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SWR2 Tandem - Manuskriptdienst

Mut zum Handeln Afrikanische Musiker beziehen Stellung

Autor: Marlene Küster

Redaktion: Bettina Stender

Synchronsprecher: Michael Mellinger und Barbara Becker

Sendung: Donnerstag, 13.08.15 um 19.20 Uhr in SWR2

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Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

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MANUSKRIPT

Mod Ob Stammeskonflikte, Korruption, Unterdrückung, Ausbeutung, Willkür, Gewalt, Zwangsheirat oder Rassismus – afrikanische Musiker nehmen die politische Situation in ihrem Land kritisch unter die Lupe, eine Sendung von und mit Marlene Küster. Die Sängerin Simphiwe Dana aus Südafrika beispielsweise verkörpert das junge, lebendige Südafrika. Sie gehört zur Ethnie der Xhosa und ist 1980 in der Transkei geboren – zu Zeiten der Apartheid eine Region des Xhosa-Volks und seit der Demokratie Teil der Provinz Ostkap. Simphiwe Dana verbrachte dort ihre Kindheit und wuchs als älteste Tochter von vier Geschwistern in einfachen Verhältnissen auf.

1) O-Ton Simphiwe Dana (0:26) Ich bin während des Apartheid-Regimes groß geworden, für mich war aber diese Zeit wie „In-einer-Blase-leben“. Ich fristete ein Dasein so weit von allem entfernt und hatte überhaupt keinen Kontakt zu Weißen. Diese ließen uns Schwarzen eigentlich weitgehend in Ruhe. Doch eines Tages vertrieben sie uns. Wir mussten umziehen und ihnen unser Land überlassen. Für sich beanspruchten sie das gute Land. Der Boden, der für die schwarze Bevölkerung übrig blieb, war unfruchtbar.

Musik 1 , Simphiwe Dana, CD Zandisile, Track 1: Zandisile (0’41)

Mod Erst 1994 endete die Rassentrennung: die so genannte Apartheid. Die autoritäre selbsterklärte Vorherrschaft der weißen Bevölkerungsgruppe fand ihren Abschluss mit einem demokratischen Regierungswechsel von Nelson Mandela als ersten schwarzen Präsidenten. Immer noch hat dieses Land mit den Folgen der Apartheid zu tun und trägt Spuren der Kolonialzeit. Im Laufe der Jahre hat sich Simphiwe Dana enorm weiter entwickelt. Aus dem ländlichen Mädchen ist eine engagierte Rebellin und selbstbewusste Musikerin geworden. Die gelernte Graphikerin strahlt Würde aus und legt großen Wert auf ihre Äußeres: lange Wimpern, weite farblich gut aufeinander abgestimmte Ensembles und sehr extravagante Turbane sowie Kopfbedeckungen. Identität – ihr Schlüsselwort:

2) O-Ton Simphiwe Dana (0:24) Wir müssen uns zunächst bewusst werden, wer wir überhaupt sind und erst einmal zu uns selbst finden. Wir sind zum jetzigen Zeitpunkt so verloren, wir sind voller Selbsthass, Missachtung und Selbstzweifel. Das sind noch die Folgen der Apartheid. Mit meiner Musik will ich meinen Leuten Mut zusprechen, ihnen klar machen, dass wir an uns glauben müssen. Erst so sind wir imstande, selbst etwas auf die Beine zu stellen.

Mod Simphiwe Dana geht es um politische Botschaften. Einer ihrer großen Vorbilder ist der südafrikanische Freiheitskämpfer Steve Biko: Begründer der Black-Consciousness- Bewegung in Südafrika. Seine Überzeugung: Gleichberechtigung sei nur durch ein gesundes schwarzes Selbstvertrauen zu erreichen. Simphiwe Dana knüpft an Steve Bikos Ideen an und versucht, ihren Landsleuten Mut zu machen. Sie komponiert und textet ihre Lieder selbst, wobei sie vornehmlich in ihrer Muttersprache Xhosa singt, nur vereinzelt in Englisch. Ihre Sprache hat zahlreiche lautliche Elemente der ursprünglichen Buschmann-Sprache wie etwa Klick- und Schnalzlaute aufgenommen. Xhosa gehört zur selben Sprachfamilie wie Zulu und das versteht man fast in ganz Südafrika. So erreichen ihre Botschaften viele Afrikaner. Der Titel einer ihrer Veröffentlichungen „Kulture Noir“ schließt den anglo- sowie den frankophonen Teil des schwarzen Kontinents ein und verweist auf panafrikanische Ideen. Die Intention der südafrikanischen Künstlerin ist deutlich:

3) O-Ton Simphiwe Dana (0:25) Wir brauchen unbedingt eine Verbindung zu unseren Vorfahren. Wir dürfen unsere Vergangenheit nicht vergessen. Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, woher wir kommen und wohin wir gehören. Viele sehen sich immer noch als Verlierer. Verleugnet nicht eure Wurzeln, damit kommt ihr nicht weiter. Blickt zurück auf eure Geschichte, ermutige ich meine Landsleute, dort findet ihr die nötige Kraft, Ausdauer, Selbstbewusstsein und eure Identität.

Musik 2 Simphiwe Dana, CD Zandisile, Track 6: Tribe (0’55)

Mod Auch Octopizzo – einer der erfolgreichsten Rapper Kenias – spricht klare Worte. Er kommt aus einem der größten Slums in Afrika, und zwar aus Kibera im Süden der kenianischen Hauptstadt Nairobi gelegen. Mit 15 hat er sich als Waise durch den Ghettoalltag geschlagen.

4) O-Ton Octopizzo (0:18) „On Top“ ist ein Song über Schuhe. Ich ging immer ohne Schuhe zur Schule. Ich hatte folgenden Traum: Wenn ich es eines Tages ganz nach oben schaffe, dann kauf ich mir alle Schuhe, die ich kriegen kann. Tausende fühlten wie ich. Alle wollten Schuhe. Das war der Hit fürs Radio.

Musik 3, Octopizzo, CD Chocolate City, Track 6: On Top (0:36)

Mod Die schwere Kindheit hat bei Octopizzo bis heute Spuren hinterlassen – er wuchs nur mit einer Mahlzeit pro Tag auf. Er ist sehr mager und benötigt Appetitanreger. Starallüren sind Octopizzo vollkommen fremd. Bemerkenswert, dass er trotz Erfolg – sogar der Präsident hoffte vergeblich auf seine Unterstützung im Wahlkampf – zu seiner Herkunft steht. Er hat sich seine Karriere hart erarbeitet und will Vorbild sein und den Leuten im Slum zeigen, dass es möglich ist, Erfolg zu haben, wenn sie unbeirrt daran festhalten.

5) O-Ton Octopizzo (0:25) Ich sage zu meinen Leuten: Wenn ihr was erreichen wollt, dann müsst ihr hart dafür kämpfen. In meinen Songs spreche ich immer wieder von Kibera. Kaum jemand hat dieses Ghetto verlassen. Selbst Nairobi ist den Slum-Bewohnern fremd. Nur aus dem Fernsehen kennen sie das bessere Leben. Ich verbinde mit meiner Musik eine Mission: Als Brücke zwischen den Slums und den reichen Wohnvierteln soll sie helfen, Vorurteile abzubauen.

Mod Octopizzos Mission geht noch viel weiter. Das zeigt er auf seiner Veröffentlichung „Chocolate City“. Der Albumtitel verweist auf den braunen Schlamm und die rostigen Wellblechdächer von Kibera. In seinen Songs berichtet der Aktivist als Augenzeuge und verarbeitet eigene Erlebnisse. In „Toboa“ beispielsweise geht es um die Gewalt nach den Wahlen 2007 in Kenia: Kibera ist ein Schlachtfeld. Der damals 20jährige Octopizzo verschanzt sich mit Freunden zu Hause.

Musik 4 Octopizzo, CD Chocolate City, Track 13: Toboa (0’41)

6) O-Ton Octopizzo (0:36) Wir hatten Angst. Menschen gingen aufeinander los. Überall waren Tote, niedergebrannte Häuser. Ich ging damals zwei Monate lang nur mit einer Machete durch Kibera. Als ich Toboa veröffentlicht hab, war ich schon bekannt. Ich musste die Leute unbedingt vor der Tötungsmaschine der Regierung warnen. Ich hatte genug von diesen Pseudo- Friedensinitiativen. Jeder wollte nur Geld verdienen. Niemand war wirklich an Frieden interessiert. Die Situation scheint sich heute beruhigt zu haben, aber Hass und Rache sind immer noch präsent. Ich hab gesagt, das ist kein Frieden für mich. Wir müssen unbedingt diese korrupten Machthaber stoppen.

Mod Und die vier Musiker der Band Songhoy Blues aus – Mitte 20 – beindrucken mit ihrem ruhigen, gefassten Auftreten und mit Gitarre, Schlagzeug, Bass und Gesang.

Musik 5 Songhoy Blues, CD Music in Exile, Track 1: Soubour (0’44)

Mod Songhoy Blues haben eine bedeutende musikalische Vision und setzen mit der Gründung ihrer Band ein deutliches Zeichen:

7) O-Ton Aliou (0:11) Wir haben die Band gegründet, um den Unruhen im Norden entgegenzuwirken. Die Jihadisten hatten dort die Musik zensiert und sofort körperliche Bestrafung wie das Entfernen der Zunge angedroht.

Mod Aliou, Sänger der Band Songhoy Blues, erzählt von den strengen Scharia-Regeln der islamistischen Rebellen. Die hatten 2012 den Norden von Mali besetzt. Gitarrist Garba, Alious Bandkollege, war der Erste, der den Terror der Jihadisten, der selbsternannten Gotteskrieger, direkt miterlebt hat. Als die Rebellen einmarschiert sind, war er in der Stadt Dire – 80 Kilometer von entfernt.

8) O-Ton Garba (0:09) Fußballspiel und Musik wurden verboten. Gitarre spielen ist für mich so existentiell wie Essen. Ich musste unbedingt weg und bin nach aufgebrochen.

Musik 6 Songhoy Blues, CD Music in Exile, Track 2: Irganda (1:55)

Mod In Malis Hauptstadt Bamako haben sich dann Garba, Aliou und Oumar getroffen, die sich schon vom Studium kennen. Mit Schlagzeuger Nathanael Dembele war das Quartett komplett – und Songhoy Blues geboren.

9) O-Ton Garba (0:15) In unserer Band machen wir keine Unterschiede zwischen Konfession oder Stammeszugehörigkeit. Wir drei kommen aus dem Norden von Mali und sind Muslime, der Schlagzeuger ist katholisch und kommt aus dem Süden. Und wir begreifen uns als ein Team, in dem es keinen Chef gibt.

Mod Songhoy Blues – eine Band mit treibenden Rhythmen und großen Geschichten. Sie verarbeiten in den Liedtexten ihre persönlichen Erfahrungen. Im Song „Desert Bues“ zum Beispiel erzählen sie vom Terror des radikalen Islam und wie die Extremisten die heiligen Grabstätten zerstört haben.

10) O-Ton Aliou (0:23) Jeder weiß, dass die Melodie und der Blues bei uns in der Wüste entstanden sind. Diese Wüstenmelodie hat sich während des Krieges und den Unruhen in Maschinengewehrfeuer verwandelt. Die Angreifer haben behauptet, wir würden nicht beten. Das stimmt nicht. Wir erinnern uns sehr gut an die Djinger-ber-Moschee, eine der ältesten, die es bei uns überhaupt gibt. Seit Jahrhunderten praktizieren wir den Islam.

Musik 7 Songhoy Blues, CD Music in Exile, Track 10: (1‘42)

Mod Unter dem Namen Songhoi wollen die vier jungen Musiker Vorurteile abbauen und alle Stämme kulturell wieder zusammenschließen. Der Bandname bezieht sich auf das ehemalige Königreich Songhoi. Diese Kultur hatte ihre Hochblüte im 14. Jahrhundert. Das Reich hatte sich damals über die gesamte Sahelzone ausgedehnt, die heutigen Länder Tschad, Mauretanien, Senegal und Mali eingeschlossen und alle ethnischen Völker dort vereint. Mit ihrer Musik wollen sie etwas Ähnliches leisten:

11) O-Ton Aliou (0:25) Musik kann alle Menschen vereinen, ihnen Trost und Lebenssinn schenken und vor allen Dingen auch verschiedene Ethnien zusammenführen. Musik kann Frieden stiften. Und gerade bei uns in Mali hat Musik eine besondere Bedeutung. Die Bevölkerung hat manchmal nicht genug zu essen und Musik hilft ihnen, den Hunger zu vergessen. Musik schenkt ihnen Zerstreuung und Vergnügen. Menschen ohne Musik sind wie ein Körper ohne Seele.

Mod Ein weiterer engagierter Musiker: der sympathische Rapper Didier Awadi aus dem Senegal. Im Song „Ma Revolution“ verbreitet er klare Worte und deutliche Ansagen.

Musik 8 Didier Awadi, CD Ma Révolution, Track 5: Génération consciente (1:02)

Mod In „Ma Revolution“ bezieht sich Didier Awadi auf wichtige Personen Afrikas, die Geschichte geschrieben haben, wie den ehemaligen Präsidenten Burkina Fasos, Thomas Sankara. Dieser wurde 1987 bei einem Putsch ermordet, ein Politiker mit einer sozialen, ökonomischen Vision: Die Entwicklung Afrikas muss aus eigener Kraft möglich sein – das war seine Devise. Und Kwame Nkrumah aus Ghana führte die damalige britische Kronkolonie Goldküste unter dem Namen Ghana 1975 als erstes schwarzafrikanisches Land in die Unabhängigkeit. Didier Awadi kennt die Geschichte seines Kontinents sehr gut. In ihm steckt selbst die Idee der Einheit aller afrikanischen Menschen, unabhängig von ihrer Ethnie oder Nationalität

12) O-Ton Didier Awadi (0:32) Ich spreche von „Generation Consciente“. Damit meine ich eine aufgeklärte, junge Generation. Sie hinterfragt Sachverhalte, lässt sich nicht manipulieren und bezieht aus verschiedenen Quellen ihr Wissen. Sie weiß, warum Gbagbo, der ehemalige Präsident der Elfenbeinküste, im Gefängnis gelandet ist. Sie durchschaut, was die Medien vorgaukeln. Wir sind die aufgeklärte Generation, heute lassen wir uns nichts mehr vormachen. Wir schlucken nicht alles ohne Widerrede. Wir müssen die Zusammenhänge durchschauen, agieren und wenn es nötig ist, nein sagen.

Mod Der senegalesische Aktivist ist Mitte 40 und hat schon als Teenager mit dem Rappen auf dem Schulhof begonnen. Und mit seinem Freund Amadou Barry dann 1989 die Band Positive Black Soul gegründet:

13) O-Ton Didier Awadi (0:32) Wir begannen in unserer Sprache, dem Wolof, zu rappen. Außerdem griffen wir auch auf die englische und französische Sprache zurück. Es war wichtig, dass unsere Botschaften den Senegal und auch das Ausland erreichten. Wir wollten das Bild von

Afrika korrigieren, das diesen Kontinent auf Safari und Kriege reduziert! Wir wollten dagegen ein anderes Bild von unserem Kontinent präsentieren: Wir sind jung und voller Tatendrang. Wir nehmen unser Leben selbst in die Hand.

Mod Didier Awadi hat sich mit Amadou Barry einen Namen als Pionier der Hip-Hop- Bewegung im Senegal sowie in ganz Afrika gemacht und dazu beigetragen, dass Rap die Musik der jungen Senegalesen geworden ist: und zwar Lebensgefühl und Selbstausdruck eines neuen starken Selbstbewusstseins. Denn in diesem Sprechgesang können sie über ihre eigene Situation, ihre Gedanken, ihre Gefühle reden. Der Song „Boul Falé“ von Positive Black Soul ist allen jungen Leuten im Senegal ein Begriff und bezeichnet eine ganze Generation, die sich nicht länger mit leeren Versprechungen korrupter Politiker abspeisen lässt und selbst die Initiative ergreift.

Musik 9 Positive Black Soul, CD SALAAM, Track 3: Boul Falé (1’48)

Mod Positive Black Soul gibt es immer noch. Doch dieses Mal hat Didier Awadi allein das Album Ma Revolution realisiert. Sein Kampfgeist ist ungebrochen. Das korrupte Regierungssystem im Senegal ist eines seiner wichtigen Themen. Seine Augen funkeln, wenn er davon spricht und sich an die junge Generation richtet:

14) O-Ton Didier Awadi (0:31) Das Internet ist heute eine äußerst wichtige Quelle, aus der wir ganz viele Informationen schöpfen. Man kann doch so viel erfahren, Sachen runterladen, sich vernetzen, austauschen. Die Machthaber können nicht irgendetwas verkünden, denn man kann recherchieren und nachprüfen. Ich sehe es als meine Aufgabe, meine Landleute zu sensibilisieren, ihnen zu helfen, eine aufgeklärte Generation zu werden und sie auf Missstände aufmerksam zu machen. Ich will ihnen zeigen, mit welchen Mitteln sie an Informationen gelangen. Wissen ist Macht.

Mod Auch die Sängerin Lala Njava aus Madagaskar wirft einen kritischen Blick auf ihre Heimat. Sie berichtet als Augenzeugin beispielsweise im Lied Voatse von der Zwangsheirat und erzählt eine auf realen Begebenheiten beruhende Geschichte.

15) O-Ton Lala Njava (0:18) Eine junge Frau wurde gegen ihren Willen verheiratet und konnte dem Ehemann kein Kind schenken. Die Schwiegereltern haben sie aus dem Haus und schließlich in den Tod getrieben. Das kommt in einigen Dörfern auf Madagaskar immer noch vor. Das ist kein Einzelfall. Viele Frauen bringen sich noch um. Ein Tabuthema auf Madagaskar.

Musik 10 Lala Njava, CD Malagasy Blues Song, Track 5: Voatse (2’39)

Mod Lala Njava will dieses Schweigen brechen. Ihre Worte sind ein Aufschrei. Die 1958 geborene Künstlerin ist als eines von 15 Kindern in einem sehr musikalischen Haus groß geworden und an der Westküste von Madagaskar, in der Region Morondava, aufgewachsen. Musik war Nahrung, Musik spendete Trost. Denn Lala Njava kommt aus einer sehr armen Familie. Doch arm ist für die Familie relativ. Auch wenn es abends kaum etwas zu essen gab, sangen die Eltern den Kindern Lieder vor, die sie den Hunger vergessen ließen.

16) O-Ton Lala Njava (0:22) Wir sind aufgestanden und haben angefangen zu singen. Wir verständigten uns über Lieder. Ich habe so eine tolle Kindheit mit meinen Eltern und Geschwistern verbracht. Wir sind reich, sagte mein Vater immer, wir haben Musik und Liebe. Darauf kommt es an. Wir haben ganz andere Schätze, wir haben viel mehr als ein Schloss. Lasst euch nicht unterkriegen. Das waren seine Worte.

Mod Im Familienkreis begann Lala Njavas musikalische Karriere. In den frühen siebziger Jahren gründeten einige der Geschwister die Familien-Band Lucka-Razah mit Lala als eine der Sängerinnen. Doch die zunehmend schwierigen Lebensbedingungen auf der Insel hatten das Ende der Band Anfang der achtziger Jahre zur Folge. Lala Njava ging nach Belgien und wirkte in verschiedenen Musikprojekten mit. Auf ihrem Album „Malagasy Blues Song“ legt sie den Fokus auf die schwierige politische Situation und verarbeitet persönliche Erfahrungen. Dafür wählt sie den Blues als Musikstil. Sie sieht sich zwar nicht als Politikerin, aber sie muss im Song Pardon à l’Afrika einfach über die Korruption in ihrem Land sprechen.

17) O-Ton Lala Njava (0:22) Die Korruption macht unser Land krank und legt es vollkommen lahm. Die Korruption agiert wie eine Bombe mit Langzeitwirkung, ganz langsam krepieren die Madagassen. Hier bekommen Kinder Waffen, aber keinen Sack Reis, keinen Ball, kein T-Shirt. Ich muss unbedingt die Aufmerksamkeit auf diese desolaten Zustände in meinem Land lenken.

Musik 11 Lala Njava, Album Malagasy Blues Song, Track 4: Pardon à l’Afrika (2:40)

Mod Lala Njava hat nie den Bezug zu Madagaskar und den dortigen Lebensbedingungen aus den Augen verloren. Regelmäßig kehrt sie in ihre Heimat zurück und empfindet ihren Wohlstand als Verpflichtung.

18) O-Ton Lala Njava (0:16) Als ich mit meinen Schwestern unsere Mutter im Dorf besuchte, fielen mir mehrere Frauen auf, die mit gesenktem Kopf und einem geflochtenen Korb im Arm an uns vorbeigingen. Ich fragte meine Mutter: Was tun diese Frauen, was tragen sie in ihrem Korb? Ihre Antwort: Sie begraben ihre Babys.

Mod Lala Njava musste sofort handeln. Die Kindersterblichkeit in Madagaskar ist enorm hoch. Sie hat in Brüssel den Verein „Dames d’Amour“ zur Unterstützung von Kindern und Frauen in Madagaskar ins Leben gerufen.

Musik 12 Lala Njava, Album Malagasy Blues Song, Track 9: Blues Song (2’16)

Mod Das war in SWR2 Tandem „Mut zum Handeln. Afrikanische Musiker beziehen Stellung“ von und mit Marlene Küster. Die Musiktitel dieser Sendung finden Sie auf unserer homepage SWR2.de Schrägstrich Tandem.

Musik wieder hochziehen

Musik 12 Lala Njava, Album Malagasy Blues Song, Track 9: Blues Song (3’00)