BAD 83 ALCHEMY Die Literatur, So Scheint Mir, Hat Es Mit Dem Verschwundenen Zu Tun, Oder Mit Dem, Was Hätte Sein Können, Aber Nicht Geworden Ist
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BAD 83 ALCHEMY Die Literatur, so scheint mir, hat es mit dem Verschwundenen zu tun, oder mit dem, was hätte sein können, aber nicht geworden ist... Deshalb sagt man jetzt auch, sie sei unnütz. Und tatsächlich, sie nützt nicht mehr als eine Niederlage, eine Ruine, ein Friedhof, eine Kindheitserinnerung... Der flatternde Schwan der weißen Agonie, haha ... Introibo ad altare Dei. Nie verkehrt, ein bisschen gelesen zu haben: gut fürs innere Gemurmel ... (Olivier Rolin) Meine Synapsentwister diesmal: Benjamin Black - The Black Eyed Blonde Junot Díaz - Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao Krisztián Grecsó - Lange nicht gesehen Rodolfo Enrique Fogwill - Die unterirdische Schlacht John Higgs - The KLF: Chaos, Magic And The Band Who Burned A Million Pounds Denis Johnson - Keine Bewegung! Thor Kunkel - Subs Alan Moore + Gene Ha - Top 10 Paul Morand - Nachtbetrieb Wilhelm Raabe - Das Odfeld Mordecai Richler - Der Traum des Jakob Hersch Oskar Roehler - Herkunft Olivier Rolin - Meroe; Ein Löwenjäger Asaf Schurr - Motti Georges Simenon - Tropenkoller; Die Selbstmörder; Auf großer Fahrt; 45° im Schatten; »...die da dürstet«; Die Geretteten der "Telemach"; Der Verdächtige Clemens J. Setz - Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes Luke Williams - Das Echo der Zeit 2 HAFENSOMMER WÜRZBURG HAFENSOMMER WÜRZBURG HAFENSOMMER WÜRZBURG HAFENSOMMER WÜRZBURG * Teil 1: Nadja Stoller solo oder die Entdeckung der kreativen Langeweile * Mit BA Nr. 82 in der Tasche tingeln wir am 1. August 2014 auf den Würzburger Hafensommer, für mich ist es der erste Besuch der Konzertreihe, die diesmal linksmainisch auf der Talavera (wie alljährlich auch das Africa Festival) stattfindet. Teil 1 des Doppelkonzerts bestreitet NADJA STOLLER mit Banjo, Keyboard to go, Akkordeon, Flöten und den unentbehrlichen Loop-Stations. Wir kennen die kesse Schweizerin ja bereits durch das Trio A.Spell, wo die überaus gelungene Instru- mentierung den nervenden Lolita-Gesang Nadjas recht gut kompensiert. Um 20:00 Uhr werden wir aber mit der Solo-Künstlerin Nadja Stoller konfrontiert. Obwohl sie ihre Kinderstimme zuhause gelassen hatte, war die Performance ziemlich infantil. Preist uns die Hafensommer-Website Stollers Lieder als „schillernde Kleinode“ an, so müssen wir leider konstatieren, dass die Songs eher billigen Glasperlen ähneln. Zwar hat es Fräulein Stoller als Alleinunterhalterin auf einer großen Bühne nicht leicht, es gelingt ihr aber auch zu keiner Zeit irgendwie Pep oder so etwas wie wirkliche Bühnenpräsenz zu entwickeln. Vielleicht für eine Kita-Betriebsfeier, aber sicher nicht für die Hafensommerbretter. Und so lässt sich das Ganze bestenfalls als halbgare Songs an einem lauen Sommerabend verbuchen. Der Hauch von Morricone-Westernatmosphäre, der durch die Banjo-Loops zwischenzeitlich auf- kommt, verpufft leider wieder. So monoton wie Gesang und Instrumentierung, so hohl und oberflächlich sind die Songtexte. Als sei die österreichische Lyric-Legasthenikerin Christina Stürmer am Werk gewesen. Texte wie frisch aus dem Kurs „Songwriting für Tiefgangsasketen“. Als besinge eine Erwachsene ihr unaufgeräumtes Kinderzimmer. Handelt es sich bei dem Lied über sich im Kreis drehen um absichtliche oder unfreiwillige Selbst- ironie? Ich tendiere zu letzterem. Den völligen kreativenTiefschlag liefert der Song über die Zahl acht, die wie jeder weiß aus zwei dreien besteht. Vielleicht finden die finanzaffinen Eidgenossen so etwas lustig. Wir definitiv nicht. Musik wie verschnit- tener Blümchenkaffee. Kurz vor Schluss verlassen wir diese Lebensweisheiten aus dem Kindergarten neben der Hanfplantage, um uns am Getränkestand wieder wach zu trinken. Dass Nadja Stoller ihr Programm „Alchemy“ genannt hat, konnte uns immerhin einen herzlichen Lacher abgewinnen. Teil 2: Gabby Young & Other Animals oder ...mmmmmmmm! Aber dann, DIE Entschädigung! - The Return of GABBY YOUNG & OTHER ANIMALS! Diesmal nicht barfuß wie vor zwei Jahren, sondern gestiefelt und mit Piroschkapetti- coats. Und während das Auge bei 'Ladies of the Lake' noch zwischen Paprika und Kirschblüte schwankt, löst Gabby mit ihrem auf höchste Yma-Sumac-Gipfel aufstei- genden Sopran reihum gleich kollektives Raunen und Lustschauer aus. Sen-sa-tio- nell, diese Stimme, Gabby als Königin der Nacht in schwindelnden Höhen. Zuerst gibt es bekannte Songs, rührende wie 'Male Version of Me' als absolute Liebeser- klärung, die sogar Hochzeitswalzer-Qualitäten besitzt oder 'Walk Away', ihr liebe- volles Sich-Abnabeln vom Vater. Und mitreißende wie 'Horatio', mit Stephen Ellis als chassiden- (oder amish-)bärtigem Temperamentsbolzen und gleich auch mit Publi- kumshälften, denen Seemanns-Ho! und Seemanns-Ha! abgefordert wird. 3 Foto: Dita Vollmond Wenn jemand stocksteife Unterfranken aufmöbeln kann, dann sind es dieser herzallerliebste Rotschopf aus Bath und ihre tierische Varieté- kapelle, die mit Geige, Akkordeon, Posaune, Tuba, Gitarren, Kontrabass und Drums Mariachi, Salsa, Jungle-Growls & Shanties zaubern und die Talavera zur Enchanted Island machen. Gabby tanzt, trötet eine Plastik- trompete, verliert einen nach dem anderen ihrer 'buttons', kräht atemlos ihre Ansagen und vergrößert mit allem, was sie anstimmt, die Herzbrand- gefahr. Mit 'Another Ship' und seinem Heimweh-Lalala beginnen die Songs des neuen Albums, darunter natürlich das starke Titelstück 'One Foot in Front of the Other' und das noch bessere 'Time' mit seinem "Wait"-"Don't"-Chorus und hüftschwingender Überredungskunst. Das antidepressive 'Smile' lasst uns schon lächeln, wenn sie zu Beginn nur ganz zaghaft ihre Miniukulele streichelt. 'Fear of Flying' stellt sich der Angst vor der Angst, und Flying meint da weit mehr als nur ein Flugzeug zu besteigen. Unser Darling, hier einer irischen Folkqueen gleich, der das Licht durch die Kehle scheint, bewegt die Flügel als Starling, als Star, der zurück in den Pulk gefunden hat. Am besten ist 'The Devil Has Moved In' mit seinem "the money the money the money" und "the power the power the power" sowie dem obligatorischen “La da da da ...”. Statt eines Schutzengels hockt der Teufel im Nacken und lockt mit ner goldenen Schallplatte. Wenngleich wir dieses furiose Stimmungsfeuerwerk ins- gesamt eher als „Happy Cabaret“ bezeichnen würden, ist ‚The Devil‘ wieder ganz klar dunkel und erinnert an ‚What Have Ye Done To Your Face‘, Marcella Puppinis Abgesang an ihre durch „Schönheitschirurgie“ entstellte Freundin. Als großes Zugabenfeuerwerk gibt es, was sonst, die grandiose Schun- kelhymne 'We're All in this Together' mit Götterfunken und allem Pipapo, und den noch einmal arschkickenden Kasatschok 'Ask You a Question (and You gave me a lie)'. Dass sich der Teufel an Gabby & den Animals bisher die Zähne ausgebissen hat, zeigt das Danach. Sowas haben wir wirklich noch nicht erlebt, ein Publikum, das quasi geschlossen Schlange steht, um sich signierte CDs und 'free hugs' von Gabby abzuholen. Ein Paradiesvogel zum Knuddeln und Liebhaben. Irre. Marius Joa / rbd 4 HAMMERS THEY HAVE FEELINGS TOO Irgendwann an diesem sonnigen 26. - 27. September, an dem das FREAKSHOW ARTROCK FESTIVAL WÜRZBURG 2014 wieder einmal die Provinz auf Weltni- veau rockte (while no Würzburger was listening), dürfte dem als Location aus- geguckten "Blauen Adler" in der Mergentheimerstraße gedämmert sein, dass er wohl mit der Blauen Elise verwechselt wurde. Auch so mancher Passant dort drehte sich verwundert um - das Haus der Gehörgeschädigten, das war doch bisher weiter links? Dabei fing es eigentlich ganz zivil an. Die COWBOYS FROM HELL machten auf ihrem Ausflug von den Schweizer Kreuz- brechbergen ins Flachland einmal mehr in Freaktown Halt. Und brachten mit ihrem bewährten, hell wach machenden Drive von Christoph Irnigers Efx-Sax, Chrigel Bosshards Drumming und Marco Blochlingers Efx-Bass gleich mal Schwung in einen Laden, dem der überständige Muff der 1970er als eine Art Qualität anhaftet. Die schreienden Tapeten gilt es da erstmal zu übertönen. Das Trio, dem diesmal nicht die üblichen 12 Freakapostel, sondern gut 120 Stern- fahrer lauschten, schaffte das mit ausdifferenzierter Dynamik, und offerierte neben Fusionhochdruck auch gewagt leise und ambiente Passagen, in denen freilich doch wieder sich Furioses zusammenbraute, Rodeoritte auf wilden Seekühen, Konfrontationen mit Moby Dick. Wer die Anfahrt aus Berlin, Bremen oder gar Stralsund auf sich genommen hatte, bekam hier gleich mal positiven Input verpasst. Dass einige mehr Pulverdampf als zielgenaue blaue Bohnen registrierten, sei aber auch nicht verschwiegen. Den folgenden Beitrag der jungen NEVÄRLLÄJF aus Schweden kann ich da- gegen nur mit +/- Null verbuchen. Ihre, zugegeben, nur aus der Halbdistanz gehörte biedere Mathrock-Jazzrock-Mixtur, vom Veranstalter, vulgo Charly- Charly-Charly, in seiner großzügigen Karl-Heinzigkeit mit keinerlei Zeitlimit gebremst, gab stundenlang Gelegenheit, Sozialkontakte zu pflegen und dabei Erstaunliches zu erfahren, über den Weihnachtsmarkt in Shanghai und über den Brainstorm, den The Artaud Beats beim RIO in Carmaux verursacht hatten. Gegen Mitternacht wurde den platten Sinnen aber dann doch noch das erhoffte zweite Hallo Wach des Tages verabreicht. Und das in hoher Dosis und von kom- petenter Hand, nämlich DOCTOR NERVE. Was könnte ich über Nick Didkowsky, Michael Lytle, Rob Henke, Ben Herrington, Kathleen Supové, Jesse Krakow und Leo Ciesa sagen, was ich nicht anlässlich ihrer triumphalen Wiederkehr bei der 30th Anniversary Tour im Mai 2013 schon gesagt hätte (BA 77)? Dass ihre epi- leptisch-mathematische Downtown-Blasmusik wieder ganz stachelschweinisch prickelte? Geschenkt. Was denn