile 5 zur Verfügung stehende Abb. 6 Bauinschrift für gesamten Lagerumwallung zuständig war Platz ist allerdings erheblich größer als die die Lagermauer von oder – wie schon einige Jahrzehnte zuvor – von W. Barthel vorgeschlagene Ergänzung Steinkastell 2 nach Vor- nur einen Teilabschnitt der Mauer ausführte, Raum beansprucht: „CO(n)S(uli) P(atri) lage ORL (o. M.). lässt sich aus den vorhandenen Textresten P(atriae) PRO[CO(n)S(uli) COH(ors) .]“. nicht mehr sicher erschließen. Statt der sieben Buchstaben standen dort H. Lehner glaubte, die militärische Orga- aber wohl mindestens 8 bis 9 Lettern (vgl. nisationsform der Treverer aus beiden ersten Abb. 6 )14. War der Begriff cohors demnach Buchstaben in der achten Zeile (EO oder hier vollständig ausgeschrieben worden? EQ?) erschließen zu können, die er im Sinne Solche Beispiele finden sich in der römi- schen Militärepigrafik allerdings nur sehr selten. Es erscheint daher sinnvoll, auch 11 Entgegen der allgemein üblichen Datierung in das Jahr alternative Möglichkeiten für die Textrekon- 223 n.Chr. sind hier – aufgrund der unvollständig erhalte- nen Konsulatsangabe – auch die Jahre 233 n. Chr. (Maximo struktion von Zeile 5 in Betracht zu ziehen. et Paterno cos.) oder 234 n. Chr. (Maximo et Urbano cos.) möglich. Dass vor der Angabe Treveror[um] tatsächlich 12 H. Lehner in: Korrespondenzblatt d. Westdeutschen Zeit- der Begriff [cohors] genannt war, ist keines- schrift 1899, 30. 13 W. Barthel a.a.O. (Anm. 1) 106. falls zwingend; die Treverer könnten auch 14 Aus diesem Grund schlug H. Lehner bei dieser in einer anderen Truppenform organisiert Textpassage eine Ergänzung zu [CO(n)S(uli) coh(ors) Ant(oniniana)] vor. gewesen sein. 082-091 Limes_Bd3_Reuter_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 88

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Abb. 7 Rekonstruktions- – vor der Angabe Trev(erorum) – wiederum eine vorschlag der Inschrift auffallend große Lücke von mindestens 6 des Statuensockels für Buchstaben auf (vgl. Abb.7). Wie schon bei Maximinus Thrax nach der zuvor besprochenen Bauinschrift (Nr. 3) Vorlage ORL (o. M.). stellen sich auch hier Zweifel ein, ob an der betreffenden Stelle zwingend der Begriff coh(ors) zu ergänzen ist.

Kastell Holzhausen

Nr. 5 Fo. im Bereich der porta principalis dextra Dat. 213 n. Chr. Lit. ORL Holzhausen 35 f.

1 [IMP(eratori) CAES(ari) M(arco) AVR(elio) ANTONINO PIO] F[E]LICI 2 [PART(hico)] MAX(imo) BRIT(annico) MA[X(imo) GER(manico) MAX(imo) P]ONT(ifici) MAX(imo) Nr. 4 3 TRIB(unicia) POT(estate) XVI IMP(era- Fo. sekundär verbaut in Keller 203 tori) III CO(n)[S(uli) IIII PROCO(n)S(uli) Dat. 237 n. Chr. P(atri) P(atriae)] Lit. ORL Zugmantel 192 Nr.1; CIL XIII 4 INVICTISSIMO AVG(usto) C[OH(ors) II 11971 (?) A]NTON[IN]IANA 5 TRE(verorum) D[EVO]TA AC DICAT[A [IMP(eratori) CAES(ari) C(aio) IVL(io)] M]A(i)[ESTA]TI EIVS [VERO MAXIMINO P(io)] (Abb. 8 –10) [FEL(ici) AVG(usto) PONTIFICI] [MAX(imino) GERM(anico) M]A[X(imo)] Kommentar: DAC[ICO] MAX(imo) SARM[A] Von der ehemals über der Toreinfahrt des TIC[O] MAX(imo) TRIBVNIC(iae) Kastells angebrachten Ehreninschrift wurden [POT(estatis) III? I]MP(eratori) V[—- insgesamt 23 Kalksteinplattenfragmente mit P(atri) P(atriae)] CO(n)S(uli Befestigungslöchern für Bronzebuchstaben PROCO(n)S(uli) [—-] gefunden. Teilweise befanden sich die Bronze- TREV(erorum) MAX[IMINIA]NA lettern noch in situ. Obwohl nur zu einem DEVOT(a) NV[MINI ET] kleineren Teil erhalten (Abb. 8), wurde im M(aiestati) EIIV[S] ORL eine (oben wiedergegebene) vollstän- (Abb. 7) dige Textrekonstruktion vorgelegt, nach der in den letzten beiden Zeilen u. a. eine cohors Kommentar: II (?) Antoniniana Treverorum genannt worden Die zu einer Statuenbasis gehörenden Frag- sein soll. Bei der Wiederherstellung des Textes mente stellen den jüngsten sicher datierten Nachweis der Treverer am Taunuslimes dar. 15 So finden sich z.B. in der Umzeichnung zu Beginn der Auch hier ist die Angabe über deren militäri- letzten Zeile die Buchstaben „TREDPVTA“; in der fotografi- sche Organisationsform verloren; die feh- schen Wiedergabe sind in der betreffenden Textpassage dagegen nur die Buchstaben „TRED[…]A“ erkennbar. lende Passage wurde von W. Barthel zu 16 Die Begutachtung fand am 2.05. 2007 statt. An dieser [coh(ors)] Treverorum ergänzt. Der Text weist Stelle sei Frau Dr. M. Klee und Frau I. Böhmer, die mir den Zugang zur Inschrift ermöglichten, für Ihre freundliche jedoch an der betreffenden Stelle in Zeile 8 Unterstützung sehr herzlich gedankt. 082-091 Limes_Bd3_Reuter_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 89

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spielten die Befestigungslöcher der einzelnen Bronzelettern eine wichtige Rolle, da man aus deren genauer Position die ursprünglich vorhandenen Buchstaben zu erschließen können glaubte (Abb. 9). Anhand der foto- grafischen Wiedergabe der originalen Bruch- stücke und deren Befestigungslöcher lässt sich der im ORL publizierte Rekonstruktions- vorschlag aber nicht ohne weiteres nachvoll- ziehen15. Tatsächlich liegen die Dinge im vorlie- genden Fall etwas komplizierter: Die Holz- Eine zuverlässige Rekonstruktion der Abb. 8 Die Holzhause- hausener Kalksteinplatte zeigt nämlich bei (mindestens zwei) antiken Textversionen ist ner Lagertorinschrift im genauerer Betrachtung an ihrem linken Rand angesichts des fragmentarischen Zustandes Originalzustand nach deutliche Scharierspuren von einer abgear- – zumindest für den hier interessierenden Vorlage ORL (o. M.). beiteten Randleiste, wo nachträglich der unteren Bereich der Inschrift – momentan Bronzebuchstabe „T“ (und eventuell auch das folgende „R“?) befestigt wurde (Abb. 8). Der Inschrifttext wurde also während seiner Bestehenszeit mindestens einmal inhaltlich verändert! Wie eine Autopsie der Original- fragmente im Museum Wiesbaden durch den Verfasser zeigte16, waren auch an anderen Stellen des Textes Änderungen vorgenommen worden, da zwei deutlich voneinander unter- scheidbare Arten von Dübelungsarten in der Kalksteinplatte vorhanden waren (Abb. 10).

Abb. 9 Umzeichnung und Ergänzung der Holzhausener Lagertor- inschrift nach Vorlage ORL (o. M.).

Abb. 10 Moderne Detailaufnahme von der rechten unteren Ecke der Holzhausener Lagertorinschrift. Im Bereich des Buchstabens „A“ am rechten Bild- rand sind deutlich zwei ältere Dübellöcher erkennbar (o. M.). 082-091 Limes_Bd3_Reuter_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 90

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kaum möglich17. Für die Frage nach der Exis- zu erwägen. Wenn das Marsbildnis jedoch tenz einer Trevererkohorte im Kastell Holz- von sämtlichen Treverern im Lager gestiftet hausen bietet das Denkmal keine verwertba- wurde, so wäre an Lösungen wie z. B. explora- ren Informationen. tores Treverorum, veredarii Treverorum, o. Ä. zu denken – die Nennung einer Kohorte scheidet Nr. 6 hier jedoch aus grammatikalischen Gründen Fo. vor dem südöstlichen Tor der aus. porta praetoria Dat. severisch Nr. 7 Lit. Pallat, Holzhausen 37 f.; CIL XIII Fo: hinter dem Eingang des nordwestlichen 7615; STOLL, Skulpturenausstattung Turmes der porta praetoria Abb. 11 Mars-Weihung 345– 47 Dat. 1. Hälfte 3. Jahrhundert n. Chr. aus dem Kastell Holz- Lit. ORL Holzhausen 37; CIL XIII 7618; hausen nach Vorlage [IN H(onorem)] D(omus) D(ivinae) O. Stoll, Die Skulpturenausstattung römi- ORL (o. M.). DEO MARTI scher Militäranlagen an Rhein und Donau. C[—-]I TREVERORVM Der Obergermanisch-Raetische Limes SIG(num) [MA]RTIS DE SVO (St. Katharinen 1992) 343 f. INST[ITVER]VNT L(aetus) L(ibentes) M(erito) [—-] INSTANTE TI[—-] C(enturione) [POT]ESTAT[E CO(n)S(uli)] L[EG(ionis)] [P(atri) P(atriae)] PROCO(n)[S(uli) —-] (Abb. 11) [.]OM II[—-] [.]NA T[—-] Kommentar: [.]VM[—-] Die unvollständig erhaltene Weiheinschrift (Abb. 12, 13) Abb. 12 Fragment einer eines Marsbildnisses nennt als Stifter C[—-] Statuenbasis (?) für Treverorum unter dem Kommando eines Kommentar Severus Alexander aus namentlich unbekannten Legionscenturio- Nach O. Stoll stammt das Fragment, zu dem dem Kastell Holzhausen nen. L. Pallat ergänzte die Textpassage zu wahrscheinlich noch ein weiteres Bruchstück nach Vorlage ORL (o. M.). C(oh(ors) Ant(oniniana)?] Treverorum18. Dass zu rechnen ist19, von einer Statuenbasis für diese Lesung sicher unzutreffend ist, zeigt Severus Alexander. In unserem Zusammen- das Prädikat „instituerunt“ (Plural!) in Zeile 4: hang von Interesse sind hier vor allem die in den Zeilen 3 bis 4 erhaltenen Buchstaben- reste, die L. Pallat (unter Bezug auf das zweite – nicht unmittelbar anpassende! – Fragment) zu [c]oh(ors) II S[e]ver[i]ana T[reveror]um ergänzte (Abb. 13)20. Der offerierten Lesung im Sinne von [c]oh(ors) steht allerdings das im ORL wiedergegebene Foto des Fragmentes entgegen, wo anstelle des von L. Pallat benö-

17 Die Fragmente wurden (offenbar schon bald nach ihrer Auffindung) mit Gips zu einer massiven Platte vergossen. Dabei spachtelte man stellenweise auch kleinere Partien der originalen Oberfläche zu, sodass ein Teil der römischen Abb. 13 Umzeichnung Demnach handelte es sich hier um eine Dübellöcher nicht mehr erkennbar ist. Eine wissenschaftli- und grafische Rekon- Gruppe von Dedikanten, die entweder einen che Beschäftigung erscheint erst nach einer vollständigen Freipräparierung der Originalsubstanz sinnvoll. struktion der Inschrift Teil oder sogar die Gesamtheit der Treverer 18 Pallat, Holzhausen 37. von Abb. 12 nach Vor- umfasste. Im ersten Fall wäre eine Textrekon- 19 In diesem Sinne auch Pallat, Holzhausen 37. 20 In diesem Fall wäre die mutmaßliche Trevererkohorte in lage ORL (o. M.). struktion wie z. B. C[orn(icularii] Treverorum Holzhausen erst unter Severus Alexander konstituiert worden. 082-091 Limes_Bd3_Reuter_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 91

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tigten „H“ deutlich der Buchstabe „M“ jedoch eher an eine andere irreguläre militä- erkennbar ist, sodass sich statt [.]OH die rische Organisationsform denken, zumal Buchstabenfolge [.]OM ergibt (Abb. 12). beide Kastelle auch von ihrer Größe her kei- neswegs in das übliche Schema der bekann- Fazit ten Alen- und Kohortenlager passen. Die im Bislang lässt sich in keinem einzigen Fall Kastell Kapersburg nachgewiesenen veredarii, sicher belegen, dass die in den Kastellen Zug- die Brittones gentiles, die dediticii und officiales mantel und Holzhausen stationierten Treve- Alexandriani oder die exploratores Stu[—-] im rer tatsächlich in Form einer Kohorte organi- Kastell Walldürn seien hier nur stellvertre- siert waren. Die für eine solche Annahme tend als Beispiele für die Vielgestaltigkeit von herangezogenen bzw. ergänzten Inschriften kleineren irregulären Formationen am Ober- lassen entsprechende Rückschlüsse nicht zu; germanischen Limes genannt. In diesem in mehreren Fällen ist die Nennung einer Milieu ist wahrscheinlich auch die militäri- cohors sogar mit Sicherheit auszuschließen. sche Organisationsform der Treverer zu Damit soll hier jedoch nicht grundsätzlich die suchen – auch wenn bislang noch ein kon- Möglichkeit negiert werden, dass die Treverer kreter Nachweis aussteht. im 3. Jahrhundert in einer (oder zwei?) Kohor- ten organisiert gewesen sein könnten – zur Dr. Marcus Reuter Klärung dieser Frage kann hier nur ein künf- Archäologischer Park tiger glücklicher Inschriftenfund weiterführen. Trajanstraße 4, 46509 Xanten Für die in Holzhausen und am Zugmantel E-Mail: [email protected] in Garnison liegenden Treverer möchte man

Literaturverzeichnis SOMMER, Kastellvicus und Kastell C.-S. Sommer, Kastellvicus und Kastell. BAATZ, Limes Untersuchungen zum Zugmantel im Taunus Der römische Limes. Archäologische Aus- und zu den Kastellvici in Obergermanien flüge zwischen Rhein und Donau. (Berlin und Rätien. Fundber. BW 13, 1988, 457 –707. 1993). SPAUL, Cohors KORTÜM, Datierung J. Spaul, Cohors. The evidence for and a short K. Kortüm, Zur Datierung der römischen history of the auxiliary infantry units of the Militäranlagen im obergermanisch-raetischen Imperial Roman Army. BAR Int. Ser. 841 Limesgebiet. Saalburg-Jahrb. 49, 1998, 5 –65. (Oxford 2000).

PALLAT, Holzhausen L. Pallat, Das Kastell Holzhausen. ORL Abt. B Abbildungsnachweis Nr. 6 (Heidelberg 1904). Abb. 1 –3 Vorlage ORL / H. Stelter (Xanten); RiH Abb. 4 Vorlage ORL; Abb. 5 H. Jacobi, Saal- D. Baatz, F.-R. Herrmann, Die Römer in Hes- burg-Jahrb. III, 1914 –24; Abb. 6 –9 Vorlage sen. (Stuttgart 1982). ORL; Abb. 10 I. Böhmer (Wiesbaden); Abb. 11 –13 Vorlage ORL. SCHÖNBERGER, Truppenlager H. Schönberger, Die römischen Truppenlager der frühen und mittleren Kaiserzeit zwischen Nordsee und Inn. Ber. RGK 66, 1985, 321 –497. 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 92

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BEMERKUNGEN ZUR LIMESPALISADE Von Dietwulf Baatz

ls in den letzten Jahren der Antrag auf mauer hat dort die Palisade zweifellos ersetzt. AAnerkennung des Limes als Weltkultur- Am Obergermanischen Limes sind nach seiner erbe vorbereitet wurde, hat die Diskussion Auffassung um 180 n. Chr. Wall und Graben über die Annäherungshindernisse erneut als zusätzliches Annäherungshindernis ent- begonnen. Dabei kam auch die Limespalisade standen. Aufgrund seiner Beobachtungen kam ins Gespräch. Neue Erkenntnisse über dieses Fabricius zu der Auffassung, dass die Palisade Annäherungshindernis wurden durch Aus- beim Bau des Pfahlgrabens (Wall und großer grabungen und durch die Anwendung heuti- Graben) weiterhin bestanden hätte.1 Eine ger Methoden gewonnen, die der Reichs- wichtige Rolle spielt in seiner Argumentation Limeskommission (RLK) noch nicht zur der Befund an der Limesverlegung im Schar- Verfügung standen. Vor allem die Luftbild- wald nördlich vom Feldbergkastell, auf den prospektion und die Dendro chronologie sind unten näher eingegangen wird. in diesem Zusammenhang zu nennen. Was Der Schlussfolgerung von Fabricius hat die beiden Verfahren zur Baugeschichte des E. Schallmayer aufgrund der Ausgrabungsergeb - Limes – speziell der Palisade – leisten können, nisse in Marköbel widersprochen, indem er ist allerdings bei Weitem nicht ausgeschöpft. auf die alte These, die Palisade sei durch Wall In dem 1915 erschienenen ersten Stre- und Graben ersetzt worden, wieder zurück- ckenband des Limeswerkes hat Ernst Fabricius griff: „Man darf daher annehmen, dass die eine knappe Zusammenfassung seiner Auf- Palisade bei Marköbel wohl schon um 160/170, fassung von der Abfolge der Grenzhinder- bestenfalls um 180 n.Chr. nicht mehr vor- nisse gegeben. Er wandte sich vor über neun- handen war. ... Als Zeitpunkt für die Ablösung zig Jahren gegen eine damals vertretene der Palisade durch Wall und Graben am Ober- Hypothese, wonach die Palisade am Oberger- germanischen Limes und durch die Mauer am manischen Limes durch Wall und Graben Raetischen Limes bietet sich vielleicht ein ersetzt worden sei und wies auf Folgendes hin: Datum am Ende der Markomannenkriege an, „Auf der ganzen Strecke zieht der große Graben also die Jahre um 180 n.Chr. Palisade, Wall stets dicht hinter der Palisade. Es gibt keine und Graben bestanden dem-zufolge zeitlich einzige Stelle wo das (Palisaden-) Gräbchen nicht nebeneinander her. Damit ist das aus nicht 1 bis 2 m vom äußeren Grabenrand allen Schulbüchern vertraute Bild des späteren gefunden worden wäre. ... Niemals kommt es Ausbauzustandes am Limes zu korrigieren“.2 auf unserer Strecke vor, dass das Gräbchen Hier soll nun zunächst die Chronologie durch den Pfahl verdrängt oder von ihm der Palisade betrachtet werden, wie sie sich überschnitten worden wäre“ ... „In Raetien, aus den verschiedenen Verlegungen des Ober- wo die Steinmauer die Palisade wirklich germanischen Limes ergibt. ersetzt hat, wird das Gräbchen öfter von der Mauer überschnitten.“ Dieser grundlegende Lokale und großräumige Unterschied des Obergermanischen gegen- Verlegungen des über dem Raetischen Limes wird vor allem Obergermanischen Limes durch die zahlreich an Strecke 14 beobachte- Mehr oder weniger umfangreiche Abschnitte ten Überschneidungen des Palisadengräb- des Obergermanischen Limes sind während chens durch die Mauer belegt; die Limes- seines Bestehens verlegt bzw. korrigiert wor- den. Die Änderungen reichten von kleinen 1 E. Fabricius, ORL A Strecken 1 –2 (Berlin 1915) 41 f. lokalen Korrekturen bis zur Verschiebung 2 Schallmayer, Marköbel 17; vgl. auch Schallmayer, Wach- turmstelle 28. langer Grenzstrecken. Sie stellen eine Beson- 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 94

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Salisberg bis Oberflorstadt war noch nicht mit der Palisade versehen, während diese an der jüngeren Strecke Groß-Krotzenburg – Ober- florstadt durchgehend zu beobachten war. Die Verlegung der Strecke erfolgte also nach ca. 90 n.Chr. (Baubeginn des Wetteraulimes), jedoch vor dem Bau der Palisade um 120 n.Chr. Wichtige Informationen zu diesem Datum lieferte die schon erwähnte Ausgra- bung in Marköbel. Hier gelang für den Ober- germanischen Limes die erste und bisher ein- zige genaue Datierung der Palisade durch die Dendrochronologie. Die Palisadenhölzer sind im Winterhalbjahr 119/120 und im Sommer 120 geschlagen und sogleich ver- wendet worden.4 Hinweise auf spätere Repa- raturen gab es hier nicht. Das gewonnene Datum bestätigte und präzisierte den bisher angenommenen Zeitansatz für den Bau der Palisade, der auf einer ungenauen Angabe in der Vita Hadrians beruhte (SHA Hadr. 12,6). Bei seiner Inspektionsreise im Jahr 122 besuchte der Kaiser auch die Provinz Ober- germanien und konnte sich von der Fertig- stellung des zwei Jahre zuvor errichteten, vielleicht damals schon 250 km langen Bau- werks überzeugen. Bei der Ausgrabung in Marköbel ist hin- ter der Palisade der große Limesgraben beob- achtet worden; der aus seinem Aushub errichtete Limeswall ist nicht erhalten. Geht man von der Datierung von Wall und Gra- Abb. 1 Östlicher Wet- derheit des Obergermanischen Limes dar; so ben in die Zeit um 180 aus (Schönberger teraulimes. Verlegung ist z. B. am Raetischen Limes Entsprechendes 1985, 409),5 so erscheint es ausgeschlossen, der Strecke Hanau-Salis- nicht zu beobachten. Die Verlegungen sind dass die im Jahr 120 errichtete und nicht berg – Ober-Florstadt angenähert datierbar. Dadurch ergibt sich reparierte Palisade sechzig Jahre später noch am Anfang des 2. Jahr- eine Möglichkeit, die Baugeschichte der gestanden haben kann. Man muss sogar hundert (nach M. Reuter Grenzhindernisse zu verfolgen. damit rechnen, dass sie schon erhebliche Zeit 2004). vorher, etwa um 160, wegen Baufälligkeit Limesverlegung vor dem ihren Zweck nicht mehr erfüllen konnte. Der Bau der Palisade: Limes bei Marköbel wäre danach jahrzehnte- östlicher Wetteraulimes lang bis um 180 ohne aktives Grenzhinder- Bereits vor dem Bau der Palisade, also vor ca. nis gewesen und die um 180 neu errichteten 120 n.Chr., ist der Abschnitt des östlichen Grenzhindernisse Wall und Graben hätten Wetteraulimes von Hanau-Salisberg bis Ober- die Palisade, die längst unbrauchbar gewor- florstadt auf etwa 33 km Länge nach Osten den war, auch nicht unmittelbar abgelöst. vorverlegt worden (Abb. 1).3 Er ist ein frühes Beispiel für eine Limesverlegung am Oberger- 3 Reuter, Östlicher Wetteraulimes. 4 Schallmayer, Marköbel 15 f. manischen Limes. Die ältere Strecke Hanau- 5 Schönberger, Truppenlager 409. 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 95

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Es erhebt sich die Frage, ob diese Schluss- Gefährdung des Grenzabschnitts geführt und folgerungen aus dem Grabungsbefund von die Korrekturen notwendig gemacht haben. Marköbel zutreffen und ob sie auf den Folgende Grenzabschnitte sind verlegt gesamten Obergermanischen Limes übertra- worden (Angabe der ungefähren Länge in gen werden können. Sie beruhen ja nur auf Klammern): den wenigen Metern der Grenzstrecke, die in 1. WP 3/1 bis 3/14 (8,5 km) Marköbel untersucht worden sind. Ist die 2. WP 3/18 bis 3/29 (6,3 km) Palisade auch an allen anderen Obergerma- 3. WP 3/33 bis zum Kastell Feldberg nischen Limesabschnitten nicht repariert (7,7 km) worden? Hat sie nirgends mit Wall und Gra- 4. WP 3/47 bis 3/51 (2 km) ben gleichzeitig bestanden? 5. WP 4/14 bis zum Usatal (3,5 km) 6. WP 4/31 bis WP 4/33 (1,6 km) Lokale Limesverlegungen nach 7. Kleinkastell Degerfeld bis WP 4/49 dem Bau der Palisade: Taunus (9,3 km) und westlicher Wetteraulimes Vom Beginn der Strecke 3 am Aarübergang Die Länge der Abschnitte ließ sich nicht bei Adolfseck bis zum Westabschnitt der Stre- immer genau bestimmen. Als die Verlegun- cke 4 bei WP 4/49 auf dem Sandberg wurde gen stattfanden, waren Wall und Graben am der Limes um 145 n. Chr. an mehreren Stel- Obergermanischen Limes noch nicht vor- len räumlich begrenzt verlegt (Abb. 2). Dabei handen. Eine Ausnahme bildete lediglich ist jedesmal die am ursprünglichen Abschnitt Abschnitt (2.), der unten gesondert bespro- vorhandene Palisade an dem neuen Abschnitt chen wird. Heute ist daher von den älteren, wiedererrichtet worden. Die Verlegungen nachträglich ersetzten Limesabschnitten im lassen sich als lokale Korrekturen des Limes- Gelände fast nichts mehr zu sehen, nur die verlaufs interpretieren. Stets wurde dabei die Reste einiger Holzturmstellen sind sichtbar ursprüngliche, dem Gelände angepasste und geblieben. Das erschwerte der RLK und späte- daher gewundene Trassierung des Limes ren Bearbeitern das Verfolgen der ursprüngli- durch eine geradlinige Strecke ersetzt. Das chen Strecken im Gelände, sodass diese nur hat die Sichtverhältnisse längs des Limes teilweise bekannt sind. Die obigen Angaben wesentlich verbessert und damit die Überwa- zu den Strecken beruhen daher z. T. auf chung der Grenzlinie erleichtert.6 Die Nähe Schätzungen. der germanischen Siedlungsgebiete an der Wie die Ausgrabungen der RLK zeigten, mittleren Lahn mag zu einer gewissen waren die älteren, aufgegebenen Abschnitte ausschließlich mit Holztürmen besetzt, wäh- rend an den neuen jüngeren Abschnitten Abb. 2 Lokale Limes- nur Steintürme standen. Daraus ergibt sich verlegungen im Taunus eine ungefähre Datierung der Verlegungen in und in der westlichen die Zeit um 145 n. Chr. in Analogie zum Wetterau um die Mitte Ersatz der Holztürme durch Steintürme am des 2. Jahrhunderts. Odenwaldlimes. Der Bau der Steintürme wird dort durch mehrere Inschriften in die Jahre 145/146 datiert. Wünschenswert wäre aller- dings eine Überprüfung bzw. Präzisierung dieser überschlägigen Datierung durch den- drochronologische Untersuchungen von Pfahlresten an den bei der Verlegung neu er - richteten Grenzabschnitten. Die Verlegungen

6 Baatz, Kleinkastelle 14 –16. 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 96

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müssen auch nicht völlig gleichzeitig erfolgt vor dem üblichen Ausbau des Limes mit Wall sein; es wäre eine Maßnahme denkbar, die und Graben. Palisade, Wall und Graben müs- sich über einige Jahre erstreckte. sen hier wenigstens zeitweise gleichzeitig Eine Sonderstellung nimmt Abschnitt (2.) bestanden haben. Der Grund für den unge- ein, die Strecke zwischen WP 3/18 „Alte wöhnlich frühen Bau von Wall und Graben Schanz“ und 3/29 „Triangel“. Sie überquert dürfte in der besonderen naturräumlichen die Idsteiner Senke (Abb. 3). Die Strecke war Situation zu sehen sein. Die Idsteiner Senke, keine „Verdoppelung“ des Pfahlgrabens – wie die den Taunus durchquert, bot im Altertum es mitunter heißt – sondern gleichfalls eine wie auch heute eine günstige Verbindung lokale Vorverlegung des Limes. Die relative zwischen dem Rheingau und dem germa- Chronologie der beiden Abschnitte ergibt nisch besiedelten Limburger Becken. Um sich aus der Linienführung des Limes: diese Verbindung gut überwachen zu kön- Sowohl am West- wie auch am Ostende der nen, ist die Grenze anscheinend schon vor Streckenverlegung wird die Richtung des der Mitte des 2. Jahrhunderts mit dem nicht verlegten Limes von der südlichen, zusätzlichen Hindernis versehen worden. dem Gelände angepassten Linie weiterge- Der Befund an der Überquerung der führt. Diese war also ein Teil der ursprüngli- Idsteiner Senke wirft jedoch auch Fragen auf. chen Grenzlinie. So ist die Palisade an der jüngeren Linie

Abb. 3 Taunuslimes, Überquerung der Idstei- ner Senke. Verlegung der Stecke zwischen WP 3/18 und WP 3/29.

Einen Anhaltspunkt für die absolute nachgewiesen (z. B. bei WP 3/23). An der Chronologie bietet wiederum die Beobach- älteren Linie ist sie zwar anzunehmen, wurde tung, dass die ältere südliche Linie nur mit aber bisher nicht wirklich dokumentiert. Das Holztürmen besetzt war, während an der ließe sich mit einigen wenig aufwendigen jüngeren, geraden Linie ausschließlich Stein- Sondagen oder einer gezielten Magnetome- türme standen. Dadurch wird die Verlegung ter-Prospektion nachholen. Da beide Linien in die Zeit um 145 datiert. Entsprechend den – die ältere wie die jüngere – mehrfach Bach- übrigen lokalen Verlegungen konnte die läufe bzw. Feuchtgebiete durchqueren, ist die ältere Linie nur solange für die Grenzüberwa- Möglichkeit der Holzerhaltung gegeben. Eine chung eingesetzt werden wie die Holztürme exakte dendrochronologische Datierung der noch nutzbar und nicht abgängig waren; das Palisaden wäre hier ein besonderes Desidera- war nach der Mitte des 2. Jahrhunderts gewiss tum. – Schließlich ist auf den Befund am nicht mehr der Fall. – Die Besonderheit der Steinturm WP 3/25 Gerlohe hinzuweisen, älteren Linie besteht darin, dass hier schon der an der jüngeren Linie im Limeswall steht. vor der Mitte des 2. Jahrhunderts Wall und Dieser Befund deutet darauf hin, dass Wall Graben als Grenzhindernis ausgeführt worden und Graben dort nicht gleich mit der Verle- sind, also mehr als ein halbes Jahrhundert gung, sondern etwas später entstanden sind. 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 97

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Zusammenfassung Die Gesamtlänge der teilweise korrigierten Grenzstrecke von der Aar bei Adolfseck bis WP 4/49 auf dem Sandberg beträgt rund 70km; davon ist mindestens die Hälfte um 145 n.Chr. verlegt worden. Die Palisade ist bei dieser Maßnahme an den jüngeren Abschnitten jeweils neu errichtet worden. So sind bei den lokalen Verlegungen des Limes um 145 mehr als 35 km neue Palisaden ent- standen. Die Verlegungen erweisen, dass die Palisade um 145 – also rund 25 Jahre nach ihrer ursprünglichen Errichtung – weiterhin ein notwendiger Bestandteil des Limes war. An den nicht verlegten Strecken dürften zu dieser Zeit bereits erste Schäden an der Pali- sade entstanden sein. Sie sind vermutlich spätestens gleichzeitig mit den Verlegungen um 145 repariert worden, denn das Neben- einander neuer Palisaden an den verlegten Abschnitten mit baufälligen an den nicht verlegten erscheint sehr unwahrscheinlich.

Großräumige Vorverlegung des Obergermanischen Limes um 160 n. Chr.; Anschluss an jedenfalls bis 160 durch Reparaturmaßnah- Abb. 4 Bauzustand des den Raetischen Limes men aufrechterhalten worden sein. Auch Odenwaldlimes mit Bevor der Obergermanische Limes um 160 danach wurde sie gewiss mindestens solange Steintürmen und Pali- vorverlegt wurde, waren die ursprünglichen beibehalten wie die am vorderen Limes um sade kurz vor der Verle- Holztürme bereits durch Steintürme ersetzt 160 neu errichtete Palisade. Der Befund von gung um 160. worden. Die Palisade diente weiterhin als Marköbel fällt in dieser Hinsicht aus dem Grenzhindernis (Abb. 4). Dieser Bauzustand Rahmen, denn dort zeigte die um 120 n.Chr. der Grenze – Steintürme und Palisade – errichtete Palisade keine Reparaturspuren, sie wurde für den vorderen Obergermanischen war daher schon um 160 n.Chr. – 40 Jahre Limes übernommen. Dort ist eine neue Pali- nach ihrem Bau – kaum noch funktionstüchtig. sadenlinie mit 113 km Länge entstanden (von Miltenberg bis zur Provinzgrenze bei Lokale Verlegung des Limes im Lorch/Rems tal). Gleichzeitig ist der Westab- Scharwald nördlich vom Feld- schnitt des Raetischen Limes von der Pro- bergkastell (Taunus) vinzgrenze mindestens bis Gunzenhausen Etwa 200 m nördlich vom Feldbergkastell mit der Palisade versehen worden (87 km beginnt im Scharwald eine Verdoppelung des Länge). Insgesamt wurde um ca. 160 bis 165 Pfahlgrabens auf ungefähr 500 m Länge.7 Es n.Chr. am Limes die enorme Länge von rund handelt sich auch hier um eine lokale Limes- 200 km Palisade neu gebaut! Dieses Grenz- verlegung ähnlich den bereits oben bespro- hindernis war offensichtlich noch immer ein chenen. Wie bei diesen handelt es sich um notwendiger Bestandteil des Limes. Das ist eine Vorverlegung und Begradigung des entsprechend für die nicht verlegten Strecken Limes. Die ältere südöstliche Linie war in in Obergermanien anzunehmen, etwa für den Wetteraulimes. Hier muss die Palisade 7 ORL A Str. 3 S. 108 –110 Taf. 8,1. 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 98

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Abb. 5 Limesverlegung nördlich vom Feldberg- kastell (Taunus). Nord- östliche Vereinigungs- stelle nach L. Jacobi und E. Fabricius (ORL).

Theorie der unterirdischen Absteinung der beiden Jacobis nicht anfreunden konnte, bei der redaktionellen Bearbeitung der von die- sen beiden eingereichten Streckenberichten die angeblichen Zeugensteine als Verkeil- steine einer Palisade angesprochen und daraus die Palisade auch an der jüngeren Linie ergänzt“.8 Abb. 6 Limesverlegung einem Bogen dem Gelände angepasst, der Es erscheint angebracht, einen Blick auf nördlich vom Feldberg- jüngere nordwestliche ist gerade geführt wor- die Forschungsgeschichte zu werfen. Die kastell (Taunus). Schnitt- den. An beiden Linien sind Wall, Graben grundlegende Untersuchung der interessan- profil A – B, vgl. Abb. 5. und Palisade beobachtet worden. Die relative ten Limesverlegung im Scharwald fand 1896 (nach Fabricius, Bericht Chronologie der beiden Linien ergab sich statt. Nicht „beide Jacobis“ haben sie unter- 1898). durch Ausgrabungsbeobachtungen der RLK nommen (L. und H. Jacobi), sondern nur an der nördlichen Vereinigungsstelle. Dort L. Jacobi. Nur dieser war Streckenkommissar schneidet der große Graben der vorderen, und hat daher auch den Bericht an die RLK geraden Linie das Palisadengräbchen der erstattet. Sein Sohn H. Jacobi hat sich erst zurückliegenden, gebogenen Linie ab ab 1898 an der Limesforschung im Taunus (Abb. 5); außerdem wurde das Palisadengräb- beteiligt, hat sich jedoch mit dem Limes im chen der gebogenen Linie vom Wall der Scharwald nicht befasst. Im folgenden Jahr geraden Linie überdeckt (Abb. 6). Somit war 1899 ist er als Kgl. preußischer Regierungs- die gerade Linie die jüngere. Diesen Befund baumeister für den Wiederaufbau der Princi- sah der Herausgeber des Limeswerkes, pia („Praetorium“) zur Saalburg versetzt wor- E. Fabricius, als einen der Nachweise dafür den. Die Erforschung der Limesverlegung im an, dass am Obergermanischen Limes Pali- Scharwald war zu dieser Zeit bereits abge- sade, Wall und Graben wenigstens zeitweise schlossen. gleichzeitig vorhanden waren. Er nahm an, L. Jacobi hat die Limesverlegung im dass die ältere Linie mindestens bis zum all- Scharwald 1896 topografisch eingemessen gemeinen Bau von Wall und Graben am und dabei auch den Verlauf der Palisadengrä- Limes bestanden hat, also bis ca. 180 n.Chr. ben durch zahlreiche Sondagen festgestellt, Erst danach kann sie verlegt worden sein, deren Spuren zum Teil heute noch sichtbar wobei Wall, Graben und Palisade wieder sind. Allerdings deutete er den Bodenbefund errichtet worden sind. der Grabenspur mit den darin befindlichen Verkeilsteinen der Palisade als „Aussteinung Forschungsgeschichte der Reichsgrenze“.9 Jacobi hat jedoch die An der Darstellung und Ausdeutung des Befun- Grabenspur der Palisade – wenn auch mit des durch Fabricius in ORL hat E. Schallmayer falscher Deutung – stets zuverlässig aufge- Zweifel geäußert: „Möglicherweise hat näm- lich Fabricius, der sich ohnehin mit der 8 Schallmayer, Limespalisade 42. 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 99

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nommen und sich weder hier noch an ande- lichen Vereinigungsstelle anlegte (Abb. 5 –6). ren Stellen seiner Limesstrecke im Taunus Es ging ihm darum, die zeitliche Abfolge der dazu verleiteten lassen, sie auch dort sehen Limesbauwerke abzuklären und die Palisa- zu wollen, wo sie nicht vorhanden war. dengräben genauer zu untersuchen. Anders Bemerkenswert ist ferner seine folgende als Jacobi hat er auch die Grabungsgrenzen Beobachtung: Ab der nordöstlichen Vereini- des Schnitts dokumentiert, was damals eine gungsstelle laufen vor dem großen Graben grabungstechnische Neuerung war. Das zwei Palisadengräben parallel zueinander bemerkenswerte Profil des Schnitts A – B ver- nach Nordosten weiter (Abb. 5). Ihr Abstand öffentlichte er bereits im nächsten Jahr.11 In ist gering, er liegt bei etwa 1 m. Dabei ist der seinem Notizbuch hat er einige knappe Noti- äußere Graben der jüngere, es handelt sich zen über diese Untersuchung festgehalten um die Fortsetzung der Palisade vor der jün- (jetzt im Limesarchiv). Danach hat er das geren Linie. Die innere Palisadenspur ist die Profil am 13. Oktober 1898 aufgenommen ältere, sie setzt die Palisade der älteren Linie (Abb. 7).12 Die Existenz der Palisadengräben fort. Jacobi hat die Doppelspur der Palisaden sowohl an der älteren als auch an der jüngeren noch 200 m nach Nordosten weiterverfolgt. Linie ist dadurch zweifelsfrei nachgewiesen. Offensichtlich ist die ältere abgängige Pali- Im Übrigen hat sich Fabricius als Heraus- sade durch eine neue ersetzt worden, gleich- geber des Limeswerkes keineswegs damit

Abb. 7 Eintragung von Fabricius im Tagebuch S. 73 zum 13. Oktober 1898: „Scharwald Profil der beiden Wälle & Gräb - chen. – “ (Limesarchiv). zeitig mit der Limesverlegung. Hier gab es also begnügt, die eingereichten Berichte der Stre- tatsächlich eine Erneuerung der Palisade! – ckenkommissare redaktionell für den Druck Gelegentlich sind auch an anderen Stellen zu bearbeiten; er hat sie auch nicht fantasie- des Obergermanischen Limes „Verdoppelun- voll ergänzt. Vielmehr ist er immer wieder gen“ der Palisadenspur beob achtet worden. ins Gelände gegangen, um die Ausgrabungen Die durch Luftbilder entdeckte Palisadenver- der Streckenkommissare unmittelbar in doppelung am nördlichen Wetteraulimes Augenschein zu nehmen und auch um selbst zwischen WP 4/49 und WP 4/61 ist aber ergänzend aktiv zu werden. wohl anders zu deuten; dort ist der Abstand Sollte es dennoch Zweifel geben, besteht der beiden Palisadengräben mit etwa 5 m bei der guten Erhaltung des Limes im Schar- auch wesentlich größer als im Scharwald.10 wald keine Schwierigkeit, die Existenz der Zwei Jahre später unternahm Fabricius Palisadengräben durch einige kleine Sonda- im August und Oktober 1898 zwei Reisen gen zu überprüfen; ebensogut kann eine zer- zum Taunuslimes, die besonders dem Palisa- störungsfreie Magnetometer-Prospektion dengraben und den Limesverlegungen gal- erfolgen. Von besonders hohem Interesse ten. Im Rahmen dieser Arbeiten befasste er wäre es, absolute Daten der Limesverlegung sich auch mit der Limesverlegung im Schar- zu erhalten. Die südwestliche Vereinigungs- wald, wo er den Schnitt A – B an der nordöst- stelle der Verlegung befindet sich am Rand des Quellgebietes der Weil. Dort ist mit dau- 9 Zu der verfehlten „Versteinungstheorie“ Jacobis s. Braun, Absteinung. ernd hoher Bodenfeuchtigkeit und entspre- 10 Bender, Doppelpalisade; mit Diskussion ähnlicher chender Holzerhaltung zu rechnen. Es wäre Befunde am Obergermanischen Limes. 11 Fabricius, Bericht 80 Nr. 5 mit Profilzeichnung. den Versuch wert, an dieser Stelle Palisaden- 12 Tagebuch 2 von 1898/99 S. 72 –73; Skizze des Profils A –B hölzer zu bergen und sie dendrochronolo- S. 72. – Für die Hilfe bei der Recherche im Limesarchiv danke ich meinem Kollegen C.-M. Hüssen. gisch zu bestimmen. Tatsächlich stammen 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 100

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aus dem gleichen Quellgebiet gut erhaltene gestellt worden. Auf der Länge von insge- römische Ledersachen und Hölzer, darunter samt etwa 200 km ist die Palisade neu errich- ein Deuchelrohr aus der Zeit „um 170“.13 tet worden. Es war eine größere, provinz- Kann der Befund des gleichzeitigen übergreifende Maßnahme, deren Ursache im Bestehens von Palisade, Wall und Graben an Fach diskutiert wird. Schäden an der Palisade der kurzen Verlegungsstrecke im Scharwald der aufgegebenen, etwa 70 km langen Oden- auf den gesamten Obergermanischen Limes waldlinie, die ca. 40 Jahre nach ihrem Bau übertragen werden? Eine eindeutige Antwort eingetreten sein dürften, können bei der Ent- ist bei dem augenblicklichen Kenntnisstand scheidung mitgewirkt haben. nicht möglich. Aus den späteren Phasen des 4. Die chronologisch letzte, bisher fass- Obergermanischen Limes nach 160 gibt es bare Verlegung fand auf einem kleinen bisher keine sicheren absoluten Datierungen, Grenzabschnitt im Taunus statt, nachdem weder für Wall und Graben noch für die Pali- um 180 Wall und Graben als zusätzliche sade. Es erscheint mir dringend erforderlich, Annäherungshindernisse bereits entstanden diesen Mangel im Rahmen eines entspre- waren. Die Palisadengräben an der Limesver- chenden Forschungsprogramms abzustellen. legung im Scharwald sind bei der Untersu- chung durch die RLK (L. Jacobi und E. Fabri- Zusammenfassung cius) fachgerecht aufgenommen worden.

PHASE STRECKE ZEIT LÄNGE BEMERKUNG 1 Östliche Wetterau zwischen ca. 90 ca. 30 km Verlegung noch vor dem Bau und 120 der Palisade 2 Taunus und westliche um 145 ca. 35 km zahlreiche lokale Verlegungen Wetterau jeweils mit Neubau der Palisade 3 Vorverlegung des Limes um 160 ca. 200 km großräumige Verlegung Miltenberg – Gunzenhausen mit Neubau der Palisade 4 Lokale Verlegung am nach 180 0,5 km lokale Verlegung mit Neubau Feldberg (Taunus) der Palisade zugleich mit Wall und Graben

Obergermanischer Limes. Verlegungen Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass von Grenzstrecken, Übersicht die Palisade auch an der jüngeren Linie vor- Am Obergermanischen Limes sind vier Verle- handen war. Dort sind Palisade, Wall und gungshorizonte zu beobachten: Graben gleichzeitig erbaut worden; die Pali- 1. Der erste, an der östlichen Wetterau, er - sade ist also nicht durch Wall und Graben folgte noch vor dem Bau der Palisade um 120. ersetzt worden. Die Rekonstruktion nach den 2. Der zweite fand etwa 25 Jahre danach Beobachtungen von L. Jacobi und E. Fabricius im Taunus und der westlichen Wetterau darf daher auch wie bisher in Fach- und statt. Seine Besonderheit besteht darin, dass Schulbüchern abgebildet werden (Abb. 8). nicht die Gesamtstrecke verlegt wurde, son- Weitere Forschungen sind jedoch dringend dern eine Anzahl lokaler Korrekturen bzw. erforderlich, um für die Spätphase des Ober- Begradigungen durchgeführt worden sind. germanischen Limes in der 1. Hälfte des 3. Der wesentliche Grund für diese lokalen Ver- Jahrhunderts absolute Daten zu erhalten. legungen dürfte die Absicht gewesen sein, durch die Begradigung ursprünglich dem Ökologische Probleme Gelände angepasster Abschnitte die Über- und Holzmangel wachung der Grenze zu verbessern. Ist die Vorverlegung des Obergermanischen 3. Um 160 ist der gesamte südliche Ober- Limes um 160 n. Chr. durch Holzmangel ver- germanische Limes vorverlegt und zugleich ursacht worden, weil an der älteren Linie der Anschluss an den Raetischen Limes her- nicht mehr genügend Bauholz für die Pali- 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 101

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Abb. 8 Taunuslimes, Spätphase. Rekonstruk- tion des Pfahlgrabens mit Palisade nach den Beobachtungen von L. Jacobi und E. Fabricius 1896/98.

sade zur Verfügung stand? Seit einiger Zeit errichtet worden. Für diese Maßnahme war werden Umweltprobleme der beiden germa- das Holz um 145 n. Chr. offensichtlich vor- nischen Provinzen diskutiert. So wird unter handen, selbst an der Grenze der dichter anderem eine weiträumige Übernutzung der besiedelten Wetterau. – Holzmangel kann Wälder und ein daraus resultierender Holz- auch keine Rolle für den Entschluss gespielt mangel behauptet; sogar von „Raubbau“ ist haben, um 160 den Obergermanischen die Rede. Selbst das Ende des Limes um 260 Limes vorzuverlegen. Verlegt wurde ja nur ist damit in Verbindung gebracht worden.14 der Südabschnitt des Obergermanischen In diesem Zusammenhang erwog Schall- Limes, bestehend aus Odenwaldlimes und mayer, ob der vermutete Mangel die großräu- Neckarlimes. Der Letztere war ein Flusslimes, mige Verlegung des Obergermanischen Limes an dem ohnehin keine Palisaden standen. um 160 verursacht haben könnte. Der Man- Der Odenwaldlimes lief über lange Strecken gel hätte erfordert, „näher an die Ressource durch eine der heute noch waldreichsten Holz zu kommen, indem man die neue Linie Mittelgebirgslandschaften der Bundesrepu- an die Grenze zu waldreicheren Gebieten ... blik. In diesem sehr dünn besiedelten Gebiet hin verschoben hat“;15 ferner auch: „Das auf der Hochfläche des Buntsandsteins hat Ersetzen der Palisade durch Wall und Graben auch in der Antike kein Holzmangel am Limes deutet möglicherweise auf Holz- geherrscht. Kürzlich kam A. Kreuz nach mangel und damit auf damalige ökologische umfassender Durchsicht des botanischen Probleme“.16 Fundmaterials zu dem kritischen Ergebnis: Aus den oben beschriebenen Limesverle- „Die von archäologischer Seite oft geäußerte gungen lässt sich ein Holzmangel nicht Erwartung, dass in den Jahrhunderten um erschließen. Bei den Verlegungen Phase 2 Christi Geburt mit Holzmangel und über- (um 145 n. Chr.) sind im Taunus und in der nutzten Wäldern zu rechnen sei, lässt sich westlichen Wetterau ca. 35 km Palisade neu aufgrund der Holzkohlespektren in unserem Untersuchungsgebiet für keine der archäolo- 13 Lederschuhe aus „dem durch die nahen Weilquellen gischen Gruppen bestätigen“.17 Das schließt erzeugten Sumpf dicht vor dem Osttor“ des Feldbergkastells: ORL B Kastell Nr. 10 S. 56 Nr. 10,1 Taf. 5,26 –32; hölzerne lokale Übernutzung in Siedlungsnähe oder Deuchelrohre, gleiche Fundstelle: ORL a.O. 56 Nr. 10,4; am Rand dichter bewohnter Siedlungskam- Datierung: Holstein, Eichenchronologie 116 „um 170“. 14 Kuhnen, Limesfall 36 –39; 71 –75. mern gewiss nicht aus, doch selbst dort war 15 Schallmayer, Limespalisade 37 –42, speziell 42. genug Holz für die Palisade vorhanden, wie 16 Schallmayer, Neue Forschungen 16. 17 Kreuz, Landwirtschaft 198 –218, speziell 216 –218. das Beispiel Wetterau zeigt. 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 102

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Ergebnis schichtlichen Entwicklung waren am Limes Seit ca. 145 n. Chr. sind am Obergermani- auch anderwärts zu beobachten, etwa das schen Limes in mehreren Verlegungsphasen Zaungräbchen als Vorläufer der Palisade an beträchtliche Grenzstrecken mit Palisaden Strecke 4, die frühe Errichtung von Wall und neu entstanden. Kein Zweifel kann daran Graben an der älteren Linie in der Idsteiner bestehen, dass das hölzerne Grenzhindernis Senke oder der lokale Ersatz einer 112 m lan- über 160 n. Chr. hinaus eine wesentliche gen Palisadenstrecke durch eine Mauer bei Komponente des Grenzschutzes bildete und WP 10/34 am Odenwaldlimes; zu erwähnen entsprechend aufrechterhalten wurde. Zur ist auch die eigenartige Palisadenverdoppe- genauen Chronologie und den anzunehmen- lung nördlich vom Kastell Arnsburg. Denk- den Reparaturen gibt es jedoch nur völlig bar ist durchaus, dass die Palisade in bestimm- unzureichende Informationen. Vom gesam- ten Abschnitten, die weniger gefährdet waren, ten Obergermanischen Limes kennt man bis- nicht aufrechterhalten wurde. her nur die einzige Fundstelle Marköbel mit Die von L. Jacobi und E. Fabricius unter- datierten Palisadenhölzern. Es wäre dringend nommene Untersuchung an der Limesverle- zu wünschen, erhaltene Palisadenhölzer in gung im Scharwald nördlich vom Feldberg- den zahlreichen Feuchtgebieten und Wasser- kastell erweist, dass dort die Palisade, der läufen aufzuspüren, die der Limes kreuzt, und große Graben und der Wall mindestens zeit- ihr Alter dendrochronologisch zu bestimmen. weise gleichzeitig bestanden haben. Ob das Im Limeswerk finden sich bereits Hinweise überall am Obergermanischen Limes der Fall auf solche Fundstellen; weitere sind später war, wissen wir nicht. Auch wie lange die entdeckt worden. Wie erfolgreich ein solches Palisade im 3. Jahrhundert, in der Spätzeit Programm sein kann, zeigen die Untersuchun- des Limes, noch aufrechterhalten wurde, gen von D. Planck und W. Czysz am Westab- entzieht sich vorerst unserer Kenntnis. In der schnitt des Raetischen Limes zwischen dem Krisenzeit der Jahrhundertmitte ist das mili- Beginn der Strecke im Rotenbachtal und dem tärische Personal am Limes durch Abkom- Altmühlübergang bei Gunzenhausen.18 mandierungen an entfernte Kriegsschau- Der Befund von Marköbel, wo die um plätze enorm ausgedünnt worden. Es ist 120 erbaute Palisade im Lauf der folgenden durchaus denkbar, dass aus diesem Grund Jahrzehnte nicht mehr erneuert bzw. repa- die Palisade gegen Mitte des 3. Jahrhunderts, riert worden ist, erscheint aus dieser Sicht als in der sogenannten Reduktionsphase des Sonderfall. Lokale Sonderfälle der bauge- Limes, nicht mehr erhalten werden konnte.

18 Planck, Die Römer 311 (Palisade im Rotenbachtal bei Schwäbisch Gmünd, 163/64 n. Chr.); 258 (Palisade in Rai- Prof. Dr. Dietwulf Baatz nau-Schwabsberg, 165 n. Chr.); Czysz, Hölzerne Zeugen 30 (Palisade im Teufelsweiher bei Mönchroth, 160 n. Chr.; Mühltalstraße 9d, 64297 Darmstadt in Gunzenhausen, ca. 160 n. Chr.). 092-103 Limes_Bd3_Baatz_korr_JU 17.08.2008 15:47 Uhr Seite 103

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Literaturverzeichnis REUTER, Östlicher Wetteraulimes M. Reuter, Die römischen Kleinkastelle von BAATZ, Kleinkastelle Hanau-Mittelbuchen und der Verlauf des öst- D. Baatz, Zur Funktion der Kleinkastelle am lichen Wetteraulimes unter Domitian. In: Obergermanisch-Raetischen Limes; in Limes Imperii Romani. Beitr. zum Fachkoll. Forsch. zur Funktion des Limes. Beitr. zum „Weltkulturerbe Limes“ 2001. Saalburg-Schr. Welterbe Limes 2 (Stuttgart 2007) 8 –25. 6, 2004, 97 –106.

BENDER, Doppelpalisade PLANCK, Die Römer S. Bender, Die Doppelpalisade am Limes im D. Planck, Die Römer in Baden-Württemberg Vorfeld des Kastells Arnsburg. In: Limes (Stuttgart 2005) Imperii Romani, Beitr. zum Fachkoll. „Welt- kulturerbe Limes“ 2001. Saalburg-Schr. 6 SCHALLMAYER, Limespalisade (Bad Homburg 2004) 47 –53. E. Schallmayer, Die Limespalisade im 3. Jh. n.Chr. In: Limes Imperii Romani, Beitr. zum BRAUN, Absteinung Fachkoll. „Weltkulturerbe Limes“ 2001. R. Braun, Unterirdische Absteinung und Saalburg-Schr. 6 (Bad Homburg 2004) 29 –45. Begleithügel. In: Der römische Limes in Deutschland. Sonderbd. Arch. Deutschland SCHALLMAYER, Marköbel (Stuttgart 1992) 24 –28. E. Schallmayer, Der Limes, Marköbel und Kaiser Hadrian. Denkmalpfl. und Kulturgesch. CZYSZ, Hölzerne Zeugen 2003/2, 12 –21. W. Czysz, Hölzerne Zeugen der Zeit. Arch. in Deutschland 2006/1, 30 –31. SCHALLMAYER, Neue Forschungen E. Schallmayer, Neue Forschungen am Limes FABRICIUS, Bericht 1898 in Hessen. Denkmalpfl. und Kulturgesch. E. Fabricius, Bericht über die Arbeit der 2005/3, 17 –21. Reichslimeskommission im Jahre 1898. Arch. Anz. 1899, 77 –88. SCHALLMAYER, Wachturmstelle E. Schallmayer, Beobachtungen an einer HOLLSTEIN, Eichenchronologie Wachturmstelle. Arch. in Deutschland E. Hollstein, Mitteleuropäische Eichenchro- 2006/1, 26 –29. nologie (Mainz 1980). SCHÖNBERGER, Truppenlager KREUZ, Landwirtschaft H. Schönberger, Die römischen Truppenlager A. Kreuz, Landwirtschaft im Umbruch? der frühen und mittleren Kaiserzeit. Ber. RGK Archäobotanische Untersuchungen zu den 66, 1985, 321 –497. Jahrhunderten um Christi Geburt in Hessen und Mainfranken. Ber. RGK 85, 2004, 97 –293. Abbildungsnachweis KUHNEN, Limesfall H. P. Kuhnen, Gestürmt – geräumt – verges- Abb. 1 Nach M. Reuter 2004; Abb. 2 D. Baatz; sen? Der Limesfall und das Ende der Römer- Abb. 3 D. Baatz; Abb. 4 D. Baatz; Abb. 5 herrschaft in Süddeutschland. Ausstkat. Nach L. Jacobi und E. Fabricius (ORL); Abb. 6 Limesmus. Aalen. Württemberg. Landesmus. Nach E. Fabricius, Bericht 1898; Abb. 7 Stuttgart, Arch. Slg. 2 (Stuttgart 1992). Limesarchiv; Abb. 8 D. Baatz. 104-109 Limes_Bd3_Rabold_korr_JU 17.08.2008 15:48 Uhr Seite 104

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DEM LIMES AUF DER SPUR UNTERSUCHUNGEN EINES ABSCHNITTES DER STRECKE 8 SÜDLICH VON OSTERBURKEN Von Britta Rabold

sterburken gehört mit seinen beiden OKastellen und der ausgedehnten Zivil- siedlung mit Benefiziarierstation sowie meh- reren Thermen zu den wichtigsten Garni- sonsorten am äußeren Limes und steht schon seit vielen Forschergenerationen im Blickpunkt des archäologischen Interesses. Erst vor wenigen Jahren wurden im Zuge der Museumserweiterung im römischen Ortskern die zuvor nur ansatzweise bekannten ältes- ten Thermen inmitten des Ortes großflächig ausgegraben.1 2006 schließlich folgten Untersuchungen am Limes südlich von Osterburken, unweit der Ortsteile Marienhöhe und Wemmershof in den Gewannen „Maisenhelde/Hopfengar- ten“ (Abb. 1, 2, 6). Sie wurden durch die neue Umgehungsstraße zwischen Osterbur- ken und Adelsheim (Verlegung der B 292) erforderlich, die auf vierspuriger Breite den Limes fast im rechten Winkel schneidet. Zwei kleine nördlich anschließende Flächen mussten darüber hinaus wegen eines Brü- ckenbauwerks geöffnet werden (Abb. 9). Dieses umfangreiche und massiv in die Landschaft eingreifende Bauvorhaben zur Entlastung der betroffenen Ortskerne war seit den 1980er-Jahren in Planung; bereits 1990 datiert der verbindliche Planfeststellungsbe- schluss. Die Archäologische Denkmalpflege formulierte damals punktuelle Sondagen im betroffenen Abschnitt mit dem obertägig nicht mehr sichtbaren Denkmal, um den antiken Grenzverlauf auch in diesem Bereich exakter lokalisieren und einschätzen zu können. Seit 2005 genießt der ORL durch die Auf- nahme in die Liste des UNESCO-Welterbes deutlich spürbar eine weitaus größere denk- malpflegerische Akzeptanz, die einen umfas- Abb. 1 Lage der Gra-

1 E. Schallmayer / K. Kortüm, Osterburken, Kastelle und senderen Schutz für die Grenze selbst und bungsflächen zwischen Lagerdorf. In: D. Planck ( Hrsg.), Die Römer in Baden-Würt- den begleitenden Korridor gewährleistet; lei- WP 8/33 und 8/34 süd- temberg (2005) 243 ff.; K. Körtüm, Arch. Ausgr. Baden- Württemberg (Stuttgart 2005) 135ff. der zu spät für den Osterburkener Abschnitt, lich von Osterburken. 104-109 Limes_Bd3_Rabold_korr_JU 17.08.2008 15:48 Uhr Seite 106

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Abb. 2 Digitales Ortho- folgt gute 500 m südlich auf einer markanten foto mit Eintragung der Erhebung. Von dort hatte man einst einen Welterbezone der Deut- guten Überblick bis zum nördlichen, auch schen Limeskommission. sehr hoch gelegenen WP 8/32. WP 8/33 hin- gegen lag in einer markanten Senke und war eher schlecht einsehbar (vgl. Abb. 8). Die Grabungsfläche auf dem recht stei- len Anstieg Richtung Süden hatte einen Höhenunterschied von fast 5 m, was einem Gefälle von 10 % entspricht und für die star- ken dort beobachteten Erosionserscheinun- gen verantwortlich ist. Der Limesgraben wurde insgesamt auf einer Länge von 75 m erfasst (Abb. 9). Seine Lokalisierung entspricht den Vorgaben der Reichs-Limeskommission. Reste eines im Gelände zunächst nicht mehr erkennbaren neuzeitlichen Weges störten den Grabenbe- fund stellenweise. In diesen Zusammenhang gehören wohl auch eine lineare schmale Nordsüd ausgerichtete Steinsetzung (Tro- ckenmäuerchen) am westlichen Flächenrand sowie benachbarte hufeisenförmige Verfär- da eine grundlegende Änderung des groß bungen, die fundleer waren und sich in den angelegten Straßenbauvorhabens zu diesem Schnitten nicht weiter zu erkennen gaben. Zeitpunkt nicht mehr möglich oder auch zu Der 5 bis 6 m breite Graben war noch bis verantworten gewesen wäre. zu 2 m in den anstehenden Muschelkalk ein- Betroffen ist die Strecke 8 zwischen den getieft (Abb. 3, 5) und hob sich in der Fläche Abb. 3 In den Muschel- Wachposten 8/33 und 8/34 (Abb. 1, 2). Das durch seine vergleichsweise sterile Verfüllung kalk eingetiefter Limes- durch die Reichs-Limeskommission ausgegra- aus eingeschwemmtem zähem Lehm ab, die graben, teilweise ausge- bene und heute in einem kleinen Waldstück auf einer Länge von über 10 m vollständig hoben. Blick von Süden. noch sichtbare Turmfundament von WP 8/34 ausgehoben werden konnte. Das Grabenprofil ist V-förmig gestaltet mit leicht konvexen Seiten. Beim Tieferlegen zeigte sich stellenweise in der westlichen Hälfte eine massive Setzung aus Muschel- kalksteinen mit ziemlich gerader Kante am östlichen Abschluss. Dieser Einbau reichte nicht bis zur Sohle. In der Regel waren die Steine handquadergroß mit mindestens einer behauenen Seite, wodurch sie sich von der anstehenden Geologie deutlich absetzten. Unter der Steinpackung fanden sich Reste von verbranntem Holz oder zumindest starke Brandspuren. An der westlichen Grabenkante begeg- nete eine bis zu 0,25 m breite sandige, stark mit Holzkohle durchsetzte Zone, die sich über 20 m verfolgen ließ. 104-109 Limes_Bd3_Rabold_korr_JU 17.08.2008 15:48 Uhr Seite 107

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Abb. 4 Bauhölzer im Limesgraben.

In der Grabenverfüllung fanden sich fast die Hölzer leider nicht mehr näher chronolo- durchgängig Hölzer (Abb. 4) verschiedenen gisch einordnen; es bleibt somit nur noch die Zuschnitts. Erkennbar waren Balken oder Hoffnung auf eine Holzartenbestimmung. auch Teile von Brettern oder Dielen, allesamt Nur wenig östlich des Limesgrabens ver- stark verkohlt. Palisadenhälblinge wurden lief der im Planum kaum als solcher erkenn- hier wohl nicht entsorgt. Laut ersten Sich- bare Palisadengraben. Seine Breite beträgt tungen der Naturwissenschaftler lassen sich etwa 0,6 m. Auffällig waren größere senkrecht

Abb. 5 Grabenprofil im nördlichen Bereich der großen Fläche. 104-109 Limes_Bd3_Rabold_korr_JU 17.08.2008 15:48 Uhr Seite 108

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Von der Wallanschüttung, die sich west- lich des Verteidigungsgrabens befunden haben dürfte, ließen sich erhaltungsbedingt keine Reste mehr nachweisen. Ein breiter Streifen aus massiven, scheinbar verlegten Muschelkalkplatten an dieser Stelle ent- puppte sich als reine Geologie. Die u. a. an der Strecke 8 mehrfach fest- gestellte sogenannte Limesbegleitmauer wurde nicht angetroffen2. Falls jemals vor- handen, hätte sie sich 10 bis 15 m westlich des Grabens zeigen müssen. Ihr Ausbleiben in der heutigen Befundsituation mag, je nach der einstigen Fundamentierungstiefe, allerdings erhaltungsbedingt sein. Auch andere Strukturen in Steinbauweise konnten nicht nachgewiesen werden. Der beschriebene doppellagige Kalkstein- einbau in der westlichen Grabenhälfte könnte Abb. 6 Luftbild der darin eingestellte Kalksteine, deren Anord- allerdings mit ähnlichen Aktivitäten in Zu- größeren (südlichen) nung einem bestimmten Schema zu folgen sammenhang stehen. Aus diesem Grund ist Grabungsfläche mit scheint. Des öfteren standen sich jeweils es umso bedauerlicher, dass die offensichtlich hälftig ausgehobenem zwei in einem Abstand von ca. 0,2 m gegen- tiefer bzw. darunter liegenden Hölzer keinen Graben. Im Vordergrund über (Abb. 6, 7). Eine Deutung als Verkeilun- Datierungsansatz mehr liefern können. das Palisadengräbchen gen für die Palisadenhölzer liegt nahe.

mit den senkrecht Sowohl die Verfüllung als auch die Keilsteine 2 vgl. T. Becker, Von zwei Seiten betrachtet – Überlegungen gestellten Keilsteinen. zeigten starke Spuren von Hitzeeinwirkung, zur Limesmauer zwischen Osterburken-Bofsheim und Jagst- hausen an der Strecke 8. In: Forschungen zur Funktion des die auf ein Schadensfeuer zurückgehen dürften. Limes 2. Beiträge zum Welterbe Limes (Stuttgart 2007) 99 ff.

Abb. 7 Detail des Palisa- dengrabens mit den Muschelkalkkeilsteinen. Blick von Süden. 104-109 Limes_Bd3_Rabold_korr_JU 17.08.2008 15:48 Uhr Seite 109

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Wenn sich auch die Zerstörung und Abb. 8 Ausgehobener Überbauung des Limes bei Osterburken nicht Limesgraben. Blick nach mehr verhindern ließ, erbrachten die Gra- Norden in Richtung bungen dennoch wichtige Hinweise auf die Osterburken. zuvor nur rekonstruierte Lokalisierung und den Verlauf des Limes sowie seine Bauweise im kaum zu bearbeitenden Muschelkalk. Es ist geplant die Ergebnisse zumindest durch Beschilderung vor Ort dem Besucher des Limeswanderweges zukünftig zu präsentieren.

Dr. Britta Rabold Regierungspräsidium Karlsruhe Archäologische Denkmalpflege Moltkestraße 74, 76133 Karlsruhe E-Mail: [email protected]

Abb. 9 Luftbild mit bei- den Grabungsflächen. Zeigt den Verlauf des Grabens auf einer Länge von ca. 75 m.

Abbildungsnachweis Württemberg, Stuttgart 2005); Abb. 2 Grund- lage: Landesvermessungsamt Baden-Würt- Abb. 1 Ausschnitt aus: Offizielle Karte 1:50000 temberg; Abb. 3 RPK, Knoetzele / Reißing; UNESCO-Weltkulturerbe Obergermanisch- Abb. 4 RPK, Knoetzele / Reißing; Abb. 5 RPK, Raetischer Limes in Baden-Württemberg (Hrsg. Knoetzele / Reißing; Abb. 6 RPS, Braasch; Deutsche Limeskommission, Verein Deutsche Abb. 7 RPK, Knoetzele / Reißing; Abb. 8 RPK, Limesstraße, Landesvermessungsamt Baden- Knoetzele / Reißing; Abb. 9 RPS, Braasch. 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 110

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ZUR ZIVILEN BESIEDLUNG ZWISCHEN DEN LIMITES IM NECKAR-ODENWALD-KREIS Von Anita Gaubatz-Sattler

Abb. 1 Kartenausschnitt der Übersichtskarte von Wagner, Fundstätten Blatt II.

er Neckar-Odenwald-Kreis ist in Baden- sem Bereich (Abb. 1) 14 Fundstellen als „Nie- DWürttemberg der einzige Landkreis, der derlassung“ oder „Gebäude“ eingetragen, zwei Limeslinien in seinem Kreisgebiet auf- weitere sieben als Einzel- oder Münzfund.2 weist (Abb. 3). Hier verläuft in ungefährer Diese Kenntnis basierte zunächst auf seiner Nord-Süd-Richtung der sogenannte Odenwald- 1880/81 durchgeführten Fragebogenaktion limes (früher auch Mümling-Linie genannt, zu archäologischen Fundplätzen, bei der er vgl. Abb. 1), der für den jüngeren, den soge- verschiedene Institutionen, wie Gemeinden nannten Vorderen Limes nach der Mitte des und Forstämter, angeschrieben und einen 2. Jahrhunderts n. Chr. aufgegeben wurde. erfolgreichen Rücklauf hatte.3 Auch waren Das Gebiet zwischen den beiden Limites ihm beispielsweise die Tätigkeiten des Alter- umfasst ca. 550 km², bei einem Limesabstand thumsvereins zu Buchen aus den 1860er-Jah- von maximal 20 km und einer Nord-Süd- ren bekannt.4 Ausdehnung von maximal 30 km. Land- In dem Zeitraum zwischen 1893 und schaftlich gehört die Region mit den ehema- 1900 widmete sich Wagners Mitarbeiter Karl ligen Amtsstädten Adelsheim, Buchen und Schumacher,5 der im nordbadischen Gebiet Mosbach zum Odenwald und zum Bauland.1 als Streckenkommissar für die Reichs-Limes- kommission tätig war, auch zivilen Sied- Zur Forschungsgeschichte lungsplätzen. Als der badische großherzogliche Konservator Ernst Wagner 1911 in seinem zweiten Band 1 Reinhard, Geologischer Bau 9ff. 2 Wagner, Fundstätten Blatt II. seiner Publikation Fundstätten und Funde aus 3 Zur Fragebogenaktion vgl. Denkmalpflege in Baden- vorgeschichtlicher, römischer und alamannisch- Württemberg 17, 1988, 53 f. 4 Alterthums-Verein Buchen, Jahresbericht 1863 und fränkischer Zeit im Großherzogtum Baden die Alterthumsverein Buchen, Bericht 1864 –1866. Kartenbeilage für die römische bzw. alaman- 5 Schumacher war von 1887 bis 1901 bei der Großherzog- lichen Sammlung in Karlsruhe, heutiges Badisches Landes- nisch-fränkische Zeit vorlegte, hat er in die- museum. 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 112

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Schumacher erfuhr allein durch seine Gemächer, darunter vier mit Gussböden, die Präsenz in der Region von weiteren Fundstel- Wände teils weiß mit rotem Sockel, teils len. An manchen Plätzen hat er auch kleinere weiß mit roten Streifen, teils mit weißen, gel- Untersuchungen vorgenommen. Leider sind ben und roten Streifen und teils mit gelben hierüber kaum weiterführende Unterlagen er - und grünen Kreisen bemalt“) gefunden.9 halten.6 Einige Details sind Schumachers Publi - Schumacher hatte hier vor 1895 bei einer kationen von 1897 und 1929 zu entnehmen.7 Grabung auch Baubefunde aufgedeckt.10 Ab etwa 1920 war Ernst Wahle, Professor Kleinere Untersuchungen fanden 1971 an der Heidelberger Universität, als soge- nördlich von Schlierstadt (Stadt Osterbur- nannter Oberpfleger für die Denkmalpflege ken),11 1983 und 1994 bei Großeicholzheim in Nordbaden zuständig. Er lokalisierte bei- (Gemeinde Seckach )12 statt. Im Sommer spielsweise erneut einzelne, von Schumacher 1990 gelang es durch die Luftbildarchäologie Abb. 2 Eberstadt (Stadt aufgeführte Stellen. Seit dieser Zeit war auch (Abb. 2, 6, 10) zahlreiche Siedlungsstellen Buchen), Gewann der Lehrer Wolfgang Palm als sogenannter wieder zu lokalisieren oder neu zu entde- „Heunhäuslein“. Luft- Bezirkspfleger in der Region Mosbach tätig.

bildaufnahme Juni 1990. Dank seinen Kontakten vor Ort wurden wei- 6 Siehe hierzu die Ortsakten im Regierungspräsidium Karls- Blick von Süden auf tere Fundstellen bekannt und untersucht. ruhe, Referat 25 Denkmalpflege, weiterhin abgekürzt mit RP Karlsruhe (ehemals Landesdenkmalamt Baden-Württem- zwei Reckteckgebäude. Bis in die 1960er-Jahre gelangten von ihm berg, Außenstelle Karlsruhe). Meldungen zur staatlichen Denkmalpflege. 7 Vgl. besonders Schumacher, Besiedelung und Schumacher, Meierhöfe. In dieser Zeit wurden auch bei Baumaß- 8 ORL B 40 Osterburken 20. – Wagner, Fundstätten 439. – Schumacher, Meierhöfe 42 Nr. 11. – Fundberichte aus nahmen etwa 500 m südwestlich des römi- Baden-Württemberg 4, 1979, 233. – Ebd. 5, 1980, 210. schen Kastells von Osterburken Mauerzüge 9 Wilhelmi, Jahresbericht 78 ff. 10 ORL B 40 Osterburken 20. 8 eines altbekannten Fundplatzes erfasst. Dort 11 Schumacher, Besiedelung 151 Nr. 16. – Wagner, Fund- hatte bereits 1838 der Sinsheimer Pfarrer Karl stätten 443. – Schumacher, Meierhöfe 43 Nr. 15. – Fundbe- richte Baden-Württemberg 2, 1975, 207. – Ebd. 5, 1980, 225 f. Wilhelmi „ausgedehntes Mauerwerk (sechs 12 Unpubliziert. Ausgrabung RP Karlsruhe.

Abb. 3 Römische Besiedlung zwischen den Limites im Neckar- Odenwald-Kreis. Kar- tengrundlage nach Schallmayer, Römerzeit, Kartenbeilage 6. 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 113

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cken. Begehungen führten außerdem immer wieder zu weiteren Hinweisen. 1992 erschien die Amtliche Kreisbeschrei- bung des Neckar-Odenwald-Kreises mit einem Artikel zur Römerzeit von Egon Schall- mayer.13 Die von ihm vorgelegte Besiedlungs- karte (Kartengrundlage für die jetzt aktuali- sierte Kartierung auf Abb. 3) zeigte einen Schwerpunkt der römischen Besiedlung im südlichen Kreisgebiet. Durch die Markierung der geologischen Grenze des Buntsandsteins mit seinen ungünstigen Boden- und Wasser- verhältnissen zum Muschelkalk wird sogleich die Erklärung geliefert.14

Derzeitiger Kenntnisstand Nach der heutigen Kenntnislage zeichnet sich für den Bereich zwischen den Limites im Neckar-Odenwald-Kreis folgendes Siedlungs- als villae rusticae anzusprechen, die haupt- Abb. 4 Buchen, Gewann bild ab (Abb. 3): sächlich im Rahmen der Landwirtschaft ihre „Bei den Haynenhäu- Nunmehr sind 48 Fundplätze und 11 wirtschaftliche Grundlage hatten und durch sern“. Plan der geophy- Einzelfundstellen bekannt. Aufgrund der Überschussproduktion auch die Versorgung sikalischen Untersuchung ungünstigen Bodenverhältnisse ist der nörd- der Region wahrnahmen.15 Siedlungen neben aus dem Jahr 2002. liche Buntsandsteinbereich nahezu sied- den vici an den Kastellorten Walldürn oder lungsfrei. Auch wird die Konzentration der Osterburken sind bislang nicht nachgewiesen.16 Siedlungsplätze im Zentrum und im westli- chen Kreisgebiet, zum Vorderen Limes hin Beispiele orientiert, deutlich. Sie reihen sich meist ent- Um einen Einblick zur Besiedlung im Neckar- lang der Flussläufe auf. Hanglagen oberhalb Odenwald-Kreis zu geben, werden im Folgen- eines Wasserlaufs finden sich häufig, diese den einzelne Fundplätze vorgestellt. sind bevorzugt nach Süden ausgerichtet. Die südwestlich von Buchen gelegene Villa Trotz der im 19. Jahrhundert beginnen- rustica „Bei den Haynenhäusern“ (Abb. 1) wurde den Forschungstätigkeit ist der Wissensstand bereits 1865/66 durch den Buchener Alterthums - zu den einzelnen Fundplätzen im Gebiet verein erforscht.17 Man war damals auf einen zwischen den Limites im Neckar-Odenwald- etwa 1,8 m² großen Estrichboden gestoßen Kreis als sehr unterschiedlich zu bezeichnen, und hatte neben Keramik- und Münzfunden selten liegen Grundrisse vor oder ist reichli- auch Schieferstücke geborgen. Schumacher ches Fundmaterial vorhanden. Demnach ist führte 1929 an, dass ihm „alte Leute erzähl- die Ansprache der einzelnen Siedlungsstelle ten, dass sie als Kinder noch in den Ruinen nicht immer klar und eindeutig zu geben. gespielt hätten, namentlich in einem Halb- Wahrscheinlich sind die Fundstellen meist rund (offenbar Apside eines Badegebäudes)“.18 Auf dem Ackergelände fanden immer 13 Schallmayer, Römerzeit. 14 Reinhard, Klima 32 ff. wieder Begehungen statt. Dabei wurden oft- 15 Hierzu beispielsweise Hüssen, Besiedlung u. Landwirt- mals Funde geborgen, darunter auch eine schaft 255 ff. 19 16 Schallmayer, Walldürn 46 ff. – Gaubatz-Sattler u. Seiden- Sigillatascherbe der Blickweiler Spätware, spinner, Osterburken 32 ff. die als Hinweis für eine Besiedlung in der 17 Alterthumsverein Buchen, Bericht 1864 –1866, o. S. 18 Schumacher, Meierhöfe 41 Nr. 1. frühen 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts gelten 19 Fundberichte Baden-Württemberg 9, 1984, 672 Taf. 56 A. kann. Auf verschiedenen Luftbildaufnahmen 20 Bislang zeichnete sich auf keinem Luftbild ein Gebäude- grundriss ab. zeigte sich bislang kein klarer Befund.20 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 114

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Abb. 5 Schlierstadt dürfte sich um das Hauptgebäude handeln. (Stadt Osterburken), Das etwa 26 × 20 m große Gebäude 2 Gewann „Hellen weist neben einer Raumflucht mit vier Räu- Brünnle“. Blick von men im Osten einen großen Raumteil auf, Osten auf den 1971 frei- der wohl als Halle angesprochen werden kann. gelegten Raum. Das ca. 16 × 11 m große Gebäude 3 hat zwei lang gestreckte Raumeinheiten, wäh- rend das etwa 30 × 17 m große Gebäude 4 in seiner Raumeinteilung nicht klar erkennbar ist. Dieses Gebäude entspricht in der Dimen- Abb. 6 Schlierstadt sion Gebäude 1 und weist ebenfalls einen (Stadt Osterburken), nach Osten führenden Kanal auf. Gewann „Hellen Zwei bis drei kleinere, nicht unterteilte Brünnle“. Luftbildauf- Gebäude (Größe ca. 5 × 10 m bzw. 5 × 3 m) nahme Mai 1990. Blick befinden sich in der Nähe der Brunnen, die von Norden auf die ver- letztendlich von den Gebäuden umgeben schiedenen Gebäude- sind. Eine genauere Ansprache der Nebenge- strukturen. bäude im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung ist derzeit nicht zu geben. Aufgrund des vorliegenden Fundmaterials ist eine Besiedlung bis in die Mitte des 3. Jahrhun- derts gesichert. Die nördlich von Schlierstadt (Abb. 1) gelegene Villa rustica im Gewann „Hellen Brünnle“ ist seit Schumacher bekannt.22 Zur Ausdehnung der westlich des Schlierbachs gelegenen Anlage fehlten lange Zeit weiter- führende Angaben. Seit den Beobachtungen ab den 1960er-Jahren liegen sie vor. Bei Untersuchungen im Frühjahr 1971 wurde ein etwa 2,8 × 2,45 m großer beheizba- rer Raum freigelegt (Abb. 5). Das Fundmate- rial belegt eine Nutzung kurz nach der Mitte des 2. bis um die Mitte des 3. Jahrhunderts.23 Bereits 1970 skizzierte man Gebäudestruk- turen, die aufgrund des unterschiedlichen Bewuchses im Gelände wahrgenommen wur- den. Diesen Beobachtungen entsprachen Abb. 7 Schlierstadt Geophysikalische Prospektionen21 teilweise die Luftbilder aus dem Jahr 1990 (Stadt Osterburken), erbrachten 2002 einen Grundriss (Abb. 4) (Abb. 6). Die Luftbildentzerrung (Abb. 7) Gewann „Hellen mit vier größeren und drei kleineren Gebäu- zeigt im Norden auf einer Länge von ca. 90m Brünnle“. Luftbildent- den, wohl drei Brunnen sowie ein Teilstück eine in Ost-West-Richtung verlaufende zerrung. der Hofmauer im Nordwesten. Das Hofareal Mauer, die möglicherweise die nördliche war demnach mindestens 1,1 ha groß.

Gebäude 1 hat eine Größe von ca. 25 m 21 Ausführende Firma Terrana Geophysik. Messungen wur- auf 19 m mit mindestens sieben Räumen, davon den im Februar/März 2002 und November/Dezember 2002 durchgeführt (Auftraggeber Stadt Buchen). ein Bereich mit Estrichboden. Der vom süd- 22 Schumacher, Besiedelung 151 Nr. 16. – Wagner, Fund- östlichen Mitteltrakt hin- bzw. wegführende stätten 443. – Schumacher, Meierhöfe 43 Nr. 15. 23 Fundberichte aus Baden-Württemberg 2, 1975, 207 mit Kanal könnte auf einen Badetrakt deuten. Es Abb. 188. – Ebd. 5, 1980, 225 f. Taf. 191 B; 194 A. 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 115

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Begrenzung der Anlage darstellt. Im Zentrum der sichtbaren Strukturen zeichnet sich Gebäudekomplex 1 ab, der in Nord-Süd- Richtung eine Ausdehnung von etwa 55 m hat und verschieden große Raumeinheiten (Größe ca. 5 × 4 m bzw. 18 × 9 m) aufweist. Der östlich liegende, stärker gegliederte Grundriss 2 hat mindestens eine Ausdeh- nung von 21 × 16 m. Der 1971 untersuchte Hypokaustraum ist Teil dieses Gebäudes. Die Ansprache als die östliche Hälfte eines Hauptgebäudes mit einem Porticus und einem Ostrisalit erscheint wohl zu gewagt. Westlich von Gebäudekomplex 1 ist außer- dem ein mit 10 m auf mindestens 6 m kleinerer Baubefund in Teilen erkennbar. Durch die Geländebeobachtungen in den 1960er-Jahren ist eine Fortsetzung nach Süden angezeigt, demzufolge wäre die Anlage mindestens 1,4 ha groß. Geht man einen weiteren Kilometer Abb. 8 Eberstadt 1,2 km nördlich, ebenfalls westlich des nach Norden, so liegt auf der östlichen Seite (Stadt Buchen), Gewann Bachlaufs, liegt die nächste Fundstelle, aber des Bachlaufs (hier der Krummbach) der „Heunhäuslein“. Luft- auf der Gemarkung von Eberstadt (Stadt nächste Fundplatz noch auf der Gemarkung bildentzerrung. Buchen, Abb. 1). Im Gewann „Heunhäus- von Eberstadt. Von der 1897/98 von Schu- “ hat der Buchener Alterthumsverein macher gemeldeten Stelle26 „Gebäude im 1864 ein Gebäude mit einer Seitenlänge von Nüsslein“ liegen nunmehr Luftbilder vor. etwa 20 m aufgedeckt.24 Damals wurden auch Derzeit sind vier Gebäudekomplexe erkenn- Abb. 9 Eberstadt ein Estrichboden und eine Herdstelle freige- bar (Abb. 9). Das mit 15 × 10 m größte (Stadt Buchen), Gewann legt. Schumacher führte 1929 diesen Sied- Gebäude 1 hat mindestens eine Raumunter- „Am Nüßlein“. Luftbild- lungsplatz mit dem Hinweis auf die Untersu- teilung. Ob es sich nach Südwesten fort- entzerrung. chung von 1864 als „größere villa rustica“ auf.25 Luftbildaufnahmen von 1990 (Abb. 2) und deren Entzerrung (Abb. 8) zeigen zwei dicht beieinander liegende, scheinbar nicht untergliederte Rechteckgebäude. Während Gebäude 2 mit etwa 11 × 10 m fast quadra- tisch ist, hat der Baubefund 1 bei fast gleicher Breite eine Länge von ca. 23 m. Gebäude 3 mit den Ausmaßen von etwa 15 × 11 m liegt nahezu 60 m nördlich der beiden. Ob die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Mauer im Osten die Umfassungsmauer darstellt, kann derzeit nicht bestimmt werden. Der Grund- riss eines sogenannten Hauptgebäudes zeigt sich im Luftbild bislang nicht.

24 Alterthumsverein Buchen, Bericht 1864 –1866, o. S. 25 Schumacher, Meierhöfe 43 Nr. 13. – Vgl. auch Schuma- cher, Besiedelung 151 Nr. 18 und Wagner, Fundstätten 405. 26 Schumacher, Besiedelung 151 Nr. 19. – Wagner, Fund- stätten 405. – Schumacher, Meierhöfe 43 Nr. 16. 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 116

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setzte, kann derzeit nicht bestimmt werden. lung. Das zweite Gebäude weist auf der Ost- Der südöstlich davon gelegene Befund 2 seite eine Raumflucht mit mindestens drei ergibt keinen klaren Grundriss, wobei hier Räumen auf, möglicherweise deutet sich möglicherweise Pfostenstellungen einer auch auf der Westseite eine Raumflucht an. Holzbauweise angezeigt sind. Zwei langrecht- Östlich dieses Gebäudes ist ein dritter klei- eckige, ungegliederte Gebäude – Bau 3 hat nerer Bau nur schemenhaft erkennbar. Eine eine Ausdehnung von ca. 9 × 13 m und Bau 4 Umfassungsmauer zeigt sich derzeit nicht. von etwa 8 × 4 m – schließen sich im Osten Das vorliegende Fundmaterial passt in den Abb. 10 Bödigheim an. Eine Begrenzung der Anlage zeigt sich bekannten Rahmen. (Stadt Buchen), Gewann bislang nicht. Die bislang vorgestellten Siedlungsplätze „Hennenhaus“. Luftbild- Etwa 2 km westlich des letztgenannten haben zum Vorderen Limes einen Abstand aufnahme Mai 2005. Fundplatzes liegt die 1922 von Wahle bei von mindestens 2 km, beziehungsweise lie- Blick von Osten auf das Bödigheim (Stadt Buchen) im Gewann gen weiter im Hinterland. Die Gesamtkartie- Rechteckgebäude. „Hennenhaus“ wieder lokalisierte Schuma- rung (Abb. 3) zeigt aber auch Fundstellen, cher-Stelle (Abb. 1).27 Auf jetzt vorliegenden die näher an den Limes heranreichen. Luftbildaufnahmen (Abb. 10) zeichnet sich Über wenige dieser Fundpunkte ist ein ungegliederter langrechteckiger Grund- Genaueres bekannt. An der 1,2 km vom riss mit einer Größe von etwa 16 × 11 m ab. Limes entfernten Stelle im Gewann „Gehr- Weitere eindeutige Strukturen sind derzeit acker“ auf der Gemarkung von Götzingen nicht erkennbar. (Stadt Buchen, Abb. 1) hat Schumacher 1897 Bei der Siedlungsstelle südwestlich von einen Befund untersucht. Bei einer Größe Adelsheim (Abb. 1) stellte Schumacher 1897 von 25,2 × 12,45 m und einer Fundament- im Gewann „Wirsching“ „römisches Mauer- stärke von 1,35 m hat er am Gebäude im werk“ fest.28 Durch verschiedene Beobach- Osten zwei Stützpfeiler und im Südosten tungen, Begehungen und Luftbildaufnah- eine Stückung festgestellt.30 Der ungeglie- men gelang es, die westlich der Seckach derte, mit Stützpfeilern verstärkte Bau kann gelegene Fundstelle wieder zu lokalisieren. mit einer Innenfläche von 313 m² als Wirt- Abb. 11 Adelsheim, Die Luftbilder von 2005 zeigen zunächst schaftsgebäude angesprochen werden. Über Gewann „Wirsching“. zwei recht dicht beieinander liegende weitere Baubefunde im Umgebungsbereich Luftbildaufnahme Gebäude (Abb. 11).29 Die beiden fast gleich- gab Schumacher keine Auskunft. August 2005. Blick von großen und unterteilten Grundrisse messen Mit einem Abstand von 500 m zum Limes Südwesten auf die etwa 15 × 20 m. Das südlichere, größere hat Schumacher ebenfalls 1897 im Gewann Gebäudestrukturen. Gebäude hat eine einfache Längsuntertei- „Hännehaus“ (früher: „Heunehaus“) auf der Gemarkung von Bofsheim (Stadt Osterbur- ken, Abb. 1) eine „Villa“ festgestellt, eine Untersuchung hat er nach seinen Angaben nicht vorgenommen.31 Bei einer Begehung wurde 1995 Terra Sigillata aufgelesen, Befunde aber nicht wahrgenommen.32 Auf Luftbildaufnahmen zeichnen sich bislang keine eindeutigen Strukturen ab,33 sodass keine weiterführenden Angaben vorliegen. Dichter an den Limes reicht eine Luft- bildstelle südlich von Osterburken im Gewann „Förstlein“. Die erkennbaren Struk- turen liegen etwa 230 m südwestlich von WP 8/32 mit einem Abstand von ca. 200 m zum Limes. Das Luftbild vom Sommer 1982 (Abb. 12) zeigt einen unvollständigen, 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 117

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u-förmigen Grundriss mit einer Ausdehnung Da flächendeckende Prospektionen im Neckar- von etwa 7 m auf mindestens 5 m. Bei Bege- Odenwald-Kreis noch nicht stattgefunden hungen wurden bisher keine Funde geborgen, haben, spiegelt das vorliegende Siedlungsbild auch waren im Gelände keine Strukturen (Abb. 3) nur den derzeitigen Kenntnisstand auszumachen.34 Der angedeutete Grundriss wieder. Ein Blick auf den Bereich am Oden- erinnert an die u-förmige Innenbebauung waldlimes zeigt, dass die 1893 von Schuma- des Kleinkastells Rötelsee (Stadt Welzheim, cher untersuchte Villa beim Stockbronner Rems-Murr-Kreis).35 Ob der Osterburkener Hof (Gemeinde Neckarzimmern, Abb. 1) Fundplatz in militärischem Kontext zu sehen kaum 800 m vom Limes entfernt lag,40 also ist, ist denkbar, wird aber weiterer Beobach- auch dort ein Abstand unter 1 km anzutref- tungen und Befunde bedürfen. fen ist. Die differierenden Zahlenwerte der Einen nur 210 m vom Vorderen Limes verschiedenen Limesabschnitte lassen dem- entfernten Fundplatz hat man auch 7 km nach für eine siedlungsfreie zivile Bebauung südlich der Osterburkener Stelle auf der keine Regelhaftigkeit erkennen. Gemarkung Unterkessach (Stadt Widdern, Lkr. Heilbronn, Abb. 1) im Gewann „Lehen- Abb. 12 Osterburken, wiesen“ festgestellt. Dort wurden 1928 bei Gewann „Förstlein“. Bauarbeiten zwei 5 m von einander entfernte Luftbildaufnahme Juli Mauerreste erfasst.36 Ernst Fabricius wies 1982. Blick von Süden den angeschnittenen Befund aufgrund der auf den u-förmigen topografischen Gegebenheiten („geringe Platz- Grundriss. verhältnisse“) nicht in den militärischen Kontext.37 Nach derzeitigem Kenntnisstand liegen im Neckar-Odenwald-Kreis zwei Fundplätze (Osterburken „Förstlein“ und Götzingen „Gehracker“) zwischen 200 m und 500 m nah Die vorgestellten Beispiele belegen im am Vorderen Limes, während eine regelhaf- Neckar-Odenwald-Kreis im Bereich zwischen tere Besiedlung erst ab einer Entfernung von den Limites keinen vollständigen Grundriss 1 km (Abb. 3) zum Limes einsetzt. Im Heil- einer villa rustica (ansatzweise nur bei bronner Raum wurde bis auf die Ausnahme Buchen, vgl. Abb. 4). In nur wenigen Fällen bei Unterkessach ein Abstand zum Limes sind einzelne Gebäude in ihrer Funktion von mindestens 1 km festgestellt und als näher anzusprechen. Bislang ist auch die „Sicherheitsabstand“ bezeichnet.38 In der weit verbreitete charakteristische Porticus- hessischen Wetterau wurde ein Siedlungsab- villa mit Eckrisalit nicht nachgewiesen. Die stand von 1,8 bis 2 km zum Limes beobach- verschiedenen größeren, meist ungeglieder- tet und als „zivilfreie Zone“ angesprochen.39 ten Gebäude deuten auf eine landwirtschaft-

27 Schumacher, Besiedelung 151 Nr. 20. – Wagner, Fund- Abbildung wieder, vgl. Becker, Limesmauer Osterburken 94 stätten 403. – Schumacher, Meierhöfe 42 Nr. 5. Abb. 3,3. 28 Schumacher, Besiedelung 151 Nr. 22. – Wagner, Fund- 31 So Wagner, Fundstätten 428. – Nach Schumacher, stätten 428. Meierhöfe 42 Nr. 9 wurde dort keine Untersuchung vorge- 29 Tilman Kaiser stellte dankenswerterweise die Aufnahmen nommen. zur Verfügung. 32 Begehung Verf. 30 ORL A, Probeheft 24. – Andere Maße wurden von Fabricius 33 Aufnahmen O. Braasch im Sommer 2001. in der offiziellen ORL-Ausgabe von 1933 (ORL A Str. 7 –9) 34 Begehungen Verf. Auch im nördlich angrenzenden Wald publiziert. Dort ist auf Seite 90 Folgendes zu lesen: „Nach waren keine Strukturen erkennbar. Schumacher ist es ein Mauerviereck von 27,65 × 15,05 m, 35 D. Planck, Archäologische Ausgrabungen 1974, 40 ff. – die Langseiten parallel zum Limes. Nur die Fundamente Allgemein zu Kleinkastellen vgl. Fleer, Typisierung 75 ff. sind bis 60 cm Höhe erhalten. Die Mauer war 1,3 m dick 36 Badische Fundberichte II, 1929/1933, 61. – ORL A Str. 7 –9, und an den Ecken anscheinend durch 1,3 m ausspringende 113. – Zuletzt Hüssen, Besiedlung 301 Nr. 447. Stützpfeiler verstärkt. Eine Wegestückung vor der Mitte der 37 ORL A Str. 7 –9, 113. Ostseite lässt hier den Eingang vermuten. Im Innern fanden 38 Hüssen, Besiedlung 122 mit Beilage 5. sich keine Trennungswände.“ – Mit diesen Maßen und 39 Lindenthal, Zivilfreie Zone 93ff. bes. 95. Stützpfeilern an allen Seiten gibt Th. Becker den Befund als 40 Schumacher, Meierhöfe im Limesgebiet 1 ff. 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 118

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Abb. 13 Großeicholz- heim (Gemeinde Seck- ach), Gewann „Kißlich“. Blick von Osten auf den 1994 untersuchten Kalk- brennofen.

liche Nutzung der jeweiligen Anlage hin. gegeben. Möglicherweise ist der am Übergang Letztendlich kann aufgrund der derzeitigen vom Muschelkalk zum Buntsandstein (Abb. 3) Kenntnisse kaum eine klare Ansprache gege- gelegene Kalkbrennofen (Abb. 13) auf der ben werden. Ebenso kann die interessante Gemarkung von Großeicholzheim im Gewann Frage nach der jeweiligen Betriebsgröße bis- „Kißlich“ Teil der römischen Infrastruktur, lang nur Spekulation bleiben. Hier bedarf wenngleich kein datierendes Fundmaterial es weiterer Beobachtungen und Untersu- vorliegt.43 chungen. Interessanterweise finden sich bisher in Wie intensiv die landwirtschaftliche diesem Gebiet keine Fundstücke mit einem Nutzung ehemals war, entzieht sich noch kultischen Kontext, wie dies beispielsweise durch unserer Kenntnis. Wahrscheinlich wurden die Jupitergigantensäule von Diedesheim die im Osterburkener Benefiziarier-Weihe- (Stadt Mosbach), westlich des Odenwaldli- bezirk geborgenen Getreidearten wie Dinkel, mes gelegen, für eine villa rustica belegt ist.44 Gerste und Weizen auch in dieser Region Zwischen den Limites ist im Neckar- angebaut.41 Bedarf war in der Grenzregion Odenwald-Kreis bislang ein Brandgrab bei mehr als vorhanden. Großeicholzheim (Abb. 1) belegt.45 Dieses Hinweise auf handwerkliche Nutzungen scheinbar nur mit Keramik ausgestattete ist einmal durch den Fund eines Löffelboh- Grab liegt fast im Zentrum des besiedelten rers,42 ein Werkzeug zur Holzbearbeitung, Gebietes. Das größere Gräberfeld nördlich

41 Fröschle, Botanische Untersuchung 324 ff. – Schallmayer, 47 Schumacher, Besiedelung 151 Nr. 25. – CIL XIII 6496; Römerzeit 59. 6497. – Wagner, Fundstätten 399 ff. 42 Fundberichte aus Baden-Württemberg 12, 1987, 558 Taf. 48 R. Wiegels, Fundberichte aus Baden-Württemberg 13, 41 B. 1988, 718. 43 Unpubliziert, Ausgrabung RP Karlsruhe. 49 CIL XIII 6496. – Wagner, Fundstätten 401 f. 44 E. Schallmayer, in: Denkmalpflege in Baden-Württem- 50 CIL XIII 11753. – Wagner, Fundstätten 394 f. – Badische berg 4, 1986, 137 ff. Fundberichte 21, 1958, 259. 45 Fundberichte aus Baden-Württemberg 5, 1980, 238; 240. 51 Schumacher, Heerstraßen bes. 95 ff. 46 Gaubatz-Sattler u. Seidenspinner, Osterburken 34. 52 Wagner, Fundstätten S. III, Blatt II. 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 119

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von Osterburken gehört zum Vicus Osterbur- der Kirche in Oberschefflenz (Gemeinde ken.46 1883 wurden in Waldmühlbach Schefflenz, Abb. 1) vermauert, sodass der (Gemeinde Billigheim), im südlichen Kreis- Genannte durch den sekundären Fundort lei- gebiet gelegen (Abb. 1), unter den Bruchstei- der keinem bestimmten Siedlungsplatz zuge- nen der abgebrochenen alten Kirche mehrere ordnet werden kann. Bild- und Inschriftensteine geborgen.47 Ein Über das antike Verkehrsnetz, wie Stra- Reliefstein aus Buntsandstein mit noch ßen und Wasserwege, liegen aus jüngster Zeit erhaltener Farbgebung ist Teil einer Toten- keine weiterführenden mahlszene (Abb. 14) und gehörte zu einem Untersuchungen vor. Schu- großen Grabdenkmal, dessen ursprünglicher macher hat sich in den Aufstellungsort durch die sekundäre Verwen- 1890er-Jahren mit dem dung nicht bekannt ist. Die Monumentalität römischen Straßensystem des Grabdenkmals48 lässt eine gewisse Pros- in dieser Region beschäf- perität in der hiesigen Landschaft erahnen. tigt. Er hat seine Ergeb- Unter den Waldmühlbacher Fundstücken nisse 1933 in einem ORL- war auch ein Grabsteinfragment, das auf Band vorgelegt.51 Im einen aus Cappadocia (Türkei) stammenden Wesentlichen wurde Händler hinweist.49 Welche Waren er verhan- seine Kartierung bereits delte, ist auf der Inschrift nicht zu lesen. Wo 1911 in Wagners zwei- sein Handelszentrum zu suchen ist, bleibt tem Band der Fundstät- derzeit noch unbekannt. ten und Funde im Groß- Mit Gimillius Januarius ist durch einen herzogtum Baden Votivstein für Fortuna50 (Abb. 15) nament- vorgelegt (Abb. 1).52 Die lich ein Bewohner mit keltischem Namens- eindeutige Datierung gut für das Jahr 193 n. Chr. in dieser Region dieser Altstraßen harrt überliefert. Der Votivstein ist heute noch an neuerlicher Untersu- chungen. Zusammenfassend zeichnen sich derzeit zwischen den Limites im Neckar-Odenwald- Kreis (Abb. 3) manche Berei- che dichter mit villae rusticae besiedelt, Abb. 14 Reliefstein aus schwerpunktmäßig zum Vorderen Limes hin Waldmühlbach orientiert, ab. Zwar sind nur von wenigen (Gemeinde Billigheim) Plätzen vollständigere Grundrisse bekannt, mit der Darstellung doch deutet sich eine variantenreiche Bebau- eines Totenmahls. ung an. Nach dem vorliegenden Fundmate- rial scheint die Besiedlung alsbald nach der Limesvorverlegung begonnen und wenigs- tens bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts gewährt zu haben.

Dr. Anita Gaubatz-Sattler Regierungspräsidium Karlsruhe Abb. 15 Votivstein für Referat 25 – Archäologische Denkmalpflege Fortuna an der Katholi- Moltkestraße 74, 76133 Karlsruhe schen Kirche in Ober- E-Mail: [email protected] schefflenz (Gemeinde Seckach) verbaut. 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 120

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Literaturverzeichnis: HÜSSEN, Besiedlung u. Landwirtschaft C.-M. Hüssen, Die ländliche Besiedlung und ALTERTHUMS-VEREIN BUCHEN, Landwirtschaft Obergermaniens zwischen Jahresbericht 1863 Limes, unterem Neckar, Rhein und Donau Alterthums-Verein zu Buchen, Jahresbericht während der Kaiserzeit. In: H. Bender u. H. pro 1863, 1 –4. Wolff (Hrsg.), Ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in den Rhein-Donau-Provin- ALTERTHUMSVEREIN BUCHEN, zen des Römischen Reiches. Passauer Univer- Bericht 1864 –1866 sitätsschriften zur Archäologie 2 (Espelcamp Alterthumsverein zu Buchen, Bericht über 1994) 255 –265. dessen Thätigkeit in den Jahren 1864 –1866, o. S. LINDENTHAL, Zivilfreie Zone J. Lindenthal, Eine zivilfreie Zone am Wetter - BECKER, Limesmauer Osterburken aulimes. In: E. Schallmayer (Hrsg.), LIMES Th. Becker, Von zwei Seiten betrachtet – IMPERII ROMANI. Saalburg-Schriften 6, Überlegungen zur Limesmauer zwischen 2004, 93 –96. Osterburken und Jagsthausen an der Strecke 8. In: A. Thiel (Hrsg.), Forschungen zur Funk- ORL A Probeheft tion des Limes. Beiträge zum Welterbe Limes K. Schumacher, Probeheft aus Abt. A: Strecke 2 (Stuttgart 2007) 91 –105. Hönehaus-Tolnaishof. ORL Abt. A (Heidel- berg 1897) 1 –30. FLEER, Typisierung Chr. Fleer, Typisierung und Funktion der ORL A Str. 7 –9 Kleinbauten am Limes. In: E. Schallmayer E. Fabricius, Der Obergermanische Limes von (Hrsg.), LIMES IMPERII ROMANI. Saalburg- Miltenberg am Main bis zum Haghof bei Schriften 6, 2004, 75 –92. Welzheim. ORL A IV Strecke 7 –9 (Berlin, Leipzig 1931/1933) 1 –224. FRÖSCHLE, Botanische Untersuchung B. Fröschle, Botanische Untersuchung römer- ORL B 40 Osterburken zeitlicher Pflanzenreste aus der archäologi- K. Schumacher, Das Kastell Osterburken. schen Ausgrabung in Osterburken. In: Der ORL B 40 (Berlin, Leipzig 1895). römische Weihebezirk von Osterburken II. Forschungen und Berichte zur Vor- und REINHARD, Geologischer Bau Frühgeschichte in Baden-Württemberg 49 E. Reinhard, Geologischer Bau. In: Kreisbe- (Stuttgart 1994) 319 –397. schreibungen des Landes Baden-Württem- berg: Der Neckar-Odenwald-Kreis 1 (Sigma- GAUBATZ-SATTLER U. SEIDENSPINNER, ringen 1992) 9 –19. Osterburken A. Gaubatz-Sattler u. W. Seidenspinner, REINHARD, Klima Osterburken. Archäologischer Stadtkataster E. Reinhard, Klima und Böden. In: Kreisbe- Baden-Württemberg 16 (Stuttgart 2001). schreibungen des Landes Baden-Württem- berg: Der Neckar-Odenwald-Kreis 1 (Sigma- HÜSSEN, Besiedlung Heilbronn ringen 1992) 30 –34. C.-M. Hüssen, Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Forschungen und SCHALLMAYER, Römerzeit Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in E. Schallmayer, Römerzeit. In: Kreisbeschrei- Baden-Württemberg 78 (Stuttgart 2000). bungen des Landes Baden-Württemberg: Der Neckar-Odenwald-Kreis 1 (Sigmaringen 1992) 45 –64. 110-121 Limes_Bd3_Gaubatz-Sattler_korr_JU 17.08.2008 15:49 Uhr Seite 121

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SCHALLMAYER, Walldürn WAGNER, Fundstätten E. Schallmayer, Der römische Kastellort von E. Wagner, Fundstätten und Funde aus vor- Walldürn. In: P. Assion (Hrsg.), 1200 Jahre geschichtlicher, römischer und alamannisch- Walldürn (Walldürn 1995) 17 –84. fränkischer Zeit im Großherzogtum Baden. Band 2 (Tübingen 1911). SCHUMACHER, Besiedelung K. Schumacher, Die Besiedelung des Oden- WILHELMI, Jahresbericht waldes und Baulandes in vorrömischer und K. Wilhelmi, Jahresbericht der Sinsheimer römischer Zeit. Neue Heidelberger Jahrbü- Gesellschaft zur Erforschung der vaterländi- cher 7, 1897, 138 –160. schen Denkmahle der Vorzeit 7, 1840.

SCHUMACHER, Meierhöfe K. Schumacher, Römische Meierhöfe in der Abbildungsnachweis: Umgebung von Buchen. Der Wartturm 4, 1929, Nr. 9, 41 –44. Abb. 1, 14 Nach Wagner, Fundstätten; Abb. 2, 6, 10, 12 Regierungspräsidium Stutt- SCHUMACHER, Meierhöfe im Limesgebiet gart, Landesamt für Denkmalpflege, Luftbild- K. Schumacher, Römische Meierhöfe im archiv, Fotos O. Braasch und R. Gensheimer; Limesgebiet. Westdeutsche Zeitschrift 15, Abb. 3 Nach Schallmayer, Römerzeit; Abb. 11 1896, 1 –17. T. Kaiser; Abb. 15 Regierungspräsidium Stuttgart, Landesamt für Denkmalpflege, SCHUMACHER, Heerstraßen Foto J. Obmann; sonst: Regierungspräsidium K. Schumacher, Die römischen Heerstraßen Karlsruhe, Referat 25 Denkmalpflege. zwischen Main und Neckar. ORL A III (Berlin, Leipzig 72 –102. 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 122

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DAS WELZHEIMER ALENLAGER. VORBERICHT ZU DEN GRABUNGEN IM WESTKASTELL 2005/2006 Von Klaus Kortüm

elzheim gehört zu den interessantes- das Ostkastell einigermaßen Wten Militärstandorten am Obergerma- unterrichtet sind3, fehlen bis nisch-Raetischen Limes.1 Mit dem 4,3 ha gro- heute vergleichbare Untersu- ßen Alenlager2 im Westen und dem vor die chungen im Hauptlager des Flucht der Sperranlagen vorgeschobenen, Ortes. In den Jahren nach seiner 1,6ha großen Numeruskastell im Osten sind Entdeckung 1895 wurde das hier gleich zwei außergewöhnliche Anlagen Westkastell nach und nach vorhanden. Zusammen beherbergten sie eine überbaut. Erst ab 1980 fanden der schlagkräftigsten Besatzungen der gesam- dabei kleinere Notgrabungen ten obergermanischen Grenze (Abb. 1, 2). statt, die vor allem Aufschlüsse Während wir dank gezielter Ausgrabun- zur Umwehrung des Kastells erbracht haben.4 Abb. 1 Welzheim aus gen und geophysikalischer Messungen über Die Erweiterung einer Produktionshalle der Luft. Im Hintergrund das Ostkastell, vorne der Bereich des West- kastells mit dem Gra- bungsareal 2005/2006.

Abb. 2 Lage der beiden Welzheimer Kastelle und Ausdehnung des Vicus. Die Pfeile deuten die Flucht des Limes an.

1 ORL B Nr. 45 u. 45a. – ORL A, Str. 7 –9, 190 –193. – Planck, 4 Südosteck: Planck, Ausgrabungen. – Südseite: Planck, Geschichte. – Heiligmann, Welzheim. – Kemkes/Scheuer- Untersuchungen.; Thiel, Wehrtürme. – Nordseite: Fundber. brandt, Patrouille 14; 101 f. – Planck, Welzheim 364 f., 368. Schwaben N.F. 13, 1952/54, 74 f. Fundber. Baden- – Sommer, Welzheim. Württemberg 17/2, 1992, 157. – Principia: Fundber. 2 Zur ala I Scubulorum als wahrscheinlicher Besatzung Jae, Baden-Württemberg 9, 1984, 713 –715; Fundber. Schwaben Dislokation 14 f. Vgl. M. Luik; Fundber. Baden-Württem- 20, 1912, 52. – Praetentura: Grabungen 1997 durch R. berg 20, 1995, 720 –724; Reuter, Kommandeure 286 f. Krause, unveröffentlicht. – Ortsakten der archäologischen 3 Zuletzt Kortüm, Ostkastell. Denkmalpflege. 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 124

124 NEUE FORSCHUNGEN AM LIMES

Abb. 3 Übersichtsplan führte nun zum Verlust der größten noch len angetroffen werden. Auch von den Stein- zu den Ausgrabungen zusammenhängenden Freifläche im Westkas- bauten waren höchstens ein bis zwei gesetzte 2005/2006 im Westkas- tell. Zuvor war immerhin eine planmäßige Lagen vorhanden, wenn man sie nicht bis tell. Rettungsgrabung möglich.5 auf die Rollierungen ausgebrochen hatte. Der Die ca. 4000 m2 große Grabungsfläche Untergrund ist ein helltoniger, wenig wasser- zwischen der heutigen Schorndorfer Straße durchlässiger Verwitterungslehm, der nach und der Bahnhofstraße erschließt einen ca. knapp 1 m in den hellockergelben Liassand- 100 m langen Streifen des rückwärtigen Kas- stein übergeht und jedem Eingrabungsver- tellareals, der von der porta decumana bis zu such größeren Widerstand entgegensetzt. den principia reicht. Darin wurden neben Das Gelände fällt nach Südosten sanft um den genannten Steinbaubefunden zahlreiche knapp 3 m ab. archäologische Befunde angetroffen, die größtenteils von hölzernen Mannschafts- Umwehrung baracken herrühren. Am westlichen Rand des Grabungsareals Die antiken Befunde waren unter einer konnte die Westseite der Kastellumwehrung mächtigen Schicht Gartenerde relativ gut auf einer Länge von ca. 30 m erfasst werden erhalten. Die römische Oberfläche selbst (Abb. 3, 12). Die Wehrmauer, die auf einem konnte allerdings nur noch an wenigen Stel- ca. 2 m breiten und 0,7 m tiefen Fundament ruhte, war bis zu 1,6 m breit. Der dahinter 5 Die Grabungen dauerten von Juni 2005 bis Oktober liegende ca. 5 m breite Erdwall gab sich 2006. Sie wurden betreut von R. Krause und nach dessen Weggang Anf. 2006 vom Verf. Die örtliche Leitung hatte durch eine knapp 0,2 m dicke Lehmpackung Grabungstechnikerin M. Dauner, fachlich unterstützt von zu erkennen. Darin waren holzkohlige Strei- A. Gram M.A. Beiden Projektmitarbeiterinnen gilt mein ausdrücklicher Dank für ihren engagierten und kompeten- fen auszumachen, wohl Überreste derselben ten Einsatz. Eine Co-Finanzierung übernahm die Christian Bauer KG. Außerdem danken wir dem Landratsamt des hölzernen Unterlage, die bei Ausgrabungen Rems-Murr-Kreises sowie der ARGE , die zusam- am Südosteck des Kastells in weit besserer men mit der Stadt Welzheim eine Hartz IV-Arbeitsmaß- 6 nahme organisiert hat. Vorberichte: Krause/Gram, Ausgra- Erhaltung angetroffen wurde. bungen. – Kortüm, Westkastell. Zwischen Wall und Innenbebauung ver- 6 Planck, Grabungen 180; Sommer, Welzheim 417 Abb. 470. Vgl. auch Thiel, Wehrtürme 94. blieben nur ca. 5 bis 6 m für die Lagerring- 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 125

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straße. Einziger direkter Hinweis ist ein Gelände hier sanft ansteigt und damit für Abwassergräbchen 3 bis 4 m hinter dem Wall. einen potenziellen Angreifer besonders inte- Zusätzlich eingeengt wurde der Straßenraum ressant war (Abb. 2, 13).10 von Eingrabungen, darunter zwei holzver- Trotz sorgfältiger Nachsuche gelang es schalte Kastengruben (Zisternen?), die z. T. nicht, eine Vorgängerphase der Steinumweh- in den Wallfuß eingegriffen haben und max. rung nachzuweisen. Dies war eine Überra- 1m unter die antike Oberfläche reichten. schung, da bei anderen Kastellen am vorde- Andere Mulden, die z. T. unter dem Abwasser - ren Limes, bei denen größere Grabungen graben lagen, dürften von früheren Versuchen durchgeführt wurden, durchaus Holzvorläu- stammen, die Wegezone trocken zu halten. fer bekannt sind.11 Auch für das Westkastell Am südlichen Ende des Umwehrungs- waren bereits einmal mögliche Spuren eines abschnitts lag der nördliche Torturm des Vorgängers vermeldet worden.12 Es handelte rückwärtigen Kastelltores.7 Er war 4 × 4,5 m sich dabei um eine Pfostenreihe, die ca. 1,8m groß und ruhte auf ca. 1 m breiten Funda- innerhalb der südlichen Kastellmauer verlief menten, lediglich die Frontseite war mit und als hölzerne Vorderfront der ersten Um - 1,5m massiver ausgeführt. Ein kleiner Vor- wehrung interpretiert worden war (Abb. 13, sprung im Süden zeigte die Position der höl- Grbg. 1989). Vergleichbare Pfosten konnten zernen Torkonstruktion an. Die Nordseite aber bisher an keiner weiteren Stelle beob- des Turms war bereits bei den Sondagen des achtet werden, sodass dieser Befund als Beleg 19. Jahrhunderts entdeckt worden. Man für einen Holzvorgänger wohl ausscheiden hatte sie damals jedoch für die Südseite muss. Da der Nachweis von hölzernen Front- gehalten, sodass im bisherigen Kastellplan versteifungen im Fall späterer Überformungen ein 18 m breites Tor wie bei der porta praetoria sehr diffizil sein kann, ist das Fehlen eindeu- eingetragen ist.8 Da der zweite Torturm bis- tiger Anzeichen im Bereich der Wehrmauer her nicht lokalisiert ist, lässt sich die Breite jedoch kein zwingendes Argument. Anders der porta decumana nicht exakt angeben. verhält es sich bei den Tortürmen, die meist Spiegelt man den ausgegrabenen Teil des auch noch unter späteren Steintürmen erhal- Tores an der Mittelachse des Lagers, müsste ten sind. Daher hat der negative Befund an die Breite bei ca. 13m gelegen haben, mit der porta decumana ein besonders Gewicht. einer lichten Weite von 5 bis 6 m. Damit Allenfalls die Tatsache, dass nur ein kleiner wäre das rückwärtige Lagertor vermutlich Ausschnitt des Torbereichs untersucht wer- zwar kleiner als die übrigen Tore, hätte aber den konnte, gemahnt zur Vorsicht.13 dennoch eine doppelte Durchfahrt besessen (Abb. 12, 13).9 7 Kortüm, Welzheim Abb. 104 Abb. 80. 8 Dieses ist als bisher einziges Tor komplett freigelegt wor- Die Kastellgräben waren vor dem Tor den. Vgl. ORL B 45 u. 45a, 4; Taf. II. nicht unterbrochen, denn vor der Einfahrt 9 Eine Geländekante, die etwa am Südrand der heutigen Grabungsfläche verläuft, könnte die Führung der via decu- haben wir eine schräg abfallende steinver- mana und damit die Lage des Tores beeinflusst haben, sodass eine mittige Position nicht zwingend vorausgesetzt füllte Eingrabung angeschnitten, bei der es werden kann (vgl. ORL B 45 u. 45a, Taf. 2). sich um den Rand des inneren Kastellgrabens 10 Nichts spricht meines Erachtens gegen ein gleichzeitiges, konzentrisches Grabensystem. Andere Einschätzung bei handeln dürfte. Denselben Graben hatten Planck, Untersuchungen 126; Planck, Welzheim 368; bereits die Untersuchungen im Auftrag der Heiligmann, Welzheim 26. 11 Beckmann, Miltenberg 27 ff. – Planck, Römer 2005, 203 RLK festgestellt und man war der Meinung, (Mainhardt); 218 (); 261 (Rainau-Buch), 236 f. dass vor dem Lager überhaupt nur dieser (Öhringen). Keine Nachweise bei den Grabungen in Milten- berg-Ost und Böbingen. eine Graben ausgehoben worden sei. Da die 12 Planck, Untersuchungen 126; Planck Römer 368 f. Aufge- griffen und als Indiz für die frühere Entstehung des West- späteren Grabungen auf der Kastellsüdseite kastells gegenüber dem Ostkastell gewertet von Kortüm, jedoch drei Spitzgräben ergeben haben, die Ostkastell 262. Diese Argumentation ist demnach hinfällig. 13 Wegen der schwierigen Erkennbarkeit von frühen Eingra- bis zu 30 m von der Mauer entfernt lagen, bungen wurden im Torbereich mehrere Plana angelegt. wird man auch auf der Westseite mit mehre- Auch die Turmfundamente sind komplett abgeräumt worden. Die Wehrmauer blieb dagegen zwecks späterer Konservie- ren Gräben rechnen dürfen, zumal das rung erhalten. 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 126

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Abb. 4 Blick auf den Grabungsbereich hinter dem Wall mit den Resten der Brandschuttplanie.

Principia Vom Oberboden, der auf ca. 0,5 m hohen Im Osten der Grabungsfläche konnte ein Sandsteinpfeilern ruhte, war nichts erhalten. größerer Ausschnitt der principia freigelegt Die Unterlage aus gestampftem Lehm zeigte werden. Es handelt sich um das rechte, Flugasche, die von einem zentralen Schürka- hintere Viertel des Gesamtkomplexes, der nal im Süden ausging. Bei einem Umbau hat – nimmt man die Untersuchungen vom Ende man das praefurnium an das Südwesteck ver- des 19. Jahrhunderts zu Hilfe – eine Ausdeh- legt. Es wies wenig Hitzeeinwirkung auf. nung von ca. 60 × 50 m besessen hat. Dazu Auch dürfte es zum Schluss nicht mehr kommt eine ca. 16 × 69 m große Vorhalle. benutzt worden sein, denn eine Sandstein- Nach den neuen Untersuchungen spolie, die zuvor vielleicht Teil einer der bestand der nördliche Flügel der rückwärtigen Seitenwangen war, blockierte das südliche Raumzeile aus drei quadratischen, jeweils ca. Ende des Schürkanals. 25 m2 großen Raumeinheiten. Der im Eck Spätestens bei der Verlegung des praefur- gelegene Raum wies eine Fußbodenheizung nium hat man offenbar auch die Trennmauer auf. Sie war nachträglich eingebaut. Dazu zum nächsten Raum niedergelegt und statt- Abb. 5 Nördliche Räume hatte man einen Teil des Raumes mit schma- dessen eine schmalere Fachwerkwand einge- in den principia. len Trockenmauern abgetrennt (Abb. 5). zogen, deren Unterlage im Westen auf dem alten Fundamentrest ruhte.14 Auf eine wei- tere Zwischenwand deutet ein Fundament- graben westlich des Hypokaustums, der die Flucht von dessen Südseite aufgreift. Dem- nach dürfte ein Korridor über die Heizkanäle der Präfurnien hinweg geführt haben. Auf dem Boden der länglichen Kammer neben dem Hypokaustum lag eine dünne Brand- schicht. Darauf folgte der Ruinenschutt.

14 Leider verhinderten tief reichende Störungen gerade im Bereich der Trennwand eine zweifelsfreie Klärung der Bau- befunde. 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 127

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Im Nordwesteck des zweiten Raumes ist aus Stubensandstein lag, nach unten (Abb. 6). ein kleinteiliges Steinpflaster erhalten (Abb. 5). Bei dem Trittstein handelte es sich um ein Daneben lag eine flache Grube mit brandig- Eckgesims, das als Treppenstufe zweckent- aschiger Verfüllung.15 Unmittelbar östlich fremdet worden war. Auch das erhaltene Tür- der Steinunterlage schloss sich ein ebenfalls gewände passte nicht exakt zur Schwelle. stark holzkohliger Bereich an, vielleicht ein Vielleicht erfolgte der Zugang zum Keller verbrannter Holzboden. Die von der Außen- ursprünglich von Osten. Indiz dafür könnte mauer wegziehende pflasterartige Steinkon- sein, dass die Unterkante der Nordwand des zentration vor dem Südwesteck des Raumes Kellers dort, wo sie mit der inneren Treppen- möchte ich als Indiz für einen Hinterausgang wange zusammentrifft, nach oben zieht, wie deuten. man es bei einer dort ehemals ansetzenden Der dritte Raum wies keine erkennbaren Einbauten auf. Im Schutz der Außenmauer hatte sich auch hier eine Brandschicht erhal- ten.16 An den Seitenflügel schloss im Süden das mit verstärkten Fundamenten versehene Lagerheiligtum an. Seine Apsis besaß einen Außendurchmesser von ca. 8 m. Der vordere Abschluss war gegenüber den anderen Räu- men leicht zurückversetzt. Davor dürfte eine Holztreppe gelegen haben. Der Nutzungsbe- reich muss sich auf einem deutlich erhöhten Niveau befunden haben, wie die geringe Abtiefung des darunter liegenden Kellers ver- deutlicht.17 Direkt nachgewiesen ist die Treppe nicht, drei Pfostengruben in der seit- lichen Verlängerung darf man jedoch viel- leicht als seitliche Abschrankung der Zugangssituation deuten. Der nicht ganz mittig im Raum ange- Rampe erwarten würde. Eine andere Beson- Abb. 6 Die Überreste legte Keller besaß eine Innengröße von ca. derheit war eine große Steinplatte, die in die des Sacellumkellers in 4,5 × 2,5 m. Sein Zugang wurde mehrmals Südseite integriert worden war, als ob darauf den principia. umgestaltet. Zuletzt ging man über eine eine besondere Konstruktion oder Last kurze, quer geführte Holztreppe und einen gestanden hätte (Abb. 6).18 mächtigen Trittstein, der auf der Türschwelle Im ORL ist der Keller aufgrund seines andersartigen Mauerwerks als nachträgliche 15 Nach der Originalbeschreibung reichte die Grube unter das Pflaster. Das war aber offensichtlich nur randlich der Zutat angesprochen worden. Da wir aber Fall. Das Fehlen der Steine gerade über der Grubenmitte kein aufgehendes Mauerwerk der principia spricht gegen eine ehemalige Überdeckung. Die anschlie- ßenden Brandreste schienen bruchlos in die Muldenverfül- kennen, sind Unterschiede zum Sichtmauer- lung überzugehen. werk im Keller nicht verlässlich zu inter- 16 Auf den ersten Blick spricht die relativ tiefe Lage der Brandreste in den Räumen für eine Zuordnung zu einer pretieren. In der Tat könnte aber zunächst Vorgängerphase. Wenn man jedoch z. B. mit herunter lediglich ein niedriger Verschlag zur Aufbe- gebrochenen, schwebenden Holzböden rechnet, passt das tatsächliche Laufniveau zur Mauerkonstruktion. wahrung der Lagerkasse gedient haben. In 17 Kellerboden 501,1 m üNN, Böden in den Räumen dane- ben stufenförmig ansteigend 502,3, 502,45 und 502,7 m Stuttgart-Bad Cannstatt, dem Vorläuferkastell üNN. OK Hypokaustsäulen 502,65 m üNN. von Welzheim, hat es tatsächlich nur einen 18 Bei der Erstuntersuchung war der Keller noch vollständi- 19 ger erhalten, u. a. konnte ein Abwasserkanal im Bereich der „Kniekeller“ unter dem sacellum gegeben. heutigen linearen Störung festgestellt werden. ORL B 45 u. Betrachtet man die dortige Konstruktion, 45a, 5 Taf. IV,1. 19 ORL B 59, Cannstatt, 8; Taf. II. so ist man geneigt eine Mauerfuge in der 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 128

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Abb. 7 Gesamtplan der Mauerreste in der Halle der principia nach den Untersuchungen 2005 und 2006 (Abb. genor- det).

Welzheimer Frontmauer des sacellum als Vor der rückwärtigen Raumzeile lag die Abb. 8 Das Blockfunda- mögliches Indiz für einen ursprünglich eben- mächtige, 14 m breite Querhalle, die ohne ment A/B. Dahinter der erdigen Zugang zu werten. Die Verfüllung Zwischenstützen überdacht war. Sie besaß in noch nicht abgeräumte des Kellers enthielt außer Steinbauschutt so der Mitte der Ostseite ein breites Tor, das in Steinschutt mit der gut wie keine Funde. Erwähnenswert sind den Innenhof der Anlage führte. Einen Sei- Fundstelle des Metall- lediglich einige Fragmente von großformati- teneingang gab es an der nördlichen Schmal- depots (Kreis). gen Bronzeskulpturen.20 seite nahe der Nordwestecke. Das Hauptpor- tal war rechts und links durch integrierte Pfeiler betont. Verbreiterungen an den vor- deren Ecken des Fahnenheiligtums bezeugen weitere Stützen. Dies deutet auf eine archi- tektonische Überhöhung der zentralen Gebäudeachse. Die nördliche Schmalseite der Halle wies eine rechteckige, nach außen vorspringende Erweiterung auf (vgl. Abb. 10). Hier würde man zunächst das Tribunal vermuten. In Welzheim haben wir jedoch eine ca. 0,5 m tiefe, muldenförmige Eingrabung angetrof- fen. Zusammen mit einer von Nordosten kommenden länglichen Verfärbung – eine mögliche Wasserleitung, die seitlich in das

20 Kortüm, Westkastell 103 Abb. 79. Bereits unsere Vorläu- fer hatten im Keller zwei dünne, ca. 6 cm lange Bronzeflü- gelchen gefunden: ORL B 45 u. 45a, 5 Taf. IV, 2.3. Vgl. Kem- kes/Scheuerbrandt/Willburger, Limes 198 Abb. 227 (Aalen). 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 129

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Mauerwerk der exedra einmündete – lässt Podeste findet man allerdings eher in den sich der Befund vielleicht als Wasserbecken Sichtachsen neben dem sacellum oder im Hof eines Nymphäums deuten.21 Da die Zulei- des Stabsgebäudes.23 Bei dem Blockfunda- tung über früheren Befunden lag und die ment sollte man auch an das Tribunal den- Verfüllung der Mulde aus Bauschutt bestand, ken, das in der Spätzeit – wenn die obige gehört der Befund sicher erst in die spätere Deutung zutrifft – nicht mehr in der Exedra Nutzungszeit des Gebäudes.22 Im nordöstlichen Teil der basilica hatten sich unter einem Hügel aus Ruinenschutt verschiedene Binnenstrukturen der Halle erhalten (Abb. 7, 8). Diese waren nur wenig in den anstehenden Lehm eingetieft und kaum vom Schutt zu unterscheiden. Am deutlichsten war ein quadratischer Funda- mentblock zu erkennen, der in einen nördli- chen [a] und einen südlichen Teil [b] zerfällt, Letzteres möglicherweise eine Erweiterung. Auf den Block läuft von Norden eine dop- pelte Lage flacher Steine zu, vielleicht ein Streifenfundament [c]. Zwischen diesem und der Hallenmauer lagen zwei weitere Steinrei- hen mit Kanten nach Westen [d, e]. Dazu gehören eine nach Süden abschließende Mauerkante [f] und mögliche Querriegel. Der 0,8 m breite Bereich zwischen der Hallen- mauer und der Mauerkante [e] scheint mit Steinen aufgefüllt gewesen zu sein. Ob das auch für den Zwischenraum bis zur immer- hin 2,5 m entfernten zweiten Mauerkante [d] zutraf, konnte nicht geklärt werden. Im Osten des Blockfundaments meinte man ringför- mige Steinschüttungsstrukturen erkennen zu können, in deren Mitte verziegelter Lehm- boden angetroffen wurde. Die umgebenden Steine wiesen vermehrt Brandspuren auf. untergebracht gewesen sein kann. Ein Teil der Abb. 9 Das Metalldepot Dies führte zu dem Verdacht, dass hier eine Fundamentstreifen könnte aber auch für raum- nach der Restaurierung. späte Feuerstelle gelegen haben könnte. artige Einbauten sprechen, die aber ebenso Auch die Deutung der umgebenden wenig wie die Feuerstelle zu der ursprüngli- Befunde ist schwierig. Am ehesten wird man chen Nutzung der Halle passen würden. an Podeste denken. Der Steinriegel entlang Mit den beschriebenen Befunden steht der Hallenmauer könnten eine Sockelverbrei- ein kleines Metalldepot in Zusammenhang. terung für Weihesteine gewesen sein. Solche Es umfasste vier Teile: einen Bratrost, eine Herdschaufel, einen kleinen Bronzeeimer und den Beschlag eines Holzspatens (Abb. 9). Die 21 Nymphäen scheinen innerhalb der Stabsgebäude eher sel- ten gewesen zu sein. Stoll, Skulpturenausstattung 157 f. 225. Gegenstände wurden kaum beschädigt und 22 Die Pfosten innerhalb der exedra könnten zum Becken eng übereinander liegend zwischen verstürzten gehören oder ein ursprüngliches Tribunal belegen. Vgl. die Pfostengruppe in Aalen bei Planck, Alenkastell 248, Mauersteinen (der Halle?) angetroffen, wohin Abb. 1,3. sie nur nachträglich geraten sein können.24 23 Stoll, Skulpturenausstattung 167 ff. 615 ff. 24 Krause/Gram, Ausgrabungen 131 Abb. 121. Es handelt sich um die späteste archäologisch 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 130

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Abb. 10 In die römischen Ecken frei. Dort wird man sich senkrechte Ruinen gesetztes mittel- Holzpfosten vorstellen dürfen, die mit auf alterliches Gebäude. den Fundamenten liegenden Querhölzern Dahinter die Nordseite verbunden waren. Demnach haben wir es der principia. mit einem turmartig aufragenden Blockbau mit halb eingegrabenem Untergeschoss zu tun. Dessen Zugang erfolgt am Nordosteck, wie geringe Mauerwangenreste anzeigen. Die Funde aus dem Keller datieren ins Spät- mittelalter (13./15. Jahrhundert).27 Im Bereich der basilica wurden insgesamt sieben große Pfostengruben angetroffen. Sie waren länglich-oval, bis zu 1,5 m lang und nachweisbare Aktion im Kastellgelände. Die 1m breit und reichten ca. 1,4 m unter das charakteristische Form des Bronzeeimers – ein römische Laufniveau bis in den felsigen Unter- eher seltener, vor allem im gallisch-germani- grund hinab. Darin standen ca. 0,3 bis 0,4 m schen Raum gefertigter Typus des 3. Jahr- messende Holzständer. Zunächst sind wir hunderts25 – zeigt nämlich, dass das Depot von einem Vorgänger ausgegangen. Trotz sicher noch in antiker Zeit angelegt wurde. intensiver Nachsuche ergaben sich dafür Eine Deutung als Altmetalldepot liegt nahe.26 jedoch nicht genug Bauelemente. Die Pfosten- gruben waren vielmehr unregelmäßig verteilt und suchten die Nähe der Principiamauern. Ein Pfosten fand sich z. B. hinter der Apsis, in einem anderen Fall standen zwei Pfosten ein- mal rechts und einmal links eines Funda- ments. Diese Verteilung lässt meines Erachtens nur den Schluss zu, dass es sich um nach- träglich eingebrachte Stützen zur Aufnahme der Dachlast handelt. Möglicherweise erwies sich der Baugrund als unerwartet instabil. D. Planck hat z. B. Pfostengruben vor der Wehrmauer des Ostkastells mit Versteifungen nach Hangrutschungen infolge Staunässe erklärt.28 Aufgrund ähnlicher Erfahrungen könnte man das Hallendach zusätzlich ver- ankert haben, zumal die Steinfundamente der Halle kaum eingegraben waren. Auch heute noch gilt der Baugrund als langfristig Abb. 11 Überlagerung Die Befunde im nordöstlichen Teil der eher instabil. des Welzheimer Gra- Halle waren durch ein späteres Gebäude Die Pfostengruben waren steril verfüllt, bungsbefundes mit Bau- gestört. Ein quadratisches Mauerrechteck mit was auf einen eher früheren Entstehungszeit- ten in der retentura des einschalig nach innen zeigender Mauerschale punkt hindeuten könnte. Zudem überlagert raetischen Alenlagers hat man ungefähr 1 m tief in den antiken das Mauerfundament [e] neben der Hallen- Pförring. Bauschutt eingegraben (Abb. 10). Als Bauma-

terial wurden römische Handquader wieder- 25 Kellner/Zahlhaas, Tempelschatz 107 –109; Taf. 96 f. verwendet, dazu einige große Sandsteinblöcke 26 Bis auf den Spatenbeschlag würden die Stücke aber auch zum „Inventar“ einer Feuerstelle passen. mit Versatzlöchern, die hochkant in die 27 Für datierende Hinweise danke ich U. Gross, Esslingen. Mauerflucht gestellt worden sind. Interessan- Zu anderen mittelalterlichen Funden im Umfeld der principia vgl. die in Anm. 4 genannte Lit. terweise lassen die Mauerabschnitte die 28 Planck, Ostkastell 11 f. und Beilage 1. 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 131

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Abb. 12 Ergänzter Grabungsplan der Aus- grabungen 2005/2006 im Westkastell.

mauer eine der Pfostengruben (Abb. 3, 7). Es ist das Ganze zu einem breiten, diffusen Rin- wäre aber möglich, dass der eigentliche Pfos- nensystem mutiert, mit einer zusätzlichen, ten in einer Aussparung nach oben geführt ca. 1 m tiefen Sickergrube vor dem Nord- war und (noch) gleichzeitig mit dem Mauer- westeck der principia. Diese Grube – und nur vorbau existiert hätte. diese – war mit Brandschutt verfüllt. Neben den erwähnten Pfostengruben gibt es in den principia noch eine größere Speichergebäude? Zahl kleinerer Gruben, die eher aus späterer Unmittelbar nördlich des Stabsgebäudes lag Zeit zu stammen scheinen, aber kein beson- ein weiterer Steinbau, von dem lediglich eine deres System erkennen lassen. Auffällig ist Mauerecke untersucht werden konnte. Es lediglich eine Gruppe von flachen Eingra- muss sich um eines der bisher unbekannten bungen, die den Zugangsbereich der Halle Mittelgebäude handeln (praetorium, horreum, vom großen Hof aus flankieren (Abb. 3, 12 [z]). fabrica). Auffallend ist der geringe Abstand Beim an die Halle anschließenden zen- zwischen den beiden Gebäuden, besonders tralen Innenhof konnte im Norden der wenn man bedenkt, dass nach den Ergebnis- Ansatz eines ca. 5 m breiten Seitenflügels sen der frühen Schürfungen die Vorhalle an erfasst werden. Ungewöhnlicherweise sprang der Ostseite der principia deutlich breiter dieser um ca. 2 m gegenüber der basilica nach gewesen sein soll als der Kernbau. Demnach außen vor. Das gleiche Phänomen hatten müsste die Vorhalle das Nachbargebäude bereits die frühen Untersuchungen an der tangieren. Dies erinnert an das Kastell Böbin- Südseite des Hofes ergeben. gen, bei dem die Halle mit dem neben den Um die principia herum existierte ein principia liegenden horreum baulich verbun- ausgeklügeltes Entwässerungssystem. Es lässt den war. Im englischen Kastell Wallsend drei Bauzustände erkennen: Ursprünglich überdeckt die Vorhalle sogar den gesamten gab es eine flache Mulde im Nordosten, zu Bereich vor Stabsgebäude und anschließen- der ein schmaler Graben geführt hat, der dem Speicherbau.29 exakt um die Außenfronten herumgeführt war. Bei Umbauten hat man die Linienfüh- 29 ORL B 65, Unter-Böbingen. Taf. I; Hodgson, Wallsend 12 rung des Grabens zunächst begradigt. Später Abb. 10; 181. Vgl. auch ORL B 72, Weißenburg, Taf. II. 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 132

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Mannschaftsbaracken ren Stellen führten nachgebende frühere Ver- Im Grabungsareal zwischen der Umwehrung füllungen oder besondere Fundamentierun- und den steinernen Mittelgebäuden sind an gen dazu, dass streckenweise kurze lineare die 200 grubenartige Eintiefungen angetrof- Strukturen von weiteren Wandfluchten fen worden, darunter elf Keller. Diese kön- erkennbar nen in zwei Größenklassen eingeteilt wer- wurden. den: Sechs Keller waren 4 bis 6 m2 groß (K2, Die Überreste reichen nicht aus um die K5, K8 –11), die übrigen 10 bis 15 m2 (K1, 3, Grundrisse eindeutig zu rekonstruieren. Man 4, 6, 7). Letztere findet man nur im Süden. wird daher versuchen müssen, über auswär- Drei der fünf großen Keller hatten zudem tige Vergleiche weiterzukommen. Grundsätz- quer liegende Eingänge, was auf einen kam- lich ist von mehreren, Nord-Süd orientierten merartigen Zuschnitt der dazugehörigen Gebäuden auszugehen. Die Kellerkonzentra- Räume weist. Unabhängig von ihrer Größe tion im Süden deutet ferner darauf hin, dass dürften die Keller ungefähr Stehhöhe wir es mit Mannschaftsunterkünften zu tun erreicht haben.30 haben, deren Kopfbauten an der via decu- Einige Kastengruben mit Seitenlängen mana lagen. zwischen 1 und 1,8 m und Tiefen zwischen Der hinter den principia zur Verfügung 1,2 und 2 m können als Zisternen (oder stehende Raum von maximal 52 m würde im Latrinen?) angesprochen werden. Sie reihten Vergleich mit den Reiterkastellen von Heiden- sich entlang der via decumana, die selbst heim, Ruffenhofen oder Weißenburg theore- keine Spuren hinterlassen hat. Diese Befunde tisch für zwei Doppelbaracken reichen.32 erinnern an die Brunnen, die im Ostkastell Eine Konfiguration mit zwei Doppelbaracken im Bereich der Lagerringstraße ausgegraben und dazwischen liegender Gasse lässt sich werden konnten. Während diese jedoch jedoch ebenso wenig mit den Befunden in Kontakt mit Wasser führenden Schichten Übereinstimmung bringen wie eine Aufspal- hatten, reichten unsere Befunde nicht so tief.31 tung in drei Baukörper mit mittiger Doppel- Viele der übrigen Gruben dürften als baracke.33 Lediglich über den Kellern K7 –9 „Vorratsgruben“ aufzufassen sein, insbeson- könnte ohne Probleme eine „normale“ Baracke dere wenn senkrechte Wände und ein ebener rekonstruiert werden (Breite des Kopfbaus Boden für die Existenz von hölzernen Ver- 11 bis 12 m, des Mannschafstrakts ca. 9m). schalungen sprechen. Das trifft auf die meis- Ein weiterer Bau stand sicher im Zwi- ten, bis zu 0,8 m tiefen Gruben in der westli- schenraum von principia und zweitem Stein- chen Hälfte zu. Bei den großen, flach gebäude. Darauf deuten vor allem die Aus- einfallenden Mulden, die meist in Gruppen richtung der dortigen Keller K10 und K11. auftraten, wird es sich häufig um Sicker- oder Diese halten zudem denselben Abstand vom Abfallgruben handeln, die der Reinhaltung Stabsgebäude ein wie die Keller K8 und K9 der Gehflächen dienen sollten. Dementspre- westlich der principia. Daher ist es wahr- chend konzentrierten sie sich im unmittelba- ren Umfeld des Stabsgebäudes bzw. im Stra- 30 Die Tiefen schwanken zwischen 1,3 m und 1,7 m unter ßenraum. Eine klare Trennung zwischen den Planum 1. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund des Befundtypen ist aber kaum durchführbar. felsigen Untergrundes die Grabarbeiten ab einer Tiefe von ca. 1 m äußerst mühsam gewesen sein müssen. Aus diesem Über den Kellern und Vorratsgruben Grund haben wir es möglichst vermieden viel mehr als die standen Fachwerkbauten auf Schwellbalken. Verfüllung der Keller herauszunehmen. 31 Eine Kastengrube in identischer Lage im Kastell Kösching Diese hatte man in der Regel nur geringfügig wird vom Ausgräber als Latrine des decurio gedeutet (Hüssen, Kösching 84 mit Abb. 87). Die Welzheimer eingetieft. Sie ließen sich daher lediglich in Befunde ließen Hinweise zur Funktion als Latrine ver- Ausnahmefällen nachweisen, insbesondere missen, deshalb die Ansprache als Zisternen. Die regelmä- ßige Lage bei den äußeren Stirnseiten der Gebäude ist auf- hinter dem Wall, wo sich die Positionen der fallend. Balkenzüge unter einer Brandschuttplanie 32 Vgl. Sommer, Ruffenhofen 127. – Pietsch/Fassbinder/ Fuchs, Tiefenschärfe 100. – Vgl. auch Hüssen, Kösching 84 f. flach abgezeichnet haben (Abb. 4). An ande- 33 Vgl. Kortüm, Welzheim 102 Abb. 77. 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 133

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Abb. 13 Gesamtplan des Westkastells.

scheinlich, dass die Kellerflucht die Außen- racken angesprochene Gebäude, deren Kam- wand des Nebengebäudes markiert. Nach sei- merreihen eine Breite von ca. 22m aufwei- ner Lage entspräche das Gebäude dem Son- sen. Hinzu kommen noch ein bzw. zwei seit- derbau, der vor Kurzem im Kastell Aalen liche Portiken, was eine untersucht werden konnte. Er wird als Werk- Gesamtnutzungsbreite zwischen 27 und statt angesprochen.34 31m ergibt. Die Überlagerung des Pförringer Die Interpretation des restlichen Bau- Plans mit Welzheim zeigt bereits ohne jede grundes mit den Kellern K1 –6 ist vor allem Detailanpassung ein verblüffendes Maß an wegen seiner Breite schwierig. Die West-Ost Übereinstimmungen (Abb. 11).36 Dies gilt Ausdehnung von ca. 28 m übertrifft die der sowohl für die Lage der Außenwände wie der üblichen Doppelbaracken deutlich. Eine Binnengliederung, die in Welzheim entweder Lösung zeichnet sich ab, wenn man die in durch Gräbchen oder Kellerwände erkennbar Welzheim ergrabenen Befunde mit den per wird. Deutlicher als in Pförring ist in Welz- Magnetometermessungen ermittelten Grund- heim die breite, östliche Portikuszone voll- risse im Alenlager Pförring vergleicht.35 ständig in das Gebäude integriert, zumindest Dort lagen in der retentura zwei als Doppelba- im Kopfbau. Die Übereinstimmungen zwi- schen Welzheim und Pförring betreffen aber

34 Zuletzt Scholz, Wirtschaftsbauten 114–118. nicht nur die Doppelbaracke, sondern auch 35 Fassbinder/Sommer/Berghausen, Celeusum mit Abb. die Gesamtkonfiguration einschließlich der 119. 36 Für die Abbildung wurde die vollständigere rechte Hälfte daneben liegenden Einzelbaracke und dem der Pförringer retentura gespiegelt. Eine Überlagerung mit Nebengebäude beim Mittelstreifen. Vor die- der linken Doppelbaracke 7 oder dem Gebäude 12 ergibt jedoch praktisch dieselben Übereinstimmungen. sem Hintergrund lässt sich die Innenbebau- 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 134

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Unterkünfte maximal 72 m zur Verfügung.39 Damit verbleibt genug Platz um im Mann- schaftsteil 12 Contubernien mit einer Breite von ca. 4,3 m unterzubringen. Bei all den Überlegungen ist zu berücksich- tigen, dass die Welzheimer Baracken mindes- tens zwei, möglicherweise sogar drei Baupha- sen besitzen. Stratigrafische Anhaltspunkte, die bei der Zuordnung einzelner Befunde weiterhelfen würden, sind selten und ungleich über die Bauten verteilt. Eindeutig ist der Fall bei der Kastengrube, die in den Holzkeller K3 einschneidet, der am Südrand der Kaserne B lag. Deren Nachfolgebau müsste demnach ein wenig nach Norden verschoben worden sein. Aus diesem Grund wurde vielleicht auch der Abgang des großen Kellers K4 in seiner Abb. 14 Abgebrannter ung der Welzheimer retentura recht zuverläs- zweiten Bauphase um ca. 1 m verlegt, was auf Keller K6 mit verfüllten sig über dem Grabungsbefund rekonstruieren, Gleichzeitigkeit der Maßnahmen deuten Balkengräben. auch wenn im Detail einige Fragen bleiben könnte. Die scheinbare Verdoppelung formal (Abb. 12).37 ähnlicher Gruben im nördlichen Teil der Der beste Anhaltspunkt für die Größe Baracke A/B mag einen leichten West-Ost- der Kopfbauten ist der große Keller K4 in Versatz zwischen den Phasen anzeigen Baracke B. Der Abstand zwischen dem südli- (Abb. 3,12 [v]). Grundlegende Änderungen chen Barackenende und der ersten Quer- hat es aber offensichtlich nicht gegeben. In wand nördlich des Kellers beträgt 20 m. Die- die Verfüllung des Kellers K1 waren Teile selbe Ausdehnung ist bei der Nachbarbaracke einer einfachen Trockenmauerkonstruktion A anzunehmen, denn der Zugang zu Keller nachgesackt. Diese sind wohl dem Wieder- K2 erfolgte sicher nicht vom Mannschafts- aufbau der Baracke A zuzurechnen.40 Dage- trakt aus, wenn der Keller selbst zum Kopf- gen gehört die Steinreihe auf der Ostseite des bau gehört hat, wie es den Anschein hat. Kellers K7 zu dessen Eingangskonstruktion Schwieriger ist die Festlegung bei der Baracke und diente zur Unterstützung der tragenden C. Hier ergäbe sich eine Länge von 10 m, Wand der Baracke C. wenn man den kleinen Keller K8 in Analogie Auch die Kellerverfüllungen sprechen für zu K9 dem Mannschaftstrakt zuordnet. Das eine Mehrphasigkeit: Neben Kellern, die steril ist aber keineswegs zwingend (vgl. K5).38 Bis zur nördlichen Umwehrung stünden für die 39 In den Profilwänden eines Neubaus wurde 1997 etwa in der Verlängerung der Bauten C u. D eine Brandschicht beob- achtet, die man als Fortsetzung unserer Brandreste ansehen 37 Das Hauptproblem bei den Grundrissen ist das Fehlen könnte (Kurze Straße 13, unveröffentlicht). Sie dürfte schät- von einheitlichen Portiken. Dies ist allerdings auch bei den zungsweise bis ca. 12 m an die Wehrmauer gereicht haben, meisten Pförringer Bauten der Fall, wo die Doppelbaracken was zu der angegebenen Barackenlänge passen würde. Das jeweils fünf Zonen aufweisen (vier Kammerreihen und eine Ende der Baracken im Südosten müsste in den Grabungsbe- ebenso breite Vorzone/Porticus). Der dortige Bau 12 besitzt reich von 1983 fallen (Planck, Ausgrabungen; Sommer, im Endbau einen kleinen Absatz, sodass in diesem Fall auf Welzheim 416 Abb. 470) Leider sind die dortigen Verfär- der Rückseite eine schmalere Porticus entlang gelaufen sein bungen nicht eindeutig (Abb.13). Wenn die 12 m von der könnte. Bei den anderen Doppelbaracken in der retentura ist Wehrmauer entfernte winkelförmige Struktur eine Bara- stattdessen eine um diesen Portikusanteil verbreiterte ckenecke anzeigt, ergäbe sich eine Länge von 70 m. Dann Raumreihe wiedergegeben. Zu besonders markant vorsprin- geriete aber die als Zisterne gedeutete Grube neben dem genden Kopfbauten vgl. auch Nuber, Hofheim 229 Abb. 2, Winkel in die Gasse zwischen zwei Baracken. Wenn die Zis- 3.4 oder Stiglitz, Carnuntum Beil. 3, KII 1.4.5. Zu beachten terne dagegen an der Stirnseite positioniert war, können die ist noch, dass in Pförring die hier als Kopfbauten angespro- Baracken im Vorderlager nur ca. 67 m lang gewesen sein. chenen Barackenteile offenbar Endbauten sind. 40 Für die leicht abweichende Orientierung dürfte der insta- 38 Kopf- und Endbauten müssen nicht so uniform gestaltet bile Untergrund verantwortlich sein. Zur möglichen Funk- sein, wie in Rekonstruktionen gern unterstellt, vgl. Som- tion vgl. die primitive Fußbodenheizung z. B. bei Grönke, mer, Ruffenhofen 126 f. Weißenburg 85; Taf. 17 ff. 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 135

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einplaniert worden sind (K3, K4a, K10a), ste- lich die mutmaßlichen Kopfbauten erfasst hen solche, bei denen Brandreste auf den und die Befunde am Südosteck sind nicht Böden lagen (K6, 7, 9) oder die stark mit interpretierbar (Abb. 12). Brandschutt durchsetzt waren (K1, K2, K4b, Aber etwas anderes ist in diesem Zusam- K5, K8) (Abb. 14, 15). Die ungewöhnliche menhang auffällig: In den Grabungsarealen Häufung von Kellergruben in der Welzhei- von 1997 fehlen die Keller, obwohl bei einer mer retentura ist daher auch eine Folge reger ähnlichen Verteilung wie im Hinterlager dort Umbautätigkeit.41 zwei bis drei zu erwarten wären. Wie typisch Die Pförringer Mannschaftsunterkünfte sind also die Befunde der Grabung 2005/2006 werden dem Typus der Stallbaracken zuge- für das Welzheimer Westkastell? Theoretisch rechnet.42 Die gleiche Vermutung trifft für wäre es möglich, dass in den Quartieren A –C das Alenlager Welzheim zu. Dazu würden die gar keine Reiter, sondern andere Truppen- Gesamtlänge der Baracken, die Zahl der Con- kontingente untergebracht waren, die zusätz- tubernien sowie die Größe der Kopfbauten lich zur Ala stationiert gewesen sein könn- passen.43 Der tatsächliche Nachweis einer ten. Die für ein limeszeitliches Alenlager Nutzung durch Reiter fällt jedoch schwer, leicht überdurchschnittliche Größe des West- denn den Gebäuden fehlen die charakteristi- kastells könnte eine solche Vermutung schen Jauchgruben bzw. Rinnen.44 Insbeson- stützen.46 dere bei dem Bau C scheint das Ausbleiben Nimmt man den zur Verfügung stehen- länglicher, in regelmäßigem Abstand liegen- den Platz und füllt ihn mit Stallbaracken der Gruben signifikant. Bei der Doppelbara- vom Typ Heidenheim/Ruffenhofen, so kön- cke A/B ist dagegen der freigelegte Teil des nen im Welzheimer Vorderlager 12 Stallbara- Mannschaftstraktes letztlich zu klein für eine cken für je eine der wahrscheinlich 16 turmae abschließende Beurteilung. Einzelnen längli- der ala I Scubulorum untergebracht werden. chen Gruben, die formal in Frage kämen, Die restlichen vier Turmenunterkünfte könn- fehlt die typische Verfärbung durch organi- ten entweder auf der rechten Seite hinter sche Verunreinigungen. Auch stimmt ihre den principia oder hälftig auf beiden Seiten Lage nur teilweise mit den Erwartungen der via decumana gelegen haben. Demnach Abb. 15 Keller K5 mit überein. Das führt zu der Frage, ob Stallbara- stünde zumindest Bau C als Sonderunter- Resten der in situ ver- cken bzw. Jaucherinnen überall verwendet kunft zur Verfügung. Wenn man dagegen die bliebenen Eingangs- worden sind oder ob es bei zur Staunässe ergrabenen Welzheimer Baracken zu Grunde treppe und massiver neigenden Böden wie in Welzheim auch legt, da sich die Unterkünfte eines Lagers in Brandschuttverfüllung. andere Entsorgungskonzepte gegeben hat.45 Leider helfen die übrigen Innenbereiche des Welzheimer Westkastells nicht weiter. Die Untersuchungen von 1997 haben ausschließ-

41 Zu Kellern in Kastellbauten vgl. C. S. Sommer, Fundber. Baden-Württemberg 13, 1988, 477. Bei der Suche nach Ver- gleichen ist auch die generell unterschiedliche geografische Verbreitung der „Kellersitte“ zu beachten, die sich nicht nur bei Zivilbauten feststellen lässt. 42 Fassbinder/Sommer/Berghausen, Celeusum 96. 43 Zuletzt Sommer, Ruffenhofen 129. Mit den oben ange- nommenen 20 m hätten die Kopfbauten von A/B einen Anteil von über 25 % an der Gesamtlänge. Dies wäre für Auxiliarbaracken relativ viel. Vgl. aber Pietsch/Fassbinder/ Fuchs, Tiefenschärfe 100. 44 Ausführlich Hodgson, Wallsend 37 ff. Dass unter den Welzheimer Grabungsfunden Teile des Pferdegeschirrs nicht selten sind, sei nur am Rande bemerkt (vgl. Abb. 17). 45 Vgl. aber Scholz, Wirtschaftsbauten 116. 46 Davison, Barracks 643 ff. 666 ff. Sommer, Ruffenhofen 127 f. Das Welzheimer Vorläuferkastell Cannstatt umfasste lediglich 3,75 ha. 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 136

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der Regel gleichen, reicht der Platz im Vor- Aufgabe dieser Bauten systematisch alles wie- derlager nur für 2 × 5 Unterkünfte. Zur Unter- der verwendbare Bauholz, insbesondere die bringung der restlichen sechs Turmen müsste tragenden Balken und die Kellerverschalun- man dann alle drei in der retentura ange- gen, entfernt haben und lediglich kleinteilige schnittenen Baracken auf die gegenüberlie- Konstruktionen oder Bruchstücke vor Ort gende Seite spiegeln und als Stallbaracken beließen. Auch die Balkenzüge der Baracke A gelten lassen. Solange die Baureste des Vor- waren ausschließlich als mit Schutt verfüllte derlagers keine Entscheidung zur Baracken- Gräben nachweisbar. Nur einmal hat sich ein breite bzw. -anzahl gestatten, bleiben die verkohlter Balkenrest in situ gefunden. Von Überlegungen hypothetisch. den Herdstellen zeugten die angeziegelten Unterlagen, die Aufbauten waren entfernt. Zur Geschichte des Westkastells Da die meisten Keller zudem weitgehend Bisher waren kaum Einzelheiten zu den Bau- fundleer waren, fehlt jeder Hinweis auf ein befunden des Westkastells bekannt. Auch plötzliches Schadenfeuer, etwa infolge eines haben die früheren Grabungen nur wenige feindlichen Überfalls. Es wird sich daher um Funde erbracht. So fehlten Anhaltspunkte geplante Umbau- oder Auflassungsmaßnah- um die Geschichte des Westkastells zu rekons - men handeln, die wir vor allem über die truieren. Die Situation hat sich mit den damit einhergehenden Abbrucharbeiten fas- neuen Grabungen verbessert. sen. Freilich kann nicht ausgeschlossen wer- Den besten Einblick in die Baugeschichte den, dass die Umbauten in der retentura des Kastells geben die Verfüllungen der aus- durch ein Feuer in anderen Lagerteilen aus- gegrabenen Keller. In den abgebrannten Kel- gelöst wurden. lern sind beinahe regelmäßig Überreste der Die Keller K3, K4a und K10a in den Bara- verkohlten hölzernen Kellertreppen in situ cken B und D hat man ohne vorherigen erhalten, während die Balkenfundamente Brand einplaniert bzw. erneuert. Dies könn- Abb. 16 Fibelfunde der der Wände nur als Negative zu erkennen ten die ersten Umbaumaßnahmen gewesen Grabungskampagne waren (Abb. 14, 15).47 Das kann meines sein. Der Brandschutt würde demnach der 2005/2006. Erachtens nur bedeuten, dass die Römer vor späteren Kastellzeit angehören, wobei er möglicherweise auf zwei getrennte Ereignisse zurückgeht. Auch die Verknüpfung mit den Brandresten in den principia ist mangels aus- sagekräftiger Funde schwierig. Für eine abschließende Aussage bleibt freilich die detaillierte Analyse des Fundmaterials abzu- warten, der hier nicht vorgegriffen werden kann. Dabei müsste auch der Frage nachge- gangen werden, ob alle Innenbauten durch-

47 Vgl. auch Kortüm, Welzheim 105 Abb. 81. 48 Nuber, Reitertruppen 153. 49 Hartmann, Ostkastell bes. 119 f. (zur absoluten Datierung vgl. Kortüm, Ostkastell 262). – Planck, Alenkastell 252 f. – H.-H. Hartmann, Fundber. Bad.-Württ. 20, 1995, 668 f. 50 Hartmann, Ostkastell 120 Tab. 1 hat aus dem Ostkastell über 250 Reliefsigillaten und Stempel vorgelegt. Kaum ein Zehntel dieser Menge haben unsere Untersuchungen erbracht. In derselben Größenordnung bewegen sich auch die im Zentralarchiv des ALM in Rastatt aufbewahrten Alt- funde, die Verf. im Sommer 2007 sichten konnte. 51 Planck, Ostkastell 12 mit Abb. 3. – Hartmann, Ostkastell 125 ff. – Vgl. Kortüm, Ostkastell 263. 52 U. Klein, Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2006, 271 (noch ohne Nachträge, Gesamtbestand ca. 18 Stück). 53 FMRD II 4, 4592 –4594; Nachtrag 4593 E1, 4594 E1. 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 137

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Abb. 17 Militärische Ausrüstungsteile und Beschläge aus dem Westkastell.

gängig bestanden haben. Die vielen flachen gen zum zeitlichen Verhältnis sind auf dieser Mulden innerhalb des Barackenbaus C, die Basis wenig sinnvoll.50 Die Unterschiede in eher typisch für Wegezonen zwischen der Quantität wie in der Qualität der Funde Gebäuden sind, könnte man z. B. als unver- zwischen den beiden Kastellen sind an sich einbar mit einer gleichzeitigen Nutzung des jedoch bemerkenswert und bedürfen einer Areals durch eine Unterkunft ansehen. Auch Erklärung. Man muss dies wohl so interpre- die grundsätzliche Frage, wie lange die Ala in tieren, dass West- und Ostkastell ein unter- Welzheim stationiert war und ob in der Spät- schiedliches Schicksal erlitten haben. Ein zeit vielleicht ein Besatzungswechsel stattge- dem Brand im Numeruskastell vergleichbares funden hat, ist weiterhin offen.48 Schadensereignis mit außergewöhnlichem Nach einer ersten Durchsicht konzentrie- Fundanfall scheint es im Alenlager jedenfalls ren sich die Funde der Grabung 2005/2006 nicht gegeben zu haben.51 auf die 2. Hälfte des 2. und das frühe 3. Jahr- Die späteste Prägung der kleinen Mün- hundert Material aus der Frühzeit des vorde- zenreihe aus dem Westkastell ist ein Denar ren Limes, vergleichbar den Stücken aus dem des Severus Alexander. Er kam 2006 zu Ostkastell, tritt genauso wenig markant her- Tage.52 Jüngere Münzen liegen in Welzheim vor wie späte Funde, wie man sie z. B. aus bisher nur aus dem Vicusbereich vor.53 den Aalener principia kennt.49 Einschränkend muss allerdings betont werden, dass die Zahl Dr. Klaus Kortüm der Reliefsigillaten und Stempel aus den Regierungspräsidium Stuttgart, aktuellen Grabungen gering ist. Der Bestand Landesamt für Denkmalpflege aus dem Ostkastell übertrifft den des West- Berliner Straße 12, 73728 Esslingen/N. kastells weiterhin um ein Vielfaches. Aussa- 122-139 Limes_Bd3_Kortuem_korr_JU 17.08.2008 15:50 Uhr Seite 138

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KORTÜM · DAS WELZHEIMER ALENLAGER 139

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KEMKES · DAS BILD DES KAISERS AN DER GRENZE 141

DAS BILD DES KAISERS AN DER GRENZE – EIN NEUES GROSSBRONZENFRAGMENT VOM RAETISCHEN LIMES Von Martin Kemkes

Abb. 1 Die Fundstelle der Bronzenase am Limes zwischen Böbin- gen und Aalen.

2a

2b

ie Bronzenase wurde 1997 von einem scheint somit durch den Bachlauf sekundär DSchüler aus Mögglingen im Ostalbkreis verlagert worden zu sein. gefunden.1 Nach seiner Beschreibung ent- Leider war der Limesverlauf im Bereich deckte er das Objekt in der Uferböschung des des Sixenhofes schon zur Zeit der Reichs- 2c Ammersbachs/Ellertbachs, der nördlich von Limeskommission nicht mehr eindeutig zu Mögglingen in der Nähe des heutigen Sixen- rekonstruieren, wobei auch die genauen hofes, unmittelbar im Bereich des ehemali- Standorte der Wachtürme 12/51 –53 unklar gen Limesverlaufs, entspringt und nach Süd- blieben.2 Eine Rekonstruktion der antiken westen Richtung Mögglingen fließt, wo er in Verhältnisse an dieser Stelle, die über den die Rems mündet (Abb. 1). Der Fundort liegt Fundzusammenhang der Bronzenase Aus- nur etwa 2 km westlich des Kolbenbergs, an kunft geben könnten, ist deshalb nicht mehr dem der von Westen kommende Limes signi- möglich. 2d fikant nach Nordosten umbiegt. Trotz inten- siver Nachsuche konnte der Schüler im Beschreibung Bereich der Fundstelle keine weiteren Bron- Die Bronzenase hat eine Länge von 5,94 cm zefragmente entdecken. Das Fundstück und im Bereich der Nasenlöcher eine maxi- male Breite von 3,32 cm, damit ist sie annä- 1 Dem damaligen Schüler Johannes Stock sei an dieser Stelle für die Überlassung des Fundes sehr herzlich gedankt! hernd lebensgroß (Abb. 2a –d). Es handelt 2 ORL A Strecke 12, 62 ff. Zwar erwähnt der Verfasser der sich um einen Hohlguss, wobei die Wandung Streckenbeschreibung Oskar Paret zum Beispiel „Kalk- und Schieferbrocken im Bereich einer Quelle“, ebd. 63. Aller- durchschnittlich 3 mm stark ist. Feine schräg dings fehlen jegliche Hinweise auf eine besondere architek- verlaufende Rillen weisen auf die ursprüngli- Abb. 2a – d Die Bronze- tonische Ausgestaltung, die im Zusammenhang mit der Bronzenase stehen könnte. che Glättung der Oberfläche mit einem nase aus Mögglingen. 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 142

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Gewicht % ren und die Bruchkanten hinweg zieht. Dies, ■ Kupfer (Cu) wie auch die gerundeten Bruchkanten, 80 ■ Blei (Pb) ■ Zinn (Sn) unterstützen die These, dass die Nase über längere Zeit sekundär verlagert wurde.

60 Römisch oder neuzeitlich? – Ergebnisse der Metallanalyse Auch wenn der Fundort in der Nähe des 40 Limes einen römischen Ursprung der Bronze- nase nahelegt, muss zunächst versucht werden eine neuzeitliche Datierung des 20 ursprünglichen Bildnisses auszuschließen. Aus diesem Grund wurde die Bronze- nase einer Metallanalyse unterzogen, die am 0 Forschungsinstitut für Edelmetall- und Messpunkt 1 Messpunkt 2 Messpunkt 3 Messpunkt 4 Messpunkt 5 Metallchemie in Schwäbisch Gmünd durch- Patina Patina Patina blank blank geführt wurde.3 Dabei wurde sowohl eine zerstörungsfreie Röntgenfluoreszenz-Analyse Abb. 3 Metallanalyse Glätteisen hin. Die Bruchkanten verlaufen vorgenommen, als auch auf der Rückseite der Bronzenase mittels rundum weitgehend entlang der Konturlinie, eine Materialprobe von 80 mg entnommen, der Röntgenfluoreszenz- an der die Nasenflächen in die Gesichtsflä- die nach dem ICP-Verfahren (Inductive Analyse. chen übergehen. Vor allem oben an der Coupled Plasma) untersucht wurde (Abb. 3, 4). Nasenwurzel und links neben dem Nasen- Die Ergebnisse zeigen, dass es sich bei der loch ist der Übergang in die Gesichtsfläche Legierung um eine für die Herstellung von gut zu erkennen. Neben dem rechten Nasen- Gussbronzen in der Römerzeit typische loch fehlt dieser Übergang knapp, sodass die Kupfer-Blei-Zinn-Legierung handelt mit ca. ursprüngliche Breite bei ca. 3,5 cm gelegen 70 –75 % Kupfer, 20 –25 % Blei und 5 % Zinn. Gewicht % Die Messpunkte direkt auf der Patina (Abb. 3, 80 Messpunkte 1 –3) zeigen die typischen Kupfer (Cu) erhöhten Blei- und Zinnwerte. Auch bei den Spurenelementen (Abb. 4b) gibt es keine Auffälligkeiten, wie z. B. ein hoher Nickel- 60 wert von über 1 %, die auf eine neuzeitliche Entstehungszeit der Bronze hinweisen könnten. 40 Angesichts des Fundortes und der Ergeb- nisse der Metallanalyse ist somit davon aus- Blei (Pb) zugehen, dass es sich bei der Bronzenase aus 20 Mögglingen um den signifikanten Rest einer lebensgroßen römischen Großbronze han- Zinn (Sn) delt, bei der es sich grundsätzlich entweder 0 um ein Kaiserportrait bzw. eine Kaiserstatue

Abb. 4a Metallanalyse haben mag. Etwas unterhalb der Nasenwur- 3 An dieser Stelle sei dem Forschungsinstitut für Edelme- tall und Metallchemie, insbesondere Herrn Dr. Manfred nach dem ICP-Verfahren zel und über dem linken Nasenloch weisen Baumgärtner, für seine Unterstützung sehr herzlich (Inductive Coupled Hiebspuren auf die absichtliche Zerstörung gedankt! 4 Ausführliche Auflistungen aller bekannten Fragmente Plasma). Anteile der des Kopfes hin. finden sich bei Gamer, Bronzestatuen, 17 –39; ders. Frag- Hauptelemente Kupfer, Die Bronzenase besitzt eine homogene mente; Stoll, Skulpturenausstattung Band 2, Katalog zu den einzelnen Fundorten. Blei und Zinn. graugrüne Patina, die auch über die Hiebspu- 5 Stoll, Skulpturenausstattung 197 ff. 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 143

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oder um ein Idealbildnis einer Gottheit han- Gewicht % deln könnte. 0,20 Silizium (Si) Großbronzen – Kaiserstatuen am Limes 0,16 Die Bronzenase aus Mögglingen lässt sich in die Gruppe der Großbronzenfragmente am Antimon 0,12 (Sb) Limes einreihen (Abb. 5).4 Allein am Ober- Silber germanisch-Raetischen Limes liegen aus 21 (Ag) Fundorten Reste von Großbronzen vor. Das 0,08 Kartenbild zeigt dabei zwei eindeutige Arsen Nickel (As) Schwerpunkte am nördlichen Obergermani- (Ni) 0,04 schen Limes, im Taunus und in der Wetterau, Zink Magnesium (Zn) (Mg) sowie am südlichen Obergermanischen Limes und in Raetien. Am Mainlimes und 0,00 weiter südlich bis Osterburken konnten bis- her keine Fragmente gefunden werden, was mente lassen sich am ehesten solchen Pan- Abb. 4b Metallanalyse aber auch forschungsgeschichtlich bedingt zerstatuen zuweisen.5 Auch wenn hinter sol- nach dem ICP-Verfahren sein kann. chen Panzerstatuen grundsätzlich auch Bild- (Inductive Coupled Neben einzelnen Körperteilen, wie Fin- nisse des Gottes Mars vermutet werden Plasma). Anteile der ger, Haare etc., lässt sich ein Großteil der könnten, so scheint es sich bei vielen dieser Spurenelemente. Fragmente ikonografisch als Teile von Pan- Statuen doch um bronzene Kaiserstatuen zu

Abb. 5 Fundorte von Bronzestatuen, -frag- menten und Kaiserbasen: 1. Niederbieber; 2. Hed- desdorf; 3. Niederberg; 4. Holzhausen; 5. Zug- mantel; 6. Kl. Feldberg; 7. Saalburg; 8. Kapers- burg; 9. Arnsburg; 10. Echzell; 11. Marköbel; 12. Jagsthausen; 13. Benningen; 14. Murr- hardt; 15. Welzheim; 16. Böbingen; 17. Mögg - lingen; 18. Aalen; 19. Dalkingen; 20. Gnotz- heim; 21. Theilenhofen; 23. Weißenburg; 24. Pfünz; 25. Pförring; 26. zerstatuen identifizieren (Tabelle 1). Dies gilt handeln, wie uns in dem Beispiel des Bronze- Eining; 27. Künzing; 28. z. B. für die Adlerkopfschwerter aus Weißen- portraits Gordians III. aus Niederbieber zwei- Mainz; 29. Straßburg. burg, Murrhardt oder Rainau-Dalkingen felsfrei überliefert ist (Abb. 9). Nach den ebenso, wie für die Pterygesteile und Panzer- Fundorten der Bronzefragmente standen laschen aus Niederberg, Arnsburg, von der diese Statuen vor allem im Kastellbereich, Saalburg, aus Dalkingen und Weißenburg primär in der Querhalle der Principia oder (Abb. 6 –8). Auch zahlreiche kleine Frag- im Bereich der Kastelltore.6 Allein das Por- 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 144

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FUNDORT FUNDSTELLE STATUENTYP DATIERUNG worden zu sein8, wobei der prominente Niederbieber Vicus Portrait Gordian III 240 –244 n. Chr. Standort im Zusammenhang mit einem Niederbieber ? Panzerstatue: Daumen, 185 –260 n. Chr. Ehrenbogen nicht singulär ist, wie z. B. die Flügelapplike Statuenbasis am Ehrenbogen in Mainz- Heddesdorf Kastell Panzerstatue: 140 –160 n. Chr. vier Fragmente Kastell zeigt.9 Niederberg Principia Querhalle Panzerstatue: 1. H. 3. Jh. n. Chr. Für die Interpretation der Großbronzen- Panzerlasche und Frag. fragmente als Überreste von Kaiserstatuen Unterschenkel sprechen auch die überlieferten Inschriften- Zugmantel Kastell Gewandfragmente 1. H. 3. Jh. n. Chr. basen für solche Statuen, die bisher aus zwölf Kleiner Feldberg Kastell Haarfragmente um 230 n. Chr. Kastellen am Limes bekannt sind (Abb. 5 Saalburg Principia Querhalle Panzerstatue: Diverse Anfang 3. Jh. Fragmente n. Chr. und Tabelle 2). Die Komplexe aus Aalen und Saalburg ? Diverse Fragmente 2. H. 2. bis von der Saalburg zeigen dabei, dass in den 1. H. 3. Jh. n. Chr. Kastellen durchaus jeweils mit mehreren sol- Arnsburg Principia Panzerlasche 1. H. 3. Jh. n. Chr. cher Kaiserstatuen zu rechnen ist.10 Aus Arnsburg Kastell Gewandfragmente 1. H. 3. Jh .n. Chr. Murrhardt, Echzell und dem Kastell Kleiner Marköbel Sacellum Zeigefinger 2. –Mitte 3. Jh. Feldberg sind zudem Basen für Statuen kai- n. Chr. serlicher Frauen, Julia Mamaea und Julia Jagsthausen Bereich Finger Mitte 2. bis 11 Kastellgraben Mitte 3. Jh. n. Chr. Domna, überliefert. Anders als die Groß- Benningen Kastell vergoldete Fragmente 2. Jh. n. Chr. bronzenfragmente, die aus sich heraus kaum Körper und Randstück zu datieren sind, geben die Inschriftenbasen Murrhardt Vicus Panzerstatue: Anfang 3. Jh. zudem interessante Anhaltspunkte für die Adlerkopfschwert n. Chr. Datierung der Statuen. Dabei steht den anto- Böbingen Kastell Daumen Mitte 2. bis ninischen Inschriften aus Jagsthausen und Mitte 3. Jh. n. Chr. von der Saalburg, die mit der Gründungszeit Mögglingen südlich vom Limes Nase Anfang 3. Jh. n. Chr. dieser Kastelle zusammenhängen können, Aalen Sacellum-Keller Panzerstatue: 1. H. 3. Jh. n. Chr. die große Gruppe der severischen Inschriften viele Fragmente gegenüber, von denen einige jeweils den Kai- Dalkingen Südfront des Panzerstatue: Anfang 3. Jh. sern Caracalla und Severus Alexander zuzu- Torbogens Adlerkopfschwert, n. Chr. Panzerfragmente schreiben sind (Tabelle 2). Gnotzheim Principia Querhalle Panzerstatue: Anfang 3. Jh. Fasst man das Bild zu den bronzenen Fragmente n. Chr. Kaiserstatuen am Limes zusammen, so kann Theilenhofen Principia Querhalle Panzerstatue: 1. H. 3. Jh. n. Chr. in fast allen Limeskastellen mit solchen Sta- Fragmente tuen gerechnet werden, die primär im Stabs- Weißenburg Kastell Panzerstatue: 1. H. 3. Jh. n. Chr. gebäude aufgestellt waren. Allerdings wurde Fragmente wohl nicht für jeden neuen Kaiser eine sol- Pfünz Principia Zehfragment 1. H. 3. Jh. n. Chr. che Statue aufgestellt, sondern ein eindeuti- Pförring Principia Haar- und Mitte 2. bis Gewandfragmente Mitte 3. Jh. n. Chr. ger Schwerpunkt scheint in der severischen Eining Kastell Panzerstatue: 1. H. 3. Jh. n. Chr. Zeit zu liegen. Dieser chronologische Schwer- Fragmente punkt deckt sich mit den sonstigen zivilen Künzing Kastell Schuhfragment 2. H. 2. bis und militärischen Weihungen, die ebenfalls 1. H. 3. Jh. n. Chr. in dieser Zeit stark zunehmen.12 Außerhalb der Kastelle konnte bisher nur am Limestor Tabelle 1 Großbronzen. trait des Gordian III. aus Niederbieber und von Dalkingen die Aufstellung einer Kaiser- das Adlerkopfschwert aus Murrhardt wurden

außerhalb der Kastelle im Vicusareal gefun- 6 Ebd. 164 ff. den, wobei eine Verlagerung als Altmetall 7 Niederbieber: ebd. 429 ff.; Murrhardt, ebd. 401. 8 Ebd. 283 ff. und Planck, Dalkingen 88 ff. 7 angenommen wird. Nur beim Dalkinger 9 CIL XIII 7285. Limestor scheint bisher am Limes eine Kai- 10 Stoll, Skulpturenausstattung 197 ff.; 240 ff. und 508 ff. 11 Ebd. 201. serstatue außerhalb eines Kastells aufgestellt 12 Ebd. 89 ff.; Frenz, Mainz 27 ff. 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 145

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statue nachgewiesen werden. Mit der Bronze- Grundsätzlich wird in der Erforschung nase aus Mögglingen liegt nun ein weiteres der römischen Kaiserportraits davon ausge- Fragment einer Großbronze außerhalb eines gangen, dass in Rom im Lauf der jeweiligen Kastellareals vor, das aber nicht an seinem Regierungszeit mehrere offizielle Herrscher- ursprünglichen Standort gefunden wurde portraits entstanden, die vom Kaiser selbst und hinter dem mit gewisser Wahrschein- autorisiert wurden und als Vorlage für wei- lichkeit ein Kaiserportrait vermutet werden tere Kopien dienten, die dann zum Teil auch kann. Ob das Fragment aus den benachbar- in den Provinzen zu finden sind.13 Allerdings ten Kastellen in Böbingen oder Aalen war diese Praxis nicht verbindlich und so gab stammt oder ob das Bildnis doch in der Nähe es insbesondere in den Provinzen zahlreiche des Fundortes gestanden hat, soll zum Ende Kaiserdarstellungen, die nur wenig mit ihrem des Beitrags diskutiert werden. wirklichen Vorbild zu tun hatten. So berich- tet Flavius Arrianus als Statthalter von Kap- Ikonografische Einordnung – padokien um 130 n. Chr. von einer Statue Wer ist dargestellt? des Hadrian am Schwarzen Meer bei Trape- Abb. 6 Adlerkopf- Die wichtigste Frage für die abschließende zunt, die „weder dem Kaiser Hadrian ähnlich schwert aus Murrhardt. Beurteilung des Fundstückes ist, welche Per- noch schön sei, weshalb Hadrian besser eine son hinter dieser Nase steht, bzw. ob diese Person identifiziert werden kann. Wenn die Abb. 7 Pterygesfrag- oben geäußerte Vermutung zutrifft, dass es ment aus Rainau-Dal- sich bei der Bronzenase um das Fragment kingen. eines römischen Kaiserportraits des 2./3. Jahrhundert handelt, muss versucht werden, die Nase einem bestimmten Kaiserportrait zuzuordnen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die individuelle Physiogno- mie der Kaiser von den Bildhauern auch in solchen Details wie der Gestaltung der Nase dargestellt wurde. Dabei ist weiter von grundsätzlicher Bedeutung mit welchen Vor- lagen bei der Herstellung solcher Portraits gearbeitet wurde. Und schließlich muss geprüft werden, welches Vergleichsmaterial überhaupt herangezogen werden kann und inwieweit die Bronzenase selbst individuelle Eigenheiten besitzt, die mit anderen Kaiser- portraits zu vergleichen sind. Da es bei neue Statue schicken solle“.14 In gleicher diesen Fragestellungen zum Teil um grund- Weise schreibt Cornelius Fronto an Marc sätzliche Probleme der römischen Portrait- Aurel „über die schlecht gemalten und gro- forschung geht, die im Rahmen dieses Beitra- ben Kaiserbilder in den Geldwechslerstuben, ges nicht umfassend behandelt werden Läden, unter Vordächern und Fenstern“.15 können, stößt die im Folgenden vorgenom- Diesen literarisch überlieferten schlechten mene Zuweisung der Bronzenase zwar Kaiserportraits lassen sich auch einzelne methodisch an ihre Grenzen, ist aber den- Steinskulpturen an die Seite stellen, die nur noch ohne Alternative. schwer eine Zuweisung zu einem bestimm- ten Herrscher erlauben. Allein aus Oberger- manien seien hier der Sandsteinkopf aus 13 Zanker, Provinzielle Kaiserportraits, 7 ff. Benningen genannt, hinter dem ein Bildnis Abb. 8 Panzerlasche aus 14 Ebd. 7. 15 Fronto, Ep. ad M. Caes. 4,12,6 des Mark Aurel vermutet wird, sowie das Niedernberg. 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 146

146 NEUE FORSCHUNGEN AM LIMES

Tabelle 2 Kaiserbasen. FUNDORT FUNDSTELLE IM KASTELL DATIERUNG STIFTER LITERATUR Holzhausen Principia, Querhalle Ende 2. bis CIL XIII, 7618; 7619 Anfang 3. Jh. n. Chr. Holzhausen Porta Praetoria 222 –235 n. Chr. Truppe ORL B 6, 38 Zugmantel „Keller 203“ 237/238 n. Chr. Truppe CIL XIII, 11971 Kleiner Feldberg Principia, beim sacellum 222 – 235 n. Chr. Truppe CIL XIII, 7495 Saalburg Principia Querhalle 139 n. Chr. Truppe CIL XIII, 7462 Saalburg Kastell 138 – 161 n. Chr. CIL XIII, 7463 Saalburg Principia Querhalle 212 n. Chr. Truppe CIL XIII, 7465 Saalburg Praetentura 222 – 235 n. Chr. Truppe CIL XIII, 7466 Kapersburg Kastellgraben 222 – 235 n. Chr. CIL XIII, 7441a Echzell Graben vor dem Nordtor 1. H. 3. Jh. n.Chr. SaalbJb 21, 1963, 50f Echzell Principia 222 – 235 n. Chr. Ber.RGK 58, 1977, 522 Jagsthausen Principia 148 – 161 n. Chr. CIL XIII, 6561 Murrhardt Principia Hof/Querhalle 211 – 217 n. Chr. Truppe CIL XIII, 6531 Murrhardt Principia Hof/Querhalle 222 – 235 n. Chr. Truppe CIL XIII, 6532 Aalen Principia Querhalle Anfang 3. Jh. n. Chr. FbBa-Wü 14,1989 Aalen Principia Querhalle 222 – 235 n. Chr. Truppe FbBa-Wü 14,1989 Gnotzheim Principia Querhalle 212 – 217 n. Chr. Truppe IBR 308/309 Gnotzheim Principia Querhalle Anfang 3. Jh. n. Chr. IBR 310 Eining Porta principalis sinistra 212 n. Chr. Truppe CIL XIII, 11950

Abb. 9 Bronzeportrait sogenannte Commodusportrait aus Köngen darstellungen im Profil heranziehen, die Gordians III. aus Nieder- (Abb. 10 – 11).16 Ein Vergleich der Bronzenase dazu noch in ausreichender Anzahl zur Ver- bieber. aus Mögglingen mit solchen singulären pro- fügung stehen, bleiben allein die Münzpor- vinziellen Steinplastiken verbietet sich von traits als Vergleichsmaterial übrig. selbst. Deren Vorbildfunktion für die Bildhauer Aber auch der Vergleich mit qualitativ wurde auch bereits immer wieder diskutiert. hochwertigen Kaiserportraits aus Marmor ist Als besonders signifikantes Beispiel für die im Rahmen eines Reihenvergleichs kaum Übereinstimmung zwischen einem Münz- möglich, da bei diesen Portraits sehr häufig portrait und einem rundplastischen lebens- gerade die Nasen beschädigt sind und nicht großen Bronzeportrait gilt dabei das Bildnis selten modern ergänzt wurden. Auch werden des Gordian III. aus Niederbieber (Abb. 12).17 diese Portraits oft nur in Frontalansicht abge- Besonders auffällig ist hierbei die Überein- Abb. 10 Sandsteinkopf bildet, wodurch ein Vergleich der Nasenkon- stimmung der spitz zulaufenden Nasenkon- des Mark Aurel (?) aus tur ebenfalls nicht möglich ist. Will man für tur. Vor diesem Hintergrund erscheint es Benningen. einen solchen Vergleich verlässliche Portrait- nicht vermessen auch für die Mögglinger 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 147

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Abb. 11 Sandsteinkopf des Commodus (?) aus Köngen.

Bronzenase nach entsprechenden Parallelen 12a 12b zu suchen. Als wichtiges Kriterium für den Vergleich der Profilansichten soll dabei im Folgenden die Nasenkontur bzw. die Proportion zwi- schen der Länge der Nase, von der Spitze bis zur Wurzel, und der Tiefe, von der Spitze bis zum Übergang in die Wangenpartie, gemes- sen werden. Der Quotient beider Maße bildet dann einen Vergleichswert, der vom Maßstab der Abbildungen unabhängig ist. Abb. 12a Bronzeportrait Um die Verlässlichkeit dieser Methode zu Gordians III. aus Nieder- überprüfen wurde für alle Kaiser des 2. bis 3. bieber; 12b Denar Gor- Jahrhunderts von Traian bis Alexander Seve- dians III. von 241 n.Chr. rus, ein Vergleich der Münzportraits mit den überlieferten Bronzeportraits durchgeführt. Als Materialbasis diente zum einen die Münzpublikation von Kent u. a. mit großfor- matigen Abbildungen verschiedener Münzen römischer Kaiser, und die Publikation über römische Großbronzen von Lahusen und Formigli, in der ein Großteil der bekannten Auch wenn dieses Vorgehen hinsichtlich bronzenen Kaiserportraits auch in Profil- der Materialauswahl und der Genauigkeit der ansichten abgebildet ist.18 Messmethode an seine Grenzen stößt, so lässt sich doch an einigen Beispielen zeigen, dass die beobachteten Parallelen beim Gor- 16 Zanker, Kaiserportraits 42 –43. dianportrait aus Niederbieber nicht zufällig 17 Lahusen / Formigli, Bildnisse 301 –304. 18 Ebd. und Kent, Münze sind. Auch andere bronzene Kaiserportraits, 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 148

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wie z. B. des Marc Aurel oder des Caracalla 13a (Abb. 13 –14) zeigen durchaus gute Parallelen zu den entsprechenden Münzbildern, die sich auch im Vergleich der Nasenkontur im Profil widerspiegelt. Das gemessene Verhält- nis zwischen Nasenlänge und -tiefe, wie es in Abb. 15 abgebildet ist, zeigt hier deutliche Übereinstimmungen. Die exakte Vermessung der Mögglinger Bronzenase ergibt nun einen hohen Quo- tienten von 2,12 (5,3 cm Länge/ 2,5 cm Tiefe), sodass die Nase im Vergleich zu anderen als relativ lang und flach beschrieben werden kann. Bei der Suche nach Parallelen unter den Kaiserportraits des 2. und 3. Jahrhun- derts n. Chr. finden sich die besten Entspre- chungen bei den Portraits des Severus Ale- xander (Abb. 16). Auch der rein optische Vergleich mit den Münzportraits und den Großbronzenportraits aus Bochum und Thessaloniki bestätigt diesen Eindruck, 13b wobei bei dem Bochumer Kopf die Beschädi- gung im Bereich der Nasenwurzel zu berück- sichtigen ist.19 Wenn auch diese Untersuchung hin- sichtlich möglicher Messfehler und der beschränkten Anzahl von Vergleichsstücken nicht fehlerfrei sein kann, so zeigt sich doch eine gewisse Tendenz dahin, dass hinter der anonymen Mögglinger Bronzenase ein Kai- Abb. 13a Bronzepor- serportrait des Severus Alexander zu vermu- traitfragment des Mark ten ist. Die Tatsache, dass unter den vom Aurel aus Paris; 13b Ses- Limes bekannten Inschriftenbasen von sol- terz des Mark Aurel von chen Kaiserstatuen ebenfalls sieben in die 172/173 n. Chr. Regierungszeit des Severus Alexander gehö- ren, scheint diese Zuweisung zu unterstüt- zen. Das nächstgelegene Beispiel stammt aus 14a dem Kastell Aalen (Abb. 17)20, wobei ein direkter Zusammenhang bei einer Entfer- nung zum Fundplatz von ca. 7 km theore- tisch möglich sein könnte. 14b Ein Kaiserportrait am Kolbenberg? – Einordnung des Abb. 14a Bronzepor- Fundplatzes traitfragment des Cara- Fassen wir die bisherigen Ergebnisse zusam- calla aus New York; men, so liegt mit der Bronzenase aus Mögg - 14b Aureus des Caracalla lingen ein kleines, aber signifikantes Frag- von 217 n. Chr. ment eines Kaiserportraits vor, das eventuell 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 149

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3,0 (Abb. 15) Vergleich der Nasenproportionen (Ver - hältnis Länge / Tiefe) von verschiedenen Bronzepor- 2,0 traits mit Münzdarstellun- gen der Kaiser von Traian bis Severus Alexander.

1,0 ■ Münze 1 ■ Münze 2 ■ Bronzeportrait 1 ■ Bronzeportrait 2 0,0 Traian Hadrian Antoninus Marc Commodus Pertinax Septimius Caracalla Severus Iulia Gordian III. Nase ■ Bronzeportrait 3 Pius Aurel Severus Alexander Mamaea

16a 16b

dem Severus Alexander zuzuweisen ist. Neben statue könnte dabei entweder mit der Ermor- 16c den Fragmenten vom Limestor bei Rainau- dung des Kaisers und seiner Damnatio Dalkingen ist die Bronzenase das einzige memoriae im Jahr 235 n. Chr. oder mit der Großbronzenfragment am Limes, das nicht Aufgabe des Limes nach 260 n. Chr. in innerhalb eines Kastells bzw. in dessen direk- Zusammenhang stehen. tem Umfeld gefunden wurde. Die ursprüngli- Andererseits stellt sich im Vergleich zum che Aufstellung der Großbronze im Kastell Dalkinger Limestor die Frage, ob das ursprüng- Aalen, z. B. im Zusammenhang mit der über- liche Portrait oder die Bronzestatue nicht auch lieferten Inschriftenbasis für Severus Alexan- im Umfeld des Fundortes gestanden haben der (Abb. 17), sowie deren Zerstörung und könnte? Dabei fällt der Blick zwangsläufig auf teilweise Verschleppung in den Bereich des den Kolbenberg, eine auffällige Erhebung, Abb. 16a Bronzeportrait Fundortes ist zwar grundsätzlich möglich, an der der Verlauf des Limes signifikant von des Severus Alexander wäre aber nur durch Zufall, z. B. durch anpas- Westen her kommend nach Nordosten aus Thessaloniki; sende Fragmente aus dem Aalener Kastella- abknickt (Abb. 1). Schon den lokalen Limes- 16b Bronzeportrait des real, zu beweisen. Die Zerstörung der Kaiser- forschern des 19. Jahrhunderts, allen voran Severus Alexander aus Eduard von Kallee, war der Kolbenberg auf- Bochum; 16c Denar des gefallen, der mit 552 m Höhe alle anderen Er - Severus Alexander von 19 Lahusen / Formigli, Bildnisse 275 ff.; Kent, Münze 428– 434 20 Habicht-Weinges, Aalen 332 –336. hebungen im nördlichen Vorfeld der Ostalb 231 n. Chr. 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 150

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den Limesstrecken zwischen dem Kolbenberg und dem Mahdholz bei Rainau-Schwabsberg (WP 12/54 bis WP 12/77) und der Strecke zwischen Dalkingen und Halheim (WP 12/84 bis WP 12/101) mit der Peilung auf den Gipfel des Kolbenbergs erklären (Abb. 19). Gleiches gilt für die wenn auch kurze, gerade Strecke von Westen zwischen WP 12/46 und dem Kolbenberg. Vor diesem Hintergrund und nicht zuletzt wegen seiner auffälligen Lage in der Landschaft, könnten die Römer diesem Berg durchaus eine besondere Bedeutung gegeben haben, die sich in einer architekto- nischen Gestaltung ausgedrückt haben könnte. Allerdings wurden auf dem Gipfel des Kolbenbergs schon im 19. Jahrhundert keine römischen Funde und auch keine Reste eines römischen Bauwerks gefunden. Der ursprüngliche Standort des Kaiserbildnisses auf bzw. in direkter Umgebung des Kolben- bergs bleibt demnach rein spekulativ. Eben- falls nur vermutet werden kann, dass nörd- lich der Straße von Böbingen nach Aalen, unterhalb des Kolbenbergs ein Monument oder Ähnliches gestanden hat, mit dem die Bronzenase in Zusammenhang stand. Auch für eine solche Fundstelle gibt es bisher kei- nerlei Hinweise. Dass solche topografisch auffälligen Standorte von den Römern allerdings sehr wohl gezielt architektonisch ausgestaltet wurden, beweist ein vergleichbarer Befund auf dem Aalener Burgberg (Abb. 19). Der spornartige Ausläufer der Alb liegt etwa 1,2km südlich des Kastells, genau am Aus- gang des Kochertals und konnte sowohl vom Abb. 17 Inschriftfrag- überragt und als bester Aussichtsberg der Kastell aus, als auch von der aus Heidenheim mente eines Statuen- Region galt.21 Der heute bewaldete Kegelberg kommenden Straße gut eingesehen werden. postamentes für Seve- ist besonders von Westen her gut sichtbar An dieser Stelle wurden bereits 1925 römi- rus Alexander aus dem (Abb. 18) und von Nordosten scheint der Jahr 222 n. Chr., gefun- Limes über mehrere Kilometer schnurgerade 21 von Kallee, Kolbenberg 1692. den in der Querhalle auf ihn zuzulaufen. Diese Beobachtungen 22 Luik, Aalen 269 ff. Fundstellen 2 –5. der Principia im Kastell führten schon Kallee zu der Annahme, dass 23 Anzuführen wären hier z. B. die Siegesdenkmäler von La Turbie (Tropaeum Alpium) und von Adamklissi (Tropaeum Aalen. der Kolbenberg als wichtiger Vermessungs- Traiani) auch wenn diese natürlich wesentlich monumen- taler sind. Erinnert sei auch nochmals an die Beschreibung punkt für den westlichen Raetischen Limes der Hadrianstatue in Trapezunt durch Flavius Arrianus (s. gedient hat, da er auf halbem Weg zwischen Anm. 13). Die Statue stand demnach an der Stelle, an der einst Xenophon mit den Zehntausend und später Hadrian dem Hesselberg und dem Hohenstaufen selbst das Meer erblickte und Arrian hielt den Ort für „wie liege. In der Detailbetrachtung lässt sich geschaffen für ein ewiges Denkmal“. Zu weiteren Standor- ten von Kaiserstatuen im öffentlichen Raum vgl. Pekáry, zumindest die Vermessung der schnurgera- Kaiserbildnis 42 ff. 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 151

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sche Funde gemacht, die aufgrund von Brandspuren als Reste eines Gräberfeldes oder als Teile einer Villa rustica interpretiert wurden.22 In demselben Bereich wurden auch Fundamentreste entdeckt, die aus zwei quadratischen Sockeln mit etwa 2 m Seiten- länge bestehen. Der etwa 3,3 m breite Zwi- schenraum war gepflastert, wobei sich die Pflasterung noch etwa 1,5 m nach Nordosten fortsetzt (Abb. 20). Ob es sich bei diesem Bauwerk, wie bisher vermutet, um das Grab- monument eines kleinen Gräberfeldes han- delt oder ob an dieser topografisch hervorge- hobenen Stelle ein „öffentliches Monument“ gestanden hat, kann an dieser Stelle nicht wie auch des Monumentes auf dem Burgberg Abb. 18 Der Kolbenberg weiter untersucht werden. eine weitergehende Interpretation kaum bei Mögglingen von Bezieht man allerdings das Dalkinger Tor möglich erscheint. Vergleicht man die Situa- Westen. (Abb. 21) in diese Betrachtung mit ein, so ist tion mit anderen landschaftsgestalterischen es zumindest auffällig, dass an allen Straßen- Maßnahmen der Römer, wie dem 80km lan- verbindungen von und nach Aalen, nach gen, schnurgeraden Limesverlauf in Oberger- Westen mit der Bronzenase, nach Süden mit manien, oder den Monumenten und Ehren- dem Monument auf dem Burgberg und nach bögen in anderen Teilen des Reiches, so mag Norden mit dem Limestor, mehr oder min- auch für die Umgebung des bedeutenden der eindeutige Indizien für eine architektoni- Reiterkastells von Aalen eine solche Planung, sche Ausgestaltung der Landschaft vorliegen, trotz der wenigen Indizien, nicht völlig aus- auch wenn in den Fällen der Bronzenase, geschlossen sein.23

Abb. 19 Der Limesver- lauf zwischen Böbingen und Rainau-Dalkingen, mit den auf den Kol- benberg gefluchteten Abschnitten zwischen WP 12/46 –12/54 und WP 12/54 –12/77 sowie die Lage des Burgbergs am Ausgang des Kochertals etwa 1,2 km südlich des Kastells Aalen. 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 18.08.2008 10:13 Uhr Seite 152

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Abb. 20 Das 1925 auf- gefundene Steinfunda- ment auf dem Aalener Burgberg.

Abb. 21 Rekonstruktion den Untersuchung anzugehen. Ausgangs- des Dalkinger Limestores. punkt dieses Projektes des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg ist die Detailbearbeitung der Fragmente vom Dal- kinger Limestor und des umfangreichen Großbronzenschrotts aus den Principia des Aalener Kastells. Ziel ist dabei zunächst die Erstellung eines Gesamtkataloges mit einer genauen ikonografischen Beschreibung der Objekte sowie einer Analyse der herstellungs- technischen Hinweise. In einem zweiten Schritt sollen dann die Ergebnisse mit mög- lichst vielen Großbronzenfragmenten aus anderen Orten am Limes verglichen werden. Parallel dazu plant das Archäologische Die Bronzenase aus Mögglingen ist somit Landesmuseum von April bis Oktober 2009 nicht nur ein Beleg für ein weiteres Kaiser- ein große Ausstellung im Limesmuseum portrait am Limes, sondern könnte auch als Aalen unter dem Titel „Gesichter der Macht – Hinweis dienen, dass am Limes neben den Römische Kaiserbilder am Limes“, bei der die Militäranlagen, insbesondere entlang der Großbronzenfragmente vom Limes im Mit- wichtigen Straßen, auch mit weiteren Bau- telpunkt stehen sollen. werken bzw. Monumenten gerechnet werden kann. Dr. Martin Kemkes Archäologisches Landesmuseum Baden- Ausblick Württemberg, Außenstelle Rastatt Die Bearbeitung der Mögglinger Bronzenase Lützowerstraße 10, 76437 Rastatt gab den Anstoß das Thema der Großbron- E-Mail: [email protected] zenfragmente am Limes in einer umfassen- 140-153 Limes_Bd3_Kemkes_korr_JU 17.08.2008 15:51 Uhr Seite 153

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Literaturverzeichnis PEKÁRY, Kaiserbildnis Th. Pekáry, Das römische Kaiserbildnis in FRENZ, Mainz Staat, Kult und Gesellschaft dargestellt H. G. Frenz, Denkmäler römischen Götterkul- anhand der Schriftquellen (Berlin 1985). tes aus Mainz und Umgebung. CSIR Deutsch- land II, 4 Germania Superior (Mainz 1992). PLANCK, Dalkingen D. Planck, Das Freilichtmuseum am Raeti- GAMER, Bronzestatuen schen Limes im Ostalbkreis. Führer zu G. Gamer, Kaiserliche Bronzestatuen aus den archäologischen Denkmälern in Baden- Kastellen und Legionslagern an Rhein- und Württemberg 9 (Stuttgart 1983). Donaugrenze des römischen Imperiums (Gießen 1969). STOLL, Skulpturenausstattung O. Stoll, Die Skulpturenausstattung römi- GAMER, Fragmente scher Militärlager an Rhein und Donau. Der G. Gamer, Fragmente von Bronzestatuen aus Obergermanisch-Raetische Limes (St. Katha- den römischen Militärlagern an der Rhein- rinen 1992). und Donaugrenze. Germania 46, 1968, 53 –66. P. ZANKER, Provinzielle Kaiserportraits HABICHT-WEINGES, Aalen Zur Rezeption der Selbstdarstellung des V. Habicht-Weinges, in: G. Alföldy, Die Princeps (München 1983). Inschriften aus den Principia des Alenkastells Aalen. Fundberichte aus Baden-Württemberg 14, 1989, 293–338. Abbildungsnachweis:

VON KALLEE, Kolbenberg Abb. 2, 6, 7, 18, 21 ALM Baden-Württemberg; E. von Kallee, Staatsanzeiger für Württem- Abb. 5 D. Rothacher, archaeoskop Freiburg; berg vom 9. November 1887. Abb. 8 Nach Gamer, Fragmente Taf. 10,1; Abb. 9, 12a, 13a, 14a, 16a, 16b Nach Lahusen/ KENT, Münze Formigli, Bildnisse Kat.-Nr. 188, 140, 160, 172, J. P. C. Kent, B. Overbeck, A.U. Stylow, Die 173; Abb. 10, 11 Nach Zanker, Provinzielle römische Münze (München 1973). Kaiserportraits, Taf. 25; Abb. 12b, 13b, 14b, 16c Nach Kent, Münze Nr. 452, 344, 412, LAHUSEN/FORMIGLI, Bildnisse 436; Abb. 17 Nach Habicht-Weinges, Aalen, G. Lahusen, E. Formigli, Römische Bildnisse Abb. 33; Abb. 20 Nach Luik, Aalen, Abb. 2. aus Bronze. Kunst und Technik (München 2001).

LUIK, Aalen M. Luik, Der Kastellvicus von Aalen. Fundbe- richte aus Baden-Württemberg 19/1, 1994, 265–355. 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:52 Uhr Seite 154

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NEUE ERGEBNISSE DER GEOPHYSIKALISCHEN PROSPEKTION AM OBERGERMANISCH- RAETISCHEN LIMES Von Jörg Fassbinder

ie Luftbildarchäologie, geophysikalische Für die flächenhafte archäologische Pro- DMethoden und seit jüngster Zeit auch spektion bietet die Geophysik derzeit im die sogenannten „Airborne Laserscan-Beflie- Wesentlichen drei Prospektionsverfahren an. gungen“ bilden derzeit die wichtigsten zer- Dies sind die Magnetometerprospektion, die störungsfreien Methoden um archäologische Widerstandskartierung und die Radar Mes- Bodendenkmäler am Limes zu erforschen. sungen. Während die Magnetometrie – eine Während die Luftbildarchäologie sehr gute passive Methode, – die Veränderungen des Beobachtungsmöglichkeiten auf ackerbau- Erdmagnetfeldes aufzeichnet und deshalb lich intensiv genutzten Flächen bietet, kann auf magnetisch ungestörte Bereiche außer- man mit Laserscanning selbst Unebenheiten halb von modernen Siedlungen beschränkt in der Topografie im Zentimeterbereich, wie bleiben muss, lassen sich mit der Wider- ihn der lineare Verlauf der Limesmauer an standsmessung und der Radarprospektion vielen Stellen darstellt, kartieren. Bei günsti- archäologische Spuren auch innerhalb von gen Bedingungen lassen sich sogar die Reste modern umbautem Gelände erkunden. Die von Wachtürmen oder Kleinkastellen und beiden letzteren Methoden sind besonders diese selbst unter Waldflächen erkennen und dann geeignet, wenn es gilt, Mauerreste und nachweisen.1 Steinstrukturen im Untergrund zu detektie- Während mit dem Laserscanning aus- ren. Gräben oder Gruben die sich im Boden schließlich die obertägig vorhandenen und nur durch ihre unterschiedliche Farbe damit sichtbaren Strukturen erfassbar sind, abzeichnen, sind mit diesen Methoden nur können durch die Luftbildarchäologie, tem- selten oder schlecht zu erfassen. porär und bei günstigen Bedingungen und Mit der Schwerpunktbildung des Bayeri- Bewuchs auch die oberflächennahen und im schen Landesamtes für Denkmalpflege in Relief nicht mehr sichtbaren Befunde nach- Folge der Eintragung des Obergermanischen gewiesen werden. So ist es nicht verwunder- Limes als UNESCO-Welterbe ist u. a. geplant, lich, dass wir die Kenntnis einer Vielzahl von mittelfristig alle frei zugänglichen und nicht römischen Baustrukturen allein den Neuent- modern überbauten Kastelle sowie deren deckungen der Luftbildarchäologie verdan- Umgebung magnetometrisch zu untersuchen. ken. Die Kastelle Burgsallach, das Holzkastell Ziel ist einerseits die wissenschaftliche Erfor- von Theilenhofen und das Kastell Oberhoch- schung, andererseits die Grundlagenschaffung statt in Bayern sind nur die prominentesten für Maßnahmen, die im Limesentwicklungs- Beispiele dafür. Mit geophysikalischen plan Bayern (LiEP) vorgeschlagen werden Methoden lassen sich auch archäologische unter den Überschriften Erhalt durch Flächen- Strukturen in tieferen Schichten (bis ca.1 bis stilllegung, Präsentation und Beschilderung. 2m Tiefe) präzise nachzeichnen. Alle drei Die Finanzierung erfolgt im Rahmen des Cul- Methoden geben den Blick frei auf die ture 2000-Projekts „Frontiers of the Roman unsichtbaren Spuren vergangener Epochen Empire“, an dem das BLfD als Mitglied der und arbeiten zerstörungsfrei. deutschen Limeskommission teilnimmt. Die Magnetometerprospektion ist derzeit

1 Fassbinder, Geophysikalische Prospektion. die effektivste geophysikalische Methode, um H. Kerscher, Zum Verlauf des Raetischen Limes durch den mit geringem zeitlichem Aufwand die Mehr- Köschinger Forst – Ein Überblick anhand von Airborne Laserscan-Daten. Arch. Jahr Bayern 2006, 101 –104. zahl der Befunde von Holzbauten, Kellern, 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:52 Uhr Seite 156

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Gruben sowie Steinfundamenten zu kartieren. organischer Abfälle durch Tierhaltung und Für die Messungen setzen wir derzeit das damit einhergehend die Neubildung magne- tragbare Cäsium SM4G-Spezial in einer Duo- tischer Minerale. Hinzu kommt, dass man- Sensor-Konfiguration ein. Die Sonden- und che Anlagen durch Schadfeuer oder Brand Stativorientierung sollte wenn möglich nach zerstört wurden. All dies sind die besten Ost-West ausgerichtet bleiben. Damit wird der Voraussetzungen dafür, dass die archäologi- magnetische Störeinfluss durch die Elektro- schen Strukturen kontrastreiche und massive nik und die Batterien während der Messung Spuren im Magnetfeld hinterlassen. auf ein Minimum reduziert. So sind alle So war es kein Zufall, dass in Deutsch- äußeren Voraussetzungen gegeben, um auch land Irvin Scollar bereits in den 70er-Jahren, die unkompensierten Daten auszuwerten, schon sehr früh in der Geschichte der Mag- indem man sie beispielsweise auf einen Mit- netometerprospektion, eine Kastellfläche mit telwert von 40 × 40 m bezieht. Mit diesem Auf- sehr respektablem Ergebnis prospektierte.2 In bau werden die Intensitäten der Anomalien Bayern wurde seit 1986 das römische Lager in größtmöglicher Stärke erfasst und selbst Marktbreit3, in Baden-Württemberg das Kas- tiefer liegende Störungen sind noch messbar. tell Eislingen4 mit dem Magnetometer unter- Der geologische Untergrund bei allen folgen- sucht. Erst seit 1995, als durch die Weiterent- den Messbeispielen wird von sehr schwach wicklung des Magnetometers zum Duo- magnetisierbarem Kalkstein dominiert. All dies Sensor-System eine Prospektionsapparatur trägt dazu bei, dass wir im Ergebnis nicht nur zur Verfügung stand5, mit deren Hilfe auch eine sehr plastische und gut interpretierbare große Flächen in vernünftigen Zeiträumen Darstellung der Magnetfeldanomalien errei- und zugleich in engem Punktraster vermes- chen, sondern zugleich die ohnehin schon sen werden konnten, erhöhte sich die Zahl hohe Empfindlichkeit des Totalfeldmagneto- merklich. So wurde das Kastell Aislingen meters optimal ausnutzen können. 1995, das Limeskastell Ruffenhofen 19986, das Numeruskastell Wörth a. Main 20027, das Magnetometerprospektion Kastell Burghöfe 20038, das Kastell Pfatter- an Limeskastellen Gmünd 20059 und Pförring und Weißenburg Die kontinuierliche Flugprospektion der letz- 200610 großflächig untersucht. ten 30 Jahre in Bayern erbrachte bereits eine Vielzahl von Details zur Kastellbebauung Magnetometerprospektion und deren Umgebung. Allerdings zeigen sich am Kastell Iciniacum bei die römischen Strukturen meist nur als nega- Theilenhofen, tives Bewuchsmerkmal, sodass wir im Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen, ungünstigsten Fall nur Informationen zu den Mittelfranken Steingebäuden erhalten. Bauspuren von Etwa 500 m nordwestlich von Theilenhofen, Holzgebäuden, Baracken und deren Details in einer flachen Mulde des Hochplateaus, sind vergleichsweise selten und nur auf acker- das sich um etwa 90 m über der Altmühlnie- baulich intensiv genutzten Flächen zu finden. derung erhebt und nur etwa 2,2 km vom Die Prospektion von Kastellen stellt für Limes entfernt ist, befindet sich das römi- die Magnetometrie eine der ergiebigsten sche Steinkastell „Iciniacum“ (Abb.1). Objekte dar, denn die Mehrzahl dieser Anla- Streckenkommissar Hans Eidam, der im gen weisen Magnetfeldanomalien von mehr Auftrag der Reichs-Limeskommission 1878 als ± 30 Nanotesla oder mehr auf. Sie sind mit der Erforschung des Kastells begann11, daher auch für weniger empfindliche Magne- beschreibt die ideale Lage für ein Truppenla- tometer gut prospektierbar. Die Gründe ger, dessen Besatzung den nördlichsten Teil dafür, sind die intensive Siedlungaktivität, des Raetischen Limes zu bewachen hatte, als die Anlage von Hypokausten die Nutzung gut gewählt. Die Aussicht ist nach allen Sei- von Brennmaterial sowie ein erhöhter Anteil ten frei, insbesondere nach Norden, wo über 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:52 Uhr Seite 157

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das Pfofelder Tal hinweg, vom Burgstall bei Gunzenhausen bis südlich von Thannhau- sen, der ganze Verlauf des Limes sichtbar ist, sodass man die Signale von 9 bis 10 Wach- türmen wahrnehmen konnte. Während nach seinen Recherchen die Mauern noch im 17. Jahrhundert „mehrere Schuh aus dem Boden herausragten“, sind sie in den folgen- den Jahrzehnten von den Ackerbesitzern völ- lig abgetragen worden. Seit dem Jahr 1820 wurde mit dem Spaten nach Überresten geforscht. 1879 wurde die westliche Umfas- sungsmauer auf einer Länge von 87 m bloß- gelegt, aber erst als man das Eck des west- lichen Torturmes fand und als man einen mit C III BR gestempelten Ziegel entdeckte, war man sicher, dass es sich hier um den Garnisonsort der zum Teil berittenen cohors III Bracaraugustanorum handelte. Einige Jahre Limes hin, ausgerichtet. Die von Weißenburg Abb. 1 Theilenhofen. darauf legte der Wagner Meier die porta prin- kommende römische Fernstraße läuft direkt Luftbildbefund des Kas- cipalis dextra im Osten frei. 1884 stieß der auf das rechte Seitentor, die porta principalis tells. Norden ist rechts. Bauer Karg auf den Turm bei der porta praeto- dextra zu. Die porta principalis sinistra weist ria und legte längere Abschnitte der Nord- nach Westen zum Kastell Gnotzheim. mauer frei. Nach den Messungen der Reichs-Limes- Magnetometerprospektion kommission bildet die Kastellmauer ein Besonders beim Kastell Theilenhofen erbrachte Rechteck mit 196 m Länge und 140 m Breite, die kontinuierliche Flugprospektion eine Viel- (nach unseren Messungen 196 × 144 m Breite). zahl von neuen Details. Bereits im Jahr 1878 Die Praetorialseite ist nach Norden, zum hatte sich Eidam bei seiner Suche so genannte Bewuchsmerkmale zunutze gemacht, indem 2 I. Scollar/A. Tabbagh/A. Hesse/I. Herzog, Archaeological er die Bauern nach Stellen im Acker befragte Prospecting and Remote Sensing. Cambridge University Press, Cambridge (1990). wo der Acker „brannte“, d.h. wo das Getreide 3 H. Becker, Neue Untersuchungen im frührömischen Legionslager bei Marktbreit. Luftbild und Magnetik zur Pro- dünner stand. Damals wie heute zeigten sich spektion des Legionslagers. Arch. Jahr Bayern 1987, 96 –98. die römischen Baustrukturen meist nur als 4 J. W. E. Fassbinder, Magnetische Prospektion eines römi- schen Kastells auf den >Weiherwiesen< bei Essingen, Ostalb- negatives Bewuchsmerkmal (Abb. 1). Infor- kreis. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg, 1990, 172 –175. mationen zu den schwachen Bauspuren von 5 H. Becker, Hochauflösende Magnetik am Beispiel der archäologischen Prospektion. In: M. Beblo (Hrsg.), Umwelt- Holzgebäuden blieben den Prospektoren und geophysik (Berlin 1997) 59 –70. 6 H. Becker/H.-D. Deinhardt/H. Thoma, Prospektion des Ausgräbern von damals meist verborgen Kastells Ruffenhofen mit Luftbild und Geophysik. Arch. Vor diesem Hintergrund ist die Magneto - Jahr Bayern 1999, 56 –59. 7 J. W. E. Fassbinder u. H. Lüdemann, Das Numeruskastell meterprospektion die effektivste Methode, um in Wörth a. Main: Bestandsaufnahme und Magnetometrie, mit geringem zeitlichem Aufwand die Befunde, Arch. Jahr Bayern 2002, 65 –67. 8 J. W. E. Fassbinder u. S. Ortisi, Geophysikalische Prospek- auch die von Holzbauten, Kellern oder Gruben tion und Ausgrabungen in Submuntorium-Burghöfe, Arch. zu kartieren. Hier kam das tragbare Cäsium Jahr Bayern 2003, 85 –89. 9 J. W. E. Fassbinder u. M. Pietsch, Lücken schließen am SM4G-Spezial in einer Duo-Sensor-Konfigura - Donaulimes – Das Kleinkastell von Pfatter-Gmünd, Arch. Jahr Bayern 2005, 73 –76. tion zum Einsatz. Die Sonden- und Stativorien- 10 Fassbinder et al., Celeusum. tierung konnte durchgehend nach Ost-West M. Pietsch u. J. W. E. Fassbinder, Mehr Tiefenschärfe durch Magnetik: Der neue Plan des Kastells Weißenburg, Arch. ausgerichtet bleiben. Bei dieser Anordnung Jahr Bayern 2006, 98 –101. werden aufgrund der Inklination des Erd- 11 H. Eidam, Das Kastell Theilenhofen. ORL B 71a (Heidel- berg 1905). magnetfeldes, selbst die geringen Störungen 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:52 Uhr Seite 158

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Umwehrung und Wasserleitung Die Bebauung gibt sich mit ihren für ver- brannte römische Anlagen typischen starken Magnetfeldanomalien > ± 20,0 Nanotesla deutlich zu erkennen. Die Kastellmauer ist von einem dreifachen Graben umgeben. Der äußere und der innere Graben sind durchge- hend, der mittlere ist in den Torbereichen unterbrochen und bildet eine Erdbrücke. Vom gesamten Kastell fehlt uns lediglich der südliche Abschluss (Abb. 3). Die drei erfassten Tore selbst sind, wie von Eidam beschrieben, als Doppeltore aus- geführt und innen an die Umfassungsmauer angefügt, springen also nicht über die äußere Mauerflucht hervor. Während Eidam nur das Westtor die porta principalis sinistra und das Osttor die porta principalis dextra, mit einer Zwischenwand beschreibt, ist nach unseren Messungen eine solche Zwischenwand auch am Nordtor, der porta praetoria zu erkennen. Der Torweg von der porta praetoria zu den principia (via praetoria) sowie auch die von West nach Ost verlaufende via principalis sind deut- lich im Magnetogramm als helle Spur zu sehen. Abb. 2 Theilenhofen. durch die Elektronik des Gerätes und die Bat- Das bedeutet, dass sich wohl noch Reste des Magnetogramm des terien, weitestgehend minimiert. Da die Son- Straßenpflasters im Boden befinden. Auch ein römischen Kastells. nenfleckenaktivität auch im Jahr 2007 und im ORL beschriebener Kanal, der etwa von den Cäsium-Smartmag der solare magnetische Störeinfluss während principia aus dem Kastell durch das Westtor SM4G-Spezial-Magneto- der Messkampagnen minimal waren, waren führt, sowie eine weitere Wasserleitung südlich meter, Duo-Sensor- alle äußeren Voraussetzungen gegeben, die den principia, zeichnen sich im Magnetbild klar Anordnung, Dynamik ± unkompensierten Daten bei der Auswertung ab (Abb. 3.1). Ersterer knickt am Westtor in 16,00 nT in 256 Graustu- auf ein Quadratenmittel von 40× 40m zu einem Winkel von ca. 70 Grad nach Süden ab, fen, Empfindlichkeit ± reduzieren. Die Intensitäten der Magnetfel- unterquert die drei Gräben und ist dann außer - 10 pT, 0,50 × 0,25 m danomalien können in voller Stärke erfasst halb der Anlage wieder deutlich sichtbar. Messpunktabstand, 40- werden und selbst tiefer liegende Störungen Von den Ecktürmen ist durch unsere m-Gitter, Auswertung werden sichtbar. Der geologische Untergrund Magnetometerprospektion bisher nur der Nord - als Quadratenmittel. wird in Theilenhofen von sehr schwach westturm erfasst. Während zwischen den magnetisierbaren Plattenkalken gebildet und Ecktürmen und den Toren an der Nordfront die römische Bebauung ist durch Brand zer- kein Zwischenturm zu erkennen ist, lässt sich stört.12 All dies trägt dazu bei, dass wir im an den beiden anderen Umfassungsmauern, Ergebnis nicht nur eine sehr plastische und gut interpretierbare Darstellung der Magnet- 12 J. W. E. Fassbinder, Die magnetischen Eigenschaften und feldanomalien erreichen, sondern zugleich die Genese ferrimagnetischer Minerale in Böden im Hin- blick auf die magnetische Prospektion archäologischer die ohnehin schon hohe Empfindlichkeit des Bodendenkmäler (Buch am Erlbach 1994). Magnetometers optimal ausnutzen können. J. W. E. Fassbinder/H. Stanjek/H. Vali, Occurrence of magne- tic bacteria in soil, Nature 343, 1990, 161 –163. Das Ergebnis zeigt in seltener Klarheit den J. W. E. Fassbinder u. H. Stanjek, Occurrence of magnetic Befund und den Zerstörungsgrad wie er sich bacteria in archaeological soil. Archaeologia Polona 31, 1993, 117 –128. Reuter, 254 n. Chr., bes. 92 f. derzeit unter dem Pflug darstellt (Abb. 2). 13 D. Steimle, Das Kastell Unterböbingen. ORL B Nr. 65 (1894). 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:52 Uhr Seite 159

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zwischen porta principalis sinistra bzw. dextra Deckung bringen. Die principia liegen in der und den jeweiligen Ecktürmen im Süden, auf Hauptachse des Kastells, bestehen aus einem beiden Seiten, wenn auch nur sehr vage, die Hauptbau von nahezu quadratischer Form Spur eines Zwischenturmes nachweisen. (Abb. 3.3). Der Vorbau hatte außergewöhnliche An der östlichen Seite der Nordfront zwi- Dimensionen von 60× 19 m. Wie in Ruffen- schen porta praetoria und dem Nordostturm hofen springt er über die Kreuzung von via finden sich darüber hinaus die Fundamente principalis und via praetoria, seitlich über eines langrechteckigen Baues von etwa 20 m deren Fluchten hinaus. Er war auch in etwa Länge und 6 m Tiefe, welcher mit der Umfas- gleich lang und er nimmt den mittleren Teil sungsmauer verbunden scheint (Abb. 3.2). der via principalis ein. Die von den drei ande- Vergleichbares findet sich z. B. beim Kastell ren Seiten angrenzenden Raumreihen, die Unterböbingen und Murrhardt, dort vom Flügel und die Südseite werden in kleinere Streckenkommissar Steimle als Bau zur Auf- Räume unterteilt. Wie aus den alten Beschrei- nahme von Geschützen gedeutet.13 bungen zu entnehmen, sind die principia einem Brand zum Opfer gefallen. Wohl auch Innenbebauung deshalb kann man die einzelnen Räume in Der gesamte Grundriss der principia lässt sich solcher Deutlichkeit im Magnetbild erkennen. im Magnetogramm praktisch 1 : 1 mit den Allerdings lässt sich hier weder das halbkreis- Grabungsbefunden von Eidam 1879 zur Abb. 3 Theilenhofen. Digital geführter Plan des römischen Kastells mit Interpretation der 2 Magnetometerdaten.

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förmige Fahnenheiligtum (sacellum), wie wir sehen. Allerdings weicht die genaue Lage des es in Pförring finden, noch ein unterkellerter Gebäudegrundrisses, sowohl im Abso luten als Raum, wie er beispielsweise in Burghöfe fest- auch in Relation zu den principia, um einige gestellt wurde, im Magnetbild nachweisen. Meter von den im ORL-Plan angegebenen Abb. 4 Böhming. Luft- Westlich der principia ist in den Grabun- Positionen ab. Dies belegt einmal mehr, dass bild und Magneto- gen eine Hypokaustanlage gefunden worden. die Maße im ORL fehlerhaft sein können gramm des Kastells und Auch dieser Befund lässt sich mit dem Mag- und einer genauen Prüfung bedürfen. dessen Umgebung. netbild zur Deckung bringen. Darüber Nicht unähnlich Ruffenhofen und Pför- Cäsium-Smartmag SM4G- hinaus wird im Magnetogramm sichtbar, ring, ist der Befund eines komplexen, ca. Spezial-Magnetometer, dass diese nur ein Teil eines größeren etwa 26×32m großen Gebäudes östlich der princi- Duo-Sensor-Anordnung, 41× 32 m messenden Gebäudekomplexes pia, in dem man das Kommandantenhaus Dynamik ± 13,00 nT in war. Die Steinfundamente sind leider nur (praetorium) sehen darf (Abb. 3.6). Ein guter 256 Graustufen, Emp- noch unvollständig vorhanden und es lässt Teil der Räume scheint um einen Hof im vor- findlichkeit ± 10 pT, sich auch kein klarer Holzbaugrundriss deren Bereich gruppiert; mehrere Einbau ten 0,50 × 0,25 m Mess- erkennen (Abb. 3.4). oder Umbauten könnten dafür verantwort- punktabstand, 40-m- Anders verhält es sich mit dem Speicher- lich sein. Große starke und rechteckige Ano- Gitter, Auswertung als gebäude (horreum) südlich der principia (Abb. malien deuten auf Keller hin. Zwei massiv Quadratenmittel. 3.5). Hier sind selbst die Spuren der äußeren unterkellerte Grundrisse sind südlich des Norden ist unten. Pfeilervorlagen deutlich im Magnetbild zu Kommandantenhauses anzutreffen (Abb. 3.7). 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:52 Uhr Seite 161

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Die Struktur, Stärke sowie die Form der Ano- Die aus dem Magnetogramm abzuleiten- malien gleichen denjenigen, die wir im Kas- den Strukturen sowie die Größe und Anord- tell Pfünz gemessen haben. Sie befinden sich nung der Gebäude im mittleren Drittel des auch nahezu an derselben Stelle im Kastell- Kastells entsprechen den typischen Grundris- plan, wie eine gemauerte Zisterne in Pfünz. sen römischer Kastelle. Insgesamt käme man Unter der massiven Anomalie der verfüllten so auf zehn Untereinheiten, davon sechs Zisterne ist wohl die Magnetfeldstörung Centurien und vier Türmen, mit Zusatzräu- einer Mauer völlig verschwunden. men, vielleicht jeweils auch für Pferde. In Weitere rechteckige Baustrukturen befin- Theilenhofen haben wir es somit mit der den sich rechts und links des Speichergebäu- cohors III Bracaraugustanorum equitata bis tor- des. Welches von beiden möglicherweise als quata zu tun. Mithilfe unserer Messungen Werkhalle (fabrica) bzw. als Hospital (valetu- lässt sich in Theilenhofen so eine Truppen- darium) zu deuten ist, muss durch weitere stärke von etwa 500 Mann einschließlich Forschungen geklärt werden. Reitern annehmen. Die gepflasterte, quer durch das Kastell Dass die Magnetometerprospektion uns ziehende via principalis teilt dieses in einen in die Lage versetzt, den kompletten Kastell- kleinen nördlichen (praetentura) und einen plan von Theilenhofen so eindeutig zu größeren südlichen Bereich (retentura). Mittig erkennen, liegt zu gleichen Teilen an der ver- unterteilt die ebenfalls gepflasterte via praeto- wendeten Magnetometerkonfiguration, der ria die praetentura. Die vielgliedrigen, regel- Tatsache, dass das Kastell möglicherweise haften Anomalien zu beiden Seiten der durch Brand zerstört wurde und daran, dass Lagerstraße sind den Resten von vier Holz- es wohl keine größeren Umbauten erlebt hat. baracken zuzuschreiben. Bei den zwei nördli- Das mutmaßliche Vorgängerkastell zeigt sich chen, obgleich im Magnetogramm aufgrund direkt anschließend im Westen als Luftbild- der intensiven Landwirtschaft nur noch als befund. Es ist wohl in gleicher Größe wie das letzte Spur zu erkennen, handelt es sich fast jüngere, in Stein errichtete ausgeführt. Auch analog zum Befund von Pförring um eine wenn verschiedene Unklarheiten, insbeson- Doppelbaracke (Abb. 3.8), gefolgt nach Süden dere wegen der fortgeschrittenen Erosion von jeweils einer einfachen Baracke. Auch bestehen bleiben, sind doch die Positionen, hier dürfte es sich um sogenannte Reiterbara- die Größe und die Grundeinteilung der cken mit Jaucherinnen in den als Ställen Gebäude eindeutig. Das Ergebnis ist eine für genutzten äußeren Räumen (schmale Ano- Süddeutschland typische Anordnung der malien) und Feuerstellen in den inneren Baracken und Innenbauten im zentralen Räumen handeln und auch hier finden sich Bereich des Kastells. Damit ließ sich nicht kleine regelmäßige Anomalien direkt an der nur die Truppenstärke der hier stationierten via principalis. Einheit genauer ermitteln, sondern auch die Die Länge dieser Gebäude, deren außen Pläne von alten Grabungen der Reichs- angeordnete Kopfbauten gut zu erkennen sind, Limeskommission vervollständigen. beträgt 60 m. Sie sind unterteilt in etwa zehn Contubernien, besitzen jedoch keinen weite- Das Numeruskastell Böhming, ren Kopfbau an der via praetoria. Die entspre- Markt Kipfenberg, Lkr. Eichstätt, chende Doppelbaracke ist im rechten rück wär- Oberbayern tigen Teil sehr viel deutlicher erkennbar Etwa 400 m westlich der Ortschaft, ca. 200 m (Abb. 3.9). Auch die spiegelbildliche linke Posi- vom rechten Flussufer der Altmühl entfernt tion ist von einer Doppelbaracke eingenom- und 800 m vom nördlich auf der Jurahöhe men. Hier sind die Jaucherinnen im Norden vorbeiziehenden Limes, liegt das römische am besten erkennbar. Als einzig mögliche Kastell von Böhming. Es erhebt sich nur Freifläche zeichnet sich ein Areal im westlichen wenig mehr als 2 m über den mittleren Was- Teil des Kastells hinter dem praetorium ab. serstand der Altmühl. Wie aus den wieder- 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:52 Uhr Seite 162

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holten Befliegungen seit 1980 durch unsere versturz verborgen und vermutlich deshalb Luftbildarchäologen und unseren Archivbil- im Magnetbild nur sehr schwer zu sehen. dern zu entnehmen ist liegt, die Kastellfläche Ihre Breitseite beträgt nach unseren Messun- aber auch bei Hochwasser jeweils über dem gen ca. 85 m und ihre Längsseite 95m (Abb. 5). Wasserspiegel. Die von der Reichs-Limes- Die Ausrichtung des Kastells weist nach kommission erst 1898 entdeckte Anlage Nordwesten, sodass die Principalseiten zum wurde unter der Leitung von F. Winkelmann Limes parallel verlaufen. Anders als beim 1898 und 1905 in Teilen ergraben.14 Winkel- Grabungsbefund von Winkelmann im ORL mann beschreibt das Areal als schwach aus- beschrieben finden wir nicht nur an den geprägtes, rechteckiges Wallgeviert mit 90 Principalseiten, sondern auch in der Prätori- bzw. 105 m langen Seiten, dessen Ecken sich alfront eine Mauerunterbrechung und ein an den Haupthimmelsrichtungen orientie- Doppeltor. Von den vier Ecktürmen sind uns ren. Er legte Teile der Umwehrung mit zwei mit dem Magnetometer lediglich zwei Türme Toren und einem Spitzgraben sowie das Mit- zugänglich. Besonders ärgerlich, dass uns der telgebäude frei. Bei den Ausgrabungen fand möglicherweise noch gut erhaltene Nord- man auch gleich die wichtige Bauinschrift turm wegen der eisernen Fundamentierung vom Jahr 181, die belegt, dass Abteilungen einer Windfahne für Drachenflieger völlig der 3. italischen Legion und der in Pfünz sta- verborgen bleiben musste. tionierten 3. Breukercohorte Mauern, Tore und Türme instand setzten. Innenbebauung Als Besatzung kommen für Böhming ein Die Grabungen der Reichs-Limeskommission noch unbekannter Numerus oder eine Abtei- konnten einzig nur Teile der principia aufde- lung der cohors I Breucorum civium Romano- cken, mögliche weitere Steingebäude sind rum in Frage. entweder modern, durch die Kirche überbaut Die Untersuchungen von F. Winkelmann oder sind für unsere Messungen wegen des ergaben ein 0,73 ha großes Militärlager, dem Friedhofs nicht zugänglich; es handelt sich wohl als vorgeschobenem Posten des Kohor- um eine zwischen 1183 und 1188 erbaute tenkastells Pfünz die Aufgabe zukam, den Pfarrkirche mit Friedhof und Mesnerhaus. Altmühlübergang des Limes zu kontrollieren. Nachdem auch eine Strom- und Wasserlei- Eine ältere, aus Holz gebaute Umwehrung, tung parallel der Straße in das Kastell verlegt die vermutlich an den Anfang des 2. Jahrhun- ist sowie das alte Mesnerhaus modern reno- derts, d. h. in die hadrianische Zeit zurück- viert und mit Eisen „verseucht“ ist, bleibt reicht, wurde durch Brandeinwirkung zerstört. uns fast die gesamte Information zur Innen- bebauung der Decumanseite verschlossen. Magnetometerprospektion In der praetentura des Kastells finden wir Wie bei der Mehrheit unserer magnetometrisch hingegen neben einer engen Bebauung auch vermessenen Limeskastelle sind auch in Böh- eine deutliche Unterteilung durch Straßen- ming die römischen Baustrukturen durch fluchten. Senkrecht zur via principalis erken- ihre typischen starken Magnetfeldstörungen nen wir die fast symmetrischen Grundrisse > ± 20 Nanotesla deutlich zu detektieren von vier etwa gleich großen, etwa 18× 25m (Abb. 4). Die Kastellmauer ist von zwei Gräben messenden Gebäuden. Sehr starke Anoma- umgeben. Beide sind im Bereich des Südwest- lien, die möglicherweise auf ein intensives tores und des Nordosttores unterbrochen und Brandereignis hinweisen und durch ein ehe- haben eine etwa 10 bis 12 m breite Erdbrücke. maliges Schadfeuer hervorgerufen wurden, An der nördlichen Seite des Südwesttores überdecken innerhalb der Gebäude die scheint auf ca. 25 m Länge noch mit dem Raumfluchten. Darüber hinaus kennt man Ausbau eines dritten Grabens begonnen wor- den zu sein. Die Steinumwehrung ist unter 14 F. Winkelmann, Das Kastell Böhming. ORL B Nr. 73a dem noch gut im Gelände sichtbaren Wall- (1906) 23. 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:52 Uhr Seite 163

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von kleinen Kastellen viele Variationen in der Innenbebauung, so lassen sich diesen Gebäudekomplexen durch die Messung alleine keine Funktionen zuweisen. Anders sieht es mit den Mannschaftsun- terkünften aus. Die Barackengrundrisse fin- den sich senkrecht zur via principalis und sehr dicht an der Kastellmauer angeordnet. Trotz der starken Überdeckung mit Brand- schutt, wie schon in den Grabungsberichten von Winkelmann beschrieben, lassen sich jeweils zwei Raumreihen mit 8 bis 11 Contu- bernien erkennen. Drei solcher Baracken sind detektierbar, eine mögliche vierte ist allein aus Symmetriegründen sehr wahr- scheinlich, würde sich aber genau unter der Zufahrtsstraße, Kanal und Straßenlaterne befinden. Die doppelte Raumreihe ist ca. 6 bis 7 m breit, knapp 35 m lang und besitzt keine Kopfbauten. Trotz der starken Einschränkungen durch die äußeren Randbedingungen lässt sich auch in Böhming durch die geophysika- lische Prospektion der Wissensstand zu römi- schen Kastellen erheblich erweitern. Es gelang der Nachweis eines zweiten, mögli- weiter. Die Römerstraße ist mit dem Kastell Abb. 5 Böhming. Digital cherweise der Ansatz eines dritten Kastellgra- durch die den nordwestlichen Abhang steil geführter Plan des bens, sowie die Struktur der Innenbebauung hinaufsteigende Straße verbunden und führt Numeruskastells mit den zu klären. Auch die Stärke der Besatzung lässt durch die porta pretoria in das Kastell. Aus der Ergebnissen der geo- sich zumindest grob auf 200 Mann abschät- porta decumana heraus führte sie dann weiter physikalisch/archäologi- zen, wenn man annimmt, dass die kleinen über Nassenfels zur Donau. schen Interpretation. Baracken wohl eher weniger als 60 Mann Der Limes ist vom Kastell Pfünz über Platz geboten haben. 11km Luftlinie entfernt. Möglicherweise ist er aber zuvor entlang der, die Kastelle verbin- Magnetometerprospektion im denden Straßen gelaufen, sodass durch das Kastell Vetoniana bei Pfünz, Kastell der Übergang des Limes an der Alt- Lks. Eichstätt, Oberbayern mühl gesichert wurde. Auf einer langgestreckten, schmalen, flachge- Das Kastell Pfünz (der Name Vetoniana wölbten Bergzunge am rechten Ufer und ca. oder -ae ist unsicher) wurde von 1884 bis 1900 40 m über der Altmühl liegt das Kastell Pfünz. in großen Teilen durch K. Popp, F. Ohlen- Das Areal fällt nach Westen hin ins Altmühl- schläger und H. Arnold ergraben. Ab 1892 tal sowie in ein kleines Seitental und nach wurde die Grabung von F. Winkelmann Osten in das Tal des Pfünzer Baches steil ab. geleitet und im Jahr 1900 durch die Reichs- Die die raetischen Kastelle verbindende Mili- Limeskommission „vollendet“.15 Als Besatzung tärstraße überschreitet, von Weißenburg des Kastells ist seit dem Ende des 1. Jahrhun- kommend, an der Stelle der heutigen Straße derts eine mehrfach ausgezeichnete Kohorte den Fluss und das Tal und zieht am Fuß des römischer Bürger (cohors I Breucorum civium Kastellberges vorüber, durch ein Seitental in Richtung Südosten zum Kastell Kösching 15 F. Winkelmann, Das Kastell Pfünz. ORL B Nr. 73 (1901) 23. 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:52 Uhr Seite 164

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Abb. 6 Pfünz. Das römische Kastell im Magnetbild mit aufge- legtem Grabungsplan von 1901. Cäsium- Smartmag SM4G-Spe- zial-Magnetometer, Duo-Sensor-Anordnung, Dynamik ± 16,00 nT in 256 Graustufen, Emp- findlichkeit ± 10 pT, 0,50 × 0,25 m Mess- punktabstand, 40-m- Gitter, Auswertung als Quadratenmittel.

Romanorum Valeria victrix bis torquata ob virtu- das Kastell mitsamt seiner Innenbebauung tem appellata equitata) bezeugt. ein etwas verschobenes Rechteck. Selbst die Die Prätorialfront ist nach Norden zum Principalstraße verläuft deshalb schief zu den Altmühltal hin ausgerichtet. Zwei heute noch Schmalseiten. Auch die parallel dazu liegen- im Gelände sichtbare Spitzgräben umgeben den Magazine sowie das praetorium stehen die Kastellmauer. Von den Innenbauten sind schief zur Kastellachse. vor allem die Steingebäude ergraben und doku - Im Jahr 2000 wurde von Helmut Becker mentiert. Holzbauten wie die Mannschafts- der gesamte innere Teil des Kastells magne- unterkünfte wurden bisher nicht erkannt. tometrisch vermessen. Doch erst 2007 Das Ergebnis ist als Befundplan im ORL konnten die Daten aus dem Datenarchiv unter der Nr. 73 abgedruckt. Demnach bildet gesichert, vollständig zu einem Messbild 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:53 Uhr Seite 165

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zusammengesetzt und zu einem Plan ver- arbeitet werden. hinaus konnte deren genaue geografische Abb. 7 Pfünz. Digital Lage zueinander, die vielfach um einige geführter Plan des römi- Magnetometerprospektion Meter falsch war, korrigiert werden (Abb. 6). schen Kastells mit der Obgleich das Kastell seit mehr als 100 Jahren In den principia zeigen die geophysikalischen geophysikalisch/archäo- als vollständig ergraben gilt, erbrachte die Ergebnisse vier Räume im Westteil; im süd- logischen Interpretation Magnetometerprospektion noch einen lichen Teil sind die Befunde durch die Aus- der Magnetometermes- beträchtlichen Informationszugewinn. grabung so stark zerstört, dass sie sich nur sung. So konnten die bereits von F. Winkel- noch vage im Messbild zu erkennen geben. mann kartierten Gebäude nicht nur durch Zwei nahezu rechteckige Anomalien im die Messungen bestätigt werden, darüber Innenhof zeigen eine andere Orientierung 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:53 Uhr Seite 166

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und sind daher nicht als römisch anzusehen. einer Modellanomalie eines Geophysiklehr- Die beiden Magazingebäude westlich der buches entnommen sein könnte. Offenbar ist principia, im ORL-Plan mit B und C bezeich- die Zisterne nach der Ausgrabung wieder mit net, sind hingegen noch überaus deutlich dem hochmagnetischen Brandschutt verfüllt wiederzufinden. Selbst die an den Außen- worden, die magnetischen Partikel hatten mauern durch Pfeilervorlagen verstärkten 100 Jahre Zeit, um sich im manchmal feuch- Bauteile konnten im Magnetbild sichtbar ten Boden entlang des Erdmagnetfeldes aus- gemacht werden (Abb. 7). zurichten. Nahezu dieselbe Anomalie sowohl Ein Gebäudeteil östlich und parallel zu in der Intensität als auch in ihrer Form fand den principia gelegen, im ORL-Plan mit D sich in ähnlicher Position im Kastell Theilen- bezeichnet, verschiebt sich nach unseren hofen. Auch hier dürfte es sich um eine mit Messungen entweder um mehr als 10 m nach Brandschutt verfüllte Zisterne handeln. Osten oder er wäre heute nicht mehr vor- Ein weiteres massives Steingebäude, in handen. Stattdessen finden wir einen weite- der Südwestecke des Kastells gelegen und ren, von den Ausgräbern damals unerkannt von den Ausgräbern nicht erkannt, befindet gebliebenen Grundriss, der sich etwa 10m sich zwischen den Speicherbauten B, C und östlich davon befindet. Es ist daher anzuneh- den von Winkelmann ergrabenen Sockel- men, dass die Gebäude identisch sind und mauern H. Mit seinen Schmalseiten Ost-West insgesamt zum Fundament eines etwa ausgerichtet, weist es einen etwa 20× 30m 25×30m großen Gebäudekomplexes gehören. messenden Mauergrundriss auf. Im Innern Hierbei könnte es sich auch um das Wohn- des Gebäudes lässt sich nur noch sehr vage haus des Kommandanten gehandelt haben. die Gliederung einzelner Räume erkennen. Südöstlich der principia fand man bei Gra- An der Ostmauer sind jedoch noch, wie am bungen eine Zisterne (im ORL-Plan mit dem Speichergebäude C, Stützpfeiler zu erkennen. Buchstaben J bezeichnet). Die Mauern der Südlich dieses Gebäudes waren laut dem Zisterne können wir zwar mit der Magnetmes- ORL-Bericht zwei parallele Sockelmauern mit sung nicht mehr erkennen, wohl aber eine ca. 40 m Länge. Diese Mauern konnten eben- außergewöhnliche Magnetfeldanomalie, die falls im Magnetbild wieder entdeckt werden.

Abb. 8 Pförring. Das römische Kastell im Luft- bild mit aufgelegtem Magnetbild. Cäsium- Smartmag SM4G-Spe- zial-Magnetometer, Duo-Sensor-Anordnung, Dynamik ± 16,00 nT in 256 Graustufen, Emp- findlichkeit ± 10 pT, 0,50 × 0,25 m Mess- punktabstand, 40-m- Gitter, Auswertung als Quadratenmittel. 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:53 Uhr Seite 167

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Allerdings verläuft ca. 10 m südlich davon Fernstraße einerseits direkt auf das rechte eine weitere Sockelmauer, und so konnte das Seitentor, die Porta principalis dextra, zu Ganze zum Grundriss einer Doppelbaracke führt, andererseits – so jedenfalls aus Luftbil- ergänzt werden. Von weiteren Baracken war dern erkennbar – winklig nördlich am Kastell weder bei der ORL-Grabung im letzten Jahr- vorbei Richtung Kösching geführt werden hundert noch auf den Luftbildern des Archivs konnte. Südwestlich und südöstlich des Kas- des Bayerischen Landesamtes etwas zu finden. tells ist das Gelände terrassiert, möglicher- Auch hier hilft das Ergebnis der Magnetome- weise verbergen sich darin ältere Abtragun- terprospektion weiter. Insgesamt zeichnen gen zur Geländeversteilung zum Kastell hin. sich die Grundrisse von sechs Mannschafts- Die Kastellinnenfläche ist nach J. Fink, baracken ab. Von Norden her sind die ersten der u. a. für die Reichs-Limeskommission in vier auf der Prätorialseite: die Spuren von Pförring tätig war, nur im Südwesten ein zwei doppel-, gefolgt von zwei einfachen wenig planiert worden.16 Aus seinen Unter- Baracken. Zwei weitere Doppelbaracken fin- suchungen, vor allem aber aus Luftbildern, den wir am südlichen Ende des Kastells mit kennen wir die Umwehrung mit ihren vier derselben Orientierung an der porta decu- Doppeltoren, die Lage der principia mit Vor- mana. Die Kopfbauten liegen jeweils an der halle und Fahnenheiligtum und haben Hin- via praetoria bzw. an der via decumana. weise auf Baracken im vorderen und im rech- Sie sind insbesondere in der praetentura ten hinteren Teil. Das gesamte Areal und sein genauso wie die Baracken selbst nur mehr als Umfeld ist bis heute nicht überbaut, die Flä- Magnetspur wahrzunehmen. In der retentura, chen werden jedoch intensiv landwirtschaft- wo die im Südwesten gelegene Baracke noch lich genutzt und sind latenter Erosion und ein Steinfundament aufweist, zeichnen sie Raubgrabungen ausgesetzt. sich deutlicher ab. Die Grundrisse haben die Seit Langem gehen wir davon aus, dass gleichen Maße wie die von Theilenhofen das Kastell mit dem in der Tabula Peutinge- oder Pförring und wir dürfen daher eine ähn- riana genannten celeusum zu identifizieren liche Besatzungsstärke annehmen. ist. Eine heute in der Kirchhofmauer von Zur Kastellmauer, zu den Grundrissen Pförring vermauerte Bauinschrift aus dem der Torbauten sowie zum Verlauf der Außen- Jahr 141 n.Chr. nennt eine ala I Flavia Singu- gräben oder zur Struktur des Kastellvicus lie- larium pia fidelis civium Romanorum. Es wird gen bisher noch keine Messungen vor. angenommen, dass diese Reitereinheit seit Aber auch hier wäre durch eine geophy- ihrem Erstnachweis in Raetien 107 n.Chr. sikalische Erkundung sicher noch eine Viel- hier auch stationiert war, vermutlich bis zum zahl weiterer Erkenntnisse zu erwarten. Ende des Kastells um die Mitte des 3. Jahr- hunderts. Auf diese Truppe geht auch ein Das Reiterkastell Celeusum Weihestein an die Götter des Exerzierplatzes bei Pförring, (campestres) und die Pferdegöttin Epona Lks. Eichstätt, Oberbayern zurück. Allerdings waren auch Personen Etwa 2 km nördlich des heutigen Flusslaufs anderer Truppengattungen in Pförring aktiv. der Donau, nordwestlich von Pförring, auf Nachdem die Prospektion im Innenbe- halbem Weg zwischen den älteren Kastellen reich während der Jahre 2005/2006 weitge- Kösching und Eining, liegt das römische Kas- hend abgeschlossen werden konnte10, ist im tell Pförring. Die fast quadratische, nach den Jahr 2007 erstmals im nordöstlichen Teil des Messungen der Reichs-Limeskommission Vicus gemessen worden (Abb. 8). 201× 194 m große Anlage liegt auf einer kleinen Aufgrund der dichten Heckenbepflanzung natürlichen Anhöhe am Nordost-Rand des wird uns die Steinumwehrung des Kastells Kelsbachtals. Mit der Ausrichtung der Praeto- für die Prospektion in den nächsten Jahren rialfront nach Nordwesten liegt es so, dass die von Eining kommende römerzeitliche 16 J. Fink, Das Kastell Pförring. ORL B Nr. 75 (1902). 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:53 Uhr Seite 168

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3 2 aufweisen, hat der mittlere keine Unterbre- 1 chung. Vom äußeren Graben bis zum Beginn der Vicusbebauung findet sich ein etwa 60 m breiter Bereich der frei von jeder Bebauungs- Abb. 9 Pförring. Digital spur ist. Sehr schön sind hier auch die römi- geführter Plan der schen Straßen mit ihren Abzweigungen zu Innenbebauung des erkennen. Die Magnetometerdaten lassen römischen Kastells mit unzugänglich bleiben. Um dennoch neue darauf schließen, dass noch Teile des Stra- der geophysikalisch/ Information zur Umwehrung zu bekommen, ßenpflasters im Boden vorhanden sind. archäologischen Inter- wurde versucht die Messfläche so dicht wie Das Messergebnis im Inneren des Kastells pretation der Magneto- möglich an das Kastell anzuschließen. So bietet eine ganze Anzahl unerwarteter, da aus metermessung. konnten auf der Nordostseite die Kastellgrä- Luftbildern bisher nicht ersichtlicher Befunde ben auf einer Länge von mehr als 200 m zur Vorgeschichte des Areals (Abb. 9). Die erfasst werden. Wo J. Fink bei seinen Unter- erste Besiedlung des Platzes dürfte wohl suchungen nur auf zwei an den Toren unter- schon während des Neolithikums stattgefun- brochene Gräben gestoßen ist, befinden sich den haben. Im Messbild ist deutlich ein Dop- in unseren Messungen an der porta dextra pelgraben (1) zu erkennen, der nach seiner drei Umfassungsgräben. Während der innere ovalen Form als endneolithisches, vielleicht und der äußere Graben hier eine Erdbrücke altheimerzeitliches Erdwerk zu interpretieren 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:53 Uhr Seite 169

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sein dürfte. Das Grabenwerk liegt im südli- Abb. 10a, b Hienheim. chen Eck des Kastells, ist durch die Messung a) Magnetogramm und nur etwa zur Hälfte erfasst und umschließt Resistogramm des mit seinen zwei parallel verlaufenden Grä- Kleinkastells. Cäsium- ben eine Innenfläche von ca. 40× 80 m. Smartmag SM4G-Spezial- Darüber, ebenfalls in der Südecke des Kastells Magnetometer, Duo- gelegen und Nord-Süd bzw. Ost-West orien- Sensor-Anordnung, tiert, zeigt sich der Doppelgraben eines ver- Dynamik ± 10 nT in 256 mutlich hallstattzeitlichen Herrenhofes (2). Graustufen, Empfindlich - Der Grabenverlauf der Südseite ist nicht keit ± 10 pT, 0,5 × 0,25 m mehr zu erkennen, aber im Norden befindet Messpunktabstand, sich ein Annex (3), dessen zwei parallel ver- 40-m-Gitter, Auswertung laufende Gräben genau unter dem Grundriss als Quadratenmittel. der principia nach Osten abbiegen und in b) Resistogramm, RM15 dieser Richtung noch ca. 100 m weit bis zum 2 × 0,5 m Twinelektrode Rand der Kastellfläche zu verfolgen sind. im Halbmeterraster, Vielleicht handelt es sich dabei auch um eine Dynamik 30/40 Ohm m ältere, größere Anlage. in 256 Graustufen, 20- Aber auch zur nachrömischen Entwick- m-Gitter. lung gibt das Magnetogramm Auskunft. Über den Spuren des Römerlagers befindet sich in der Nordecke der principia eine kleine mittel- alterliche Kapelle mit apsidialem Grundriss und einer Ausdehnung von 8× 12m (4). Schon aus früheren Luftbildern bekannt, nimmt sie in keiner Weise auf die Orientie- rung der römischen Baustrukturen Bezug, sondern ist exakt nach Osten ausgerichtet. Auf die römische Bebauung innerhalb wachturm interpretiert, da ihre genaue Größe des Kastells soll hier nicht mehr näher einge- nicht bekannt war. Durch die Widerstands- gangen werden, da die Ergebnisse bereits im messung und die Magnetometerprospektion Archäologischen Jahr in Bayern 2006 detail- ist sie seit 2007 in allen baulichen Details liert vorgestellt wurden. erfasst und kartiert. Demnach zeigt sich ein massiver etwa 16× 16m großer Steinbau. Der Eine neu entdeckte Feldwache Haupteingang im Norden ist der Limesmauer bei Hienheim zugewandt, im Süden könnte ein weiterer Etwa 3 km nördlich und in Sichtweite des Zugang sein. Im Inneren sind eine Holzver- römischen Grenzkastells Abusina-Eining, nur bauung, Kellergruben und Feuerstellen, aber ca. 50 m vom Limes entfernt, liegt die Feld- weder eine klare Raumteilung noch Stein- wache von Hienheim (Lkr. Kehlheim). Seit grundrisse zu erkennen (Abb. 10). Die Nutz- 1979 ist sie durch die Luftbildprospektion ent - fläche dürfte knapp 200m2 betragen haben. deckt und in den folgenden Jahren mehrfach Ungewöhnlich ist der Befund, dass der doku mentiert worden. Solange die Luftbilder Umfassungsgraben nur die nördliche, dem weder entzerrt noch zu einem Digitalplan ver- Limes zugewandte Hälfte des Bauwerkes arbeitet waren, wurde sie fälschlich als Limes- umschließt17. Davor scheint im Messbild noch eine zweite Mauer zu sein. Ob es sich

17 D. Baatz, Zur Funktion der Kleinkastelle am Obergerma- dabei allerdings tatsächlich um eine zweite nisch-Raetischen Limes. In. A. Thiel (Hrsg.), Forschungen Schutzmauer handelt oder ob nicht Teile der zur Funktion des Limes. Beitr. Welterbe Limes 2 (Bad Hom- burg 2007) 9 –25. inneren Mauer in den Graben gestürzt sind, 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:53 Uhr Seite 170

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lässt sich weder aus der Magnetometer- noch an der verwendeten Magnetometerkonfigu- aus der Widerstandsprospektion zweifelsfrei ration sowie daran, dass viele Anlagen mögli- entscheiden. Definitiv existiert jedoch im cherweise durch Brand zerstört wurden.12 Süden kein Umfassungsgraben. Geophysika- Auch wenn noch eine Vielzahl von Fragen lisch ist nicht zu erklären, warum er sich unbeantwortet bleiben, sei es wegen der fort- gerade hier – falls vorhanden – nicht geschrittenen Erosion oder durch ungenü- abzeichnen sollte. Entweder war das Bauwerk genden Kontrast in den magnetischen Eigen- so geplant oder seine Ausführung konnte in schaften unterschiedlicher Böden, so sind römischer Zeit nicht vollendet werden. doch die Position, die Größe und die Grund- einteilung der Strukturen eindeutig erfassbar. Zusammenfassung Im Besonderen lässt sich durch die geophysi- Wie die Magnetometerprospektion uns in die kalischen Messungen nicht nur die Truppen- Lage versetzt, komplette Kastellpläne so ein- stärke der hier jeweils stationierten Einheiten deutig zu erkennen, liegt zu gleichen Teilen genauer ermitteln, sondern auch die Pläne von alten Grabungen der Reichs-Limeskom- Anhang mission vervollständigen Leider werden viel zu häufig die Ergebnisse Prospektionen von Limes-Kastellen in Bayern (Stand 8/2008): aus der Magnetometrie, Widerstands- oder Radarmessung aber auch der Luftbilder ledig- ORT/OBJEKT ERGEBNIS PUBLIKATION lich illustrativ eingesetzt. Dabei wird vielfach Wörth a. Main dig. Plan Fassbinder/Lüdemann 2002 außer Acht gelassen, dass diese Messbilder, Theilenhofen dig. Plan Fassbinder 2008 sobald sie als Bild verarbeitet und nur noch Ruffenhofen Plan Becker 1998, 1999, 2003 in den entsprechenden elektronischen Bild- Gnotzheim dig. Plan (in Vorbereitung) formaten festgehalten und abgespeichert Weißenburg dig. Plan Pietsch/Fassbinder 2007 werden, ihrer Absolutdaten beraubt sind. Ihr Burgsallach dig. Plan (in Vorbereitung) Potenzial bleibt damit in großen Teilen für Munningen dig. Plan (in Vorbereitung) die archäologische Interpretation ungenutzt. Böhming dig. Plan Fassbinder 2008 Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft die Pfünz dig. Plan Fassbinder 2008 Pförring dig. Plan Fassbinder 2007 Daten zentral gespeichert sowie geophysika- Eining dig. Plan (in Vorbereitung) lisch ausgewertet werden, um als Grundlage und Basis zur Erstellung detaillierter archäo- logischer Pläne auch später der Forschung Weitere Prospektionen von Kastellen und römischen Lagern in Bayern: noch zur Verfügung zu stehen.

ORT/OBJEKT ERGEBNIS PUBLIKATION Jörg W. E. Fassbinder Marktbreit dig. Plan Becker et al. 1988 Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Burghöfe dig. Plan Fassbinder und Ortisi 2004 Referat Archäologische Prospektion Aislingen Plan unpubliziert Hofgraben 4, 80539 München Pfatter-Gmünd dig Plan Fassbinder/Pietsch 2005 E-Mail: [email protected] Kleinkastell Hienheim dig. Plan Fassbinder 2008 154-171 Limes_Bd3_Fassbinder_korr_JU 17.08.2008 15:53 Uhr Seite 171

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Literaturverzeichnis Abbildungsnachweis:

FASSBINDER, Geophysikalische Prospektion Abb. 1 Bayerisches Landes amt für Denkmal- J. W. E. Fassbinder, Geophysikalische Prospek- pflege. Luftbildarchäologie, Aufnahmedatum tion: Unter Acker und Wadi: Magnetometer- 18. Juli 1983, Foto: O. Braasch, Archiv-Nr. prospektion in der Archäologie. In: G. A. 6930/006, Dia 3185IR Nr.15; Abb. 2 Magne- Wagner (Hrsg.), Einführung in die Archäo- tometrie: Jörg Fassbinder, Archiv-Nr. metrie (Berlin 2007) 53 –73. 6930/006; Abb. 3 Digital geführter Plan: Jörg Fassbinder/Josef Lichtenauer, Autocad-Plan FASSBINDER ET AL., Celeusum Nr. 6930/006.; Abb. 4 Foto: O. Braasch, J. W. E. Fassbinder / C. S. Sommer / Archiv. Nr. 7134/054a, Dia 7223, Nr. 5; K. Berghausen, Magnetometerprospektion Magnetogramm, Jörg Fassbinder; Abb. 5 des Reiterkastells Celeusum bei Pförring, Digital geführter Plan: Jörg Fassbinder/Josef Landkreis Eichstätt, Oberbayern. Arch. Jahr Lichtenauer, Autocad-Plan 7134/052a; Abb. 6 Bayern 2006, 94 –97. Magnetometrie: Helmut Becker, Jörg Fassbinder, ORL Winkelmann, Archiv-Nr. ORL 7132/051; Abb. 7 Digital geführter Plan: Jörg E. Fabricius/F. Hettner/O. von Sarwey (Hrsg.), Fassbinder/Josef Lichtenauer, Autocad-Plan Der Obergermanisch-Raetische Limes des 7132/051; Abb. 8 Foto: K. Leidorf, Archiv Nr. Römerreiches. Abt. B Kastellbeschreibungen 7136/068b, Dia 7628 Nr. 14, Magnetogramm, (Berlin, Leipzig, Heidelberg 1894 –1937). Jörg Fassbinder, Archiv-Nr. 7136/068B; Abb. 9 Digital geführter Plan: Jörg Fassbinder/Josef REUTER, 254 n. Chr. Lichtenauer, Autocad-Plan 7136/068; Abb. 10 M. Reuter, Das Ende des Raetischen Limes Magnetometrie: Tomasz Gorka, Archiv-Nr. im Jahr 254 n. Chr. Bayer. Vorgeschbl. 72, 7136/071b. 2007, 77 –149. 172-181 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:53 Uhr Seite 172

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ARCHÄOLOGIE IM KARPFENTEICH NEUES AUS DEM RÖMISCHEN VICUS VON DAMBACH Von Wolfgang Czysz

m Limeswerk erschienen 1901 die von (0,97 ha) Größe liegt mit seiner Schmalseite IGeneralmajor a. D. K. Popp bearbeiteten zum Limes. Das übermannshoch vorzüglich Ergebnisse des Streckenkommissars Wilhelm erhaltene Nordtor (Abb. 3) befindet sich im Kohl, der in den Jahren zwischen 1892 und Ufersaum des Kreutweihers. Beide Schmalsei- 1896 eine Reihe kleinerer Untersuchungen ten im Osten und Westen wurden zu einem um die Hammerschmiede von Dambach unbekannten Zeitpunkt um 50 m vorgescho- durchgeführt hatte. Die spektakuläre Entde- ben, sodass das jetzt langgestreckte Kastell ckung des ersten Grabungsjahres war jener mit 115× 187 m (2,15 ha) quer zur Talrich- 90m lange Holzrost aus rund 2000 Pfählen, tung lag (Abb. 2). Seine Orientierung bleibt die als Fundament der Raetischen Mauer in ebenfalls unsicher; aus topografischen Grün- den morastigen Boden des Moosgrabentals den müsste es nach Osten zur Straße hin aus- eingerammt worden waren (Abb. 1). Die gerichtet gewesen sein. Auffällig ist, dass die Fotografien Kohls haben Generationen von vermutlich ebenso auf Pfählen gegründeten Archäologen beeindruckt, nicht zuletzt des- Türme des Osttors mit 6,8 m Tiefe deutlich halb, weil darin auch die bis heute noch größer als die übrigen drei Lagertore waren. ungewisse Datierung der Teufelsmauer steckt. Dass um 170/180 die cohors II Aquitanorum Der Pfahlrost verdankt Existenz und (equitata) aus Regensburg-Kumpfmühl nach Abb. 1 Kastell Dam- Erhaltung dem flachen Muldental des Moos- Dambach verlegt worden sein könnte, bleibt bach. Fundamentpfähle grabens, das von wasserundurchlässigen Ton- Vermutung. der Raetischen Mauer schichten unterlagert wird und den Grund- Der verschachtelte Gebäudekomplex im im Kreutweiher 1896. wasserstau bzw. die Vernässung des Bodens Kastellinnern wurde als Kommandantenhaus bewirken. Aber auch knapp 100 m südlich im Süden und Magazin- bzw. Verwaltungs- der Limeslinie offenbaren sich die Folgen der anbauten im Norden gedeutet, das westlich örtlichen Hydrogeologie: In den letzten anschließende Gräberfeld ins Frühmittelalter Abb. 2 Kastell Dam- Jahrzehnten sind immer wieder Hölzer von datiert, obwohl kein einziges Grab mit bach. Übersichtplan römischen Vicusbauten zum Vorschein Beigaben versehen war. Unter dem Lesefund- (Stand 2008) gekommen, deren Bestand im Folgenden vorgestellt wird. Das Kastell Dambach1 ist allem Anschein nach erst nachträglich in die bestehende Postenkette des Limes eingefügt worden, wodurch die nahen, jedoch nicht untersuch- ten Türme WP 13/34 und 13/35 am Talrand an Bedeutung verloren2. Wann das erste (vorantoninische?)3 Kastell aus Holz oder Stein errichtet wurde, bleibt unbekannt. Das vermutlich ältere Steinkastell mit 115× 85 m

1 ORL Abt. B 69 (1901). 2 ORL A Str. 13 (1930) 40 ff. 3 Der einzige Anhaltspunkt, ein Stempel des südgallischen Töpfers Avitus, wenn er überhaupt mit jenem identisch ist, bezieht sich auf die Strecke, nicht das Kastell (ORL A 13, 42 Anm. 1). 172-181 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:53 Uhr Seite 174

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Dementsprechend ungewöhnlich und in sei- ner Bedeutung noch nicht zu verstehen ist ein zweiter Vicuskern (II), der sich im Osten entlang der in weitem Bogen nach Süden kurvenden Straße nach Unterschwaningen und weiter ins Ries zu einem recht ausge- dehnten Siedlungskomplex entwickelt hat.5 Ein außerhalb der zusammenhängenden Besiedlung liegender Steinbau beiderseits des heutigen Fahrwegs könnte wegen seiner separierten Lage auf eine mansio deuten. So lassen sich im Befundbild durchaus neue Strukturen erkennen, die aber noch weit von einem wirklichen Verständnis der Siedlung und seiner Entwicklung entfernt ist. Die Geschichte dieses Militärplatzes am Abb. 3 Kastell Dam- material des Moosweihers befinden sich, wie Limes bleibt mit vielen Fragezeichen verse- bach. Nordtor im Ufer- B. Steidl nachwies, hochwertige mittelalterli- hen, so auch sein Ende, das nach alten Beob- saum des Kreutweihers. che Pferdegeschirrteile, die mit einem frühen achtungen im Kastellinnern um die Mitte Kloster an der Nonnenfurth zusammenhän- des 3. Jahrhunderts in einer Brandkatastro- gen könnten. Damit entpuppt sich das ver- phe untergegangen sein soll. Immerhin fal- meintliche Praetorium wahrscheinlich als len germanische Hinterlassenschaften auf. wüst gewordenes hochmittelalterliches Klos- ter, das Reihengräberfeld als der zugehörige Das Vicusareal vor dem Osttor Friedhof. Seit den späten 1950er-Jahren sind Teile des Die elliptische Schanze Wolfsgrube im holzerhaltenen Lagerdorfs der Anlage und Wald, 235 m östlich des Kastells, hat E. Fabri- Erweiterung von drei Karpfenteichen nach cius 1930 mit Hinweis auf ähnliche Anlagen und nach zum Opfer gefallen: 1958 bei beim Taunuskastell Zugmantel als Tierzwin- Anlage der sogenannten Winterung, um ger gedeutet, in dem gefangene Wildtiere 1960 beim Bau des Hammerweihers und für den Abtransport in die Amphitheater 1975 beim Aushub des Moosweihers, der gesammelt wurden. Seine Innenmaße von 1986 noch einmal nach Südosten erweitert ursprünglich kaum mehr als 32× 28 m (rund wurde. Durch einen Eigentümerwechsel 700 m2) erlaubten sicher keine Paraden oder 2006 einerseits und die durch Biberbaue Reiterspiele, wie sie in der römischen Kaval- durchbruchgefährdeten Dämme anderseits lerie in ritualisierter Form üblich waren. mussten alle drei Teiche 2006 unter Aufsicht Allenthalben Tierschauen oder Einzelkämpfe der Unteren Denkmalschutzbehörde 2007 mit Bären oder Wölfen oder ähnliche Darbie- abgelassen (entlandet) werden, wobei der tungen kann man sich vorstellen, die zu Weihergrund der Hammerweiher unter Auf- besonderen Anlässen oder Ereignissen im sicht des Bayer. Landesamtes für Denkmal- Kaiserhaus gestiftet und organisiert wurden.4 pflege entschlammt wurde. Das Lagerdorf (Vicuskern I) erstreckt sich zunächst im Süden des Kastells beiderseits der Ausfallstraße, an der auch ein Gräberfeld 4 J. Wahl, Gladiatorenhelmbeschläge vom Limes. Germa- nia 55, 1977, 108 –132, bes. 125 f. mit Abb. 6; H. Kerscher, nachgewiesen wurde. Einige Gräber liegen Zur Neuvermessung des römischen Amphitheaters im Ham- auch an der westlichen Ausfallstraße. Gleich- merschmiedschlag bei Dambach, Lkr. Ansbach. Jahrb. Bayer. Denkmalpflege 58/59, 2004/2005, 177 –178. wohl deutet das Luftbild (Abb. 4) eine 5 F. Leja/H. Thoma, Archäologische Sondagen in Wind- kompliziertere, noch unklare Lage und Ent- würfen – Ein römischer Friedhof und Spuren des Lagerdor- fes beim Kastell Dambach. Arch. Jahr Bayern 1990 (1991) stehung der Straßen um das Kastell an. 113 –115. 172-181 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:54 Uhr Seite 175

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Abb. 4 Kastell Dam- bach. Luftbild von Nor- den, die Kastellgräben und Straßenzüge im Vicus.

Die Holzbauten im 2002 wurde der Winterweiher durch Winterweiher G. Schönfeld untersucht, wobei Reste der Im Bereich des Winterweihers hatte Chr. schwarzen organischen Masse im Zentrum Pescheck 1959 eine Notgrabung vorgenom- und am Westrand des Sees zwar noch erhal- men und im schlammigen Boden drei Strei- ten, im Ufersaum aber bereits nur noch der fenhäuser freigelegt (Abb. 5). Die beiden gewachsene helle Sand zum Vorschein kam westlichen besaßen eine gemeinsame Längs- und zumindest dort die tiefgründige Zerstö- wand in Schwellbalkentechnik und waren rung dokumentierte. Wichtig war aber, dass von dem östlichen durch einen Korridor noch einige der nach der pescheckschen getrennt. Die liegenden Balken waren an den Grabung im Boden gebliebenen Bauhölzer Enden überkämmt, die Wandständer saßen und eingerammten Pfähle vorhanden waren in Zapflöchern. Auffällig ist, dass der breitere und identifiziert werden konn- Ostbau nachträglich mit einer steingesetzten ten, nämlich die gemeinsame Innenwand versehen wurde, und einige Längswand der Streifenhäuser Ecken (später?) durch eingerammte Pfähle 1 bis 2 und einige einge- gesichert oder verstärkt wurden. Im nassen rammte Pfähle. Der Großteil Milieu der Siedlungsschicht hatten sich der übrigen, zum Teil recht Lederschuhe/-sohlen und andere organische massiven Holzlagen südlich Materialien erhalten; paläobotanische Unter- des Hauses 1 waren in Folge suchungen waren damals noch nicht möglich. der jährlichen Entlandungen Über die Jahre sind die Teiche immer verschwunden. Dabei ist der wieder abgelassen und entschlammt worden, Teich auch gewachsen, die Ufer wobei der archäologische Befund oder was hatten sich um zwei und mehr von ihm jeweils noch erhalten war, immer Meter vorgeschoben (Abb. 5, 6). wieder durch die Bagger herausgerissen und Die bedauerliche, aber wichtige Beobach- Abb. 5 Kastell Dambach. Zug um Zug zerstört wurde. tung bei der Entlandung im Jahr 2006: Es Notgrabung in zwei Bei einer einzigen, sozusagen denkmal- waren keine Hölzer oder Funde mehr in situ Vicusgebäuden. pflegerisch begleiteten Entlandung im Jahr erhalten. Auch in einem von R. Frank doku- 172-181 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:54 Uhr Seite 176

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2006 war der Befund wie im Winterweiher eindeutig: Alle archäologischen Spuren sind über die Jahre tiefgründig beseitigt worden.

Die Holzbauten im Moosweiher Der dritte und größte Weiher ist der Moos- weiher; er liegt direkt im Osten vor der Kas- tellfront (Abb. 8). Er wurde wohl im Winter 1975 angelegt und im Februar 1975 durch den Grabungstechniker der Außenstelle Nürnberg, W. Auer, in einer knappen Plan- zeichnung (17.02. 1975) aufgemessen. Die Abb. 6 Kastell Dam- mentierten Profil konnte man eindeutig Reste von vermutlich zwei Streifenhäusern bach. Holzbefunde im erkennen, dass die stark organisch durchsetz- zeigen Schwellbalkenkonstruktionen und Winterweiher 1959, ten archäologischen Schichten bis auf eine Längswände aus zum Teil eng gesetzten, ein- 2002 und 2007 im Ver- Tiefe von fast 1,5 m vollständig ausgeräumt gerammten Pfeilern. Detaillierte Holzzeich- gleich dokumentieren worden waren. Selbst tiefer eingerammte nungen, Vermassungen o. Ä. waren in der den Substanzverlust. Pfosten hatten keine Chance, die Ausräu- kurzen Zeit wohl nicht möglich; die Hölzer mungsprozedur zu überstehen (Abb. 7). selbst wurden nicht geborgen. 11 Jahre später, im Dezember 1986, Die Holzbauten im wurde der Karpfenteich entschlammt und Hammerweiher nach Südosten erweitert; dieser Bereich 1960 wurde der Hammerweiher angelegt; ein wurde vom Bayer. Landesamt für Denkmal- Abb. 7 Kastell Dam- zufällig erhaltenes Luftbild der Landesver- pflege (F. Leja) in einer Notmaßnahme aufge- bach. Aufgearbeitete messung6 zeigt fleckige dunkle Verfärbung nommen und dokumentiert (Abb. 8, 9).7 Die römische Siedlungs- auf der Sohle und allenthalben im Westteil Holzbefunde zeigten erneut eine Mischbau- schichten im Winterwei- andeutungsweise, aber unsicher, lineare Bau- weise aus liegenden Balken, die unterschied- her (Profil 2007). strukturen. Bei der kontrollierten Entlandung lich große Raumeinheiten markieren, und eingerammten Pfahlreihen. Mit Ausnahme des Befundkomplexes an der Nordseite zeigt sie eine einheitliche Ausrichtung der Gebäude nach Norden. Am Südufer, rund 50 m südlich der geradlinig aus dem Kastell kommenden Straße, wurde ein massiver Holzbefund von in vier Lagen kreuzweise aufgeschichteten Stämmen angetroffen, der nicht unähnlich der Situation vor dem Streifenhaus 1 im Winterweiher ist und dort am ehesten mit einer Straßen- oder Brückensubstruktion zusammenhängen könnte. Der Holzbefund im Moosweiher steckte auch im Jahr 2006 noch im südlichen Seeufer. Im Südwesten des Weihers führen zwei lange eingerammte Pfeilerreihen zu der tiefsten Stelle des Geländes, dort, wo heute das Abflussbauwerk, der sogenannte Mönch, den Wasserstand reguliert. 172-181 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:54 Uhr Seite 177

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Die organisch verfärbte schwarze Aus- hubmasse war 1986 mit Kettenraupe ver- schoben und außerhalb im Wiesengelände südlich und östlich des Sees ausplaniert wor- den. Dieser Umstand erklärt die seinerzeit überwiegend durch Sondengänger geborge- nen Fundmassen. Bei der 2006 durch Biberschäden not- wendig gewordenen Dammreparatur wurde der See erneut abgelassen. Dabei kamen rund 140 meist angespitzte/eingerammte Rund- pfähle zum Vorschein; an mehreren Stellen waren liegende Balken sichtbar, bei denen jedoch nicht klar war, ob es sich um ausgeris- sene, wieder einsedimentierte Stämme oder um Originalbefunde in situ handelte (Abb. 10). Unsichtbare, nur durch den Schlick sozusagen fühlbare weitere Hölzer konnten aus Sicher- heitsgründen in tiefgründigem Schlamm nicht eingemessen und dokumentiert wer- Parallel dazu haben wir die erreichbaren Pfos- Abb. 8 Kastell Dam- den. Lediglich im trittfesten Randbereich tenköpfe tachymetrisch eingemessen10; alle bach. Der holzerhaltene wurden einige Pfosten und Hölzer näher Aufmaße sind in Abb. 8 eingeflossen. Dabei Vicusbereich vor dem untersucht und liegende Hölzer geborgen. zeigte sich sehr deutlich der pfostenfreie Osttor des Kastells Zunächst wurde der Versuch unternom- innere Ufersaum wie im Winterweiher sowie (Stand 2008). men, die Hölzer einzumessen und einstwei- mögliche Fehlstellen im versumpften Seezen- len so lange zu erhalten, bis das weitere Vor- trum, wo die Hölzer möglicherweise noch gehen geklärt war. Die ersten Luftaufnahmen vollständig von Schlamm bedeckt sind. Abb. 9 Kastell Dam- mit einem ferngesteuerten Motorsegler8 zeig- Die Gebäudereste im Winterweiher lassen bach. Notgrabung 1986 ten, dass auf diese Weise rasch brauchbare sich wie die Befunde im Moosweiher dem im ausgeräumten Moos- Senkrechtaufnahmen gemacht werden konn- Streifenhausstyp zuordnen. Die Gebäudebrei- weiher. ten. Mithilfe einer terrestrischen Laservermes- sung durch das Ingenieurbüro E. Christofori und Partner9 wurden die aus dem Seegrund herausragenden Pfostenköpfe dokumentiert und in einen georeferenzierten Höhen- schichtplan mit Holzeinträgen umgearbeitet.

6 OA Nürnberg. 7 Archäologische Funde und Ausgrabungen in Mittelfran- ken, Fundchronik 1970 –1985. Jahrb. Hist. Ver. Mittelfran- ken 93 (Ansbach 1986/1987) 266 –277; H. Koschik, Wieder eine archäologische Feuerwehraktion im Kastellvicus von Dambach. Arch. Jahr Bayern 1986 (1987) 119 –121. 8 Für die Zusammenarbeit danke ich den Herren A. Müller, R. Prangley und M. Rajkay von der Modellsportgruppe Schwabmünchen. 9 Dank gilt auch dem Ingenieurbüro Christofori, Roßtal, und seinen Mitarbeitern, Herrn E. Christofori und J. Bierwagen. 10 Für die tatkräftige Unterstützung danke ich den Grabungs- technikern von der DST Nürnberg R. Frank, E. Birngruber und F. Wagner, die auch bei der Umarbeitung der verschiede- nen Pläne mitgewirkt haben. Der Übersichtsplan wurde von S. Köglmeier von der DST Thierhaupten zusammengefügt und für den Druck digital bearbeitet; auch dafür danke ich herzlich. 172-181 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:54 Uhr Seite 178

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ten liegen hier bei 8 bis 10 m, die Gebäude- wird11, zeigt viele Facetten: Guß- und Schla- parzellen im Moosweiher sind mit bis zu 50m ckebrocken, Halbfabrikate und Formdetails ungewöhnlich lang gestreckt. Obwohl in beweisen, dass hier Gold-, Silber- und Bron- keinem Fall mit Sicherheit zu sagen ist, wo zeschmiede am Werk waren. Trachtbestand- Gebäudefront und rückwärtiger Teil liegen, teile und Militaria, vor allem aber die 394 geben doch das Hanggefälle und die Positio- Münzen starke Münzreihe belegt eine uner- nierung zu der einstweilen vermuteten Stra- wartet späte Zeitstellung. Die Münzkurve ßenachse einen eindeutigen Hinweis auf die erreicht mit 112 Münzen des Septimius Seve- Gebäudeausrichtung nach Norden. rus einen ersten Höhepunkt und vermittelt Zunächst fällt auf, dass die Ausrichtung ein starkes Argument für die späte Zeitstel- der liegenden Wandhölzer wie der einge- lung dieses Vicusteils. Die Münzreihe endet rammten Pfähle im Winterweiher trotz ähn- bereits wieder mit Prägungen des Philippus licher Laufrichtung doch deutlich stärker Arabs 244 –249, der mit vier Münzen vor- voneinander gedreht sind, sodass sie sich handen ist. Germanische Objekte des 3. Jahr- nicht auf die gleiche Straße beziehen kön- hunderts, eine elbgermanische Tierfibel, eine nen. Verlängert man die Kastellachse geradli- Armbrustfibel und eine stabförmige Riemen- nig nach Osten, kann man die Streifen im zunge mögen eine Richtung der Interpreta- Moosweiher problemlos auf diese Messlinie tion andeuten. beziehen. Allerdings weichen die Häuser 1 bis Die unerwartet späte Zeitstellung der 3 im Winterweiher nicht nur von der Rich- Metallfunde (im Übrigen auch der Keramik- tung, sondern auch von ihrer Entfernung zur formen) wird vor allem durch die vorerst Straße so weit ab, dass man eine zweite noch nicht so starke Liste der Dendrodaten Straße nach Nordosten, eine Gabel vor dem gestützt, die mit 47 Hölzern einen Grün- Osttor postulieren muss. Die vorerst beste dungszeitraum ebenfalls in severischer Zeit Lösung ergibt sich, wenn wir eine zweite bestätigen12: Straße aus dem Osttor der jüngeren Kastell- periode annehmen, dann müsste im Übrigen Dambach 1975 nach 154 Dambach 1986 nicht vor 192, nach 197 die Gebäudefront erfasst sein; die parallel Dambach 2002 um 200 aneinandergereihten liegenden Hölzer dürf- Dambach 2006 nach 196, vermutlich 221 ten dann vielleicht vom Unterbau bzw. der Lauffläche eines Porticus, wenn nicht von einer Art Sumpfbrücke stammen, der die Die Wassermühle morastige Tiefzone des Tals überwand. Abgesehen von den historischen Perspekti- Die Annahme einer zweiten Straße, die ven, die dieser Fund- und Zeithorizont bie- sich spitzwinklig vor dem Tor gabelt, ist gut tet, soll zum Abschluss noch einmal kurz das zu erklären: Die eine zieht als Versorgungs- topografisch-hydrologische Problem ange- straße in Richtung Amphitheater und weiter sprochen werden, das für die Vernässung des an den Limes, die andere führt in weitem Moosgrabentals und die Holzerhaltung vor Bogen nach Osten durch den Vicuskern II dem Osttor des Kastells verantwortlich war. zum Kastell Unterschwaningen, und vermei- Generell ist die Versumpfung durch unterla- det so die sumpfigen Flächen des Moosgra- gernde Tonschichten bedingt; der Effekt wurde bentals. Die holzerhaltenen Areale im verstärkt durch die Tatsache, dass das Kastell Bereich der Karpfenteiche sind trotz ihrer 11 Herzlich danke ich Herrn B. Steidl (ASM) für die Durch- Lage jenseits des Moosgrabens wohl dem sicht der Funde und seine ersten Erkenntnisse, die ich in diesem Zusammenhang einbauen durfte. Zu danken ist Siedlungsbereich I zuzuordnen. auch Prof. Dr. M. Mackensen (Institut für Vor- und Frühge- Das umfangreiche Fundmaterial, das auf schichte und Provinzialrömische Archäologie der Univer- sität München), der Frau V. Selke mit der Bearbeitung des dem Osterburkener Kolloquium von B. Steidl Fundstoffs betraut hat. vorgestellt wurde und jetzt erfreulicherweise 12 Die Hölzer wurden von F. Herzig, Dendrolabor des BLfD in Thierhaupten bearbeitet, wofür auch ihm herzlich Dank in einer Münchener Dissertation bearbeitet abzustatten ist. 172-181 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:54 Uhr Seite 179

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Abb. 10 Kastell Dam- bach. Pfostenköpfe ragen aus dem Sumpf des abgelassenen Moos- weihers. 3-D-Vermes- sung im Südteil des Moosweihers im Jahr 2007.

auf einer vorspringenden Landzunge liegt, holzverschalten Kanal. Dafür kommt eine die das Tal auf knapp 100 m verengt. Dabei ganz unerwartete, aber überzeugende Erklä- hat das Kastell mit seiner Nordfront den rung aus dem geborgenen Fundstoff: Im süd- Staueffekt sicher noch verstärkt. Immerhin lichen Quadranten 29/31 des Moosweihers markiert die Länge des Pfahlrosts der Teufels- wurde im Zug der Seegrundausräumung im mauer von 90 m die Breite der schon in der Jahr 1985 in rund 1 m Tiefe eine zunächst als Römerzeit „schwimmenden Talniederung“, „Eisenhacke“ verkannte Mühlenhaue gebor- in die das Vicusareal I hineingebaut wurde. gen (Abb. 11, 12). Topografisch gibt es keine andere Mög- Mit einer Gesamtlänge von 80,6 cm, lichkeit, als dass der Moosgraben zwischen einer Breite des Mitnehmers von 27,5 cm dem Kastell und den ersten Holzgebäuden im erhaltene Länge und einem Gewicht von Winterweiher und im Moosweiher hindurch 4,7kg handelt es sich um die Getriebeachse floss. Dabei wird der vermutliche Korridor des einer schnelllaufenden Mühle. Form und heute meterbreiten Bachs, der unterhalb, im Details lassen keinen Verdacht aufkommen, Süden des Kastells, fast 2 m tief eingeschnitten dass es sich um ein mittelalterliches oder ist, noch durch den oder die Gräben des Kas- jüngeres Bauteil handeln könnte. Vergleich- tells bzw. seines Annexes verengt, wenn es sich bare Mühlenhauen sind im römischen Fund- bei der östlichen Mauer-erweiterung um den material zwar außerordentlich selten; wegen letzten Zustand des Kastells handelt. Unsicher ihres hohen materiellen und technischen bleibt, ob die Ostseite mit einem oder zwei Werts sind sie unter normalen Umständen Gräben bewehrt war; W. Kohl beschrieb im nicht in den Boden geraten. Die Länge und Süden Doppelgräben, wie sie auch im Luft- Einzelheiten der Konstruktion stimmen mit bild andeutungsweise zu erkennen sind. den bekannten römerzeitlichen Mühlen- Man könnte auch einen Altflusslauf zwi- hauen überein; allerdings sind sie einstwei- schen den Gebäuden des Winterweihers und len kaum vom Achsstock großer Tiermüh- denen im Moosweiher diskutieren. Dann len13 zu unterscheiden. Für Dambach geben zumindest darf man die beiden 30m langen Reihen eng aneinander eingerammter Pfos- 13 Zu schnellaufenden Getriebemühlen: D. Baatz, Eiserne Dosierkegel. Ein Beitrag zur römischen Mühlentechnik. ten im Südwestteil des Moosweihers als Ufer- Saalburg-Jahrb. 47, 1994, 19 –35 mit Hinweisen auf die befestigungen deuten, die meterbreite Dop- Mühlenhauen vom Kastell Zugmantel (Brunnen 342); ders., Die Wassermühle bei Vitruv X 5,2. Ein archäologischer pelreihe a und b vielleicht sogar als einen Kommentar. Saalburg-Jahrb. 48, 1995, 5 –18, bes. 13 ff. 172-181 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:54 Uhr Seite 180

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wir können einstweilen nur vermuten, aus besonderem Anlass: Vermutlich sollte das Kastell die beiden aus dem germanischen Norden kommenden Straßen sperren und den Übergang kontrollieren, was vielleicht in Zusammenhang mit den verstärkten Sied- lungsaktivitäten im Maindreieck und/oder mit Bevölkerungsverschiebungen im thürin- gischen Raum zusammenhängt. Die gewonnenen Erkenntnisse deuten auf eine komplizierte Entwicklung des Kastells und seiner Versorgungssiedlung, die eines notwendiger denn je machen: die Erhaltung und Sicherung der Befunde im Boden. Die Abb. 11 Kastell Dam- jedoch die topografischen und hydrologi- Feuchtbodenerhaltung verlangt aber auch bach. 1985 aus dem schen Eigenschaften des Fundorts in der Tal- nach naturwissenschaftlichen Forschungs- Moosweiher geborgene niederung in/neben dem vermutlichen holz- ansätzen, um z. B. durch Pollenanalyse zu Mühlenhaue. bewehrten Wasserkanal den entscheidenden klären, wie und wann der Talgrund vernässte Hinweis auf eine Wassermühle. und warum sich die römischen Siedler am Ende der Limeszeit hier und nicht auf dem Länge der eisernen Mühlenhauen trockenen Gelände weiter im Osten nieder- gelassen hatten. Sicher ist nur, dass die Ver- 14 1. Silchester 91,6 cm nässung nicht erst in nachrömischer Zeit 2. Zugmantel I 87 cm 3. Zugmantel II 81 cm Abb. 12 Kastell Dam- 4. Gmunden-Schlagen15 ca. 80 –85cm bach. Eiserne Mühlen- 5. Dambach 80,4 cm haue, L. 80,4 cm. 6. Great Chesterford ca. 63 cm

Zusammen mit den Wassermühlen am Hadrianswall zeigt Dambach beispielhaft, dass Wassermühlen an militärischen Stand- orten in der späten Limeszeit verstärkt genutzt wurden.16

Ausblick Die dendrochronologischen Erkenntnisse, die umfangreiche Münzreihe und andere Funde deuten darauf hin, dass das Steinkas- tell später als vermutet, vielleicht erst in den Jahren um 190/200 n. Chr. angelegt und in die bestehende Limeslinie eingefügt wurde –

14 W. H. Manning, A Mill Pivot from Silchester. Antiqu.- Journ. 44, 1964, 38 –40. 15 H. Jandaurek, Ein römisches Bauwerk bei Engelhof. Oberösterr. Heimatbl. 10, 1956, 37 –49 Taf. 4, 84. 16 F. G. Simpson, Watermills and military works on Handrian’s Wall (Kendal 1976) 32ff. (Haltwhistle Burn Head), 44ff. (Chesters Bridge) und 49f. (Willowford Bridge); R. J. Spain, Romano-britisch watermills. Arch. Cantiana 100, 1984, 101 –128. 172-181 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:54 Uhr Seite 181

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eingetreten ist. Das beweist die Tatsache, dass hänge, Abfolge und Chronologie mit seinen ein Gutteil der Gebäude auf angespitzten militärischen Besatzung(en) bis zur Aufgabe Rammpfählen ruhte, eine zwar durchaus im 3. Jahrhundert durch eher minimalinva- geläufige Bautechnik der Römer, die aber sive Schnitte geklärt werden. Auch die stets nur in Feuchtarealen zum Zug kam. bemerkenswerte Differenzierung der Lager- Die Voraussetzungen für ein Forschungs- dorfkerne I und II verlangt nach Erklärun- projekt am Raetischen Limes in Dambach gen; hier könnten innovative Methoden wie sind mehr als günstig. Die Aktenlage – die das durch Airborne Laserscanning (LIDAR) Grabungstagebücher und -fotografien von gewonnene digitale Geländemodell man- W. Kohl sind praktisch vollständig im Archiv chen im Wald verborgenen Befund sichtbar des Bayer. Landesamtes für Denkmalpflege in machen. Ein wesentlicher Erkenntnisgewinn Nürnberg erhalten – ermöglicht interessante und Lösungsideen für die Feuchtbodenerhal- forschungsgeschichtliche Aspekte, die tung des Vicus sind zu erwarten. Die späte Zugänglichkeit im Gelände stellt keine Zeitstellung jedenfalls macht Dambach zu unüberwindlichen Probleme dar. Archäolo- einem zweiten Niederbieber – in Raetien. gisch kritische Bereiche wie die Südostecke des Kastells mit den zu erwartenden Kastell- Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Czysz gräben und ihren stratigrafischen Überschei- Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege dungen sind heute noch landwirtschaftlich Dienststelle Thierhaupten genutztes Ackerland oder Wiese. Im Innern Klosterberg 8, 86672 Thierhaupten des Kastells könnten bauliche Zusammen-

Literaturverzeichnis STEIDL, Fibel B. Steidl, Eine germanische Fibel aus dem ORL A Strecke 13 Vicus des Kastells Dambach. In: Festschr. H. K. Popp (Berichterstatter W. Kohl), Das Kas- Dannheimer (Kallmünz 1999) 128 –139; ders., tell Dambach. ORL B Nr. 69 (Heidelberg Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer. 1901); Abt. A Strecke 13 (Berlin/Leipzig Kat. Rosenheim (Mainz 2000) 376, Kat. 134 1930) 41 ff. FISCHER / RIEDMEIER-FISCHER, Limes PESCHECK, Hesselberg Th. Fischer/E. Riedmeier-Fischer, Der römische Chr. Pescheck, Neue römische Funde rund Limes in Bayern (Regensburg 2008) 87 –91. um den Hesselberg. Hist. Verein Mittelfranken 79, 1960/1961, 296 –303, bes. 300 ff. Abbildungsnachweis SCHÖNBERGER, Schönberger H. Schönberger, Die römischen Truppenlager Abb.1 W. Kohl; Abb. 2 W. Czysz / S. Köglmeier; der frühen und mittleren Kaiserzeit zwischen Abb. 3 Nach ORL, Aufn. 1892, W. Kohl; Abb. 4 Nordsee und Inn. Ber. RGK 66, 1985, 321 –497, Bayer. Landesamt Denkmalpflege – Luftbild- bes. 471 f. archäologie, Aufn.-Datum 1. 4. 1982, O. Braasch, Archiv-Nr. 6928/294; Dia 2069-9; Abb. 5 BAATZ, Limes Pescheck,1959; Abb. 6 W. Czysz / S. Köglmeier; D. Baatz, Der römische Limes. Archäologische Abb. 7 R. Frank; Abb. 8 W. Czysz / S. Köglmeier; Ausflüge zwischen Rhein und Donau Abb. 9 J. Mang, 29. 11. 1986, OA Nürnberg; (4. Aufl., Berlin 2000) 276 f. Abb. 10 E. Christofori; Abb. 11 M. Eberlein; Abb. 12 G. Sorge. 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 182

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NEUE DENDRODATEN VON DER LIMESPALISADE IN RAETIEN Von Wolfgang Czysz und Franz Herzig

m Rahmen der Vorarbeiten für die Auf- den“ (Ael. Spartianus, SHA, vita Hadriani Inahme des Limes in die Liste des Welt- 12,6). Die Mitarbeiter des ORL hatten keine erbes der UNESCO wurden die Teilstrecken absoluten Datierungsmöglichkeiten und kei- mit Feuchtholzerhaltung genauer ins Auge nen Anlass, an dieser Aussage zu zweifeln, gefasst, um ihre Existenz, den heutigen auch wenn Einzelbefunde im Taunus auf Zustand und das Gefährdungspotenzial zu eine sehr viel kompliziertere, durch wieder- erkunden, und den Schutz dieser sensiblen holte Verlegungen angedeutete Entwicklung Streckenabschnitte langfristig zu sichern und des Palisadenbaus und dementsprechend zu verbessern.1 Zu fragen war, inwieweit Ver- seiner Funktion andeutete. Das Gesagte gilt änderungen des Grundwasserspiegels in den gleichermaßen für das 167 km lange Stück in Talniederungen, aber auch auf den Hochflä- der Nachbarprovinz Raetien vom Limesknick chen der Fränkischen Alb, wo geologische bei Schirenhof bis an die Donau gegenüber Ursachen wie die unterliegenden Opalinus - von Abusina-Eining, das seither auch in die- tone für die Feuchtholzerhaltung verant- sem chronologischen Zusammenhang gese- wortlich waren, schon zu einer schleichen- hen wurde; hier weisen Flechtwerkzäune den Zerstörung der Hölzer geführt haben und die sogenannten Versteinungen (Keil- könnten. Vor allem standen die Niederungen steine einer Art Bohlenwandkonstruktion) der beiden Albflüsse Wörnitz und Altmühl ebenfalls auf verschiedene Phasen des linea- Abb. 1 Mönchsroth. im Blickfeld, wo im Rahmen der Untersu- ren Grenzausbaus2. Von W. Kohl 1893 frei- chungen am Obergermanisch-Raetischen Bei den Untersuchungen am Wittenba- gelegte Limespalisade Limes (ORL) um 1890 Holzbauten der Grenz- cher Weg in Mönchsroth (Lkr. Ansbach) am Wittenbacher Weg. befestigung, der Flussdurchlässe und andere gelang dem Weißenburger Apotheker und Begleitbauwerke beobachtet worden waren. Streckenkommissar der Reichs-Limeskommis - Auch in den kleineren Seitentälern der Sulz- sion Dr. Wilhelm Kohl (1848 –1898) im Jahr ach, des Hambachs und des Felchbachs, an 1893 eine im wahrsten Sinn richtungswei- insgesamt 15 Fundstellen des bayerischen sende Entdeckung, die erste holzerhaltene Limesabschnitts, waren Feuchthölzer beob- Palisade am Limes. Durch die unterlagernden achtet worden. Tone waren die Stümpfe von rund 20 Palisa- Für die Provinz Obergermanien hat sich denpfählen in 2 m Tiefe erhalten (Abb. 1). Es der seit den frühen Jahren der Forschung handelte sich überwiegend um gespaltene aufgrund der schriftlichen Überlieferung pos- Eichenstämme, die mit dem stumpfen Ende tulierte Palisadenbau in der Regierungszeit in den Fundamentgraben eingesetzt worden des Kaisers Hadrian (117 –138) bestätigt, so waren. Die Stämme sind mit der breiten wie es der Schreiber der Historia Augusta Spaltseite zum Feind eingestellt und innen überliefert hat: Die Palisade sei von Kaiser durch schwalbenschwanzförmige Querriegel Hadrian errichtet worden, „der in vielen Gegenden, in denen die Grenze gegen die 1 Wichtige Hinweise und kritische Anmerkungen verdan- Barbaren nicht durch Flüsse, sondern durch ken wir den Herren D. Baatz (Darmstadt), W. Schmidt (Königsbrunn), J. Haberstroh (Ingolstadt), C.-M. Hüssen überwachte Wege (limitibus) abgegrenzt (Ingolstadt). Bei der Suche nach Hölzern behilflich waren waren, die Barbaren vom Reichsgebiet durch H. Richter (Mus. Weißenburg), M. Schuster (Weiltingen), J. Schwartz (Kipfenberg), W. Mühlhäußer (Gunzenhausen) ein System von großen Pfählen trennte, die und H. Thoma (Arberg). nach Art einer Mauer (muralis saepis) tief ein- 2 Vgl. D. Baatz, Die überwachte Grenzlinie. Quellen zur Funktion des Obergermanisch-Raetischen Limes. In: Schall- gegraben und miteinander verbunden wur- mayer, Limes Imperii Romani 55 –66, bes. 57. 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 184

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zu einer festen, schätzungsweise 2,5 m hohen 4. Mönchsroth (Lkr. Ansbach) Witten- Wand miteinander verbunden worden.3 bacher Weg (Abb. 1) Dieser Entdeckung folgten bald weitere, so 1893 zw. WP 13/3 und 4 an drei Sonda- 1895 am Wörnitzübergang bei Weiltingen gen: 43 (und 56) Kiefern (?) (ORL A Strecke und im Streckenabschnitt seines Gunzenhäu- 13, 12.22 mit Taf. 11,1; ORL B VI S. 12). ser Kollegen Dr. H. Eidam (Abb. 2). Die ein- Wenig östlich in Öttingischen Wald „Brand“ drucksvollen Abbildungen sind wohl 9 Pfähle, am „Höllweiher“ 2 Pfähle5 bekannt; weitere Fotografien liegen unver- (Limesbl. Sp. 302.303.311; Popp, Westdt. öffentlicht in den Archiven der Museen Gun- Zeitschr. 13, 1894, 220). Untersuchung des zenhausen und Weißenburg. BLfD Nürnberg (F. Leja) am Schindhauswei- Nach dieser Holzerhaltung am mittleren her (s. u., Abb. 6 –8). Limesabschnitt in Raetien durfte man ver- muten, dass damals wenigstens einige der 5. Weiltingen (Lkr. Ansbach) Wörnitz- freigelegten Hölzer geborgen und in den wiesen Museen möglicherweise ausgestellt waren; zw. WP 10 und 12 rd. 20 Eichen, 1 Rinne dies gab Hoffnung, dass auch das eine oder (ORL A Strecke 13, 28 Taf. 3,2; 11, 2 –5). andere Limesholz in einem der regionalen Museen, Sammlungen oder in Privathand 6. Wittelshofen (Lkr. Ansbach) Sulzach- überlebt haben könnte. übergang bei der Gelsmühle zwischen WP 18 und 19 Stegreste (je 3 Pfähle von ursprünglich 12 Jochen) (ORL A Strecke 13, 33 mit Taf. 4,1 –6).

7. Ehingen-Dambach (Lkr. Ansbach) Kreut(h)weiher 1,4 –1,6 m breiter Pfahlrost; auf 10 m 32 Querreihen à 5 –7 Pfähle = etwa 200 Pfähle freigelegt (auf 92 m etwa 2 000 Pfähle) (ORL A Strecke 13, 40 f. Taf. 12, 5 –6).

8. Gunzenhausen-Wald (Lkr. Weißen- burg-Gunzenhausen) WP 13/43 im „Mittlach“ Flechtwerkreste (ORL A Strecke 13, 46 ff. Taf. 6,4).

3 Vgl. dazu ORL A Strecke 14, 21 f. Abb. 2 Gunzenhausen. Feuchtholzerhaltung 4 Im Strambachtal hat Major Steimle (1892 –1898/1902) 13 Pfähle aus Kiefernholz, „unten stumpf abgesägt … von Dr. Eidam mit seinen am Raetischen Limes etwa 40 cm Stärke“, Kohl 1894 weitere freigelegt: ORL Stre- Arbeitern im Blockhaus (Abb. 3) cke 12 (1934) 93, Taf. 9, 5 –6; zur Lage: Deutsche Limes- kommission/Verein Deutsche Limes-Straße/Landesvermes- am Altmühlübergang sungsamt Baden-Württemberg, Obergermanisch-Raetischer 1895. 1. Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) Limes in Baden-Württemberg. Offizielle Karte 1 : 50 000 UNESCO-Weltkulturerbe (Stuttgart 2005). Rotenbachtal (s.u.). 5 W. Kohl, Limesbl. Sp. 302 ff., 307 Abs. 4 und 311. 6 ORL A Strecke 13, 52 f. erwähnt am WP 13/50 „gänzlich ver- kohlte Reste“ dicht aneinander gereihter, sehr starker Pfähle 2. Buch-Schwabsberg (Ostalbkreis) (s.u.). von der Umzäunung des Holzturmes. Die Feuchtholzerhal- tung ist nach der Beschreibung Eidams eher zweifelhaft. 7 Eichenholzreste vom Blockhaus WP 14/15 unsicher (ORL 3. Stödtlen (Ostalbkreis) A Strecke 14, 67 Taf. 6,1). – Theilenhofen (Lkr. Weißenburg- Gunzenhausen) WP 14/17 auf dem Ritterner Espan (ORL A 4 nach WP 12/113 Gde. – Straße nach Eck Strecke 14, 21) mit stark verbrannten/verkohlten Balken 13 Kiefern-Pfähle der Palisade (Kohl, z.T. im verziegelten Lehm gut erhalten. 8 Der unlängst geborgene Pfeiler aus der Altmühl stammt Limesbl. Sp. 311; ORL A Strecke 12, S. 93). aus dem Jahr 1329 ±10 (Mus. Burg Kipfenberg). 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 185

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Abb. 3 Feuchtbodener- haltene Palisaden am Raetischen Limes mit ihren Dendrodaten.

9. Gunzenhausen-Unterhambach lich (ORL A Strecke 14, Taf. 3,5). (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) Hambacher Wiesen (Abb. 5) 12. Pfofeld (Lkr. Weißenburg-Gunzen- Limesquerung durch das Hambacher Tal. hausen) Unterbau der Mauer aus Reihen von je drei In der Niederung östlich Gundelshalm angespitzten Pfähle, darauf Faschinen; 1 zwischen WP 14/10 und 12 Palisade mit Stegpfahl eines Wasserdurchlasses (ORL A Holzerhaltung neben der Mauer (ORL A Strecke 13, 50 Taf. 6,6).6 Strecke 14, 63.65 Taf. 5,1 d.e).7

10. Gunzenhausen (Lkr. Weißenburg-Gun- 13. Höttingen-Fiegenstall (Lkr. Weißen- zenhausen) Altmühlwiesen (Abb. 2, 4, 9 –12) burg-Gunzenhausen) Felchbachtal 2 m u. h. O. 0,4 –0,7 m hohe Pfahlstümpfe: zw. WP 34 und 35 im Gschwend zwei Pali- sog. Wasserdurchlass bei A mit je 8 und 5 sadenpfähle und zwei liegende Balken in 2m Pfählen westlich des „Blockhauses“, Flecht- u. h. O. (ORL A Strecke 14, 82 Taf. 8,1 b.14,1). werkzaun aus angespitzten Spaltlingen (B), Pfahlrost aus Reihen von je 4 Pfählen der 14. Kipfenberg (Lkr. Eichstätt) Mauer zwischen B und C; je 13 und 5 Pali- Altmühlwiesen sadenpfähle beiderseits des „Beigrabens“ bei zwischen WP 15/1 und 2 Reste der Pali- C, etwa 11 Pfosten des „Blockhauses“ sade und von Flechtwerk, vermutlich einer (= WP 13/54) zwischen der Palisade B und C Uferbefestigung (ORL A Strecke 14, 114 ff. (ORL A Strecke 14, 21.45 ff. mit Taf. 2,1 –10 Taf. 12,8 u. 14,3.6).8 u. 13, 1.3), hier die Hölzer (s. u.; Anhang). 15. Neustadt a.d. Donau-Hienheim 11. Gunzenhausen (Lkr. Weißenburg- (Lkr. Kelheim) Donauufer Gunzenhausen) „drei Pfahlstümpfe aus hartem Holz“ WP 14/6 Blockhaus; Holzerhaltung frag- (Dm. 10 cm) am Wasser (ORL A Strecke 15, 50). 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 186

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Abb. 4 Gunzenhausen. Untersuchungen Kohls zwar teilweise eben- Pfahlrost in den Alt- falls geborgen worden; sie kamen wohl ins mühlwiesen (Eidam, Museum Weißenburg. Es heißt, dass sie dort Limesarchiv der RGK, einem gewissenhaften Hausmeister in der Ingolstadt). Nachkriegszeit zum Opfer gefallen sind und als Verlust abgeschrieben werden müssen. Das gilt auch für jene 1896 entdeckten Fun- damentierungs- oder Flussdurchlasspfähle im Zuge der Raetischen Mauer im Kreutweiher beim Kastell Dambach. Insgesamt wurden zwischen 2004 und 2006 im Rahmen der Welterbe-Inventarisie- rung die alten und neuen Limeshölzer, insge- samt 139 Bruchstücke, in den einschlägigen Museen und Sammlungen gesucht, identifi- ziert, beprobt und durch Franz Herzig im Dendrolabor des Bayer. Landesamtes für Denkmalpflege in Thierhaupten untersucht und neu datiert. Die überwiegende Mehrzahl stammte aus Bau- und vor allem Brunnen- komplexen verschiedener Kastellvici9; sie werden in diesem Bericht ausgeklammert. Sieben Hölzer mussten als mittelalterlich ausgeschieden werden. Die drei neu datier- ten Holzkomplexe von der Limespalisade werden im Folgenden zusammengestellt:

Mönchsroth, Schindhausweiher I (Lkr. Ansbach)10 Fl. Nr. 791/Fdst. 6928/0019 Bei der Anlage des Schindhausweihers in der Abb. 5 Pfahlrost der Chancen zur Feuchtholzerhaltung sind Flur „Espanwiesen“ wurde wenige Meter öst- Limesmauer hinter der im Bereich weiterer Querungen in den Tälern lich der alten Kohl-Fundstelle bei Mönchs- Unterhambacher des Schambachs, der Rezatt, am Tettenagger roth 1992 die Limespalisade angeschnitten Mühle. Dr. Eidam mit Grund oder bei Altmannstein gegeben. und durch das Bayer. Landesamt für Denk- einem freiwilligen malpflege, Dienststelle Nürnberg (F. Leja), in Helfer 1897. Neue Dendrodaten einer 2 m breiten Sondage untersucht.11 Hier Von den 15 in der Holz-Datenbank beim waren ungespaltene, nicht entrindete Nadel- Bayer. Landesamt für Denkmalpflege in holzstämme mit über 60cm Durchmesser Thierhaupten unter dem Stichwort „Limes- (Abb. 6 –8) in den Fundamentgraben einge- hölzer“ erfassten Fundorten am bayerischen setzt. Drei der seinerzeit sechs Pfahlstümpfe Limes waren die von Dr. Eidam in den Gun- hatten im Museum Weiltingen überlebt. zenhäuser Altmühlwiesen ausgegrabenen in Die damals durchgeführte Dendro-Unter- einigen, heute noch identifizierbaren Proben suchung ergab Fälldaten von 235, 237 bzw. erhalten. Dagegen sind die Hölzer aus den

11 F. Leja, Nach hundert Jahren: wieder Hölzer der Limes- Palisade bei Mönchsroth. Arch. Jahr Bayern 1992 (1993) 9 Dabei auch Pfähle der Holzphase des Kastellbads von 115 f.; Fundchronik für das Jahr 1992. Beih. Bayer. Vor- Theilenhofen mit Daten von 126 n. Chr. geschbl. 8, 1995, 155 –157. – Dazu: E. Schallmayer, Zur 10 ORL Abt. A Strecke 13 (1936) 12 f.; 22 mit Taf. 2 u. 11; s. Limespalisade im 3. Jahrhundert n. Chr. Funktion und auch R. Braun, Wilhelm Kohl als Römer- und Limesforscher. Deutung. In: Schallmayer, Limes Imperii Romani 29 –45, In: Gedenkschrift Wilhelm Kohl 22 –31 bes. 28 mit Abb. 2. bes. 34 mit Abb. 10. 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 187

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239 n. Chr. Bei der unerwartet späten Zeit- stellung schien klar, dass es sich nicht um den ursprünglichen Palisadenbau handeln konnte, sondern um Reparaturmaßnahmen, die vom Ausgräber mit den Germaneneinfäl- len im Jahr 233 in Zusammenhang gebracht wurden. Wegen des abweichenden Befundes wurde auch eine Substruktion der Teufels- mauer erwogen, zumal im oberen Bereich der Grabenverfüllung Tuffsteine lagen, die von der (nahe vorbeiziehenden?) Mauer stammen mussten, weil in der näheren Umgebung jedes Steinmaterial fremd war. Die Datierungsmöglichkeiten für römer- zeitliche Nadelhölzer waren damals noch schwierig. Die Neudatierung gelang mithilfe einer römerzeitlichen Tannenchronologie, die aus zahlreichen bayerischen Fundstellen aufgebaut und mit Chronologien verschiede- ner Dendrolaboratorien abgesichert wurde. Aufgrund der Splinterhaltung ergab das sichere Fällungsjahr von 160 n. Chr.

Bei den drei Pfosten handelt es sich um Abb. 6 Mönchsroth. Tannen12; sie besitzen Durchmesser von Palisade im Schindhaus- 56cm. Wenn man berücksichtigt, dass sie im weiher 1992. Verlauf der letzten 20 Jahre vollständig aus- getrocknet sind, dürften ihre Durchmesser ursprünglich sogar 60 cm und mehr betragen haben (Abb. 8). Trotz der Austrocknung waren die Bearbeitungsspuren an den Enden noch erkennbar; die Fällkerben sind im Ansatz erhalten, d. h. die rund belassenen Stämme wurden gekappt und mit einem 12 bis 15 cm breiten Axtblatt plan/glatt unten zugerichtet. Der vollständig messbare Pfosten 116633 wies 194 Jahresringe auf. Bei den rund belassenen Pfählen war die Waldkante ursprünglich mit Sicherheit erhal- ten. Da die Oberfläche durch die Austrock- nung in Mitleidenschaft gezogen war, ist es nicht ganz sicher, ob mit dem letzten gemes- senen Jahresring tatsächlich die Waldkante erfasst wurde. Es ist aber unwahrscheinlich, dass mehr als ein Jahresring fehlt. Abb. 7 Mönchsroth. Palisade und Versturz

12 Die Weißtanne (Abies alba) ist in den lokal vorkommenden der nahen Limesmauer Buchenwäldern beigemischt. In der nördlich angrenzenden im Schindhausweiher Frankenhöhe und den westlich gelegenen Ellwanger Bergen bildet sie zusammen mit den Buchen die Hauptbaumart. 1992. 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 188

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Gunzenhausen, Altmühlwiesen (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) Fl. Nr. 852.1, 852 –853 (979) Der Streckenkommissar H. Eidam hatte in den Jahren 1895 –189813 in den Altmühlwie- sen in bis zu 2 m Tiefe rund 30 Palisaden- pfähle, 50 schmale Pfosten eines Flechtwerk- zauns, etwa 20 Pfosten des sogenannten Blockhauses sowie rund 83 Hölzer eines Pfahlrosts entdeckt und ausgegraben, der vermutlich die Limesmauer trug (Abb. 9). Einige dieser Funde wurden im Museum Abb. 8 Mönchsroth. Die Jahresringserien der drei Pfosten Gunzenhausen aufbewahrt und in der Schindhausweiher 1992. konnten miteinander synchronisiert werden. Schausammlung gezeigt bzw. später im Querschnitte und Bear- Die Jahresringe der Fd.-Nr. 116633 und Depot aufbewahrt (Abb. 10). Viele Hölzer beitungsspuren an den 116634 enden tatsächlich auf demselben sind durch die Bleistiftzeichnungen in den Palisadenstümpfen Jahr (ein Hinweis, dass die Waldkante erfasst Grabungsnotizbüchern Eidams (Stadtarchiv (Mus. Weiltingen). wurde). Fd.-Nr. 116632 konnte zwar mit den Gunzenhausen) so genau skizziert, dass sie beiden anderen Pfosten synchronisiert wer- mit den Abbildungen im ORL und dem den; es war aber nicht möglich die Probe bis Depotfoto (Abb. 11) identifiziert werden zum letzten Jahresring zu messen. Es bleibt können. Bei Inv.-Nr. 967 wird Eidam als Gra- jedoch wahrscheinlich, dass auch dieser bungsleiter auf dem Inventarblatt genannt; Stamm im selben Jahr wie die beiden ande- sie werden dort ohne Angabe des Grabungs- ren gefällt wurde. jahrs summarisch als Teile des Blockhauses, Abb. 9 Gunzenhausen. Die aus den Jahresringserien der drei als Brückenbauteile oder Reste der Limespali- Die Palisade in den Alt- Pfosten gebildete 194-jährige Mittelkurve sade bezeichnet. mühlwiesen. Im Hinter- konnte über die bayerische Tannenchronolo- Bei den untersuchten Hölzern handelt es grund der Viadukt der gie und weitere Referenzen auf dem Jahr 160 sich um Eichenpfahlspitzen oder um Ständer Ludwig-Süd-Nord-Bahn n. Chr. zur Deckung gebracht werden und mit flach zugearbeiteten Enden (Abb. 12). aus den Jahren 1841/49. damit der Fällzeitpunkt erfasst sein. Die Gruppe der ausgetrockneten Spitzen, auf denen noch deutlich die von Beil und Spalt- werkzeug herrührenden Bearbeitungsspuren zu erkennen sind, weisen Längen von 97 bis 107 cm und Querschnitte von 13 × 9 cm auf. Ein Pfahl mit der neu vergebenen Nr. 116638 konnte über die Fotodokumentation als Inv.-Nr. 979 des Museums identifiziert wer- den; von den Dimensionen und der Art der Zurichtung ähnlich ist die Nr. 116637. Beide Pfähle wurden aus mindestens 25 cm starken Eichenstämmen heraus gespalten und enthalten 67 und 73 Jahresringe. Wahr- scheinlich zur gleichen Gruppe gehört der 12 cm starke, 20-jährige Rundpfahl Nr. 116639. Wesentlich stärker dimensioniert waren die Pfähle mit den Inv.-Nr. 967 –972. Bei 967,

13 Limesbl. Sp. 557 ff., Arch. Anz. 1895, 199 ff. und ebd. 1896, 181. 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 189

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968 und 972 handelte es sich um Kiefern- rundhölzer mit 30 –32 cm Durchmesser. Bei Nr. 969, 970 und 971 handelt es sich um Eichenhalblinge mit Durchmessern von 31 –41cm (Abb. 11). Die zur ersten Gruppe gehörenden Jah- resringserien von Fd.-Nr. 116637 und 116638 konnten miteinander synchronisiert und daraus eine 73-jährige Mittelkurve gebildet werden. Die Mittelkurve ließ sich auf der süddeutschen Standard- und der bayerischen Eichenchronologie auf dem Jahr 146 n.Chr. zur Deckung bringen. Die größte Überein- stimmung wies diese Mittelkurve mit der extrahierten bayerischen Regionalchronolo- gie „Südliche Keuperabdachung“ auf. Bei bei- den Pfählen fehlen jedoch Splint und Wald- kante. Die tangenzialen Oberflächen der

Abb. 10 Gunzenhausen. Palisaden und andere Hölzer aus den Altmühl- wiesen in der alten Auf- stellung des Museums Gunzenhausen (s. Abb. 11).

Abb. 11 Gunzenhausen. Angespitzte Pfähle aus den Altmühlwiesen (s. Abb. 10; Mus. Gun- zenhausen). 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 190

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Abb. 12 Gunzenhausen, Gunzenhausen, Oberer Marktplatz Palisadenpfähle aus den 1975, Fl. Nr. 384; Fdst. Nr. 6830/0048 Altmühlwiesen (Mus. Auf dem östlichen Altmühlhochufer beginnt Gunzenhausen). die Strecke 14 mit dem WP 1 an der Spital- straße (Marktplatz 2) in Gunzenhausen, zu dem auch ein Holzgebäude vom Typ „Block- haus“ gehörte. Im Hof des Hauses Marktplatz 5 (Fl.-Nr. 378/5) wurden in einer Tiefe von 2,5 m schon einmal „Holzreste von Pfählen gefunden, welche von Norden nach Süden zogen.“15 Im Herbst 1975 wurde auf der gegenüberliegenden Straßenseite (Marktplatz 2, Fl. Nr. 384) die Baugrube für das Kaufhaus Steingass ausgehoben. Dabei wurde eine Pali- sade angeschnitten. Die bis zu 75 cm langen Stümpfe der Palisade sind damals von Hans Himsolt beobachtet und glücklicherweise geborgen worden; die Pfahlreste gelangten in das Museum Gunzenhausen. Von den 13 im Museumsinventar verzeichneten Hölzern waren noch zwei erhalten und identifizierbar, die Inv.-Nr. 980 und die Probe GUN75-2. Eine Eichenscheibe (Inv. Gunzenhausen Inv.-Nr. 983) wurde seinerzeit im Labor für Dendrochronologie am Institut für Ur- und Pfähle sind gewölbt; vermutlich setzte hier Frühgeschichte der Universität Köln datiert: der Splint an.14 Deshalb dürfte der Zeitraum, „Die Probe hat insgesamt 168 Jahresringe, in dem die Bäume gefällt wurden, die Jahre wobei der jüngste gemessene Jahresring zum zwischen 157 und 177 n. Chr. umfassen. Jahr 144 n. Chr. gehört. Da das Splintholz Genauer lässt sich die Gruppe der und wahrscheinlich auch Teile des Kernhol- Eichenhalblinge zeitlich fixieren. Nr. 970 zes zerstört sind, kann ich keine genauen besitzt wahrscheinlich die Waldkante oder es Angaben zum Fällungsjahr machen. Unter fehlen höchstens ein bis zwei Jahresringe Berücksichtigung des fehlenden Splintholzes (die Oberfläche ist durch Austrocknung so von 20 ± 5 Ringen wird der Baum um 144 beschädigt, dass die Waldkantenbestimmung +20 ± 5 n. Chr., also nach 164 ± 5 AD gefällt unsicher bleibt). Der letzte Jahresring fällt worden sein … B. Schmidt“ (Schreiben vom auf das Jahr 162 n. Chr. Die Fälldaten von 31. 1. 1986). Außerdem werden im Untersu- Nr. 969 und 971 lassen sich über Splintgren- chungsbericht von B. Schmidt Nadelhölzer zendatierungen eingrenzen. Bei Nr. 969 liegt erwähnt, die damals nicht datiert werden der Fällzeitpunkt bei 157 ±10 und bei Nr. 971 konnten. bei 172 ±10 n. Chr. Ob die drei Pfähle im sel- Die drei zu untersuchenden Eichenschei- ben Jahr gefällt wurden, lässt sich dagegen ben besaßen Zettel, denen zu entnehmen war, nicht nachweisen. Die Kiefernrundhölzer dass sie von der Beobachtung H. Himsolts im konnten nicht datiert werden. Der zeitliche Jahr 1975 stammten. Beim Vergleich der Bereich, in dem die Fälldaten aller fünf datierten Pfähle liegen müssten, verweist in 15 H. Eidam, Festschr. Athropol. Kongr. Nürnberg 1887, S. 10 Abs. 1. – ORL A Strecke 14 (1927) 50. – Auf einem Brief die 60er-Jahre des 2. Jahrhunderts (s. Anhang). befindet sich eine Notiz von unbek. Handschrift, wonach „Hölzer beim Limes zwischen Kaufhaus Steingass u. dem Geschäft Müller & Henk (?) von Eidam ausgegraben“ wor- 14 Der Eichensplint enthält im Mittel 20 ±10 Jahresringe. den seien. 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 191

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Holzscheiben mit den Abbildungen auf den Verengt sich das Baufenster der Palisade Inventarblättern des Museums Gunzenhau- im zentralen Bereich des nach Norden aus- sen konnte eine Scheibe als Inv.-Nr. 980 greifenden Gunzenhäuser „Limesdreiecks“ identifiziert werden. Bei GUN75-2 und Inv.- auf das Jahr 160, scheinen die Daten im Nr. 980 handelt es sich um noch 29 und 38cm westlich anschließenden Limesabschnitt starke, sehr schnell gewachsene Eichen mit dem zu entsprechen. Die Holzdaten von der 53 und 62 Jahresringen. Bei GUN75-2 war Palisade bei Schwäbisch Gmünd-Rotenbach- noch der Ansatz des Splints erkennbar. Bei tal mit einem Datum von 163/164 und GUN75-1 handelt es sich um einen 38 cm Schwabsberg mit dem Datum 165/16616 wei- breiten und 20 cm starken Eichenhalbling chen um drei oder vier Jahre ab, was das mit 158 Jahresringen; er enthielt keine Gesamtergebnis aber nicht in Frage stellt, Splintjahrringe. weil derartig aufwendige Baumaßnahmen Die Jahresringserien von Inv.-Nr. 980 und wie die Neutrassierung und der Bau der Pali- GUN75-2 konnten miteinander synchroni- sade sich durchaus über einen Zeitraum von siert und daraus eine 62-jährige Mittelkurve mehreren Jahren hingezogen haben dürften. gebildet werden. Die Mittelkurve ließ sich Dass das vorletzte Regierungsjahr des auf der süddeutschen Standard- und der Kaisers Antoninus Pius, das Jahr 160, mögli- bayerischen Eichenchronologie auf dem Jahr cherweise ein historisches Stichdatum dar- 153 n. Chr. zur Deckung bringen. Das Fällda- stellt, wird durch weitere gleichdatierte Holz- tum liegt, bezogen auf den Splintansatz von komplexe vom Raetischen Limesabschnitt in GUN75-2 innerhalb des Zeitraums von 166 Baden-Württemberg erhärtet.17 Der Umbau n.Chr. ± 10 Jahren. Die 158jährige Serie von des inschriftlich noch zwischen 156/158/161 GUN75-1 konnte auf dem Jahr 139 n. Chr. zur datierten Neckarburkener Bads wird zwi- Deckung gebracht werden. Das Fälldatum schenzeitlich durch ein Dendrodatum auf liegt nicht vor 160 n. Chr. ± 10 Jahren 159/160 begrenzt. Für Murrhardt ist die Vor- (s. Anhang). Bei dem halbrunden Querschnitt verlegung mit dem bislang ältesten Datum von GUN75-1 müsste der Splint unmittelbar von 159 (WK), für Osterburken im Jahr nach dem letzten gemessenen Jahresring 159/160 (Benefiziarierstation) belegt. Die angesetzt haben. Bei dieser Probe handelt es Daten von Schirenhof um oder nach sich vermutlich um die bereits in Köln 165 ±10, Aalen (Torhalle der principia gemessene, weil die Anzahl der Jahresringe 160 ±10) und Rainau-Buch (zivile Baumaß- und die Datierung ähnlich ausfallen. nahmen im Kastellvicus) mit einem Wald- kantendatum von 16118 dokumentieren Zusammenfassung umfangreiche Neubauaktivitäten am vorge- Unter den untersuchten Limeshölzern aus schobenen Raetischen Limes auf der Alb. Bayern konnten drei Holzbestände neu Mit diesen Daten wird klar, dass der rae- datiert werden, die vom archäologischen tische Palisadebau nicht mit der Palisade am Befund her von der Palisade stammen. Für Obergermanischen Limes zusammen geht, die Nadelhölzer von Mönchsroth wurde als die in hadrianischer Zeit (nach den Dendro- Fällungsjahr sicher das Jahr 160 n. Chr. ermittelt. Die Spalthölzer von den Altwühl- 16 Herr A. Billamboz (Gaienhofen-Hemmenhofen) hat diese Daten freundlicherweise bestätigt; Mess- oder Systemfehler wiesen westlich von Gunzenhausen liegen liegen wohl nicht vor. Im Fall der Rotenbachhölzer bleibt bei 162; nach Abzug der beiden vermutlich vorläufig unklar, ob sie tatsächlich von der Palisade stam- men oder etwa einer Holzbrücke wenige Meter hinter der fehlenden Jahresringe gehören sie ebenfalls Grenzlinie. 17 B. Becker, Fällungsdaten römischer Bauhölzer anhand in das Jahr 160. Die Holzreste von der Gun- einer 2350jährigen süddeutschen Eichen-Jahrringchronolo- zenhauser Oberstadt weisen eine Datierung gie. Fundber. Baden-Württemberg 6, 1981, 369 –386, bes. Tab. 8; K. Kortüm, Zur Datierung der römischen Militäran- nicht vor 160 ±10 n. Chr. auf und müssen lagen im Obergermanisch-Raetischen Limesgebiet. Saal- damit auch im Zusammenhang mit der burg-Jahrb. 49, 1998, 5 –65, bes. 63. 18 Greiner, Rainau-Buch 83 –89; zuletzt Friedrich / Greiner, Limespalisade gesehen werden. Daten des 3. Jahrhunderts 36 mit Tab. 2. 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 192

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daten von Marköbel 119/120 n. Chr.) errich- in Anspruch genommen werden kann (Abb. tet wurde.19 Durch diese Dendrodaten steht 3). Sie nimmt im westlichen Ries die Linie der raetische Palisadenbau in unmittelbarem des Alblimes bzw. seiner Kastellverbindungs- Zusammenhang mit der Vorverlegung des straße auf, und ist, im Westries beginnend, Neckarlimes und der Alblinie, mit dem die sicher im Gelände identifizierbar; sie zieht seit fünf Jahrzehnten nur flächig besetzte von Marktoffingen schnurgerade in östlicher Lücke zwischen Neckar, Heidenheim und Richtung nach Munningen.23 Von Oettingen dem Ries geschlossen wurde. Doch wie sahen über Ostheim, Gnotzheim bis Weißenburg die Verhältnisse am östlichen Abschnitt des ist sie in kurzen Abschnitten, aber doch eini- Raetischen Limes zwischen Weißenburg und germaßen deutlich auszumachen. Donau aus? Östlich von Weißenburg aber steigt sie zwischen der Wülzburg und der Altenbürg Eine ältere Limeslinie auf die Albhochfläche und führt dann im Osten? schnurgerade nach Burgsalach24, das mit sei- Die Forschung geht davon aus, dass die nem in jüngerer Zeit entdeckten Kleinkastell Donau zuerst im Raum Ingolstadt überschrit- und Erdlager durchaus im Verdacht steht, zu ten und der Limes von Osten her fixiert, mit den älteren militärischen Anlagen in diesem Holztürmen bestückt und durch die Palisade Gebiet zu gehören. In Burgsalach knickt die gesichert wurde.20 Die nicht ganz unumstrit- Trasse nach Südosten ab und verläuft zunächst tene Bauinschrift IBR 257 aus Kösching weist im Abstand von 1,5 km parallel zur späteren in das Jahr 80. Unter Hinweis auf die ober- Limeslinie geradlinig nach Pfünz, wo sie die germanischen Verhältnisse sprach zunächst Altmühl überschreitet. Sie war „auf allen nichts dagegen, den Palisadenbau auch hier Höhen, die sie überschreiten musste, mit in hadrianischer Zeit zu vermuten, wobei es Wach- oder Signaltürmen ausgestattet“, (bis heute) auf dem Westabschnitt der Alb- bemerkt das ORL, ohne dass diese Beobach- linie keine Anzeichen von einer Palisade gibt; tung im Hinblick auf eine ältere Limeslinie auch Holztürme fehlen weitgehend. Was den weiter beachtet wurde. Damals sind nicht Ostabschnitt betrifft, hielt man es für denk- weniger als zehn (Stein-)Türme an dieser bar, dass er schrittweise nach Westen ausge- Strecke bekannt, beschrieben und z. T. sogar baut wurde.21 Da man jedenfalls davon aus- ausgegraben worden; Holztürme scheinen gehen muss, dass die Hölzer nach einer bisher unbekannt.25 Über Böhmfeld und am Generation vermodert und nicht mehr Nordrand von Hepberg vorbei zieht sie widerstandsfähig waren22, sei die Palisade geradlinig nach Kösching und knickt von streckenweise durch den Flechtwerkzaun dort nach Osten ab durch Theißing und Ett- bzw. die steinverkeilte Bohlenwand ersetzt worden. 19 Schönberger, Truppenlager 397 f.; E. Schallmayer, Zur Frage der Palisade am Obergermanisch-Raetischen Limes im Bedauerlicherweise liegen vom östlichen 3. Jahrhundert n. Chr. In: Hrsg. Z. Visy, Limes XIX. Proc. XIXth Int. Congr. Roman Frontier Studies held in Pécs, Limesabschnitt bisher keine Dendrodaten Hungary, September 2003 (Pécs 2005) 801 –813. vor. Wenn dieser Bereich tatsächlich schon 20 H. Schönberger, Truppenlager 389 f. 21 Baatz, Limes 280 f. und 310 f.; W. Zanier, Das römische in trajanischer oder hadrianischer Zeit im Kastell Ellingen. Limesforschungen 23 (Mainz 1992) 158 Gelände festgelegt wurde, wofür es aber mit Anm. 797 –798; z. B. auch E. Grönke, Die Strecke 14 des Obergermanisch-Raetischen Limes von Gunzenhausen bis keine unmittelbar datierenden Funde gibt, Kipfenberg. Ergebnisse und Probleme der Forschung seit W. Kohl. In: Gedenkschrift Wilhelm Kohl 69 –75, bes. 70. muss man einen bisher wenig beachteten 22 Das bestätigt z. B. die in der Mitte der 1980er-Jahre Geländebefund ins Spiel bringen, der die nachgebaute Palisade auf dem Schlossbuck bei Gunzenhau- sen, die, völlig verrottet, im vergangenen Jahr ersetzt wer- Problematik des West- und des Ostabschnitts den musste. in einem etwas anderen Licht erscheinen 23 Denkmalinventar Fdst. Nr. 6932/0166. - RiB Taf. 6 (Aufn. O. Braasch); diese Linie entspricht der in der Tab. Peut. Seg. lässt. Ich meine die über weite Strecken III, 2 –3 oben verzeichneten Strecke Septemiacum-Celeu- geradlinig geführte Straßentrasse, die zumin- seum-Abusina. 24 ORL A Strecke 14 (1927) 120 f., Nr. 21. dest hypothetisch für eine ältere Grenzlinie 25 ebd. 121 f. 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 193

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ling zu dem Kastell Pförring. Dort biegt sie folger Sex. Calpurnius Agricola (158 − 161/162) noch einmal nach Nordosten und stößt muss der althistorischen Forschung überlas- genau gegenüber und in Höhe des Kastells sen bleiben. Nach Sex. Calpurnius Agricola Eining auf die Donau, wohingegen die spä- aber übernahm jener hochdekorierte General tere Linie ja 3,9 km weiter im Norden auf und Jugendfreund des Kaisers M. Aurel, C. den Fluss trifft. Auch an dieser Strecke ver- Aufidius Victorinus, das Statthalteramt in weist die Straßenbeschreibung des ORL auf Mainz (162), als die Chatten wohl noch im weitere vier Turmstellen. Im Gegensatz zum selben Jahr, gleich zu Beginn der Regierung Verlauf der Palisade macht dieser schnurge- M. Aurels (161 − 180), den Limes überrann- rade Limes (im Wald) mit seinen wenigen ten, in die Provinz Obergermanien einfielen Knickpunkten tatsächlich einen „älteren Ein- und ihren Raubzug sogar bis nach Raetien druck“, was die topografische Einbindung hinein ausdehnten, wie die Historia Augusta der Kastellplätze und den Anschluss an den in seiner Vita (M. Antonini 8,7) zu bemerken Strom betrifft. Es ist hier nicht der Platz, die weiß. Im engeren Sinn „datiert“ ist dieser Problematik dieser hypothetisch älteren Einfall zwar nicht, er wird aber ausdrücklich Limeslinie mit ihren Turmbefunden weiter mit der Regentschaft M. Aurels und Victori- zu diskutieren; darauf soll an anderer Stelle nus’ Statthalterschaft verbunden. näher eingegangen werden. Hatte ich einmal irrtümlich vermutet, dass die in Obergermanien erprobte Palisade Historische Beurteilung jetzt erst, als Reflex auf diese Einfälle, auch Den Dendrodaten nach begann der Palisa- in Raetien installiert worden sein könnte, denbau vielleicht im Winter 159 oder 160, um die schwer aufzufangenden (Reiter-) jedenfalls noch im vorletzten Jahr des Kaisers Überfälle der Germanen einzudämmen, so Antoninus Pius, in dessen Regentschaft auch lässt sich dieser Gedanke aufgrund der Den- die Verkürzung und Neutrassierung einiger drodaten nicht mehr aufrecht erhalten. Der Limesstrecken sowie der Steinausbau von Chattenüberfall traf die Provinzen ein oder Kastellen und Türmen fällt.26 Ein Blick auf zwei Jahre später. Ob die neue Palisade tat- die für wenige Jahre bestellten Statthalter der sächlich Wirkung zeigte und ihren Zweck Provinzen Obergermanien und Raetien in erreichte, wissen wir nicht. Wann der erst den in Frage kommenden Jahren 159/160 bis schemenhaft bekannte „Zivilist“ L. Titulenus 165 ergibt keine neuen Gesichtspunkte. Auf die Procuratur in Augsburg antrat, ist noch obergermanischer Seite wird die Vorverle- ungewiss; in der Amtszeit des Sex. Baius gung des auf 80 km schnurgerade geführten Pudens28 in den Jahren 164/165 muss der Abschnitts des Vorderen Limes nach G. Alf- Palisadenbau zumindest fertig gestellt wor- öldy in Zusammenhang mit dem in Mainz den sein. residierenden legatus … pro praetore Germaniae superioris et exercitus in ea tendentis, C. Popilius Bezug zu einem Ausbau des Carus Pedo, gestellt, dessen Amtszeit in die raetischen Straßennetzes? Jahre zwischen 152/um 155 und um 159 Interessanterweise werden mit den Baudaten fällt27. Die Diskussion der noch nicht in allen der westraetischen Limespalisade, die sicher Einzelheiten nachvollziehbaren Überschnei- zahlreiche Mannschaften aus den Kastellen dungen zwischen L. Dasumius Tullius Tuscus, entlang der Grenze über Monate in Beschlag 155/158 und um 160/161, und seinem Nach- genommen hatte, noch weitere Bauaktivitä- ten sichtbar, die ebenfalls in diese Zeit bzw.

26 H. Schönberger, Truppenlager 394 f.; RiB 122 ff. die Mitte der 60er-Jahre fallen. 27 G. Alföldy, Caius Popilius Carus Pedo und die Vorverle- gung des Obergermanischen Limes. Fundber. Baden-Würt- temberg 8, 1983, 55 –67; ders., Die lineare Grenzziehung des Vorderen Limes in Obergermanien und die Statthalter- 28 Zu den raetischen Statthaltern G. Winkler, Die Statthal- schaft des Gaius Popilius Pedo. In: Schallmayer Limes ter der römischen Provinz Raetien unter dem Prinzipat. Imperii Romani 7 –20. Bayer. Vorgeschbl. 36, 1971, 50 –101, bes. 64 f. 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 194

194 NEUE FORSCHUNGEN AM LIMES

Es ist der Neubau, teilweise auch die ren Donau zu sehen, die den unglücklichen Renovierung von Brücken (und Straßen) im Kaiser über ein Jahrzehnt lang in dauernde Limeshinterland (Abb. 3): Die Dendrodaten Kämpfe verwickelt und aufgerieben haben. der Lechbrücke der Donau-Süd-Straße (164 ±10)29, der für die Versorgung des Limes- Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Czysz gebietes wichtigen Donaubrücke bei Rennerts- (Bodendenkmalpflege) hofen-Stepperg (165 ±10)30 und der Stich- Franz Herzig straße an den Limes mit der Sumpfbrücke im (Dendrochronologisches Labor) Wellheimer Trockental bei Rennertshofen- Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Feldmühle (161)31 fallen in die Regierungszeit Dienststelle Thierhaupten Marc Aurels. Vielleicht sind in diesen infra- Klosterberg 8 strukturellen Maßnahmen schon die Vorbo- 86672 Thierhaupten ten der Markomannenkriege an der mittle-

ANHANG

I. Gunzenhausen, Marktplatz 2

1. o. Inv. GUN75-1 Eichenhalbling 38 × 20 cm 2. Inv.980 GUN75-2 Eiche Baumscheibe 33 × 38 cm, Dm. 0,13 cm 3. Inv.981 verm. Eiche Pfahl 0,9 m lang, Dm. 0,12 m 4. Inv.982 verm. Eiche Scheibe 28 × 48 cm 5. Inv.983 verm. Eiche Scheibe 28 × 48 cm (Probe Köln) 6. Inv.984 verm. Eiche Pfosten L. 0,81 cm, Dm. 0,12 m 7. Inv.985 verm. Eiche Pfosten L. erh. 0,88, Dm. 0,12 m 8. Inv.98732 verm. Eiche Scheibe 27 × 48 cm 9. Inv.988 verm. Eiche Scheibe 24 × 47 cm 10. Inv.989 verm. Eiche Scheibe 32 × 40 cm 11. Inv.990 verm. Eiche Pfosten L. erh. 0,52 cm, Dm. 0,13 m 12. Inv.991 unbek. 2 Scheiben 20 × 17 und 20 × 14 cm 13. Inv.992 verm. Kiefer viereckiger Pfosten 26 × 27 cm33

II. Korrelationsergebnisse Mittelkurve der Tannenpfähle von Mönchsroth im Vergleich zu den angeführten Referenzchronologien

WUCHSGEBIETE/CHRONOLOGIEN GL WJ T-TH T-TB DATIERUNG Bohlenweg Lermoos (Tannen) 58.8 WJ 56.6 H4.5 B3.8 DAT 160 29 W. Czysz, Der Tod im Topf. Ausgrabungen im römischen Gräberfeld von Oberpeiching bei Rain am Lech (Friedberg Bayerische Tannenchronologie 66.2 WJ 75.0 H7.5 B7.4 DAT 160 1999) 9 f. Tannenchronologie Trier 64.9 H5.3 B5.1 DAT 160 30 M. Prell, Neueste Untersuchungen an der römischen Holzbrücke bei Stepperg, Gemeinde Rennertshofen, Land- kreis Neuburg-Schrobenhausen, Oberbayern. Arch. Jahr Bayern 1995 (1996) 104 –106. Mittelkurve der Tannenpfähle von Gunzenhausen 31 M. Schußmann, Ein mehrphasiger, vorgeschichtlicher Sumpfübergang bei der „Feldmühle“, Gde. Rennertshofen, im Vergleich zu den angeführten Referenzchronologien Lkr. Neuburg-Schrobenhausen. Arbeiten z. Archäologie Süd- deutschlands Bd. 9 (Büchenbach 2003 [2004]) bes. 33. WUCHSGEBIETE/CHRONOLOGIEN GL WJ T-TH T-TB DATIERUNG 32 Inv. Nr. 986 fehlte. 33 Akten im Stadtarchiv Gunzenhausen; für die freundliche Süddt. Eichenstandardchronologie 69.1 WJ 78.4 H6.8 B5.2 DAT 162 Unterstützung bei der Akten- und Fundsuche danken wir Bayerische Eichenchronologie 61.3 WJ 71.9 H6.0 B4.3 DAT 162 dem Stadtarchivar W. Mühlhäußer herzlich. Herr Himsolt (Gunzenhausen) hat mir gesprächsweise die damaligen Wuchsgebiet Südl. Keuperabdachung 62.8 WJ 78.4 H6.5 B5.0 DAT 162 Fundumstände erläutert. 182-196 Limes_Bd3_Czysz_korr_JU 17.08.2008 15:55 Uhr Seite 195

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Literaturverzeichnis in Rosenheim. Schriftenr. Arch.-Staatssamm- lung 3 (Remshalden-Grunbach 2002). BAATZ, Limes D. Baatz, Der römische Limes. Archäologische RiB Ausflüge zwischen Rhein und Donau W. Czysz / K. Dietz / H.-J. Kellner / Th. Fischer, (4. Aufl., Berlin 2000). Die Römer in Bayern (Stuttgart 1995, 2. Aufl. 2001). FRIEDRICH / GREINER, Daten des 3. Jahrhunderts ORL M. Friedrich/B. Greiner, Neue dendrochrono- E. Fabricius, F. Hettner, O. von Sarwey logische Daten des 3. Jahrhunderts n.Chr. (Hrsg.), Der Obergermanisch-Raetische Limes aus dem römischen Kastellvicus Rainau- des Roemerreiches. Abteilungen A und B. Buch. In: Archäologie, Naturwissenschaften, Lieferungen I –LVI (Berlin/Leipzig 1894 ff.). Umwelt. (Hrsg. M. Frey/N. Hanel), Beitr. Arbeitsgemeinschaft „Römische Archäologie“ SCHALLMAYER, Limes Imperii Romani auf dem 3. Deutschen Archäologenkongress E. Schallmayer (Hrsg.), Limes Imperii in Heidelberg 25. 5. –30. 5.1999. BAR Int. Ser. Romani. Beitr. z. Fachkolloquium „Weltkul- 929 (Oxford 2001) 33 –41. turerbe Limes“ 2001. Saalburg-Schr. 6 (Bad Homburg 2004). HÄFFNER/HÜSSEN, Gedenkschrift Wilhelm Kohl SCHÖNBERGER, Truppenlager H.-H. Häffner / C.-M. Hüssen (Hrsg.), „In H. Schönberger, Die römischen Truppenlager plurimis locis…“ Wilhelm Kohl (1848 –1898), der frühen und mittleren Kaiserzeit zwischen Apotheker und Forscher am Raetischen Limes. Nordsee und Inn. Ber. RGK 66, 1985, 321 –497. Gedenkschr. z. 100. Todestag. Intern. Archäol; Studia honoraria 5 (Rahden/Westf. 1998). Abbildungsnachweis GREINER, Rainau-Buch B. A. Greiner, Der Kastellvicus von Rainau- Abb. 1 OA BLfD; Abb. 2 Stadtarchiv Gunzen- Buch: Siedlungsgeschichte und Korrektur hausen; Abb. 3 W. Czysz / S. Köglmeier; Abb. 4 dendrochronologischer Daten. In: Neue For- Stadtarchiv Gunzenhausen; Abb. 5 Stadtarchiv schungen zur römischen Besiedlung zwi- Gunzenhausen; Abb. 6 –7 F. Leja / S. Köglmeier; schen Oberrhein und Enns. Vorträge des Abb. 8 F. Herzig; Abb. 9 –11 Stadtarchiv Gun- wiss. Kolloquiums vom 14. bis 16. Juni 2000 zenhausen; Abb. 12 F. Herzig. U1_U4 Limes_Bd3_Cover:Limes Cover 17.08.2008 15:56 Uhr Seite 1

ie Erforschung der römischen Grenzanlagen bildet traditionell einen Schwerpunkt Dder archäologischen Forschung in Deutschland. Dieses nachhaltige Interesse begründet sich zunächst darin, dass die denkmalpflegerische Betreuung des Limes seit Jahrzehnten Anlass für aktuelle Untersuchungen ist. Gleichzeitig bildeten Kastelle, 3 Wachtposten und anderen Einrichtungen an oder unmittelbar hinter der antiken Grenze einst die unmittelbare Nahtstelle zwischen den Germanen und der römischen Welt. Aus diesem Grund rührt die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Limes stets auch an der Frage, nach welchen Regeln das offenbar ja überwiegend friedliche Zusammen- leben dieser unterschiedlichen Kulturen funktioniert hat.

Der vorliegende Band enthält vierzehn Aufsätze namhafter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Ende Februar 2007 in Osterburken auf dem vierten Kolloquium der Deutschen Limeskommission zusammenkamen. Ihr Untersuchungsgebiet reichte dabei Neue Forschungen vom Niederrhein bis nach Oberbayern, und das Spektrum der diskutierten Themen umfasste aktuelle Ausgrabungen und naturwissenschaftliche Untersuchungen ebenso

wie Literaturstudien oder die kritische Überprüfung alter Forschungsergebnisse. Neue Forschungen am Limes am Limes

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