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2010

Auftraggeber Auftragnehmer:

Stadt Neuss Planquadrat Amt für Wirtschaftsförderung Büro für Raumplanung, Städtebau + Architektur Oberstraße 7-9 - 41460 Neuss Gutenbergstraße 34 - 44139 Dortmund 02131/ 90-3111  02131/ 90-2473 0231/557114-0  0231/557114-99 Mail: [email protected]

Betreuung: Bearbeiter: Frank Wolters Dipl.-Ing. Hanns Werner Bonny Leiter Abt. Wirtschaftsförderung Dipl.-Ing. Dietmar Mücke Mail: [email protected] Mail hw.bonny@planquadrat Dortmund

Gewerbeflächen Neuss 2011

Gewerbeflächenbedarf in Neuss

1. Zielsetzung und Arbeitskonzept...... 7 1.1 Arbeitskonzept 8 2. Wirtschaftliche Ausgangslage...... 11 3. Die Nachfrage nach gewerblichen Bauflächen ...... 15 3.1 Flächennachfrage durch Betriebe 15 3.1.1 Dimensionierung durch die Betriebe 18 3.2 Die bisherige Nachfrageentwicklung in Neuss 21 3.2.1 Investitionen in Neuss 21 3.2.2 Nutzung gewerblicher Bauflächen im Spiegel der Baufertigstellung 27 3.3 Die Gewerbeflächen-Prognose für die Stadt Neuss 29 3.3.1 Bedarfsprognose mittels Baufertigstellungsstatistik 29 3.3.2 Die analytisch-ökonometrische Prognose nach GIFPRO 30 3.3.3 Demoskopische Bedarfsbestimmung 39 4. Bestandsaufnahme...... 65 4.1 Methodik und Systematik der Bestandsaufnahme 65 4.2 Ergebnisse der Nutzungskartierung 66 4.3 Typisierung der Gewerbegebiete in Neuss 68 4.3.1 Typisierung anhand von ansiedlungsrelevanten Ausstattungsmerkmalen 69 4.3.2 Verteilung der Gewerbegebietstypen in Neuss 76 4.4 Gewerbeflächenreserven 80 4.4.1 Verfügbarkeit/Marktfähigkeit der vorhandenen Gewerbeflächenreserven 83 4.4.2 Bewertung der Reserveflächensituation in Neuss 87 4.5 Empfehlungen zur Rücknahme von GE/GI-Darstellungen genutzter Bestandsflächen 88 5. Gewerbeflächenbilanz...... 91 6. Neue Gewerbe- und Industriestandorte in Neuss...... 93 6.1 Standortsuche 93 6.2 Eignungsbewertung ausgewählter Gewerbeflächenpotenziale 95 6.2.1 Kriterien und Indikatoren zur Eignungsbewertung 95 6.2.2 Alternative Bewertungsvariante 100 6.3 Bewertung der untersuchten Standorte 101 6.4 Ergebnisdiskussion und Empfehlungen 103 6.4.1 Ergebnis der alternativen Bewertungsvariante 106 6.4.2 Empfehlungen 107 7. Resümee und Empfehlungen...... 113 8. Prognos AG: Wirtschaftsstrategische Positionierung der Stadt Neuss...... 119

3 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Portfolio der Stadt Neuss 12 Abb. 2: Zeitlicher Verlauf zwischen betriebsgründung und verlagerung 16 Abb. 3: Prozess der betrieblichen Flächendimensionierung 18 Abb. 4: Investitionsstruktur der Deutschen Wirtschaft 20 Abb. 5: Investitionen (insgesamt) im Verarb. Gewerbe in NRW 22 Abb. 6: Investitionen in unbebaute Grundstücke in NRW 23 Abb. 7: Investitionen im Kreis Neuss und der Stadt Neuss 23 Abb. 8: Betriebe und Umsatz Verarb. Gewerbe im Rhein-Kreis Neuss 25 Abb. 9: Entwicklung der Investitionen im RK Neuss in ausgewählten Wirtschaftszweigen 26 Abb. 10: Nutzfläche in Fabrik- und Werkstattgebäude 28 Abb. 12: Verlagerungsdistanzen der Unternehmen 31 Abb. 13: Neuansiedlungen für große Kernstädte 32 Abb. 14: Neuansiedlungen für ländlich geprägte Regionen 33 Abb. 15: Mobiltät der Betriebe in Abhängigkeit zur Flächenkennziffer 35 Abb. 16: Ansiedlungs- und Verlagerungsquoten für NRW (Kreisfreie Städte und Landkreis) 37 Abb. 17: Wirtschaftsstruktur der antwortenden Betriebe 41 Abb. 18: Herkunft der Kunden 43 Abb. 19: Positive Entwicklungseignisse der Betriebe 44 Abb. 20: Größe der antwortenden Unternehmen 45 Abb. 21: Struktur der Betriebe 47 Abb. 22: Gründungsjahre der Betriebe 48 Abb. 23: Aktuelle Grundstücksfläche der Betriebe 51 Abb. 24: Zusammenhänge zwischen Grundstücksgröße und Alter, Branche, Status und Eigentum 52 Abb. 25: Emissionen der antwortenden Betriebe 54 Abb. 26: Gebietstyp des aktuellen Standortes 55 Abb. 27: Bewertung der Standortfaktoren der Stadt Neuss 56 Abb. 28: Bewertung der Standortfaktoren durch die Branchen 57 Abb. 29: Bewertung des aktuellen Standortes 578 Abb. 30: Zusätzliche Leistungen zum Flächenangebot 589 Abb. 31: Zentrale Gesichtspunkte der Standortwahl 60 Abb. 32: gewünschte Standorte 601 Abb. 33: Systematik der Nutzkartierung 615 Abb. 34: Nutzung der erfassten Gewerbeflächen in Neuss 66 Abb. 35: Typisierung GE/GI und ausgewählte M-Gebiete 74 Abb. 36: Übersicht der Gewerbegebiete (typisiert) in Neuss 78 Abb. 37: Gewerbeflächenreserven - gegenwärtiger Nutzungsstatus 78 Abb. 38: Verfügbarkeit der Gewerbeflächenresveren in Neuss 81 Abb. 39: Verteilung der Gewerbeflächenreserven 83 Abb. 40: Standortprofile der ausgewählten Standorte 98

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Tabellen Tab. 1: Anteil der Gewerbeflächen nachfragenden Beschäftigten 36 Tab. 2: Prognose auf der Basis des ILS-Modells (Bruttoflächen – einschl. Erschließung) 38 Tab. 4: Urteil zum Standort versus Flächenbedarf 58 Tab. 5: Erfasste Gewerbeflächen in Neuss 68 Tab. 6: Standorturteile und Bestandsaufnahme 79 Tab. 7: Gewerbeflächenreserve nach Verfügbarkeit 84 Tab. 8: Zusammenstellung der Prognose 91 Tab. 9: Tableau zur Bewertung potenzieller Gewerbestandorte in der Stadt Neuss 98 Tab. 10: Gegenüberstellung der Ergebnisse der standortbezogenen Eignungsbewertung 103 Tab. 11: Gegenüberstellung der Ergebnisse der alternativen Eignungsbewertung 107

Anhang

Anschreiben und Fragebogen zur Betriebsbefragung

Übersichtskarte Bestandsaufnahme Übersichtskarte Gebietstypisierung

Kartensatz Nutzungskartierung Kartensatz Reserveflächen Karte 1: Bataverstraße Karte 1: Bataverstraße Karte 2: Bocholtstraße Karte 2: Bocholtstraße Karte 3: Barbaraviertel Karte 3: Barbaraviertel Karte 4: Hafen Nordost Karte 4: Hafen Nordost Karte 5: Hafen West Karte 5: Hafen West Karte 6: Hafen Südwest Karte 6: Hafen Südwest Karte 7: Hafen Südost Karte 7: Hafen Südost Karte 8: Weißenburger Weg Karte 8: Weißenburger Weg Karte 9: Berghäuschensweg Karte 9: Berghäuschensweg Karte 10: Moselstraße Karte 10: Moselstraße Karte 11: Holzheim Karte 11: Holzheim Karte 12: Hoisten Karte 12: Hoisten Karte 13: Rosellenheide Karte 13: Rosellenheide Karte 14: Allerheiligen Karte 14: Allerheiligen Karte 15: Kruppstraße Karte 15: Kruppstraße Karte 16: Habichtweg Karte 16: Habichtweg Karte 17: Bonner Weg Karte 17: Bonner Weg Karte 18: Tucherstraße Karte 18: Tucherstraße Karte 19: Fuggerstraße Karte 19: Fuggerstraße Karte 20: Alu-Werk Norf Karte 20: Alu-Werk Norf Karte 21: Büropark Hammfeld Karte 21: Büropark Hammfeld Karte 22: Rheinpark-Center Karte 22: Rheinpark-Center

5 Standortsuche – neue Gewerbe- und Industriegebiete in Neuss

Übersichtskarte Standortsuche

Eignungsbewertung ausgewählter Flächenpotenziale Alternative Eignungsbewertung ausgewählter Flächenpotenziale

Gewerbeflächen Neuss 2011

1. Zielsetzung und Arbeitskonzept

Das Ziel der Bearbeitung ist eine quantitative und qualitative Übersicht über das vorhandene Gewerbeflächenangebot der Stadt Neuss. Es soll geprüft werden, ob die Standorte den aktuel- len und künftigen Anforderungen entsprechen bzw. neue Gewerbeflächen oder bestimmte Standorteigenschaften entwickelt werden müssen.

Insgesamt verfügt die Stadt Neuss in ihrem Flächennutzungsplan und ihren Bebauungsplänen über ein umfangreiches Baurecht. Dennoch kommt es gelegentlich zu betrieblichen Abwande- rungen oder zu betrieblichen Standortentscheidungen gegen den Standort Neuss. Die Stand- ortentscheidung eines Betriebes wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, so dass ei- ne vollständige Bindung der Betriebe an einen Ort bzw. an Neuss von niemandem erwartet werden kann. Dennoch sind gescheiterte Bindungen oder Ansiedlungen immer auch ein An- lass das eigene Konzept und die eigenen Ressourcen zu hinterfragen. Hierzu soll die Untersu- chung ebenfalls einen Beitrag leisten. Im Zentrum der Untersuchung stehen Flächen nach den §§ 8 und 9 der Baunutzungsverord- nung. Es handelt sich um Flächen und Standorte für Betriebe, die stören, aber noch nicht als erheblich belästigend gelten (§ 8, Abs. 1 BauNVO) und um Betriebe, die in anderen Bauge- bieten angesichts ihrer Störungen oder ihres Gefahrenpotentials nicht zulässig sind (§ 9, Abs. 1 BauNVO). Im Allgemeinen treffen diese Merkmale vor allem auf Betriebe des Verarbeiten- des Gewerbes, des Baugewerbes, der Verkehrswirtschaft und des Großhandelhandels zu. Prinzipiell sind in diesen Gebieten nach den §§ 8 und 9 auch weitere Gewerbebetriebe (Ge- werbebetriebe aller Art) zulässig. Diesen Nutzungen stehen aber auch andere Baugebiete al- ternativ zur Verfügung.

Die stadtentwicklungspolitische Relevanz dieser §§ 8- und 9-Flächen wird von zwei besonde- ren Umständen bestimmt. Zuerst kann die Nutzung von Gewerbegebieten durch Einzelhandel oder Dienstleistungen nachteilige Wirkungen für die Innenstadt auslösen. Entsprechend geht die Prognose davon aus, dass nur die Betriebe mit dem skizzierten Störgrad Nutzer dieser Flächen sein werden bzw. sein sollten. Gleichzeitig muss man festhalten, dass nach vielen Jahrzehnten Gewerbeflächen- und Sied- lungsentwicklung Standorte und Flächen dieser speziellen Qualität (Immissionsabstand, regi- onale störungsfreie Verkehrserschließung) immer weniger zur Verfügung stehen. Gewerbe- flächen im Sinne der §§ 8 und 9 Baunutzungsverordnung werden damit eine wertvolle und nicht in beliebigem Umfang herstellbare Ressource.

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1.1 Arbeitskonzept

Der quantitative und qualitative Bedarf an gewerblicher Baufläche wird bestimmt durch die Nachfrage der Betriebe. Gewerbliche Bauflächen werden von Betrieben und Unternehmen als Investitionsgüter nur in bestimmten betrieblichen Entwicklungssituationen nachgefragt. Es kann daher unmittelbar nachvollzogen werden, dass Gewerbeflächen nur dann für Betriebe von Interesse sind, wenn die Betriebsstätten im Sinne eines strategischen Entwicklungszieles erweitert werden sollen bzw. durch eine Marktentwicklung eine Erweiterung oder ggf. eine Verlagerung induziert wird. Die wissenschaftliche Debatte der letzten Jahrzehnte hat zudem ergeben, dass die Betriebe vor einer Standorterweiterung und der damit evtl. verbundenen Verlagerung – ihr gesamtes internes Organisationspotenzial (Fertigungstiefe, just-in-time- Produktion etc.) nutzen – um einem Flächenbedarf und der möglichen Standortverlagerung sowie dem damit verbundenen "Stress" auszuweichen. Die Kosten eines solchen "Ausweich- manövers" lassen sich sukzessive in die normalen beispielsweise produktivitätsinduzierten Investitionen integrieren. Im Vergleich dazu stellt eine Betriebsverlagerung eine Kostenposi- tion von einer erheblichen Höhe dar, die sich real zudem nur allmählich in Kostenvorteilen oder Produktivitätsfortschritten bezahlt macht. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass ein Flächenangebot selbst auf keinen Fall eine Nachfrage auslösen kann.

Die Untersuchung setzt mit einer kurzen wirtschaftsstrukturellen Analyse ein. In Regionen bzw. Kommunen mit einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung, die letztlich die Resultie- rende der einzelbetrieblichen Ergebnisse ist, kommt es – unter sonst gleichen Bedingungen – häufiger zu einer Flächen- oder Standortnachfrage als in Regionen mit einer insgesamt rück- läufigen bzw. stagnierenden Entwicklung. In der wirtschaftsstrukturellen Analyse wird der Entwicklungsverlauf auf der Basis der Be- schäftigtenentwicklung nachvollzogen, um die grundsätzliche Disposition der Betriebe in Neuss zu bestimmen. Die Darstellung ist eine inhaltliche Übernahme der Arbeitsergebnisse der Prognos AG. Im Anschluss an diesen Analyseschritt wird der Bedarf an gewerblichen Bauflächen be- stimmt. Ziel dieser Prognose ist die Bestimmung eines quantitativ ausreichenden Gewerbeflä- chenvolumens. Die Prognose erfolgt durch das Gewerbe- und Industrieflächenprognosemo- dell GIFPRO. Das Modell GIFPRO antizipiert drei spezifische Nachfragesituationen der Be- triebe. Die erste Komponente des Bedarfs ist die Flächennachfrage der Neugründungen, da al- le neuen Betriebe Gewerbeflächen benötigen. Die zweite Komponente resultiert aus den Be- trieben, die sich neu im Gebiet der Stadt Neuss ansiedeln. Jeder Betrieb, der beispielsweise von Düsseldorf oder München nach Neuss – aus welchen Gründen auch immer – wandert, benötigt einen neuen Standort bzw. neue Gewerbefläche. Die dritte und bei weitem größte Komponente ist – nach allen Erfahrungen – die innergebietliche Verlagerung. Dies sind Be- triebe, die ihren alten Standort aus den oben schon angerissenen Gründen verlassen und in- nerhalb der Stadt einen neuen Standort finden. Für die genannten drei Bedarfskomponenten bestehen verschiedene, zum Teil regional differenzierte statistische Reihen. Mit diesen Reihen kann die künftige betriebliche Nachfrage bestimmt werden.

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Alternativ und zur "Kontrolle" wird eine Prognose auf der Grundlage der Baufertigstellungs- statistik für Werkstatt- und Fabrikgebäude erarbeitet. Auf der Basis einer mehr als zehnjähri- gen Zeitreihe (jährliche Nutzfläche, Zahl der Vorhaben) erfolgt eine Extrapolation der Ent- wicklung über den Prognosezeitraum. Eine weitere alternative Prognose erfolgt durch eine Befragung der Betriebe in Neuss, so dass schließlich drei Prognosewerte zur Verfügung ste- hen. Der Einsatz der verschiedenen Prognoseansätze lässt erkennen, dass es einen (naturwissen- schaftlich) exakten Bedarfswert für gewerbliche Bauflächen nicht geben kann. Mit den ver- schiedenen Prognoseansätzen lässt sich aber ein Intervall bilden, das nach unseren Erfahrun- gen die Größenordnung der erforderlichen Gewerbeflächen bzw. der Nachfrage durch die Neusser Betriebe beschreibt.

Der dritte Arbeitsschritt ist eine Bestandsaufnahme aller im Flächennutzungsplan dargestell- ten gewerblichen Bauflächen. Auf dieser Basis ist eine Bilanz zwischen der Nachfrage- Prognose und den verfügbaren Gewerbeflächen möglich. Eine negative Bilanz stellt dar, in welchem Umfang zusätzliche Flächen erforderlich werden. Mit der Bestandsaufnahme ist auch eine Bewertung und Kategorisierung der vorhandenen Flächen verbunden. Damit soll auch den verschiedenen Qualitätsmerkmalen gewerblicher Bauflächen Rechnung getragen werden.

Schließlich wird geprüft, wo im Stadtgebiet von Neuss zusätzliche Gewerbestandorte kurz- und mittelfristig möglich sind. Hierzu werden auf der Basis unserer Erfahrung und der Litera- tur die relevanten Standortfaktoren zusammengestellt. Parallel wird geprüft, wo diese Stand- ortfaktoren am besten erfüllt werden. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse werden Emp- fehlungen für die Standortentwicklung formuliert.

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2. Wirtschaftliche Ausgangslage1

Die Stadt Neuss ist mit rd. 150.000 Einwohnern eine "Große kreisangehörige Stadt". Im Rhein-Kreis Neuss hat die Stadt einen Anteil an der Bevölkerung von rd. einem Drittel. Die Stadt Neuss gehört mit Düsseldorf und Köln zu den wachsenden Städten des nordrhein- westfälischen Rheinlandes. Nach den Bevölkerungsprognosen wird die Stadt erst um das Jahr 2015 vom demografischen Wandel merklich betroffen sein. Dies kann schon als Hinweis auf die günstige wirtschaftliche Position gewertet werden, da Zuwanderung vor allem auf die prosperierenden Räume ausgerichtet ist. Mit dem demografischen Potenzial verbunden ist die Qualifikationsstruktur der Beschäftigten. Neuss weist mit Köln und Düsseldorf einen sehr hohen Besatz an qualifizierten Arbeitskräften auf. Gleichzeitig erweist sich Neuss als ein Standort mit einer hohen Ausstattungsqualität in Be- zug zur Infrastruktur (positive Hafenentwicklung mit steigendem Ladungsaufkommen), aber auch in Bezug zur Ausstattung mit Gewerbeflächen und -standorten.

Die wirtschaftsstrukturelle Analyse lässt erkennen, dass zu den Wachstumsbranchen der Stadt Neuss die Kunststoffindustrie, die unternehmensbezogenen Dienstleistungen und IT- /Software sowie Nachrichten gehören. Die Schrumpfungsbranchen sind Papiergewerbe, Han- delsvermittlung, Chemische Industrie, Maschinenbau sowie Baugewerbe und Automobilzu- behör.

Das Portfolio-Diagramm zeigt (vgl. Abb. 1), dass die Wachstumsbranchen und die Leitbran- chen (in der Definition der Prognos AG) bis auf die Ausnahme Maschinenbau in Neuss eine sehr gute Entwicklungsposition aufweisen. Viele wichtige und auch größere Branchen haben ihren Standort im oberen, rechten Quadranten. Es sind Branchen, die ein überdurchschnittli- ches Wachstum zeigen und in Neuss einen hohen Lokalisationsgrad aufweisen. Dieser Loka- lisationsgrad ist zugleich ein Hinweis auf die besonderen Standortvorteile der Stadt und der Region. Insgesamt lässt sich auf dieser Basis die wirtschaftliche Situation in Neuss als sehr positiv beurteilen

Insgesamt zeigt die Stadt Neuss mit einem Beschäftigtenanteil von 71,6 Prozent in den Dienstleistungsbranchen einen hohen Tertiärisierungsgrad. Er ist mit den beiden Städten Köln und Düsseldorf insgesamt vergleichbar. Entsprechend ist der Anteil der Produktion mit 27,3 Prozent vergleichsweise gering. Was auf eine begrenzte Nachfrage nach GE/GI-Standorten hinweist. Insgesamt ist eine stagnierende bis sinkende Gewerbeflächennachfrage zu erwarten. Steigen wird auf mittlere Sicht dagegen die Nachfrage nach Bürostandorten und Bürofläche. Die Dif- ferenzierung der Analyse zeigt, dass zwischen 2000 und 2008 im Verarbeitenden Gewerbe und Baugewerbe die Zahl der Beschäftigten und Unternehmen zurückging. Im Ernährungs-

1 Dieser Untersuchungsabschnitt ist die inhaltliche Übernahme aus der Analyse der Prognos AG (Bearb.: Oliver Lühr) "Wirt- schaftsstrategische Positionierung der Stadt Neuss". Düsseldorf 2010

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gewerbe, der Medizin-, Meß-, Steuerungs- und Regeltechnik, den Papiergewerbe und der Herstellung von Gummi/Kunststoffwaren stieg dagegen die Zahl der Beschäftigten deutlich an. Aus diesen Branchen kann auch in Zukunft eine Gewerbeflächennachfrage resultieren.

Abb. 1

Quelle: Prognos AG 2010

Die Wirtschaft der Stadt Neuss lässt sich alternativ zu den Wirtschaftsbranchen auch als Kompetenzbereich darstellen. Der Vorteil dieses Blicks ist die Verbindung zwischen der Be- schäftigtendynamik und der Bedeutung des Wirtschaftszweiges (hoher Lokalisationskoeffi- zient, hoher Beschäftigtenanteil an der Gesamtwirtschaft). Für die Stadt Neuss lassen sich sieben Kompetenzbereiche beschreiben. Das wichtigste Kom- petenzfeld sind die (hochwertigen) Dienstleistungen für Unternehmen. Sie haben in Neuss ei- nen Anteil von ca. 12 Prozent an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Aus diesem Bereich und seiner Entwicklung wird nur im Ausnahmefall eine Gewerbeflächennachfrage im Sinne der §§ 8 und 9 Baunutzungsverordnung resultieren. Das Kompetenzfeld "Logistik und Handelsvermittlung" ist auf jeden Fall in dem Bereich Ver- kehr ein relevanter Flächennachfrager nach Gewerbeflächen. Insgesamt sind in diesem Kom- petenzfeld fast ein Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten tätig. Dies weist auf die zentrale Bedeutung für den Arbeitsmarkt hin. Die Differenzierung lässt erkennen, dass im Logistikbereich ein Strukturwandel zu beobachten ist. Es wächst besonderes der private Post- dienst und die sonstigen Hilfs- und Nebentätigkeiten, während die traditionellen Aktivitäten

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wie Frachtumschlag oder Speditionstätigkeit rückläufig sind. Im Handelssegment sind es vor allem die Managementaktivitäten wie Handelsvermittlung mit einer positiven Arbeitsmarkt- entwicklung, aber der eigentliche Großhandel im engeren Sinne hat einen Arbeitsplatzverlust zwischen 1 Prozent und knapp 4 Prozent. Diese Bedingungen lassen aus diesem Sektor zwar grundsätzlich eine Nachfrage nach Standorten erwarten, die sich aber (was die Großform und Umfang der Flächen angeht) konsolidiert. Das Nachfrageniveau wird nur im Ausnahmefall über die Entwicklung des letzten Jahrzehnts hinausgehen.

Trotz des starken partiellen Rückgangs der Industrie verfügt Neuss noch über ein deutliches "industrielles" Kompetenzfeld, das sowohl in der Stadt einen relevanten Einfluss auf den Ar- beitsmarkt hat, als auch eine hohe Entwicklungsdynamik zeigt. Die traditionellen, der Globalisierung besonders ausgesetzten Zweige wie Metallindustrie las- sen geringe Beschäftigtenverluste erkennen, aber die Bereiche der Messtechnik und der damit verbundenen Medizintechnik zeigen ein deutliches Wachstum. Dies sind vielfach kleinere Be- triebe (KMU). Eine günstige Entwicklung ist auch für Betriebe zu beobachten die am Beginn ihres Produkt- und Lebenszyklus stehen. Diese Betriebe des industriellen Kompetenzfeldes werden auf Grund der Wachstumsbedin- gungen und ihrem Entwicklungsstatus in der nächsten Periode des Flächennutzungsplanes Gewerbeflächen nachfragen. Die Art der Betriebe und ihr besonders qualifiziertes Personal werden aber weniger Industrieflächen im Sinne des § 9 BauNVO nachfragen, sondern Stand- orte bevorzugen, die soweit wie möglich die widersprüchlichen Anforderungen eines urbanen Standortes (innenstadtnah) gerecht werden als auch ein industrielles Belastungsprofil aufwei- sen. Das heißt eine gute regionale Verkehrsinfrastruktur und eine ausreichende Distanz von der Wohnbebauung, um einen Zwei- oder Drei-Schichtbetrieb ausüben zu können.

Die Industrie in Neuss ist – wie auch in den beiden Städten Düsseldorf und Köln – in beson- derem Maße auf die "Zulieferung" durch die Dienstleistungen angewiesen. Man kann aus der Verflechtungsmatrix der Gesamtwirtschaft entnehmen, dass die Produktion in starkem Maße von der zuliefernden Dienstleistung (Forschung, Entwicklung, Marktforschung sowie Servi- celeistungen aller Art) bestimmt wird. Aus dieser Perspektive werden für eine positive wirt- schaftliche Entwicklung auch zunehmend Bürostandorte eine "Voraussetzung" für eine wett- bewerbsfähige Produktion sein.

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3. Die Nachfrage nach gewerblichen Bauflächen

In diesem Abschnitt der Untersuchung soll der Bedarf an Standorten bzw. die Flächennach- frage der Betriebe bestimmt werden. Ausgangspunkt ist eine kurze Erörterung über den An- lass der Flächennachfrage und wie Betriebe die Größe ihrer Produktionsfläche bestimmen. Mit diesem Einblick soll deutlich werden, dass die Angebotswirkung von Gewerbeflächen sehr gering ist. Gewerbeflächen sind Investitionsmittel und werden wie eine Drehbank oder eine Fertigungsstraße nur dann gekauft, wenn sie auch tatsächlich benötigt werden. Das heißt wenn die produzierten Produkte bzw. angebotenen Leistungen auf dem Markt eine Nachfrage finden. Ein zweiter Aspekt dieses Abschnittes ist der Blick auf die bisherigen Flächeninvesti- tionen der Betriebe in Neuss. Hierbei stehen die Investitionsstatistik und die Baufertigstel- lungsstatistik zur Verfügung. Man kann davon ausgehen, dass ihre Entwicklung ein relevanter Hinweis auf die Nachfrageentwicklung in Neuss geben wird. Im letzten Abschnitt wird die quantitative Prognose der Nachfrage durch die Betriebe in der Region vorgenommen. Hierzu wird das Prognosekonzept kurz erläutert und die regionalen Kennziffern, Fläche je Beschäftigten und die Mobilitätsquote der Region dargestellt

3.1 Flächennachfrage durch Betriebe Das Nachfragesubjekt ist der Betrieb. Er wird in verschiedenen Situation Gewerbeflächen nachfragen, weil dies für ihn eine günstige Lösung betrieblicher Probleme ist. Einmal lassen sich mittels Gewerbeflächen einfach und konventionell Produktionskapazitäten schaffen. Eine Neugründung hat hierzu keine Alternative. Unternehmerische Tätigkeit und Produktion setzt ein Grundstück voraus2. Für schon bestehende Unternehmen stellen sich mit der Kapazitätsfrage auch die Fragen nach der Fertigungstiefe und zugleich die Entscheidung zwischen einer organisatorischen Lösung und einer Grundstücksbeschaffung. Es sind aber auch innovative Lösungen im Produktions- prozess bzw. der Produktionsanlage möglich, die ggf. eine Fläche ersetzen können.

Ein weiterer Anlass einer Flächennachfrage ist die Entwicklung der Produktionsstätte. Mit der Produktion werden gleichzeitig auch Produktionsmittel wie Drehbänke etc. verschlissen und

2 Dieser Zusammenhang besteht allerdings nicht in der hier formulierten Rigorosität. Es sind Unternehmen bekannt – wie beispielsweise Etienne Aigner – die mit einem Produkt auf dem Markt auftreten, ohne über eigene Fertigungskapazitäten zu verfügen. Aigner verfügte beispielsweise nur über ein Management und alle Produkte wurden in Fremdbetrieben hergestellt. Nur die Aktivitäten, die mit den Eigentümerrechten untrennbar verbunden waren, wurden von diesem Unternehmen selbst betrieben. Auch das serviceorientierte Handwerk kommt häufig ohne Werkstatt aus: Möbelmontage, Elektro-, Klima- oder Sanitärbe- triebe oder die Wartung und Reparatur der EDV-Peripherie wie Drucker etc. werden von Handwerkbetrieben ohne Werk- statt erledigt. Die Betriebe bestehen aus mehreren kleinen LKWs (Sprinter). Die Beschäftigten erhalten durch ihre moder- nen Kommunikationsmittel ihren Auftrag. Der Betriebsinhaber der ggf. über ein kleines Büro verfügt, kennt den (elektronisch fortgeschriebenen) "Standardbesatz" des Sprinters mit Werkzeugen und Ersatzteilen. Bei der Auftragsbearbeitung (Termin- absprache und telefonischer Ferndiagnose) ordert er gegebenenfalls die weiteren erforderlichen Materialien und auch – wenn notwendig – einen zweiten Kollegen zur Arbeitsstelle. Die Materialien und Ersatzteile werden nachts geliefert und im Werkstattwagen (für den der Kurierdienst einen Schlüssel besitzt) eingelagert. Unverzichtbar ist das Kommunikationsnetz. Eine Werkstatt oder ein Gewerbegrundstück ist nicht erforderlich.

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bedürfen eines Ersatzes. Auch bei einem gleich bleibenden oder auch rückläufigen Produkti- onsvolumen kann ein Ersatz von Maschinen und Anlagen erforderlich werden. Gewerbeflä- chen bzw. Standorte von Unternehmen verschleißen in geringerem Maße als Maschinen. Der Verschleißprozess erfolgt zum Beispiel, wenn das Unternehmen in einer längeren Produkti- onsgeschichte an seinem Standort verschiedene Gebäude und Anlagen errichtete. Mit jeder technischen Neuerung erfolgen Umbauten und Neuorganisationen. Dieser Veränderungs- und Anpassungsprozess findet ein Ende, wenn ein alternativer günstigerer Standort angeboten wird und gleichzeitig der Umbau auf dem vorhandenen Areal nicht mehr wirtschaftlich ist. Eine Untersuchung über den Lebenszyklus der Industriegebäude zeigt, dass die zentralen Pro- duktionsgebäude ca. 30 Jahre genutzt werden. Bei großen Betriebsarealen kann dieser Umbau sukzessive erfolgen, bei kleinen Betriebsarealen erfolgt der Erneuerungsprozess, der vielfach auch mit einer expansiven Entwicklung des Unternehmens verbunden ist, durch eine Verlage- rung. Der "Verschleiß" eines Standortes kann auch im übertragenen Sinne verstanden werden. Standorte bzw. Betriebsareale werden von Unternehmen nach der Ausstattung mit so genann- ten Standortfaktoren erworben. Die Kapazität der zu- und abführenden Infrastruktur oder auch der zulässigen Emissionen gehören hier ebenso dazu, wie das Image des Standortes. Straßen als Teil der relevanten Infrastruktur können aus der Stadtentwicklung heraus zunehmend in ihrer Kapazität begrenzt werden. Illustrieren lässt sich dies an Standorten bzw. Gewerbegebie- ten, die ehemals eine Siedlungsrandlage aufwiesen. Im regionalen Verkehr konnte die Straße - als freie Strecke, bis an den Betrieb herangeführt - die Transporte nahezu ohne Restriktionen aufnehmen. Wird der Standort durch die Siedlungsentwicklung eingeholt, dann wird die Stra- ße zur Stadtstraße mit vielen Verkehrsteilnehmern und erhält damit letztlich ein anderes Leis- tungsprofil. Transporte erfordern in einer solchen Situation im Vergleich zum alten Standort- umfeld besondere Maßnahmen (Sperrungen der Straße je nach Transportaufgabe, Entfernung der Straßenbahnoberleitung und Ähnliches) und damit besondere Aufwendungen. Die Ver- kehrskapazität des Standortes ist damit im Laufe der Stadtentwicklung für das Unternehmen geringer geworden und der Standort hat gegebenenfalls eine wichtige Qualität verloren. Die Ursachen dieser Veränderungen liegen in diesem Fall nicht im Betrieb und auch der Standort im engeren Sinne blieb unverändert, aber die Stadtentwicklung hat den Standort in Frage ge- stellt und im gewissen Sinne "verschlissen".

Ein dritter relevanter Prozess der Gewerbeflächennachfrage entsteht durch Produktinnovatio- nen. Eine neue Maschine oder Technik ist dann auf dem Markt abzusetzen, wenn es dem An- bieter gelingt, nachzuweisen, dass der Ersatz der vorhandenen Maschinen durch die neue Technik bisher nicht mögliche Leistungen (Qualität) erlaubt oder wenn er zeigen kann, dass die neue Bearbeitungsmaschine - durch eine höhere Produktivität, geringeren Materialeinsatz oder was auch immer - wirtschaftlicher arbeitet als die vorhandenen Einrichtungen. Die Inno- vation führt zum "moralischen Verschleiß" der vorhandenen Maschinerie, da die neue Tech- nik ihre Kosten "verdient". Während im Falle des realen Verschleißes die Fähigkeit des Standortes für die Produktion tendenziell verloren gegangen ist, bleibt in diesem Fall die Pro- duktionsfähigkeit grundsätzlich erhalten, aber die Produktion ist mit veralteten Maschinen und Gebäuden im Vergleich zu anderen zu teuer. Auch zu diesem Investitionsanlass der Un-

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ternehmen besteht eine Entsprechung auf dem Gewerbeflächenmarkt. Standorte können als Produkte aufgefasst werden3. Sie werden wie andere Investitionsgüter produziert und mit ent- sprechenden Merkmalen wie Straßen, Baurecht, Ver- und Entsorgungseinrichtungen etc. aus- gestattet und auf einem Markt angeboten. Es entstehen aber auch, wie bei den übrigen Gütern und Produkten, Produktinnovationen. Im letzten Jahrzehnt haben sich so der Technologie- park, der Handwerkerhof, aber auch eine Reihe kleinerer städtebaulicher Innovationen entwi- ckelt. In der Konsequenz entsteht aus dem Wettbewerb zwischen den neuen innovativen Standorten und den vorhandenen Standorten eine entsprechende Nachfrage nach gewerbli- chen Bauflächen. Fragt man nach der empirischen Häufigkeit dieser Entscheidungssituation und Anlässe einer Standortnachfrage, dann zeigen die verschiedenen Untersuchungen, dass sowohl die "Pro- dukt-Innovation" als auch der Standortverschleiß im unmittelbaren und mittelbaren Sinne von geringer Häufigkeit sind. Am häufigsten erfolgt eine Flächennachfrage bei einer Kapazitäts- ausweitung. Es zeigt sich, dass die Betriebe die Spannungen, die mit dieser Situation verbun- den sind (geringere Produktivität, Einschränkungen der Produktionskapazität und ähnliches) einige Jahre "aushalten" können. Es besteht – wie schon oben skizziert – eine Vielzahl von Lösungen, die einem Standortwechsel und einer Flächennachfrage ebenbürtig sind und damit die Nachfrage vermeiden.

Unternehmensinterviews zeigen, dass diese hier skizzierten primären Anlässe der Nachfrage eine notwendige, aber noch keine hin- Abb. 2: Zeitlicher Verlauf zwischen Betriebsgründung reichende Bedingung zur Nachfrage und Betriebsverlagerung nach gewerblichen Bauflächen sind. Histogram Ebenso wichtige Einflüsse resultieren 40 aus der Stellung der Betriebe im Le- benszyklus. Zwischen dem Gründungs- 30 jahr und der ersten Verlagerung liegen 20 nur wenige Jahre. Nach dem zehnten

Häufigkeit Jahr – wie die nebenstehende Grafik 10 (vgl. Abb. 2) erkennen lässt – wird die 0 Mobilität geringer. Als weitere Bedin- 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 gung für eine Mobilität gelten die Be- triebsgröße (in Beschäftigte) und das Wachstum des Betriebes. Es ist deutlich zu erkennen, dass größere Betriebe nur Zeitraum_Jahre noch selten verlagern, da jenseits der 50 Quelle: Planquadrat Dortmund 2010 Beschäftigten der Aufwand enorm steigt. Im einfachsten Fall kann man davon ausgehen, dass mindestens im Umzugsmonat die Produktion auf nur wenige Prozent absinkt und dass es einige Zeit dauert bis das ursprüngliche Qualitätsniveau wieder erreicht

3 Vgl. Bökemann, D.: Theorie der Raumplanung. München 1979

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ist. Der Betrieb begibt sich mit einer Verlagerung in eine "lebensgefährliche" Situation4. Sein Ruf und – noch wichtiger – seine Liquidität sind äußerst angespannt. Das Wachstum als weitere mögliche Bedingung der Flächennachfrage wirkt wie Rückenwind und stimuliert sowohl bei den Entscheidungsprozess des Betriebes, als auch bei den weiteren am Prozess beteiligten Akteuren von der Wirtschaftsförderung bis zu den Banken. Es besteht eine hohe Mobilität im Anschluss an die Gründungsphase. Der Standortwechsel in dieser Situation stellt den Aufstieg, des im "Hinterhof" residierenden Gründers, an einen etab- lierten Standort dar. Nach dieser Konsolidierungsphase wird die Mobilität die Ausnahme. In den Kategorien der Baunutzungsverordnung heißt dies, dass der erste Standort oft "illegal" am Wohnsitz, in Brachen oder Mischgebieten entsteht. Mit der positiven Unter- nehmensentwicklung wird der Betrieb auffällig und störend. Dies zwingt ihn ebenso wie die steigende Bedeutung der Produktionsoptimierung für den Unternehmenserfolg und der Corporate Identity zur Wahl eines Standortes in einem Gewerbegebiet. Für die Prognose oder Abschätzung des Flächenbedarfs kann man sich nur einige der hier er- örterten Fakten stützen. In der amtlichen Statistik sind nur summarische Daten zur Entwicklung der Investitionen und zur Beschäftigung enthalten. Hinzu gezogen werden daher ausgewählte Untersuchungsergebnisse zur Mobilität und zur erforderlichen Fläche der Beschäftigten. Ein Teil der Faktoren steht allerdings nur auf einem aggregiertem Niveau zur Verfügung. Dies heißt, dass die Daten auf größere Gebietseinheiten besser zutreffen als auf die jeweilige lokale Situation.

3.1.1 Dimensionierung durch die Betriebe Gewerbeflächen werden von den Betrieben bzw. Unternehmen zum Zwecke der Produktion genutzt5 und sind in zweierlei Hinsicht Gegenstand unternehmerischer Entscheidungen. Am Anfang jeder Investition steht für den Betrieb das Gewinnziel und damit unmittelbar verbun- den die Notwendigkeit, ein bestimmtes Produkt neu oder in erhöhter Stückzahl zu produzie- ren. Aus diesen Vorgaben entwickelt sich die konkrete Planung der Fabrik oder der Werkstatt. Das Konzept entsteht dabei nicht als top-down-Entwurf vom abstrakten Umsatzziel bis zu dem notwendigen Gebäude sowie Grundstück, sondern in einem interaktiven Prozess. Die notwendige Betriebsfläche ist in diesem Planungs- und Organisationsvorgang eine Variable unter mehreren. Die Fläche stellt einmal den Rahmen dar, der eine bestimmte Produktion er- möglicht, andererseits ist die Produktionsfläche ein Teil der Produktions- bzw. Investitions- kosten.

4 Ein Beispiel ist die Verlagerung der Fa. Brandt von (NRW) nach Ohldruft (Thüringen). Nach eigenen Aussagen be- nötigte der Betrieb mehr als ein Jahr bis er die gewohnte Qualität und Geschmack in den neuen Anlagen sicher produzieren konnte. 5 Die Untersuchung konzentriert sich - wie schon in der Einleitung dargestellt - auf die Gewerbeflächen im Sinne der §§ 8 und 9 der BauNVO. Zur sprachlichen Vereinfachung werden in der Regel die Begriffe Betrieb und Unternehmen als Synonyma genutzt und der Begriff Produktion schließt alle zulässigen Aktivitäten nach der BauNVO ein. Nur im Einzelfall erfolgt eine Differenzierung.

18 Gewerbeflächen Neuss 2011

Die Abbildung skizziert den prinzipiellen Ablauf einer solchen Planung. Vom Umsatzziel (Stückzahl/Jahr) ausgehend ist es über die verschiedenen Kostenelemente wie Bearbeitungs- zeit, Mitarbeiter, Produktions- und La- Abb. 3: Prozess betrieblicher Flächendimensionierung gerfläche das Ziel, eine angemessene Rendite zu erzielen. Im Planungsprozess wird sich die geforderte oder notwendige Rendite erst nach einer Reihe von Itera- tionsschritten ergeben. Hieraus ergeben sich über verschiedene Zwischenschrit- te die notwendigen Flächen und auch die Gesamtkosten. Jeweils wird an die- ser Stelle geprüft, ob die Gesamtkosten in einem angemessenen Verhältnis zum Umsatz und letztlich zum Gewinn ste- hen. Reicht die Rendite nicht aus, dann werden in einer alternativen Planung die einzelnen Parameter, Beschäftigte, Bearbeitungszeiten, Maschinenpark, Flächen und Kosten soweit variiert bis das Vorhaben wirtschaftlich ist. In die- sem Vorgang konvergiert die notwen- dige Flächengröße zu einem Optimum. Der Vorgang wird beispielhaft deutlich an der Lagertechnik. In Abhängigkeit zum Bodenpreis ergeben sich unter- schiedliche wirtschaftliche Lagertechni- ken und Flächenbedarfe. Die Aufwen- dungen für ein einfaches Flachlager wachsen zum Beispiel bei steigendem Bodenpreis schnell an, so dass, wenn man z.B. die Investitionskosten gleich- halten will, andere Lagertechniken not- wendig (bzw. wirtschaftlich) werden. Für jeden Arbeitsgang bzw. Produktionsab- schnitt lässt sich ein ähnlicher Prüf- und Auswahlprozess mehr oder weniger eindeutig beschrei- ben6. Für das Unternehmen resultiert aus diesem hier nur sehr kurz skizzierten Planungsprozess die Soll- bzw. Mindestfläche für die Produktion.

Ein solch differenzierter Nachvollzug bzw. Antizipation der Flächennachfrage ist außerhalb des Einzelfalls nicht möglich. Mit dieser Darstellung soll deutlich werden, dass die Gewerbe-

6 Vgl. hierzu die regelmäßigen Veröffentlichungen in der Zeitschrift "Werkstatt und Betrieb" oder "Wirtschaftliche Fertigung".

19 Gewerbeflächen Neuss 2011

fläche ein komplexer wirtschaftlicher Prozess ist. Der Bodenpreis spielt ebenso eine Rolle wie die Kosten für die technische Ausrüstung oder die Arbeitskosten.

Die langjährigen Beobachtungen des Münchener ifo-Instituts mit den Kategorien Ersatzbe- schaffung, Rationalisierungsinvestition und Kapazitätsinvestitionen geben eine Übersicht über die Investitionsziele der Betriebe. Die Kategorie Rationalisierungsinvestition enthält vor al- lem den technischen Fortschritt. Rationalisierung bedeutet in den allermeisten Fällen verän- derte Organisations- und Produktionskonzepte. Im Einzelfall ist die Anforderung zusätzlicher Flächen oder ein veränderter Flächengrundriss nicht auszuschließen. Die Ersatzinvestitionen erhalten im Wesentlichen die Kapazität bzw. das Produktionsprogramm. Aus diesem Investi- tionsanlass heraus wird nur ausnahmsweise eine Flächennachfrage generiert. Die Kapazitäts- investitionen umfassen neben dem einfachen Ausbau der Fertigungskapazität auch neue Pro- dukte. Diese Investitionsgruppe tritt in der Regel als Flächennachfrager auf, da eine höhere Stückzahl oder zusätzliche Produkte vielfach neue Flächen erfordern. Insgesamt muss man sich bewusst bleiben, dass die geschilderten verschiedenen Investitionsan- lässe nicht immer zweifelsfrei zu identifizieren sind, da in den realisierten Investitionen die Kapa- zitäts-, die Rationalisierungs- und Ersatzeffekte und schließlich auch ein technischer Fort- schritt enthalten sind7.

Abb. 4

Investitionsstruktur der Deutschen Wirtschaft

100

90

80

70

60

50 in Prozent 40

30

20

10

0 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 Rationalisierung Ersatzbeschaffung Kapazitätsinvestitionen Quelle: ifo-Schnelldienst, verschiedene Jahrgänge

7 Eine neue Maschine als Ersatzinvestition kann nicht mit dem technischen Stand von vor zehn Jahren erworben werden. Entsprechend sind alle Investitionsmotive (Kapazitätserweiterung, Ersatz, technischer Fortschritt) in einer einzigen Investiti- on enthalten. Die zitierten Analysen des Ifo-Institutes basieren auf analytischen Zuordnungen befragter Unternehmen.

20 Gewerbeflächen Neuss 2011

Die Abb. 4 zeigt die Anteile der verschiedenen Investitionsarten8. Sieht man von den konjunktu- rellen Ausschlägen ab, halten sich die Investitionen zur Kapazitätserweiterung und Rationalisie- rung die Waage. Etwa ein Drittel des Investitionsvolumens kann den Kapazitätsinvestitionen zu- geschrieben werden und etwas mehr als ein Drittel der den Rationalisierungsinvestitionen. Die Er- satzbeschaffung hat einen Anteil von 15 bis 25 Prozent an den Gesamtinvestitionen. Das heißt, dass nur ein Drittel der Investitionsaufwendung potenziell mit einer Grundstücksnachfrage ver- bunden werden kann. Hierbei wird wiederum nur ein Teil der Kapazitätsinvestitionen tatsächlich so grundsätzlich sein, dass zusätzliche Flächen erforderlich werden. Unterstellt man, dass nur die Hälfte der Kapazitätsinvestitionen eine Grundstücknachfrage auslöst, dann sind nur eine Sechstel der Investitionen flächenrelevant. Die weitere Diskussion wird zeigen, dass die amtliche Investiti- onsstatistik noch einen deutlich geringeren Anteil an Flächeninvestitionen erfasst.

3.2 Die bisherige Nachfrageentwicklung in Neuss Die einleitende Erörterung zeigt, dass es zu einer Flächennachfrage kommt, wenn die Betrie- be wachsen oder am Anfang ihres Lebens- und Produktzyklus stehen. In der übergroßen Mehrzahl der Fälle realisieren die Betriebe ihren Flächenbedarf durch eine Verlagerung ihrer Betriebsstätte. Ist ihr Gründungsstandort zu klein, müssen sie zur Realisierung einer größeren Produktionsfläche ihren Betrieb verlagern. Ein Nachbargrundstück zur Erweiterung wird nur zu- fällig zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass eine Standortspaltung, wenn sie nicht marktstra- tegisch angelegt ist, auf die Dauer Kostennachteile bedeutet, da die Effekte der 'economies of sca- le' meist nicht ausgeschöpft werden können.

3.2.1 Investitionen in Neuss Eine Analyse der Entwicklung in Neuss stößt auf verschiedenen technische Probleme. Diffe- renzierte Daten werden zwar für die Kreise und kreisfreien Städte veröffentlicht, aber häufig schränken die Geheimhaltungsvorschriften diese sehr ein, so dass Lücken entstehen. Dies ist vor allem zu erwarten, wenn in den verschiedenen Branchen nur ein geringer Besatz gegeben ist. Eine Veröffentlichung unterbleibt, wenn nur drei oder weniger Betriebe des Wirtschafts- zweiges bzw. der Branche bestehen oder aber ein Merkmalsträger (Betrieb) mehr als die Hälf- te des Merkmals darstellt. Zudem besteht für die Stadt Neuss als kreisangehörige Stadt ein eingeschränktes Auswertungs- und Veröffentlichungsprogramm. Die zweite Einschränkung dieser Daten besteht darin, dass nur die monetären Aufwendungen erfasst werden, aber die reale Fläche in Quadratmeter nicht erfasst wird. Deshalb ist zu beach- ten, dass der gleiche monetäre Investitionsbetrag in Neuss eine kleinere Fläche darstellt als im Umland.

8 Vgl. Wechselberger, A.: Westdeutsche Industrie: 1997 Realer Investitionsanstieg um 4 %. In: ifo-Schnelldienst 19, 1997, S. 5- 12; Weichselberger, A.: Westdeutsche Industrie: Investitionen gewinnen 1998 an Schwung. In: ifo-Schnelldienst 33, 1997, S. 23 - 28

21 Gewerbeflächen Neuss 2011

Schließlich sei auch darauf verwiesen, dass nur für das Produzierende Gewerbe die Investiti- onen erfasst werden. In den übrigen Wirtschaftzweigen werden die Investitionen nur als Stichprobe erfasst und können für die Stadt Neuss nicht ausgewertet werden. Vor diesem Hintergrund werden hier nur Investitionen für das Produzierenden Gewerbes der Stadt Neuss und des Rhein-Kreises Neuss herangezogen werden.

Die Investitionen auf Landesebene zeigen zwischen 1980 und 2007 einen deutlichen Anstieg von rd. 8 Mrd. auf 10 Mrd. Euro (vgl. Abb. 4). Gleichzeitig lässt die Zeitreihe erkennen, dass Investitionen stark von den konjunkturellen Zyklen bestimmt werden. Die Aufwendungen der Betriebe für unbebaute Grundstücke sind im gleichen Zeitraum von 180 Mill. Euro auf 90 bis 100 Mill. Euro gefallen (Abb. 6). Hier ist der Verlauf ebenfalls von der Konjunktur, aber – auch noch auf der Landesebene – deutlich von Einzelvorhaben ge- prägt. Das Entwicklungsbild zeigt, dass Investitionen in großem Umfang Rationalisierungsin- vestitionen bzw. Ersatzinvestitionen sind. Unmittelbare Kapazitätsinvestitionen, die in aller Regel mit Investitionen in Grundstücken verbunden sind, werden offenbar im Trend seltener.

Abb. 5

Investitionen (insgesamt) im Verarb. Gewerbe in Nordrhein-Westfalen

16 000 000

14 000 000

12 000 000

10 000 000

8 000 000

in 1.000Euro 6 000 000 Trendlinie

4 000 000

2 000 000

0

1 4 3 6 0 3 4 8 80 83 88 91 92 95 99 02 07 9 98 9 98 985 986 9 989 9 9 99 9 99 9 00 001 0 00 00 005 0 00 1 1 1982 1 1 1 1 1987 1 1 1990 1 1 1 1994 1 1 1997 1998 1 2 2 2 2 2 2 2006 2 2 2009

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: LDS Düsseldorf 2009

22 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 6

Investitionen in unbebaute Grundstücke in Nordrhein-Westfalen

250.000

200.000

Trendlinie 150.000

in 1.000 Euro 100.000

50.000

0

6 0 0 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2 2007 2008 2009 Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: LDS Düsseldorf 2009

Für die Stadt Neuss und die Region (Rhein-Kreis Neuss) zeigt die folgende Grafik (vgl. Abb. 7) den Entwicklungsverlauf. Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre sanken die Investitionen, abge- sehen von konjunkturellen Ausschlägen, leicht ab. In der Stadt Neuss verlief die Entwicklung von ca. 180.000.000 Euro auf etwa 140.000.000 Euro. Damit unterscheiden sich der Kreis und die Stadt Neuss von der allgemeinen Entwicklung in Nordrhein-Westfalen.

Abb. 7

Gesamtinvestitionen im Rhein-Kreis Neuss und der Stadt Neuss

700.000

600.000

500.000

400.000

300.000

200.000 absolute Größe in 1.000 Euro

100.000

0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 0 0 0 0 0 0 0 0 0 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Rhein-Kreis Neuss Stadt Neuss

23 Gewerbeflächen Neuss 2011

Überprüft man den Investitionsverlauf für die Stadt Neuss für Maschinen/Anlagen und den Aufwendungen für Immobilien, dann zeigt sich eine leichte Abnahme im Konto Maschinen und Anlagen. Die Investitionen in Grundstücke/Immobilien sind dagegen nahezu konstant (vgl. Abb. 8). Versucht man die Ursache einzugrenzen, ist angesichts der Datenlage nur eine indirekte Ana- lyse möglich. Eine Analyse auf der Branchenebene ist nur für den Kreis möglich. Angesichts der Bedeutung der Stadt Neuss für den Rhein-Kreis Neuss, kann man aber die Ergebnisse – mit Vorbehalten – von der Kreisebene auf die Stadt Neuss übertragen. Die Abb. 9 zeigt die Zahl der Betriebe und den Umsatz der Branchen des Verarbeitenden Gewerbes. Die Grafik macht deutlich, dass der wichtigste Wirtschaftszweig - gemessen am Umsatz - im Rhein-Kreis Neuss, die Chemische Industrie ist9. Hier ist aber bekannt, dass der Standort diese Branche im Wesentlichen bestimmt. Die Metallerzeugung wird vor allem am Standort Neuss sein (Alu-Werk Norf).

Abb. 8

Entwicklung der Investitionen in der Stadt Neuss Verarbeitendes Gewerbe

350.000

300.000

250.000

200.000

150.000

100.000 absolute Größe in 1.000 Euro in 1.000 Größe absolute

50.000

0

1 4 6 2 7 9 5 82 85 87 95 98 00 03 08 988 990 993 001 006 1980 198 19 1983 198 19 198 19 1 1989 1 1991 199 1 1994 19 1996 199 19 199 20 2 2002 20 2004 200 2 2007 20 Immobilien Maschinen/Anlagen Quelle: Planquadrat Dortmund 2009 – Daten: LDS Düsseldorf

9 Die Statistik weist nach, dass in der Chemischen Industrie die Zahl der berichtenden Betriebe von 10 auf 15 gestiegen ist. Dieser Effekt kann allerdings aus der institutionellen Umstrukturierung der Chemischen Industrie resultieren. In den letzten 20 Jahren wurden Betriebsteile als eigene Unternehmen verselbständigt und damit auch berichtspflichtig.

24 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 9

Betriebe und Umsatz Verarb. Gewerbe Rhein-Kreis Neuss Investitionsstatistik 2006

Ernährung

Textil/Bekleidung

Papier-, Verlags- und Druckerei

Herst. von Chemischen Erzeugnissen

Herst. von Gummi- und

Glasgewerbe, Keramik

Metallerzeugung

Maschinenbau

Büromaschinen, Datenverarbeitungsanlagen

Fahrzeugbau

0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 Anteil in Prozent Zahl der Betriebe Umsatz Quelle: Planquadrat Dortmund 2009 – Daten: LDS Düsseldorf

Von Bedeutung sind im Rhein-Kreis Neuss noch die Branchen Ernährung gefolgt vom Ma- schinenbau. Die Branche Ernährung konzentriert sich auf die Stadt Neuss (Mühlen etc. in Verbindung mit dem Hafen und der traditionellen Veredelung). Der Maschinenbau ist, wie das Verhältnis Umsatz zur Anzahl der Betriebe andeutet, kleinbetrieblich organisiert. Vor die- sem Hintergrund kann der Blick auf die Kreisergebnis leider nur eine geringe Erklärungskraft für die Situation in Neuss bereitstellen.

Einen erheblichen Einfluss auf das Investitionsprofil hat die Chemische Industrie. Die Auf- wendungen gingen im Beobachtungszeitraum 1997 bis 2007 auf fast die Hälfte zurück. In der Metallerzeugung gingen die Investitionen ungefähr um ein Drittel zurück. Angesichts der ab- soluten Größen beider Investitionsbudgets kann man davon ausgehen, dass der Rückgang in beiden Branchen bei ihren Zulieferern, die meist aus der Region stammen, ebenfalls rückläu- fig ist bzw. war. Dies lässt sich aber angesichts der Datenlage nicht überprüfen. Die beiden kleineren Branchen (Ernährung und Maschinenbau) zeigen bei stärkeren Schwankungen nur einen sehr leichten Abwärtstrend bei den Investitionen (vgl. Abb. 10).

25 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 10

Entwicklung der Investitionen im Rhein-Kreis Neuss in ausgewählten Wirtschaftszweigen

250.000

200.000

150.000

100.000 in 1.000 Euro in 1.000

50.000

0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Investitionen Chemie Investitionen Metall Investitionen Maschinenbau Investitionen Ernährung Quelle: Planquadrat Dortmund 2009 – Daten: LDS Düsseldorf

Wertet man die Aufwendungen für unbebaute Grundstücke aus, erweist sich die übliche Ge- heimhaltung als ein wesentliches Hindernis. Aus diesem Grund wurden die Aufwendungen der Betriebe für "Immobilien" durch die Differenz zwischen Gesamtinvestitionen und die Aufwendungen für Maschinen/Anlagen gebildet10. Besonders auffällig ist die ständige Schwankung der Immobilieninvestitionen. Diese sind im Wesentlichen durch die geringe Zahl der Investitionen (etwa 70 bis 80 investierende Betriebe) bzw. ihrer insgesamt geringen Höhe zwischen 60 und 4 Mill. Euro besonderes ausgeprägt. Bezieht man dieses Ergebnis auf die Flächennachfrage, dann ist zuerst festzustellen, dass seit mehr als 10 Jahren die Investitio- nen in unbebaute Grundstücke auch seit zehn Jahren in Neuss geringer werden. Der Kern betrieblicher Investitionen sind die Rationalisierung, die technische Neuerung und der Ersatz, so dass vor allem auf vorhandene Flächen investiert wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass im Verlauf der 10 Jahre die reale Flächeninvestition noch geringer wurde, da für diesen Zeitraum die Inflation und auch die Bodenpreissteigerungen zu berücksichtigen sind. Unterstellt man vereinfacht eine Inflation von einem Prozent und ebenso eine 1-prozentige Boden-Preissteigerung – beide Veränderungen waren tatsächlich höher –, dann ist die Flä- chendisposition der Betriebe noch geringer.

10 Die Investitionsstatistik verfügt über drei Konten: 1. Investitionen in Maschinen und Anlagen, 2. Investitionen in unbebaute Grundstücke und 3. Investitionen in gebrauchte Grundstücke und Gebäude. Angesichts der vergleichsweise geringen Be- träge für die Konten 2 und 3 stellt eine Zusammenfassung als "Immobilie" keinen großen, die Aussage verfälschenden Feh- ler dar.

26 Gewerbeflächen Neuss 2011

Mit diesem Untersuchungsergebnis wird deutlich, dass in den letzten beiden Jahrzehnten eine rückläufige und für das letzte Jahrzehnt eine stagnierende Flächennachfrage die Regel war. Das Verarbeitenden Gewerbe als der Hauptträger der Nachfrage nach gewerblichen Bauflä- chen nach den §§ 8 und 9 Baunutzungsverordnung wird angesichts dieser Konstellation seine Nachfrage nicht über das bisherige Aktivitätsniveau der Betriebe steigern.

3.2.2 Nutzung gewerblicher Bauflächen im Spiegel der Baufertigstellung Die Analyse des Investitionsverhaltens gibt wie die Wirtschaftsstrukturanalyse einen heuristi- schen Rahmen zum Gewerbeflächenbedarf vor, aber eine räumlich konkrete, auf Neuss bezoge- ne Information über die mögliche Flächennachfrage kann aus diesen Analysen noch nicht ab- geleitet werden.

Mit der Baufertigstellungsstatistik ist aber eine konkretere Erfassung der Nutzungsvorgänge bzw. der Investitionen in Gewerbegebäude und Gewerbeflächen möglich. Diese Statistik wird durch die Bauanträge und Abnahmemeldungen bei den Bauordnungsämtern gebildet. Mit der Baugenehmigung werden alle Bauvorhaben mit den Merkmalen "Art des Bauwerks", "Größe der Nutzfläche" und "Größe der zugehörigen bzw. genutzten Grundstücksfläche"11 erfasst. Die Vergabe des Merkmals "Art des Bauwerkes" erfolgt nach den Bauunterlagen durch die statistischen Ämter nach dem Schwerpunktprinzip, so dass mit einer relativ einheitlichen (und professionellen) Definition gerechnet werden kann.

Die Statistik ist als Nachweis der genutzten Industrie- und Gewerbefläche aus zwei Gründen mit kleinen Einschränkungen nutzbar. Sie erfasst nach dem Schwerpunktprinzip alle Fabrik- und Werkstattgebäude ohne Unterscheidung der verschiedenen Standorte bzw. planungsrecht- lichen Hintergründen. Kleine Werkstätten zum Beispiel in der Innenstadt12 (wenn sie das je- weilige Gebäude dominieren) gehen ebenso ein, wie die Industrie- und Produktionsanlagen in den klassischen Gewerbe- und Industriegebieten. Die Verzerrungen aus diesen Unsicherheiten sind aber gering, da Werkstätten und Produktionsflächen in der Innenstadt oder in Wohnge- bieten gemessen an den Flächen der klassischen Produktionsbetriebe in Gebieten nach §§ 8 und 9 Baunutzungsverordnung kein großes Gewicht . Die zweite Verzerrung besteht darin, dass Gewerbe- und Industriebetriebe nicht die einzigen Nutzer der Gewerbeflächen nach der Baunutzungsverordnung sind. Zulässig sind auch, wie schon ausgeführt, Büros, Ein- zelhandelsbetriebe und viele andere Nutzungen. Der Anteil dieser Nutzungen in gewerblichen Standorten ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Gewerbestandorte mit einer hohen Gestaltqualität oder günstigen Einzugsverhältnissen werden eher auch andere Nutzungen aufweisen als Gebiete, die sich gerade noch für Produktionszwecke eignen. Einen Einfluss hat schließlich auch die Wettbewerbssituation zwischen den verschiedenen gewerblichen Stand- orten und die Verfügbarkeit von Standorten in Wohngebieten bzw. der Innenstadt für Betriebe

11 Dieses Merkmal wird inzwischen durch die Statistik nicht mehr ausgewertet. 12 Dies sind zum Beispiel Werkstätten der Goldschmiede, Optiker, Orthopäden oder ähnliche Betriebe.

27 Gewerbeflächen Neuss 2011

die mischgebietsverträglich sind. Ein vielfältiges Standortangebot für kleine Betriebe der Stadtwirtschaft13 oder Dienstleistungsbetriebe hat zur Folge, dass sich in den gewerblichen Bauflächen tatsächlich vorwiegend Gewerbebetriebe mit einem entsprechenden Störgrad nie- derlassen. Für die Stadt Neuss kann man (auch vor den Hintergründen der Bestandsaufnahme) von einer durchschnittlichen Nutzung durch Gewerbebetriebe ausgehen14.

Die jährliche Erstellung der Nutzfläche und die zugehörige Grundstücksfläche für Fabrik- und Werkstattgebäude in der Stadt Neuss zeigt die Abb. 11. Die Statistik resultiert aus der Baufertig- stellungsstatistik. Seit dem Jahr 1996 wurde das Merkmal Grundstücksfläche nicht mehr veröf- fentlicht. Zwischen 1983 und 2008 entstanden im Jahresmittel rd. 21.000 m² Nutzfläche. In den letzten Jahren des Beobachtungszeitraums sank die Aktivität allerdings deutlich ab.

Abb. 11

Nutzfläche in Fabrik- und Werkstattgebäuden

90.000

75.000 n

60.000

45.000

Mittelwerte: 1983 bis 2006 = 21.000 m²/a 30.000 1997 bis 2006 = 10.900 m²/a Nutzfläche inNutzfläche Quadratmeter

15.000

0

8 2 9 3 85 96 989 993 000 004 1983 1984 19 1986 1987 198 1 1990 1991 199 1 1994 1995 19 1997 1998 199 2 2001 2002 200 2 2005 2006

Quelle: Planquadrat Dortmund 2007 - Daten: LDS Düsseldorf 2007

Die Baufertigstellung gleicht in der Tendenz der Investitionsentwicklung in der Stadt Neuss. Der Bedarf der klassischen Bedarfsträger ist insgesamt rückläufig. Allerdings lässt sich beob- achten, dass durch Umnutzung, aber auch im Zuge von Neuansiedlungen weitere Nutzer ge- werbliche Bauflächen in Anspruch nehmen. Angesichts der generell begrenzten Anzahl an Standorten sollte dieser Entwicklung soweit wie möglich Einhalt geboten werden.

13 Stadtwirtschaft: Reparatur- und Servicebetriebe wie Maler, Elektriker, Schreiner oder Installateure und ähnliches deren Ge- schäftsfeld der Gebäudeunterhalt ist. 14 Eine Ausnahme bzw. besonders zu betrachten ist der Bereich Logistik. Er ist in diese Betrachtung nicht einbezogen.

28 Gewerbeflächen Neuss 2011

3.3 Die Gewerbeflächen-Prognose für die Stadt Neuss

Zur konkreten Prognose werden drei verschiedene eigenständige Verfahren herangezogen, die in ihrer Gesamtheit und im gegenseitigen Vergleich eine sichere Bedarfsbestimmung ermög- lichen. Der einfachste Ansatz, der nur ein erstes pauschale Ergebnisse erlaubt, ist die Bedarfsschät- zung auf der Basis der Baufertigstellungsstatistik. Dieser Ansatz greift die bisherigen Investi- tionsaktivitäten in Fabrik- und Werkstattflächen der Betriebe auf und nimmt eine Fortschrei- bung vor. Alternativ kann auf einen Ansatz zurückgegriffen werden, der auf einer umfangreichen Unter- suchung beruht. Dieses Gewerbe- und Industrieflächenprognose-Modell (GIFPRO) wurde 1979/80 entwickelt und wird seit dieser Zeit genutzt. Die Basis für dieses analytisch- ökonometrische Prognosemodell sind umfangreiche Zeitreihen über Standortentscheidungen der Betriebe. Das Modell geht davon aus, dass der Flächenbedarf eng mit der Standortwahl verbunden ist. Schließlich wird in dieser Untersuchung als dritte Prognosetechnik die demoskopische Be- darfsbestimmung eingesetzt. Der Ansatz befragt die Betriebe der Stadt Neuss nach ihren In- vestitionsplänen bzw. spezieller nach ihrem Flächenbedarf. Diese Technik reagiert (wie man aus regelmäßigen Untersuchungen des Münchner ifo-Instituts zu den geplanten Investitionen weiß) auf die aktuelle Wirtschaftssituation. Der besondere Wert der Betriebsbefragung besteht in den Aussagen zur Qualität der erforderlichen Standorte und Flächen, eine Aussage, die we- der durch die Auswertung der Baufertigstellungsstatistik noch durch den GIFPRO-Ansatz er- mittelt werden kann.

Für die Bedarfsbestimmung der Stadt Neuss werden alle drei Prognoseansätze eingesetzt. Zum Einen ist zu erwarten, dass die einzelnen quantitativen Ergebnisse nicht extrem von ein- ander abweichen und sich so gegenseitig "kontrollieren". Zum anderen "produziert" jede Technik weitere Nebenergebnisse, die für die Bauleitplanung und konkrete Standortgestaltung genutzt werden können.

3.3.1 Bedarfsprognose mittels Baufertigstellungsstatistik Die einfachste Prognosemöglichkeit beruht auf der Beobachtung des bisher abgelaufenen Prozesses und der Prüfung, welche Ereignisse den Fortgang dieses Vorgangs in Zukunft stö- ren können. Allerdings besteht eine Statistik, die unmittelbar die Nutzung des Bodens nach den Kategorien des Baugesetzbuches bzw. der Baunutzungsverordnung erfasst, nicht.

Bildet man den Durchschnitt der letzten Jahre, dann beträgt die Fläche im Mittel 10.900 m²/a. Nutzt man die Analyse der Baufertigstellungsstatistik zur Bedarfsermittlung, dann kann fest- gehalten werden, dass die Betriebe in Neuss im Mittel etwa 10.900 m²/Jahr Nutzfläche für

29 Gewerbeflächen Neuss 2011

Fabrik- und Werkstattgebäude erstellten15. Für einen Prognosezeitraum von 15 Jahren ist dies in einfacher Extrapolation ein Gewerbeflächenbedarf von 54,5 m². Zusätzlich ist der Anteil der öffentlichen Erschließung mit einem pauschalen Anteil von 20 Prozent zu berücksichti- gen. Insgesamt heißt dies – in einfacher Extrapolation – eine Gewerbeflächennachfrage von 68,1 ha16. Diese Prognose stellt eine obere Bedarfsgrenze dar. Die Investitionsanalyse und die Baufer- tigstellungsstatistik zeigten, dass die Aufwendungen der Betriebe für Grundstücke seit langem rückläufig sind. Eine Bemessung auf der Basis des einfachen Durchschnitts kann diese Ent- wicklung nicht berücksichtigen. Eine Nachfrage durch die Betriebe, die über diesen Rahmen hinaus geht, ist sehr unwahrscheinlich.

3.3.2 Die analytisch-ökonometrische Prognose nach GIFPRO Die Analyse des regionalökonomischen Status der Stadt Neuss hat gezeigt, dass auch künftig Investitionen im Verarbeitenden Gewerbe zu erwarten sind, aber der Gewerbeflächenbedarf insgesamt ein geringes Niveau aufweisen wird. Die Flächen- und Standortnachfrage bei- spielsweise durch Ansiedlungen werden angesichts der allgemeinen Entwicklung im Umland (Tertiärisierung, schrumpfendes Verarbeitendes Gewerbe usw.) keine besondere Größenord- nung erreichen. Auch die Neugründungen und Verlagerungen in Neuss werden angesichts des Strukturwandels und der begrenzten Wachstumsperspektive im Verarbeitenden Gewerbe kei- ne besondere Dynamik aufweisen. Die Analyse zur wirtschaftlichen Entwicklung bezog sich - bedingt durch die verfügbaren Da- ten - nur auf die Wirtschaftsabteilungen und -unterabteilungen. Bezogen auf die betriebliche Ebene sind die Ergebnisse dieser Portfolioanalyse noch zu wenig detailliert und zur Nachfra- gebestimmung nicht ausreichend. Der konkrete Prozess der Nachfrage kann durch sie nicht bestimmt werden. Gewerbliche Bauflächen werden nachgefragt, wenn - wie dargestellt - ein Betrieb investiert, sich neu gründet, sich im Stadtgebiet ansiedelt (als Zweigstellenneugründung oder überörtliche Verlagerung) oder eine innerörtliche Verlagerung erfolgt. Dies sind zum Teil Vorgänge, die auch dann erfolgen, wenn die wirtschaftswissenschaftliche Situation als stagnierend oder rückläufig bezeichnet werden muss. Es wurde schon eingangs kurz skizziert, dass das Modell GIFPRO17 auf einer Mobilitäts- bzw. Ansiedlungsanalyse der Betriebe beruht. Mit jeder Standortentscheidung und Neugrün-

15 Zu beachten ist, dass zwischen dem Grundstückerwerb, den ggf. die Wirtschaftsförderung abwickelt und der Erstellung ei- ner betrieblichen Nutzfläche mehrere Jahre liegen können, so das Verkaufsdaten und Fertigstellungsdaten nicht unmittelbar aufeinander bezogen werden können. 16 Zur Berechnung: 10.900 m²/0,3 als GRZ = 36.333 m² je Jahr Grundstücksfläche. Bezogen auf 15 Jahre = 3,6 ha/Jahr * 15 Jahre = 54,5 ha. Die Daten repräsentieren die Grundstücksfläche und müssen um den Erschließungsanteil ergänzt werden. Der Anteil der Erschließungsfläche wird von der Grundstücksgröße in den Gewerbegebieten bestimmt. In der Tendenz gilt, kleinere Grundstücke haben einen größeren Erschließungsanteil und umgekehrt. Hier wurde ein Erschließungsanteil von 20 Prozent unterstellt. Zur Berechnung der Gesamtfläche: 54,5 ha/0,8 = 68,1 ha Gesamtfläche 17 Stark, K.-D. u.a.: Flächenbedarfsberechnung für Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereiche – GIFPRO. Dortmund 1981; Bauer, M./Bonny, H. W.: Flächenbedarf von Industrie und Gewerbe. Bedarfsberechnungen nach GIFPRO. Dortmund 1987 (= ILS-Schriften, Bd. 4.035)

30 Gewerbeflächen Neuss 2011

dung eines Betriebes ist unmittelbar Flächenbedarf verbunden, so dass aus dem Umfang der Mobilität auf den Flächenbedarf geschlossen werden kann.

Zur Standortwahl der Unternehmen besteht eine lange wissenschaftliche Diskussion und eine Vielzahl empirischer Studien, die hier nicht dargestellt werden sollen. Die Mobilität der Be- triebe ist im Wesentlichen eine Abwehrreaktion auf Zwänge und wird nur im Ausnahmefall durch Standortangebote ausgelöst. Empirische Ergebnisse der Standortforschung belegen dies eindeutig. - Eine der auffälligen Erscheinungen der Mobilität ist die geringe Verlagerungsdistanz. Ins- gesamt verbleibt die Mehrzahl der Betriebe im Umkreis von wenigen Kilometer um den vorhandenen Standort, um möglichst wenige Arbeitskräfte zu verlieren und weiterhin auch von bisherigen sozialen und politischen Beziehungen zu partizipieren. - Für das mobile Unternehmen ändern sich mit dem Standortwechsel weder das Lohnni- veau, die Grundstückskosten oder die sonstigen relevanten Parameter des Standortes ent- scheidend. Eine Mobilitätsdistanz zwischen 5 und 20 km verschafft nur wenige neue (po- sitive) Rahmendaten. Hinzu kommt, dass die Stabilität dieser Standortfaktoren, gemessen an der Lebensdauer der Unternehmen, zumeist sehr gering ist. Ein aktuell günstiger Ge- werbesteuersatz kann schon während der Verlagerungsentscheidung aufgehoben sein und viele Faktoren sind, unabhängig von der konkreten räumlichen Lage, im gesamten Bun- desgebiet nahezu gleich. Wirklich andere Kostenverhältnisse sind erst gegeben, wenn das Unternehmen Nord- und Mitteleuropa verlässt.

Abb. 12

Verlagerungsdistanzen der Unternehmen

16% 18%

9% 39%

18%

weniger als 5 km 5 bis 19 km 20 bis 49 km 50 bis 199 km mehr als 200 km Quelle: Industrie- und Handelskammer zu 1996

31 Gewerbeflächen Neuss 2011

Fasst man die Diskussion zusammen, dann lässt sich feststellen, dass die Mobilität im Leben eines Unternehmens insgesamt ein seltenes Ereignis bleibt18. Die Mobilität resultiert fast aus- schließlich aus Zwängen am alten Standort und aus dieser Tatsache heraus ist ein neuer Standort eine akzeptable Problemlösung, wenn er die Probleme des alten Standortes löst und keine neuen Probleme schafft. Die Mehrzahl der mobilen und damit der Gewerbeflächen nachfragenden Unternehmen werden Nahwanderer sein und aus dem vorhandenen Bestand kommen. Die Unternehmen in Neuss werden sich ähnlich verhalten wie die Unternehmen in den hier referierten Analysen.

Ein wichtiges Ergebnis der Analysen ist die regionale Differenzierung der Mobilitätsquoten und im Einzelfall der Flächenkennziffer. Die beiden folgenden Abbildungen zeigen die Mobi- litätsquote im Ballungsraum und im ländlichen Raum auf der Basis einer Sonderauswertung (vgl. Abb. 13, Abb. 14).

Abb. 13

Neuansiedlung für große Kernstädte Kreistyp I der BfLR 0,70

Beobachtungen 0,60 Trendwerte Konjunktureffekt 0,50

0,40

0,30

0,20 gewählter Neuansiedlungsquote Wert der Berechnung 0,10

[mobile Beschäftigte/Gesamtbeschäftigte] 0,00

-0,10 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983

Planquadrat Dortmund 1986 – Daten: BfLR 1986

18 Es besteht zwar eine hohe Mobilitätsneigung in der Gründungsphase, aber diese ist meist ein Aufstieg, des im "Hinterhof" residierenden Gründers, an einen etablierten Standort. Nach dieser Konsolidierungsphase wird die Mobilität die Ausnahme. In den Kategorien der Baunutzungsverordnung heißt dies, dass der erste Standort oft "illegal" am Wohnsitz, in Brachen o- der Mischgebieten entsteht. Mit der positiven Unternehmensentwicklung wird der Betrieb auffällig und störend. Dies zwingt ihn ebenso wie die steigende Bedeutung der Produktionsoptimierung für den Unternehmenserfolg und der Corporate Identi- ty zur Wahl eines legalen ordnungsgemäßen Standortes in einem Gewerbegebiet (Vgl. auch Kapitel 4.2.3, S. 39).

32 Gewerbeflächen Neuss 2011

Unmittelbar wird deutlich, dass die Mobilität im Zeitablauf geringer wird (Anzahl der Fälle bzw. Beschäftigte bezogen auf den Bestand) und das sich das Niveau asymptotisch dem Wert Null nähert. Durch die Arbeitsstättenzählung 1987 wird die Zeitreihe um die Jahre 1981 bis 1987 verlän- gert. Zentral ist hierbei die Beobachtung, dass das Niveau, das zum Ende der 70er Jahre be- stand, nicht in Frage gestellt wird. Auch in lokalen Analysen zeigt sich immer wieder, dass sich das Niveau im Wesentlichen stabilisiert hat. Durch die Vereinigung (1989/90) wurde es zwar für einige Jahre angehoben, aber schon Mitte der 1990er Jahre galt wieder der alte Sta- tus19. Angesichts der starken Abhängigkeit der Mobilität vom Bestand (innerörtliche Verlagerungen haben einen Anteil zwischen 70 und 90 Prozent) können die mobilen Beschäftigten oder die mobilen Betriebe mit relativ geringer Streuung auf den Bestand bezogen werden20.

Abb. 14

Neuansiedlung für ländlich geprägte Regionen Regionstyp VI der BfLR 0,70

Beobachtungen 0,60 Trendwerte

0,50 Konjunktureffekt

0,40

0,30

0,20 Neuansiedlungsquote

0,10

0,00

-0,10 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980

Planquadrat Dortmund 1986 – Daten: BfLR 1986

Die Bestimmung des Flächenbedarfs stützt sich damit auf beobachtbare und empirisch nach- vollziehbare Belege. Die Pfeile in den Grafiken zeigen die gegenwärtig genutzten Berech- nungswerte. Der Flächenbedarf in einer Stadt oder einer Region ist in diesem Fall einfach die Anzahl der mo- bilen Betriebe und Neugründungen multipliziert mit der durchschnittlichen Fläche eines Betriebs-

19 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hg.): Unternehmen und Arbeitsstätten. Arbeitsstätten nach Eröffnungsjahren, Neueröffnung und Standortverlagerungen. Sonderheft 2. 1991; Sonderauswertung des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik: (Hg.): Arbeitsstätten nach Eröffnungsjahren, Neueröffnung und Standortverlagerungen (Gemeinde und Kreiser- gebnisse). Düsseldorf 1992 20 Auf die jeweils aktuelle Mobilitätsquote hat die allgemeine Konjunktur bzw. die Branchenkonjunktur Einfluss. Angesichts ei- nes Prognosehorizontes von meist zehn bis fünfzehn Jahren ist ein durchschnittlicher Wert immer ausreichend.

33 Gewerbeflächen Neuss 2011

grundstücks oder der entsprechenden Wahrscheinlichkeitsfunktion. Diese Gleichung kann auch alternativ in Beschäftigten ausgedrückt werden. Die Gewerbefläche einer Gemeinde ist dann die Zahl der mobilen Beschäftigten plus Beschäftigten in Neugründungen multipliziert mit der Flä- che, die ein Beschäftigter benötigt. Die Gleichung verdeutlicht, dass der Gewerbeflächenbedarf von den mobilen Beschäftigten und der Flächenkennziffer bestimmt wird. Diese beiden Kennzif- fern werden nachfolgend bestimmt, um die Prognose konkret für Neuss vorzunehmen.

F = Beschäftigte * FKZ

F Gewerbefläche Beschäftigte mobile Beschäftigte + Beschäftigte in Neugründungen in einer Gemeinde FKZ Flächenkennziffer qm/Beschäftigte

3.2.3.1 Flächenkennziffer

In der Gewerbeplanung hat die Flächenkennziffer, also die Fläche, die ein Beschäftigter benötigt, eine große Tradition. Es bestehen eine Vielzahl von Veröffentlichungen und Kataloge für einzel- ne Branchen21. Problematisch ist, dass keine Konvergenz zu einer "richtigen" Kennziffer be- steht22. Im Wirtschaftszweig Kunststoffverarbeitung reicht die Spannweite von 30 m²/Beschäftigten bis 588 m²/Beschäftigten. Die Quellen lassen im Einzelnen nicht immer erken- nen, welche Ereignisse seinerzeit die Ziffern konkret beeinflusst haben. Analysiert man das vor- handene Material hinsichtlich der Einflussgrößen, so ergeben sich einige weitere Auffälligkeiten. Zwischen der Betriebsgröße und dem spezifischen Flächenbedarf (m²/Besch.) besteht ein erkenn- barer Zusammenhang. "Je größer der Betrieb [gemessen in Beschäftigten] ist, umso kleiner ist die Arbeitsfläche eines Beschäftigten"23. Dieses Ergebnis deutet auf die Tatsache hin, dass die Pro- duktion z.B. in einer kleinen Schlosserei alle notwendigen Maschinen (Bohrer, Fräse, Stanzen) er- fordert, diese aber nicht ständig mit Arbeitskräften besetzt sind. Hinzu kommt die Beobachtung, dass neuere Betriebsstätten großzügiger konzipiert sind und offensichtlich über einen größeren in- ternen Reserveflächenanteil verfügen. Zuletzt ist festzustellen, dass größere Betriebe ihre Arbeits- plätze im Mehrschichtbetrieb intensiver nutzen und organisationsbedingt über eine Überhangbe- legschaft verfügen (Krankheit, Urlaub und Ähnliches), die in die Berechnung der Kennziffer ein- gehen.

21 Vgl. Im Einzelnen: Elssasser, H./Bajaka, A./Schwarzenbach, B.: Industrieflächenbedarf = Studienunterlagen zur Orts-, Stadt- und Regionalplanung. Zürich 1970; Elssasser, H.: Der Flächenbedarf der schweizerischen Industrie. In: Zentralblatt für Industriebau 1971, S. 24-25; Dahlhaus, K./Marx, D.: Flächenbedarf und Kosten von Wohnbauland, Gemeinbedarfsein- richtungen, Verkehrsanlagen und Arbeitsstätten. Hannover 1968; Lutzky, N.: Die Eignung von Industrien für Standorte in Verdichtungsräumen. In: Raumforschung und Raumordnung 1978, S. 165-179; WIBERA AG (Hg.): Untersuchung zum spe- zifischen Flächenbedarf, Düsseldorf 1979 (unveröffentliches Manuskript). 22 Vgl. Bonny, H. W.: Flächenkennziffern. Zur Genese und Nutzung der Flächenkennziffer in der Gewerbeplanung. In: Raum- Planung 73, 1996 23 Hottes, K.-H./Kersting, D.: Der industrielle Flächenbedarf. Grundlagen und Meßzahlen zu seiner Ermittlung. 1973

34 Gewerbeflächen Neuss 2011

Die nachgewiesenen "Mängel" der Flächenkennziffern lassen sich auch durch messtechnische Sorgfalt oder Definitionen nicht aus der Welt schaffen. Untersucht man reale Betriebe, dann lässt sich eben nicht feststellen, welchen Status die genutz- Abb. 15: Flächenkennziffern der Betriebe ten Flächen und die Beschäftigten haben bzw. hatten.

Histogram Es ist nicht möglich, den oben geschilderten Kon- 250 struktions- und Planungsprozess außerhalb des Ein-

200 zelfalls nachzuvollziehen sowie eine zweifelsfrei rich- tige und repräsentative Flächenkennziffer zu ermit- Berechnungswert 150 teln. Die hier vorgeschlagenen Flächenkennziffern re-

Häufigkeit 100 sultieren aus Unternehmensbefragungen der letzten zehn Jahre. In Untersuchungen zum Gewerbeflächen- 50 bedarf wurden die Unternehmen unter anderem nach

0 der Anzahl der Beschäftigten (einschließlich Teilzeit- 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 beschäftigte) und nach der Grundstücksfläche befragt. FKZ Quelle: Befragungen – Planquadrat Dortmund Aus beiden Daten lässt sich der Quotient Flä- che/Beschäftigten bilden. Die Untersuchung hat damit nicht erfasst, in welcher Konjunkturphase sich der Betrieb befand oder ob andere Ereignisse die Grundstücksgröße bestimmten. Die Flächenkennziffer ist im Durchschnitt 244 m²/Beschäftigten, bei einem Vertrauensintervall von 121 m² und 366 m² (95 Prozent) (vgl. Abb. 15). Wird die Flä- chenkennziffer als unabhängige veränderliche Variable zur Erklärung der Mobilität herangezo- gen, dann zeigt sich ein interessanter Zusammenhang. Die Mobilitätsneigung der Unternehmen ist auch von der verfügbaren Fläche je Beschäftigten bestimmt24.

Abb. 16

Mobilität der Betriebe in Abhängigkeit zur Flächenkennziffer 45 e

30 Mobilitätsquote 15 = mobile = Betriebe/vorhandene Betrieb

0 50 100 150 200 250 300 Flächenkennziffer qm/Beschäftigter

Mobilität ins. Mobilität Prod. Gewerbe Mobilität Baugewerbe Mobilität Handel Quelle: Planquadrat Dortmund 2000

24 In den Unternehmensbefragungen wurde danach gefragt, ob eine Verlagerung geplant ist. Die Auswertung dieser Frage er- laubt die Bildung des oben dargestellten Zusammenhangs.

35 Gewerbeflächen Neuss 2011

Bei einer Flächenkennziffern zwischen 50 und 150 m²/Beschäftigten ist ein signifikant hohes Mobilitätsniveau zu beobachten. Erst bei einer Flächenkennziffer größer als 200 m²/Be- schäftigten fällt die Mobilitätsneigung ab. Ein Flächenbedarf von 200 bis 300 m²/Beschäf- tigten wäre hiernach eine angemessene Größenordnung für die Bemessung in der Gewerbe- und Stadtplanung25. Wählt man diesen Wertebereich zwischen 200 und 250 m² je Beschäftigten, dann lässt sich zeigen, dass die reale Flächenkennziffer mit diesem Wert deutlich überschätzt wird. Die Gra- fik (Abb. 15) zeigt in einem Histogramm die Verteilung der Flächenkennziffern. Der Wert 225 m²/Beschäftigten liegt, wie unmittelbar zu erkennen ist, deutlich jenseits des Mittelwertes oder des Medians. Eine Unterbemessung ist angesichts dieser Kennziffer nicht zu erwarten.

3.2.3.2 Gewerbeflächen nachfragende Beschäftigte

Nicht alle Beschäftigten bzw. Branchen fragen unmittelbar Gewerbeflächen im Sinne der §§ 8 und 9 BauNVO nach. Dienstleistungen und Einzelhandelsbetriebe finden ihre Standorte be- vorzugt in MK-Gebieten. Zwar lässt die BauNVO Gewerbebetriebe aller Art zu, aber Gewer- begebiete sind vor allem für die störende und erheblich störende Nutzungen vorgesehen. Hierzu können in aller Regel die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes, des Baugewerbes, des Großhandels und der Bereich Verkehr (Transport/Logistik) gezählt werden. Für die übri- gen Branchen ist es im Wesentlichen eine Frage der stadtentwicklungspolitischen Zielset- zung. Gewerbe- und Industrieflächen beanspruchenden Beschäftigten in diesem Sinne sind die Ba- sis der Prognoserechnung. Hierbei geht das GIFPRO-Modell von den in Tabelle 1 dargestell- ten Gewerbe- und Industrieflächen beanspruchenden Beschäftigten aus.

Tab. 1: Anteil der Gewerbeflächen nachfragenden Beschäftigten Anteil sozialver- Gewerbeflä- sicherungs- chen nach- pflichtig fragende Be- Beschäftigte schäftigte 2006

Verarbeitendes Gewerbe 100 Prozent 14.403 14.403 Sonstige Nutzungen - Baugewerbe 100 % 1.853 1.853 - Handel 40 % 13.920 5.568 - Verkehr/Nachrichten 40 % 5.568 2.217 - sonstige 10 % 6.970 697 insgesamt 24.738 Quelle: Planquadrat Dortmund 2009

Die Grundlage für die Berechnung der gewerbe- und industrieflächenbeanspruchenden Be- schäftigtenzahl bildet der Jahresdurchschnittswert der sozialversicherungspflichtig Beschäf- tigten in Neuss aus dem Jahr 2006. Durchschnittlich waren in diesem Zeitraum in Neuss 58.883 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, davon werden nach dem GIFPRO-

25 Andererseits ist festzuhalten, dass eine Kennziffer von 50 m²/Beschäftigte noch für rund 70 Prozent der Unternehmen kein Mobilitätsanlass ist. Dies zeigt die große Varianz eines möglichen Prognoseergebnisses.

36 Gewerbeflächen Neuss 2011

Modell 24.738 Beschäftigte Gewerbe- und Industrieflächen beanspruchen. Die Flächenkenn- ziffer (FKZ) gibt die Bruttobaulandfläche an, die ein flächenbeanspruchender Beschäftigter im Durchschnitt der Betriebe benötigt. Entsprechend der oben geführten Diskussion wird eine Flächenkennziffer von 225 m²/Beschäftigten festgelegt. Der Gewerbeflächenbedarf für ein Jahr wird nach folgender Formel berechnet.

  ,, kji   BQFKZF ,,,, kjikji  ,, kji

B Gewerbeflächen beanspruchende Beschäftigte F Flächennachfrage FKZ Flächenkennziffer Q Nachfragehäufigkeit i Betriebstyp (Verarbeitendes Gewerbe, sonstige Nutzungen) j Regionstyp (siedlungsstrukturelle Kreistypen 1 bis 6) k Mobilitätstyp (Neugründungen, inter- und intrakommunale Verlagerung)

Dieser Ansatz wird nach dem landesplanerischen Modell realisiert. Entsprechend dem Vor- schlag von Wuschansky wird dabei die Differenzierung nach dem Betriebstyp und dem Regi- onstyp aufgegeben, so dass eine einfache Bemessung möglich ist26. Zusätzlich wird in diesem Modellansatz die Wiedernutzung der frei gezogenen Gewerbeflächen aus Verlagerungen und Stilllegungen berücksichtigt27.

Abb. 17: Ansiedlungs- und Verlagerungsquoten für NRW (Kreisfreie Städte und Landkreis)

Box Plot Box Plot Verlagerungen (Jahresquoten AZ 1987) Ansiedlungen (Jahresquoten AZ 1987) 1,000 0,800

0,875 0,700 Gewählter Berechnungswert Gewählter Berechnungswert 0,750 0,600

0,625 0,500

0,500 0,400

0,375 0,300 Jahres_Q_Verlag 0,250 Jahres_Q_Ansied 0,200

0,125 0,100

0,000 0,000 Kreis Stadt Kreis Stadt Status Status

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Auswertung der AZ 1987

Die Abb. 17 macht auch für diese Quoten (Verlagerung 0,70 und Ansiedlung 0,15) deutlich, dass in die Berechnung ein höherer Level eingeht als empirisch zu erwarten ist. Die Quoten

26 Wuschansky, B.: Regionale Entwicklungsspielräume von Gewerbe- und Industrieflächen. Bestandserhebung und Ansatz für eine methodische Bedarfsermittlung. Dortmund 1985 27 Die Flächen und Standorte die vor 1960 entstanden, erweisen sich heute nach einer Betriebsstilllegung vielfach als un- brauchbar (unzureichende Immissionsschutzabstände, für das Umfeld eine belastende Erschließung etc.). Untersuchungen zeigen, dass von diesen Flächen nur Drittel bis ein Viertel wieder gewerblich genutzt werden kann. In der GIFPRO- Prognose wird die Nutzung von einem Viertel der aufgegebenen Fläche erwartet.

37 Gewerbeflächen Neuss 2011

und Flächenkennziffern wurden für ein Vertrauensintervall von 95 Prozent gewählt. Hierbei war es das Ziel, die Balance zwischen einer möglichst geringen Kapitalbindung und einer möglichst hohen Angebotssicherheit zu wahren28. Eine Unterbemessung ist angesichts der gewählten Daten nicht zu erwarten.

Um den jährlichen Flächenbedarf der Stadt Neuss zu berechnen, wird die gewerbeflächenbe- anspruchende Beschäftigtenzahl im Rahmen der Prognose mit den Quoten verknüpft29. Die ermittelten Flächenwerte zeigt die Tab. 2 mit einem Bedarf von 52,6 ha. Insgesamt 12,5 ha (bzw. 0,83 ha/a)resultieren aus den Neuansiedlungen. Hinzu kommt eine Nachfrage von 53,4 ha (bzw. 3,56 ha/a) aus der intrakommunalen Verlagerung und 1,2 ha (0,08 ha/a) aus den Neugründungen in Gewerbegebieten nach den §§ 8 und 09 BauNVO. Das Modell geht davon aus, dass 14,6 ha durch Stilllegung und Verlagerung in den Gewerbegebieten frei werden und erneut belegt werden können.

Tab. 2: Prognose auf der Basis des ILS-Modells (Bruttoflächen – einschl. Erschließung)

Beschäftig- Quote Flächen- Korrek- Prognose- Prognose te x 100 kennziffer turfak- zeitraum m² tor Neuansiedlungen 24.738 0,15 225 1,0 15 125.236 Verlagerungen 24.738 0,70 225 1,0 15 534.435 Wiedernutzung 24.738 0,70 225 0,25 15 -146.108 Neugründung 1/10 x Neuansiedlung 12.524 insgesamt 526.087 Quelle: Planquadrat Dortmund 2009

Insgesamt resultiert ein Intervall aus den verschiedenen Prognosen von 52,6 ha (GIFPRO) bis 68,1 ha (Baufertigstellung). Nach unseren Erfahrungen kann man davon ausgehen, dass die Fläche von 53 ha die Untergrenze des Prognoseintervalls darstellt. Wird dieser Wert unter- schritten, muss man damit rechnen, dass man häufiger eine Flächennachfrage nicht befriedi- gend kann. Gleichzeitig erweist sich dieser Wert in der Praxis auch als Richtschnur für die Kapitalbindung und Erschließungsaktivität. Verteilt man die Nachfrage gleichmäßig über den Prognosezeitraum, was aber angesichts der Konjunkturabhängigkeit nicht der Fall sein wird, dann benötigt man einen Flächenvorrat (der tatsächlich quasi verkaufsbereit vorliegt) von 3,5 bis 4,5 ha/Jahr. Praktisch wird man aber verschiedene Qualitäten anbieten müssen (Lagen, Preise, sonstige Ausstattungselemente), so dass man häufiger etwa zehn Hektar im Portfolio vorhält.

In der nachfolgenden Betriebsbefragung werden eine Reihe Informationen zu den gewünsch- ten bzw. erforderlichern Standorteigenschaften verdichtet, so dass zum Abschluss des Kapi-

28 Vgl. hierzu Bauer, M./Bonny, H. W.: Flächenbedarf von Industrie- und Gewerbe. Bedarfsrechnung nach GIFPRO. Dortmund 1987; Bonny, H. W./Kahnert, R.: Zur Ermittlung des Gewerbeflächenbedarfs. Ein Vergleich zwischen einer Monitoring ge- stützten Prognose und einer analytischen Bestimmung. In: Raumforschung und Raumordnung 2005, S. 232-240 29 Zur Berechnung im Falle der Neuansiedlung: 24738 * 0,15/100*225*1,0*15 = 125.236 m²

38 Gewerbeflächen Neuss 2011

tels 3 sowie in Kapitel 6 eine abschließende Erörterung zur Flächenentwicklung erfolgen wird.

3.3.3 Demoskopische Bedarfsbestimmung Die Bestimmung des Flächenbedarfs durch eine Befragung ist eine unmittelbar auf die Be- dürfnisse der Betriebe abgestellte Technik. Die Aussage der Baufertigstellungsstatistik kann im Zweifelsfall durch die verfügbaren Standorte oder Baukapazitäten eingeschränkt werden. Stehen zu wenige Gewerbeflächen zur Verfügung, kann auf der Basis der Baufertigstellungs- statistik (die primär die Bauleistung erfasst) der Bedarf unterschätzt werden30. Die Ermittlung des Flächenbedarfs mit der analytisch-ökonometrischen Prognose ist ebenfalls nicht ohne Einschränkungen. Die lange Zeitreihe und die (regionale und bundesdeutsche) Herkunft der verschiedenen Daten können eine Glättung zum Nachteil der Kommunen nicht ausschließen. Die demoskopische Bedarfsermittlung ist im Vergleich unmittelbarer und spiegelt besser als die beiden anderen Prognosekonzepte die aktuelle Stimmung und Planung der lokalen Betrie- be wider31. Die Befragung der Unternehmen stellt den Flächenbedarf in den Mittelpunkt. Die Erfahrun- gen in der empirischen Sozialforschung haben aber gezeigt, dass die einfache Frage "Wie viel Fläche (in Quadratmeter) benötigen Sie (zum Beispiel) in zehn Jahren?" nicht ausreicht, um eine valide Antwort zu erhalten. Auch die Erfahrungen der Konjunkturforschung weisen dar- auf hin, dass eine Befragung, die das Entscheidungsumfeld mit aufnimmt, bessere Ergebnisse erzielt.

Der Fragebogen erfasst im ersten Teil die wichtigsten Strukturdaten der Betriebe (Branche, Betriebsgröße, Standort etc.), das gegenwärtige Grundstück und den möglichen Bedarf. Diese Fragen sollen darüber Auskunft geben, wie sich das Unternehmen selbst sieht (Indikatoren: Forschungsaufwand, Produktqualität, Diversifikation etc.) und den gegenwärtigen Standort bewertet (Indikatoren: Verkehrsanbindung, Zugang zu Testlabors, Erreichbarkeit für Arbeits- kräfte und Kunden etc.). Im letzten Abschnitt des Fragebogens wird nach Aspekten des "künf- tigen Standortes" gefragt, um die allgemeinen Entscheidungskriterien der Unternehmen für einen Standort aufzuzeigen.

In der Befragung wird die Nachfrage aus Produktion (Baugewerbe, Verarbeitendes Gewerbe), Verkehr und Großhandel einbezogen. Es sind die Betriebe, die in der Regel Gewerbe- und In- dustrieflächen im Sinne der §§ 8 und 9 Baunutzungsverordnung nachfragen. Die Adressen stammen aus dem Pool der Industrie- und Handelskammer. Die Problematik dieser Adressen

30 Es kann vorweg auf die Bestandsaufnahme verwiesen werden. Hiernach ist ein Engpass an gewerblichen Bauflächen nicht gegeben (vgl. Kapitel 6, S. 83ff). 31 In dieser Fähigkeit der Befragung als Technik liegt gleichzeitig die Schwäche eines Interviews. Die Befragung spiegelt im Schwerpunkt die aktuelle Stimmung und Erwartung der Betriebe wider. Entsprechend wird die Bedarfsnennung von den konjunkturellen Zyklen oder in besonderen Fällen von lokalpolitischen Gesichtspunkten stark überformt. Ein weiterer Nach- teil einer Befragung ist die unbestimmte Antwortbereitschaft der Betriebe. Das Ziel der Befragung "wählt" auch die Antwor- tenden aus und bleibt nicht ohne Einfluss auf die Antworten. Im Falle von konjunkturellen Tiefs oder anderer Besonderheiten ist gerade die vergleichsweise träge und "rücksichtslose" Reaktion beispielsweise des GIFPRO-Modells von Vorteil.

39 Gewerbeflächen Neuss 2011

besteht darin, dass sie aus der Gewerbemeldung resultieren. Sie enthalten auch Adressen von Betrieben, die sich zwar angemeldet haben, aber die aus unterschiedlichen Gründen nicht so aktiv sind, dass sie einen Standort oder eine Gewerbefläche benötigen. Gleichzeitig bilden viele Unternehmen heute mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen zur Haftungsbegren- zung und zur Nutzung von steuerrechtlichen Vorteilen. Im Einzelfall können zwei oder drei Betriebsadressen um eine reale Produktion oder Dienstleistung entstehen. Diese Effekte füh- ren dazu, dass nominell mehr Adressen gegeben sind als aktive Betriebsstätten. In der Umfra- ge wurde der Adressenkreis sehr großzügig abgegrenzt. Vorab ausgeschieden wurde nur der Einzelhandel und eindeutige Büronutzer wie Versicherungen oder Banken. In manchen Fällen konnten durch den Namenszusatz "Verwaltungsgesellschaft" oder Adressenidentität bei glei- chen oder sehr ähnlichen Namen ebenfalls die Adressen herausgenommen werden. Im Rück- lauf wurde vor allem von den Verwaltungsgesellschaften telefonisch oder schriftlich ihr Sta- tus angezeigt, so dass ihr Adressenanteil von Welle zu Welle geringer wurde. Insgesamt ge- langten in die erste Befragungswelle 1.700 Betriebe. Nach der Herausnahme der Rückläufe wurden in der zweiten Welle 1.500 Betriebe angeschrieben. Insgesamt liegen zurzeit 250 auswertbare Fragebögen vor32. Es wurden nicht immer alle Fra- gen vollständig ausgefüllt33. Richtiggehend ausgefallen ist die Frage 6 zur funktionalen Struk- tur der Nutzung und zum Teil Frage 13 zum Standortwechsel. Im Falle der Frage 13 werden die Bearbeiter über die Verlagerungen ihres Betriebes nicht immer Bescheid gewusst und die Antwort unterlassen haben. Dies gilt sicher für viele Betriebe, die vor 1980 gegründet wur- den. Die zeitliche Einschränkung in Frage 14 zum Prozess des letzten Standortwechsels hat hier die Zahl der antwortenden Betriebe verringert. Mangels einer genügenden Anzahl muss die Auswertungstiefe hier eingeschränkt werden. Nur teilweise wurde die Frage 22 beantwor- tet. Der erste Teil der Frage, die Bewertung der Standortfaktoren, erfolgte nahezu von allen Betrieben, aber der zweite Teil, die Gewichtung der Standortfaktoren, wurde nur in wenigen Fällen und zum Teil "regelwidrig" beantwortet. Dieser zweite Teil kann daher nicht ausge- wertet werden. Gering war auch die Antworthäufigkeit der Frage 27 über einen möglichen Standort in Neuss. Sie wird daher nicht differenziert ausgewertet. Die erste inhaltliche Frage betraf die Branche34, in der das Unternehmen tätig ist und die Leistun- gen bzw. das zentrale Produkt des Betriebes35.

32 Als auswertbar werden von uns die Fragebögen bezeichnet, die mehr als die einfache Meldung "kein Flächenbedarf" ent- halten. Sind etwa zwei Drittel des Fragebogens ausgefüllt, können die Daten in die Auswertung einbezogen werden. 33 Zum Fragebogen siehe Anhang. 34 Frage 3: In welcher Branche ist ihr Betrieb tätig? (beispielsweise Maschinenbau, Handel, Chemie usw.) 35 Frage 4: Welche Leistungen erbringt Ihr Betrieb? Welches sind die zentralen Produkte? (nennen Sie das wichtigste Produkt zuerst, dann das zweitwichtigste und ggf. das dritte Produkt)

40 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 18

Wirtschaftsstruktur der antwortenden Betriebe

ohne Angaben

Logistik

Dienstleistung

Baugewerbe

Handel

Verarb. Gewerbe

0 5 10 15 20 25 30 35 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

Aus beiden Angaben wurde dann eine Branchenzuordnung gebildet, die in der Auswertung be- nutzt wird. Die Abb. 18 zeigt das Ergebnis. Das Verarbeitende Gewerbe, die wichtigste Zielgrup- pe für Gewerbeflächen, bildet mit fast 35 Prozent den Schwerpunkt der antwortenden Betriebe. Es folgen der Handel und das Baugewerbe. Die Dienstleistungen und die Logistik haben einen Anteil von jeweils knapp 15 Prozent im Datenmaterial. Diese Struktur entspricht sowohl der Be- standsaufnahme als auch der Zielsetzung der Gewerbeflächenpolitik. Vor diesem strukturellen Hintergrund kann die Befragung als repräsentativ gewertet werden36. Gewichtet man die Branchen mit den Beschäftigten, dann enthält die Befragung etwa zu zwei Drittel Beschäftigte des Verarbeitenden Gewerbes. Es folgen Logistik mit rd. 15 Prozent, der Handel mit etwas mehr als 10 Prozent und das Baugewerbe mit rd. 7 Prozent der Beschäftig- ten. Die Dienstleistungen haben mit weniger als 2 Prozent nur einen sehr geringen Anteil.

Die befragten Unternehmen der Stadt Neuss Neben den Branchen (die den Markt charakterisieren) ist der wirtschaftliche und rechtliche Status der Betriebe von Bedeutung. Es wird danach gefragt, ob die Betriebe selbständige (un- verflochtene) Einzelunternehmen, ein Hauptbetrieb eines Unternehmens mit Zweigniederlas-

36 Vgl. Lippe, P. von der/Klabdroba, A.: Repräsentativität von Stichproben. In. Marketing 2002, S. 139-145

41 Gewerbeflächen Neuss 2011

Tab. 3: Status der antwortenden Betriebe sungen, eine inländische oder aus- Status Prozent ländische Tochtergesellschaft sind37. Selbständige Einzelunternehmen 65,1 Die Auswertung zeigt – wie zu er- Hauptsitz eines regionalen Unternehmen 7,3 warten – dass die Mehrzahl der ant- Tochter (inländischer Unternehmen) 13,2 Tochter (ausländischer Unternehmen) 8,8 wortenden Betriebe selbstständige ohne Angaben 5,7 Einzelunternehmen sind (65,1 Pro- insgesamt 100,0 zent). Die drei übrigen Betriebsfor- Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009 men verteilen sich in nahezu glei- cher Häufigkeit (vgl. Tab. 3). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die deutschen und ausländi- schen Tochtergesellschaften bei Befragungen generell eine geringere Antwortbereitschaft zei- gen als die in Neuss "einheimischen" Betriebe. Die Frage nach den häufigsten Kunden dieser Betriebe ergab, dass vor allem kleine und mitt- lere Betriebe genannt wurden38. An zweiter Stelle wurden Großunternehmen genannt und auf den weiteren Plätzen folgen private Haushalte sowie Öffentliche Einrichtungen. Es sind vor allem die Einzelunternehmen, die als Zulieferer oder Kunden mit anderen kleinen und mittle- ren Unternehmen kooperieren39. Auch die Herkunft der Kunden ist nicht spektakulär40. Die Mehrzahl der Betriebe geben an, dass ihre Kunden aus der Bundesrepublik insgesamt kom- men. Die Grafik (vgl. Abb. 19) lässt erkennen, dass zwei Schwerpunkte bestehen: Einmal kommen die Kunden aus einer Distanz von ca. 50 km im Umkreis von Neuss. Dieser Radius umfasst die Stadt Neuss und das Kreisgebiet einschließlich der Nachbarstädte Düsseldorf und Köln. Der zweite Schwerpunkt ist Deutschland (einschließlich der nahen Niederlande, was zu der großen Häufigkeit der Europa-Nennungen führt).

37 Frage 5: Ist Ihr Betrieb an diesem Standort ... Antwortvorgaben: Ein nicht verflochtenes selbstständiges Einzelunternehmen, Hauptsitz eines Unternehmens mit Zweigniederlassungen, eine Tochtergesellschaft eines deutschen Unternehmen, eine Tochtergesellschaft eines ausländischen Unternehmen (Bitte nennen Sie den Hauptsitz (Stadt/Land)) 38 Frage 7: Welches sind ihre wesentlichen Kunden? Antwortvorgabe: Haushalte, kleine und mittlere Betriebe, Großbetriebe und öffentliche Einrichtungen 39 Der Versuch, die interne funktionale Differenzierung der Betriebe (Frage 6) abzubilden, ist gescheitert. Nur wenige Betriebe antworteten auf diese Frage und in einem Teil der Fälle waren die Ergebnisse nicht plausibel. Die Ergebnisse sind daher unbrauchbar und werden hier nicht dargestellt. 40 Frage 8: Aus welchem Umkreis kommen Ihre Kunden bzw. Auftraggeber? (Mehrfachnennungen waren möglich). Die Ant- wortvorgaben enthält die Abb. 19

42 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 19

Herkunft der Kunden

ohne Angabe

außereurop.

Europa

Deutschland

> 100 km

bis 100 km

bis 50 km

bis 20 km

0 5 10 15 20 25 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

Differenziert man die Antworten nach den Branchen der antwortenden Betriebe, dann ist es vor allem das Baugewerbe, das im näheren Umkreis der Stadt Neuss tätig ist. Die Dienstleis- tungen sind dagegen deutlich fernabsatzorientiert (Achtung geringe Fallzahl) und natürli- cherweise auch die Logistik. Das Verarbeitende Gewerbe sieht seine Kunden in Deutschland, in Europa sowie im besonderen Umfang im außereuropäischen Ausland. Das unmittelbare Umfeld (100 km Radius) zeigt für diese Branche eine vergleichsweise geringe Kundendichte. Verbindet man die Angaben wieder mit den Beschäftigten ist zu erkennen, dass die Arbeits- märkte von den internationalen und den gesamtdeutschen Märkten bestimmt werden. In den Betrieben, deren Kunden durch den außereuropäischen Markt beschrieben werden, sind fast 60 Prozent der Beschäftigten tätig. Für Europa ist der Anteil rd. 20 Prozent und der deutsche Markt hat einen Beschäftigtenanteil von rd. 8 Prozent. Der lokale Markt (bis 100 km) hat ei- nen entsprechend kleinen Anteil.

Die Betriebe wurden gefragt, welche positiven Entwicklungen sie in den letzten fünf Jahren erfahren haben41. Es bestanden acht Vorgaben. Die Betriebe sollten maximal drei Ereignisse markieren. Die häufigste Nennung betraf mit einem Anteil von mehr als 30 Prozent die stei- genden Umsätze. Rund ein Viertel der antwortenden Betriebe verwies auf eine steigende Be- schäftigungszahl in den letzten Jahren. In der Rangliste nahmen die Verbesserung der Produk- tivität und der Ertragsentwicklung die nächsten Plätze ein. Mit Häufigkeiten von weniger als 10 Prozent wurden die übrigen Faktoren genannt (Abb. 20).

41 Frage 9: Welche positiven Entwicklungen hatte Ihr Betrieb in den letzten fünf Jahren (2003 bis 2008)? Antwortvorgaben siehe Abb. 20, S. 44

43 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 20

Positive Entwicklungsereignisse der Betriebe

positive Produktdiversifizierung

positive Marktdiversifizierung

Innovationen

Ausbau d. Kapazität (Gebäude/Grdstück)

positive Ertragsentwicklung

positive Produktivität

positive Beschäftigtenentwicklung

positive Umsatzentwicklung

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

Gewichtet man diese Entwicklungsimpulse mit den Beschäftigten, dann haben die größeren Betriebe vor allem eine Umsatzsteigerung erfahren. An zweiter Stelle nannten die Betriebe mit einem Fünftel der Beschäftigten die Innovation als das positive Ereignis der letzten Jahre. An dritter Stelle folgt der Ertrag und erst an vierter Stelle kommt die Beschäftigtenentwick- lung.

Verbindet man die Fragen nach der positiven Betriebsentwicklung mit dem Status der Betrie- be, dann zeigt sich, dass die Beschäftigtenentwicklung, die Umsatzentwicklung und die güns- tige Produktivität vor allem von den selbständigen Einzelunternehmen getragen werden. Für die drei weiteren Betriebsformen ist vor allem die positive Beschäftigtenentwicklung relevant. Hierbei sind es vor allem die ausländischen Tochtergesellschaften, die eine positive Entwick- lung aufweisen. Allerdings reicht die Fallzahl für einen statistisch sicheren Nachweis nicht aus.

Die Angaben zu den Beschäftigten 200842 wurden genutzt, um die Verteilung nach den Grö- ßenklassen zu bilden. Es sind vor allem die kleineren Größenklassen (bis 5 Beschäftigte und 5 bis 10 Beschäftigten), die an den Betrieben den größten Anteil stellen (vgl. Abb. 21). Die nächste Klasse umfasst die Gruppe mit 11 bis 50 Beschäftigte. Diese Beteiligung der Be- triebsgrößen an der Befragung entspricht der allgemeinen Situation. Die kleinen Betriebe (1 bis 5 Beschäftigte) stellen gemessen an allen Beschäftigten nur einen Anteil von rd. 1 Prozent.

42 Frage 10a: Zahl der Beschäftigten... zum 30.06.2007 und zum 30.06.2008 (einschließlich Teilzeit und Auszubildenden)

44 Gewerbeflächen Neuss 2011

Die Betriebe mit bis zu 10 Beschäftigten haben einen Anteil von 2,5 Prozent und die Be- triebsgröße > 100 Beschäftigte stellt knapp 70 Prozent der Beschäftigten dieser Umfrage. In der Ergebnisinterpretation ist daher zwischen den vielen kleineren Betrieben (mit einem ins- gesamt geringen Beschäftigtenanteil) und den wenigen größeren Betrieben mit einer hohen Arbeitsmarktbedeutung zu unterscheiden. In dem einen Jahr von 2007 bis 2008 stieg die Zahl der Beschäftigten um 8,7 Prozent. Dies ist mehr als das allgemeine Wirtschaftswachstum in diesem Zeitraum in Neuss. An der Befra- gung beteiligten sich vor allem Betriebe, die gegenwärtig einen positiven Entwicklungshori- zont haben. Vor diesem Hintergrund rechnen sie mit einem Standort- bzw. Flächenbedarf. Be- triebe in einer konsolidierten Situation oder mit einem sehr geringen Wachstum sind in der Umfrage weniger häufig vertreten.

Abb. 21

Größe der antwortenden Unternehmen Größenklassen

über 100 Beschäftigte

51 bis 100 Beschäftige

11 bis 50 Beschäftigte

6 bis 10 Beschäftigte

bis 5 Beschäftigte

ohne Angaben

0 5 10 15 20 25 30 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

Die positiven Entwicklungsereignisse der Betriebe (Frage 9) sind vor allem mit Betrieben der Größenklasse 11 bis 50 Beschäftigte verbunden. In dieser Größenklasse kam es häufiger zu einer Verbesserung des Umsatzes, der Produktivität oder zu einem Anstieg der Beschäftigung als in allen anderen Größenklassen. Eine zentrale Rolle haben hierbei die selbständigen Ein- zelbetriebe. Diese Gruppe zeigt auch in den weiteren Größenklassen eine sehr positive Be- schäftigtenentwicklung. Die deutschen und ausländischen Tochtergesellschaften haben häufi- ger (nur) eine positive Umsatzentwicklung. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass ihr Unternehmensziel die Ausschöpfung des Marktpotenzials ist.

45 Gewerbeflächen Neuss 2011

Bezogen auf das Ziel der Befragung, Auskünfte über den aktuellen Standort und den ggf. er- forderlichen Flächenbedarf zu erfassen, ist die Struktur des Rücklaufes positiv, da man davon ausgehen kann, dass die Nachfrage überwiegend durch die kleinen (meist jüngeren; siehe wei- ter unten) Betriebe ausgelöst wird. Die Teilfrage nach der künftigen Entwicklung43 wurde nur von etwa der Hälfte der Betriebe beantwortet. Es sahen aber mit einem Anteil von rd. 5 Prozent nur wenige Betriebe pessimis- tisch in die Zukunft. Rund die Hälfte der antwortenden Betriebe erwartet in den nächsten fünf Jahren eher eine Stagnation und etwas weniger als die Hälfte erwartet eine positive Entwick- lung. Generell optimistischer gestimmt sind die größeren Betriebe und unterscheidet man nach Branchen, haben vor allem die Logistik sowie Dienstleistungen Wachstumserwartungen. Die "Pessimisten" kommen in der Mehrzahl aus dem Baugewerbe.

In der Frage 10 wurde nach dem künftigen Einstellungsverhalten, differenziert nach den Qua- lifikationen, gefragt44. In der Gruppe gering qualifizierte Beschäftigte wird etwa von einem Drittel der antwortenden Betriebe die Zahl der Beschäftigten künftig verringert. In den meis- ten Fällen ist in den nächsten fünf Jahren keine relevante Veränderung geplant. Es ist aber auch nicht geplant, zusätzliche Arbeitskräfte in dieser Qualifikationsstufe zu beschäftigen. Beim mittleren Qualifikationslevel wird die Beschäftigtenentwicklung nur im Einzelfall rück- läufig sein. In jeweils rd. 40 Prozent der Betriebe bleibt der Besatz unverändert oder aber es werden zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt. Bei den hoch qualifizierten Arbeitskräften sind die Arbeitsmarktverhältnisse noch günstiger. Es werden nach den Plänen der Betriebe im grö- ßeren Umfang zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt. Bezieht man diese Ergebnisse auf die Branchen, kommt es im Verarbeitenden Gewerbe ein- deutig zu einem Austausch der gering qualifizierten Arbeitskräfte durch hoch qualifizierte Arbeitskräfte. In den Dienstleistungen und der ebenfalls noch expandierenden Logistik wer- den sowohl gering qualifizierte Arbeitskräfte als auch höher qualifizierte Beschäftigte einge- stellt.

Die Frage 11 sollte erfassen, wie die Betriebe innerhalb ihrer Branchenstruktur beschrieben werden können45. Maschinenbaubetriebe können so unterschieden werden in Betriebe mit Forschungs- und Entwicklungsaufwand und in solche ohne größere Aktivitäten in diesem Be- reich. Ähnliche Differenzierungen ergeben sich auch hinsichtlich der übrigen Merkmale. Der Forschungsaufwand wird von der Mehrzahl der antwortenden Betriebe als nicht relevant bezeichnet (Urteil: trifft nicht zu bzw. nicht von Bedeutung). Eine große Rolle spielen dage- gen die Produktqualität, die Kundenkontakte und die Qualifikation der Beschäftigten. Von ge- ringerer Bedeutung sind der Export, die Umsatzentwicklung und die Sozialleistungen (vgl. Abb. 22). Diese Antworten zeigen, dass die Unternehmen auf etablierten Märkten tätig sind. Für sie sind offenbar die Bedeutung und die Notwendigkeit von Innovationen geringer als die

43 Frage 10c: Mit welcher jährlichen Beschäftigungsentwicklung (insgesamt) rechnen Sie? Bitte nennen Sie uns Ihre Erwar- tung in Prozent je Jahr. 44 Frage 10b: Wie wird sich in den nächsten fünf Jahren die Beschäftigung in Ihrem Betrieb voraussichtlich entwickeln? Ant- wortvorgabe: Unterscheidung nach drei Qualifikationsstufen: weniger, unveränderte, mehr Beschäftigte und weiß noch nicht. 45 Frage 11: Wie würden Sie Ihren Betrieb im Vergleich zum Branchendurchschnitt beschreiben?

46 Gewerbeflächen Neuss 2011

Produktqualität und die kundenbezogene Abstimmung der Produkte46. Ein Mittel, dieses Un- ternehmensziel zu realisieren, wird offensichtlich in der Qualifikation und den Sozialleistun- gen gesehen. Auffällig für diese Positionen ist, dass im Vergleich zur "Forschung" das Urteil "trifft nicht zu" für diese Merkmale sehr selten gewählt wurde, bei einer insgesamt hohen po- sitiven Zustimmung. Verbindet man dieses Ergebnis mit den Erwartungen (Frage 10c), dann stellt sich kein Zusammenhang mit einer günstigen oder ungünstigen Erwartung und den Stel- lenwert beispielsweise der Forschungsaktivitäten dar47. In Bezug zur Branche (Frage 3) fällt logischerweise das Verarbeitende Gewerbe (und mit Einschränkung die Dienstleistungen) als Träger der Forschung auf.

Abb. 22

Struktur und Schwerpunkt der Betriebe

100%

80% t

60%

40% Anteil in Prozen in Anteil

20%

0% t . te ä h g n rt d k lit c n e o n ta a s lu g p a n u e k n x w o q B c tu E f k t . i is u n k d tw e sa e u n n ll g d d o e ia n n ro ti z z u u P a at o h K ik s S c if m rs al o u U F Q höher durchschnittlicher Aufwand niedriger trifft nicht zu Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung 2009

Untersucht man mittels der mathematischen Clusteranalyse, ob hinsichtlich der Merkmale homo- gene Gruppen bestehen, können drei Cluster identifizieren werden48. Die Cluster 2 und 3 zeigen für das Merkmal "Forschung" keinen Unterschied und hinsichtlich der Exportposition besteht ein sehr geringer Unterschied zwischen allen Clustern. Das Cluster 3 zeigt die geringste "Verwandt- schaft" mit den beiden weiteren Clustern. Zu den meisten Merkmalen besteht eine deutliche Dis-

46 Einen Einfluss auf das Ergebnis haben sicher auch die Betriebsgröße und der Status in der Produktionskette. Angesichts des Rückflusses sind im Datenmaterial die kleineren, wachsenden, aber noch jüngeren Unternehmen häufiger vertreten als es der tatsächlichen Struktur in Neuss entspricht. 47 Hiernach ist Forschung & Entwicklung nicht zwingend ein Merkmal der betrieblichen Situation. 48 Dieser Clusterbegriff unterscheidet sich vom wirtschaftspolitischen Begriff (Porter u. a.). Er misst die "Verwandtschaft" der Betriebe hinsichtlich der betrieblichen Eigenschaften wie Forschung, Produktqualität usw. Die Konzeption von Porter u. a. stellt dagegen auf die Wertschöpfungskette und Kooperation der Betriebe ab.

47 Gewerbeflächen Neuss 2011

Cluster 2 Abb. 23: Eigenschaftscluster der Betriebe tanz. Cluster 3 ist durch seine Eigen-

schaften (Sozialleistungen, Kunden- relevanz und Beschäftigtenqualifika- Forsch tion) ein besonderer Teil der Neusser Produktionsunternehmen. Wachs

Sozial Cluster 1 enthält die meisten Betrie- be, besteht aus allen Branchen und Kunde bildet damit eine Art "Durchschnitt". Alles deutet darauf hin, dass es sich Export um etablierte, konsolidierte Betriebe handelt. Cluster 2 wird von der Lo- Qualfi Cluster 2 gistik dominiert und Cluster 3 vom

Qualität Verarbeitenden Gewerbe, aber mit Cluster 1 Cluster 3 den beschriebenen Besonderheiten

Quelle: Planquadrat Dortmund 2009 – Daten: Betriebsbefragung 2009 und vor allem größeren Betrieben (größer 100 Beschäftigte). Die Abb. 24 zeigt die Altersstruktur der antwortenden Betriebe49. Geantwortet haben vor al- lem jüngere Betriebe aus dem Zeitraum 1990 bis 2009. Dieses Antwortverhalten entspricht dem Ziel der Befragung. Die Flächennachfrage und Standortentwicklung ist, von Einzelfällen abgesehen, vor allem ein Ereignis der jüngeren und auch meist kleineren Betriebe.

Abb. 24

Gründungjahre der Betriebe

2000 bis 2010

1990 bis 2000

1970 bis 1990

1950 bis 1970

vor 1950

ohne Angaben

0 5 10 15 20 25 30 35 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

49 Frage 12: Wann und wo wurde ihr Betrieb gegründet? Antwortvorgabe: Angaben zum Gründungsjahr und zum Gründungs- ort.

48 Gewerbeflächen Neuss 2011

Als Gründungsort gaben 64 Prozent der Betriebe die Stadt Neuss an. Knapp 20 Prozent nann- ten Düsseldorf und noch einmal knapp 10 Prozent Orte, die an Neuss angrenzen. Die übrigen Nennungen waren Einzelnennungen von Flensburg über Berlin bis Esslingen. Dieses Ergeb- nis zeigt, dass die Betriebe einer Stadt vor allem aus den endogenen Entwicklungsprozessen der Region resultieren.

Durch Frage 13 konnten die Standortwechsel der Betriebe nachvollzogen werden50. Für Be- triebe, die innerhalb der letzten Jahre (zwischen 2003 und 2009) ihren Standort gewechselt hatten, wurde nach den Erfahrungen gefragt. Einmal ging es um die Dauer des Suchprozesses und zum anderem um die beteiligten Vermittler oder Berater51. Ein Drittel der Betriebe benö- tigte drei Monate, um einen neuen Standort zu finden. Rund 20 Prozent der Betriebe schlos- sen den Suchprozess innerhalb von drei bis sechs Monaten erfolgreich ab. Nach einem Jahr hatten bis zu drei Viertel der antwortenden Betriebe ihren Suchprozess erfolgreich abge- schlossen. Eine Abhängigkeit des Suchprozesses von der Branche ist nicht zu beobachten. Bildet man die Ergebnisse nach der Betriebsgröße ab, dann besteht eine umgekehrte U- förmiger Verteilung. Kleine und große Unternehmen gelangen offenbar schneller ans Ziel oder zur Entscheidung als die mittleren Unternehmen (50 bis 100 Beschäftigte). Die Ursache für diese Beobachtung mag darin liegen, dass mittlere Betriebe sich in aller Regel in komplexen Situationen befinden. Deren Ein-Personen-Geschäftsführung gibt den Standortfragen einen geringeren und weniger existenziellen Stellenwert. In Großbetrieben verfügt man über eine differenzierte Geschäftsleitung, die sich dieser Frage annimmt und in den sehr kleinen Betrie- ben wird sehr pragmatisch mit dem Bewusstsein, dass sich die Standortfrage vielleicht noch einmal stellen wird, entschieden.

Die beiden wichtigsten Berater/Vermittler im Verlagerungsprozess sind die RAe/Makler/Ar- chitekten und die Wirtschaftsförderung52. Es ist nicht zu erkennen, ob der Vermittler Einfluss auf die Dauer des Suchprozesses hat. Es ist aber offensichtlich, dass Steuerberater vor allem an Prozessen von wenigen Monaten beteiligt sind, während die Beteiligung von Rechtsanwäl- ten/Maklern/Architekten oder der Wirtschaftsförderung mit längeren Suchprozessen verbun- den ist. Nach unserem Eindruck werden die "leichten Fälle" (Dienstleistungen, kleine Betrie- be) durch den Steuerberater gelöst und fachlich komplexere Fälle durch die Wirtschaftsförde- rung und der Gruppe RAe/Makler/Architekten begleitet.

Zieht man ein Zwischenresümee, dann ist festzuhalten, dass sich - auch im Vergleich mit ähn- lichen Umfragen - ungewöhnliche oder sogar kritisch zu beurteilende Verhältnisse nicht ab- zeichnen. Die Position der Betriebe ist offensichtlich gefestigt, soweit man dies aus der erwar- teten Beschäftigtenentwicklung und dem Rückblick auf die wirtschaftliche Entwicklung in- terpretieren kann. Allein die erfasste Wachstumsrate zwischen 2007 und 2008 ist überdurch- schnittlich. Auch bezüglich der Altersstruktur, der Stellung in Bezug auf Forschung oder Be-

50 Frage 13: Welche Standortwechsel haben Sie bislang vorgenommen? 51 Frage 14: Wie war das bei Ihrem letzten Standortwechsel? (nur antworten, wenn er nach 2003 erfolgte) 52 Die Zahl der Antworten auf diese Frage war durch die zeitliche Einschränkung (2003 bis 2009) gering.

49 Gewerbeflächen Neuss 2011

schäftigtenqualifikation oder der standortbezogenen Entwicklungsprozesse (Standortwahl, Suchprozess und ähnliches) sind keine negativen Besonderheiten festzustellen. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Befragung – die an alle Betriebe mit entsprechenden Standortanforderungen ging – vor allem die Betriebe zu einer Antwort veranlasst hat, die ins- gesamt auf eine positive Position verweisen können und zudem zu Standortproblemen einen Bezug haben53. Mit dieser "Auswahl" lässt sich ein Teil der "Forschungsschwäche" (Frage 11) erklären.

Die Situation der Neusser Standorte Im zweiten Abschnitt des Fragebogens wurde nach dem Standort und seinen Eigenschaften aus betrieblicher Sicht gefragt. Das Ziel dieser Fragen ist eine Übersicht über die aktuelle Qualität der Standorte und die Zufriedenheit der Betriebe. Betriebe, die ihren Standort kritisch bewerten und Standortmängel nennen, werden häufiger mobil. Diese Mobilität ist sowohl für die Betriebe, als auch für die Kommune mit hohen Kosten verbunden. Gleichzeitig besteht in dieser Situation die Gefahr, dass ein Betrieb (auch aus Frust) die Stadt verlässt. Die wirksamste arbeitsmarktrelevante und beste finanzwirtschaftliche Maßnahme ist vor diesem Hintergrund die Bindung der vorhandenen Betriebe durch eine entsprechende funktionale und städtebauli- che Qualität.

In der Befragung wurden die Betriebe zuerst danach gefragt, in welchem Umfang sie Eigen- tümer oder ggf. Mieter/Pächter ihres Standortes sind54. Rund ein Drittel der Betriebe gaben an, dass sie Eigentümer ihrer Flächen sind. Die übrigen Flächennutzer sind Mieter/Pächter (60 Prozent) oder verfügen sowohl über Eigentum als auch über Miet- und Pachtflächen (nur we- nige).

Die Bedeutung dieser Frage resultiert aus einem gegenwärtig zu beobachtende Strategiewech- sel der Betriebe. Vor zwanzig Jahren war der Erwerb einer Gewerbefläche ein eigenständiges Motiv. Eigentum war neben den betrieblichen Belangen – aus verschiedenen Gründen – ein eigenständiges Ziel. Einmal war es übliche Praxis, dass die Banken das Betriebsgrundstück als Sicherheit bewerteten und als eine Voraussetzung der Kreditgewährung sahen. Aber auch die Inhaber sahen ihren Betrieb häufig als ein Mehr-Generationen-Unternehmen und erwarte- ten eine Betriebsübernahme aus den Reihen der Familie. Diese Gründe werden zunehmend gegenstandslos. Der demografische Wandel und die zu- nehmende Individualisierung führen dazu, dass eine Betriebsnachfolge aus der Familie selte- ner wird. Für die Banken hat sich im Verlauf der Zeit herausgestellt, dass im Konkursfalle ein Betriebsgrundstück von einem unbestimmten Wert ist und auch mit Altlasten belegt sein kann. Der Grundstückswert ist damit negativ und auf die Bank als "Pfandinhaberin" kommen zu der ausstehenden Kreditsumme noch die Kosten der Altlastenbeseitigung. Schließlich

53 Deutlich wird dies auch, wenn man den Fragebogenrücklauf berücksichtigt. Die ersten hundert Antworten enthielten häufi- ger einen Flächenwunsch als die folgenden hundert Fragebögen. 54 Frage 15: Sind Sie Eigentümer oder Mieter Ihrer Fläche? Antwortvorgaben: (1) Eigentümer, (2) Mieter, (3) nur ein Teil der Flächen gehören dem Betrieb

50 Gewerbeflächen Neuss 2011

schränkte die technische und wirtschaftliche Dynamik die wirtschaftliche Rationalität, ein ei- genes Produktionsgebäude zu besitzen, stark ein. Ein Produktionsgebäude hat gegenwärtig ei- ne Lebensdauer von ca. 50 Jahren. Ein Produkt hat eine "Lebensdauer" von ca. 3 bis 8 Jahren. Mit der Zeit wird die Immobilie immer mehr ein schlecht sitzender Anzug, der den Anforde- rungen der Produktion immer weniger gerecht wird. Ist man als Produzent Eigentümer, dann entsteht ein Dilemma. Das Gebäude verliert zunehmend an funktionalem Wert, so dass es ei- ne "Belastung" werden kann. Im Mietfall kann man einfach bzw. leichter den Standort wech- seln. Dies gilt vor allem, wenn man nur noch eine geringe theoretische Produktionszeit hat – als Inhaber vielleicht schon älter ist. Ein Umzug in ein neues Mietobjekt (aus welchen Grün- den auch immer) ist mit geringeren Kosten verbunden und damit vergleichsweise rentabler als ein komplexer Umbau im laufenden Betrieb oder ein Standortwechsel mit einer Neuinvestiti- on.

Das aktuelle Grundstück der antwortenden Betriebe ist (wenn man einige Extrema aus- schließt) rund 8.000 m². Der Median beträgt 2.750 m², das heißt die Hälfte der erfassten Grundstücke ist kleiner als 2.750 m² und die andere Hälfte ist größer als der Median. Die Auswertung zeigt Abb. 25. Etwas mehr als 20 Prozent der Neusser Betriebe verfügen über ein Grundstück das kleiner ist als 1.000 m² ist und knapp 50 Prozent der Betriebe gaben an, dass sie über ein Grundstück verfügen, dass kleiner, gleich 5.000 m² ist. Die Verteilung zeigt, dass in den nachfolgenden Größenklassen bis 20.000 m² nur wenige Grundstücke vorhanden sind. Erst jenseits dieser Größe von 20.000 m² besteht wieder ein größerer Bestand.

Abb. 25

Aktuelle Grundstücksfläche der Betriebe

größer 20.000 m²

10.000 bis 20.000 m²

5.000 bis 10.000 m²

2.500 bis 5.000 m²

1.000 bis 2.500 m²

bis 1.000 m²

Missing

0 5 10 15 20 25 30 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

Einen größeren Einfluss auf die Grundstückgröße hat das Gründungsjahr. Ältere Betriebe ha- ben im Verlauf ihrer Entwicklung größere Grundstücke gebildet. Es bleibt angesichts der ak-

51 Gewerbeflächen Neuss 2011

tuellen Entwicklungstendenzen offen, ob sich dieses quasi natürliche Wachstum weiterhin beobachten lässt. Die zurzeit favorisierten Unternehmenskonzepte, wie Kernkompetenz und temporäre Produktion, führen in der Tendenz zu kleineren Grundstücken. Zum Teil lässt sich dies an der Verteilung der Grundstücksgrößen erkennen.

Abb. 26 Pfaddiagramm zur Grundstücksfläche bzw. zum Zusammenhang zwischen Alter, Branche, Status und Eigentum sowie Grundstücksgröße

0.1468 -0.0559 0.2175 *** 0.1394

-0.0017 -0.2004 **

BKl Status Gründung Eigentümer Grdfläche

-0.0245 0.3609 *** -0.0999 0.1442

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung 2009

Die Abb. 26 zeigt die Einflüsse auf die Grundstücksgröße. Zu erkennen ist, dass die Branche (BKl), der Status, aber auch das Alter des Betriebes (Gründung) und die Eigentumsfrage die Grundstücksgröße mit bestimmen. Die Pfeile mit den Korrelationskoeffizienten zeigen die Verkettung der Einflüsse55.

Gleichzeitig wurde nach den Reserveflächen ge- Abb. 27: Flächenkennziffer Neusser Betriebe fragt. Die Angaben sind insgesamt sehr unvoll- Fläche je Beschäftigten ständig56, so dass sie hier nicht weiter diskutiert 500 werden sollen. Differenziert man nach der Bran- che, dann wird deutlich, dass das Verarbeitende 375 Gewerbe in den kleineren Grundstücksgrößen- 250 klassen dominiert. Logistik, aber auch ein klei- gewählter ner Teil der Dienstleistungen haben größere Rechnungswert in GIFPRO Grundstücke. Große Grundstücke werden auch 125 von den in- und ausländischen Tochtergesell- Quadratmeter/Beschäftigten schaften belegt. 0 FKZ Die Flächenkennziffer (als Quotient Flä- Variables che/Beschäftigte 2008) sind im Mittel 220 m². Dieser hohe Wert entsteht allerdings durch eini- Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung 2009

55 Die zwei bzw. drei Sterne an einigen Koeffizienten zeigen, dass der Einfluss statistisch gesichtert ist (95 Prozent bzw. 90 Prozent Niveau) 56 Die Ursache besteht darin, dass die Betriebe nicht wissen, ob die ungenutzte Grundstücksfläche tatsächlich als Reserveflä- che genutzt werden kann. Ein Teil dieser Flächen enthalten Leitungstrassen oder sind Abstandsflächen und können daher nicht bebaut werden.

52 Gewerbeflächen Neuss 2011

ge Extremwerte, so dass der Median aussagekräftiger ist. Der Median beträgt 69 m²/Be- schäftigten bei einem Vertrauensintervall (95-Prozent) von 50 m² und 112,5 m² je Beschäftig- ten. Die empirische Flächenkennziffer wird von der Annahme des GIFPRO-Konzeptes über- troffen57. Die Angaben zu den betrieblichen Funktionen Produktion/Fertigung/Logistik, Verwal- tung/Büros/Labor wurden insgesamt nur in geringem Umfang gemacht. Es ist aber zu erken- nen, dass die Kernfunktionen Fertigung/Produktion/Logistik noch immer mehr als die Hälfte der Fläche einnehmen. Die Dienstleistungsfunktionen bleiben mit etwa einem Drittel deutlich zurück. Bei den Mietgrundstücken wurde ergänzend nach der überdachten und der freien Flä- che gefragt. Die überdachten Flächen umfassen in mehr als der Hälfte der Fälle kleine Flä- chen mit weniger als 500 m². Bei den überdachten Flächen streuen die Angaben nur sehr we- nig, dagegen ist bei den offenen Flächen eine erhebliche Streuung gegeben. Manche Flächen sind mit 3.500 m² und mehr so groß wie selbstständige Gewerbegrundstücke.

In Frage 17 wurden die Betriebe um die Angabe ihres künftigen Flächenbedarfes gebeten58. Etwa 30 Prozent der Betriebe geben an, dass sie in den nächsten fünf Jahren weitere Gewer- beflächen benötigen. Der kumulierte Bedarf beträgt 22,5 ha. Die Zusatzfrage bezüglich der Verlagerung wurde vielfach nicht beachtet. Aus den Einzelangaben kann man aber schließen, dass eine Verlagerung eine Erhöhung des Flächenbedarfs um bis zu 15 Prozent zur Folge hat. Dies stimmt auch mit unseren Erfahrungen überein. Jenseits einer Grundstücksgröße von 5.000 m² kommt es nur noch selten zu einer zusätzlichen Fläche. Der genannte Bedarf der Betriebe beträgt unter diesen Korrekturen für fünf Jahren 24,8 ha. Für die Prognosezeit von 15 Jahren ist damit eine Nachfrage von 80 ha (Bruttobauland) zu erwarten59. Auf die Frage, ob die Betriebe die benötigten Flächen kaufen oder mieten wollen, geben 60 Prozent der Betriebe "Eigentum" und 40 Prozent "Miete" an60. Dies entspricht dem oben schon skizzierten Entwicklungstrend und unter diesen Bedingungen sind die Antworten auch situationsgerecht. Auf die Kauf- bzw. Mietentscheidung haben verschiedene Faktoren Ein- fluss. Größere Betriebe, jüngere Betriebe und unverflochtene Betriebe sowie ausländische Tochtergesellschaften mieten etwas häufiger als sie kaufen

Emissionen gehen nur noch von wenigen Betrieben aus61. Nur noch knapp 30 Prozent der Betrie- be weisen auf ihre Emissionssituation hin. Konflikte werden dabei nur noch vereinzelt genannt.

57 Die genutzte Flächenkennziffer von 225 m²/Beschäftigte (vgl. S. 38, Tab. 2) gilt für die Neuplanung. Nach unseren Erfah- rungen ist damit eine ausreichende Flexibilität gegeben. 58 Frage 17: Haben Sie in den nächsten fünf Jahren Bedarf an zusätzlichen Gewerbeflächen? Antwortvorgaben: ja, nein, nicht absehbar; Wie groß soll die erforderliche Fläche sein (in m²), ist hierzu eine Verlagerung erforderlich? Welche Funktion hat den Flächenbedarf ausgelöst? 59 Zur Berechnung: Die "Hochrechnung" ist sehr mechanisch und dient vor allem der Kontrolle der durch GIFPRO ermittelten Größenordnung. Der Prognosewert resultiert aus 22,5 * (1,15)Verlagerungszuschlag * (1,10) Erschließungszuschlag = 28,5 ha. Für drei Prognoseperioden (á 5 Jahre) erreicht die Nachfrage die Größenordnung von 80 ha. 60 Frage 18: Würden Sie die erforderlichen Flächen .... lieber mieten oder lieber kaufen? 61 Frage 19: Haben Sie aufgrund Ihrer betrieblichen Emissionen, besondere Standortanforderungen? Vorgabe: ja, nein. Wenn ja, welche Emissionen? Lärm, Staub, Gerüche, Erschütterungen, Beschäftigtenfahrten, betriebliche Verkehre. Gab es be- züglich Ihrer Immissionen schon Auseinandersetzungen mit den Nachbarn?

53 Gewerbeflächen Neuss 2011

Die zentrale Emission ist für die Betriebe offenbar der Lärm aus der Produktion, aber auch Staub und die betrieblichen Verkehre sind Emissionsquellen. Beschäftigtenfahrten werden häufiger, Gerüche und Erschütterungen werden nur vereinzelt genannt (vgl. Abb. 28).

Abb. 28

Emissionen der antwortenden Betriebe

sonstiges

Erschütterungen

Beschäftigtenfahrten

Gerüche

betriebliche Verkehre

Staub

Lärm

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung 2009

Insgesamt ist zu erkennen, dass für die Betriebe die Emissionsfrage ein beachtenswertes Thema bleibt, aber der ehemals gegebene Konfliktpunkt ist durch die Veränderung der Tech- nik, aber auch durch Fortfall einiger Branchen im Strukturwandel deutlich entschärft worden. Im Vergleich zu ähnlichen Umfragen ist die geringe Häufigkeit der Beschäftigtenfahrten als Emissionsquelle noch auffällig.

In Frage 20 wurde nach den in absehbarer Zeit verfügbaren Flächen durch Verkauf oder Un- tervermietung gefragt62. Es wurden nur wenige Flächen angeboten, so dass (verbunden mit der Unsicherheit, ob sie wieder genutzt werden können) eine Berücksichtigung nicht erfolgt.

62 Frage 20: Werden Sie in absehbarer Zeit Betriebsflächen aufgeben und ggf. (unter-) vermieten/verpachten? Vorgaben: ja/nein, wenn ja: wie viel m² in welchem Jahr?

54 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 29

Gebietstyp des aktuellen Standortes

sonstiger Standort

Wohngebiet

Mischgebiet

Gewerbegebiet

Industriegebiet

0 5 10 15 20 25 30 35 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung 2009

Die Abb. 29 zeigt, dass die antwortenden Betriebe mit nur wenigen Ausnahmen ihren Stand- ort in einem planungsrechtlich grundsätzlich unbedenklichen Gebiet haben. Knapp 60 Prozent der antwortenden Betriebe haben ihren Standort in Gewerbe- und Industriegebieten. In Mischgebieten haben fast 30 Prozent ihren Standort gefunden. Im Wohngebiet (Anteil 10 Prozent) haben zum Teil sehr kleine Logistikbe- Abb. 30: Beziehung zwischen Standort- kategorie und Branche triebe und kleine Betriebe des Verarbeitenden Ge-

sonstiges werbes ihren Standort.

Die nebenstehende Grafik lässt erkennen, dass zwi- schen der Art des Gewerbegebietes (Kategorie) und Logistik Baugewerbe GI den Branchen eine Beziehung besteht. Die Logis- tikbetriebe und die GI-Flächen bilden tatsächlich Verarb. Gewerbe

eine erkennbare Einheit (enge Nachbarschaft der MI

Punkte). Auffällig und nicht unplausibel ist die GE Handel Verbindung zwischen Standorten in WA-Gebieten

Dienstleistungen und der Dienstleistung. Handel und das Verarbei- WA tende Gewerbe positionieren sich zwischen den GE-Gebieten und MI-Gebieten. Die Distanz des

Handels zum GE-Gebiet ist fast so gering wie die

Quelle: Planquadrat Dortmund - Betriebsbefragung 2009 des Verarbeitenden Gewerbes. Auffällig sind noch die Distanzen zwischen dem GI-Gebiet und dem

55 Gewerbeflächen Neuss 2011

Verarbeitenden Gewerbe und die Position des Baugewerbes. Letzteres driftet aus dem Umfeld der planungsrechtlichen Kategorien geradezu ab. Die Analyse zum Zusammenhang zwischen planungsrechtlichem Standort und dem Status lässt erkennen, dass die selbständigen Einzelbetriebe viel stärker mit den MI-Gebieten korres- pondieren als die inländischen und ausländischen Tochtergesellschaften. Offenbar besteht eine Verbindung zwischen selbständigen Einzelunternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, einem Mischgebietsstandort und dem sozialen Kontext der Betriebsinhaber. MI-Gebiete mit ihrer Nach- barschaft aus Wohnungen sind für diese Gruppe offenbar ein relevanter Standorttyp. Die Tochter- gesellschaften handeln sichtlich formeller. Für sie sind die GE- oder GI-Gebiete die adäquaten Standorte. Insgesamt kann die Standortsituation der Betriebe planungsrechtlich als befriedigend bezeichnet werden. Die Bewertung der Standortfaktoren, der Betriebsgrundstücke und Gewerbegebiete sowie der Stadt Neuss als Standort spiegelt einen Teil der Standortwahl wieder63.

Abb. 31

Bewertung der Standortfaktoren der Stadt Neuss

5

4

3 Note

2 gut bewertete Standortfaktoren 1

g s g n f rn n g n g e e n e r itt te n ot ng ft o re n tio biet u b u nden ieb u ä ld e räf PNV eren a e e d rvic tr ß Ö d g Ku e lie skr ief sch Image n pazität n in B sse ul u it a ka a Se eit Z m it l rbeg nbind nb zu sch b Dü ungsk te e a a g es ksz r g m o n ahnanbindunn d Er üc h n ew e ng zu b zu ü tu H G ga eit e ng zu st F t Kommunik Flächen Haf u k t an Ar h d d ergie uga uto Z n n sta n chienen Z A ar bo Nä uga ru u s S b e Z - Sy Immissionsbelastun d g G h Au Image fin An Fac Auf n ial a z ten Po Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

Insgesamt sehr positiv wurde die Autobahnanbindung bewertet (vgl. Abb. 31). Von hohem Niveau sind auch der Zugang zu den Kunden, die Auffindbarkeit des Betriebes und die Er- schließung sowie das Angebot an Arbeitskräften. Die nur befriedigend bewerteten Standort- faktoren sind der Zugang zum Service, die Hafenanbindung, das Flächenangebot, die Schie- nenanbindung sowie das Image der einzelnen Gewerbegebiete.

63 Wie schätzen Sie folgende Faktoren an Ihrem derzeitigen Standort ein? Antwortvorgaben: Bitte bewerten Sie die Faktoren für Ih- ren Standort mit den Schulnoten 1 = sehr gut bis 5 = mangelhaft. Bewerten Sie in der letzten Spalte die Bedeutung des Standortfaktors eben- falls mittels Schulnoten: 1 = sehr wichtig, 2 = wichtig, 3 = relevant, 4 = von geringer Bedeutung, 5 = unwichtig.

56 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 32

Bewertung der Standortfaktoren durch Branchen

4,0

3,5

3,0

2,5

2,0

1,5 t it er f n tt e g t hn e r e fte t els bo ung fe ä ni äf ung NV ark e h r t toba b eß li seldor as Image ÖP indung Hot indun nge Zu chtung zusc Synergie gsk el rbegebie na Au find chli i s un e f s g Düs w nanb he Au Er u Arbeitskr hr e z ot tück G äc Zugang Kunden Fü iene Fl Zugan he Hafenanb h ä nds ge c Zugang zu Service N kationseinr ru a S i Angeb G Immissionsb Im un m

Komm Verarb. Gewerbe Baugewerbe Handel Logistik Dienstleistung

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung 2009

Die Standortfaktoren werden von den einzelnen Branchen zwar unterschiedlich bewertet, aber vieles bleibt noch im Intervall "gut". Zu erkennen ist, dass die Logistikbetriebe vielfach mit gut und sehr gut den Standort bewerten und die Dienstleistung häufiger negativ wertet. An dieser Bewertung gemessen ist Neuss offensichtlich ein leistungsfähiger Logistikstandort. Gleichzeitig wird diese Situation von den Dienstleistungen kritisch bewertet. Dies ist zum Teil als ein Zielkon- flikt zu werten, da nicht immer beide Eigenschaftsbündel für beide Branchen zur Verfügung ste- hen können. Einschränkend muss auch auf die Konstruktion der Befragung verwiesen werden. Nicht alle Faktoren sind für alle Branchen gleich wichtig, so dass das Ergebnis mit Vorsicht ge- wertet werden muss.

Schließlich wurden die Betriebe, quasi im Resümee, um ein zusammenfassendes Urteil be- züglich ihres Standortes gebeten64. Die Abb. 33 zeigt die Antworten. Fast 20 Prozent der Be- triebe bezeichnen ihren Standort "ohne Einschränkungen" als brauchbar und 45 Prozent be- zeichnen ihn als "fast immer brauchbar". Nimmt man die neutrale Formulierung, dass der Standort im Grunde für die Zwecke des Betriebs "brauchbar" ist, hinzu, dann sind mehr als drei Viertel der Betriebe mit ihrem Standort und seinen Eigenschaften zufrieden bzw. be- zeichnen ihn als brauchbar. Etwas mehr als 15 Prozent sehen in ihrem gegenwärtigen Standort einige Mängel und noch einmal 6 Prozent bezeichnen ihren Standort als unbrauchbar. Diese Auswertung zeigt ebenfalls deutlich, dass eine günstige Standortsituation besteht.

64 Frage 24: Wie bewerten Sie den aktuellen Standort Ihres Betriebes? (Bitte machen Sie nur eine Angabe) Antwortvorgaben siehe Abb. 33

57 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 33

Bewertung des aktuellen Standortes

fast immer unbrauchbar

mit Einschränkungen brauchbar

brauchbar

fast immer brauchbar

ohne Einschränkung

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

Die Tab. 4 zeigt, dass Betriebe mit Bedarf auch gleichzeitig die Qualität ihres Standortes kri- tisch bewerten. Betriebe mit einem positiven Standorturteil haben nur mit einem Anteil von 14,3 Prozent einen Flächenbedarf, während Betriebe mit einer kritischen Standortbewertung mit einem Anteil von 28,6 Prozent einen Flächenbedarf melden.

Tab. 4: Urteil zum Standort versus Flächenbedarf ohne Ein- fast immer mit Ein- unbrauch- Flächenbedarf schränkung brauchbar brauchbar schränkung barer insgesamt Standort 1 2 3 4 5 6 7 ja 14,3 28,6 19,0 28,6 9,5 100,0 17,6 23,1 30,8 50,0 40,0 28,8 nein 36,4 36,4 15,2 12,1 0,0 100,0 70,6 46,2 38,5 33,3 0,0 45,2 nicht absehbar 10,5 42,1 21,1 10,5 15,8 100,0 11,8 30,8 30,8 16,7 60,0 26,0 Total 23,3 35,6 17,8 16,4 6,8 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009 Lesehilfe: Die erste Zeile stellt die Anteile auf Basis der Standort-Urteile dar. Ein Flächenbedarf (1. Spalte: ja) wird von 14,3 Prozent der Betriebe genannt, deren Standort "ohne Einschränkung" ist. Betriebe die Einschränkungen für Ihre Standorte sehen (Spalte 5) geben zu 28,6 Prozent einen Flächenbedarf an. Die zweite Zeile der Tabelle beschreibt das Spaltenergebnis: In der letzten Spalte (insgesamt) nennen 28,8 Prozent aller Betriebe einen Flächenbedarf. 45,2 Pro- zent glauben, dass sie in den nächsten Jahren keinen Bedarf haben und 26,0 Prozent der Betriebe bezeichnen es als nicht absehbar. Für die einzelnen Qualitätsurteile gilt entsprechendes.

58 Gewerbeflächen Neuss 2011

Die vorletzte Spalte macht deutlich, dass der Zustand des Standortes nicht alleine ausschlag- gebend für die Bedarfsfrage ist. Nur 9,5 Prozent der Betriebe stufen ihren Standort als un- brauchbar ein und nennen gleichzeitig einen Flächenbedarf. Betriebe ohne Flächenbedarf bewerten hier in keinem Fall den Standort als unbrauchbar. In diesem Sinne sind die verschiedenen Antworten bzw. Bewertung der Betriebe zum Standort untereinander kompatibel65. Im Anschluss hieran wurden die Betriebe gebeten, ihre Meinung über einige Diskussionspunkte in der Gewerbe- und Standortplanung zu äußern66. Die Auswertung zeigt (vgl. Abb. 34), dass vor al- lem Lkw-Stellplätze für die Betriebe eine interessante Einrichtung wären. 40 Prozent der Betriebe halten eine solche Einrichtung für wichtig und noch einmal knapp 20 Prozent für im Einzelfall wichtig.

Abb. 34

Zusätzliche Leistungen zum Flächenangebot

100%

80%

60%

40% Häufigkeit in Prozent

20%

0% Lkw-Standplatz Sicherheitsdienst Stellplatzanlagen Blockheizkraftwerk oder Betreuung ähnliches

wichtig im Einzelfall unwichtig k_Meinung

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

An zweiter bzw. dritter Stelle werden der Sicherheitsdienst und Stellplatzanlagen für Beschäf- tigte genannt. Hierbei weist der Sicherheitsdienst durch die große Häufigkeit "im Einzelfall" auch im Vergleich zu den Lkw-Standplätzen fast die höchste Priorität auf. Es ist offensicht-

65 Dies ist gleichzeitig ein Hinweis auf die Zuverlässigkeit der Antworten, da die in verschiedenen Aspekten erfragten Urteile in sich keinen Widerspruch ausgelöst haben. 66 Frage 25: In den letzten Jahren werden in der Gewerbeflächenplanung und auch zwischen Unternehmen verschiedene Leistungen diskutiert, die über das reine Standortangebot hinausgehen. Welche der nachfolgenden Leistungen sind Ihnen wichtig? Antwortvorgaben siehe Abb. 34.

59 Gewerbeflächen Neuss 2011

lich, dass Sicherheitsfragen für die Betriebe ein Problem darstellen. Diese Wunschliste drückt "Schönheitsfehler" der Standorte aus. Verbindet man die Standortbewertung (Frage 24) mit diesen Interessen, dann zeigt sich, dass ein Urteil "wichtig" einen Standort von "ohne Ein- schränkung brauchbar" auf den Platz "wird den Anforderungen fast immer gerecht" ver- schiebt. Auffällig ist die vergleichsweise positive Reaktion auf die "Betreuungsmöglichkeit für Kin- der". Die Betriebe sehen zwar für sich selbst nur einen geringen Handlungsbedarf, aber Sie weisen ihn nicht generell zurück. Nur 40 Prozent weisen eine solche Möglichkeit grundsätz- lich zurück und insgesamt rd. 40 Prozent können einen Bedarf erkennen. Insgesamt hat diese Frage einen explorativen Charakter und zeigt künftige Themenfelder, die mit der Veränderung der Betriebe auch an Relevanz gewinnen. Während die beiden ersten Positionen (Stellplätze, Energieversorgung) noch im Wesentlichen vom Verarbeitenden Ge- werbe getragen werden, steigt durch die zunehmende Dienstleistung aber auch der Tertiärisie- rung der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes die Bedeutung des Sicherheitsdienstes und der Betreuung von Kindern67.

Die Betriebe wurden auch gefragt, welches für sie die zentralen Gesichtspunkte einer mögli- chen Standortwahl sein würden. Die Abb. 35 zeigt die Häufigkeitsverteilung. An erster Stelle wird die Nachbarschaft zum alten/gegenwärtigen Standort genannt.

Abb. 35

Zentrale Gesichtspunkte der Standortwahl

verwandte Branche

Ortsteil/Gewerbegebiet

Hafennähe

leicht auffindbarer Standort

direkter Autobahnanschluss

Nähe zum vorh. Standort

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

67 In Untersuchungen zur Funktionsmischung ist dies (Sicherheit, Kinderbetreuung) sowohl aus der Sicht der Betriebe als auch der Haushalte das stärkste Motiv einen Standorte in der Nachbarschaft zu einem Wohngebiet oder aber in einem Mischgebiet zu wählen.

60 Gewerbeflächen Neuss 2011

Es folgen der direkte Autobahnanschluss, leicht auffindbare Standorte und an vierter Stelle die Hafennähe. Das Ende der Liste bilden die Eigenschaften "Ortsteil/Gewerbegebiet" und ein Stand- ort in der Nähe "verwandter Branchen". Diese Rangliste spiegelt grundsätzlich die Zufriedenheit eines großen Anteils der Betriebe mit ihrem gegenwärtigen Standort wider. In diesem Sinne bes- tätigt das Ergebnis die Antworten der Frage 24 (vgl. Abb. 33). Ein Argument ist sicher, dass man sich auskennt und im Falle eines unvermeidlichen Standortwechsels die "Lernkosten" möglichst gering halten will. Die Frage 2768 wollte konkret erfassen, welche Teile der Stadt Neuss bei einer Standortwahl favorisiert werden. Leider war die Zahl der Antworten sehr gering, so dass das Er- gebnis mehr als Zufall zu werten ist und hier nicht dargestellt wird.

Schließlich wurden die Betriebe gefragt, ob sie sich einen Standort außerhalb der Stadt Neuss vor- stellen können69. Die Abb. 36 zeigt das Ergebnis der Auswertung. Auf den beiden Extrempositio- nen hat sich jeweils ein Anteil von 25 Prozent konzentriert. Die übrigen Betriebe, die Hälfte, ver- teilen sich auf die übrigen Positionen. Hier besteht eine Drift Richtung Standortbindung. Etwa 25 Prozent halten ein Verlassen der Stadt für sehr unwahrscheinlich (Ziffer 2) bzw. sie sehen keinen Anlass (Ziffer 3). Damit ist die Hälfte der Betriebe fest in Neuss verankert. Hinzu kommt noch einmal die Gruppe, die zwischen den Positionen steht (Ziffer 4), mit zehn Prozent. Dieses Urteil entspricht auch den vorherigen Ergebnissen (Frage 24, Frage 26), so dass man sich sicher sein kann, dass die Mehrzahl der Betriebe Neuss als Standort wählen wird.

Abb. 36

Standort außerhalb der Stadt Neuss

ist gut möglich

schon wahrscheinlich

ja, wird nicht ausgeschlossen

neutral

nein, es gibt keinen Grund

sehr unwahrscheinlich

auf keinen Fall

0 5 10 15 20 25 30 Häufigkeit in Prozent

Quelle: Planquadrat Dortmund – Daten: Betriebsbefragung Neuss 2009

68 Frage 27: Die Stadt Neuss verfügt aktuell über eine Reihe von Gewerbestandorten. Wir möchten Sie bitten, anzugeben, welches Gewerbegebiet Sie im Falle einer Verlagerung oder eine Flächenbedarfs wählen würden. Markieren Sie ihren Wunschstandorte (mit einem Kreuz) in der Karte. 69 Frage 28: Können Sie sich einen Standort außerhalb der Stadt Neuss vorstellen? Antwortvorgabe auf einer 7er-Skala von "auf keinen Fall" bis "ist gut möglich"

61 Gewerbeflächen Neuss 2011

Resümee der Befragung Insgesamt zeigt die Befragung, dass der zentrale Grund einen neuen Standort zu wählen und Gewerbefläche nachzufragen in den endogenen Prozessen der Betriebe liegt. Ihr Erfolg auf den Märkten und die damit verbundene Ausweitung der Produktion bzw. allgemeiner der Ak- tivitäten führt sie in eine Situation, die zusätzliche Ressourcen erfordert.

Beobachtungen in München oder zeigen, dass in vielen Fällen vor einer Verlage- rung (neue Fläche) auch andere Maßnahmen geprüft werden, um die Entwicklung des Betrie- bes zu gewährleisten. Hierzu gehört die Veränderung der Fertigungstiefe, gelegentlich die räumliche Trennung von Lager und Produktion, aber auch die gezielte Entwicklung von Pro- duktionsfläche sparenden Maschinen oder Prozessen. Diese Veränderungen können auch da- hin gehen, dass nur noch die Produktlinien entwickelt werden, die mit der verfügbaren Fläche auskommen, das heißt, die Betriebe spezialisieren sich auf Hochtechnologie oder Luxusseg- mente. Beide Aktivitäten bzw. Segmente sind mit einer hohen Wertschöpfung je Quadratme- ter verbunden.

Zu erkennen ist, dass mehrere Ereignisse zusammenkommen müssen, damit ein Flächenbe- darf für die Betriebe entsteht. Die Auswertung der Befragung lässt erkennen, dass den stärks- ten Einfluss auf die Nachfrage die Erwartung der Betriebe für die nächsten Jahre hat. Betrie- be, die einen Beschäftigtenzuwachs erwarten, fragen mit hoher Wahrscheinlichkeit Standorte und Flächen nach. Mit dem Merkmal "positive Entwicklung" sind besonders die Branchen Dienstleistungen und Verarbeitendes Gewerbe (selbständige, kleinere Betriebe) verbunden. Die Flächennachfrage wird in beiden Branchen am häufigsten formuliert. Hierbei wird vom Verarbeitenden Gewerbe bei einem Betriebsalter von weniger als 15 Jahren häufiger eine Nachfrage formuliert. Einfluss haben noch die Betriebsgröße und die Tatsache, ob es in den letzten Jahren schon ei- ne Verlagerung gegeben hat. Ist schon eine Verlagerung erfolgt, kommt es in der Regel nicht zu einem erneuten Flächenbedarf, der Beschäftigtenzuwachs oder die sonstige Ausweitung der betrieblichen Aktivitäten werden dann mit anderen Mitteln bewältigt.

Die Nachfrage kann fast in der Hälfte der Fälle durch einen Mietvertrag befriedigt werden. Aus anderen Untersuchungen wissen wir, dass der Anteil noch steigen wird. Ursache ist, wie oben schon skizziert, die veränderte Stellung des Eigentums (bei Banken und Betriebsinha- bern), aber auch das zunehmende Angebot an guten Mietangeboten in Flächen/Gebäuden. Seit der Verabschiedung des Baugesetzbuches entstehen Gewerbegebiete nach dem Prinzip der Funktionstrennung und einer vergleichsweise regional orientierten Erschließung. Die Freiset- zung von § 34 Gewerbeflächen und deren Umnutzung wird gering. Durch die Bauleitplanung sind eindeutige rechtliche Situationen entstanden. Damit entsteht auch das notwendige Mietflä- chenangebot, das über eine temporäre und provisorische Nutzung hinausgeht. Zunehmend werden diese Ressourcen auch professioneller gemakelt werden und – ob im pri- vatwirtschaftlichen oder im öffentlichen Besitz – zu einem Portfolio ausgebaut. Dieser Trend erfährt eine Unterstützung durch veränderte Unternehmensziele. Die Marktbeeinflussung oder -beherrschung erfolgt immer weniger über Größe (wie im Automobilbau), sondern über Inno-

62 Gewerbeflächen Neuss 2011

vationen und Technologien. Damit entstehen Betriebsformen, die weniger Fläche beanspru- chen, flexibler und mit dem nun entstehenden Flächenangebot kompatibel sind.

63 Gewerbeflächen Neuss 2011

64 Gewerbeflächen Neuss 2011

4. Bestandsaufnahme

4.1 Methodik und Systematik der Bestandsaufnahme

Im März und April 2009 erfolgte die Bestandsaufnahme aller Gewerbeflächen in der Stadt Neuss auf der Basis des rechtswirksamen Flächennutzungsplanes (FNP). Dazu wurden alle im FNP dargestellten gewerblichen Bauflächen aufgesucht und ihre tatsächliche Nutzung vor Ort durch Inaugenscheinnahme überprüft. Zusätzlich wurde der im FNP als gemischte Baufläche dargestellte Bürostandort „Büropark Hammfeld“ (einschließlich nördliche Erweiterungsflä- che) sowie der ebenfalls als gemischte Baufläche dargestellte Standort „Rheinpark-Center“ in der Bestandsaufnahme berücksichtigt. Die Kartierung erfolgte auf Grundlage des Automati- sierten Liegenschaftskatasters (ALK) sowie der Deutschen Grundkarte im Maßstab 1:5.000 (DGK 5). Die Bestandsaufnahme umfasst sowohl die Ermittlung der derzeit ungenutzten Ge- werbeflächen – die sog. Gewerbeflächenreserven – als auch die Erfassung der genutzten Ge- werbeflächen.

Bei den offensichtlich ungenutzten Flächen unterscheidet die Bestandsaufnahme zwischen brach gefallenen, ehemals gewerblich oder industriell genutzten Flächen und freien, noch un- genutzten Flächen.

Auf Industrie- und Gewerbebrachen im Stadtgebiet kommt es vor, dass sich auf Teilflächen noch Restnutzungen der ehemaligen Hauptnutzung befinden, oder dass sich auf Teilflächen Nach- bzw. Zwischennutzungen angesiedelt haben. Solche Teilflächen werden in der Kartie- rung als ‚Brachfläche mit Rest-/Nachnutzung’ ausgewiesen (s. Abb. 37).

Bei den genutzten Flächen innerhalb der Gewerbe- und Industriegebiete unterscheidet die Be- standsaufnahme zunächst zwischen gewerbegebietstypischen Nutzungen (gemäß § 8 BauN- VO) und Nutzungen mit hohen Stör- bzw. Emissionspotenzial (industriegebietstypische Nut- zungen gemäß § 9 BauNVO). Darüber hinaus werden Bereiche / Flächen, die offensichtlich von Unternehmen aus den Bereichen Logistik und Transportwesen belegt sind, von den übri- gen Gewerbe- und Industriegebietsnutzungen unterschieden und gesondert erfasst und kar- tiert. Das gleiche gilt für Einzelhandelsnutzungen, Großhandel sowie für Dienstleistun- gen/Büronutzungen innerhalb der kartierten Gebiete. Ferner werden Nutzungen, die dem Freizeitgewerbe zugeordnet werden können (Sport, Spiel, Vergnügen, Gastronomie) sowie das Kfz-Gewerbe gesondert erfasst. Unter die Kategorie „sonstige Nutzungen“ fallen die Flä- chen in den Gewerbegebieten, die von nicht gewerbegebietstypischen Nutzungen wie Woh- nen, Kleingärten oder öffentlichen Einrichtungen (Feuerwehr, Stadtwerke etc.) belegt sind. Einige, kleinteilig strukturierte Bereiche weisen eine sehr durchmischte Nutzungsstruktur

65 Gewerbeflächen Neuss 2011

häufig mit verschiedenen Nutzungen innerhalb eines Gebäudes oder eines Grundstückes auf. Diese Bereiche werden als gemischte Nutzungen aufgenommen70.

Abb. 37: Systematik der Nutzungskartierung

Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

4.2 Ergebnisse der Nutzungskartierung

Die Nutzungskartierung umfasst eine Fläche von insgesamt 961 ha. Die Nutzungsverteilung zeigt die nachfolgende Grafik (vgl. Abb. 38) sowie die Tabelle auf der nächsten Seite (vgl. Tab. 5)

70 Diese Nutzungsunterscheidung wurde getroffen, um die Gewerbegebiete typisieren und hinsichtlich ihrer jeweiligen Nut- zungsschwerpunkte unterscheiden zu können. Damit ist keine Bewertung oder Aussage über die Zulässigkeit bzw. Unzu- lässigkeit der Nutzungen im Sinne der §§ 8 und 9 BauNVO verbunden.

66 Gewerbeflächen Neuss 2011

Ca. 488 ha der erfassten Gewerbeflächen sind durch gewerbliche bzw. industrielle Nutzungen im Sinne der §§ 8 und 9 BauNVO belegt, was einem Anteil von ca. 50,8 Prozent der erfassten Flächen entspricht. Dabei haben industriegebietstypische Nutzungen mit ca. 233 ha einen et- was geringeren Flächenanteil (24,2 %) als gewerbegebietstypische Nutzungen (255,3 ha; 26,6 %).

Flächen, die von den Nutzungen Logistik/Transportwesen belegt sind, summieren sich auf insgesamt 193,1 ha in den aufgenommenen Gewerbe- und Industriegebieten. Dies entspricht einem Anteil von 20,1 % der erfassten Flächen. Dienstleistungen und Büronutzungen nehmen ca. 54,6 ha der erfassten Flächen ein, was einem Anteil von ca. 5,7 % der erfassten Gesamt- fläche entspricht.

Abb. 38

Nutzung der erfassten Gewerbeflächen in Neuss Zahlenangaben = Fläche Prozent-Anteil

ungenutzte GE / GI-Fläche gemischte Nutzungsstruktur; 12% 2,0; 0% Brachfläche mit Rest- / Nachnutzung; 4,3; 0% Großhandel; 15,9; 2%

Gewerbe-/Industriebrache; 11,3; 1% GI-Nutzung; 232,8; 24% sonstige Nutzung (Wohnen etc.); 25,7; 3%

Kfz-Gewerbe; 19,3; 2%

Freizeitgewerbe / Gastronomie; 6,7; 1%

GE-Nutzung; 255,3; 27%

Einzelhandel ; 23,6; 2%

Dienstleistung / Büro; 54,6; 6% Logistik/Transportwesen; 193,1; 20%

Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

Ca. 23,6 ha der erfassten Flächen sind von Einzelhandelsnutzungen belegt, was einen Anteil von ca. 2,5 % der erfassten Gesamtfläche ausmacht. Der Großhandel umfasst mit ca. 15,9 ha ca. 1,7 % der erfassten Gesamtfläche. Die durch Freizeitnutzungen in Anspruch genommenen Flächen haben mit 6,7 ha und ca. 0,7 % nur einen geringen Anteil an den erfassten Flächen. Das Kfz-Gewerbe belegt ca. 19,3 ha in den erfassten GE, GI und M-Gebieten (Anteil: ca. 2,0 %). Ca. 2,0 ha der erfassten Flächen bestehen aus stark gemischten Nutzungsstrukturen (ca. 0,2 %). Sonstige, nicht gewerbegebietstypische Nutzungen summieren sich auf insgesamt ca. 25,7 ha bzw. einen Anteil von ca. 2,7 % der Gewerbegebietsflächen in Neuss.

67 Gewerbeflächen Neuss 2011

Tab. 5: Erfasste Gewerbeflächen in Neuss Nutzcode Realnutzung Flaeche in m² Flaeche in ha Anteil A GI-Nutzung 2.327.861 232,8 24,2% BGE-Nutzung 2.553.089 255,3 26,6% C Logistik/Transportwesen 1.931.189 193,1 20,1% D Dienstleistung / Büro 546.282 54,6 5,7% E Einzelhandel 235.564 23,6 2,5% FFreizeitgewerbe / Gastronomie 66.763 6,7 0,7% G Kfz-Gewerbe 192.798 19,3 2,0% H sonstige Nutzung (Wohnen etc.) 256.860 25,7 2,7% I Gewerbe-/Industriebrache 112.938 11,3 1,2% K Brachfläche mit Rest- / Nachnutzung 43.343 4,3 0,5% L ungenutzte GE / GI-Fläche 1.161.508 116,2 12,1% M gemischte Nutzungsstruktur 20.452 2,0 0,2% N Großhandel 158.550 15,9 1,7% Gesamtergebnis 9.607.197 960,7 100,0% Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

Die Bestandsaufnahme erfasste insgesamt 116,2 ha ungenutzte Flächen innerhalb der GE- GI- und der ausgewählten M-Gebiete in Neuss. Dies entspricht 12,1 % der erfassten Gesamtnut- zungsfläche. Gewerbe- und Industriebrachen sowie Brachflächen mit Restnutzung nehmen jeweils einen relativ geringen Anteil an der erfassten Gesamtfläche ein. So wurden 11,3 ha (1,2 %) Gewerbe- und Industriebrachen und 4,3 ha Brachflächen mit Restnutzung (0,5 %) er- fasst. Zusammen ergeben diese brach liegenden bzw. minder genutzten Flächen ca. 15,6 ha, was einem Anteil von ca. 1,7 % der erfassten Gesamtfläche entspricht. Betrachtet man die ungenutzten freien Flächen und die Brachflächen zusammen, so ergeben sich insgesamt 131,8 ha Reserveflächen innerhalb der GE-, GI- und der ausgewählten M-Gebiete in Neuss.

4.3 Typisierung der Gewerbegebiete in Neuss

Die quantitative Dimension der Gewerbefläche ist nur eine Komponente, an der der Bedarf gemessen werden kann. Unternehmen, die Gewerbeflächen benötigen, fragen nicht nur eine x-beliebige Gewerbefläche bestimmter Größe nach, sondern sie stellen mit einer Ansiedlung oder Verlagerung darüber hinaus, je nach Branche aber auch nach unternehmensspezifischer Präferenz, bestimmte qualitative Anforderungen an ihren neuen Standort. Dies betrifft zum Einen die Lage (bspw. verkehrsgünstig, innenstadtnah etc.) aber auch die städtebauliche Gestalt des Gewerbegebietes, der Umgebung sowie die „Nachbarn“. So ist zu erwarten, dass bspw. ein Unternehmen aus dem Software/IT-Bereich mit einem entsprechend hoch qualifizierten Mitarbeiterstab und überwiegend Büro- bzw. büroähnlichen Arbeitsplätzen mehr Wert auf ei- ne „gute Adresse“ mit einer städtebaulich und architektonisch gestalteten Umgebung legt als bspw. ein Distributionsbetrieb, für den die Erreichbarkeit bzw. verkehrsgünstige Lage die we- sentliche Standortanforderung darstellt.

68 Gewerbeflächen Neuss 2011

Unter dieser qualitativen Betrachtung kommt nicht jeder Standort und jede freie Gewerbeflä- che in Neuss für jedes Unternehmen in Frage. Es ist deshalb sinnvoll, die Gewerbegebiete und -standorte in Neuss im Hinblick auf ihre Ausstattungsmerkmale und -qualitäten zu typisieren. So ist es möglich das vorhandene Flächenangebot nicht nur quantitativ, sondern auch in sei- nen unterschiedlichen Qualitäten zu erfassen. Daraus können sich ggf. Hinweise auf Flächenengpässe in bestimmten Gebietstypen bzw. in bestimmten Teilsegmenten des Gewer- beflächenmarktes ergeben.

4.3.1 Typisierung anhand von ansiedlungsrelevanten Ausstattungsmerkmalen Die Ausstattung der Gewerbegebiete mit Standortfaktoren beziehen sich zunächst auf die so genannten harten Standortfaktoren wie Erschließungsqualität, regionale oder innerstädtische Erreichbarkeit oder sonstige kapazitätsrelevante Einrichtungen. Gleichzeitig bestehen auch Anforderungen durch die Unternehmen, die als weiche Standortfaktoren oder qualitative Merkmale der Standorte bezeichnet werden können. Hierzu gehören sowohl die städtebauli- che Gestaltung als auch das Image oder der konkrete Branchenmix in einem Gebiet. Bei- spielsweise werden Unternehmen der Lebensmittelindustrie oder der Elektronik in der Regel Recyclingbetriebe (Schrotthändler, Altpapierverarbeiter etc.) als Nachbarn meiden.

Die in der Bestandsaufnahme erfassten Gewerbegebiete im Neusser Stadtgebiet lassen eine deutliche qualitative Differenzierung erkennen. Vergleicht man die Gewerbegebiete unterein- ander anhand von städtebaulichen, gestalterischen und funktionalen Kriterien wie  Lage / Anbindung,  Äußere Erscheinung / Auftritt / Geschichte,  Ausstattung,  Branchenstruktur,  Umfeld / Konflikte,  Größe, dann lassen sich unterschiedliche Gebietstypen mit jeweils ähnlichen Merkmalen bilden. Mit einer solchen Typisierung können verschiedene Qualitäten und Entwicklungsperspektiven von Gewerbegebieten differenzierter dargestellt werden. Damit ist es möglich den vorhande- nen Gewerbeflächenbestand nicht nur rein quantitativ zu bestimmen, sondern auch definierten Gebietstypen zuzuordnen, so dass ein differenzierteres Bild über das Gewerbeflächenspekt- rum und das vorhandene Gewerbeflächenangebot in der Stadt Neuss entsteht.

Typ 1: Büro- / Dienstleistungsstandort Die Gewerbegebiete und –standorte dieses Typs werden meist von mehrgeschossigen Bürogebäuden geprägt. Ihre städtebauliche Gestalt und Qualität entspricht i.d.R. den höheren Anforderungen, die von Büro- und Dienstleistungsnutzungen an ihr städte- bauliches Umfeld gestellt werden.

69 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 39: Businesspark Fleher Brücke Innerhalb dieses Gebietstyps wird zwischen DL-Standorten mit einer mittleren bzw. durchschnittlichen Ausstattung/städtebaulichen Gestaltung (Typ 1o), und hochwertigen DL- Standorten (Typ 1+), die hinsichtlich Ausstattung/städtebaulicher Gestaltung erkennbar über dem Durchschnitt dieses Gebietstyps liegen, unterschieden. Das Foto (Abb. 39) zeigt eine typische Quelle Planquadrat Dortmund 2009 Situation eines von Büros und Dienstleistungen geprägter Standort.

Typ 2: Von Logistikunternehmen geprägtes Gebiet Die Standorte und Gewerbegebiete dieses Typs werden von Unternehmen aus dem Logistikbereich oder dem Transportwe- Abb. 40: Logistik im Neuss-Düsseldorfer Hafen sen dominiert. Entsprechend werden die- se Gebiete in ihrem Erscheinungsbild und ihrer städtebaulichen Gestalt durch solche Betriebe geprägt. Innerhalb dieses Gebietstyps wird unterschieden zwischen Standorten, die den heutigen hohen Anforderungen von modernen Logistik-

unternehmen an Ausstattung und Quelle: Planquadrat Dortmund 2009 Gestaltung gerecht werden (Typ 2+), Ge- bieten, mit mittlerer Ausstattung und Qualität, die keine ins Auge fallenden Gestalt- oder Ausstattungsmängel aufweisen (Typ 2o) und Standorten, die nach heutigen An- forderungen Modernisierungsrückstände aufweisen und in ihrem Erscheinungsbild Mängel und Defizite haben (Typ 2-).

Abb. 41: Logistikzentrum im Gewerbegebiet Tucherstraße

Quelle: Planquadrat Dortmund 2009

Typ 3: Von Einzelhandel geprägtes Gebiet Die Gebiete dieses Typs werden von Einzelhandelsansiedlungen und –betrieben ge- prägt. Innerhalb dieses Gebietstyps wird unterschieden zwischen Standorten mit einer

70 Gewerbeflächen Neuss 2011

mittleren bzw. durchschnittlichen Ausstattung / städtebaulichen Gestaltung (Typ 3o) und Standorten, die funktionale und / oder gestalterische Mängel aufweisen (Typ 3-). Dieser Gebietstyp findet sich nur an wenigen Stellen innerhalb der in Neuss erfassten Gewerbe- und Industriegebieten. Diese Standorte stellen Nutzungen im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO dar. Für diese Standorte ist zu prüfen, welche - entsprechend ih- rer tatsächlichen Nutzungsstruktur - planungsrechtliche Anpassung in den Bauleitplä- nen (FNP und B-Plan) erforderlich ist, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass es sich um unerwünschte Einzelhandelsstandorte handelt, für die aus städtebaulichen und stadtstrukturellen Gründen eine andere Zielsetzung verfolgt wird.

Eine Teilfläche des untersuchten Standortes „Rheinpark-Center“, der im FNP als ge- mischte Baufläche (M-Fläche) dargestellt ist, zählt ebenfalls zu diesem Gebietstyp. Diese Nutzung gehört für diesen Standort zu dem vorgesehenen Nutzungskonzept. Die Einzelhandelsflächen befinden sich dort z. Zt. in einem Umbau- und Modernisie- rungsprozess.

Typ 4: Sonstige Gewerbe- und Industriegebiete

Die Gebiete dieses Typs sind die klassischen Gewerbe- und Industriegebiete nach den §§ 8 und 9 der Baunutzungsverordnung. Sie werden typischerweise von kleinen und mittelständischen Unternehmen des Produzierenden Gewerbes geprägt; z. T. sind in diesen Gebieten auch Logistik-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen vertreten. Aufgrund der Bandbreite dieses Gebietstyps im Hinblick auf Erscheinungsbild, Aus- stattung, Gestalt- Erschließungs- und Umfeldqualität werden hier 3 Untergruppen un- terschieden:

4 -: Einfache Ausstattung / Erschließung, häufig mit Mängeln: Diese Gewerbegebiete haben eine einfache Ausstattung und Erschließung. Straßen- raumgestaltung oder andere Gestaltungselemente fehlen. Es sind zumeist ältere Ge- werbegebiete und -standorte, die häufig eine kleinteilige Nutzungsstruktur aufweisen. Das Erscheinungsbild und die städtebauliche Gestalt dieser Gebiete weisen häufig De- fizite auf. Brach gefallene Flächen und Teilflächen sind hier überdurchschnittlich häu- fig anzutreffen, ebenso funktionale oder strukturelle Mängel. Die vorhandenen Betrie- be in diesen Gebieten stellen oft eine bunte Mischung dar. Vielfach werden alte Ge- bäude und Hallen genutzt. Solche Gewerbegebiete werden häufig von kleineren Be- trieben (Kleinproduktion, Handwerk, Vertrieb) als Standort bevorzugt, die keine ho- hen Anforderungen an ‚weiche’ Standortfaktoren stellen und die meist günstigen Kon- ditionen (geringe Grundstückspreise oder –mieten) an solchen Standorten nutzen. Ei- nerseits sind diese Standorte für die Betriebe als Mietflächen oft sehr kostengünstig und andererseits besteht ein auflaufender Modernisierungsbedarf, besonders vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an die städtebaulichen und funktionalen Quali- täten von Gewerbegebieten.

71 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 42: Gewerbegebiete an der Osterather Str. sowie „Am Krausenbaum“

4 o :

m i t t Quelle: Planquadrat Dortmund 2009

4 o: Mittlere Ausstattung / Erschließung (Standardausstattung): Die Gewerbegebiete dieses Typs weisen zumeist eine gute verkehrliche Anbindung und Erschließung auf und entsprechen in ihrer Gestalt- und Umfeldqualität dem gän- gigen Standard von Gewerbegebieten. Sie sind überwiegend in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten geplant und entwickelt worden.

Abb. 43: Gewerbegebiet Fuggerstraße

Quelle: Planquadrat Dortmund 2009

4 +: Hochwertige Ausstattung / Erschließung / Technologiepark: Die Gewerbegebiete dieses Typs weisen eine erhöhte bis hochwertige städtebauliche Qualität und Gestaltung auf, die meist durch entsprechende planungsrechtliche Fest- setzungen oder städtebauliche Verträge gesichert werden. Sie nehmen einen hohen Anteil an Medien-, IT oder andere Hochtechnologie-Unternehmen auf, die einen ho-

72 Gewerbeflächen Neuss 2011

hen Anteil an hoch qualifizierten Dienstleistungsarbeitsplätzen haben. Entsprechend werden diese Gewerbegebiete durch moderne Gebäude mit einer zumeist anspruchs- volleren Architektur geprägt.

Abb. 44: Gewerbegebiet Bonner Straße

Quelle: Planquadrat Dortmund 2009

Typ 5: Betrieblicher Einzelstandort / Werksgelände Die Standorte dieses Typs stellen eine Sonderform dar. Es sind Standorte, die von ei- nem Unternehmen oder auch von einem Firmenkonsortium genutzt werden. Sie stehen damit für Ansiedlungen anderer Unternehmen i.d.R. nicht zur Verfügung. Es sind nicht selten historische Standorte alt eingesessener Unternehmen.

Typ 6: Flächenreserven und Entwicklungsbereiche Dieser Gebietstyp umfasst Standorte und Flächen, die im Flächennutzungsplan als gewerbliche Bauflächen dargestellt sind, aber derzeit (noch) ungenutzt sind. Er unter- gliedert sich in drei Untergruppen:

6a: Reaktivierungsflächen auf brach gefallenen Standorten: Brach gefallene Gewerbe- und Industriestandorte stellen Flächenpotenziale dar, die nach Aufbereitung der Flächen wieder neu genutzt werden können. In diese Flächen- kategorie wurden nur solche Flächen aufgenommen, die derzeit brach liegen und noch keiner Wiedernutzung zugeführt wurden.

73 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 45: Entwicklungsfähige Brachfläche im Bereich Gladbacher Straße

6b: nicht erschlossene, ungenutzte Flächenreserven: Es handelt sich hier um größere unbesiedelte Flächen und Bereiche, die im Flächen- nutzungsplan als Gewerbeflächen dargestellt sind, aber (noch) nicht erschlossen sind und bisher nicht gewerblich genutzt werden.

6c: Flächenreserve in Entwicklung: Unter diese Kategorie fallen zur Zeit noch weitgehend ungenutzte Flächen und Gebie- te, die sich bei der Bestandsaufnahme aufgrund von Erschließungsarbeiten, bereits fer- tig gestellten Erschließungsanlagen oder anderer vorbereitender Bautätigkeiten er- kennbar in der Entwicklung befanden.

74 Gewerbeflächen Neuss 2011

Abb. 46: Flächenreserve in Entwicklung im Gewerbegebiet Bonner Straße

Quelle: Planquadrat Dortmund 2009

Typ 0: Kein Gewerbegebiet Unter diese Gebietskategorie wurden diejenigen Flächen gefasst, die im Flächennut- zungsplan als Gewerbliche Baufläche dargestellt sind, aber offensichtlich eine andere städtebauliche Nutzung (zumeist Wohnen) aufweisen, bzw. mit einer anderen städte- baulichen Zielsetzung entwickelt wurden. Für diese Flächen sollte die Flächennut- zungsplandarstellung entsprechend der tatsächlich realisierten städtebaulichen Nut- zung angepasst werden, so dass sie aus dem Gewerbeflächenbestand herausgenommen werden.

75 Gewerbeflächen Neuss 2011

4.3.2 Verteilung der Gewerbegebietstypen in Neuss Das nachfolgende Tortendiagramm (vgl. Abb. 47) zeigt die typenbezogenen Flächenanteile der untersuchten Gewerbegebiete und Standorte im Neusser Stadtgebiet.

Abb. 47

Typisierung GE / GI und ausgewählte M-Gebiete

6b: nicht erschlossene, 6c: Flächenreserve in 0: kein Gewerbegebiet 1+: Büro- / Dienstleistungt Flächenreserve Entwicklung 0,9% hochw. Ausstattung 6,8% 3,6% 5,6% 1o: Büro- / Dienstleistungmittl. 6a: Reaktivierungsfläche auf Ausstattung brach gefallenem Standort 1,6% 0,7% 2-: Logistik einf. Ausstattung 15,7% 5: betrieblicher Einzelstandort / Werksgelände 14,5%

2+: Logistik hochw. Ausstattung 2,4%

2o: Logistik mittl. Ausstattung 9,4%

3-: Einzelhandel einf. Ausstattung 4o: Gewerbegebiet mittl. 0,5% Ausstattung 4-: Gewerbegebiet einf. 3o: Einzelhandel mittl. 16% Ausstattung Ausstattung 4+: Gewerbegebiet hochw. 14,8% 3,4% Ausstattung 4,1%

Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

Den größten Teil des ‚Kuchens’ nehmen die klassischen Gewerbe- und Industriegebiete ein, die von Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe geprägt sind. Sie haben mit insge- samt 356,0 ha einen Flächenanteil von ca. 35 % an den erfassten Standorten. Innerhalb dieses Gebietstyps haben die Standorte mit einfacher Ausstattung bzw. mit Ausstattungsdefiziten und die mit einer mittleren Ausstattung eine ähnliche Größenordnung in Neuss. In der räumli- chen Verteilung liegen dabei die einfachen Standorte mit Mängeln schwerpunktmäßig im nördlichen Stadtgebiet, während die Standorte mit einer mittleren, dem heutigen Standard entsprechenden Ausstattung hauptsächlich im südlichen Stadtgebiet liegen. Das im südlichen Stadtgebiet liegende Gewerbegebiet „Bonner Straße“ ist der einzige Standort in dieser Ge- bietskategorie im Stadtgebiet, der eine vergleichsweise hochwertige Ausstattung besitzt, die erkennbar über dem heutigen Standard liegt.

In Neuss nehmen die von Logistik geprägten Gebiete und Standorte einen relativ hohen An- teil an den Gewerbe- und Industriegebieten ein. Sie haben mit insgesamt 281,9 ha einen Flä-

76 Gewerbeflächen Neuss 2011

chenanteil von knapp 28 % der Gewerbe- und Industriegebiete. Der räumliche Hauptschwer- punkt dieser Gebietskategorie liegt im Bereich der Neuss-Düsseldorfer Häfen. Diese Gebiete sind in der Regel sehr funktional ausgerichtet, haben aber hinsichtlich ihres Erscheinungsbil- des und der städtebaulichen Gestaltung zumeist eine geringe Qualität. Der Neuss- Düsseldorfer Hafen und seine unmittelbare Umgebung bildet damit den Großstandort, der die insgesamt ca. 160 ha von Logistik- und Recyclingunternehmen geprägten Gebiete mit einer einfachen gestalterischen Ausstattung beheimatet. Die Logistikstandorte mit einer mittleren Aus- stattung liegen bis auf wenige Ausnahmen im südlichen Stadtgebiet. Hier bilden die Gewerbe- und Industriegebiete beiderseits der A 46 im Nahbereich des Autobahnkreuzes Neuss-Süd einen zweiten Logistikschwerpunkt im Neusser Stadtgebiet. Innerhalb dieses Schwerpunktes gibt es Teilflächen, die sich durch eine hochwertige Ausstattung und Gestaltqualität, deutlich über dem heutigen Standard von Logistikstandorten, auszeichnen. Betriebliche Einzelstandorte und großflä- chige Werksareale nehmen mit fast 150 ha einen nicht unerheblichen Flächenanteil von 14,5 % an den erfassten Gewerbe- und Industriestandorten ein. In dieser Gebietskategorie übernimmt der Standort des Aluminiumwerkes Norf mit ca. 95 ha fast zwei Drittel des gesamten Flächenvolu- mens. Das übrige Flächenvolumen verteilt sich auf neun weitere Standorte von unterschiedlicher Größe (zwischen ca. 1 ha und ca. 13 ha) im Stadtgebiet.

Büro- und Dienstleistungsstandorte haben mit 74,3 ha einen Flächenanteil von ca. 7,2 % an den untersuchten GE, GI und ausgewählten M-Gebieten. Das größte Flächenkontingent entfällt hier mit ca. 47 ha auf den „Büropark Hammfeld“, der fast zwei Drittel der Gesamtfläche der erfassten Büro- und Dienstleistungsstandorte umfasst. Dieser Standort hat – bis auf eine kleine Teilfläche – eine hochwertige Ausstattung und Gestaltqualität. Im benachbarten „Rheinpark-Center“ sowie im Gewerbegebiet „Hammer Landstraße“ befinden sich zwei weitere Büro- und Dienstleistungs- standorte, die aber nur eine mittlere Ausstattung haben und mit ca. 8,5 bzw. 7,1 ha relativ klein sind. Im südlichen Stadtgebiet bildet eine Teilfläche innerhalb des Gewerbegebietes Tucherstraße - der „Business Park Fleher Brücke“ sowie daran angrenzende Flächen - einen weiteren Büro- und Dienstleistungsstandort, der über eine hochwertige Ausstattung und Gestaltqualität verfügt. Die durch Einzelhandelsnutzungen geprägten Standorte haben mit 40,2 ha nur einen geringen Flächenanteil von ca. 3,9 % an den untersuchten GE-, GI- und ausgewählten M-Gebieten. Sie ver- teilen sich auf vier Standorte im Stadtgebiet, von denen drei eine mittlere Qualität ohne gravie- rende Mängel haben und ein Standort deutliche Mängel aufweist.

Der Gebietstyp der Flächenreserven und Entwicklungsbereiche umfasst insgesamt 113,0 ha der erfassten Flächen. Er verteilt sich im Wesentlichen auf die nicht erschlossenen, ungenutz- ten Flächenreserven (69,1 ha) und die Flächenreserven, die sich bereits in Entwicklung befin- den (36,4 ha). Reaktivierungsflächen auf brach gefallenen Standorten nehmen hingegen mit 7,5 ha nur einen geringen Anteil in Neuss ein.

Bereiche und Flächen, die aufgrund ihrer Nutzungsstruktur faktisch kein Gewerbegebiet dar- stellen nehmen mit 9,1 ha nur einen geringen Flächenanteil ein. Sie sollten im FNP zukünftig nicht mehr als Gewerbliche Bauflächen dargestellt werden.

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Abb. 48: Gewerbegebiete der Stadt Neuss: Typisierung nach Nutzung und Qualität

Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

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Die Betriebsbefragung konzentrierte sich darauf, den Nutzen der Standorte aus der Sicht der Betriebe zu beschreiben. In einer geschlossenen Frage wurden fünf Urteile angeboten. In ei- ner weiteren Frage wurden die Betriebe um beschreibende Attribute für das Umfeld ihres Be- triebes durch vorgegebene Statements gebeten.

Tab. 6: Standorturteile und Bestandsaufnahme Urteil der Betriebe Attribute Gebietstyp Wettbewerber der Standort ist ohne jede modernes Viertel; Typ 4+: Gewerbegebiet Typ 1+: Büro- / Dienst- Einschränkung brauchbar günstige Lage zu zentra- hochwertige leistungsstandort len Einrichtungen; Ausstattung hochwertige städtebaulich positive (Technologie- Ausstattung Gestaltung (auch Mi- und Gewerbe- Typ 2+: Logistikstandort schung) park) hochwertige Ausstattung ein fast immer brauchba- positive Ergänzung der Typ 4o: Gewerbegebiet Typ 1o: Büro- / Dienst- rer Standort Nutzungen (Mischung); mittlere Ausstat- leistungsstandort städtebaulich positive tung mittlere Ausstat- Gestaltung; Versor- tung gungsmöglichkeiten f. Typ 2o: Logistikstandort Mitarbeiter mittlere Ausstat- tung Typ 3o: Einzelhandels- standort mittlere Ausstattung der Standort ist ohne Vor- neutrale Mitte Typ 5: betrieblicher Ein- Typ 4o: Gewerbegebiet und Nachteile zelstandort / mittlere Ausstat- Werksgelände tung der Standort ist mit Ein- vernachlässigte Wohnbe- Typ 4–: Gewerbegebiet Typ 2–: Logistikstandort schränkungen brauchbar bauung im Umfeld, unzu- einfache Aus- einfache Aus- reichende Infrastruktur, stattung stattung schmutzige vernachläs- Typ 3–: Einzelhandels- sigte Betriebe, Immissio- standort einfa- nen, unsauber che Ausstattung der Standort ist un- eng, unzureichende Er- Typ 6a: Reaktivierungs- Typ 4–: Gewerbegebiet brauchbar schließung, unzureichen- fläche auf brach einfache Aus- de Zahl d. Stellplätze gefallenem stattung Standort Typ 0: kein Gewerbe- standort Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

Die Tab. 6 gibt einen Überblick über die Ergebnisse der Bestandsaufnahme und der Typisie- rung auf der Basis der Besichtigung/Bestandsaufnahme vor Ort. Wesentliches Ergebnis ist, dass die höheren Standortqualitäten (die ersten drei Stufen) insgesamt gut drei Viertel der ge- genwärtig genutzten Standorte ausmachen. Dieses Urteil wird auch von den Betrieben in der Befragung im Wesentlichen geteilt. Insgesamt besteht für Neuss keine kritische Lage, da im Lebenszyklus Standorte immer wie- der auf- und absteigen. Andererseits lässt dieser Status quo erkennen, dass durch eine Auf- wertung der Standorte, die gegenwärtig "mit Einschränkung als brauchbar" oder gar als "un-

79 Gewerbeflächen Neuss 2011

brauchbar" gelten, neue Gewerbestandorte71) "gewonnen" werden können. Zudem weist die Tabelle noch darauf hin, dass für die Standorte die ohne Einschränkung oder sehr geringen Einschränken brauchbar sind von besonderem Interesse für Büro-/Dienstleistungen sind oder auch den Einzelhandel ansprechen. Ein Verlust derartiger Standorte für das Verarbeitende Gewerbe wäre auch ein Verlust von Standortvorteilen für die Stadt Neuss.

4.4 Gewerbeflächenreserven

Die in der Bestandsaufnahme erfassten Gewerbeflächenreserven setzen sich aus den unge- nutzten GE / GI-Flächen sowie aus den Gewerbe- und Industriebrachen und den Brachflächen mit Restnutzung zusammen. Diese Flächen haben insgesamt einen Umfang von 131,8 ha. Da- von entfällt der größte Teil auf die ungenutzten GE / GI-Flächen, die mit ca. 116,2 ha einen Anteil von 88,1 % an den erfassten Reserveflächen haben. Die erfassten Gewerbe- und In- dustriebrachen umfassen ca. 11,3 ha, was einem Anteil von 8,6 % an den Reserveflächen ent- spricht. Die Brachflächen mit Restnutzung nehmen mit ca. 4,3 ha nur einen geringen Anteil der erfassten Gewerbeflächenreserven ein (3,3 %).

Abb. 49

Gewerbeflächenreserven - gegenwärtiger Nutzungsstatus Zahlenangaben = Fläche in ha, %-Anteil

Gewerbe- /Industriebrache 8,6% Brachfläche mit Rest- / Nachnutzung 3,3%

ungenutzte GE / GI- Fläche 88,1%

Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

71 Zu den Einzelheiten einer Gewerbeumfeldverbesserung siehe: Bonny, H. W.: Gewerbeumfeldverbesserung. In: RaumPla- nung 56, 1992, Seite 45 - 50

80 Gewerbeflächen Neuss 2011

Die Bestandsaufnahme wurde mit der Stadt Neuss abgestimmt72, um Aufnahme- und Kartie- rungsfehler zu vermeiden. Ein weiterer zentraler Aspekt der Abstimmung bezog sich auf die Verfügbarkeit der erfassten Gewerbeflächenreserven für den Gewerbeflächenmarkt. Dabei ging es insbesondere darum, dass ein erheblicher Teil der erfassten Flächenreserven sich nicht im Eigentum der Stadt Neuss befindet und deshalb von der Wirtschaftsförderung den anfra- genden Unternehmen derzeit nicht zum Kauf angeboten werden kann. Dies ergibt sich aus dem Selbstverständnis der Wirtschaftsförderung. Sie sieht sich in erster Linie nicht als Mak- ler, der Gewerbegrundstücke / -standorte vermittelt und ggf. nachweist und die Verkaufsver- handlungen sowie die Preisfindung den jeweiligen Grundstückseigentümern und Nutzern ü- berlässt. Die Wirtschaftsförderung sieht es in der Regel als ihre Aufgabe an, Grundstücke an den zukünftigen Nutzer zu verkaufen. Aus dieser Sicht sind nur Flächen, die der Stadt Neuss gehören, auch verfügbare Reserveflächen. Vor diesem Hintergrund werden zunächst Flächen, die der Stadt Neuss gehören, in der Regel (sofern keine Entwicklungshemmnisse oder Ver- kaufsoptionen für die Flächen bestehen) als verfügbar bezeichnet (a: Reserveflächen ver- fügbar). In diese Kategorie fallen zudem vereinzelt private Flächen, die durch die kommuna- le Wirtschaftsförderung vermarktet werden, Flächen im Hafen, die durch die Hafengesell- schaft vermarktet werden sowie mittelfristige Flächenreserven, die noch nicht über verbindli- ches Planungsrecht verfügen.

Auf ungenutzte Gewerbeflächen, die sich in Privateigentum befinden, hat die Stadt Neuss keinen unmittelbaren Zugriff. Hier bestimmen der Gewerbeflächenmarkt, das Marktgesche- hen und insbesondere die Präferenzen und Vorstellungen der Grundstückseigentümer, ob eine Fläche tatsächlich auf dem Markt angeboten wird. Nicht selten haben Grundstückseigentümer Entwicklungs- und Preisvorstellungen, die auf dem Markt und/oder an dem Standort für Ge- werbeflächen nicht realisierbar sind73. In solchen Fällen bleibt eine adäquate gewerbliche Nutzung von Grundstücken oft lange aus bzw. wird erst dann realisiert, wenn sich die Ver- hältnisse des Eigentümers geändert haben (ggf. durch Erbfall, Insolvenz o. ä.) oder er drin- gend Geld braucht. Deshalb ist die Verfügbarkeit von ungenutzten Gewerbeflächen in privater Hand aus Sicht der Stadt Neuss zumeist unbestimmt bzw. unklar (b: Reserveflächen privat).

Ein weiteres Reserveflächenkontingent bilden betriebsgebundene Flächen (c: betriebsge- bundene Reserveflächen). Dies sind i.d.R. ungenutzte Flächen von bestehenden Unterneh- men an ihrem Standort, die sie bereits erworben haben, aber noch nicht nutzen, sondern für geplante oder optionale Betriebserweiterungen vorhalten. Damit sind es betriebliche Reserve- flächen, die dem Markt nicht zur Verfügung stehen. Dennoch stellen sie ein relevantes Reser- veflächenpotenzial dar, da sie i.d.R. geeignet sind, einen vorhandenen oder in Zukunft entste-

72 An der Abstimmung waren das Amt für Wirtschaftsförderung, das Amt für Stadtplanung sowie die ‚Liegenschaften und Ver- messung’ Neuss beteiligt. 73 Ein wesentliches Hemmnis für die Vermarktung privater Gewerbeflächen stellt der im Verhältnis zu anderen Nutzungen (Wohnen, Einzelhandel) niedrige Preis für Gewerbeflächen dar, der durch die Gewerbeflächenpolitik der Kommunen selbst verursacht ist. Als Hauptanbieter von Gewerbeflächen veräußern sie diese Flächen meist als „Wirtschaftsförderungsmaß- nahme“ zu äußerst günstigen Bedingungen, die häufig nicht einmal die Erstellungskosten decken, an ansiedlungswillige Un- ternehmen. Damit wird die Herausbildung eines Marktpreises, der dem wirklichen Wert und der Knappheit der endlichen Ressource „Gewerbefläche“ entspricht, systematisch verhindert. Dies unterbindet im Gewerbeflächensektor einen funktio- nierenden Bodenmarkt, wie er bspw. für Wohnbauland oder Einzelhandelsflächen existiert.

81 Gewerbeflächen Neuss 2011

henden Flächenbedarf des jeweiligen Unternehmens, das diese Flächen vorhält, zu decken. Es ist davon auszugehen, dass Betriebe und Unternehmen, die über betriebliche Reserveflächen verfügen, ihren Flächenbedarf zunächst durch diese Flächen decken werden. Erst wenn der Flächenbedarf eines Unternehmens größer ist als seine betrieblichen Reserveflächen, wird es zusätzliche Flächen auf dem Gewerbeflächenmarkt nachfragen. Damit decken die betriebli- chen Reserveflächen einen relevanten Anteil des künftigen Gewerbeflächenbedarfs. Grund- sätzlich ist es auch möglich, dass ein Unternehmen seine betrieblichen Reserveflächen wieder veräußert und damit dem Markt zur Verfügung stellt, wenn es sie in absehbarer Zeit nicht be- nötigt. Dies geschieht in der Realität aber selten. Zum Einen, weil diese Flächen aufgrund ih- rer Lage am bestehenden Standort für die Unternehmen oft von strategischer Bedeutung sind und zum Anderen wegen des nicht funktionierenden Gewerbeflächenmarktes aufgrund der öf- fentlich subventionierten Preise für gewerbliche Bauflächen, die einer Veräußerung von Ge- werbeflächen in privater Hand oft im Wege stehen (vgl. 73 oben).

Der Büropark Hammfeld, der planungsrechtlich als gemischte Baufläche im FNP ausgewie- sen ist, stellt einen expliziten Büro- und Dienstleistungsstandort dar. Die hier vorhandenen Flächenreserven sind damit in erster Linie einer Dienstleistungsnutzung vorbehalten. Sie wer- den deshalb eigenständig erfasst, da sie der „klassischen“ Gewerbeansiedlung eines produzie- renden Unternehmens nicht zur Verfügung gestellt werden. Die derzeit im Büropark - feld vorhandenen Flächenreserven befinden sich alle in Privateigentum, so dass die Stadt Neuss auf diese Flächen keinen unmittelbaren Zugriff hat. Dieses Flächenkontingent wird da- her entscheidend von dem Markt- und Nachfragegeschehen auf dem Büroflächenmarkt be- stimmt. Seine Verfügbarkeit stellt sich aus Sicht der Stadt Neuss ähnlich unbestimmt dar, wie die sonstigen in Privateigentum befindlichen Flächenreserven (Kategorie b). Anders sieht es mit den geplanten Erweiterungsflächen nördlich des Büroparks Hammfeld aus, die sich weit- gehend in kommunalem Eigentum befinden. Hier ist mittelfristig eine Flächenverfügbarkeit zu erwarten, sobald Planungsrecht geschaffen und die Erschließung der Flächen erstellt ist. Die Reserveflächen für Büro- und Dienstleistungsnutzungen werden vor diesem Hintergrund in den Kategorien d: verfügbare Reserveflächen für Büro / Dienstleistungen und e: priva- te Reserveflächen für Büro / Dienstleistungen erfasst.

Es gibt einige erfasste Reserveflächen im Stadtgebiet, die aufgrund entgegenstehender Re- striktionen gegenwärtig nicht entwickelt werden können bzw. nicht nutzbar sind (f: Reserve- fläche z. Zt. nicht nutzbar). Diese Flächen sind deshalb i.d.R. auch für keine andere städte- bauliche Nutzung geeignet.

Ein Teil der erfassten Reserveflächen in den Neusser Gewerbe- und Industriegebieten (FNP- Darstellung) steht nicht für eine zukünftige gewerbliche Nutzung zur Verfügung. Dies hat un- terschiedliche Gründe. Ein wesentlicher Grund sind veränderte Entwicklungsvorstellungen und –absichten der Stadtplanung und Stadtentwicklung. Ein weiterer Grund sind Restriktio- nen, die einer gewerblichen Nutzung im Wege stehen können bzw. die Eignungsqualität der Flächen reduzieren oder die Nutzbarmachung der Flächen deutlich erschweren, was erhöhte Kosten zur Folge hätte. Für diese Flächen werden eine entsprechende Korrektur der planeri-

82 Gewerbeflächen Neuss 2011

schen Zielvorstellung und eine Rücknahme ihrer Darstellung als GE bzw. GI-Flächen im Flä- chennutzungsplan empfohlen (g: Rücknahme GE / GI-Darstellung).

4.4.1 Verfügbarkeit/Marktfähigkeit der vorhandenen Gewerbeflächenreserven Die nachfolgende Grafik (Abb. 50) zeigt, wie sich die erfassten Gewerbeflächenreserven hin- sichtlich ihrer Verfügbarkeit in die oben beschriebenen Kategorien aufteilen. Das größte „Tortenstück“ nehmen die verfügbaren Reserveflächen (Kategorie a) ein. Sie ha- ben einen Umfang von ca. 41,9 ha, was ca. 31,8 % aller erfassten Gewerbeflächenreserven entspricht. Ein Teil dieses Flächenkontingentes steht unmittelbar zur Verfügung bzw. zur Vermarktung bereit. Den anderen Teil dieses Kontingentes nehmen noch nicht erschlossene GE oder GI-Gebiete ein. Diese Flächen werden in den nächsten Jahren erschlossen und ent- wickelt und stehen vorraussichtlich in dem Zeitraum bis zum Jahr 2015 für Gewerbeansied- lungen zur Verfügung. Reserveflächen in privatem Eigentum, deren Verfügbarkeit unklar ist (Kategorie b), summie- ren sich auf ca. 15,1 ha im Neusser Stadtgebiet. Sie haben damit einen Anteil von 11,5 % an den erfassten Reserveflächen.

Abb. 50

Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

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Betriebsgebundene Reserveflächen haben in Neuss eine Größenordnung von 23,7 ha. Dies entspricht 18,0 % aller erfassten Gewerbeflächenreserven. Die privaten Reserveflächen für Büro- oder Dienstleistungsnutzungen (Kategorie e) im Bü- ropark Hammfeld ergeben ein Flächenvolumen von ca. 5,3 ha. Hinzu kommen 1,4 ha der vor- gesehenen Erweiterungsflächen nördlich des Büroparks Hammfeld, die sich nicht im Eigen- tum der Stadt Neuss befinden, so dass sich insgesamt 6,7 ha ergeben.

Die mittelfristig für Büro- und Dienstleistungsnutzungen zur Verfügung stehenden Flächenre- serven (Kategorie d) nördlich des Büroparks Hammfeld umfassen 7,1 ha Fläche. Zudem steht eine Reservefläche von 0,8 ha auf der Rückseite des Neusser Bahnhofs im Gewerbegebiet Weißenberger Weg für Büro- / Dienstleistung zur Verfügung, so dass sich insgesamt 7,9 ha verfügbare Flächen für Büro- und Dienstleistungsnutzungen ergeben. Zusammen ergeben die verfügbaren und die privaten Reserveflächen für Büro- und Dienst- leistungsnutzungen ca. 14,6 ha, was einem Anteil von 11,1 % der erfassten Gewerbeflächen- reserven entspricht. Ca. 35,9 ha bzw. ca. 27,2 % der erfassten Reserveflächen werden zukünftig nicht mehr für ei- ne gewerbliche Nutzung / Entwicklung zur Verfügung stehen (Kategorie g), weil sie für an- dere Nutzungen oder städtebauliche Entwicklungen zur Verfügung gestellt werden sollen oder Restriktionen aufweisen, die ihre Eignungsqualität für eine gewerbliche Nutzung erheblich reduzieren. Weitere 0,6 ha Reserveflächen sind aufgrund entgegen stehender Restriktionen z. Zt. nicht nutzbar (Kategorie f). Die nachfolgende Tabelle gibt noch einmal einen Überblick über die Reserveflächensituation.

Tab. 7: Gewerbeflächenreserve nach Verfügbarkeit

Reserveflächen Status Flaechenumfang in ha Flächenanteil a: Reservefläche verfügbar 41,9 31,8% b: Reservefläche in Privateigentum 15,1 11,5% c: betriebsgebundene Reservefläche 23,7 18,0% d: verfügbare Reservefläche für Büro / DL 7,9 6,0% e: private Reservefläche für Büro / DL 6,7 5,1% f: Reservefläche z. Zt. nicht nutzbar 0,6 0,5% g: Rücknahme GE-/GI-Darstellung 35,9 27,2% Gesamtergebnis 131,8 100,0% Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

Unter Einbeziehung der Flächenverfügbarkeit stellt sich die Gewerbeflächensituation in Neuss damit so dar, dass von den ca. 132 ha nicht genutzter Flächen insgesamt ca. 50 ha zur freien Verfügung stehen – die 41,9 ha an verfügbaren Reserveflächen zuzüglich der 7,9 ha verfügbarer Reserveflächen, die für Büro oder Dienstleistungsnutzungen vorgesehen sind (ü- berwiegend im vorgesehenen Erweiterungsbereich für den Büropark Hammfeld).

Eine räumlich differenzierte Betrachtung zeigt, dass sich die Flächenreserven nicht gleichmä- ßig über das Stadtgebiet bzw. die erfassten GE- und GI-Gebiete verteilen. Es ist im Gegenteil so, dass sich die Flächenreserven, insbesondere die verfügbaren, auf wenige Gebiete und

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Standorte konzentrieren. Die Abb. 51 gibt die Verteilung der Flächenreserven auf die erfass- ten GE und GI-Gebiete wider. Das größte Reserveflächenkontingent findet sich im Gewerbegebiet Bataverstraße am nördli- chen Rand des Stadtgebietes. Von den dort 33,7 ha ungenutzter Gewerbeflächen (GE) ist etwa die Hälfte (16,1 ha) für eine Herausnahme aus der FNP-Darstellung vorgesehen. Diese Flä- chen lassen sich aufgrund der ungünstigen verkehrlichen Anbindung sowie der teilweise schwierigen Bodenverhältnisse in dieser Größenordnung nicht mehr für eine gewerbliche Nutzung sinnvoll entwickeln und vermarkten. Es verbleiben dort dennoch 16,2 ha frei verfüg- bare Gewerbeflächen. Dies entspricht ca. 38,7 % aller verfügbaren Reserveflächen im Neus- ser Stadtgebiet.

Abb. 51

Verteilung der Gewerbeflächenreserven in Neuss

40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 Fläche in ha in Fläche 10,0 5,0 0,0

d e e e e e e e el ße ße eg en eg f reuz weg aß äf w m k traße tr traß raß ra raß ra traß traß W ins S s itzweg s r Straß H ins ammfeld er en er te H Ham agel elsgraben Kre ainst fer St m er H avers her Land M r / ho uchers feis ldorf laus m ens Bat ac e k T park A e c B m ß iet Rö st iet Raif m H iet Blauste Ku / eißenberge üsse he Büropark Büro A am geb e W D ebiet t Gladb H s- fläc ng iet egeb raß iet egebiet e gebiet erbe rb eru erb Gewerbegebiet rbegebiet Ringbahnstraßebegebiet Schellbergst erv erbeg egebie Gewerbegebiet Habichtweg e ew Neus egebiet iet Kruppstraerbe G er Gewerbegebher St ewe ew GewerbegebietGew erb b rbegeb G Res G Gewerbegebiet Bockholtstraßeerb ew Gew at e Erweit G Gew Gewerbegeb Gew cker Gew und Gew Ü - t trie Gewerbege us Ind

Gewerbegebie

a: Reservefläche verfügbar b: Reservefläche in Privateigentum c: betriebsgebundene Reservefläche d: verfügbare Reservefläche für Büro / DL e: private Reservefläche für Büro / DL f: Reservefläche z. Zt. nicht nutzbar g: Rücknahme GE-/GI-Darstellung Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

Im Gewerbegebiet Tucherstraße im südlichen Stadtgebiet liegt mit 22,8 ha ungenutzter Ge- werbeflächen das zweitgrößte Reserveflächenkontingent. Von diesen sind 10,3 ha für eine Herausnahme aus der FNP-Darstellung vorgesehen, die sich durch die eingetretene Situation nicht mehr für eine gewerbliche Ansiedlung eignen. Es handelt sich dabei um Flächen, die zwischen dem Betriebsgelände des Aluminium-Werkes Norf und der freien Strecke der Bun- desstraße B 9 (Koblenzer Straße) liegen. Sie sind aufgrund ihrer ‚eingezwängten’ Lage ver- kehrlich nicht zu erschließen; innerhalb dieses Bereiches befinden sich zudem eingestreute Wohnnutzungen, die einer gewerblichen Nutzung im Wege stehen. Von den verbleibenden ungenutzten Gewerbeflächen stehen 11,3 ha zur freien Verfügung, 0,7 ha sind Flächen in Pri-

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vateigentum mit einer unklaren Verfügbarkeit und weitere 0,5 ha sind betriebsgebundene Flä- chen. Mit seinen 11,3 ha verfügbare Gewerbeflächen verfügt das Gewerbegebiet Tucherstraße über ca. 27,0 Prozent aller verfügbaren Gewerbeflächen im Neusser Stadtgebiet. Durch die besonderen Standorteigenschaften und den vorhandenen Branchenmix im Gewerbegebiet Tucherstraße eignet sich der größte Teil der hier vorhandenen Flächenreserven (ca. 10,1 ha größere zusammenhängende Flächen) auch für die Ansiedlung von modernen Logistikunter- nehmen. Zwei kleinere Flächen liegen in einem Bereich mit hochwertigen Büro- und Dienst- leistungsnutzungen, so dass sie sich besonders für die Ansiedlung solcher Betriebe eignen.

Im Bereich der Neuss-Düsseldorfer Häfen wurden 20,8 ha ungenutzter GE-/GI-Flächen er- fasst. Davon sind aber der größte Teil (12,2 ha) betriebsgebundene Flächen, weitere 4,6 ha stehen aufgrund der Eigentumsverhältnisse aktuell nicht zur Verfügung. Lediglich 1,7 ha un- genutzter Flächen sind im Hafenbereich derzeit verfügbar. Als Hafenflächen weisen sie eine besondere Eignung für Logistikunternehmen auf.

Die übrigen ungenutzten Gewerbeflächen verteilen sich auf eine ganze Reihe von Gewerbe- gebieten und -standorten im Stadtgebiet. Im Büropark Hammfeld gibt es 7,9 ha ungenutzter Flächen, davon 5,3 private Flächen für Büro- und Dienstleistungsnutzungen und 2,6 ha be- triebliche Flächenreserven. Weitere 8,5 ha werden mittel- bis langfristig auf der nördlichen Erweiterungsfläche des Büroparks zur Verfügung gestellt, davon sind 1,4 ha private Flächen, die übrigen 7,1 ha sind in kommunalem Eigentum und werden mittelfristig für Büro- und Dienstleistungsnutzungen zur Verfügung stehen.

Im Industrie- und Gewerbegebiet Bonner Straße wurden 6,9 ha ungenutzter Flächen erfasst, von denen aber nur 1,3 ha verfügbar sind, 4,6 ha sind in Privateigentum mit unklarer Verfüg- barkeit, 0,5 ha sind betriebsgebunden und 0,5 ha sollen nicht mehr für eine gewerbliche Nut- zung entwickelt werden.

Das geplante Gewerbegebiet im Bereich Kuckhofer Straße ist zur Zeit noch nicht vollständig erschlossen. Das hier vorhandene Flächenvolumen (7,7 ha) steht damit nicht sofort zur Verfü- gung, sondern erst wenn die Erschließung realisiert ist (voraussichtlich innerhalb der nächsten 2 bis 3 Jahre). Eine bereits erschlossene ca. 1,1 ha große Reservefläche ist betrieblich gebun- den. Weitere 2,1 ha sind Reserveflächen in Privateigentum, so dass nur noch 4,6 ha frei ver- fügbare Flächenreserven sind.

Im sich neu entwickelnden Gewerbegebiet Habichtweg wurden 4,9 ha ungenutzter Gewerbe- flächen erfasst. Davon sind 2,4 ha betriebsgebundene Reserveflächen; 2,5 ha Gewerbeflächen stehen dort derzeit noch für nachfragende Unternehmen zur Verfügung. Diese Flächen eignen sich besonders für kleine und mittlere Unternehmen sowie für Büro- und Dienstleistungsnut- zungen. Im Gewerbegebiet Hammer Landstraße sind noch 2,4 ha ungenutzte Gewerbeflächen verfüg- bar. Aufgrund ihrer Nähe zu bereits vorhandener Büronutzungen eignen sie sich für Büro-

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und Dienstleistungen aber auch für sonstige Gewerbeansiedlungen. Weitere 0,6 ha betriebs- gebundene Reserveflächen sind im Gewerbegebiet Hammer Landstraße vorhanden.

Eine noch nicht erschlossene Gewerbliche Baufläche von 4,5 ha liegt nördlich des Blau- steinsweges am nördlichen Rand des Stadtteils Holzheim. Diese Fläche hat aufgrund ihrer Lage, insbesondere wegen der ungünstigen verkehrlichen Erschließungsmöglichkeiten aus heutiger Sicht eine geringe Eignung für einen Gewerbestandort. Sie ist deshalb nicht mehr für eine Gewerbliche Entwicklung vorgesehen und soll aus der FNP-Darstellung heraus genom- men werden.

Weitere ungenutzte Gewerbeflächen verteilen sich auf 10 verschiedene Gewerbegebiete im Stadtgebiet. Es sind kleine Einzelflächen, deren Gesamtumfang nicht einmal 10 ha umfasst. Bis auf wenige Ausnahmen befinden sie sich in Privateigentum mit einer entsprechend unkla- ren Verfügbarkeit.

4.4.2 Bewertung der Reserveflächensituation in Neuss Die Bestandsaufnahme macht deutlich, dass es in der Stadt Neuss gegenwärtig ein Kontingent an nicht genutzten Gewerbe- und Industrieflächen gibt, das sich insgesamt auf ca. 132 ha summiert. Nach Abzug der aufgrund von Restriktionen z.Zt. nicht nutzbaren Flächenreserven (0,6 ha) sowie der Flächenreserven, die künftig aus stadtentwicklungs- und städtebaulichen Gründen nicht mehr für eine gewerbliche Entwicklung zur Verfügung gestellt werden sollen (35,9 ha), reduzieren sich die Gewerbereserveflächen im Stadtgebiet von Neuss auf ca. 95 ha.

Die differenzierte Betrachtung der Flächenreserven hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit zeigt, dass davon ca. 43 ha sofort bzw. in den nächsten zwei bis drei Jahren verfügbar sind. Dieser Flächenvorrat, setzt sich aus ca. 42 ha an verfügbaren Gewerbeflächen (Kategorie a) und den 0,8 ha Reserveflächen für Büro- und Dienstleistungsnutzungen (Kategorie d) im Gewerbege- biet Weißenburger Weg (auf der Rückseite des Neusser Bahnhofs) zusammen. Weitere 8,5 ha sollen mittelfristig auf der Erweiterungsfläche nördlich des bestehenden Büroparks Hammfeld für Büro- und Dienstleistungen entstehen. Davon befinden sich 1,4 ha in Privateigentum, so dass 7,1 ha Flächen in diesem Bereich für Dienstleistungsnutzungen frei zur Verfügung ste- hen werden.

Hinsichtlich der räumlichen Verteilung des Gewerbeflächenangebots im Neusser Stadtgebiet ist eine Konzentration auf wenige Standorte festzustellen. So umfassen die drei Standorte ‚Bataverstraße’, ‚Tucherstraße’, und ‚Kuckhofer Straße’ bereits drei Viertel des derzeit ver- fügbaren Gewerbeflächenangebotes der Stadt Neuss. Dabei verfügt der Standort ‚Tucherstra- ße’ über besondere Standortqualitäten, die ihn insbesondere auch für die Ansiedlung von Lo- gistikunternehmen sowie von Büro- und Dienstleistungsnutzungen interessant machen.

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Betriebsgebundene Reserven (23,7 ha) sowie Reserveflächen in privater Hand, deren Markt- verfügbarkeit von den Eigentümern abhängt (15,1 ha), summieren sich zusammen auf ca. 38,8 ha. Dies zeigt das Maß an unausgeschöpften Gewerbeflächenpotenzialen in der Stadt Neuss. Haupthemmnisse zur Aktivierung solcher Flächenpotenziale in privater Hand sind nach aller Erfahrung meist mangelndes Verkaufsinteresse der Eigentümer oder den Entwick- lungszielen Gewerbe / Industrie entgegenstehende Nutzungsziele der Eigentümer74.

In der Aktivierung dieser Flächenpotenziale besteht aus unserer Sicht ein strategisches Hand- lungsfeld für die zukünftige Gewerbeflächenentwicklung. Gelingt es beispielsweise die Hälfte der Gewerbeflächenreserven in privater Hand zu aktivieren, so erweitert sich das verfügbare Reserveflächenpotenzial um 7 bis 8 ha, ohne dass ein neuer Standort gefunden, planerisch vorbereitet, erschlossen und letztlich zusätzlich als Gewerbefläche in Anspruch genommen werden müsste. Damit können nicht nur knappe und damit wertvolle Flächenressourcen son- dern auch finanzielle Aufwendungen für planerische Vorbereitung und Erschließung eines neuen Standortes eingespart werden.

Insgesamt ist die derzeitige Gewerbeflächensituation in Neuss durch ein Flächendefizit ge- kennzeichnet. Der Umfang verfügbarer Flächen reicht nicht aus, um den Flächenbedarf in den meisten Teilmärkten decken zu können.

Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass die Flächenpotenziale im Neusser Stadtge- biet für neue Standorte, die diesen Anforderungen gerecht werden können, angesichts der vorhandenen Besiedelung des Stadtgebietes sowie der Flächenansprüche konkurrierender Nutzungen in der sich weiterhin dynamisch entwickelnden Rheinschiene zwischen den beiden Wachstumspolen Düsseldorf und Neuss sehr begrenzt sind.

4.5 Empfehlungen zur Rücknahme von GE/GI-Darstellungen genutzter Bestandsflächen

Die Bestandsaufnahme erfasste sämtliche Flächen in den im Flächennutzungsplan gem. §§ 8 und 9 BauNVO dargestellten GE und GI-Gebieten im Neusser Stadtgebiet. Bei der Abstim- mung der Ergebnisse wurde u.a. deutlich, dass es im Stadtgebiet vereinzelt genutzte GE- Gebiete oder Teilbereiche gibt, deren Nutzung und Entwicklung inzwischen eine andere Rich- tung eingeschlagen hat und für die die Ziele der Stadtentwicklung im Zuge einer anstehenden Überarbeitung bzw. Neuaufstellung des Flächennutzungsplans entsprechend anzupassen sind. Es handelt sich dabei bspw. um eine größere Fläche innerhalb eines Gewerbegebietes mit großflächigem Einzelhandel, die zukünftig als Sondergebiet gem. § 11 BauNVO dargestellt

74 Dieses Phänomen ist nicht ungewöhnlich. Es wurde in allen in den letzten Jahren von Planquadrat Dortmund durchgeführ- ten Gewerbeflächenuntersuchungen (bspw. , Rheine, Hamm, Velbert) in unterschiedlichem Ausmaß festgestellt. Es wird auch durch Analysen und Untersuchungsergebnisse des Deutschen Instituts für Urbanisitk (Difu) und des Bundes- amtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) bestätigt; vgl.: Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Po- tenziale für eine Flächenkreislaufwirtschaft (Expertise), Berlin, Dez. 2004, überarbeitet Sept. 2007, S. 49

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werden sollte oder um Flächen, auf denen sich Wohn- oder Mischnutzungsstrukturen etabliert haben oder um Flächen, die zu Verkehrsflächen geworden sind. Solche Flächen sind im Kar- tensatz der Reserveflächen als „Rücknahmen_Bestand“ gekennzeichnet. Im gesamten Stadt- gebiet umfassen diese Flächen ca. 10 ha, was einem Anteil von ca. 1 Prozent der erfassten Flächen entspricht.

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5. Gewerbeflächenbilanz

Ein Ziel der Untersuchung ist die Prognose der betrieblichen Nachfrage nach gewerblichen Bauflächen. Es wurde eine zu erwartende Nachfrage zwischen ca. 53 ha (nach der analytisch- ökonometrischen Prognose GIFPRO) und 68 ha (Extrapolation der Baufertigstellungsstatistik) für einen 15-jährigen Zeitraum prognostiziert. Die Befragung der Betriebe ergab einen Bedarf von rd. 22,5 ha und hochgerechnete auf den gesamten Prognosezeitraum von rd. 80 ha. Ver- gleicht man die drei Prognoseergebnisse, dann kann mit großer Sicherheit von einem Bedarf von über 50 ha ausgehen. Angesichts der Übereinstimmung der beiden Ergebnisse aus der Be- rechnung und Befragung kann diese Größenordnung als Untergrenze gewertet werden. Das Ergebnis von ca. 70 ha ist mit Sicherheit die obere Intervallgrenze der Nachfrage. Im Weite- ren wird von diesem Wert ausgegangen.

Tab. 8: Zusammenstellung der Prognose Prognose Prognose- ergebnis Baufertigstellung 68,0 ha GIFPRO 53,0 ha Betriebsbefragung 22,5 ha75

Der ermittelten Nachfrage von 68 ha Gewerbeflächen sind die Ergebnisse der Bestandsauf- nahme gegenüber zu stellen. Gegenwärtig sind in den Gewerbeflächendarstellungen im rechtswirksamen Flächennutzungsplan der Stadt Neuss ca. 132 ha gewerbliche Bauflächen unterschiedlicher Qualität und Verfügbarkeit enthalten. Die Abstimmungen und Bewertungen der erfassten Gewerbeflächenreserven haben ergeben, dass davon rund 43 ha Gewerbeflächen ohne Einschränkungen zur Verfügung gestellt werden können, die weitgehend der Stadt Neuss gehören. Zusätzlich hält die Stadt Neuss weitere rund 7 ha ungenutzte Flächen mittel- bis langfristig für eine Erweiterung des Büroparks Hammfeld und damit für Büro- / Dienst- leistungsnutzungen vor.

Zudem wurden ungenutzte Gewerbeflächen privater Flächeneigentümer in einer Größenord- nung von ca. 38,8 ha ermittelt. Der größere Teil dieses Flächenvorrats (= 23,7 ha) sind be- triebliche Reserve- bzw. Vorratsflächen im engeren Sinne, die von den Betrieben für optiona- le Betriebserweiterungen vorgehalten werden. Der kleinere Teil (= 15,1 ha) sind ungebundene Flächen, deren planungsrechtlicher Status eine gewerbliche Nutzung im Sinne der §§ 8 und 9 BauNVO zulässt. Die maximale Differenz zwischen dem ermittelten Bedarf (ca. 68 ha) und den verfügbaren Gewerbeflächen (ca. 43 ha) ließe sich mit diesen privaten Flächen rein rech-

75 Die Betriebsbefragung ergab für den Zeitraum von 5 Jahren eine Größenordnung von 225 ha. Rechnet man diesen Wert einfach hoch, dann wird der Prognosewert bei 70 ha liegen. Dies hängt vom Anteil der Wiedernutzung, aber auch von der tatsächlichen Verlauf der Tertiärisierung ab.

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nerisch deutlich reduzieren, so dass ein rechnerisches Flächendefizit von ca. 10 ha verbleiben würde. Es ist aber zu erwarten, dass nur ein geringer Anteil der in privater Verfügbarkeit befindlichen Flächen im Verlauf des nächsten Jahrzehnts der allgemeinen gewerblichen Nutzung zugäng- lich wird. Zum Teil werden solche Flächen spekulativ (mit dem Ziel höhere Grundstücksprei- se zu erzielen) und zum Teil für eigene Vorhaben gehalten. Unterstellt man, dass nur ein An- teil von einem Prozent je Jahr aus diesem Flächenkontingent zur Verfügung steht bzw. ge- stellt wird, ergibt dies in den nächsten 15 Jahren etwa 2,3 ha Gewerbefläche. Damit ist der Ausgleich zwischen der erwarteten maximalen Nachfrage und dem Flächenangebot realistisch nicht zu erreichen. Es verbleibt ein Gewerbeflächendefizit von ca. 25 ha, das durch die Bereit- stellung und Entwicklung zusätzlicher Gewerbeflächen zu decken ist.

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6. Neue Gewerbe- und Industriestandorte in Neuss

Gewerbe- und Industrieflächen haben hohe Standortanforderungen und können deshalb – auch wenn man die Kosten außer Acht lässt – nicht in beliebigem Umfang „produziert“ wer- den. Straßentrassen lassen sich nicht überall und in beliebigem Umfang erstellen und der nut- zungsbedingt erforderliche Abstand zur Wohnbebauung kann nachträglich (durch den Abriss von Wohnhäusern) nicht hergestellt werden. Neue Gewerbe- und Industriestandorte sollten daher über ein Flächenpotenzial verfügen, das über den aktuellen Planungshorizont hinaus- reicht. Für Neuss bedeutet dies ein zusätzliches Flächenpotenzial in einer Größenordnung zwischen 20 und 60 ha im neuen Flächennutzungsplan darzustellen. Die zusätzlichen Flächen sollten sich dabei auf nicht mehr als maximal 3 Standorte aufteilen.

6.1 Standortsuche

Für die Ermittlung eines geeigneten neuen Gewerbestandortes wird ein 2-stufiges Suchverfah- ren angewandt. Zunächst werden im gesamten Stadtgebiet diejenigen Bereiche bestimmt, die sich grundsätzlich nicht für die Ansiedlung eines neuen Gewerbestandortes eignen (Aus- schlussflächen). Im zweiten Schritt – der Eignungsbewertung – werden die im ersten Schritt ermittelten potenziell geeigneten Flächen im Hinblick auf ihre Eignungsqualitäten bewertet und miteinander verglichen, mit dem Ziel eine nachvollziehbare Rangfolge hinsichtlich ihrer Eignung als Gewerbestandort zu erhalten. Dies erfolgt durch eine systematische Ermittlung und Bewertung von Eignungsmerkmalen und –qualitäten mit Hilfe einer an der Nutzwertana- lyse orientierten Methode.

Ziel des ersten Verfahrensschrittes ist es, für einen zusätzlichen Gewerbestandort potenziell geeignete Flächen zu bestimmen. Dies geschieht mit Hilfe einer Negativauswahl. Es werden zunächst die Flächen benannt und kartiert, die für einen neuen Gewerbeflächenstandort gene- rell nicht in Frage kommen. Dies sind die bestehenden Siedlungsflächen. Daneben scheiden Wasserflächen, für den Gewässerschutz wesentliche Schutzbereiche, Flächen für Aufschüt- tungen und Abgrabungen, Waldflächen sowie Naturschutz- und FFH-Gebiete aus. Die Aus- schlussflächen sind im Einzelnen nachfolgend aufgelistet.

Ausschlussflächen  Siedlungsflächen  vorhandene Wohnbauflächen  vorhandene Gewerbeflächen  vorhandene Sonderbauflächen  sonstige Siedlungsflächen (hierzu zählen sowohl siedlungsbezogene Grünflächen wie Parkanlagen, Friedhöfe Kleingartenanlagen etc. als auch großflächige Freizeitnutzungen wie Golfplätze, Campingplätze, etc.)

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 Wasserflächen  Wasserschutzzonen I und II  Überschwemmungsbereiche  Flächen für Abgrabungen und Aufschüttungen  Waldflächen  Landschafts-, Naturschutz- und FFH-Gebiete einschl. eines Schutzabstandes von 200 m

Insgesamt verbleiben im Neusser Stadtgebiet nach diesem Arbeitsschritt 9 Areale, die poten- ziell für einen Gewerbestandort in der genannten Größenordnung geeignet sind. Sie sind in der Übersichtskarte „Standortsuche“ eingetragen. Die Standorte sind nachfolgend aufgeführt. Sie werden in einem weiteren Arbeitsschritt näher untersucht und einer vergleichenden Be- wertung unterzogen: Standort 1: eine Fläche am nordwestlichen Rand des Stadtgebietes, nordwestlich der Sied- lung Morgensternheide (Morgensternheide) – ca. 17,7 ha, Standort 2: eine Fläche im westlichen Stadtgebiet an der A 57, westlich der Anschlussstelle Neuss (Anschlussstelle Neuss (A 57)), - ca. 32,0 ha Standort 3: eine Fläche, die sich westlich an das Gewerbegebiet Kreitzweg im Stadtteil Holzheim bis zur Anschlussstelle Neuss-Holzheim (A 57) anschließt (Erweiterung Gewer- begebiet Kreitzweg), - ca. 28,4 ha Standort 4: eine Fläche an der südlichen Stadtgrenze, südlich des Stadtteils Hoisten (Hoisten-Süd), - ca. 61,1 ha Standort 5: eine Fläche, die südlich an das Gewerbegebiet ‚Am Henselsgraben’ im Stadtteil Allerheiligen anschließt (Ergänzung Gewerbegebiet Am Henselsgraben) – ca. 9,0 ha Standort 6: eine Fläche an der südöstlichen Stadtgrenze, südöstlich des Stadtteils Allerheili- gen (Allerheiligen-Südost), - ca. 96,1 ha Standort 7: eine Fläche zwischen Kuckhofer Straße und der A 57 nordöstlich des S-Bahn- Haltepunktes Neuss-Allerheiligen (Kuckhofer Straße - Ost), - ca. 27,9 ha Standort 8: eine Fläche, die sich südöstlich an das Gewerbegebiet ‚Kruppstraße / Mainstraße’ im Stadtteil Derikum anschließt (Erweiterung Gewerbegebiet Kruppstraße / Mainstraße) – ca. 21,9 ha Standort 9: eine Fläche an der B 9 südöstlich des Ortsteils Grimlinghausen (Grimlinghau- sen-Südost), - ca. 45,4 ha

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6.2 Eignungsbewertung ausgewählter Gewerbeflächenpotenziale

Nach der Negativauswahl werden die im ersten Untersuchungsschritt ermittelten potenziellen Gewerbestandorte im Folgenden detailliert hinsichtlich ihrer Qualitäten und Restriktionen un- tersucht und bewertet. Ziel dieses Arbeitsschrittes ist es, für jede untersuchte Fläche eine ver- gleichbare Bewertung ihrer Standortfaktoren sowie eine Gesamtbeurteilung zu erhalten, um damit eine nachvollziehbare Rangfolge der untersuchten Flächen hinsichtlich ihre Eignung als Gewerbestandort aufstellen zu können.

Die verwendete Methodik zur Bewertung der potenziell geeigneten Gewerbestandorte orien- tiert sich an der Nutzwertanalyse. Anhand der an einen Gewerbestandort zu stellenden Anfor- derungen werden Standortfaktoren definiert und diese "messbaren" Indikatoren zugeordnet. Auf dieser Grundlage wird ein Bewertungstableau erstellt, das eine einheitliche Erfassung, Bewertung und Gewichtung der Indikatoren erlaubt. Es ermöglicht damit eine nachvollzieh- bare und transparente Bewertung der erfassten Indikatorausprägungen für jeden untersuchten Standort. Zudem wird jedem Indikator ein Gewicht zugeordnet, der seine Bedeutung für die Beurteilung des Standortfaktors bestimmt. Die Bedeutung jedes Standortfaktors für die Ge- samtbeurteilung wird ebenfalls durch einen Gewichtungsfaktor festgelegt. Durch dieses Vor- gehen wird der gesamte Bewertungsvorgang transparent und nachvollziehbar. Es ermöglicht auch die Gewichtungen einzelner Indikatoren oder Standortfaktoren zu verändern und auf die Gegebenheiten anzupassen.

6.2.1 Kriterien und Indikatoren zur Eignungsbewertung Die wesentlichen Kriterien für die Bewertung potenzieller Gewerbestandorte ergeben sich aus den Anforderungen, die an eine entwicklungsfähige Gewerbefläche zu stellen sind. Hierzu liegen auch bereits eine Reihe von Untersuchungen vor, die für die Erarbeitung des Kriterien- katalogs mit herangezogen wurden.76

Wesentliche Kriterien (Standortfaktoren), die die Qualität einer Gewerbefläche beschreiben, sind:  Die Fläche selbst (mit ihren Eigenschaften Größe und Verfügbarkeit): Die Flächengröße beeinflusst das Potenzial und die Wirtschaftlichkeit eines neuen Gewer- bestandortes. Mit der Flächengröße steigt i. d. R. das Potenzial an entwicklungs- und ver- marktungsfähigen Gewerbeflächen und gleichzeitig verringert sich der Erschließungsauf- wand je Quadratmeter Nettobauland. Beliebige Grundstückszuschnitte sind, bedingt durch

76 Vgl. u.a.: Gauch, M. / Hain, E.: Methodische Grundlagen zur Ermittlung potenzieller Gewerbeflächen im Umland größerer Städte. Kaiserslautern 1991 (= Werkstattbericht Nr. 16, Studiengang Raum- und Umweltplanung, Lehr- und Forschungsge- biet Regional- und Landesplanung an der Universität Kaiserslautern (Hrsg.: Prof. Dr. H. Kistenmacher)) Gantke, H./Geist, O./Pflum, S.: Ausweisung von Gewerbeflächen in der Stadt Göttingen; Dortmund 1989; (= Diplomarbeit an der Abtlg. Raumplanung der Universität Dortmund) Planquadrat Dortmund: Gewerbeflächenprognose und Gewerbestandorte für die Stadt Göttingen 1990 bis 2000; Dortmund 1989; (= Gutachten im Auftrag der Stadt Göttingen)

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Topographie, Zuschnitt und Größe der Gesamtfläche, aber auch erschließungstechnisch und unter ökonomischen Gesichtspunkten, nicht möglich. Nur relativ flach geneigtes Ge- lände mit einer Hangneigung unter 5 Prozent77 und ein geeigneter Flächenzuschnitt erlau- ben große Grundstücke (> 10.000 m²) mit einem entsprechenden Erschließungsraster. Die Flächenverfügbarkeit wird im Wesentlichen von den Eigentumsverhältnissen und der Inte- ressenlage der Eigentümer bestimmt. Bei Flächen in Fremdeigentum steht die Verfügbar- keit nicht selten in Frage bzw. stellt einen zusätzlichen Kostenfaktor für die Standortent- wicklung dar.  Die Erschließbarkeit der Fläche: Die Erschließbarkeit der Fläche gibt Aufschluss über den notwendigen Aufwand und die damit verbundenen Kosten, um einen Standort zu erschließen. Sie ist abhängig von der Art und Qualität der vorhandenen Vorfelderschließung, der Entfernung zu vorhandenen Ver- und Entsorgungsleitungen und deren Kapazitäten sowie der inneren Erschließbarkeit der Fläche. Aus stadtplanerischer Sicht müssen Aufwand und Kosten für die Erschließung ei- nes neuen Gewerbestandortes in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Entwicklungs- potenzial stehen. Prinzipiell sollte der Erschließungsaufwand möglichst gering gehalten werden.78 Im Rahmen dieser Standortsuche können noch keine Erschließungskosten quan- tifiziert werden, so dass zunächst nur qualitative Einschätzungen zur Erschließbarkeit bzw. Erschließungsaufwand möglich sind. Konkretere Kostenschätzungen sind im weiteren Pla- nungsprozess vorzunehmen.  Die Lagegunst: Die Lagegunst eines Gewerbestandortes wird von mehreren Faktoren bestimmt. Eine we- sentliche Rolle spielen dabei:  die Anbindung an das großräumige Verkehrsnetz bzw. die Erreichbarkeit von Autobah- nen;  die Qualität der ÖPNV-Anbindung;  die Entfernung zu vorhandener Versorgungsinfrastruktur (Kopplungsmöglichkeit von Arbeiten und Einkaufen – Möglichkeit zur Versorgung der Beschäftigten in der Mit- tagspause)  der Zusammenhang und die Lage zur gewachsenen Siedlungsstruktur insbesondere zu vorhandenen Gewerbegebieten sowie zu den Schwerpunkten der Siedlungsentwicklung (im Regionalplan dargestellte Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereiche bzw. Wohn- siedlungsbereiche);  Nutzungskonflikte / Flächenkonkurrenzen: Erkennbare Nutzungskonflikte können die Eignung eines potenziellen Gewerbestandortes beeinträchtigen. Hier kommen zunächst Immissionskonflikte aufgrund geringer Abstände zu empfindlichen Nutzungen (z.B. Wohnen) zum Tragen. Nutzungskonflikte können aber auch aufgrund auf der Fläche vorhandener oder geplanter Nutzungen bestehen, die nicht

77 Dies ist im Neusser Stadtgebiet nahezu überall gegeben. 78 Bei großflächigen Standorten mit einem entsprechend großen Flächenpotenzial kann ein höherer Erschließungsaufwand durch größere und/oder längere Zuleitungen oder zuführende Straßen auf eine größere Fläche umgelegt werden und damit wirtschaftlich werden.

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mit einem Gewerbestandort kompatibel sind und deshalb eine Verlagerung der Nutzung nach sich ziehen (bspw. Verlagerung eines landwirtschaftlichen Betriebes). Die Ressource ‚Fläche’ ist in einer dicht besiedelten Wachstumsregion wie der Region Neuss / Rheinschiene ein knappes und wertvolles Gut. Wie die Ausschlusskartierung er- kennen lässt, sind nicht nur für gewerbliche Nutzungen geeignete, sondern generell für Siedlungserweiterungen entwicklungsfähige Flächen im Neusser Stadtgebiet nur noch in begrenztem Umfang vorhanden. Damit konkurrieren unterschiedliche siedlungsbezogene Nutzungen und Nutzungsansprüche, um das begrenzte Flächenpotenzial im Neusser Raum. So kann ein potenzieller Gewerbestandort - je nach Lage und Ausstattung - in Konkurrenz mit einer anderen Entwicklungsoption auf dieser Fläche treten. Ein weiterer Nutzungskonflikt bzw. eine Flächenkonkurrenz kann im Hinblick auf Freiflä- chen auftreten, die zu vorhandenen Grünzügen gehören und wichtige Funktionen für Frei- zeit- und Erholungsnutzung oder für ökologische (Ausgleichs-)leistungen (bspw. Ventila- tionszonen für Frischluftzufuhr in dicht besiedelte Quartiere) übernehmen.  Darüber hinaus werden eine Reihe von Schutzansprüchen in der Eignungsbewertung mit berücksichtigt, die zwar eine gewerbliche Nutzung nicht generell ausschließen, aber eine Einschränkung der gewerblichen Nutzbarkeit der Fläche darstellen oder die Umsetzbarkeit einer solchen Planung erschweren oder verzögern können. Es werden folgende Restrikti- onen bei der Bewertung berücksichtigt:  Naturschutzrechtlich wertvolle / schützenswerte Flächen und Bereiche (Geschützte Landschaftsbestandteile, geschützte Biotope)  Wasserschutzgebiete  Hochspannungsfreileitungen ab 110 kV (wegen der einzuhaltenden Schutzabständen)79

Dabei wird jeweils berücksichtigt, zu welchem Grad bzw. zu welchen Anteilen die jeweili- gen Standorte von diesen Restriktionen betroffen sind.

Auf Grundlage dieser Standortfaktoren und Indikatoren wurde ein Bewertungstableau entwi- ckelt, das eine systematische und nachvollziehbare Bewertung der untersuchten potenziellen Gewerbestandorte erlaubt (vgl. Tab. 9). Wie bereits oben dargestellt, sind dort den Standort- faktoren erfassbare Indikatoren zugeordnet. Die möglichen Ausprägungen dieser Indikatoren werden in eine 5-stufige ordinale Bewertungsskala eingeordnet, die vom Punktwert 0 (sehr geringe Eignung) bis zum Punktwert 4 (sehr hohe Eignung) reicht80. Die Definition der Be- wertungsstufen für jeden erfassten Indikator kann dem Bewertungstableau (vgl. Tab. 9) ent- nommen werden.

79 Neben Freileitungen können auch unterirdische Leitungen Restriktionen darstellen, da sie die Realisierung erschweren und zu Kostensteigerungen führen können. Sie werden hier aber wegen des Aufwandes, ihre Lage bei den jeweiligen Ver- und Entsorgungsträgern für alle untersuchten Standorte abzufragen, nicht berücksichtigt. Mögliche unterirdische Leitungen wer- den aber die Eignung und –qualität eines Standortes nicht wesentlich ändern. 80 Für einige Indikatoren, bei denen eine 5-stufige Differenzierung der Ausprägungen nicht möglich ist oder für die Aufgaben- stellung nicht zielführend erscheint, werden nur 3 Wertstufen definiert. In diesen Fällen werden die Wertstufen 1 und 3 nicht belegt.

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Tab. 9: Tableau zur Bewertung potenzieller Gewerbestandorte in der Stadt Neuss 01234Gewichtung FLÄCHE 0,1 Flächengröße/Entwicklungsperspektive < 20 ha 20-40 ha 40-60 ha 60-80 ha >=80 ha 0,5 Verfügbarkeit gesamte überwiegender gesamte Fläche in überwiegender größere Teil der Fläche Fläche in Fremdbesitz, Teil der Fläche Teilflächen in in 0,5 kommunalem Verfügbarkeit in Fremdbesitz Fremdbesitz kommunalem Eigentum unklar Eigentum ERSCHLIESSBARKEIT 0,1 Vorfelderschließung / äußere nicht nicht Erschleßung nicht vorhanden, vorhanden, vorhanden, vorhanden, mit technisch und technisch oder vorhanden 0,4 aber Ausbaubedarf städtebaulich städtebaulich herstellbar problematisch problematisch Ver- und Entsorgung nicht nicht vorhanden, nur vorhanden mit hohem x x vorhanden 0,4 aber Aufwand herstellbar herstellbar Innere Erschließung nicht nur mit hohem vorhanden vorhanden, Aufwand x x oder leicht 0,2 aber herstellbar herstellbar herstellbar LAGEGUNST 0,3 Entfernung zur Autobahn > 5000m 3000-5000m 1500-3000m 500-1500m <500m 0,3 ÖPNV-Anbindung direkte direkte direkte Busanbindung Busanbindung Schienenan- nicht Busanbindung < 500 m od. < 500 m u. bindung < 500 0,2 vorhanden 500 - 1000 m Schienenan- Schienenan- m u. direkte bindung 500 - bindung 500 - Busanbindung 1000m 1000m < 500 m Entfernung zu Versorgungsinfrastruktur > 1000 m 750 - 1000m 500 - 750m 250 - 500 m < 250m 0,2 Zusammenhang zur Siedlungsstruktur keine GIB od. Anschluss an Anschluss an Ausweisung Ausweisung ASB- vorhandenes vorhandenes als ASB ohne als GIB ohne Ausweisung GE ohne GE u. Anschluss an Anschluss an 0,3 ohne Ausweisung Ausweisung vorhandenes vorhandenes Anschluss an als GIB im als GIB im GE GE vorh. GE Regionalplan Regionalplan NUTZUNGSKONFLIKTE / FLÄCHENKONKURRENZEN 0,3 Abstand zu immissionsempfindlichen <= 100m 100-300m 300-500m 500-800m >=800m 0,2 Nutzungen Verlagerungskosten für vorhandene od. sehr hoch hoch mittel gering keine 0,2 geplante inkompatible Nutzungen (*) Eignung für Siedlungserweiterung / sehr hoch hoch mittel gering keine 0,3 Wohnbauentwicklung Eingriff in vorhandene Grünzüge / mit entspr. unvermeidbar Freiräume (Freiraumzielplanung / x Maßnahmen x vertretbar 0,3 und gravierend Ventilationszonen in Grünzügen) abmilderbar SONSTIGE RESTRIKTIONEN 0,2 Geschütztes Biotop am Rand nicht vorhanden x x 0,3 vorhanden vorhanden Geschützter Landschaftsbestandteil am Rand nicht vorhanden x x 0,3 vorhanden vorhanden Wasserschutzgebiet Teilfläche gesamte größere kleine WSZ II, übrige nicht Fläche WSZ Teilflächen Teilflächen 0,3 Fläche WSZ vorhanden IIIa WSZ IIIa WSZ IIIa IIIa 110 KV - Leitung am Rand nicht vorhanden x x 0,1 vorhanden vorhanden (*)vorhandene lw. Betriebe od. Wohngebäude; geschätzte Kosten für Verlagerung, Entschädigung u. Verzögerung d. Planumsetzung Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

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Jedem übergeordneten Standortfaktor wird in dem Bewertungstableau ein Gewichtungsfaktor zugeordnet. Die Standortfaktoren Fläche und Erschließbarkeit tragen jeweils zu 10 Prozent (0,1) zur Gesamtbewertung bei. Ihre Bedeutung für die Qualität eines Gewerbestandortes wird geringer eingestuft als für die drei anderen Standortfaktoren. Die Lagegunst bekommt ein relativ hohes Gewicht von 30 Prozent (0,3). Dies begründet sich daraus, dass sie oft ent- scheidend für die Marktfähigkeit und Qualität eines Gewerbestandortes ist. Auch die Nut- zungskonflikte und mögliche Flächenkonkurrenzen stellen einen wichtigen Aspekt im Hin- blick auf die Entwicklungsfähigkeit und Umsetzbarkeit eines Gewerbestandortes dar; dieser Standortfaktor fließt deshalb ebenfalls mit einem Gewicht von 30 Prozent (0,3) in die Ge- samtbewertung ein. Die sonstigen Restriktionen erhalten ein Gewicht von 20 Prozent (0,2) für die Gesamtbewertung.

Die den Standortfaktoren zugeordneten Indikatoren erhalten ebenfalls eine Gewichtung, die ihr relatives Gewicht unter den Indikatoren des jeweiligen Standortfaktors bestimmen. Dabei ergeben die aufsummierten Indikatorengewichtungen für jeden Standortfaktor den Wert 1 (bzw. 100 Prozent). Die Festlegung der Gewichtung für die Indikatoren erfolgte vor dem Hin- tergrund einer fachlichen Einschätzung ihrer jeweiligen Bedeutung.

Bezüglich des Standortfaktors Fläche gehen die Indikatoren Flächengröße / Entwicklungsper- spektive und Flächenverfügbarkeit jeweils zur Hälfte und damit gleichgewichtig mit jeweils 50 Prozent in die Bewertung ein.

Für die Erschließbarkeit der Standorte werden die Vorfelderschließung / äußere Verkehrser- schließung (vorhandene Erschließung und deren Qualität im näheren Umfeld des Standortes) und die Ver- und Entsorgungssituation stärker gewichtet als die innere Erschließbarkeit. Die beiden erstgenannten Faktoren unterscheiden sich erfahrungsgemäß stärker zwischen einzelnen Standorten und bestimmen somit auch in stärkerem Maße Aufwand und Kosten für die erfor- derlichen Erschließungsmaßnahmen. Die innere Erschließung ist dagegen in der Regel bei je- dem neuen Standort herzustellen und wird sich bei den topografischen Verhältnissen im Neus- ser Stadtgebiet zwischen den Standorten voraussichtlich nicht grundlegend unterscheiden.81

Unter den Indikatoren des Standortfaktors Lagegunst wurde der Entfernung zur Autobahn ein relativ hohes Gewicht beigemessen (Gewicht 0,3). Die Nähe zur Autobahn ist insbesondere für Unternehmen mit vornehmlichen Geschäftsverbindungen außerhalb der Region interessant und stellt für solche Unternehmen bzw. Branchen eine besondere Standortgunst dar. In Rela- tion dazu spielt die Qualität der ÖPNV-Anbindung eine geringere Rolle, die deshalb geringer gewichtet wird (0,2). Die Entfernung zum nächsten (Nah)versorgungsstandort erhält ebenfalls ein Gewicht von 0,2. Ein weiterer wichtiger Indikator zur Beurteilung der Lagegunst eines Standortes ist sein Zusammenhang zur bestehenden Siedlungsstruktur, der mit 30 Prozent (0,3) in die Beurteilung des Standortfaktors eingeht.

81 Im Rahmen dieser Standortsuche können noch keine Erschließungskosten quantifiziert werden, so dass zunächst nur quali- tative Einschätzungen zur Erschließbarkeit bzw. Erschließungsaufwand möglich sind. Konkretere Kostenschätzungen sind im weiteren Planungsprozess vorzunehmen.

99 Gewerbeflächen Neuss 2011

Beim Standortfaktor Nutzungskonflikte / Flächenkonkurrenzen wurde aufgrund des hohen Nutzungsdrucks bei gleichzeitig begrenztem Flächenpotenzial im Raum Neuss den Konflik- ten mit potenziell konkurrierenden Nutzungen – Wohnbauentwicklung und wichtige Freiräu- me für Erholung oder ökologische Ausgleichsfunktionen – ein höheres Gewicht zugemessen. Diese beiden Indikatoren erhalten jeweils ein Gewicht von 0,3 bzw. 30 Prozent. Der Abstand eines potenziellen Gewerbegebietsstandortes zu immissionsempfindlichen Nutzungen, der die im Gebiet bzw. auf den jeweiligen Teilflächen zulässigen Betriebsarten und betrieblichen An- lagen auf der Grundlage des Abstandserlasses NRW bestimmt, erhält ein Gewicht von 0,2 bzw. 20 Prozent. Das gleiche Gewicht erhalten die evtl. anfallenden Kosten für die erforderli- che Verlagerung von ggf. vorhandenen, mit einer gewerblichen Nutzung inkompatiblen Nut- zungen.

Von den berücksichtigten sonstigen Restriktionen erhalten die Lage zu Geschützten Land- schaftsbestandteilen, zu Geschützten Biotopen und zu Wasserschutzgebieten jeweils ein Ge- wicht von 0,3. Einen Standort querende Hochspannungsfreileitungen stellen gegenüber einer gewerblichen Nutzung eine weniger gravierende Restriktion dar. Sie erhalten mit dem Faktor 0,1 eine entsprechend geringere Gewichtung unter den berücksichtigten Restriktionen.

6.2.2 Alternative Bewertungsvariante Nach einer ersten Abstimmung der Standortsuche mit den Fachämtern der Neusser Stadtver- waltung wurde eine zweite alternative Bewertungsvariante entwickelt. Sie basiert im Wesent- lichen auf Anregungen und Vorschlägen des Umweltamtes, die auf eine stärkere und differen- ziertere Berücksichtigung umweltrelevanter Standortfaktoren und Kriterien bei der Standort- suche abzielt. In dieser Variante bleiben die drei Standortfaktoren Fläche, Erschließbarkeit und Lagegunst gegenüber der ursprünglichen Bewertungsvariante (s. Kap. 6.2.1) unverän- dert.

Beim Standortfaktor Nutzungskonflikte / Flächenkonkurrenzen bleiben die Indikatoren „Verlagerungskosten für vorhandene inkompatible Nutzungen“, „Eignung für Siedlungser- weiterung / Wohnbauentwicklung“ und „Eingriff in vorhandene Grünzüge / Freiräume“ erhal- ten. Zudem werden die Indikatoren „Wasserschutzzone“ und „110 kV-Leitung“ hier aufge- nommen, die in der ursprünglichen Bewertungsvariante beim Standortfaktor Sonstige Restrik- tionen angesiedelt sind. Als weiterer Bewertungsindikator werden „Schutzwürdige Böden“ hier aufgenommen. Der Bewertungsindikator „Abstand zu immissionsempfindlichen Nutzun- gen“ wandert dagegen zum Standortfaktor Umweltschutzbelange – Immissionschutz / Luft- hygiene, der in diese Bewertungsvariante zusätzlich aufgenommen wird. Wegen der nun grö- ßeren Anzahl an Indikatoren für den Standortfaktor wird ihre Gewichtung so angepasst, dass die Einzelgewichte zusammen 1,0 ergeben. Die Indikatoren „Schutzwürdige Böden“ und „110 kV-Leitung“ erhalten ein Gewicht von 0,1 und die übrigen vier Indikatoren jeweils 0,2.

100 Gewerbeflächen Neuss 2011

Der Standortfaktor Sonstige Restriktionen entfällt in dieser Bewertungsvariante. Stattdessen werden zwei neue Standortfaktoren in die Bewertung einbezogen, die sich auf Umweltschutz- belange beziehen. Der Standortfaktor Immissionsschutz / Lufthygiene beinhaltet die Indika- toren „Abstand zu immissionsempfindlichen Nutzungen“, den planungs- / immissionsschutz- rechtlichen Status der nächst gelegenen Wohnnutzung, die mögliche Betroffenheit ggf. exis- tierender, ruhiger Gebiete nach EU-Umgebungsrichtlinie (Lärmaktionsplanung) sowie die stadtklimatische Funktion der ausgewählten Standorte. Dabei wird der Immissionsschutzab- stand am stärksten gewichtet (0,4), gefolgt von der stadtklimatischen Funktion (0,3), dem Sta- tus der nächst gelegenen Wohnnutzung (0,2) und den ruhigen Gebieten (0,1). In den Standort- faktor Ökologie/Artenschutz fließen der artenschutzrechtliche Status der Standorte und ihrer unmittelbaren Umgebung mit einer Gewichtung von 0,4, das Vorhandensein / die Betroffen- heit von ökologischen Ersatzflächen (Gewichtung: 0,1), von Biotopverbundflächen (Gewich- tung: 0,2) sowie von naturschutzrechtlichen Schutzgebieten (Gewichtung: 0,3) an den unter- suchten Standorten als Bewertungsindikatoren ein. Das alternative Bewertungstableau mit der Gewichtung der einzelnen Standortfaktoren und Indikatoren kann dem Anhang entnommen werden.

6.3 Bewertung der untersuchten Standorte

Mit Hilfe des entwickelten Bewertungstableaus (vgl. Tab. 9) wurden die 9 untersuchten Standorte einer Bewertung unterzogen. Für jeden Standort ist das Ergebnis im Anhang mit Übersichtsblatt und Übersichtskarte dargestellt. Dabei wird für jeden Standort durch Auf- summierung der gewichteten Bewertungen der einzelnen Standortfaktoren quasi eine "Durch- schnittsnote" als Gesamtbewertung ermittelt. Die Stärken und Schwächen der einzelnen Standorte werden aus den Grafiken zum Standort- profil ersichtlich. Je größer die aufgespannte Fläche, umso besser schneidet der Standort ins- gesamt ab.

Abb. 52: Standortprofile der ausgewählten Standorte

Fläche Fläche 1,2 1,2 1,0 1,0 0,8 0,8 0,6 0,6 sonst. Restriktionen 0,4 Erschließbarkeit sonst. Restriktionen 0,4 Erschließbarkeit 0,2 0,2 0,0 0,0

Nutzungskonflikte Lagegunst Nutzungskonflikte Lagegunst

Standort 1: Morgensternheide Optimaler Standort / max. Bewertung82

82 Durch die unterschiedliche Gewichtung der fünf Standortfaktoren fällt die maximal mögliche Bewertung jeweils unterschied- lich aus; die Standortfaktoren ‚Fläche’ und ‚Erschließbarkeit’ können maximal den Wert 0,4 erreichen, ‚Lagegunst’ und ‚Nut-

101 Gewerbeflächen Neuss 2011

Fläche Fläche 1,2 1,2 1,0 1,0 0,8 0,8 0,6 0,6 sonst. Restriktionen 0,4 Erschließbarkeit sonst. Restriktionen 0,4 Erschließbarkeit 0,2 0,2 0,0 0,0

Nutzungskonflikte Lagegunst Nutzungskonflikte Lagegunst

Standort 2: Anschlussstelle Neuss (A57) Standort 3: Erweiterung GE-Gebiet Kreitzweg

Fläche Fläche 1,2 1,2 1,0 1,0 0,8 0,8 0,6 0,6 sonst. Restriktionen 0,4 Erschließbarkeit sonst. Restriktionen 0,4 Erschließbarkeit 0,2 0,2 0,0 0,0

Nutzungskonflikte Lagegunst Nutzungskonflikte Lagegunst

Standort 4: Hoisten-Süd Standort 5: Ergänzung Am Henselsgraben

Fläche Fläche 1,2 1,2 1,0 1,0 0,8 0,8 0,6 0,6 sonst. Restriktionen 0,4 Erschließbarkeit sonst. Restriktionen 0,4 Erschließbarkeit 0,2 0,2 0,0 0,0

Nutzungskonflikte Lagegunst Nutzungskonflikte Lagegunst

Standort 6: Allerheiligen-Südost Standort 7: Kuckhofer Straße – Ost

Fläche Fläche 1,2 1,2 1,0 1,0 0,8 0,8 0,6 0,6 sonst. Restriktionen 0,4 Erschließbarkeit sonst. Restriktionen 0,4 Erschließbarkeit 0,2 0,2 0,0 0,0

Nutzungskonflikte Lagegunst Nutzungskonflikte Lagegunst

Standort 8: Erweiterung Kruppstr. / Mainstr. Standort 9: Grimlinghausen-Südost Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

Durch die vergleichende Gegenüberstellung der Ergebnisse der standortbezogenen Gesamt- bewertungen lässt sich auf einfache Weise eine Rangfolge der untersuchten Standorte hin- sichtlich ihrer Eignung als neue Gewerbefläche bilden (vgl. Tab. 10).

zungskonflikte können einen Wert von 1,2 und ‚sonst. Restriktionen’ von 0,8 erreichen. Damit gibt diese Grafik die maximale Bewertung, die theoretisch erreichbar ist, als Referenz wider.

102 Gewerbeflächen Neuss 2011

Tab. 10: Gegenüberstellung der Ergebnisse der standortbezogenen Eignungsbewertung Standort Gewichtete Gesamt- Rang bewertung Standort 3: Erweiterung Gewerbegebiet Kreitzweg 2,99 1 Standort 8: Erweiterung Kruppstraße / Mainstraße 2,92 2 Standort 7: Kuckhofer Straße – Ost 2,78 3 Standort 5: Ergänzung Gewerbegebiet Am Henselsgraben 2,48 4 Standort 1: Morgensternheide 2,35 5 Standort 4: Hoisten-Süd 2,33 6 Standort 9: Grimlinghausen-Südost 2,24 7 Standort 6: Allerheiligen-Südost 2,22 8 Standort 2: Anschlussstelle Neuss (A57) 2,01 9 Quelle: Planquadrat Dortmund 2010

6.4 Ergebnisdiskussion und Empfehlungen

Die Tab. 10 zeigt, dass die Bandbreite der nutzwertanalytischen Gesamtbewertung der 9 un- tersuchten Standorte zwischen 2,99 und 2,01 Punkten liegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich diese Zahlenwerte aus den erfassten Indikatoren, deren Ausprägungen und Gewichtungen ergeben. Es sind damit keine „Messwerte“, sondern Werte, die sich aus den gewichteten Be- urteilungen ergeben. Diese Beurteilungen und Gewichtungen unterliegen einer fachlichen In- terpretation und Wertung, die weiter oben erläutert und abgeleitet wurde (vgl. Kap. 6.2). Dies bedeutet, dass diese Zahlenwerte nicht als absolute Messgrößen anzusehen sind. Wenn in dem zugrunde liegenden nutzwertanalytischen Bewertungsmodell bspw. die Gewichte zwischen den Standortfaktoren geringfügig verändert werden, wird dies zu Veränderungen der Gesamt- punktzahl für die Standorte führen. Dies kann zu Veränderungen in der Rangfolge der Stand- orte führen, vor allem wenn die Gesamtbewertung sich nur geringfügig, bspw. in der zweiten Nachkommastelle, unterscheidet. Es kommt durch eine solche veränderte Feinjustierung des Bewertungsmodells aber nicht zu einer völlig veränderten Rangfolge der Standorte, da die festgestellten Ausprägungen der einzelnen Standortfaktoren und Indikatoren unverändert blei- ben. Dies bedeutet, dass ein in den oberen Rängen liegender Standort auch bei einer veränder- ten Gewichtung bei der Gesamtbewertung in den oberen Rängen bleiben wird, auch wenn er vielleicht einen Rang nach oben oder unten rutscht. Das gleiche gilt für einen Standort in den unteren Rängen. Die nutzwertanalytische Bewertung stellt damit ein Hilfsmittel dar, die die spezifischen Qua- litäten der untersuchten Standorte nachvollziehbar darstellt und vergleichbar macht. Damit wird deutlich, welche Standorte die besseren und welche die schlechteren Standortqualitäten besitzen. Zwei Standorte mit nur geringfügigem Unterschied in der Gesamtbewertung können als „gleichwertig“ angesehen werden, wobei durchaus Unterschiede in der Qualität einzelner Standortfaktoren zwischen beiden Standorten bestehen können.

103 Gewerbeflächen Neuss 2011

Aus der Tab. 10 wird ersichtlich, dass die ersten drei Standorte in der Gesamtbewertung rela- tiv eng beieinander liegen und eine von den übrigen Standorten deutlich abgesetzte „Spitzen- gruppe“ bilden. Der Abstand zu dem auf Rang 4 liegenden Standort ist mit  0,3 Punkten deutlich. Nachfolgend werden die spezifischen Qualitäten und Defizite der untersuchten Standorte in der Rangfolge der Tab. 10 erläutert.

Der auf Rang 1 liegende Standort 3 „Erweiterung Gewerbegebiet Kreitzweg“ liegt am westli- chen Rand des Stadtteils Holzheim. Er erreicht bei den Flächeneigenschaften trotz seiner be- grenzten Ausdehnung (ca. 28 ha) eine überdurchschnittliche Bewertung, weil sich der größte Teil der Flächen im Eigentum der Stadt Neuss befindet. Bezüglich der Lagegunst weist dieser Standort die höchste Bewertung auf. Er zeichnet sich durch die unmittelbare Nähe zum Auto- bahnanschluss A46, durch eine attraktive ÖPNV-Anbindung (Schienen- und Busanbindung in fußläufiger Entfernung) sowie durch die Nähe zur Versorgungsinfrastruktur im angrenzenden Siedlungsbereich von Holzheim aus. Zudem stellt dieser Standort eine Erweiterung eines be- reits bestehenden Gewerbegebietes dar. Ein weiterer Vorteil dieses Standortes liegt darin, dass er nicht durch naturschutz- / wasserrechtliche Restriktionen oder Hochspannungsleitun- gen eingeschränkt wird. Bezüglich erkennbarer Nutzungskonflikte und der Erschließbarkeit erhält der Standort eine durchschnittliche bzw. mittlere Bewertung.

Mit geringem Abstand folgt auf Rang 2 der Standort 8 „Erweiterung Gewerbegebiet Krupp- straße / Mainstraße“ am südlichen Rand des Stadtteils Derikum, der sich unmittelbar südlich an das dort bestehende Gewerbegebiet anschließt und im Regionalplan bereits als Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereich (GIB) dargestellt ist. In der Bewertung der Standortfaktoren schneidet er gegenüber dem auf Rang 1 liegenden Standort 3 in der Lagegunst wegen der un- günstigeren Verkehrsanbindung sowie der größeren Entfernung zur Versorgungsinfrastruktur dennoch schlechter ab. Weil nur ein geringer Teil im Eigentum der Stadt Neuss ist, fällt auch die Bewertung der Flächeneigenschaften geringer aus, als bei Standort 3. Dagegen wird Standort 8 aber bezüglich erkennbarer Nutzungskonflikte deutlich besser bewertet als Stand- ort 3. Er weist diesbezüglich das geringste Konfliktpotenzial auf. Die übrigen Standortfakto- ren haben die gleiche Bewertung wie der auf Rang 1 liegende Standort 3 „Erweiterung Ge- werbegebiet Kreitzweg“.

Der auf Rang 3 liegende Standort 7 „Kuckhofer Straße – Ost“ erstreckt sich östlich des ÖPNV-Haltepunktes Neuss-Allerheiligen zwischen der Kuckhofer Straße und der parallel verlaufenden Bahnlinie. Die Standortbewertung fällt hier für die Standortfaktoren ‚Lage- gunst’, ‚Nutzungskonflikte’ und ‚sonstige Restriktionen’ überdurchschnittlich aus. Die hohe Bewertung der Lagegunst (zweitbester Wert) resultiert aus der direkten Nähe des Standortes zum ÖPNV-Haltepunkt Allerheiligen mit guter Schienen- und Busanbindung und daraus, dass dieser Standort eine Erweiterung des westlich der Kuckhofer Straße sich entwickelnden Ge- werbegebietes ist. Das geringe Konfliktpotenzial des Standortes sowie die nicht vorhandenen Restriktionen bedingen die gute Bewertung hinsichtlich der Nutzungskonflikte und der sons- tigen Restriktionen. Die begrenzte Flächengröße und die unklare Flächenverfügbarkeit (ge-

104 Gewerbeflächen Neuss 2011

samte Flächen in Fremdbesitz) führen aber hinsichtlich des Standortfaktors ‚Fläche’ zu einer sehr geringen Bewertung.

Zwischen der Spitzengruppe der drei erstplatzierten Standorte und dem auf Rang 4 liegenden Standort „Ergänzung Gewerbegebiet Am Henselsgraben“ besteht in der Gesamtbewertung ein deutlicher Abstand von 0,3 Punkten. Dieser Standort liegt südöstlich des vorhandenen Ge- werbegebietes Am Henselsgraben im Stadtteil Allerheiligen. Beim Standortfaktor ‚Fläche’ führt seine geringe Flächengröße von 9 ha und die ungünstigen Eigentumsverhältnisse (über- wiegender Teil der Flächen in Fremdbesitz) zu einer sehr geringen Bewertung. Bezüglich der Lagegunst erreicht er als Erweiterungsfläche eines bestehenden Gewerbegebietes und durch die Nähe zum Nahversorgungszentrum Allerheiligen und zum S-Bahn-Haltepunkt Allerheili- gen eine überdurchschnittliche Bewertung. Bei den Nutzungskonflikten fällt die Bewertung unterdurchschnittlich aus, was sich aus der unmittelbaren Nähe zur benachbarten Wohnnut- zung und aus der konkurrierenden hohen Eignung der Fläche für eine Wohnbauflächenerwei- terung ergibt.

Der auf Rang 5 folgende Standort „Morgensternheide“ erstreckt sich nordwestlich der Sied- lung Morgensternheide zwischen der Autobahn A 57 und der Stadtgrenze nach . Er er- hält für den Standortfaktor ‚Fläche’ die niedrigste Bewertung, bedingt durch die ungünstigen Eigentumsverhältnisse (gesamt Fläche in Fremdbesitz) und die begrenzte Flächengröße. Hin- sichtlich der Lagegunst erreicht der Standort trotz seiner peripheren Lage im Stadtgebiet einen durchschnittlichen Wert, bedingt durch seine Autobahnnähe und weil er eine Erweiterung des bestehenden Gewerbegebietes auf der anderen Seite der Stadtgrenze darstellt. Die Bewertung des Standortfaktors ‚Nutzungskonflikte’ fällt wegen des relativ geringen Konfliktpotenzials überdurchschnittlich aus. Dagegen erreicht der Standort wegen vorhandener Restriktionen durch Hochspannungsleitungen und der Lage innerhalb der Wasserschutzzone IIIa in diesem Punkt eine unterdurchschnittliche Bewertung.

Rang 6 nimmt der Standort 4 „Hoisten-Süd“ ein, der sich an der südlichen Stadtgrenze, süd- lich der Ortslage Hoisten befindet. Er hat wegen seiner für Neusser Verhältnisse relativ peri- pheren Lage und großen Entfernung zur nächsten Autobahn im Vergleich die niedrigste La- gegunst von allen untersuchten Standorten. Aufgrund des relativ geringen Konfliktpotenzials an diesem Standort schneidet er bezüglich des Standortfaktors ‚Nutzungskonflikte’ über- durchschnittlich ab. Hinsichtlich des Standortfaktors ‚Fläche’ fällt die Bewertung aufgrund des Flächenpotenzials (> 60 ha) trotz ungünstiger Eigentumsverhältnisse überdurchschnittlich aus.

Der Standort 9 „Grimlinghausen-Südost“ erreicht den Rang 7. Er liegt im südöstlichen Stadt- gebiet, südöstlich des Stadtteils Grimlinghausen, nur durch die B 9 von dem südwestlich ge- legenen Gewerbegebiet Bonner Straße getrennt. Der Standort bekommt eine durchschnittliche oder leicht überdurchschnittliche Bewertung der Standortfaktoren ‚Fläche’, Erschließbarkeit und Lagegunst. Der Standortfaktor ‚Nutzungskonflikte’ wird sehr niedrig bewertet, insbeson- dere wegen Nutzungskonkurrenzen und Konflikten zu Zielen des Freiraumschutzes und der

105 Gewerbeflächen Neuss 2011

Freiraumentwicklung (gravierender Eingriff in erhaltenswerte Freiräume) und zu Zielen der Siedlungsentwicklung des Ortsteils Grimlinghausen. Wegen seiner Lage innerhalb der Was- serschutzzone III a und einem Geschützten Landschaftsbestandteil am nordöstlichen Rand des Standortes erreicht der Standort hinsichtlich dem Standortfaktor ‚Sonstige Restriktionen’ die niedrigste Bewertung.

Den 8. Rang nimmt der Standort 6 „Allerheiligen-Südost“ ein. Der Standort liegt südöstlich des Stadtteils Allerheiligen und schließt an die nordöstlich verlaufende Bahnlinie und die Stadtgrenze im Südosten an. Hinsichtlich seiner Flächeneigenschaften erreicht dieser Standort die höchste Bewertung. Dies resultiert aus seiner Größe von fast 100 ha und der günstigen Ei- gentumsverhältnisse – knapp die Hälfte der Flächen dort sind bereits in kommunalem Eigen- tum. Auch dieser Standort wird nicht durch naturschutz- / wasserrechtliche Restriktionen oder Hochspannungsleitungen eingeschränkt. Die Bewertung der Lagegunst fällt sehr niedrig aus, was sich aus seiner relativ peripheren Lage ergibt. Bezüglich erkennbarer Nutzungskonflikte wird dieser Standort ungünstig bewertet und erreicht bei diesem Standortfaktor den niedrigs- ten Wert. Dies resultiert durch seine Lage im regionalen Grünzug, der Nähe zu immissions- empfindlichen Nutzungen am Siedlungsrand von Allerheiligen und den aufstehenden land- wirtschaftlichen Nutzgebäuden, die verlagert bzw. ersetzt werden müssten, obwohl sie erst vor 10 bis 15 Jahren dorthin ausgelagert wurden..

Der Standort 2 „Anschlussstelle Neuss (A57)“ belegt den Rang 9. Er bekommt eine niedrige Bewertung für den Standortfaktor ‚Fläche’ wegen fehlender Flächenverfügbarkeit und be- grenzter Flächengröße. Trotz seiner günstigen Lage direkt an der Autobahnanschlussstelle und in relativer Nähe zum Stadtzentrum von Neuss erreicht er nur eine durchschnittliche Be- wertung der Lagegunst. Dies resultiert daraus, dass der Standort abseits bestehender Gewer- begebiete sowie der im Regionalplan dargestellten Siedlungsbereiche liegt und damit nicht in Zusammenhang zur gewachsenen Siedlungsstruktur steht. Der Standort steht zudem in Kon- flikt mit dem Freiraumzielkonzept Westfeld, das für diesen Raum die Entwicklung eines ver- netzenden Grünzuges vorsieht. Dies ist der wesentliche Grund für die niedrige Bewertung, die der Standort in Bezug auf den Standortfaktor ‚Nutzungskonflikte’ erhält. Seine Lage inner- halb der Wasserschutzzone III a führt zu einer niedrigeren Bewertung als bei den meisten an- deren Standorten hinsichtlich dem Standortfaktor ‚Sonstige Restriktionen’.

6.4.1 Ergebnis der alternativen Bewertungsvariante Die alternative Bewertungsvariante, die die Umweltschutzbelange stärker berücksichtigt, kommt zu ähnlichen Ergebnissen, wie die nachfolgende Tabelle zeigt (vgl. Tab. 11). Die „Spitzengruppe“ der ersten drei Standorte bleibt erhalten. Dabei rückt der Standort 7 „Kuck- hofer Straße – Ost“ von Rang 3 auf Rang 1, so dass die beiden Standorte 3 „Erweiterung Ge- werbegebiet Kreitzweg“ und 8 „Erweiterung Kruppstraße / Mainstraße“ jeweils um einen Rang nach unten rutschen. Dies begründet sich aus geringfügigen Vorteilen, die der Stand-

106 Gewerbeflächen Neuss 2011

ort 7 hinsichtlich Artenschutz und Immissionsschutz im Vergleich zu den anderen beiden Standorten hat.

Die Spitzengruppe hat nach wie vor einen Abstand zum nachfolgenden auf Rang 4 liegenden Standort 5 „Ergänzung Gewerbegebiet Am Henselsgraben“, der aber etwas geringer ausfällt als in der ursprünglichen Bewertung, was im wesentlichen an der günstigen Bewertung von Standort 5 hinsichtlich Ökologie und Artenschutz liegt.

Der Standort 6 „Allerheiligen-Südost“, der vorher auf Rang 8 lag, rückt auf Rang 5 vor. Dies liegt zum Einen an seinen günstigen Voraussetzungen hinsichtlich Immissionsschutz und Stadtklima und zum Anderen an den ungünstigeren Bewertungen der nachfolgenden Standor- te hinsichtlich der veränderten und neu hinzugekommenen umweltbezogenen Standortfakto- ren.

Tab. 11: Gegenüberstellung der Ergebnisse der alternativen Eignungsbewertung Standort Gewichtete Gesamt- Rang bewertung Standort 7: Kuckhofer Straße – Ost 2,87 1 Standort 3: Erweiterung Gewerbegebiet Kreitzweg 2,76 2 Standort 8: Erweiterung Kruppstraße / Mainstraße 2,72 3 Standort 5: Ergänzung Gewerbegebiet Am Henselsgraben 2,57 4 Standort 6: Allerheiligen-Südost 2,42 5 Standort 1: Morgensternheide 2,18 6 Standort 9: Grimlinghausen-Südost 2,14 7 Standort 4: Hoisten-Süd 2,10 8 Standort 2: Anschlussstelle Neuss (A57) 1,77 9

6.4.2 Empfehlungen Vor dem Hintergrund der Flächenbilanz (vgl. Kap. 5) lässt sich der Bedarf an zusätzlichen Gewerbeflächen (Neudarstellungsbedarf) im Zuge der Neuaufstellung des Flächennutzungs- plans ableiten. Die Neudarstellung sollte dabei mindestens die Größenordnung des rechneri- schen Flächendefizits von ca. 30 ha umfassen und ein maximales Flächenpotenzial von 60 ha nicht überschreiten. Dieses Flächenpotenzial kann, je nach Standortwahl und Flächenabgren- zung an einem, an zwei oder maximal an drei Standorten bereitgestellt werden.

Die Ergebnisse der Suche nach geeigneten Gewerbestandorten zeigt auf, dass das Potenzial an Flächen mit hoher Eignungsqualität für eine Gewerbeflächenentwicklung im Stadtgebiet von Neuss in beiden Bewertungsalternativen sich auf die gleichen Flächen eingrenzen lässt, die sich auf den ersten Rängen platzieren. Die weiteren Überlegungen zur Entwicklung neuer bzw. zusätzlicher Gewerbeflächen sollten sich deshalb auf die drei Standorte konzentrieren, die in der nutzwertanalytischen Bewertung am besten abgeschnitten haben und mit deutli- chem Abstand zu den anderen betrachteten Standorten die Spitzengruppe bilden. Zwei von

107 Gewerbeflächen Neuss 2011

ihnen liegen im südöstlichen Stadtgebiet, in relativer Nachbarschaft zueinander (Standorte 7, und 8). Mit Flächengrößen von ca. 28 ha (Standort 7) und 22 ha (Standort 8) ergibt sich in diesem Teil des Stadtgebietes ein Flächenpotenzial von insgesamt ca. 50 ha Gewerbefläche (brutto). Der erstplatzierte Standort (Standort 3) liegt im südwestlichen Stadtgebiet im Stadt- teil Holzheim mit einer Flächengröße von ca. 28 ha. Damit ergeben diese drei Standorte ins- gesamt ein Flächenpotenzial von ca. 78 ha.

Die anderen untersuchten und bewerteten Standorte sollten hinsichtlich einer Gewerbeflä- chenentwicklung im Zeitraum bis 2025 nicht weiter in Betracht gezogen werden. Vor dem Hintergrund der generellen Flächenknappheit wird aber empfohlen, für den einen oder ande- ren dieser Standorte eine langfristige Option für eine Entwicklung als Gewerbestandort nach 2025 nicht gänzlich auszuschließen. Dies bedeutet, eine Diskussion über die langfristige Ge- werbeflächenentwicklung in Neuss zu führen und die Standorte, die langfristig (nach 2025) für eine Gewerbeflächenentwicklung vorgehalten werden sollen, zukünftig auch von anderen städtebaulichen Entwicklungen und Nutzungsansprüchen frei zu halten, damit sie für die Entwicklungsoption Gewerbe langfristig erhalten bleiben. Auf der Grundlage der Standort- bewertung bieten sich dazu vor allem die auf Rang 4 und Rang 5 liegenden Standorte „Ergän- zung Gewerbegebiet Am Henselsgraben“ und „Morgensternheide“ an.

Darüber hinaus ist zu empfehlen die älteren, heute noch weitgehend genutzten Gewerbe- und Industriegebiete im Stadtgebiet in die Gewerbeflächenkonzeption mit einzubinden. Es ist zu erwarten, dass im Rahmen des fortschreitenden wirtschaftlichen Strukturwandels einzelne Flächen, aber zum Teil auch größere Gewerbestandorte, die gewerblichen Nutzungen verlie- ren werden. Eine solche Entwicklung zeichnet sich in einigen älteren Gewerbegebieten und - standorten im nördlichen Stadtgebiet schon heute ab. Hier kommt es darauf an, frei gezogene Flächen für neue Gewerbeansiedlungen zu sichern. Es wird sich so in den nächsten Jahren ein zusätzliches Flächenpotenzial in den Bestandsgebieten entwickeln. Andererseits entsteht auf solchen Flächen und Standorten häufig ein Umnutzungsdruck für ‚höherwertige’ Nutzungen – bspw. Einzelhandel, Bürostandorte, Wohnen etc. Hier gilt es Augenmaß zu behalten und ei- nem Umnutzungsdruck nur dort nachzugeben, wo er nicht ausschließlich immobilienwirt- schaftlich motiviert ist, sondern aus Sicht der Stadtentwicklung sinnvoll und gewollt ist83.

Je nach der aufgegebenen Vornutzung wird der Aufwand zur Aufbereitung und Reaktivierung solcher Flächen unterschiedlich sein. Teilweise werden städtebauliche Maßnahmen zur Revi- talisierung solcher Flächen und zur Aufwertung älterer, „in die Jahre gekommener“ Gewerbe- gebiete und -standorte erforderlich sein, um sie wieder marktfähig zu machen. Zudem sind in der Regel Abrissmaßnahmen vorzunehmen und ggf. können Bodensanierungen erforderlich werden. Dies wird aber meistens mit höheren Kosten für die Flächenbereitstellung als bisher verbunden sein, die sich aus dem erforderlichen höheren Aufwand zur Revitalisierung brach gefallener Gewerbegrundstücke ergeben.

83 Dies gilt bspw. für die alten Gewerbe- und Industrieflächen an der Nahtstelle zwischen Innenstadt und Hafen, die mit ent- sprechenden städtebaulichen Nutzungskonzepten die Neusser Innenstadt näher ans Wasser heranbringen könnten.

108 Gewerbeflächen Neuss 2011

Vor dem Hintergrund der knappen Flächenressourcen in Neuss und dem Gebot des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden wird die Bedeutung der Bestandspflege und -entwicklung für die Wirtschafts- und die Gewerbeflächenentwicklung dennoch zukünftig wachsen. Dies er- fordert eine kontinuierliche Beobachtung und Auswertung der Nutzungsveränderungen und Entwicklungen in den Bestandsgebieten. Die im Rahmen dieses Projektes erarbeitete Be- standsaufnahme stellt dafür eine gute Grundlage dar. Sie sollte laufend oder zumindest in re- gelmäßigem Turnus (jährlich oder 2-jährlich) aktualisiert werden und nach Möglichkeit zu ei- nem kontinuierlichen Gewerbeflächenmonitoring weiterentwickelt werden.

Betrachtet man die Gewerbeflächenpotenziale und die zukünftige Gewerbeflächenentwick- lung in Neuss differenziert nach qualitativen Anforderungen und Gesichtspunkten, ergeben sich aus unserer Sicht folgende Erkenntnisse und Schlussfolgerungen für unterschiedliche Standortanforderungen und Standorttypen bzw. bestimmte Teilsegmente des Gewerbeflä- chenmarktes.

Unter den drei Standorten auf den vordersten Rängen befindet sich keiner, der sich primär als Logistikstandort anbietet. Diese drei hoch bewerteten Standorte verfügen alle nur über eine begrenzte Flächengröße < 30 ha, was ihre Eignung und Entwicklungsperspektive für einen Logistikstandort einschränkt. Allerdings verfügt der Standort 3 in Holzheim mit seiner direk- ten Autobahnanbindung über eine hervorragende verkehrliche Lagegunst, die ihn auch für Logistiknutzungen interessant macht, solange es sich nicht um allzu großflächigen Ansied- lungen handelt.

Von den untersuchten Standorten erscheint auch der Standort 9 „Grimlinghausen-Südost“ aufgrund seiner Flächengröße (ca. 45 ha) und Lage (unmittelbare Anbindung an B 9 und Au- tobahnanschluss A 46) auf den ersten Blick als Logistikstandort geeignet. Wie die Standort- bewertung aber zeigt, wird seine Eignungsqualität aufgrund der erkennbaren Nutzungskon- flikte (erheblicher Eingriff in vorhandene Freiräume und Grünzüge, Lage in Wasserschutzzo- ne IIIa) und Nutzungskonkurrenzen (heranrückende Wohnsiedlungsentwicklung von Grim- linghausen) erheblich eingeschränkt, was zu seiner niedrigen Gesamtbewertung führt. Einer Entwicklung eines Gewerbe- oder Logistikstandortes an dieser Stelle stehen von daher erheb- liche Einwände aus Sicht der Stadtentwicklung und des Freiraumschutzes entgegen. Unter Berücksichtigung der alternativen Bewertungsvariante verschärfen sich diese Einwände noch, da der Standort 9 insbesondere im Hinblick auf Artenschutz und Ökologie eine hohe Wertig- keit besitzt.

Der Standort „Hoisten-Süd“(Nr. 4) mit einer ausreichenden Flächengröße und Entwicklungs- perspektive für einen Logistikstandort (61 ha) eignet sich lagebedingt nicht für diese Nutzung. Er hat eine relativ große Entfernung zur nächsten Autobahnanschlussstelle und gleichzeitig eine ungünstige Lage im gesamtstädtischen Verkehrsnetz, die nicht die notwendige Orientie- rung und Ausrichtung auf das Fernstraßennetz bietet und zu erheblichen zusätzlichen Ver- kehrsbelastungen im städtischen Verkehrsnetz führen würde. Hinzu kommt, dass er in einem nach EU-Umgebungslärmrichtlinie ruhigen Gebiet liegt, in unmittelbarer Nachbarschaft zu

109 Gewerbeflächen Neuss 2011

attraktiven Wohngebieten im Ortsteil Hoisten, was einer Logistikentwicklung an diesem Standort entgegensteht.

Auch der Standort „Allerheiligen-Südost“ (Nr. 6) hat trotz seiner Größe (ca. 96 ha) erhebliche Einschränkungen im Hinblick auf eine Entwicklung als Logistikstandort. Im bestehenden Verkehrsnetz hat er – ähnlich wie der Standort Nr. 4 – eine relativ große Entfernung zur nächsten Autobahnanschlussstelle sowie eine insgesamt ungünstige Lage im Verkehrsnetz. Dies könnte sich allenfalls dann ändern, wenn die im Regionalplan dargestellte zusätzliche Anbindung an die A 57 (Bedarfsplanung), östlich des Standortes realisiert würde. Darüber hinaus stellen der Freiraumschutz und die Raumverträglichkeit eine Entwicklung dieses Standortes in Frage.

In Neuss stehen für Logistikansiedlungen derzeit noch ca. 10 ha vorhandene Flächenreserven im Gewerbegebiet Tucherstraße zur Verfügung. Darüber hinaus können sich mittel- und lang- fristig Entwicklungspotenziale für Logistik im Hafenbereich und Hafenumfeld durch die Ent- wicklung im Bestand (bspw. durch frei werdende Flächen) ergeben. Dies gilt auch für andere geeignete zurzeit noch genutzte Gewerbestandorte im Stadtgebiet (bspw. der Bereich des Werkes Aluminium Norf GmbH).

Damit sind für Logistikansiedlungen in Neuss noch in begrenztem Umfang Flächenpotenziale vorhanden. Es wird aber auch deutlich, dass die Entwicklung von Logistikstandorten in Neuss mittel- bis langfristig an Grenzen stößt.

Von den untersuchten Flächen zeigt keine eine besondere Eignung als Standort für hoch- wertige Produktion bzw. für einen Technologie-Park. Durch ihre vergleichsweise hohe Lagegunst würden sich die Standorte 3 „Erweiterung Gewerbegebiet Kreitzweg“ und 7 „Kuckhofer Straße – Ost“ in begrenztem Maße für eine solche Entwicklung eignen. Ihre je- weilige Nähe zum Siedlungsbereich (Holzheim bzw. Allerheiligen) sowie gute ÖPNV- Anbindung stellt gegenüber den andern Standorten einen gewissen Lagevorteil dar. Dennoch sind sie aus unserer Sicht wegen ihrer Entfernung zum Stadtzentrum und eines vor Ort feh- lenden Kerns / Ankerpunktes für eine solche hochwertige Nutzung nicht wirklich gut geeig- net. Bezieht man darüber hinaus das gesamte Stadtgebiet in die Betrachtung ein, ergeben sich in Randbereichen des Hafens besser geeignete Standorte, auf denen ein solches Nutzungskon- zept auf frei werdenden Flächen etabliert werden könnte. Zudem ist die nördliche Erweite- rungsfläche des Büroparks Hammfeld ein geeigneter Standort. Sie ist im Flächennutzungsplan als gemischte Baufläche dargestellt. Der südlich angrenzende Büropark Hammfeld sowie vor- handene Dienstleistungsnutzungen auf der nördlichen Seite der Hammer Landstraße könnten als Ankerpunkte für eine technologiepark-ähnliche Entwicklung an diesem Standort dienen.

Für Büro- und Dienstleistungsansiedlungen stehen zur Zeit noch ca. 1,2 ha im Gewerbege- biet Tucherstraße sowie 2,4 ha im Bereich der Hammer Landstraße zur Verfügung. Die vor- handenen Flächenreserven im Büropark Hammfeld sind vollständig in Privateigentum. An-

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sonsten bieten sich die Flächen im nördlichen Erweiterungsbereich des Büroparks Hammfeld zukünftig für Büro- und Dienstleistungsansiedlungen an. Weitere Entwicklungsmöglichkeiten für Büro- und Dienstleistungsnutzungen sehen wir auf Flächen im westlichen und südwestli- chen Randbereich des Hafens, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Neusser Innenstadt. Hier ist bereits ein derartiger Umnutzungsprozess im Gange, der im Hinblick auf die zukünftige Stadtentwicklung an diesem Standort sinnvoll und zu unterstützen ist, da er die Chance zur Erweiterung der Innenstadt bietet.

Der Standort 7 „Kuckhofer Straße – Ost“ eignet sich als relativ konflikt- und restriktionsar- mer Standort auch für die Ansiedlung von emissionsträchtigen Betrieben. Der Standort 8 „Erweiterung Kruppstraße / Mainstraße“ weist die geringsten Nutzungskonflikte aller unter- suchten Standorte auf. Seine Eignung für die Ansiedlung von Betrieben mit Emissionen ist aber aufgrund von eingestreuten Wohnnutzungen in dem angrenzenden, bestehenden Gewer- begebiet eingeschränkt, insbesondere im Hinblick auf nächtliche Lärmemissionen. Weitere Möglichkeiten zur Ansiedlung emissionsträchtiger Betriebe können sich auf GI- Flächen im Hafenbereich / Hafenumfeld durch die Entwicklung im Bestand (bspw. durch frei werdende Flächen) ergeben. Das gleiche gilt für bestehende GI-Flächen im Bereich Norf (Alu- Werk Norf).

Standorte, die sich besonders für die Ansiedlung von Kleinbetrieben (Handwerk, Verarb. Gewerbe, Baugewerbe) eignen, sind die Standorte 5 „Ergänzung Gewerbegebiet Am Hen- selsgraben“ und 3 „Erweiterung Gewerbegebiet Kreitzweg“. Beide Standorte haben jeweils eine enge räumliche Anbindung an die Siedlungsbereiche des Ortsteils (Allerheiligen bzw. Holzheim) und stellen Erweiterungen oder Ergänzungen von bestehenden, ortsteilbezogenen Gewerbegebieten mit einer kleinteiligen, von Kleinbetrieben geprägten Nutzungsstruktur dar.

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7. Resümee und Empfehlungen

Die Untersuchung setzte sich das Ziel die Gewerbeflächensituation der Stadt Neuss in quanti- tativer und qualitativer Hinsicht zu sichten und die Flächennachfrage bis zum Jahr 2025 zu bestimmen. Ausgangspunkt der Untersuchung ist eine kurze Regionalanalyse (durch die Prognos AG), da nur die Betriebe Investitionsmittel – wie Gewerbeflächen – nachfragen, die einen steigenden Absatz ihrer Waren und Dienstleistungen erwarten. Im zweiten Arbeitsschritt wurde die ei- gentliche Prognose vorgenommen. Basis der Nachfragebestimmung waren sowohl eine Be- fragung der relevanten Betriebe, als auch eine Auswertung der Statistiken zur Baufertigstel- lung und schließlich mit GIFPRO ein analytisches Modell zur Prognose. Im dritten Schritt wurden alle Grundstücke mit einem Bebauungsplan nach den §§ 8 (Gewerbegebiet) und 9 (Industriegebiet) Baunutzungsverordnung sowie alle gewerbliche Darstellungen im Flächen- nutzungsplan aufgesucht und hinsichtlich ihres Nutzungsstatus überprüft und kartiert. Die Bi- lanz zwischen der Nachfragevorausschätzung und dem Bestand ermöglicht die Beurteilung der Neusser Gewerbeflächensituation.

In der Regionalanalyse wird gezeigt, dass die Stadt Neuss eine positive wirtschaftliche Ent- wicklung durchläuft. Im besonderen Maß dynamisch sind die Dienstleistungen, der Bereich Logistik, aber auch ein spezieller Teil der Produktion, die Medizintechnik. Die Befragung der Betriebe erbrachte zudem, dass sie auch in den nächsten fünf Jahren mit einer positiven Ent- wicklung rechnen. Die Betriebe werden vor allem qualifizierte Arbeitskräfte einstellen. Das Produzierende Gewerbe wird aber gleichzeitig die Zahl der gering qualifizierten Beschäftig- ten verringern und in der Bilanz wahrscheinlich weniger Beschäftigte aufweisen. Dieser Wirt- schaftsbereich ist im internationalen Wettbewerb bestrebt möglichst kostengünstig zu produ- zieren. Die Stadt Neuss ist aber insgesamt ein Dienstleistungsstandort. Fast drei Viertel der Beschäf- tigten finden in diesem Sektor ihren Arbeitsplatz. Eine Art Rückkehr in die "alte" Zeit als Produktionsstandort ist nicht möglich, da sowohl die regionale, als auch die weltwirtschaftli- che Arbeitsteilung eine solche Entwicklung nicht ermöglicht. Die Stadt Neuss wird sich im Wesentlichen als Standort für exportfähige Dienstleistungen (und kurzfristig für Logistik) be- haupten müssen. Dennoch bleibt das Verarbeitende Gewerbe in Neuss ein wichtiger Wirtschaftszweig und stellt einen zentralen Impuls der Entwicklung dar. Die Zahl der Arbeitsplätze in den Gewerbeflächen nachfragenden Wirtschaftsbereichen Ver- arbeitendes Gewerbe, Baugewerbe, Großhandel und Verkehr/Speditionen wird aber insgesamt geringer werden. In der Konsequenz des allgemeinen Rückgangs bzw. der Stagnation wird dieser Teil der Wirtschaft weniger Investitionen tätigen und in der Folge in seiner Gewerbe- flächennachfrage entsprechend verhalten bleiben. Der Bedarf an gewerblichen Bauflächen im Sinne der §§ 8 und 9 Baunutzungsverordnung ist vor diesem Hintergrund stagnierend bis rückläufig. Dies wird auch von der Investitionsstatis-

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tik der Stadt Neuss und der Region widergespiegelt. Bei dem insgesamt sinkenden Aufwand für Ausrüstungsinvestitionen, geht auch das Investitionsvolumen der Betriebe in Grundstücke bzw. Immobilien in Neuss zurück.

Die Untersuchung nutzt zur konkreten Bedarfsbestimmung drei verschiedene Prognoseansät- ze. Ein Prognoseansatz resultiert aus den baulichen Aktivitäten für Fabrik- und Werkstattge- bäude. Die Analyse zeigt ein sinkendes Fertigstellungsaufkommen. Wurden in der ersten Hälfte der Untersuchungsperiode im Mittel mehr als 20.000 m² Nutzfläche je Jahr erstellt, sind es in der zweiten Hälfte im Jahresmittel rund 10.000 m². Insgesamt lässt sich hieraus eine Nachfrage von 68 ha Bruttobauland ableiten84. Die Befragung der Betriebe ergibt eine vor- aussichtliche Nachfrage von 22,5 ha (Bruttobauland) für den Zeitraum von rd. 5 Jahre. In der dritten Prognose, basierend auf dem analytischen GIFPRO-Modell, wird ein Bedarf von ca. 53 ha (Bruttobauland) für den Zeitraum bis 2025 ermittelt. Die verschiedenen unabhängigen Prognosen bilden damit ein Intervall, so dass für die weitere Diskussion – vereinfacht – vom höheren Wert ausgegangen werden soll. Man kann erwarten, dass der niedrigste Prognosewert nicht unterschritten und der obere Wert nicht überschritten wird.

Die Bestandsaufnahme der Gewerbegrundstücke (siehe auch Einzelnachweise im Anhang) zeigt insgesamt eine günstige Nutzungssituation. Der Anteil der Brachflächen, Leerstände und auch der fehl genutzten Flächen durch Wohngebäude und ähnliches ist vergleichsweise ge- ring. Dieses positive Urteil ist hinsichtlich zweier Besonderheiten einzuschränken. Zuerst wird ein erheblicher Anteil der Gewerbeflächen nach den §§ 8 und 9 BauNVO durch Büro- und Dienstleistungsgebäude genutzt und zum Zweiten durch den Einzelhandel. Beide Nut- zungen verdrängen das Verarbeitende Gewerbe von ihren Standorten und reduzieren das ver- fügbare Flächenangebot für die Betriebe, die angesichts ihres Störungspotenzials auf diese Standorte angewiesen sind. Der Wettbewerb bzw. die Verdrängung betrifft vor allem die Ge- biete, die über besondere Lagevorteile verfügen (Erreichbarkeit, Lage zu potenziellen Kun- den) und gerade auch von den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes besonders nachgefragt werden85. Die Dienstleistungen und der Einzelhandel verdrängen das Verarbeitende Gewerbe in der Regel durch die Bereitschaft bzw. betriebswirtschaftliche Bedingungen, höhere Grund- stückspreise zu zahlen. Oder in anderer Perspektive: Die Verdrängung erfolgt durch das Preisgefälle zwischen den klassischen Bürostandorten der Inneren Stadt und den vergleichs- weise niedrigen Bodenpreisen in klassischen Gewerbegebieten.

Insgesamt muss festgehalten werden, dass quantitativ nicht genügend Flächen in Neuss zur Verfügung stehen.86 Die derzeit verfügbaren Gewerbeflächenreserven ergeben ca. 42 ha. Hin-

84 Die Nutzfläche wurde hierzu mit Hilfe einer geschätzten GRZ und der erforderlichen Erschließung auf die Bruttobaulandflä- che hochgerechnet. 85 Der Anlass dieser Nachfrage ist die Tertiärisierung des Verarbeitenden Gewerbes. Die Betriebe stellen zunehmend Stand- ortanforderungen wie ein Dienstleistungsbetrieb, aber bedürfen durch ihr Störpotenzial einer deutlichen Distanz zu empfind- lichen Nutzungen. 86 Jede aufgenommene ungenutzte Gewerbeflächen (Brache, Leerstand) wurde durch die Wirtschaftsförderung geprüft. Die bis 2025 als verfügbar bezeichneten Gewerbeflächen wurden ausdrücklich von der Wirtschaftsförderung als solche einge- stuft.

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zu kommen Flächen in der Größenordnung von rd. 7,9 ha, die angesichts des Umfeldes und des schon erfolgten Umnutzungsprozesses als Büroflächen genutzt werden sollen.

Die übrigen Reserveflächen werden in ihrer Nutzung im Wesentlichen von privaten Eigentü- mern bestimmt. Hierzu gehören 23,7 ha betriebsgebundene Flächen. Diese Flächen wurden von den Betrieben als Reserven beschafft und für diesen Zweck vorgehalten. Zusätzlich sind Flächen in der Größe von 15,1 ha (zuzüglich 6,7 ha für Büroflächen) im privaten (Streu-) Be- sitz. Diese Flächen werden zum Teil spekulativ mit dem Ziel höherer Grundstückspreise und zum Teil für eigene Vorhaben gehalten. Für einen Anteil von 35,9 ha sollte das Ziel einer ge- werblichen Flächennutzung aufgegeben werden.

Die Befragung ergab, dass die Betriebe zu fast 75 Prozent ihren Standort positiv bewerten. Nur ein sehr kleiner Anteil der Betriebe (ca. 6 Prozent) bewerten ihren Standort eindeutig ne- gativ. Bezüglich ihres aktuellen Standortes bewerten die Betriebe die verkehrliche Anbindung, das Image der Stadt Neuss sowie die Lage zu Kunden und zu Arbeitskräften als besonderes vor- teilhaft. Für alle vier Faktoren wird von mehr als der Hälfte der Betriebe das Urteil "sehr gut" und "gut" vergeben. Kritischer bewertet werden die Faktoren Qualität der Arbeitskräfte, Image des Gewerbegebietes, Grundstückszuschnitt und Erschließung. Es werden vor allem die Gewerbestandorte von den Betrieben in der Befragung günstig be- wertet, die über eine hohe städtebauliche Qualität verfügen, keine wirtschaftsstrukturelle Mo- nostruktur aufweisen und schließlich in der Nähe zur Innenstadt der Stadt Neuss liegen. Es sind die Standorte, die im besonderen Maße einem Umnutzungsdruck unterliegen (Verdrän- gung durch Dienstleistungen/Wohnnutzung) und auch nicht mehr "hergestellt" werden kön- nen. Ein Verlust dieser Standorte wird sich insgesamt auf die Standortqualität für das Verar- beitende Gewerbe, das Baugewerbe, den Großhandel und die Speditionen/die Lagerei nachtei- lig auswirken. Anstrengungen zur Erhaltung dieser Standorte bzw. dieser Qualitäten sind ge- rade für die schon sehr weitgehend dienstleistungsgeprägte Produktion in der Stadt Neuss von besonderer Bedeutung.

Die Untersuchung lässt erkennen, dass 1. es, unter Berücksichtigung der verfügbaren Flächenreserven, ein Flächendefizit von ca. 25 bis 30 ha bis zum Jahr 2025 gibt. Zur Deckung dieses Defizites ergab die Standortsuche drei Standorte mit einer hohen Standorteignung. Im Such- bzw. Auswahlprozess wurde auch deutlich, dass für Gewerbe- und Industrieansiedlungen günstige Standorte im Neusser Stadtgebiet nur noch in begrenztem Umfang vorhanden sind. Vielfach besteht ein Nut- zungswettbewerb zwischen Naturraum/Wohnen und Gewerbe. 2. ein großer "unsichtbarer" Nutzer der Flächen sind Betriebe, die einer Gewerbefläche im Sinne der §§ 8 (Gewerbegebiet für störende Nutzungen) und 9 (Industriegebiet für erheb- lich störende Nutzungen) BauNVO nicht bedürfen. Dienstleistungen sind weder "störend" noch "erheblich störend" und zudem stehen ihnen in anderen Baugebietskategorien Stand- orte in erheblichem Umfang zur Verfügung. Diese Büro- und Dienstleistungsflächen nut- zen die günstigen Bodenpreise sowie die guten Lageparameter der Gewerbestandorte. Eine

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Abhilfe bzw. Steuerung ist nur durch ein räumlich konkretes Dienstleistungs- und Büroflä- chenentwicklungskonzept, das auf diese Belange eingeht, möglich. 3. die Stadt Neuss über ein großes Reservoir an privaten bzw. betriebsgebundenen Gewerbe- flächen verfügt. Ihre Mobilisierung kann für die nächsten Jahrzehnte das Gewerbeflächen- angebot in Neuss quantitativ und qualitativ ausdifferenzieren und verbessern. Diese Flä- chen sind in aller Regel erschlossen und verfügen über gute Lageparameter. Die "theoreti- sche" Gesamtfläche aller ungenutzten Gewerbeflächen in Neuss beträgt mehr als der ermit- telte Bedarf bis 2025.

Für die Vermarktungsfähigkeit von Gewerbeflächen gilt, ähnlich wie für Waren, die richtige Menge, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit und in der notwendigen Qualität bereit zu stellen. Diese vier Bedingungen sind die logische Konsequenz des Wettbewerbs zwischen den Flä- chenanbietern und indirekt auch zwischen den Flächennutzern. Die rationale Wahl eines Be- triebes würde bei konkurrierenden Angeboten auf den Standort bzw. die Fläche fallen, die die erforderliche Größe, den richtigen Ort, die notwendige Qualität aufweist und just zum Be- darfszeitpunkt verfügbar ist. Im Wettbewerb zwischen den Betrieben sind diese Kriterien e- benfalls ausschlaggebend, da unzureichende Standorte eine Entwicklungsrestriktion darstel- len, die im Wettbewerb nicht ignoriert werden kann. Der Flächenanbieter kann erwarten, dass er dann einen maximalen Preis erreicht oder, für ihn meist wichtiger, die geringsten Gestehungskosten hat, wenn sein Angebot diesen vier zentra- len Merkmalen entspricht. Vor diesem Hintergrund ist Gewerbeflächenpolitik nicht nur eine planerische Flächendarstellung und die Sicherung der Verfügbarkeit, sondern die Integration aller Ansprüche.

Ein effizientes Management der Gewerbeflächen in Abstimmung mit den Bedürfnissen der Betriebe ist mittelfristig nur möglich, wenn die planerische Flächenentwicklung und Flächen- steuerung mit der Flächenvergabe an die Betriebe enger koordiniert wird. Die Erfahrung zeigt, dass der übliche Informationsfluss vielfach nicht konkret genug ist und vor allem in den frühen Entscheidungsphasen im herkömmlichen Vorgehen nur wenige Alternativen berück- sichtigen kann. Mit einem Monitoringkonzept, basierend auf einem GIS-System und entsprechenden Auswer- tungsroutinen zur Protokollierung der Flächennutzung, sind differenzierte und zeitnahe Aus- wertungen zur Lage möglich. Für das Tagesgeschäft bestehen auf dieser Basis effiziente Rou- tinen, um Grundstücke, Lagequalitäten usw. anzubieten. Gleichzeitig lässt sich der Suchpro- zess zur Dokumentation nutzen: Es wird deutlich, welche Grundstücksgrößen oder welche Standortfaktoren nachgefragt wurden, bereitgestellt werden konnten und über welche Ange- bote die Stadt nicht verfügt. Auch strukturelle Analysen sind auf dieser Grundlage möglich. Eine zyklische Schwankung der Flächennachfrage würde beispielsweise einer konjunkturellen Lage zuzuschreiben sein. In diesem Falle wären investive Maßnahmen oder auch Werbemaßnahmen (oder Sonderangebote) zur Flächenvermarktung relativ wirkungslos. Zeigt sich eine nach Flächen- und Lagequalität ge- spaltene Entwicklung, dann lässt sich prüfen, welche Standorte bzw. Standortqualitäten eine Nachfrage erfahren und auch welche Lage- und Flächenqualitäten obsolet geworden sind. Hier

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besteht die Handlungsstrategie nicht im Abwarten, sondern in der Analyse der erforderlichen neu- en Qualitäten und der Bereitstellung bzw. Entwicklung der erforderlichen Qualitäten.

Die Stadt Neuss verfügt mit dem gegenwärtigen Status der Planung über gute Voraussetzun- gen bis zum Jahr 2025 der Flächennachfrage der Betriebe gerecht zu werden. Mit der Ent- wicklung eines Beobachtungs- bzw. Monitoringsystems kann sie ihre Flächenangebote besser auf die qualitativen Aspekte dieser Nachfrage ausrichten und durch eine effiziente Steuerung auch genügend Gewerbe- und Industriefläche für die nächste Flächennutzungsperiode entwi- ckeln. Schließlich weisen alle Ergebnisse (der Befragung in Neuss, die Gespräche, die zufallsgeführ- ten Gespräche mit Betriebsinhabern und unsere Erfahrungen in anderen Standorten) darauf hin, dass technisch gute Gewerbestandorte nur einen Teil der Standort- und Entwicklungsent- scheidung darstellen. Mindestens so wichtig sind Freiräume und auch ein positives kulturelles Klima.

Gleichzeitig lässt sich zeigen, dass wenn man den Standort eines neuen Gewerbegebietes (ob GE oder GI) in Neuss entwickeln möchte, nur noch wenige Standorte angesichts der Sied- lungssituation zur Verfügung gestellt werden können. Diese Standorte sind zudem meist peri- pher und entsprechen in ihren Standortfaktoren etc. nur zum Teil den Präferenzen der Stand- ort suchenden Betriebe. Vor diesem Hintergrund sind ein sorgsamer Umgang mit Flächen und eine aktuelle Beobachtung des Nutzungsprozesses (Monitoring) von großer Bedeutung.

Dortmund, den 15.04.2011

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