Hans-Christian Jasch • Christoph Kreutzmüller (Hrsg.)

Die Teilnehmer Die Männer der Wannsee-Konferenz Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur

Umschlagbild: Protokoll der „Besprechung über die Endlösung der Judenfrage“ vom 20. Januar 1942, S. 1 und 2 PA AA , R 100857, Bl. 166 und 167 Online: http://www.ghwk.de/ghwk/deut/protokoll.pdf

ISBN: 978-3-86331-306-7

© 2017 Metropol Verlag Ansbacher Straße 70 D–10777 Berlin www.metropol-verlag.de Alle Rechte vorbehalten Druck: buchdruckerei.de, Berlin Inhalt

Von Wannsee nach Auschwitz ...... 7 Geleitwort von Otto Dov Kulka

Die Teilnehmer. Die Männer der Wannsee-Konferenz ...... 13 Hans-Christian Jasch • Christoph Kreutzmüller

Die Teilnehmer der Wannsee-Konferenz im Blick der Forschung ...... 29 Mark Roseman

Otto Adolf Eichmann • Reichssicherheitshauptamt ...... 45 Der Organisator Bettina Stangneth

Reinhard Heydrich • Reichssicherheitshauptamt ...... 63 Der Vollstrecker des nationalsozialistischen Terrors Robert Gerwath

Otto Hofmann • Rasse- und Siedlungshauptamt der SS ...... 79 Ein Pragmatiker der Rassenpolitik? Isabel Heinemann

Rudolf Lange • Reichssicherheitshauptamt ...... 97 Akademiker, Weltanschauungskrieger, Massenmörder Peter Klein

Heinrich Müller • Reichssicherheitshauptamt ...... 111 Prototyp des Schreibtischtäters Johannes Tuchel

Eberhard Schöngarth • Reichssicherheitshauptamt ...... 129 Ein unterschätzter Praktiker des Massenmords Olaf Löschke Josef Bühler • Regierung des Generalgouvernements ...... 145 Ein Hintermann Ingo Loose

Roland Freisler • Reichsjustizministerium ...... 163 Politischer Soldat Hitlers Silke Struck

Gerhard Klopfer • Partei-Kanzlei ...... 181 Völkischer Ideologe und Bürger der Bundesrepublik Markus Heckmann

Friedrich Wilhelm Kritzinger • Reichskanzlei ...... 197 Ein preußischer Beamter im NS-Staat Lore Kleiber • Stefan Paul-Jacobs

Georg Leibbrandt • Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete ..... 213 Ein gelehrter Radikaler Martin Munke

Martin Luther • Auswärtiges Amt ...... 227 Ein hemdsärmeliger Aufsteiger Christopher Browning

Alfred Meyer • Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete ...... 247 Vom kaisertreuen Bürger zum Verwaltungsmassenmörder Heinz-Jürgen Priamus

Erich Neumann • Beauftragter für den Vierjahresplan ...... 263 Ein farbarmer, willfähriger Preuße Christoph Kreutzmüller

Wilhelm Stuckart • Reichsministerium des Innern ...... 277 Ein heikler Gesetzesonkel Hans-Christian Jasch

Abkürzungsverzeichnis ...... 295 Literaturverzeichnis ...... 299 Die Autorinnen und Autoren ...... 329 Personenregister ...... 331 Georg Leibbrandt Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete Ein gelehrter Radikaler Georg Leibbrandt (1899–1982)

Unbekannter Fotograf, o. D. [1942] ullstein bild, 00263185

„Die Verschiedenheit der Völker […] brachte ein weiteres Moment in der Bereicherung mit sich, sei es auf dem Gebiet des wirtschaftlichen Lebens, der geistigen Haltung oder der religiösen, kulturellen, politischen und sozialen Willensbildung. […] Es war ein Colloquium humanum, ein menschliches und geistliches Zusammenleben, bei dem jeder seine Eigenart behalten konnte […], in dem aber über allem Nationalen die menschliche Gemeinschaft als oberstes Prinzip dominierte.“1 So beschreibt Georg Leibbrandt Ende der 1960er-Jahre das Zusammenleben der verschiedenen Nationalitäten in der vor dem E­rsten Weltkrieg. Das Zitat aus einer Selbstdarstellung Leibbrandts mutet wie eine Vision von einem harmonischen Zusammenleben der Völker, von Koope- ration, Austausch, Akzeptanz an – eine Vision, von der sich Leibbrandt nach eigener Aussage auch in seiner Tätigkeit als hochrangiger Funktionär im Außen- politischen Amt der NSDAP (APA) und im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (RMO) leiten ließ. Christian Gerlach zeichnet demgegenüber ein ganz anderes Bild. So urteilt er über die Russlanddeutschen in der NS-Verwaltung: „Zu den aktivsten und fanatischsten Tätern, nicht selten zu den Strategen der Besatzungspolitik und der Massenmorde gehörten die ehemaligen Rußland- oder Sowjetdeutschen. […]“2 – wie der in der Nähe von geborene Leibbrandt. Dieser Sichtweise folgt auch 214 Georg Leibbrandt • Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete

Ernst Piper in seiner biografischen Studie zu (1893–1946), dem langjährigen Vorgesetzten Leibbrandts.3 Dessen Teilnahme an der Wannsee- Konferenz, bei der er gemeinsam mit Rosenbergs Stellvertreter das RMO vertrat, und die Tendenz vieler Protagonisten des NS-Regimes, ihre eigene Rolle im Nachhinein zu verharmlosen, lassen diese Perspektive – wenn man mit der neueren Täterforschung auch die „Köpfe und Planer“ unter den Begriff sub- sumiert4 – zunächst einleuchtender erscheinen.5 Die Gründe für Leibbrandts Anwesenheit auf der Besprechung am 20. Januar 1942 sollen im Folgenden untersucht werden. In den zahlreichen Publikationen zur Wannsee-Konferenz ist er bisher nur als Randfigur thematisiert.6 Seine Beteiligung an der Vernichtungspolitik gegenüber der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Ostgebieten wird unterschiedlich beurteilt. Einige Autoren schätzen ihn als Dilettanten ein,7 andere als wichtigen Experten.8 Dabei ist Leibbrandt mit Otto Hofmann und Gerhard Klopfer einer von nur drei Kon- ferenzteilnehmern, die nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere Jahrzehnte ihres Lebens in der Bundesrepublik verbrachten und sich dort eine neue Existenz auf- bauen konnten. Im Folgenden wird Leibbrandt als wichtiger Akteur einer völkisch orien- tierten „Ostforschung“ porträtiert,9 dessen Konzepte zur Neuordnung Europas unter deutscher Vorherrschaft „humaner“ scheinen als die Realität der Besat- zungsherrschaft im Osten. Seine volkstumspolitischen Arbeiten zur Umsetzung dieser Konzepte wurden jedoch eindeutig im Rahmen des Nationalsozialismus und für die politischen und ideologischen Ziele des Regimes verfasst – mit allen mörderischen Konsequenzen, die daraus, ob intendiert oder nicht, erwuchsen.

Volkstumsforscher

Georg Leibbrandt wurde am 5. September 1899 in Hoffnungsfeld (Torosowo) bei Hoffnungstal (Zebrykowe) in der Nähe von Odessa als Nachfahre deutscher Aus- wanderer geboren.10 Er besuchte weiterführende Schulen im Baltikum in Dorpat (Tartu) und Werro (Võru) sowie in Odessa. Neben Deutsch als Muttersprache lernte er Russisch und Ukrainisch, am Gymnasium Griechisch und Latein, spä- ter auch Französisch und Englisch. 1918 war er als Dolmetscher für deutsche Besatzungstruppen in der Ukraine tätig, 1919 flüchtete er vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland. Diese Erfahrung und der Tod einer Reihe von Familienmit- gliedern infolge der Umsiedlungen unter Stalin legten den Grundstein für Leib- brandts strikten Antibolschewismus, der den Kern seiner weltanschaulichen Konzeptionen bildete. Ein gelehrter Radikaler 215

In den 1920er-Jahren absolvierte er ein Studium der Theologie, Geschichte und Philosophie in Tübingen, für wenige Monate auch in Marburg und Leipzig. Es folgten Aufenthalte in und London mit Lehrveranstaltungen in Völker- recht und Völkerbeziehungen. Den Lebensunterhalt verdiente er sich aushilfs- weise als Dolmetscher für ausländische Gäste auf den Leipziger Messen und als Hauslehrer. Während seiner Studienzeit und erneut nach 1945 war Leibbrandt in der christlichen Studentenverbindung Wingolf aktiv. 1927 promovierte er an der Universität Leipzig über die schwäbische Auswan- derung nach Russland, an der auch seine Vorfahren beteiligt gewesen waren.11 Während und nach einer freien Mitarbeiterschaft am Forschungsinstitut für Kultur- und Universalgeschichte seines Doktorvaters Walter Goetz12 unternahm Leibbrandt Forschungsreisen nach Kanada, in die USA, dreimal in die Sowjet- union und in die Schweiz. Finanzieren konnte er diese mithilfe von Stipendien der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft und der Rockefeller-Stiftung. Zwischenzeitlich war er bei der Stiftung für deutsche Kultur- und Bodenfor- schung und am Potsdamer Reichsarchiv beschäftigt. Hier untersuchte er jeweils Fragen des „Auslandsdeutschtums“. Seine Publikationen betonen die „kolonisa- torischen Fähigkeiten“ der deutschen Siedler in Russland bzw. der Sowjetunion sowie in den USA.13 Im Vorwort zu einer Quellenedition formulierte Leibbrandt das Ziel, das Buch solle „beim Deutschen selbst Liebe zu seinem Volkstum und Interesse für die Geschichte des Kolonistentums fördern helfen“.14 Die Edition erschien als Auftakt einer neuen Reihe des Deutschen Ausland-Instituts (DAI) in Stuttgart, welche die „Kulturleistungen der Auslandsdeutschen“ darstellen15 und deren Berücksichtigung in der aktuellen deutschen Außenpolitik befördern sollte.16 Schon als Student hatte sich Leibbrandt entsprechend engagiert und z. B. einen Beitrag zu den „völkischen Pflichten“ des Wingolf publiziert.17 Er war Mitglied in Organisationen wie der Vereinigung auslandsdeutscher Studieren- der und dem Verein Deutscher Studierender Kolonisten.18 Berichte über den Zustand der deutschen Minderheiten in der Sowjetunion leitete er nach einer Forschungsreise dem Auswärtigen Amt zu.19 Deutlich wird diese Orientierung auch an Leibbrandts redaktioneller Mitarbeit am „Handwörterbuch des Grenz- und Auslandsdeutschtums“ während seiner Anstellung bei der Stiftung für deutsche Kultur- und Bodenforschung mit ihrer Verbindung von „Volk“ und „Raum“.20 216 Georg Leibbrandt • Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete

Volkstumspolitiker

Kontakte Leibbrandts zur nationalsozialistischen Bewegung lassen sich bis in die 1930er-Jahre nicht nachweisen. Erst für den USA-Aufenthalt erwähnt er eine Bekanntschaft mit dem Washingtoner Korrespondenten des „Völkischen Beob- achters“, Kurt Lüdecke (1890–1960). 21 Dieser berichtete über Leibbrandts Arbeit zu „Volkstumsfragen“ nach München. So wurde man im Außenpolitischen Amt, das im April 1933 eingerichtet worden war, auf Leibbrandt aufmerksam. Auf Vermittlung Hjalmar Schachts wurde er im APA bei Rosenberg vorstellig.22 Als der Chefideologe Rosenberg23 eine weitgehende Übereinstimmung hin- sichtlich der ostpolitischen Konzeptionen feststellte – dies betraf v. a. den Plan einer Aufteilung der Sowjetunion in einzelne Nationalstaaten, das sogenannte Dekompositionskonzept24 –, trug er Leibbrandt die Leitung der Abteilung Naher Osten (später: Amt Osten) des APA an. Voraussetzung dafür war der Parteibei- tritt. Leibbrandt stellte zwei Anträge: einen zum 20. Juni 1933 in Berlin, einen am 17. September 1933 über die Ortsgruppe Genf. Angesichts der zu der Zeit geltenden Beitrittssperre musste Rosenberg bei der Parteikanzlei intervenieren. Erst am 30. September wurde dem Antrag stattgegeben und Leibbrandt, zurück- datiert auf den 1. Juli, mit der Mitgliedsnummer 1 976 826 in die NSDAP aufge- nommen.25 Seinen Posten im APA trat er im Oktober 1933 an. Gab Leibbrandt später eine Tätigkeit für die Partei schon vor 1933 an, wollte er seine eigene Stel- lung stärken.26 Sein Eintritt in die NSDAP war ein Mittel zum Zweck des beruf- lichen Fortkommens und der Umsetzung der eigenen politischen Vorstellungen. Seinen neuen Aufgaben widmete er sich mit vollem Einsatz – war es doch sein „tiefster Wunsch […] dem deutschen Volk auf dem Wege über die Außenpolitik nützlich zu sein“.27 Leibbrandts Vorgehen im APA war jedoch von wenig Systema- tik geprägt. Das galt z. B. für die Kontakte zu verschiedenen Emigrantengruppen, die oft auf seinen persönlichen Beziehungen beruhten.28 Er versuchte, die Tätig- keiten dieser Gruppen zu steuern, solange diese „nicht die eigene Außenpolitik belastete[n]“.29 Konkrete Planungen für eine spätere Gestaltung Russlands und die Behandlung der einzelnen Völker gab es in der Frühphase des Amtes kaum. Anfang der 1930er-Jahre war die spätere Eroberungspolitik noch keine realistisch erscheinende Perspektive. So blieb es zunächst bei vagen Überlegungen etwa zur Schaffung eines Gürtels aus Pufferstaaten an der Grenze zur Sowjetunion.30 Es gelang Leibbrandt jedoch, die verschiedenen im Reich tätigen Vereinigun- gen von Russland- bzw. Sowjetdeutschen „gleichzuschalten“ und im Verband der Deutschen aus Rußland (VDR) zusammenzuschließen.31 Ziel des Verbandes war es, die im Reich lebenden Angehörigen der Volksgruppe zu erfassen und zu k­ontrollieren. Anschließend sollten sie auf zukünftige politische Aufgaben im Ein gelehrter Radikaler 217 europäischen Osten vorbereitet werden. Weiterhin strebte Leibbrandt danach, „die seiner Meinung nach in den Kreisen nationalsozialistischer Amtsträger [herrschende Unklarheit] über Bestand, Wert und Bedeutung des Rußland- deutschtums zu beseitigen“. Insbesondere Hitler und Himmler würden „die ‚volksbiologische Kraft‘ dieser Volksgruppe [unterschätzen], die sich dank ihrer hohen ‚natürlichen Reproduktionswerte‘ und ihrer äußersten Anspruchslosig- keit auch nach schweren Schicksalsprüfungen immer wieder als ein wertvolles kolonisatorisches Element des Ostens erwiesen habe“.32 Diese Zitate zeigen eine Anpassung an den biologistischen Duktus der NS-Ideologie. Vor 1933 und nach 1945 vertrat Leibbrandt dagegen eher einen kulturalistischen Volksbegriff. Dieser ging aber ebenfalls von einer Über­ legenheit des „Deutschtums“ aus und ließ sich so in die politischen Bestrebun- gen des NS-­Regimes einbetten. Deutlich wird diese Anpassung auch in dem Propagandaschrifttum, das Leibbrandt nun veröffentlichte: die Schriftenreihe „B­olschewismus“ sowie zahlreiche Artikel für den „Völkischen Beobachter“ und die „Nationalsozialistischen Monatshefte“, die sich der angeblichen Ver- bindung von Judentum und Bolschewismus widmeten.33 Eine Verbindung zur Beschäftigung mit dem Auslandsdeutschtum war Leibbrandts strikter Anti­ bolschewismus, den er nun umso stärker zeigte. So verfasste er zahllose Vor­ lagen, Denkschriften und Redemanuskripte für Rosenberg mit starken antikom- munistischen Aussagen,34 ergänzt um dessen antisemitische Invektiven, die er nun auch in seine eigenen Vorträge übernahm.35 Leibbrandts zentrales „volkstumspolitisches“ Vorhaben war das Editionspro- jekt der „Sammlung Georg Leibbrandt“ (SGL).36 Einerseits trug es mit seinem Versuch der historischen Begründung deutscher Herrschafts- und Territorial­ ansprüche sowie durch die mit modernen Methoden durchgeführte Erfassung „volksdeutscher“ Bevölkerungsgruppen dazu bei, herrschaftsstabilisierende Denkmuster zu etablieren.37 Andererseits konnten die in Leibbrandts Umfeld gesammelten Forschungsergebnisse später beim Vorrücken der deutschen Wehrmacht sowie für die Besatzungs- und Umsiedlungspolitik herangezogen werden und dies ideologisch vorbereiten, unterstützen und legitimieren helfen. Die Grundlage des Editionsprojekts bildeten Leibbrandts Studienreisen Ende der 1920er-Jahre. Die dabei zusammengetragenen Dokumente und Archivalien zum Russlanddeutschtum hatte er 1937/38 dem Geografen Emil Meynen über­ geben.38 Meynen, der spätere Direktor des bundesdeutschen Instituts für Landes- kunde (IfL) der Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung, schrieb dem daraus resultierenden Editionsprojekt nach 1945 einen „wissenschaftlich kritische[n]“ Charakter und eine „streng wissenschaftliche Dokumentenform“ zu.39 218 Georg Leibbrandt • Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete

Im Rahmen der SGL (später: Publikationsstelle Ost) wurde jedoch eine Reihe von „volkspolitischen Arbeiten“ „nur für den Dienstgebrauch“ geleistet. Sie machten das Projekt zur „zentralen Forschungsstelle für das Deutschtum Ost­europas“.40 Dazu gehörten „die Anfertigung einer Ortskartei aller deutschen Siedlungen in der Sowjetunion mit Angaben über die jeweilige Bevölkerungszusammen- setzung und die topographische Festlegung dieser Siedlungen“ sowie einer „,Völker­karte‘ der Sowjetunion“.41 Weiterhin wurden ukrainische und russische Presseerzeugnisse ausgewertet sowie eine Kartei wichtiger Persönlichkeiten der Russlanddeutschen angelegt, u. a. mit dem Ziel, deren „völkische Haltung“ zu überprüfen. Auch eine Kartei der Literatur zum Russlanddeutschtum und eine Bibliothek wurden eingerichtet. Letztere ergänzte man später auch durch Raub- gut des Sonderkommandos Künsberg, das dem Auswärtigen Amt unterstand und vor allem in den Ostgebieten systematisch Kunstschätze plünderte. Die SGL erhielt mehr als 65 000 Bände aus der Ukraine, vor allem aus Kiewer Samm- lungen. Im Rahmen des „Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg“ war Leibbrandt nicht nur in der Ukraine, sondern ebenso im besetzten Paris in den Raub von Kunst- und Kulturgütern involviert.42

Besatzungs- und Vernichtungspolitik

Diese Aktivitäten schlugen auch eine Brücke zu Leibbrandts Verstrickung in die Vernichtungspolitik, etwa durch die Tätigkeit seines langjährigen Bekannten Karl Stumpp.43 Dieser leitete von Sommer 1941 bis Frühjahr 1943 eine bis zu 80-köpfige Einheit, die Leibbrandts Hauptabteilung I (Politik) im neu geschaffe- nen Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete direkt zugeordnet war. Die- ses „Sonderkommando Dr. Stumpp“ sammelte ab August 1941 in der besetzten Ukraine u. a. „volksbiologische“ statistische Angaben über die ländliche Bevöl- kerung. Ab Ende 1942 wurden diese Angaben für die Einteilung der deutsch- stämmigen Bevölkerung in die Kategorien der Deutschen Volksliste herangezo- gen.44 Die Berichte Stumpps lassen sich zudem als „Chroniken der Ermordung der jüdischen Bevölkerung“ lesen.45 Leibbrandt war im RMO direkt mit der beginnenden Judenvernichtung befasst. Das prominenteste Beispiel ist ein viel zitierter Briefwechsel mit dem Ostland, , aus dem Herbst 1941.46 Leibbrandt erkundigte sich darin nach den Gründen für die „Untersagung“ von „Judenexe- kutionen“ durch Lohse. Im abschließenden Brief von Leibbrandts Stellvertreter Otto Bräutigam47 hieß es hierzu eindeutig, dass „[w]irtschaftliche Belange […] bei der Regelung des Problems [der „Judenfrage“] grundsätzlich u­nberücksichtigt Ein gelehrter Radikaler 219 bleiben“ sollten.48 Schon im Vorfeld des Überfalls auf die Sowjetunion gab es bei der SS und auch im APA Überlegungen, die einheimische Bevölkerung zu P­ogromen gegen jüdische Menschen aufzuhetzen.49 Informationen über die Umsetzung dieser „Maßnahmen“ erhielt Leibbrandt bereits kurz nach dem Ein- marsch. Im Juli 1941 hatte Bräutigam, der zunächst als Verbindungsoffizier des RMO zum Oberkommando des Heers (OKH) tätig war, in seinem Tagebuch solche Übergriffe notiert.50 Ähnliche Berichte über die Erschießung „einige[r] T­ausend Juden“ erreichten Leibbrandt etwa zeitgleich aus dem Baltikum.51 Insofern scheint Leibbrandts Teilnahme an der Wannsee-Konferenz erklär- bar. Die Tatsache, dass das RMO als einzige beteiligte Dienststelle zwei Vertreter entsandte, ist wiederholt als Indiz für die besondere Schwere seiner Verstrickung dargestellt worden.52 Sie ist jedoch eher in der Person des ranghöheren Staats­ sekretärs und Gauleiters Alfred Meyer begründet. Bei Besprechungen außerhalb des RMO trat dieser meist in fachlicher Begleitung auf.53 Leibbrandts Behaup- tung, er sei kurzfristig von Meyer angewiesen worden, mit ihm zu dem Treffen zu fahren, klingt daher glaubwürdig.54 Auch wenn Leibbrandt sich nicht selbst äußerte,55 war er doch intensiv mit den dort verhandelten Fragen befasst. Von Himmlers Aktivitäten im Vorfeld der Konferenz, die eigene Position durchzusetzen, war auch Leibbrandt betrof- fen. Am 4. Oktober 1941 war er mit Meyer bei Reinhard Heydrich56 zu Gast, am 15. November 1941 dann mit Rosenberg beim Reichsführer SS.57 Im Nachgang lud er für den 29. Januar 1942 selbst zu einer Folgekonferenz ein, die sich mit der Frage des Verfahrens bei „Mischlingen“ beschäftigen sollte. Das RMO trat hier für einen weit gefassten „Judenbegriff“ ein, um den bürokratischen Aufwand bei der Selektion möglichst gering zu halten.58 Nach dem Krieg betonte Leibbrandt seine innere Distanz zur „Judenpoli- tik“. In der Tat hatte es im RMO einige Versuche gegeben, die Besatzungspoli- tik anders zu gestalten. Diese betrafen allerdings eher den Umgang mit Kriegs­ gefangenen und Zwangsarbeitern sowie mit der einheimischen Bevölkerung, die man für den Kampf gegen den Bolschewismus gewinnen wollte. Kritik am Mord der jüdischen Bevölkerung wurde nicht geäußert.59 Zwar zeigte sich Leibbrandt mit Bräutigam abgestoßen von Angehörigen der Zivilverwaltung, die selbst an der Ermordung von Juden teilnehmen wollten. Berichte über die „Regelung der Judenfrage“ gingen dennoch nahezu täglich auch über seinen Schreibtisch.60 Als mögliche Verbündete für eine alternative Besatzungspolitik sahen Rosenberg und Leibbrandt Angehörige der Wehrmacht um den an der Hunger- und Vernich- tungspolitik, später aber auch am 20. Juli 1944 beteiligten Generalquartiermeis- ter Eduard Wagner. Im Oktober 1942 hielt sich Leibbrandt – zwischenzeitlich zum Ministerialdirektor ernannt61 – für Konsultationen beim Oberkommando 220 Georg Leibbrandt • Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete

In der Presseausschnittsammlung des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete wurde die Meldung der Berliner Ausgabe des Völkischen Beobachters über die Ernennung Georg Leib- brandts säuberlich abgelegt. BArch, Sammlung „NS-Archiv des MfS der DDR“/ZC 14364 A.02

der Wehrmacht auf.62 Ende Januar/Anfang Februar 1943 wurde dann zwischen Leibbrandt, dem OKH und der Wehrmachtpropaganda ein „Reformprogramm“ abgestimmt, das Rosenberg wenig später Hitler vorlegte – ohne Erfolg.63 Politische Zurückhaltung in der Besatzungspolitik mag Leibbrandt auch in einem weiteren Fall geleitet haben, den er zu seiner eigenen Entlastung angab.64 Hier handelte es sich um die Klassifizierung der Volksgruppe der Karäer auf der Krim: Diese sollten trotz ihres mehrheitlich jüdischen Glaubens als turkotatari- sches Volk behandelt werden. Diese Entscheidung traf Leibbrandt im Juni 1943 Ein gelehrter Radikaler 221 nach fast zweijähriger Debatte. Von der Vernichtungspolitik waren die Karäer daher mehrheitlich nicht betroffen.65 Es war eine von Leibbrandts letzten Amts- handlungen. Im Herbst 1943 musste er aus seinem Amt ausscheiden. Ein Grund dafür waren ständige Auseinandersetzungen mit dem Reichskommissar Ukraine, Erich Koch.66 Außerdem wollte Himmler anstelle von Leibbrandt – der „mit dem Herzen bei den Ukrainern“67 sei und den er der „Humanitätsduselei“68 bezich- tigte – einen Vertrauten im RMO installieren, um seine Führungsrolle in der Besatzungs- und Vernichtungspolitik weiter zu festigen. Für diese Rolle hatte er den Chef des SS-Hauptamtes ausgesucht, der nun die Leitung der Hauptabteilung Politik übernahm. Leibbrandt erlebte das Kriegsende auf einem Etappenposten der Marine. Seine Selbstwahrnehmung und -darstellung als ein für die Vernichtungspolitik nicht mitverantwortlicher Bürokrat werden dadurch nicht plausibler: Im Ostministerium hatte er zwischen Mitte 1941 und Mitte 1943 die Exekution des Massenmordes und der Besatzungspolitik an füh- render Stelle begleitet.69

Vom Täter zum Opfer

Mit Kriegsende wurde Leibbrandt in der britischen Besatzungszone in „automa- tischen Arrest“ genommen und im Lager Fallingbostel interniert. Im Juli 1947 vorerst entlassen, wurde er zwei Monate später erneut inhaftiert und nach Nürn- berg verbracht. Dort sagte er als Zeuge im Wilhelmstraßen-Prozess aus.70 In der Befragung durch den stellvertretenden Chefankläger Robert Kempner71 wollte sich Leibbrandt zunächst nicht an die Wannsee-Konferenz erinnern können, dann aber erklärte er: „Ich habe dem Minister bei der ersten möglichen Gele- genheit gesagt, dass ich diesen Wahnsinn nicht teile.“72 Danach verblieb Leib- brandt in alliierter Haft. Das gegen ihn angestrengte Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wegen Beihilfe zum Mord wurde 1950 ein- gestellt.73 Leibbrandt galt damit als rehabilitiert. Der Entnazifizierungs-Haupt- ausschuss Kiel stufte ihn 1951 in der Schlussphase der Entnazifizierung dann sogar als unbelastet ein.74 In der Folge war Leibbrandt als „Interessenvertreter“ für die Stadt Wil- helmshaven und den Kreis Friesland in Bonn tätig.75 Später repräsentierte er den Salzgitter-­Konzern in der Bundeshauptstadt,76 zum dem auch Erich Neumann, der Beauftragte für den Vierjahresplan, enge Beziehungen unterhalten hatte. Pri- vat widmete er sich weiter der Geschichte des „Auslandsdeutschtums“ und war in der russlanddeutschen Landsmannschaft aktiv.77 Sein Versuch, eine Stellung 222 Georg Leibbrandt • Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete im Auswärtigen Amt zu erhalten, scheiterte. Als Gewährsmann sollte ihm Otto Bräutigam dienen. Als dessen NS-Vergangenheit aber Mitte der 1950er-Jahre öffentlich diskutiert wurde,78 konnten sie den Plan nicht weiterverfolgen. Auch mit anderen „alten Kameraden“ aus dem Umfeld der Volkstumsforschung wie Stumpp oder Meynen hielt Leibbrandt Kontakt. Ungeachtet seiner – bei allen Ambivalenzen79 – hochgradigen Verstrickung in die NS-Vernichtungspolitik hat Leibbrandt seine Tätigkeit als die eines „trocke- nen Wissenschaftlers“80 und eines Mannes gesehen, der sich für ein hehres Ziel eingesetzt hatte: die Befreiung der Völker im europäischen Osten von der bol- schewistischen Herrschaft. Dabei habe er sich nicht gegen die vielfältigen Wider- stände durchsetzen können.81 Entsprechend wehrte er sich gegen Anschuldigun- gen, die ihn in die Nähe der NS-Führungsriege rückten.82 Dieses Bild versuchte er auch gegenüber Wissenschaftlern zu vermitteln, die ihn zu seinem Handeln in der NS-Zeit befragten. Für Alexander Dallin, Autor des Standardwerks „German Rule in Russia“, war Leibbrandt Mitte der 1950er-Jahre jedoch „zu apologetisch gegenüber seiner eigenen Rolle“, um einen „objektiven Informanten“ abzuge- ben.83 Leibbrandt war so zeit seines Lebens überzeugt, sich nichts vorzuwerfen zu müssen, ja selbst unter durchsetzungsstärkeren Protagonisten des NS-Regimes gelitten zu haben. Damit ist er ein Beispiel für jene Funktionseliten, die im Nach- hinein der „Illusion [erlagen], selbst Opfer gewesen zu sein“.84 Seiner Vergangenheit konnte Leibbrandt jedoch nie ganz entgehen: Vor einer Reise nach Tunis über Paris wurde er im März 1958 beim Auswärtigen Amt mit der Frage vorstellig, ob aufgrund seiner Verstrickungen eine Verhaftung in Frankreich zu befürchten sei.85 Wiederholt musste Leibbrandt auch als Zeuge in Verfahren gegen NS-Täter aussagen, etwa im Rahmen der Ermittlungen gegen Hinrich Lohse oder gegen den „Rassereferenten“ in seiner Hauptabteilung I, Erhard Wetzel. Auch gegen ihn selbst wurden immer wieder Verfahren einge- leitet, z. B. nach einer Anzeige der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes gegen die Teilnehmer der Wannsee-Konferenz.86 Das letzte dieser Ermittlungs- verfahren wurde erst mit Leibbrandts Tod im Jahr 1982 eingestellt.

Martin Munke Ein gelehrter Radikaler 223

1 Wechselwirkungen zwischen den Völkern, Manuskript, o. D., S. 35, NL Leibbrandt. Die Datierung ergibt sich aus der Verwendung des Manuskripts für verschiedene Vor- träge, u. a. bei einer Kulturtagung der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland am 8./9. November 1969. Vgl. Hagin, Kultur- und Arbeitstagung 1969, bes. S. 4. – Für die Möglichkeit der Einsicht in den Nachlass seines Vaters danke ich herzlich Herrn Hans- georg Leibbrandt, Berlin. Der vorliegende Beitrag entstand im Rahmen meines Disserta­ tionsprojekts zu Leibbrandt. Es wurde von der Hanns-Seidel-Stiftung gefördert, für deren Unterstützung ich mich ebenfalls herzlich bedanke. 2 Gerlach, Kalkulierte Morde, S. 225. 3 Vgl. Piper, Rosenberg, S. 536. 4 Vgl. Roseman, Lebensfälle, bes. S. 187–190 (Zitat: S. 188). 5 Vgl. Munke, Täter. 6 Die Bezugnahmen gehen kaum über die Tatsache seiner Anwesenheit hinaus, vgl. Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz (Hrsg.), Die Wannsee-Kon- ferenz; Klein, Die Wannsee-Konferenz 1995; Lehrer, Wannsee House; Pätzold/Schwarz, Tagesordnung: Judenmord; Roseman, Die Wannsee-Konferenz; zuletzt Kampe/Klein (Hrsg.), Die Wannsee-Konferenz. 7 Vgl. Laqueur, Deutschland und Russland, S. 231; Roseman, Die Wannsee-Konferenz, S. 128. 8 Vgl. Jacobsen, Nationalsozialistische Außenpolitik, S. 61; Piper, Rosenberg, S. 292 und 535. 9 Vgl. Munke, Ein gescheiterter Experte. 10 Vgl. dazu und im Folgenden Schmaltz, Leibbrandt, S. 370–373; Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich, S. 364; Wetzel, Leibbrandt, S. 295 f. 11 Vgl. Leibbrandt, Die Auswanderung aus Schwaben. 12 Vgl. Weigand, Goetz; zum Institut vgl. Middell, Weltgeschichtsschreibung, hier bes. Bd. 2: Kulturgeschichte unter Walter Goetz. 13 Leibbrandt, Die deutschen Kolonien, S. 5; vgl. ders., Forschungen, S. 82–94; ders., The Emigration of the German Mennonites I und II. 14 Leibbrandt, Die deutschen Kolonien, S. 5. 15 Ebenda, S. 3 f. Auch die Dissertation erschien in einer Reihe des DAI. Vgl. Ritter, Das Deutsche Ausland-Institut. Zuletzt Pleitner, Deutsches Auslandsinstitut. 16 Vgl. Leibbrandt/Dickmann (Hrsg.), Auswanderungsakten, S. 2 f.; Munke, Zwischen Russ- land, Deutschland und Nordamerika. 17 Vgl. Leibbrandt, Völkische Pflichten, S. 19–23. 18 Vgl. Lebenslauf Georg Leibbrandt, o. D., BArch VBS 1027–ZC, 14364 A.02. 19 Vgl. Die gegenwärtige Lage der Deutschen Kolonisten im Schwarzmeergebiet, März 1927, PA AA, R 60201. 20 Vgl. Fahlbusch, „Wo der Deutsche … ist, ist Deutschland!“ 21 Vgl. Layton, Kurt Ludecke, S. 372–386; Smith, Kurt Lüdecke, S. 597–606. 22 Vgl. Meine Erinnerungen, maschinenschriftliches Manuskript, 1968, S. 72, NL Leib- brandt; IfZ, Zeitzeugenschrifttum, ZS 636, Bl. 14. 23 So in Abgrenzung zu älteren Forschungsmeinungen Piper, Rosenberg; Kroll, Rosenberg, S. 147–166. 24 IMT, Bd. 26, Dok. 1017–PS, S. 547–554; 1030–PS, S. 576–580; Dok. 1039–PS, S. 584–627, bes. S. 616. Vgl. Zellhuber, „Unsere Verwaltung“, S. 258–263. 25 Vgl. die Parteiakte, BArch, R 9361-V/26888 (ehem. BDC, VBS 1, N 0080). 26 Vgl. etwa den Antrag auf Verleihung des Ehrenzeichens für deutsche Volkspflege 1. Stufe an Leibbrandt, Rosenberg an Heß, 26. 3. 1941, BArch NS 8/185. 27 Erinnerungen, S. 43, NL Leibbrandt. 224 Georg Leibbrandt • Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete

28 Dies betraf „volksdeutsche“, russische und ukrainische Gruppen. Vgl. Golczewski, Deut- sche und Ukrainer, bes. S. 667–672, S. 712–721, S. 724–728; Grelka, Ukrainische Natio- nalbewegung, S. 132–135, S. 152 f., S. 162–165. 29 Jacobsen, Nationalsozialistische Außenpolitik, S. 450, 30 Vgl. ebenda, S. 450 f. 31 Vgl. den Aktenbestand „Verband der Deutschen aus Rußland (VDR)“, 4 Bde., PA AA, R 60476 –60479, sowie grundlegend Fleischhauer, Das Dritte Reich, S. 47–60. 32 Fleischhauer, Das Dritte Reich, S. 48 f. 33 Zwei Beispiele von vielen: Leibbrandt, Rassisch-völkische Bedingtheit; ders., Moskaus Aufmarsch. 34 Vgl. Munke, Gemeinsam gegen den Bolschewismus, S. 73–78; ders., Russlandbilder, S. 57–63. 35 Im Jahr 1937 etwa bei der Reichsschulungstagung der Deutschen Arbeitsfront (DAF) am 7. Mai in Erwitte, vor der Studentenschaft der Technischen Hochschule Danzig am 13. Juni, auf einer mehrtätigen Veranstaltung des DAI im August und am 15. Oktober beim NS-Lehrerbund in Bayreuth; vgl. die Notizen in Leibbrandts Handakten als Amtsleiter im APA, BArch NS 43/9, Bl. 253 (4. 5. 1937), 248 (4. 6. 1937), 238 (7. 8. 1937), 225 (12. 10. 1937). 36 Vgl. u. a. die Broschüre „Sammelbesitz Georg Leibbrandt“, o. D., BArch R 153/1233. 37 Vgl. Eckel, Herrschaftsstabilisierende Denkmuster, S. 74–91. 38 Vgl. Fahlbusch, Emil Meynen, S. 422–428. 39 „Homework – Sammlung Georg Leibbrandt/Publikationsstelle Ost“, 10. 12. 1946, NL Meynen, 781/7, Bl. 633 f., IfL. Tatsächlich ist im Einzelfall zwischen den Quellenpublika- tionen in einer ebenfalls mit „Sammlung Georg Leibbrandt“ überschriebenen Publika­ tionsreihe und den weiteren hier skizzierten Arbeiten zu unterscheiden. Für beide bleibt das von Rosenberg formulierte Ziel, mit der SGL eine „umfassende und erschöpfende Grundlage für die Feststellung der deutschen Leistungen [im europäischen Osten]“ her- zustellen. Parteiamtliche Mitteilung, 15. 2. 1940, BArch NS 43/3, Bl. 118. 40 Meynen, Sammlung Georg Leibbrandt, S. 113; vgl. Munke, Publikationsstelle Ost. 41 Landau, Publikationsstelle Ost, S. 488. 42 Vgl. Hartung, Raubzüge; Heuß, „Beuteorganisation“, S. 535–556. Zu den Kenntnissen der Alliierten über Leibbrandts Beteiligung vgl. Report „The ‚Einsatzstab Rosenberg‘“, 2. 3. 1945, TNA, T209/26/1. 43 Vgl. Stumpp, Ostwanderung; Schmaltz/Sinner, Karl Stumpp. Stumpp war wie Leibbrandt kurz vor der Jahrhundertwende in der Nähe von Odessa geboren und mit einer Arbeit über die deutschen Kolonien im Schwarzmeergebiet promoviert worden. 44 Vgl. Fleischhauer, Das Dritte Reich, S. 185–192. 45 Landau, Publikationsstelle Ost, S. 492. Vgl. Schmaltz/Sinner, Nazi Ethnographic Research, S. 28–64, bes. S. 34–42; Sinner, Sonderkommando Dr. Stumpp, S. 647–651; Fleischhauer, Das Dritte Reich, S. 97–101. 46 Durch den Abdruck in Poliakov/Wulf, Das Dritte Reich und die Juden, S. 190 f., wurde dieser Briefwechsel bereits in den 1950er-Jahren einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Zu Hinrich Lohse vgl. Danker, Der schleswig-holsteinische NSDAP-Gauleiter, S. 91–120. 47 Vgl. Heilmann, Kriegstagebuch. Beide hatten sich in den 1920er-Jahren während Bräuti- gams Tätigkeit als Generalkonsul in Odessa kennengelernt. 48 Zuerst ediert als Dokumente 3663–PS und 3666–PS in: IMT, Bd. 32, S. 435–437, Zitat S. 437. Vgl. aber Schneppen, Generalkonsul, S. 301–330. 49 Vgl. Richtlinien (Geheime Reichssache), 29. 5. 1941, PA AA, R 105193. 50 Vgl. Heilmann, Kriegstagebuch, S. 134. 51 Vgl. Kleist an Leibbrandt, 22. 7. 1941, CDJC, CXLV–504. Zu Peter Kleist siehe Buchheim, Zu Kleists „Auch du warst dabei“. Ein gelehrter Radikaler 225

52 Vgl. zuletzt die Einleitung der Herausgeber in: Rosenberg, Tagebücher, S. 85. 53 Vgl. Priamus, Meyer, S. 355. 54 Vgl. Erinnerungen, S. 152, NL Leibbrandt. 55 Vgl. Protokoll der Besprechung über die Endlösung der Judenfrage, 15 Seiten (Bl. 166– 180), http://www.ghwk.de/ghwk/deut/protokoll.pdf (28. 11. 2016). 56 Vgl. VEJ, Bd. 7, Dok. 199, S. 550–553. 57 Vgl. Piper, Rosenberg, S. 587 f.; zu Leibbrandts Teilnahme vgl. Vogt, Herbst 1941, S. 124, Anm. 1090. 58 Vgl. das Protokoll der Sitzung (unter Leitung von Bräutigam), in: Benz/Kwiet/Matthäus (Hrsg.), Einsatz im „Reichskommissariat Ostland“, S. 55–61. 59 Vgl. Umbreit, Die deutsche Herrschaft, S. 60; Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 921 f. 60 So ein von Leibbrandt „i. A.“ gezeichnetes Schreiben Rosenbergs vom 23. 10. 1942. Vgl. VEJ, Bd. 8, Dok. 202, S. 468. 61 Vor dem Wechsel ins RMO hatte Leibbrandt im APA ein Parteiamt inne, zuletzt als Reichsamtsleiter. Die Stellung dort behielt er auch nach dem Wechsel bei, mit Wirkung vom 9. 11. 41 wurde er sogar zum Oberbereichsleiter befördert. Im Ostministerium begann er als Hauptabteilungsleiter. Noch vor der Wannsee-Konferenz schlug Rosenberg Leibbrandts direkte Ernennung zum Ministerialdirektor mit der Übernahme ins Beam- tenverhältnis vor. Vgl. Rosenberg an Reichsministerium des Innern und Reichsministe- rium der Finanzen mit Abschriften an Parteikanzlei und Reichskanzlei, 13. 1. 1942, in: Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP, 103 05244 f. Aufgrund der fehlenden formalen Vor- aussetzungen wurde die Ernennung nach längeren Diskussionen erst im Mai vollzogen. Vgl. Dr. Leibbrandt Ministerialdirektor, in: Völkischer Beobachter, 12. 5. 1942. 62 Vgl. Rosenberg, Tagebücher, S. 451. 63 Erinnerungen, S. 157 f., NL Leibbrandt. Vgl. Mulligan, Politics of Illusion, S. 49–51. 64 Vgl. Erinnerungen, S. 150 f., NL Leibbrandt. 65 Vgl. Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden, S. 617–619. Zum Beginn der Diskussio- nen vgl. VEJ, Bd. 7, Dok. 189, S. 532–534. 66 Vgl. etwa Kochs Beschwerden über Leibbrandt und Mitarbeiter seiner Hauptabteilung Politik in einem Memorandum vom 16. 3. 1943, in: IMT, Bd. 25, Dokument 192–PS, S. 255–287, besonders S. 260 f., 265 f., 280. Vgl. auch Meindl, Ostpreußens Gauleiter, S. 323–397. 67 Rosenberg, Tagebücher, S. 470. 68 Himmler an Rosenberg, 16. 6. 1943, StA Nürnberg, 2638/I, fol. 207. 69 Vgl. zur Rolle des RMO Zellhuber, „Unsere Verwaltung“, S. 217–254; Piper, Rosenberg, S. 577–597. 70 Vgl. Pöppmann, Im Schatten Weizsäckers, S. 320–352. 71 Vgl. Pöppmann, The Trials of Robert Kempner, S. 23–46. 72 Zit. nach: Kempner, Eichmann und Komplizen, S. 155–157. 73 Aktenzeichen 1c Js 1678/49. Vgl. StA Nürnberg, 2638/I–VIII. 74 Vgl. Entnazifizierungs-Hauptausschuss Kiel an Zentralspruchkammer Nord-Württem- berg, 28. 8. 1951, StA Ludwigsburg, EL 902/3, Bü 8603. Ein am Heimatort seiner Familie parallel angestrengtes Verfahren hatte auf Einordnung in die Gruppe der Hauptschul- digen plädiert; vgl. Klageschrift Zentralspruchkammer Nord-Württemberg, 14. 7. 1951, ebenda. 75 Vgl. StA Oldenburg, Dep. 20 FRI, Akz. 2ß12/062, Nr. 236. 76 Vgl. die Verträge im NL Leibbrandt. 77 Vgl. Leibbrandt (Hrsg.), Hoffnungstal und seine Schwaben. 78 Vgl. die Presseartikel im LA Schleswig-Holstein, Abt. 399.65, Nr. 16 (NL Hinrich Lohse). 226 Georg Leibbrandt • Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete

79 Während seiner aktiven Tätigkeit wurden diese Ambivalenzen insofern auch im Ausland wahrgenommen, als dass einerseits Leibbrandts Einsatz für die einzelnen Völkerschaf- ten der Sowjetunion unterstrichen wurde, er andererseits gar als „sowjetischer Agent“ erschien. Vgl. die Interviews mit sowjetischen Emigranten, Widener Library, Harvard University, Harvard Project on the Soviet Social System, z. B. Schedule B, Vol. 10, Case 81, Bl. 2 f.; Vol. 11, Case 382, Bl. 11 (dort das Zitat); Vol. 11, Case 429, Bl. 1. 80 StA Nürnberg, 2638/VI, Bl. 36. 81 Vgl. IfZ, ZS 636, Bl. 2–13. 82 Etwa mit einem Leserbrief an die „Welt“ zu einem Artikel vom 22. Oktober 1971, in dem er als „einer der engsten Vertrauten“ von Martin Bormann bezeichnet worden war. Vgl. Die Welt, 12. 11. 1971, NL Leibbrandt. 83 Interview G–12 A, 5. 6. 1952, Hoover Institution Archives, Alexander Dallin Collec- tion, Box 7. Hans-Adolf Jacobsens Urteil: „Als lebende Quelle sicherlich wichtig; erzählt anschaulich und temperamentvoll. Erinnerungsvermögen gut [!], aber in vieler Hinsicht zu verifizieren.“ IfZ, ZS 636, Bl. 16. 84 Lüdtke, Funktionseliten, S. 590. Hervorhebung im Original. 85 Vgl. den Schriftverkehr zwischen der Zentralen Rechtsschutzstelle des Auswärtigen Amtes, der Deutschen Botschaft in Paris und der Deutschen Botschaft in Tunis, März 1958, BArch 305/22971. 86 Bei der Berliner Generalstaatsanwaltschaft (Aktenzeichen 1 P Js 686/55). Vgl. BArch 162/ 2638.