SWR2 Tandem - Manuskriptdienst
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2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Mut zum Handeln Afrikanische Musiker beziehen Stellung Autor: Marlene Küster Redaktion: Bettina Stender Synchronsprecher: Michael Mellinger und Barbara Becker Sendung: Donnerstag, 13.08.15 um 19.20 Uhr in SWR2 __________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de ___________________________________________________________________ MANUSKRIPT Mod Ob Stammeskonflikte, Korruption, Unterdrückung, Ausbeutung, Willkür, Gewalt, Zwangsheirat oder Rassismus – afrikanische Musiker nehmen die politische Situation in ihrem Land kritisch unter die Lupe, eine Sendung von und mit Marlene Küster. Die Sängerin Simphiwe Dana aus Südafrika beispielsweise verkörpert das junge, lebendige Südafrika. Sie gehört zur Ethnie der Xhosa und ist 1980 in der Transkei geboren – zu Zeiten der Apartheid eine Region des Xhosa-Volks und seit der Demokratie Teil der Provinz Ostkap. Simphiwe Dana verbrachte dort ihre Kindheit und wuchs als älteste Tochter von vier Geschwistern in einfachen Verhältnissen auf. 1) O-Ton Simphiwe Dana (0:26) Ich bin während des Apartheid-Regimes groß geworden, für mich war aber diese Zeit wie „In-einer-Blase-leben“. Ich fristete ein Dasein so weit von allem entfernt und hatte überhaupt keinen Kontakt zu Weißen. Diese ließen uns Schwarzen eigentlich weitgehend in Ruhe. Doch eines Tages vertrieben sie uns. Wir mussten umziehen und ihnen unser Land überlassen. Für sich beanspruchten sie das gute Land. Der Boden, der für die schwarze Bevölkerung übrig blieb, war unfruchtbar. Musik 1 , Simphiwe Dana, CD Zandisile, Track 1: Zandisile (0’41) Mod Erst 1994 endete die Rassentrennung: die so genannte Apartheid. Die autoritäre selbsterklärte Vorherrschaft der weißen Bevölkerungsgruppe fand ihren Abschluss mit einem demokratischen Regierungswechsel von Nelson Mandela als ersten schwarzen Präsidenten. Immer noch hat dieses Land mit den Folgen der Apartheid zu tun und trägt Spuren der Kolonialzeit. Im Laufe der Jahre hat sich Simphiwe Dana enorm weiter entwickelt. Aus dem ländlichen Mädchen ist eine engagierte Rebellin und selbstbewusste Musikerin geworden. Die gelernte Graphikerin strahlt Würde aus und legt großen Wert auf ihre Äußeres: lange Wimpern, weite farblich gut aufeinander abgestimmte Ensembles und sehr extravagante Turbane sowie Kopfbedeckungen. Identität – ihr Schlüsselwort: 2) O-Ton Simphiwe Dana (0:24) Wir müssen uns zunächst bewusst werden, wer wir überhaupt sind und erst einmal zu uns selbst finden. Wir sind zum jetzigen Zeitpunkt so verloren, wir sind voller Selbsthass, Missachtung und Selbstzweifel. Das sind noch die Folgen der Apartheid. Mit meiner Musik will ich meinen Leuten Mut zusprechen, ihnen klar machen, dass wir an uns glauben müssen. Erst so sind wir imstande, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Mod Simphiwe Dana geht es um politische Botschaften. Einer ihrer großen Vorbilder ist der südafrikanische Freiheitskämpfer Steve Biko: Begründer der Black-Consciousness- Bewegung in Südafrika. Seine Überzeugung: Gleichberechtigung sei nur durch ein gesundes schwarzes Selbstvertrauen zu erreichen. Simphiwe Dana knüpft an Steve Bikos Ideen an und versucht, ihren Landsleuten Mut zu machen. Sie komponiert und textet ihre Lieder selbst, wobei sie vornehmlich in ihrer Muttersprache Xhosa singt, nur vereinzelt in Englisch. Ihre Sprache hat zahlreiche lautliche Elemente der ursprünglichen Buschmann-Sprache wie etwa Klick- und Schnalzlaute aufgenommen. Xhosa gehört zur selben Sprachfamilie wie Zulu und das versteht man fast in ganz Südafrika. So erreichen ihre Botschaften viele Afrikaner. Der Titel einer ihrer Veröffentlichungen „Kulture Noir“ schließt den anglo- sowie den frankophonen Teil des schwarzen Kontinents ein und verweist auf panafrikanische Ideen. Die Intention der südafrikanischen Künstlerin ist deutlich: 3) O-Ton Simphiwe Dana (0:25) Wir brauchen unbedingt eine Verbindung zu unseren Vorfahren. Wir dürfen unsere Vergangenheit nicht vergessen. Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, woher wir kommen und wohin wir gehören. Viele sehen sich immer noch als Verlierer. Verleugnet nicht eure Wurzeln, damit kommt ihr nicht weiter. Blickt zurück auf eure Geschichte, ermutige ich meine Landsleute, dort findet ihr die nötige Kraft, Ausdauer, Selbstbewusstsein und eure Identität. Musik 2 Simphiwe Dana, CD Zandisile, Track 6: Tribe (0’55) Mod Auch Octopizzo – einer der erfolgreichsten Rapper Kenias – spricht klare Worte. Er kommt aus einem der größten Slums in Afrika, und zwar aus Kibera im Süden der kenianischen Hauptstadt Nairobi gelegen. Mit 15 hat er sich als Waise durch den Ghettoalltag geschlagen. 4) O-Ton Octopizzo (0:18) „On Top“ ist ein Song über Schuhe. Ich ging immer ohne Schuhe zur Schule. Ich hatte folgenden Traum: Wenn ich es eines Tages ganz nach oben schaffe, dann kauf ich mir alle Schuhe, die ich kriegen kann. Tausende fühlten wie ich. Alle wollten Schuhe. Das war der Hit fürs Radio. Musik 3, Octopizzo, CD Chocolate City, Track 6: On Top (0:36) Mod Die schwere Kindheit hat bei Octopizzo bis heute Spuren hinterlassen – er wuchs nur mit einer Mahlzeit pro Tag auf. Er ist sehr mager und benötigt Appetitanreger. Starallüren sind Octopizzo vollkommen fremd. Bemerkenswert, dass er trotz Erfolg – sogar der Präsident hoffte vergeblich auf seine Unterstützung im Wahlkampf – zu seiner Herkunft steht. Er hat sich seine Karriere hart erarbeitet und will Vorbild sein und den Leuten im Slum zeigen, dass es möglich ist, Erfolg zu haben, wenn sie unbeirrt daran festhalten. 5) O-Ton Octopizzo (0:25) Ich sage zu meinen Leuten: Wenn ihr was erreichen wollt, dann müsst ihr hart dafür kämpfen. In meinen Songs spreche ich immer wieder von Kibera. Kaum jemand hat dieses Ghetto verlassen. Selbst Nairobi ist den Slum-Bewohnern fremd. Nur aus dem Fernsehen kennen sie das bessere Leben. Ich verbinde mit meiner Musik eine Mission: Als Brücke zwischen den Slums und den reichen Wohnvierteln soll sie helfen, Vorurteile abzubauen. Mod Octopizzos Mission geht noch viel weiter. Das zeigt er auf seiner Veröffentlichung „Chocolate City“. Der Albumtitel verweist auf den braunen Schlamm und die rostigen Wellblechdächer von Kibera. In seinen Songs berichtet der Aktivist als Augenzeuge und verarbeitet eigene Erlebnisse. In „Toboa“ beispielsweise geht es um die Gewalt nach den Wahlen 2007 in Kenia: Kibera ist ein Schlachtfeld. Der damals 20jährige Octopizzo verschanzt sich mit Freunden zu Hause. Musik 4 Octopizzo, CD Chocolate City, Track 13: Toboa (0’41) 6) O-Ton Octopizzo (0:36) Wir hatten Angst. Menschen gingen aufeinander los. Überall waren Tote, niedergebrannte Häuser. Ich ging damals zwei Monate lang nur mit einer Machete durch Kibera. Als ich Toboa veröffentlicht hab, war ich schon bekannt. Ich musste die Leute unbedingt vor der Tötungsmaschine der Regierung warnen. Ich hatte genug von diesen Pseudo- Friedensinitiativen. Jeder wollte nur Geld verdienen. Niemand war wirklich an Frieden interessiert. Die Situation scheint sich heute beruhigt zu haben, aber Hass und Rache sind immer noch präsent. Ich hab gesagt, das ist kein Frieden für mich. Wir müssen unbedingt diese korrupten Machthaber stoppen. Mod Und die vier Musiker der Band Songhoy Blues aus Mali – Mitte 20 – beindrucken mit ihrem ruhigen, gefassten Auftreten und mit Gitarre, Schlagzeug, Bass und Gesang. Musik 5 Songhoy Blues, CD Music in Exile, Track 1: Soubour (0’44) Mod Songhoy Blues haben eine bedeutende musikalische Vision und setzen mit der Gründung ihrer Band ein deutliches Zeichen: 7) O-Ton Aliou (0:11) Wir haben die Band gegründet, um den Unruhen im Norden Malis entgegenzuwirken. Die Jihadisten hatten dort die Musik zensiert und sofort körperliche Bestrafung wie das Entfernen der Zunge angedroht. Mod Aliou, Sänger der Band Songhoy Blues, erzählt von den strengen Scharia-Regeln der islamistischen Rebellen. Die hatten 2012 den Norden von Mali besetzt. Gitarrist Garba, Alious Bandkollege, war der Erste, der den Terror der Jihadisten, der selbsternannten Gotteskrieger, direkt miterlebt hat. Als die Rebellen einmarschiert sind, war er in der Stadt Dire – 80 Kilometer von Timbuktu entfernt. 8) O-Ton Garba (0:09) Fußballspiel und Musik wurden verboten. Gitarre spielen ist für mich so existentiell wie Essen. Ich musste unbedingt weg und bin nach Bamako aufgebrochen. Musik 6 Songhoy Blues, CD Music in Exile, Track 2: Irganda (1:55) Mod In Malis Hauptstadt Bamako haben sich dann Garba, Aliou und Oumar getroffen, die sich schon vom Studium kennen. Mit Schlagzeuger Nathanael Dembele war das Quartett komplett – und Songhoy Blues geboren. 9) O-Ton Garba (0:15) In unserer Band machen wir keine Unterschiede zwischen Konfession oder Stammeszugehörigkeit. Wir drei kommen aus dem Norden von Mali und sind Muslime, der Schlagzeuger ist katholisch und kommt aus dem Süden. Und wir begreifen uns als