Plenarprotokoll 917

BUNDESRAT Stenografischer Bericht 917. Sitzung

Berlin, Freitag, den 29. November 2013

Inhalt:

Begrüßung des Präsidenten des Bundesrates b) Entschließung des Bundesrates zur der Republik Österreich, Reinhard Todt, und Schaffung von begrenzten und befris- einer Delegation ...... 541 A teten Privilegien für Fahrzeuge mit besonders geringem Kohlendioxid Zur Tagesordnung ...... 541 B (CO2)- und Schadstoffausstoß im öffentlichen Straßenraum und zur 1. Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung Kennzeichnung von Fahrzeugen mit des Schulobstgesetzes – gemäß Arti- besonders geringem CO2- und Schad- kel 76 Absatz 1 GG – Antrag des Frei- stoffausstoß und Euro 6/VI-Fahrzeu- staates Bayern gemäß § 36 Absatz 2 GO gen mittels Plaketten durch gesetzli- BR – (Drucksache 765/13) ...... 543 B che Maßnahmen – Antrag des Landes Baden-Württemberg – (Drucksache Mitteilung: Überweisung an die zustän- 710/13) ...... 545 D digen Ausschüsse ...... 543 B (Baden-Württem- berg) ...... 545 D 2. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung Sven Morlok (Sachsen) ..... 546 C der strafrechtlichen Dopingbekämpfung – Antrag des Landes Baden-Württemberg – Beschluss zu a): Einbringung des Gesetz- (Drucksache 266/13) ...... 543 B entwurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG beim Deutschen Bundestag nach Maß- Rainer Stickelberger (Baden-Würt- gabe der angenommenen Änderung – ...... temberg) 543 B Bestellung von Minister Winfried Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) 544 C Hermann (Baden-Württemberg) zum Dr. Helmuth Markov () 557*A Beauftragten des Bundesrates gemäß Dr. Angelica Schwall-Düren (Nord- § 33 GO BR ...... 547 C rhein-Westfalen) ...... 557*B Beschluss zu b): Annahme der Entschlie- Jürgen Lennartz () ....557*C ßung nach Maßgabe der beschlossenen Änderung ...... 547 C Sven Morlok (Sachsen) .....557*D Beschluss: Einbringung des Gesetzent- 4. Entschließung des Bundesrates „Per- wurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG sonalgestellung und Abordnung – He- beim Deutschen Bundestag in der fest- rausnahme der öffentlich-rechtlichen gelegten Fassung – Bestellung von Gebietskörperschaften aus dem Anwen- Minister Rainer Stickelberger (Baden- dungsbereich des Gesetzes zur Rege- Württemberg) zum Beauftragten des lung der Arbeitnehmerüberlassung“ Bundesrates gemäß § 33 GO BR ... 545 C – Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Hol- 3. a) Entwurf eines ... Gesetzes zur Ände- stein und Baden-Württemberg, Branden- rung des Straßenverkehrsgesetzes burg – (Drucksache 745/13) ..... 547 C – Antrag der Freien und Hansestadt Beschluss: Die Entschließung wird ge- – (Drucksache 671/13) fasst ...... 559*A

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5. Entschließung des Bundesrates zur Bun- und den Ausschuss der Regionen: Lang- desanstalt für Immobilienaufgaben fristige Vision für die Infrastruktur in Eu- (BImA) – Antrag der Länder Schleswig- ropa und darüber hinaus – gemäß §§ 3 Holstein und Niedersachsen, Rheinland- und 5 EUZBLG – (Drucksache 730/13) . 551 A Pfalz – (Drucksache 742/13) ..... 547 C Beschluss: Stellungnahme ...... 551 A Beschluss: Annahme der Entschließung nach Maßgabe der beschlossenen Än- 12. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates derungen ...... 559*A zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuer- 6. Bericht der Kommission: Jahresbericht system in Bezug auf eine Standard-Mehr- 2012 über die Anwendung der Grund- wertsteuererklärung (Drucksache 735/13, sätze der Subsidiarität und der Verhältnis- zu Drucksache 735/13) ...... 551 A mäßigkeit – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- (Drucksache 608/13) ...... 547 C kel 12 Buchstabe b EUV und Stellung- Beschluss: Stellungnahme ...... 547 D nahme gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG .. 551 B

7. Vorschlag für eine Verordnung des Euro- 13. Mitteilung der Kommission an den Rat päischen Parlaments und des Rates über und an das Europäische Parlament: Maßnahmen zum Schutz vor Pflanzen- Schusswaffen und die innere Sicherheit schädlingen – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – der EU: Schutz der Bürger und Unterbin- (Drucksache 413/13, zu Drucksache 413/ dung des illegalen Handels – gemäß §§ 3 13) ...... 547 C und 5 EUZBLG – (Drucksache 732/13) . 551 B Beschluss: Stellungnahme ...... 559*A Beschluss: Stellungnahme ...... 551 B

8. Vorschlag für eine Verordnung des Euro- 14. Vorschlag für einen Beschluss des Rates päischen Parlaments und des Rates über zur Änderung der Entscheidung 2007/ Maßnahmen zum europäischen Binnen- 198/Euratom des Rates über die Errich- markt der elektronischen Kommunika- tung des europäischen gemeinsamen Un- tion und zur Verwirklichung des vernetz- ternehmens für den ITER und die Ent- ten Kontinents und zur Änderung der wicklung der Fusionsenergie sowie die Richtlinien 2002/20/EG, 2002/21/EG und Gewährung von Vergünstigungen dafür 2002/22/EG und der Verordnungen (EG) – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksa- Nr. 1211/2009 und (EU) Nr. 531/2012 che 674/13) ...... 551 C – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksa- Eveline Lemke (Rheinland-Pfalz) . 551 C che 689/13, zu Drucksache 689/13) .. 547 D Michael Boddenberg (Hessen) ..560*A Beschluss: Stellungnahme ...... 552 B

Beschluss: Stellungnahme ...... 548 B 15. Mitteilung der Kommission an das Euro- päische Parlament und den Rat: Stärkung 9. Mitteilung der Kommission an das Euro- der sozialen Dimension der Wirtschafts- päische Parlament, den Rat, den Europäi- und Währungsunion – gemäß §§ 3 und 5 schen Wirtschafts- und Sozialausschuss EUZBLG – (Drucksache 721/13) .... 552 B und den Ausschuss der Regionen – Eine Dr. Angelica Schwall-Düren (Nord- neue EU-Forststrategie: für Wälder und rhein-Westfalen) ...... 552 C den forstbasierten Sektor – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 699/13) . 548 B Beschluss: Stellungnahme ...... 553 C Beschluss: Stellungnahme ...... 548 B 16. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi- schen Parlaments und des Rates zur Än- 10. Mitteilung der Kommission an das Euro- derung der Richtlinie 2003/87/EG über päische Parlament, den Rat und den Eu- ein System für den Handel mit Treib- ropäischen Wirtschafts- und Sozialaus- hausgasemissionszertifikaten in der Ge- schuss: Bewertung der nationalen meinschaft zur Umsetzung bis 2020 eines Reglementierungen des Berufszugangs internationalen Übereinkommens über – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksa- die Anwendung eines einheitlichen glo- che 717/13) ...... 548 B balen marktbasierten Mechanismus auf Michael Boddenberg (Hessen) .. 548 C Emissionen aus dem internationalen Eveline Lemke (Rheinland-Pfalz) . 550 B Luftverkehr – gemäß Artikel 12 Buch- stabe b EUV und §§ 3 und 5 EUZBLG – Beschluss: Stellungnahme ...... 551 A (Drucksache 733/13, zu Drucksache 733/ 13) ...... 553 C 11. Mitteilung der Kommission an das Euro- päische Parlament, den Rat, den Europäi- Beschluss: Stellungnahme gemäß §§ 3 schen Wirtschafts- und Sozialausschuss und 5 EUZBLG ...... 553 D Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 III

17. Vorschlag für eine Verordnung des Euro- tionen; Themenschwerpunkt: fachliche päischen Parlaments und des Rates zur Anerkennung von Hochschulberufen) Änderung der Verordnung (EG) Nr. 443/ – gemäß § 6 Absatz 1 EUZBLG i.V.m. Ab- 2009 hinsichtlich der Festlegung der Mo- schnitt I der Bund-Länder-Vereinbarung – dalitäten für das Erreichen des Ziels für (Drucksache 178/13) ...... 547 C 2020 zur Verringerung der CO -Emissio- 2 Beschluss: nen neuer Personenkraftwagen – gemäß Zustimmung zu der Empfeh- lung in Drucksache 178/1/13 .... §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 396/12, 559*C zu Drucksache 396/12, Drucksache 336/ 13) 24. Benennung von Mitgliedern und stellver- tretenden Mitgliedern des Verwaltungs- Mitteilung: Absetzung von der Tagesord- rates der Filmförderungsanstalt – gemäß nung ...... 541 B § 6 Absatz 1 und 2 FFG – (Drucksache 726/13, zu Drucksache 726/13) .... 547 C 18. Verordnung über maßgebende Rechengrö- ßen der Sozialversicherung für 2014 (So- Beschluss: Zustimmung zu den Empfeh- zialversicherungs-Rechengrößenverord- lungen in Drucksache 726/1/13 ...559*C nung 2014) (Drucksache 727/13) .... 547 C 25. Benennung eines stellvertretenden Mit- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 glieds des Kuratoriums der Stiftung Absatz 2 GG ...... 559*B „Haus der Geschichte der Bundesrepu- blik Deutschland“ – gemäß § 7 Absatz 3 19. Verordnung zur Ablösung der Versuchs- des Gesetzes zur Errichtung einer Stif- tiermeldeverordnung und zur Änderung tung „Haus der Geschichte der Bundes- tierschutzrechtlicher Vorschriften (Druck- republik Deutschland“ – (Drucksache sache 731/13) ...... 547 C 747/13) ...... 547 C Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 Beschluss: Zustimmung zu dem Vor- Absatz 2 GG nach Maßgabe der be- schlag in Drucksache 747/13 ....559*C schlossenen Änderungen – Annahme einer Entschließung ...... 559*B 26. Benennung eines Mitglieds und eines stellvertretenden Mitglieds für den Ei- 20. Ausbildungs- und Prüfungsverordnung senbahninfrastrukturbeirat – gemäß § 4 für Notfallsanitäterinnen und Notfall- Absatz 4 BEVVG – (Drucksache 738/13) 547 C sanitäter (NotSan-APrV) (Drucksache 728/13) ...... 553 D Beschluss: Es werden vorgeschlagen: Staatsminister Joachim Herrmann Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 (Bayern) als Mitglied und Staatssekre- Absatz 2 GG nach Maßgabe der festge- tär Gerhard Eck (Bayern) als stellver- legten Änderungen ...... 554 A tretendes Mitglied ...... 559*C

21. Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift 27. Benennung eines Mitglieds und eines zur Änderung der Kommunalträger-Ab- stellvertretenden Mitglieds für den Beirat rechnungsverwaltungsvorschrift (Druck- der Bundesnetzagentur für Elektrizität, sache 729/13) ...... 554 A Gas, Telekommunikation, Post und Ei- Beschluss: Zustimmung gemäß Arti- senbahnen – gemäß § 5 BEGTPG – kel 91e Absatz 2 und 3 GG i.V.m. § 48 (Drucksache 739/13) ...... 547 C Absatz 3 SGB II in der festgelegten Beschluss: Es werden vorgeschlagen: Fassung ...... 554 A Staatsministerin Ilse Aigner (Bayern) als Mitglied und Staatssekretär Franz 22. Zweite Allgemeine Verwaltungsvor- Josef Pschierer (Bayern) als stellvertre- schrift zur Änderung der Allgemeinen tendes Mitglied ...... 559*C Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und 28. Verfahren vor dem Bundesverfassungs- Vornamen (2. NamÄndVwV) (Drucksa- gericht (Drucksache 744/13, zu Drucksa- che 696/13) ...... 554 A che 744/13) ...... 547 C Bilkay Öney (Baden-Württemberg) . 554 B Beschluss: Von einer Äußerung und ei- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 84 nem Beitritt wird abgesehen ....559*D Absatz 2 GG in geänderter Fassung . 555 A 29. Benennung von Vertretern und Stellver- 23. Benennung von Beauftragten des Bun- tretern des Bundesrates im Mittelstands- desrates in Beratungsgremien der Euro- rat der Kreditanstalt für Wiederaufbau päischen Union (Ausschuss der Kommis- – gemäß § 7a Absatz 1 KredAnstWiAG – sion für die Richtlinie 2005/36/EG über Antrag des Landes Hessen gemäß § 36 die Anerkennung beruflicher Qualifika- Absatz 2 GO BR – (Drucksache 771/13) . 547 C IV Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013

Beschluss: Zustimmung zu dem Vor- das AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM- schlag in Drucksache 771/13 ....559*C Steuer-Anpassungsgesetz – AIFM- StAnpG) (Drucksache 784/13) .... 542 A 30. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Peter-Jürgen Schneider (Nieder- Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der sachsen) ...... 542 B Tagesbetreuung für Kinder und zur Än- derung des Kinderbetreuungsfinanzie- Beschluss: Zustimmung gemäß Arti- rungsgesetzes (Drucksache 783/13) .. 541 B kel 105 Absatz 3 und Artikel 108 Ab- satz 4 und 5 GG ...... 543 B Dr. Angelica Schwall-Düren (Nord- rhein-Westfalen) ...... 541 C Nächste Sitzung ...... 555 C Beschluss: Zustimmung gemäß Arti- kel 104b Absatz 2 GG ...... 542 A Beschluss im vereinfachten Verfahren gemäß § 35 GO BR ...... 555 A/C 31. Gesetz zur Anpassung des Investment- steuergesetzes und anderer Gesetze an Feststellung gemäß § 34 GO BR .... 555 B/D Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 V

Verzeichnis der Anwesenden

Vorsitz: Berlin:

Präsident Stephan Weil, Ministerpräsi- , Regierender Bürgermeister dent des Landes Niedersachsen Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Integration Vizepräsident , und Frauen Ministerpräsident des Landes Baden- Württemberg – zeitweise – Thomas Heilmann, Senator für Justiz und Ver- braucherschutz

Schriftführerin: Brandenburg:

Prof. Dr. Angela Kolb (Sachsen-Anhalt) Dr. , Ministerpräsident

Dr. Helmuth Markov, Minister der Finanzen

Schriftführer: : Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) , Bürgermeisterin, Senatorin für Finanzen

Ulrike Hiller, Staatsrätin für Bundes- und Euro- Baden-Württemberg: paangelegenheiten und Integration, Bevoll- mächtigte der Freien Hansestadt Bremen Winfried Kretschmann, Ministerpräsident beim Bund und für Europa

Peter Friedrich, Minister für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten und Hamburg: Bevollmächtigter des Landes Baden-Württem- berg beim Bund Olaf Scholz, Präsident des Senats, Erster Bürger- meister Winfried Hermann, Minister für Verkehr und Infrastruktur Dr. , Senator, Präses der Finanzbehörde , Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz

Rainer Stickelberger, Justizminister Hessen:

Bilkay Öney, Ministerin für Integration , Ministerpräsident

Michael Boddenberg, Minister für Bundesange- legenheiten und Bevollmächtigter des Landes Bayern: Hessen beim Bund

Christine Haderthauer, Leiterin der Staatskanz- lei und Staatsministerin für Bundesangele- Mecklenburg-Vorpommern: genheiten und Sonderaufgaben Erwin Sellering, Ministerpräsident Prof. Dr. Winfried Bausback, Staatsminister der Justiz Lorenz Caffier, Minister für Inneres und Sport VI Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013

Niedersachsen: Sachsen-Anhalt:

Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport Dr. , Ministerpräsident Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Frauen, Prof. Dr. Angela Kolb, Ministerin für Justiz und Familie, Gesundheit und Integration Gleichstellung Antje Niewisch-Lennartz, Justizministerin

Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein: Peter-Jürgen Schneider, Finanzminister Torsten Albig, Ministerpräsident

Nordrhein-Westfalen: Dr. , Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbrau- cherschutz

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bun- Thüringen: desangelegenheiten, Europa und Medien und Bevollmächtigte des Landes Nordrhein-West- Christine Lieberknecht, Ministerpräsidentin falen beim Bund

Rheinland-Pfalz: Von der Bundesregierung: , Ministerpräsidentin

Margit Conrad, Staatsministerin, Bevollmäch- Prof. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin bei der tigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund Bundeskanzlerin und für Europa Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bun- Eveline Lemke, Ministerin für Wirtschaft, Klima- desminister des Innern schutz, Energie und Landesplanung

Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Landwirt- Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim schaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Bundesminister für Wirtschaft und Technolo- gie

Saarland: Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsi- dentin Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Heiko Maas, Minister für Wirtschaft, Arbeit, Bundesministerin für Familie, Senioren, Energie und Verkehr Frauen und Jugend

Jürgen Lennartz, Staatssekretär, Chef der Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Saar- beim Bundesminister für Gesundheit landes beim Bund

Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwick- Sachsen: lung

Stanislaw Tillich, Ministerpräsident Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Sven Morlok, Staatsminister für Wirtschaft, Bundesministerin für Bildung und Forschung Arbeit und Verkehr

Dr. Johannes Beermann, Staatsminister und Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesminis- Chef der Staatskanzlei terium der Finanzen Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 541

(A) (C) Redetext

917. Sitzung

Berlin, den 29. November 2013

Beginn: 9.32 Uhr Mir liegt eine Wortmeldung von Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren aus Nordrhein-Westfalen vor. Präsident Stephan Weil: Einen schönen guten Mor- gen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Dr. Angelica Schwall-Düren (Nordrhein-Westfalen): Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 917. Sit- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und zung des Bundesrates und darf zunächst Ihre Auf- Herren! Sie alle kennen das Erste Struck’sche Ge- merksamkeit auf die Ehrentribüne lenken. Dort hat setz: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es der Präsident des Bundesrates der Republik Öster- hineingekommen ist. reich, Herr Reinhard T o d t , in Begleitung seiner Delegation Platz genommen. Wir befassen uns heute unter dem aufgerufenen Tagesordnungspunkt mit einer – allerdings sehr er- (Beifall) freulichen – Anomalie des Struck’schen Gesetzes: Ein Exzellenz, Ihr Besuch ist uns Zeichen tiefer freund- Gesetzentwurf des Bundesrates kann den Bundestag schaftlicher Verbundenheit. In den vergangenen Jah- so verlassen, wie er hineingekommen ist. (B) ren hatten einige meiner Amtsvorgänger bereits die Die Anomalie zeichnet sich noch dazu durch eine (D) Ehre, Vertreter des österreichischen Bundesrates in ungewöhnliche Geschwindigkeit aus: Vor gerade unserem Hause begrüßen zu dürfen. Diese regelmä- einmal drei Wochen, am 8. November, haben wir im ßigen Kontakte bieten Gelegenheit, unsere engen Plenum eine Gesetzesinitiative zur Verlängerung der und vertrauensvollen Beziehungen weiter zu vertie- Fristen der Investitionsprogramme zum Kitaausbau fen. Ich freue mich schon jetzt auf unser gemeinsa- auf den Weg gebracht. mes Gespräch im Laufe des Vormittags. Wir verfolgen damit zwei Ziele: Herr Präsident, ich heiße Sie im Plenarsaal des Bundesrates herzlich willkommen und wünsche Ih- Die Mittel aus den Investitionsprogrammen des nen einen angenehmen Aufenthalt bei uns. Bundes müssen für die noch weiter benötigten Be- treuungsplätze vor Ort vollständig zur Verfügung ste- (Beifall) hen. Sie müssen in vollem Umfang für den U3-Aus- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zur bau genutzt werden. Tagesordnung. Sie liegt Ihnen in vorläufiger Form Zweitens kommt es uns darauf an, dass die noch mit 31 Punkten vor. verfügbaren Mittel dorthin fließen, wo auf Grund der Tagesordnungspunkt 17 wird abgesetzt. tatsächlichen Nachfrage noch Plätze gebaut werden müssen, auch wenn erst ein Grundstück beschafft Zur Reihenfolge der Tagesordnung: Die Punkte 30 oder baureif gemacht werden muss. Die Vergabe der und 31 werden vor Punkt 1 aufgerufen. Im Übrigen restlichen Investitionsmittel soll nicht davon domi- bleibt die Reihenfolge unverändert. niert werden, wo am raschesten gebaut werden Gibt es Wortmeldungen zur Tagesordnung? – Das kann. ist nicht der Fall. Kommunen und Träger haben das sehr unterstützt. Dann ist sie so festgestellt. Insbesondere kleine Träger, wie Elterninitiativen und Kirchengemeinden, warten dringend auf eine solche Wir kommen zu Punkt 30: Klärung. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Unsere Gesetzesinitiative war gut vorbereitet und Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Ta- im Vorfeld mit der Bundesregierung abgestimmt. gesbetreuung für Kinder und zur Änderung des Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetzes (Druck- Die Bundesregierung hat bereits am 20. dieses Mo- sache 783/13) nats positiv Stellung genommen. 542 Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 Dr. Angelica Schwall-Düren (Nordrhein-Westfalen) (A) (C) Der Bundestag hat den Gesetzentwurf in dieser Das vorliegende Gesetz bringt die notwendigen Woche beraten und gestern beschlossen. Anpassungen im Investmentsteuergesetz, die sich auf Grund der Umsetzung der AIFM-Richtlinie erge- Mit unserer Zustimmung heute schaffen wir für alle ben. Die Investmentbesteuerung in Deutschland er- Beteiligten in den Ländern und Kommunen, die sich hält damit wieder die notwendige gesetzliche Grund- in der Vergangenheit sehr – und erfolgreich – für die lage, die im Juli 2013 mit Inkrafttreten des AIFM- Verwirklichung des Rechtsanspruchs eingesetzt ha- Anpassungsgesetzes entfallen war. Sowohl der Fis- ben, rechtzeitig vor Jahresende die erforderliche kus als auch die Investmentfonds und ihre Anleger Klarheit. haben das dringende und berechtigte Interesse, dass Ich möchte den Mitwirkenden in Regierung und noch in diesem Jahr Rechtssicherheit in diesem Be- Parlament für diese rasche und gute Lösung danken; reich hergestellt wird. Deshalb war es wichtig, dass ich denke, das kann ich im Namen aller Länder tun. wir Länder das Gesetzgebungsvorhaben auch nach Es ist ein gutes Signal, dass wir ein Problem, das die dem drohenden Scheitern mit Nachdruck betrieben Betroffenen vor Ort stark belastet hat, in unseren fö- haben. deralen Strukturen so rasch gelöst haben. Es ist ein gutes Signal auch dafür, dass wir den Einsatz für ei- In diesem Zusammenhang mussten wir uns mit nen bedarfsgerechten Ausbau guter Betreuungs- dem sogenannten „Pension Asset Pooling“ befassen. plätze für unsere Jüngsten gemeinsam fortsetzen. – Dabei bündeln international tätige Konzerne das Al- Vielen Dank. tersvorsorgevermögen ihrer ausländischen Tochter- gesellschaften in einem zentralen Investmentfonds. Die Bundesregierung hat in ihrem ursprünglich vor- Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! gelegten Gesetzentwurf geltend gemacht, es sei in diesem Zusammenhang notwendig, die Investment-KG Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. als neue Rechtsform einzuführen. Das heißt konkret, Zur Abstimmung liegt Ihnen das vom Deutschen dass nicht die Fondsgesellschaft, sondern der jewei- Bundestag am 28. November 2013 verabschiedete lige Anteilseigner besteuert wird. Die Länder haben Gesetz vor. Wer dem Gesetz zustimmen möchte, den sich diesem schwierigen Thema gestellt und dafür bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. gesorgt, dass die ursprünglich vorgesehenen steuer- rechtlichen Rahmenbedingungen für die Investment- Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. – KG deutlich restriktiver ausgefallen sind. Herzlichen Dank. Wir kommen zu Punkt 31: Ein zweiter Aspekt: Mit dem Gesetz sollen die not- wendigen Rechtsgrundlagen geschaffen werden, da- Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuerge- mit Deutschland seine Verpflichtungen aus dem (B) setzes und anderer Gesetze an das AIFM-Um- FATCA-Abkommen mit den USA erfüllen kann. Das (D) setzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpassungsge- Abkommen ist Ausdruck der von den USA und der setz – AIFM-StAnpG) (Drucksache 784/13) EU gemeinsam erreichten Fortschritte beim interna- Zu Wort gemeldet hat sich Minister Schneider aus tionalen Kampf gegen Steuerhinterziehung. Durch Niedersachsen. den 2010 verabschiedeten „Foreign Account Tax Compliance Act“ – kurz: FATCA – haben die USA in einer Reihe von Staaten die Kooperationsbereitschaft Peter-Jürgen Schneider (Niedersachsen): Herr Prä- deutlich verbessert. Anders ausgedrückt: Wir haben sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! auch mit der Kavallerie gedroht. Das entspricht auch Das Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuerge- unserem gesamtstaatlichen Interesse. Aus der Sicht setzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umset- der Länder ist es daher ausdrücklich zu unterstützen, zungsgesetz gehört sicherlich zu den Vorlagen, de- dass sich Deutschland im Rahmen des im Februar ren Titel nicht selbsterklärend ist. Der Inhalt ist 2013 paraphierten FATCA-Abkommens mit den USA tatsächlich so komplex, wie es der Titel erahnen ebenfalls zur Lieferung besteuerungsrelevanter In- lässt. formationen verpflichtet hat.

Wenn man sich das bisherige Gesetzgebungsver- In dem Gesetz sind Regelungen zur bilanzsteuer- fahren anschaut, wird auf sehr einfache Weise deut- rechtlichen Behandlung der schuldrechtlichen Über- lich, dass die Länder bei der Steuergesetzgebung tragung von Verpflichtungen enthalten. Hier besteht eine wichtige Rolle wahrnehmen. Sie tragen ohne die Gefahr, dass – insbesondere bei der Übertragung Frage besondere Verantwortung in diesem Bereich. von Pensionsverpflichtungen – Einzelne durch He- Ohne ihre Initiative, angeführt von Nordrhein-West- bung stiller Reserven steuerliche Vorteile zu Lasten falen, das Verfahren nach der gescheiterten Einigung der Allgemeinheit realisieren. Wenn wir das Gesetz- im Vermittlungsausschuss wiederaufzunehmen und gebungsverfahren nicht zu Ende gebracht hätten, den Gesetzentwurf beim Bundestag einzubringen hätten Steuerausfälle in erheblichem Umfang ge- – dieser hat ihn gestern beschlossen –, bestünde droht. Es waren die Länder, die diesen Punkt auf der heute nicht die Möglichkeit, die Angelegenheit noch Grundlage der praktischen Erfahrungen und Er- in letzter Minute zu einem guten Ende zu führen. Es kenntnisse ihrer Steuerverwaltungen in das Gesetz geht dabei nicht um plattes Selbstlob; aber an diesem eingebracht und besonders dringlich gemacht haben. Beispiel lässt sich die herausgehobene Verantwor- tung der Länder bei der Steuergesetzgebung gut ver- Gleiches gilt für die Regelungen zu den sogenann- anschaulichen. ten Goldfinger-Steuersparmodellen. Bei diesem Ge- Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 543 Peter-Jürgen Schneider (Niedersachsen) (A) (C) staltungsmodell haben die Steuerpflichtigen durch Wir alle wissen: Sport ist ein bedeutsamer Wirt- den Kauf von Gold künstlich Verluste erzeugt und schaftszweig. Jedenfalls in seiner Spitze ist der Sport sich dadurch der Besteuerung nach ihrer wahren für viele ein einträgliches Geschäft geworden. Trai- Leistungsfähigkeit entzogen. Nachdem bereits im ner und Angehörige medizinischer Berufe betreuen Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz erste Maßnah- die Sportler. Träger von Mannschaften und Veran- men gegen diesen Missbrauch ergriffen worden wa- stalter vermarkten sportliche Ereignisse. Ausrüster ren, wollen wir jetzt die verbliebenen Lücken schlie- und andere Werbepartner nutzen die Popularität ih- ßen. rer Schützlinge. Alle verdienen daran.

Meine Damen und Herren, wenn wir das AIFM- Um eines klar zu sagen: Gewinnstreben im sportli- Steuer-Anpassungsgesetz heute verabschieden und chen wie im wirtschaftlichen Sinn ist in unserer Ge- noch in diesem Jahr in Kraft treten lassen, haben wir sellschaft selbstverständlich nicht verwerflich. Aber wieder Rechtssicherheit hergestellt. Das ist darauf spätestens wenn es um Geld geht – hier geht es um zurückzuführen, dass die Vertreter von Bund und viel Geld –, wächst die Versuchung, auch mit unlau- Ländern auch in einer insgesamt schwierigen Situa- teren Mitteln zum Erfolg zu kommen. Eine besonders tion Handlungsfähigkeit bewiesen haben. Ich möchte negative Ausprägung dieser Unehrlichkeit ist Doping mich – ich denke, in Ihrer aller Namen – insbeson- im Sport. dere bei Dr. Michael Meister und Dr. Norbert Walter- Borjans bedanken. Sie haben durch ihre Verhandlun- Dass Doping im Sport bekämpft werden muss, steht gen die wesentliche Grundlage für die konkrete Aus- außer Frage. Aber durch wen und wie? Allein durch gestaltung und rasche Verabschiedung des Gesetz- die Sportverbände oder auch durch den Staat? In entwurfs gelegt. welcher Weise darf oder muss sich der Staat einmi- Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass die Länder schen, auch mit strafrechtlichen Mitteln? ihrer Verantwortung, im Bereich der Steuergesetzge- Meine Damen und Herren, vor einem halben Jahr bung aktiv mitzugestalten, gerecht geworden sind. – habe ich Ihnen den Gesetzentwurf des Landes Ba- Ich danke für die Aufmerksamkeit. den-Württemberg zur Verbesserung der strafrechtli- chen Dopingbekämpfung vorgestellt. Ich will die Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! Einzelheiten heute nicht wiederholen und auf den In- halt sowie auf die Gründe für die einzelnen Hand- Weitere Wortmeldungen habe ich nicht. lungsansätze eingehen. Hinweisen möchte ich je- Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz zu- doch auf die Veränderung der Diskussion, die sich in stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist der letzten Zeit weiterentwickelt hat. Mit dem Thema die Mehrheit. „Doping“ befassen sich viele Verbände, die Medien, (B) die Öffentlichkeit und schließlich auch die Politik. (D) Es ist so beschlossen. Die Justizministerkonferenz hat bereits zweimal Wir dürfen uns noch einmal bei allen bedanken, – im Juni und im November dieses Jahres – das straf- die für dieses gute Ende gesorgt haben. rechtliche Vorgehen gegen Doping auf die Tagesord- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 1: nung genommen. Sie hat sich jeweils dafür ausge- sprochen, Dopingbetrug im Sport unter Strafe zu Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des stellen. Schulobstgesetzes – Antrag des Freistaates Bayern gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksa- In der letzten Zeit haben sich einzelne Sportler ver- che 765/13) mehrt ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass Do- Wortmeldungen liegen mir nicht vor. ping für den Sportler selbst strafbar sein muss. Daran fehlt es bisher. Eine durch nachträgliche Disqualifi- Ich weise die Vorlage dem Ausschuss für Agrarpo- kationen anderer in den Ergebnislisten aufgerückte litik und Verbraucherschutz – federführend – sowie Spitzensportlerin hat den Grund dafür sehr prägnant, dem Finanzausschuss und dem Ausschuss für Kul- wenn auch nicht sehr fein formuliert: „Die Kohle ist turfragen – mitberatend – zu. bei den Sportlern, die beschissen haben, und die Me- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2: daille kommt irgendwann per Post.“ Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Die nur teilweise veröffentlichten Ergebnisse der strafrechtlichen Dopingbekämpfung – Antrag Forschungsarbeit zur deutschen Dopingvergangen- des Landes Baden-Württemberg – (Drucksache heit seit 1950 machen überdeutlich, dass auch der 266/13) Westen Deutschlands keine dopingfreie Zone war. Selbst in der Politik waren manche nur auf Medaillen Zu Wort gemeldet hat sich Minister Stickelberger fixiert. Nicht zuletzt diese Erkenntnis hat auch im aus Baden-Württemberg. Sport zu einem Umdenken geführt und den Willen gestärkt, sich von Doping noch mehr zu distanzieren. Rainer Stickelberger (Baden-Württemberg): Sehr Inzwischen hat sich eine ganze Reihe von Sportver- geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen bänden klar für eine Strafbarkeit des dopenden und Herren! Der Bundesrat beschäftigt sich heute Sportlers selbst ausgesprochen. Die Ablehnungs- – zum zweiten Mal in diesem Jahr – mit dem Thema quote von 95 Prozent bei der Mitgliederversammlung „Doping im Sport“. des Deutschen Olympischen Sportbundes am 8. De- 544 Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 Rainer Stickelberger (Baden-Württemberg) (A) (C) zember 2012 ist heute, nur ein Jahr später, nicht Ich bitte Sie um Unterstützung des Gesetzesantra- mehr vorstellbar. ges aus Baden-Württemberg. – Herzlichen Dank. Wer bisher der Meinung war, das geltende Recht reiche aus, um strafrechtlich gegen Dopingbetrüger Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! vorzugehen, wurde spätestens durch den Freispruch Das Wort hat nun Staatsminister Professor eines prominenten Radsportlers vor einem Monat ei- Dr. Bausback aus Bayern. nes Besseren belehrt. Er hat von Anfang an zugege- ben, gedopt zu haben, und eingeräumt, Sponsoren, Mitbewerber, die Medien und die Öffentlichkeit ge- Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern): Herr Präsi- täuscht zu haben. Gleichwohl hat es nicht gereicht, dent! Herr Kollege Stickelberger! Verehrte Damen ihn wegen Betrugs zu verurteilen; denn die Voraus- und Herren! Sport prägt unsere Gesellschaft. Er ist setzungen des Betrugstatbestandes waren nicht er- ein nicht wegzudenkender Teil von uns. Er vermittelt füllt. grundlegende Werte. Seine Stars sind Vorbilder für unsere Kinder und Jugendlichen. Inzwischen ist das Bewusstsein für die Notwendig- keit strafrechtlicher Dopingbekämpfung so stark in Wir müssen das, was Sport für die Menschen be- der Politik angekommen, dass sie Gegenstand der deutet, schützen. Hierfür darf uns keine Anstrengung Koalitionsvereinbarung ist. Da sollten wir dranblei- zu viel, keine Mühe zu groß sein. ben. Der Bundesrat sollte durch seinen Gesetzent- Der größte Feind des Sports – darin sind wir uns si- wurf zeigen, dass er auf eine strafrechtliche Rege- cherlich einig – ist das Doping. Doping hat eine ge- lung drängt, die den Sportler als Zentralfigur des waltige zerstörerische Kraft. Es hat verschiedene Dopings unmittelbar erfasst. Facetten. Es ist wie eine Krake. Es ist nicht eindimen- Der wirtschaftliche Wettbewerb, wie er in weiten sional, sondern vielschichtig. Man muss in alle Rich- Bereichen des Sports stattfindet, ist ein anerkanntes tungen schauen, um sein ganzes Ausmaß zu verste- Rechtsgut, auf das sich eine Strafnorm stützen lässt. hen. Das Strafgesetzbuch enthält bereits heute zahlreiche Erstens. Doping ist organisierte Kriminalität. Last- Vorschriften, die den wirtschaftlichen Wettbewerb wagenweise werden illegale Präparate über die als Schutzgut formulieren. Auf dieses Schutzgut ist Grenzen ins Inland geschafft und hier auf dem der Straftatbestand des „Dopingbetrugs“ abgestellt, Schwarzmarkt vertrieben. Die Händler arbeiten mit indem er den Berufssport erfasst. Daran wurde Kritik allen Tricks der Verschleierung, sie machen Gewinne aus unterschiedlichen Richtungen geübt: Er sei zu von bis zu 1 000 Prozent, wovon Rauschgifthändler weit und zu unbestimmt. Aber mancher Kritiker – teilweise – nur träumen können. scheint mir das Bestimmtheitsgebot gerade deshalb (B) entdeckt zu haben, weil er eine Strafnorm dem Zweitens. Doping zerstört die Gesundheit. Doping (D) Grunde nach nicht will. Wenn man den Gesetzent- findet in der Breite statt und zeigt dabei sein beson- wurf genau liest, wird man feststellen, dass er sich ders hässliches Gesicht. Von Kraftsportlern und Bo- sehr differenziert und eingehend mit den Vorausset- dybuildern werden völlig maß- und kritiklos zungen befasst und klare Regelungen enthält. Schwarzmarktprodukte konsumiert – ohne jegliche ärztliche Kontrolle. Die Sicherstellungen zeigen uns Wieder anderen ist unser Vorschlag zu eng. Sie for- das Ausmaß der Verbreitung von Stoffen, die auf dern lückenlosen Strafrechtsschutz, den es allerdings Grund ihrer Gefährlichkeit in Deutschland niemals in keinem anderen Lebensbereich gibt. Schon der verkehrsfähig und zugelassen waren. Besitz des ersten Milligramms eines Dopingmittels soll nach mancher Forderung strafbar sein. Aber Drittens. Doping lässt den Spitzensport sterben und warum? Es wird eingewandt, die unbeschränkte damit all die Werte, für die er steht. Mit hochprofes- Besitzstrafbarkeit erleichtere die Arbeit der Strafver- sionellen Praktiken werden hier Leistungen vorge- folgungsbehörden. Aber welchen Indizwert für straf- spiegelt und Erfolge erschlichen. Die Gesundheit der rechtliche Ermittlungen hat es, wenn jemand etwa Athleten spielt keine Rolle mehr. ein Arzneimittel kauft, das einen Dopingwirkstoff Die in die Dopingpraktiken Verstrickten halten zu- enthält? Und welches Rechtsgut soll geschützt wer- sammen, da dringt nichts nach außen. Die Szene ist den, wenn ein Hobbysportler ohne Wettkampfambi- abgeschottet, die Außenwelt der Feind. tionen unter Strafe gestellt wird? Verehrte Damen und Herren, wir alle wissen: Der Die Vielzahl dieser und weiterer Fragen macht Sport allein wird des Problems nicht Herr. Er hat deutlich, dass der vorliegende Gesetzesantrag einen keine Ermittlungsbefugnisse und kann nur punktu- moderaten Mittelweg einschlägt. Die Diskussion im elle Dopingverstöße sanktionieren. Nur der Staat mit weiteren Gesetzgebungsverfahren im Bundestag seinen strafprozessualen Mitteln kann die Netzwerke mag an der einen oder anderen Stelle noch zu einer aufdecken und umfassend aufklären. Aus dieser Ver- Modifizierung führen; auf das Struck'sche Gesetz ist antwortung dürfen wir uns nicht stehlen. heute Morgen schon zu Recht verwiesen worden. Das ist der übliche Gang der Rechtspolitik. Heute gilt es, Bayern kämpft seit langer Zeit für ein Dopingstraf- den Gesetzentwurf des Bundesrates in den Bundes- recht, das seinen Namen tatsächlich verdient. Wir ha- tag einzubringen und damit auf dem Weg zu einer ben verschiedene Vorschläge für notwendige Straf- Lösung der Dopingproblematik einen wichtigen schärfungen gemacht und die bundesweit erste Schritt nach vorn zu tun. Schwerpunktstaatsanwaltschaft eingerichtet. Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 545 Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) (A) (C) Wir haben jahrelange Erfahrung mit der Dopingbe- Ich rufe Sie auf: Lassen Sie uns endlich den großen kämpfung und kennen die Lücken und Defizite der Wurf machen! Nehmen wir die Dynamik aus den Ko- aktuellen Rechtslage sehr genau. Wir wissen, welche alitionsverhandlungen mit! Wir dürfen nicht nur we- gesetzgeberischen Maßnahmen notwendig sind, um nig wollen, wir müssen alles wollen. Wir dürfen es den Ermittlern endlich ein schlagkräftiges Instru- nicht zulassen, dass sich die Menschen von Topleis- mentarium zur Verfügung zu stellen. tungen abwenden, weil sie ihnen misstrauen. Geben wir ihnen das Vertrauen zurück, und wagen wir Wir brauchen allem voran, Herr Kollege mehr, als Sie heute vorgeschlagen haben! – Vielen Stickelberger, die uneingeschränkte Besitzstrafbar- Dank. keit, einen Straftatbestand des Sportbetrugs, umfas- sende Strafvorschriften gegen den Vertrieb und die Abgabe von Dopingmitteln, die Erweiterung aller Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! Dopingtatbestände auch auf Wirkstoffe, eine klar for- Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Je mulierte stoffunabhängige Strafbarkeit der Anwen- eine Erklärung zu Protokoll*) haben Minister dung von Dopingmethoden, eine eigenständige zu- Dr. Markov (Brandenburg), Ministerin Dr. Schwall- sammenfassende Auflistung der strafbewehrten Düren (Nordrhein-Westfalen), Staatssekretär Stoffe und Methoden unter Streichung der Verwei- Lennartz (Saarland) und Staatsminister Morlok sungstechnik auf verschiedene Listen. Wir brauchen (Sachsen) abgegeben. die Erhöhung der Strafrahmen für Dopingvergehen auf fünf Jahre, die Einführung differenzierter Verbre- Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- chenstatbestände für Taten, die besonderes Unrecht fehlungen vor. darstellen, und die Schaffung einer dopingspezifi- schen Kronzeugenregelung. Hieraus rufe ich Ziffer 1 auf. Wer stimmt zu? – Mehrheit. Verehrte Damen und Herren, Bayern hat 2006 den Ich komme zur Schlussabstimmung: Wer ist dafür, Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes in den Bundes- den Gesetzentwurf, wie soeben festgelegt, beim rat eingebracht. Seither ist viel Zeit vergangen – ein Deutschen Bundestag einzubringen? – Das ist eben- langer Weg, von Rückschlägen gekennzeichnet. Ich falls die Mehrheit. bin deshalb sehr froh, dass nun Bewegung in die Sa- che gekommen ist. Ich möchte mich bei meinem Kol- Dann ist so beschlossen. legen aus Baden-Württemberg ausdrücklich für seine Initiative bedanken. Wir sind übereingekommen, Herrn Minister Rainer Stickelberger (Baden-Württemberg) zum Beauftrag- Sehr geehrter Herr Kollege Stickelberger, Bayern ten des Bundesrates zu bestellen. hat Ihren Gesetzesantrag bislang unterstützt. Er ent- (B) Ich rufe die Punkte 3 a) und b) zur gemeinsamen (D) hält einige langjährige Forderungen Bayerns und Beratung auf: zielt in die richtige Richtung. Wir haben aber immer auch deutlich gemacht: Der Gesetzesantrag geht uns a) Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des nicht weit genug. Es fehlt zu viel, was für die Doping- Straßenverkehrsgesetzes – Antrag der Freien bekämpfung wesentlich ist. Das sind die unbe- und Hansestadt Hamburg – (Drucksache 671/ schränkte Besitzstrafbarkeit, die Verbrechenstatbe- 13) stände, die umfassenden Straftatbestände gegen den Handel, die stoffunabhängige Strafbarkeit der An- b) Entschließung des Bundesrates zur Schaffung wendung der Dopingmethoden, ein Dopingbetrug, von begrenzten und befristeten Privilegien für der alle strafwürdigen Konstellationen erfasst. Fahrzeuge mit besonders geringem Kohlen- dioxid (CO2)- und Schadstoffausstoß im öffent- Im Verlauf der Koalitionsverhandlungen hat sich lichen Straßenraum und zur Kennzeichnung

nun gezeigt, dass ein großer Wurf im Bereich des von Fahrzeugen mit besonders geringem CO2- Möglichen liegt und dass es in absehbarer Zeit zu und Schadstoffausstoß und Euro 6/VI-Fahrzeu- dem kommen wird, wofür Bayern schon sehr lange gen mittels Plaketten durch gesetzliche Maß- kämpft: zu einem Gesamtkonzept, das keine Lücken nahmen – Antrag des Landes Baden-Württem- lässt, zu einem selbstständigen Gesetz, das sowohl berg – (Drucksache 710/13) die Gesundheit als auch den sportlichen Wettbewerb schützt. Mir liegt die Wortmeldung von Minister Hermann aus Baden-Württemberg vor. Die im Koalitionsvertrag nun enthaltene Vereinba- rung, die wir nach langem Ringen gefunden haben, Winfried Hermann (Baden-Württemberg): Herr Prä- zeigt sehr klar: Wir wollen uns nicht mehr mit einem sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In kleinen Schritt zufriedengeben; wir wollen den gan- der Verkehrspolitik besteht inzwischen breiter Kon- zen Weg gehen. Wir stimmen dem Gesetzesantrag sens darüber, dass wir unsere Transporte, unsere Be- Baden-Württembergs daher heute nicht zu. wegungen zukünftig umweltfreundlicher, klima- Jahre über Jahre sind Diskussionen geführt wor- freundlicher, nachhaltiger gestalten müssen, als das den, während ein Dopingskandal nach dem anderen heute der Fall ist. aufgedeckt wurde und schließlich die Erkenntnisse aus der Berliner Dopingstudie die Öffentlichkeit er- schütterten. *) Anlagen 1 bis 4 546 Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 Winfried Hermann (Baden-Württemberg) (A) (C) Wir haben im Verkehrsbereich schon große Pro- Eine blaue Plakette soll die besonders umweltfreund- bleme, etwa durch den Schadstoffausstoß in den Bal- lichen Fahrzeuge der Euro-6-Norm kennzeichnen.

lungsräumen, aber auch was die CO2-Treibhausgase anlangt. Bei uns in Baden-Württemberg kommt ein Wir haben uns in den Ausschüssen untereinander Drittel aller Treibhausgasemissionen aus dem Ver- verständigt, die neue Bundesregierung aufzufordern, kehrssektor; bundesweit ist es etwa ein Viertel. Das die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen im Inte- heißt: Der Verkehrssektor ist ein großes Problem bei resse der Länder und Kommunen zu ändern. Darüber der Bekämpfung des Klimawandels. Wir müssen in besteht breiter Konsens. Ich denke, die neue Bundes- diesem Bereich mehr tun und vorankommen. regierung kann mit unserem Vorschlag, das Straßen- verkehrsrecht auf umweltbedeutsame Maßnahmen In den vergangenen 20 Jahren ist bezogen auf die auszurichten, gut leben. Und wir meinen, dass es im- Fahrzeuge viel geschehen. Wir haben bei der Effi- missionsrechtliche Möglichkeiten gibt – Stichwort zienz der einzelnen Fahrzeuge große Fortschritte ge- „blaue Plakette“. macht. Im druckfrischen Koalitionsvertrag ist dieses Anlie- Der Ausstoß von Treibhausgasen ist in den 90er gen im Sinne unseres Vorstoßes bereits platziert. Die Jahren des vergangenen Jahrhunderts zehn Jahre noch amtierende Bundesregierung hat vier Jahre ge- lang gestiegen und erst allmählich wieder gesunken. braucht, um nichts hinzubekommen. Die neue Bun- Heute sind wir quasi auf dem Niveau von 1990. Kli- desregierung hat dieses Vorhaben in den Koalitions- maschutz verlangt aber weit mehr als den Status quo vertrag aufgenommen. Die umgehende Umsetzung von 1990. im nächsten Jahr steht an. – Vielen Dank.

Eine Möglichkeit, den Verkehrssektor insgesamt klimafreundlich zu gestalten, ist die Förderung von Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! Elektromobilität, von emissionsarmen Fahrzeugen: Staatsminister Morlok aus Sachsen hat das Wort. von Plugin-Hybrid-, von Brennstoffzellenfahrzeu- gen. Das ist sicherlich eine große Zukunftshoffnung. Aber wie Sie alle wissen, geht es, obwohl sie seit ei- Sven Morlok (Sachsen): Sehr geehrter Herr Präsi- niger Zeit im Markt sind, nur sehr langsam voran. dent! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, Wir sind von dem Ziel, dem wir alle uns verschrieben wir sind uns über alle Länder hinweg darüber einig, haben, bis zum Jahre 2020 1 Million zu erreichen, dass wir dem Thema „Elektromobilität“ größere Be- weit entfernt. deutung beimessen müssen, dass wir Aktivitäten ent- falten müssen, um zusätzliche Anreize für Elektro- Was kann man tun, um hier voranzukommen? fahrzeuge im Straßenverkehr zu schaffen. (B) (D) Man kann etwa beim Grenzwert von CO2 auf der Baden-Württemberg und Sachsen gemeinsam mit europäischen Ebene ambitioniert vorgehen. Wir hat- Bayern sind Schaufenster der Elektromobilität; bun- ten Konsens im Trilogverfahren, der leider ganz zum desweit gibt es vier. Die Frage, ob Elektrofahrzeuge Schluss von der Bundeskanzlerin und von der deut- im öffentlichen Straßenraum bevorrechtigt an Lade- schen Automobilindustrie aufgebrochen worden ist. säulen parken können sollen, ist wichtig für den Er- Wir haben das bedauert. Wir sind zu dem Konsens folg und die Akzeptanz der Elektromobilität. des Trilogverfahrens gestanden. Ich meine, diese Art von Verschiebung ist zu wenig Anreiz. Dadurch wird Ich hatte vergangene Woche Gelegenheit, für die der Wandel in der Automobilindustrie, den wir drin- Sächsische Staatsregierung den ersten BMW E3 in gend brauchen, nochmals hinausgezögert. Wir brau- Leipzig in Empfang zu nehmen und nach Dresden zu chen mehr schadstoffarme, mehr elektrisch betrie- überführen. Das ist möglich, obwohl die Entfernung bene, mehr Plugin-Hybrid-Fahrzeuge. Das ist 110 Kilometer beträgt. Das Vorhandensein von Lade- unbestritten. säulen ist für rein elektrisch betriebene Fahrzeuge von großer Bedeutung, weil sie nicht die Möglichkeit Was haben die Länder Hamburg, Nordrhein-West- haben, zum Beispiel durch einen Range Extender ei- falen und Baden-Württemberg vorgeschlagen? Wir nen Verbrennungsmotor zuzuschalten. Sie sind im öf- wollen zeitlich befristet die Halter und Nutzer solcher fentlichen Straßenverkehr auf Ladesäulen, insbeson- Fahrzeuge privilegieren, indem wir zum Beispiel dere auf den Parkplatz an den Ladesäulen rechtssicher Stellplätze in den Innenstädten ermögli- angewiesen. chen, indem wir rechtssicher Tank-, also Ladestatio- nen mit dem Parken verbinden. Das soll den Kommu- Sehr geehrte Damen und Herren, angesichts des- nen so freigestellt werden, dass es einen Anreiz sen, was ich gerade gesagt habe, bitte ich Sie zu darstellt. Wir brauchen solche Nutzervorteile; denn überlegen, ob die Formulierung im Antrag des Lan- diese Fahrzeuge sind bekanntlich teurer als her- des Baden-Württemberg dem Ziel, rein elektrisch be- kömmliche. triebene Fahrzeuge verstärkt in den Markt zu brin- gen, dienlich ist. Ich halte den Ansatz der Kollegen Wir in Baden-Württemberg wollen auch noch die aus Hamburg, die rein elektrisch betriebenen Fahr- neue Entwicklung der Fahrzeugtechnologie insge- zeuge sowie diejenigen, die überwiegend elektrisch samt berücksichtigen. Ab dem nächsten Jahr gilt die betrieben werden, die im Regelfall einen elektri- Euro-6-Norm. Wir halten eine neue Kennzeichnung schen Antrieb haben und nur als Notvariante über ei- für notwendig, damit in den Kommunen differenziert nen Range Extender verfügen, im öffentlichen Park- werden kann, damit Anreize gesetzt werden können. raum zu bevorrechtigen, für richtig. Würde der Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 547 Sven Morlok (Sachsen) (A) (C) Gesetzentwurf in dieser Fassung heute zur Abstim- Dann ist so beschlossen. mung gestellt, würde der Freistaat Sachsen zustim- Wir sind übereingekommen, Herrn Minister men. Winfried Hermann (Baden-Württemberg) zum Be- Nach der von Baden-Württemberg vorgeschlage- auftragten zu bestellen. nen Änderung dürften alle Fahrzeuge, die, überspitzt Wir kommen zu der Entschließung unter Tagesord- gesagt, eine Batterie und einen Stecker haben, be- nungspunkt 3 b). vorrechtigt an den Ladesäulen parken, auch wenn sie eine Bevorrechtigung gar nicht in Anspruch nehmen Wer ist für die von den Ausschüssen empfohlene müssen, weil sie auf Grund der Konstruktion des Maßgabe in Drucksache 710/1/13? – Das ist die Fahrzeugs die Ladesäule für das Aufladen nicht be- Mehrheit. nötigen. Bedenkt man, wie viele rein elektrisch be- Wer dafür ist, die Entschließung mit dieser Maß- triebene und wie viele Hybridfahrzeuge im Markt gabe zu fassen, den bitte ich um das Handzeichen. – sind, besteht die große Gefahr, dass die Inhaber der Das ist wiederum die Mehrheit. Hybridfahrzeuge die wenigen Parkplätze mit Lade- station, die wir im öffentlichen Parkraum schaffen, Dann ist so beschlossen. für die rein elektrisch betriebenen Fahrzeuge blo- Zur gemeinsamen Abstimmung nach § 29 Absatz 2 ckieren. Das führt eher zu Misstrauen derjenigen, die der Geschäftsordnung rufe ich die in dem Umdruck sich überlegen, sich ein rein elektrisch betriebenes 10/2013*) zusammengefassten Beratungsgegen- Fahrzeug anzuschaffen; denn sie haben keine Garan- stände auf. Es sind dies die Tagesordnungspunkte: tie, an einer der wenigen Ladesäulen tatsächlich eine freie für ihren Ladevorgang vorzufinden. 4, 5, 7, 18, 19 und 23 bis 29. Man bedenke auch folgende Situation: Der Fahrer Wer den Empfehlungen und Vorschlägen folgen eines zu 100 Prozent elektrisch betriebenen Autos möchte, den bitte ich um das Handzeichen. will in der Innenstadt zum Laden an einen Parkplatz Es ist so beschlossen. mit Ladesäule fahren, aber dieser ist gerade durch ei- nen Porsche Panamera Hybrid belegt. Ich weiß des- Der Vorlage unter Tagesordnungspunkt 5 ist wegen nicht, ob es richtig ist, hier politisch ein Signal Rheinland-Pfalz beigetreten. zu setzen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6: (Zuruf Winfried Hermann [Baden-Württemberg]) Bericht der Kommission: Jahresbericht 2012 – Sehr geehrter Kollege Hermann, ich weiß, dass die über die Anwendung der Grundsätze der Sub- Firma Porsche sowohl in Baden-Württemberg als sidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Druck- (B) auch in Sachsen produziert. Deswegen steht sie uns sache 608/13) (D) natürlich besonders nahe. Trotzdem meine ich, dass Wortmeldungen liegen nicht vor. es sich lohnt, darüber nachzudenken, ob der Eigentü- mer eines Porsche Panamera Hybrid auf die Gebüh- Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. renbefreiung beim Parken angewiesen ist, ob diese Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: Bevorteilung bei der Abwägung der Fahrzeugaus- Ziffer 7! – Mehrheit. wahl und bei der Kaufentscheidung relevant ist. Ziffer 8, auf Wunsch eines Landes zunächst ohne Sehr geehrte Damen und Herren, der Freistaat den letzten Satz! – Mehrheit. Sachsen wird sich bei der heutigen Abstimmung der Stimme enthalten. Ich hoffe, dass es im weiteren Ver- Bitte Ihr Handzeichen für den letzten Satz in Zif- fahren im Deutschen Bundestag gelingt, die Argu- fer 8! – Mehrheit. mente, die ich vorgetragen habe, stärker zur Geltung Nun bitte ich um das Handzeichen für alle noch zu bringen. Dem Freistaat Sachsen ist es ein Anlie- nicht erledigten Ziffern der Ausschussempfehlungen. – gen, die Elektromobilität zu befördern. Das erreichen Mehrheit. wir nur dann, wenn wir für die rein elektrisch betrie- benen Fahrzeuge Anreize schaffen. – Vielen Dank. Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom- men. Präsident Stephan Weil: Vielen Dank! Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorschlag für eine Verordnung des Europäi- schen Parlaments und des Rates über Maßnahmen Wir kommen zur Abstimmung. zum europäischen Binnenmarkt der elektroni- Wir beginnen mit dem Gesetzentwurf unter Tages- schen Kommunikation und zur Verwirklichung ordnungspunkt 3 a). Hierzu liegen Ihnen die Aus- des vernetzten Kontinents und zur Änderung schussempfehlungen vor. der Richtlinien 2002/20/EG, 2002/21/EG und 2002/22/EG und der Verordnungen (EG) Nr. Ich bitte um das Handzeichen für Ziffer 1. – Das ist 1211/2009 und (EU) Nr. 531/2012 (Drucksache die Mehrheit. 689/13, zu Drucksache 689/13) Wer ist dafür, den Gesetzentwurf mit dieser Maß- gabe beim Deutschen Bundestag einzubringen? – Das ist wiederum die Mehrheit. *) Anlage 5 548 Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 Präsident Stephan Weil (A) (C) Eine Erklärung zu Protokoll*) hat Staatsminister Zu Wort gemeldet hat sich Staatsminister Boddenberg (Hessen) abgegeben. – Weitere Wort- Boddenberg aus Hessen. meldungen liegen mir nicht vor.

Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Michael Boddenberg (Hessen): Herr Präsident! Ich rufe auf: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um Ziffer 3! – Mehrheit. eine Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten zur Bewertung Ziffern 6 bis 8 gemeinsam! – Mehrheit. der nationalen Reglementierungen des Berufszu- Ziffer 12! – Mehrheit. gangs. Ziffer 16! – Mehrheit. Bei diesem Thema kann man zunächst den Ein- druck gewinnen: „The same procedure as every Ziffer 20! – Mehrheit. year.“ Denn es geht wieder einmal um Reglementie- Ziffer 22! – Mehrheit. rungen in Deutschland, insbesondere um die Vorga- ben der Handwerksordnung für den Zugang zu den Ziffer 25! – Mehrheit. Handwerksbetrieben. In 41 Berufen gibt es immer Ziffer 26! – Mehrheit. noch einen, wie der Volksmund sagt, Meisterzwang. Ziffer 27! – Mehrheit. Es ist legitim und notwendig, dass sich die Europäi- sche Union weiterhin mit diesen Fragen befasst. Re- Ziffer 34! – Mehrheit. glementierungen in diesem Bereich erwecken in den Ziffer 35! – Mehrheit. Mitgliedstaaten ein wenig den Verdacht, man versu- che, nationale Gegebenheiten so aufrechtzuerhal- Ziffer 40! – Mehrheit. ten, dass sie eher den nationalen Strukturen entspre- Ziffer 47! – Mehrheit. chen. Das heißt: Dadurch könnte die Freizügigkeit des Binnenmarktes eingeschränkt sein. Ziffer 50! – Mehrheit. Man muss den Eindruck haben, dass den Vorteilen, Ziffer 54! – Mehrheit. die nationale Strukturen haben – in unserem Fall ins- Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- besondere im Bereich des Handwerks –, in der Mit- digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- teilung von vornherein relativ wenig Raum gegeben heit. wurde, während die Beschreibung der vielen Beden- ken, die die Europäische Kommission äußert, eine Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung (B) deutlich größere Anzahl von Zeilen in Anspruch (D) genommen. nimmt. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 9: Ich sage für Hessen: Die Bundesrepublik Deutsch- Mitteilung der Kommission an das Europäische land tut gut daran, sich auf der europäischen Ebene Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- weiterhin mit aller Kraft für die uneingeschränkte schafts- und Sozialausschuss und den Aus- Beibehaltung der Meisterstrukturen im Handwerk schuss der Regionen – Eine neue EU-Forststra- einzusetzen. Das gilt für den Bundesrat wie für die tegie: für Wälder und den forstbasierten Sektor Bundesregierung gleichermaßen. Ich meine, dafür (Drucksache 699/13) gibt es eine Reihe guter Argumente. Wortmeldungen liegen nicht vor. Manche von ihnen sind der Brüsseler Administra- Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. tion bekannt. Ich nenne ein Stichwort: Die Ausbil- Ich rufe auf: dungsleistung des deutschen Handwerks ist, glaube ich, beispielgebend für die Europäische Union. Sie Ziffern 3 bis 5 gemeinsam! – Mehrheit. wird in der Lissabon-Strategie hervorgehoben. Die Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland beträgt 8 Pro- digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- zent, während sie im EU-Durchschnitt um das Dreifa- heit. che höher ist. Die Jugendarbeitslosigkeit im südli- chen Teil der Europäischen Union hat noch ganz Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung andere Ausmaße. genommen. Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung: Dafür muss es Gründe geben: zunächst einmal die Vorzüge einer dualen Ausbildung, nämlich einerseits Mitteilung der Kommission an das Europäische große Praxisnähe dadurch, dass Theorie und Praxis Parlament, den Rat und den Europäischen Wirt- in einer dauerhaften Symbiose miteinander verzahnt schafts- und Sozialausschuss: Bewertung der vermittelt werden. Andererseits haben wir in aller nationalen Reglementierungen des Berufszu- Regel dreijährige Berufsausbildungsverträge, so dass gangs (Drucksache 717/13) eine dauerhafte Bindung zwischen dem Ausbil- dungsbetrieb und dem Auszubildenden besteht. Das heißt: Der Auszubildende ist schon in jungen Jahren *) Anlage 6 – teilweise mit 16 oder 17 Jahren – im Arbeitsmarkt. Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 549 Michael Boddenberg (Hessen) (A) (C) Man darf natürlich nicht nur über diese vertragli- Im vierten Hauptteil der Meisterprüfung geht es che Bindung und über die Stabilität des Systems re- um Berufs- und Arbeitspädagogik. Nach den Rah- den, sondern man muss auch darüber reden, welche menlehrplänen wird Wissen zum Beispiel über die qualitativen Aspekte sich durch die duale Ausbil- gesetzlichen Rahmenbedingungen vermittelt. Man dung, insbesondere durch die Ausbildungstätigkeit redet über das Berufsbildungsgesetz und darüber, und -funktion der Meisterbetriebe, ergeben. wie Ausbildung nicht nur inhaltlich-fachlich, sondern auch von der persönlichen Struktur des Ausbilders Man muss wissen, dass durch die Novellierung der her ausgestaltet werden soll. Man redet über techni- Handwerksordnung im Jahre 2004 die Zahl der re- sches Handwerkszeug, darüber, wie jungen Men- glementierten Berufe von 94 auf – noch – 41 deutlich schen Ausbildungsgegenstände vermittelt werden. reduziert worden ist. 95 Prozent aller Ausbildungs- Das nennt man „Unterweisung“, so wie vor 100 Jah- verhältnisse im Handwerk werden in den 41 regle- ren der Geselle dem Meister über die Schulter ge- mentierten Berufen begründet. Demgegenüber hat schaut hat. Dort werden beispielsweise auch Inhalte die Ausbildungsleistung der nicht reglementierten aus dem Bereich der Jugendpsychologie oder der 53 Berufe, die früher ebenfalls der Meisterpflicht un- Gesellschaftspolitik vermittelt. terlagen, dramatisch nachgelassen. Das wiederum führt nach meiner festen Überzeu- Warum ist das so? In vielen nicht reglementierten gung dazu, dass diejenigen, die eine solche Ausbil- Berufen gibt es Einmannbetriebe. Dem Einmannun- dung durchlaufen haben, am Ende sagen, Ausbil- ternehmer fällt vieles ein, er kommt nur nicht auf die dung ist nicht nur notwendig, um Fachkräfte für die Idee, dass neben der Leistung seines Unternehmens Zukunft meines Betriebes zu gewinnen, sondern Ausbildung wichtig sein könnte. Er bildet hin und Ausbildung betrifft unsere gesamte Gesellschaft. wieder aus, wenn er – vielleicht aus seiner persönli- Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann stimmt chen Motivation heraus – einen gesellschaftlichen das. Denn viele junge Menschen, die in Handwerks- Auftrag darin sieht. Aber er tut es in aller Regel nicht. betrieben ausgebildet worden sind, landen in Unter- nehmen, die leider nicht ausbilden. Sie kennen die Manche Statistiken hinken ein wenig. Häufig wird Ausbildungsquoten; sie liegen im Handwerk zwi- gesagt, in diesen Gewerken sei die Zahl selbstständi- schen 11 und 12 Prozent, in der Industrie bei 3 bis ger Betriebe gestiegen. Das ist statistisch richtig. dreieinhalb Prozent. Das spricht Bände, und es zeigt: Aber wenn man genau hinschaut, waren es häufig Die Ausbildung im Handwerk ist eine Leistung nicht Neugründungen von Personen aus osteuropäischen nur für das Handwerk, sondern auch für viele andere Ländern, gegen die ich nichts habe und die alle will- Bereiche außerhalb des Handwerks. kommen sind. Aber sie in die Statistik einzupflegen Ich komme zu dem Schluss: Allein durch die Tatsa- und zu sagen, durch die Abschaffung des Meister- che, dass Menschen in der Ausbildung mit den er- (B) zwangs in diesen Berufen sei ein Boom an Existenz- (D) wähnten inhaltlichen Fragen konfrontiert werden, gründungen ausgelöst worden, beruht zumindest auf wird überhaupt erst das Bewusstsein des Wertes von einer sehr fragwürdigen Lesart der Zahlen. Ausbildung für das eigene Unternehmen, aber auch ( V o r s i t z : Vizepräsident Winfried für die Volkswirtschaft und die Gesellschaft geschaffen. Kretschmann) Ich bin mir sehr sicher, dass das deutsche Handwerk – der Zentralverband des Deutschen Handwerks, die Zur Qualität der Ausbildung darf man Folgendes Handwerkskammern und die Fachverbände – nicht sagen: In der Meisterausbildung, die aus vier Haupt- nachlassen wird, das immer und immer wieder vorzu- teilen besteht, geht es zunächst einmal um die Ver- tragen, auch in Brüssel. mittlung von fachpraktischen und fachtheoretischen Bei den Brüsseler Beamten in den entsprechenden Kompetenzen in berufsbezogenen Themenstellun- Generaldirektionen ist hin und wieder der Hautgout gen. Das heißt, über die Meisterprüfung entwickeln vorzufinden, die Deutschen wollen immer alles bes- wir eine hohe Kompetenz auf der fachlichen Seite. ser können. – Dazu sage ich nur zwei Dinge: Im dritten und vierten Hauptteil der Prüfung geht Erstens. Wenn man in die südlichen Länder reist es berufsübergreifend um zentrale Inhalte, im dritten und mit den für den Bereich Arbeitsmarkt Zuständi- Hauptteil beispielsweise um alle rechtlichen Fragen, gen spricht – nehmen Sie die Sozial- und Arbeitsmi- vom Arbeitsrecht bis zu allgemeinen rechtlichen Fra- nister in Spanien oder Italien –, dann sagen sie Ihnen gen, wie Bürgerliches Recht, Handelsrecht und vieles im Vieraugengespräch, dass sie die duale Ausbil- andere mehr, und um das Thema „Betriebswirt- dung und die Meisterqualifikation klasse finden und schaftslehre“, das ebenso wie das Arbeitsrecht spe- sie gern hätten. Meistens folgt der Nachsatz: Können ziell und sehr intensiv behandelt wird. Sie uns dabei helfen, das aufzubauen? – Es geschieht schon eine ganze Menge. Ich weiß, dass einige Län- Ich bin der Meinung, dass die zwangsweise Befas- derkollegen da unterwegs sind. Das ist ein Zeichen sung eines Meisters mit betriebswirtschaftlichen Fra- dafür, dass das keine Worthülsen sind. gen dazu führt, dass er sein Unternehmen vielleicht etwas anders führt als jemand, dem entsprechende Zweitens. Beim Gespräch mit zuständigen Fachbe- Kenntnisse jedenfalls nicht in seiner Ausbildung ver- amten in Brüssel in der vorigen Woche hatte ich das mittelt worden sind. Von Meistern geführte Betriebe Gefühl, dass man dort nicht ausreichend zur Kennt- existieren etwa doppelt so lange wie nicht von Meis- nis genommen hat, dass durch die Novelle von 2004 tern geführte Betriebe. die Probleme, die man in Europa aus der Sicht des 550 Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 Michael Boddenberg (Hessen) (A) (C) Binnenmarktes haben kann, im Grunde genommen für sorgen, dass der Berufszugang innerhalb der EU beseitigt worden sind – nicht nur indem die Zahl der gewährleistet ist. Berufe auf die 41 beschränkt worden ist, die gefahr- geneigt sind, das heißt bei denen es in jeder Hinsicht Die Kommission versucht, alle auf den Prüfstand zu auf die Sicherstellung von Qualität ankommt, son- stellen. Sie fragt, wer wie reglementiert, wo der Be- dern indem beispielsweise auch die Zugangsmög- rufszugang wie kontrolliert wird, weil er völlig unter- lichkeiten deutlich liberalisiert worden sind. schiedlich geregelt ist. Wir Deutsche sehen uns als starke Reglementierer. Früher brauchten Sie, um sich zur Prüfung anmel- Jedoch sind wir nicht die Nation, die am meisten re- den zu dürfen, in aller Regel eine klassische deutsche glementiert. Die Briten oder die Belgier haben viel Gesellenprüfung und eine dreijährige praktische Tä- mehr reglementierte Berufe. Daher müssen wir da- tigkeit in einem entsprechenden Handwerksberuf. rüber, wie viel, an welchen Stellen und in welchen Das war eine hohe Hürde vor der Meisterprüfung. Fragen – zum Beispiel Sicherheitstechnik von gewis- Das ist 2004 völlig entfallen. Man braucht noch eine sen Gewerken – reglementiert wird, abgewogen dis- Grundausbildung in dem entsprechenden Beruf. Es kutieren. muss nicht der deutsche Gesellenbrief sein, es kann auch eine adäquate Ausbildung in jedwedem ande- Nun habe ich erlebt, dass die Kommission froh da- ren Mitgliedstaat sein. Danach erlangt man den Zu- rüber ist, dass Länderminister einmal an ihren Veran- gang zur Prüfung. staltungen und Anhörungen teilnehmen. Nicht auf der Plattform dort aber steht die Bundesregierung; Damit ist jedem Europäer der Zugang nicht mehr ich möchte das deutlich sagen. Wenn wir das duale verwehrt. Im Gegenteil, er wird ausdrücklich ermög- Ausbildungssystem verteidigen und international licht. Die Zahlen zeigen, dass diese Möglichkeit zu- große Beachtung erfahren – alle wollen bei uns ler- nehmend wahrgenommen wird. nen, wie es übertragen werden kann –, warum tut Insofern kann ich die Befürchtungen, die die Euro- das nicht die Bundesregierung in Brüssel? Da ist kein päische Kommission immer wieder äußert und die Engagement zu sehen. Ich finde, es wäre äußerst an- teilweise offensichtlich noch dem Bewusstsein aus gebracht, dass die Bundesregierung in Brüssel ein- der Zeit vor 2004 geschuldet sind, in keiner Weise mal dazu Stellung bezieht. Das ist vor allem vor dem teilen. Ich wäre dankbar, wenn wir alle gemeinsam Hintergrund des demografischen Übergangs beson- mit großer Verve für das Erfolgsmodell der Meister- ders wichtig. prüfung, der Meisterqualifikation, und der dualen Ich will noch einmal Vergleichszahlen nennen: Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland mit Während 25 Prozent der reglementierten Betriebe herausragend positiven Ergebnissen weiter streiten ausbilden, trifft das nur auf circa viereinhalb Prozent (B) würden. – Herzlichen Dank. der zulassungsfreien Handwerksbetriebe zu. Ich (D) meine, damit ist die Grenze erreicht, die wir in Rheinland-Pfalz als gangbar betrachten. Vizepräsident Winfried Kretschmann: Danke schön! Die Meisterpflicht ist zentraler Bestandteil und Ga- rant der Funktionsfähigkeit des dualen Systems; Sie Ich erteile Frau Staatsministerin Lemke (Rhein- haben die Ausbildungsaspekte beschrieben. Sie land-Pfalz) das Wort. spielt aber in der Debatte in Brüssel über den Zugang keine Rolle, auch nicht bei den Anhörungen. Wir sind davon überzeugt, auch andere sind zunehmend Eveline Lemke (Rheinland-Pfalz): Herr Präsident! überzeugt. Aber im Dialog der Kommission ist das Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr kein tragendes Argument. Das muss man betonen. Boddenberg, in der Tat sind einige Länderkollegen in Brüssel gewesen. Auch ich war letzte Woche dort Es genügt nicht, dass wir hier zustimmen und dies und habe mit der zuständigen Generaldirektion über der Kommission laut mitteilen – ich habe das der Ge- diese Fragestellung geredet. Ich kann Ihren Ein- neraldirektion angekündigt –, sondern ich sehe es als druck, wie sich die Direktion dazu aufgestellt hat, dringend geboten an, dass auch die Bundesregierung nicht ganz bestätigen. tätig wird. Der Direktion war nicht klar – Sie sind auf die Sta- tistik eingegangen –, dass sich die Zahl der Ausbil- Vizepräsident Winfried Kretschmann: Danke, Frau dungsverhältnisse in zulassungsfreien Handwerks- Staatsministerin! berufen von 2003, als wir die Reform hier gemacht haben, bis 2012 um 24 Prozent verringert hat. Das ist Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. eine große Schwierigkeit. Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: Dem Boom der Existenzgründungen auf der ande- ren Seite steht der Untergang von Betrieben gegen- Ziffer 10! – Mehrheit. über, nicht zuletzt aus demografischen Gründen. Da- durch verschärft sich die Situation. Für Rheinland- Damit entfällt Ziffer 11. Pfalz kann ich sagen, dass sich in den nächsten zehn Ziffer 12! – Mehrheit. Jahren 50 Prozent unserer Betriebe die Existenzfrage aus Altersgründen stellt. Auch deshalb muss man da- Damit entfällt Ziffer 13. Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 551 Vizepräsident Winfried Kretschmann (A) (C) Ich bitte um Ihr Handzeichen für alle noch nicht er- Punkt 14: ledigten Ziffern der Ausschussempfehlungen. – Mehrheit. Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Än- derung der Entscheidung 2007/198/Euratom Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung des Rates über die Errichtung des europäischen genommen. gemeinsamen Unternehmens für den ITER und die Entwicklung der Fusionsenergie sowie die Wir kommen zu Punkt 11: Gewährung von Vergünstigungen dafür Mitteilung der Kommission an das Europäische (Drucksache 674/13) Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- Frau Staatsministerin Lemke. schafts- und Sozialausschuss und den Aus- schuss der Regionen: Langfristige Vision für die Infrastruktur in Europa und darüber hinaus Eveline Lemke (Rheinland-Pfalz): Herr Präsident! (Drucksache 730/13) Sehr geehrte Damen und Herren! Die bevorstehende Abstimmung über die Finanzierung des europäi- Es liegen keine Wortmeldungen vor. schen Gemeinschaftsprojekts ITER für die Zeit von Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. 2014 bis 2020 und die Entwicklung der Fusionsener- Ich rufe auf: gie ist für mich wegweisend. Denn an dieser Stelle werden hohe Förderbeiträge gebunden, die für For- Ziffern 1 und 2! – Mehrheit. schung und Entwicklung im Bereich der erneuerba- Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung ren Energien oder der Speichertechnologien nicht genommen. mehr zur Verfügung stehen. Wir kommen zu Punkt 12: Das ITER-Projekt ist gekennzeichnet durch perma- nente Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Än- Das ist bei einem derart komplexen Projekt durchaus derung der Richtlinie 2006/112/EG über das verständlich. Niemand kann verlässlich belegen, ob gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug die Kernfusion jemals Energie in nennenswertem auf eine Standard-Mehrwertsteuererklärung Umfang für die Stromversorgung bereitstellen kann. (Drucksache 735/13, zu Drucksache 735/13) Noch weniger verlässlich sind Zeitangaben und Kos- tenschätzungen hierzu. Daher ist die Grundsatzent- Keine Wortmeldung. scheidung, aus dem Projekt ITER endlich auszustei- Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. gen, mehr als überfällig. Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: (B) Ich teile im Übrigen auch nicht die Einschätzung (D) Ziffer 2! – Mehrheit. der Kommission, dass die auf dem Gebiet der For- schung zum ITER gewonnenen Erkenntnisse bei Ziffer 3! – Minderheit. sofortigen Euratom-Forschungsprogrammen einen Ziffer 5! – Mehrheit. nennenswerten Gewinn darstellen. Ebenso wenig können die Erkenntnisse aus der ITER-Forschung für Ziffer 6! – Mehrheit. das Rahmenprogramm „Horizont 2020“ von wesent- lichem Nutzen sein. Ziffer 7! – Mehrheit. Wir wollen, dass die EU ebenso wie Deutschland Ziffer 9! – Mehrheit. aus der Nutzung der Atomkraft zur Stromerzeugung Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- aussteigt. Daher sollte sich die Euratom-Förderung digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- für Forschung im Nuklearbereich künftig vor allem heit. auf den sicheren Restbetrieb der Atomkraftwerke und die Endlagerung konzentrieren. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung genommen. Der Umbau der Energieversorgung weg von nuklearen und fossilen Brennstoffen hin zu regenera- Wir kommen zu Punkt 13: tiven Energieträgern erfordert auch weiterhin erheb- Mitteilung der Kommission an den Rat und an lichen Entwicklungsaufwand. Hier ist insbesondere das Europäische Parlament: Schusswaffen und die Energiespeicherung zu nennen, bei der noch die innere Sicherheit der EU: Schutz der Bür- wichtige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu ger und Unterbindung des illegalen Handels leisten sind. Die Speichermöglichkeiten sind bedeut- (Drucksache 732/13) sam für die Verfügbarkeit von Strom in Zeiten eines geringen regenerativen Energieangebotes und damit Es liegen keine Wortmeldungen vor. für die Versorgungssicherheit. Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Bereits diese Beispiele belegen die Dringlichkeit Ich rufe auf: der neuen Schwerpunktsetzung von Fördermitteln Ziffern 1 bis 3 gemeinsam! – Mehrheit. weg von der ITER-Forschung hin zu den erneuerba- ren Energien. Der Einsatz der Fördermittel bringt den Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung notwendigen Umbau der Energieversorgungssys- genommen. teme dann voran. 552 Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 Eveline Lemke (Rheinland-Pfalz) (A) (C) Die bisherige und zu erwartende Degression der Dr. Angelica Schwall-Düren (Nordrhein-Westfalen): Stromerzeugungskosten bei erneuerbaren Energien Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegen und Kollegin- zeigt bereits heute, dass Fusionsreaktoren, wenn sie nen! Während der nun mehr als drei Jahre andauern- jemals zum Einsatz kommen, ökonomisch nicht kon- den Krise der Wirtschafts- und Währungsunion habe kurrenzfähig sein werden. Kernfusion ist eine Sack- ich den Eindruck gewonnen, dass Wettbewerbsfähig- gasse. Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass keit, ökonomische Leistungsfähigkeit und Austerität durch den Kernfusionsprozess Materialien aktiviert zu den alles überwölbenden Zielen geworden sind. werden, die dann mit hohem Aufwand gelagert und Der strikte Austeritätskurs ist aber mitverantwortlich entsorgt werden müssen. Das kann nicht unsere zu- dafür, dass die Verschuldung in den Programmlän- kunftsfähige Energieversorgung sein. dern zunimmt, die Wirtschaft dort schrumpft, die Ar- beitslosigkeit dramatisch steigt und das Steuerauf- Ich bitte den Bundesrat daher, den Vorschlag der kommen sinkt. Kommission, den EU-Beitrag zum Projekt ITER für die Zeit von 2014 bis 2020 aus dem Gesamthaushalt Gerade in den Krisenländern sind die Sozialsys- der Union zu finanzieren, abzulehnen. Darüber hi- teme als Folge der anhaltenden Wirtschaftskrise naus bitte ich den Bundesrat, darauf hinzuwirken, überlastet. Sie sind kaum noch fähig, die Folgen der dass sich die Bundesregierung mit Nachdruck dafür Krise aufzufangen und den Menschen sozialen einsetzt, dass sich die EU für eine Änderung der Schutz zu gewähren. Der Anfang 2013 von der Euro- ITER-Übereinkunft einsetzt. Damit nicht kostbare päischen Kommission veröffentlichte Sozialbericht Zeit verlorengeht, sollten die Verhandlungen mit den belegt die soziale Aufspaltung in einen relativ stabi- Vertragspartnern unverzüglich aufgenommen wer- len Norden und einen von Rezession geplagten Sü- den. Mit den freiwerdenden Fördermitteln soll der den. Weg zur Versorgung Europas mit erneuerbaren Ener- gien beschleunigt werden. Diese Strategie ist der er- Ich begrüße es daher zunächst sehr, dass sich die folgversprechende Weg für das Wohl Europas. Kommission nun in einer Mitteilung Gedanken über eine sozialere Ausrichtung der Wirtschafts- und Wäh- Ich fordere die Bundesregierung im Sinne dieses rungsunion macht. Dies ist dringend erforderlich und Antrags dazu auf, auf der EU-Ebene konkrete längst überfällig. Schritte zur Revision und Nachverhandlung des Eu- ratom-Vertrages aus dem Jahre 1957 einzuleiten. Der Das Erfassen von sozialen Indikatoren in einem So- Vertrag widerspricht den Zielen der Energiewende in cial Scoreboard halte ich grundsätzlich für richtig. Es Deutschland diametral. Die Problematik des Eura- müssen verlässliche Zahlen über die soziale Lage in tom-Vertrages hat der Rheinland-Pfälzische Minister- den EU-Staaten vorliegen, damit auf dieser Grund- rat bereits auf seiner jüngsten auswärtigen Sitzung in lage Verbesserungen in Gang gesetzt werden kön- nen. Der angesprochene Sozialbericht sollte daher (B) Brüssel auch mit Energie-Kommissar O e t t i n g e r (D) erörtert. keine einmalige Information der Kommission sein. Entscheidend aber ist, dass nicht nur Zahlen erho- Dass die Vorlage im Abstimmungsprozess die na- ben, sondern auch Maßnahmen zur Linderung der tionalen Parlamente und das Europäische Parlament sozialen Lage ergriffen werden. Über vergleichbare marginalisiert, ist demokratisch höchst bedenklich. Indikatoren in den Bereichen Soziales und Beschäfti- Eine baldige Revision des Euratom-Vertrages muss gung sollten Ungleichheiten schnellstmöglich festge- daher auch wesentliche Elemente zur Stärkung der stellt und bekämpft werden. Das wäre ein wichtiger Parlamente und möglichst Mitentscheidungsrechte Schritt. für das EU-Parlament bei der Anwendung des Ver- trages umfassen. Die Bundesregierung sollte der Insgesamt mangelt es den Vorschlägen indes an nicht mehr zeitgemäßen Ausklammerung der Parla- konkreten Aussagen zu deren Verbindlichkeit. Was mente entgegenwirken. – Danke schön. passiert, wenn ein Mitgliedstaat im Europäischen Se- mester gleichzeitig länderspezifische Empfehlungen zum Abbau des Haushaltsdefizits und zur Beseiti- Vizepräsident Winfried Kretschmann: Danke gung einer sozialen Schieflage erhält? Was soll dann schön, Frau Staatsministerin! Vorrang haben? Und warum sind ausgerechnet die am stärksten von der Krise betroffenen Staaten nicht Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. berücksichtigt? Ich rufe auf: In den Ausschussberatungen wurde auch über die Ziffern 1 bis 7 gemeinsam! – Das ist die Mehrheit. perspektivische Frage diskutiert, welche Kompeten- Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung zen die EU in Fragen der Sozialpolitik haben soll. Es genommen. wurde die Auffassung vertreten, die Kommission solle sich auf den Austausch von Best-Practice-Bei- Punkt 15: spielen beschränken. Hierzu möchte ich bemerken: Mitteilung der Kommission an das Europäische Ich halte es für unbedingt erforderlich, dass die So- Parlament und den Rat: Stärkung der sozialen zialpolitik auch auf europäischer Ebene verbindlich Dimension der Wirtschafts- und Währungs- behandelt wird. Damit meine ich selbstverständlich union (Drucksache 721/13) nicht den Abbau von Sozialstandards in den Krisen- staaten, im Gegenteil. Und ich denke auch nicht an Ich erteile das Wort Frau Ministerin Dr. Schwall- einen europäischen Sozialstaat, der an die Stelle der Düren (Nordrhein-Westfalen). nationalen Wohlfahrtsstaaten tritt. Das ist, zumindest Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 553 Dr. Angelica Schwall-Düren (Nordrhein-Westfalen) (A) (C) heute, nicht vorstellbar. Für einen echten umvertei- Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen. lenden Sozialstaat auf europäischer Ebene sähe ich Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: auch keine Bereitschaft angesichts der unterschied- Ziffer 1! – Mehrheit. lich ausgeprägten finanziellen Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten. Damit entfällt Ziffer 2. Aufgabe der europäischen Ebene sollte es vielmehr Nun bitte ich über Ziffer 17 abzustimmen. – Min- sein, sozialpolitische Ziele und Grundrechte weiter- derheit. zuentwickeln, rechtsverbindliche EU-weite Mindest- standards einzuführen und dabei die sozialpoliti- Wir fahren fort mit dem Landesantrag in Drucksa- schen Handlungsmöglichkeiten einzelner Mitglied- che 721/2/13. Bitte Ihr Handzeichen! – Mehrheit. staaten zu achten. Wir kommen zum Landesantrag in Drucksache Ich kann in der Kürze nur einige Beispiele anrei- 721/3/13. Wer ist dafür? – Minderheit. ßen: Ich bitte um Ihr Handzeichen für alle noch nicht er- Wir brauchen gesetzliche Mindestlöhne in allen ledigten Ziffern der Ausschussempfehlungen. – Mitgliedstaaten, damit der ruinöse Wettbewerb zwi- Mehrheit. schen den Staaten um niedrige Lohnkosten beendet Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung wird. Diese Mindestlöhne sollten in Abhängigkeit genommen. von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mit- gliedstaaten stehen. Wir kommen zu Punkt 16: Wir brauchen einen sozialen Stabilitätspakt, um Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen das gegenseitige Unterbieten von Sozialstandards zu Parlaments und des Rates zur Änderung der verhindern. Damit würde der soziale Fortschritt in je- Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den dem Mitgliedstaat an den ökonomischen Fortschritt Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten gekoppelt, indem die Mitgliedstaaten zu einem Min- in der Gemeinschaft zur Umsetzung bis 2020 ei- destmaß an sozialen Leistungen verpflichtet werden. nes internationalen Übereinkommens über die Wir brauchen ein stärkeres Engagement zur Be- Anwendung eines einheitlichen globalen kämpfung der erschreckend hohen Jugendarbeitslo- marktbasierten Mechanismus auf Emissionen sigkeit. Die zur Umsetzung der Jugendgarantie zur aus dem internationalen Luftverkehr (Drucksa- Verfügung gestellten Finanzmittel reichen bei wei- che 733/13, zu Drucksache 733/13) tem nicht aus. Und wir sollten uns darüber im Klaren Zur Abstimmung liegen die Ausschussempfehlun- sein, dass die Jugendarbeitslosigkeit mit Geld alleine gen und ein Landesantrag vor. (B) nicht zu beheben ist. Wir brauchen auch den Aufbau (D) entsprechender Strukturen. Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen. Ihr Handzeichen für: Wir brauchen ebenso einen Mindeststeuersatz auf Unternehmensgewinne, damit der Wettbewerb zwi- Ziffer 1! – Mehrheit. schen den Mitgliedstaaten um Niedrigsteuern für ein Wir stimmen jetzt über den Landesantrag ab. Bitte Unternehmen ein Ende findet. das Handzeichen! – Mehrheit. Ein sozial gerechtes Europa muss keine Utopie Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung bleiben, sondern kann Stück für Stück erarbeitet genommen. werden. Dafür müssen wir mutige Entscheidungen in der Europapolitik treffen. Tun wir das nicht, wird die Punkt 20: Akzeptanz Europas in der Bevölkerung weiter sin- ken. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten eine so- Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für ziale EU, die sie stärkt und schützt. Und wir müssen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter auch nicht wählen zwischen einer Gesellschaft mit (NotSan-APrV) (Drucksache 728/13) sozialem Zusammenhalt und einer produktiven Wirt- Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- schaft; wir können und müssen beides anstreben. fehlungen und ein Antrag Nordrhein-Westfalens vor. Meine Damen und Herren, die Diskussion darüber, Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen: wie ein sozial gerechtes Europa ausgestaltet sein soll, muss weitergehen. Die von der Kommission vorge- Ziffer 2! – Minderheit. legte Mitteilung zur sozialen Dimension der Wirt- Ziffer 3! – Minderheit. schafts- und Währungsunion ist nur ein kleiner Schritt auf diesem Weg, den ich mir viel mutiger und Ziffer 5! – Minderheit. vor allem verbindlicher gewünscht hätte. – Vielen Dank. Ziffern 6 und 7 gemeinsam! – Minderheit. Ziffer 17! – Mehrheit. Vizepräsident Winfried Kretschmann: Danke Ziffer 18! – Mehrheit. schön! Ziffer 19! – Mehrheit. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- fehlungen und zwei Landesanträge vor. Ziffer 22! – Mehrheit. 554 Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 Vizepräsident Winfried Kretschmann (A) (C) Nun zum Antrag Nordrhein-Westfalens! Wer ist da- wenn ein zwangsweise eingeführter Familienname für? – Mehrheit. Ausdruck von Bevormundung und Unterdrückung ist. Bitte das Handzeichen für die noch nicht erledigten Ziffern der Empfehlungsdrucksache! – Mehrheit. Dieses Durcheinander sollte ein Ende haben – im Interesse der Rechtssicherheit, vor allem aber im In- Damit hat der Bundesrat der Verordnung mit den teresse der Betroffenen. Es geht nicht darum, dass soeben festgelegten Maßgaben zugestimmt. der bestehende Name den Trägern einfach nicht ge- Wir kommen zu Punkt 21: fällt. Es geht um mehr. Es geht um die nachvollzieh- bare Abneigung gegen einen aufgezwungenen Fa- Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur miliennamen, mit dem man sich aus historischen Kommunalträger-Abrechnungs- Änderung der Gründen nicht identifizieren kann. verwaltungsvorschrift (Drucksache 729/13) Der eigene Name ist Ausdruck der persönlichen Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Identität. Der Nachname verbindet das Individuum fehlungen vor. zugleich mit der Geschichte seiner Familie. Diese Ich beginne mit Ziffer 1. Wer der vorgeschlagenen Geschichte ist manchmal leider eine schwierige. Maßgabe zustimmt, den bitte ich um das Handzei- Dass eine herrschende Mehrheit einer Minderheit ei- chen. – Mehrheit. nen Namen aufzwingt, hat es zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten immer wieder Wer stimmt der Verwaltungsvorschrift in der so- gegeben. Wo immer das geschehen ist, können wir es eben festgelegten Fassung zu? – Mehrheit. nicht ungeschehen machen. Aber wir können es im Der Bundesrat hat der Verwaltungsvorschrift mit Rahmen unseres Rechts korrigieren. Maßgabe zugestimmt. Nach derzeitiger Praxis haben es Betroffene häufig Wir kommen zu Punkt 22: schwer, ihren ungeliebten Namen abzulegen. Stan- desbeamte fordern in der Regel ein psychiatrisches Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Attest, aus dem hervorgehen muss, dass die Person Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvor- durch ihren Namen traumatisiert ist. Alles andere sei schrift zum Gesetz über die Änderung von Fa- kein „wichtiger Grund“. Das muss den Betroffenen miliennamen und Vornamen (2. NamÄndVwV) als Zumutung erscheinen: Sie müssen sich zum psy- (Drucksache 696/13) chiatrischen Fall machen lassen, um ihren Namen Ich erteile Frau Ministerin Öney (Baden-Württem- abzulegen. berg) das Wort. Hier bringt die Verwaltungsvorschrift eine Erleich- (B) terung, die ich ausdrücklich begrüße. (D) Bilkay Öney (Baden-Württemberg): Sehr geehrter Die Verwaltungsvorschrift verändert natürlich Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und nicht die Rechtslage. Sie ist eine Handreichung und Herren! Zur Abstimmung steht eine Verwaltungsvor- Auslegungshilfe für die Behörden. Sie greift das auf, schrift der Bundesregierung, die zwar kurz, aber be- was verschiedene Verwaltungsgerichte so schon ent- deutsam ist. Es geht um die Vereinheitlichung der schieden haben. Sie befreit auch nicht von der Ein- Praxis bei zwangsweise eingeführten Vor- und Fami- zelfallprüfung. liennamen, wenn diese Ausdruck von Bevormun- dung und Unterdrückung sind. Eine gesetzliche Änderung würde zwar mehr Rechtssicherheit schaffen. Aber wie lange würde das Die Landesregierung von Baden-Württemberg be- dauern? Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, grüßt die Klarstellung der Bundesregierung, dass in dass eine Novelle des Namensänderungsgesetzes solchen Fällen ein „wichtiger Grund“ vorliegt und wegen zahlreicher anderer Baustellen aufwendig damit eine Namensänderung möglich wird. wäre und sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Mir berichteten Minderheiten, dass sie teilweise So lange sollten wir die Betroffenen nicht warten las- zur Annahme anderer Namen gezwungen wurden. sen. Daher besteht bei den Betroffenen zum Teil der drin- Wir brauchen eine rasche Verbesserung der gegen- gende Wunsch, den Namen wieder abzulegen. Ich wärtigen Situation. Das kann mit der vorliegenden habe Verständnis für dieses Anliegen – unabhängig Verwaltungsvorschrift erreicht werden. Lassen Sie von einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. uns diesen pragmatischen Weg gemeinsam gehen! – Nun wird aber die Frage, ob in einem solchen Fall Danke. ein wichtiger Grund für eine Namensänderung vor- liegt, von Behörden und Gerichten in Deutschland Vizepräsident Winfried Kretschmann: Danke höchst unterschiedlich beurteilt, und zwar von Land schön! zu Land, aber auch innerhalb eines Landes. Manche Gerichte sagen, es bestehe generell kein Anspruch Wir kommen zur Abstimmung. auf Führung eines die ethnische Herkunft anzeigen- Ich bitte um das Handzeichen für Ziffer 1 der Aus- den Familiennamens. Andere verneinen eine dem schussempfehlungen. – Mehrheit. deutschen „ordre public“ widersprechende Zwangs- lage der Betroffenen. Immerhin: In Einzelfällen las- Es ist eine Schlussabstimmung gewünscht worden: sen Gerichte eine Namensänderung bereits heute zu, Wer der Verwaltungsvorschrift in der soeben geän- Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 555 Vizepräsident Winfried Kretschmann (A) (C) derten Fassung zustimmen möchte, den bitte ich um Die nächste Sitzung des Bundesrates berufe ich ein das Handzeichen. – Mehrheit. auf Donnerstag, den 19. Dezember 2013, 9.30 Uhr. Dann ist so beschlossen. Ich schließe die Sitzung. Meine Damen und Herren, damit haben wir die Ta- gesordnung erledigt. (Schluss: 11.00 Uhr)

Beschluss im vereinfachten Verfahren (§ 35 GO BR)

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Stärkung der Grundpfeiler der intelligenten Rechtsetzung durch eine bessere Evaluierung (Drucksache 719/13) Ausschusszuweisung: EU – In Beschluss: Kenntnisnahme

(B) (D)

Feststellung gemäß § 34 GO BR Einspruch gegen den Bericht über die 916. Sitzung ist nicht eingelegt worden. Damit gilt der Bericht gemäß § 34 GO BR als genehmigt.

Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 557*

(A) (C) Anlage 1 Anlage 3

Erklärung Erklärung

von Minister Dr. Helmuth Markov von Staatssekretär Jürgen Lennartz (Brandenburg) (Saarland) zu Punkt 2 der Tagesordnung zu Punkt 2 der Tagesordnung Brandenburg hält die Dopingbekämpfung im Sport Die wirksame Bekämpfung des Dopings im Sport für ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, das ange- bedarf einer strafrechtlichen Ahndung des Doping- sichts der in den letzten Jahren bekannt gewordenen betrugs. Insoweit wird die Zielsetzung der Gesetzes- Dopingfälle an Bedeutung gewonnen hat. Das Ziel des initiative des Bundesrates von der Saarländischen Gesetzentwurfs, Doping im Sport nicht nur durch Sank- Landesregierung ausdrücklich begrüßt. Seiner ge- tionen der Sportverbände, sondern auch durch straf- samtgesellschaftlichen und nicht nur fachspezifisch rechtliche Maßnahmen effektiv entgegenzuwirken, gesundheitspolitischen Bedeutung entsprechend wird daher von Brandenburg ausdrücklich begrüßt. sollte dieser neue Straftatbestand in das Kernstraf- recht des StGB und nicht in das Arzneimittelgesetz Allerdings bestehen gegen die im Gesetzentwurf eingestellt werden. vorgeschlagenen Änderungen grundsätzliche rechts- fachliche und gesetzessystematische Bedenken. Die Einführung eines Tatbestands des Dopingbetrugs, mit dem der faire Wettbewerb im Berufssport geschützt werden soll, ist mit dem Schutzzweck des Arzneimittel- gesetzes, der darin besteht, die Sicherheit des Arz- Anlage 4 neimittelverkehrs und damit den Gesundheitsschutz zu gewährleisten, nicht in Einklang zu bringen. Erklärung

Ferner ist die vorgesehene Anhebung der Straf- von Staatsminister Sven Morlok obergrenze für Dopingdelikte auf fünf Jahre Frei- (Sachsen) heitsstrafe bedenklich. Diese Anhebung würde zu ei- zu Punkt 2 der Tagesordnung ner Angleichung an die Strafrahmen der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz führen, obgleich Der Bundesrat beschäftigt sich heute zum wieder- ein generelles stoffbezogenes Umgangsverbot für holten Male mit dem Thema Doping, und das nicht Arzneimittel – anders als bei Betäubungsmitteln – nicht ohne Grund. existiert. (B) Immer wieder sind die Öffentlichkeit, die Sport- (D) verbände, aber auch die Politik in den letzten Jahren durch Enthüllungen in den Medien von zum Teil sys- tematischen Dopingpraktiken erschüttert worden. Uns allen sind insbesondere die Dopingskandale im Anlage 2 Radsport, namentlich bei der Tour de France, in trau- riger Erinnerung. Diese Vorfälle haben nicht nur zu Erklärung einer öffentlichen Demontage des Ansehens der be- troffenen Spitzensportler geführt, sondern auch die von Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren Sportverbände und die Anti-Doping-Agenturen in (Nordrhein-Westfalen) Bedrängnis und Erklärungsnot gebracht. zu Punkt 2 der Tagesordnung Aber wir sollten immer sorgfältig überlegen, ob Für die Länder Nordrhein-Westfalen, Bremen und der Staat zur Lösung eines Problems berufen und Schleswig-Holstein gebe ich folgende Erklärung zu eine Verschärfung der Gesetze das richtige Mittel der Protokoll: Wahl ist. Das gilt umso mehr, wenn – wie hier – der Die wirksame Bekämpfung des Dopings im Sport Ruf nach dem Strafrecht laut wird. Denn hier gilt im- bedarf einer strafrechtlichen Ahndung des „Doping- mer noch das Ultima-Ratio-Prinzip. Der Staat kann betrugs“. Die Länder Nordrhein-Westfalen, Bremen und darf nicht jedes Verhalten, das als unerwünscht und Schleswig-Holstein stimmen dem Gesetzentwurf angesehen wird, unter Strafe stellen. Das Strafrecht Baden-Württembergs zu, da er inhaltlich volle Unter- ist das letzte und schärfste Mittel sozialer Kontrolle stützung verdient. Es ist aber zu hinterfragen, ob die und muss sich deshalb auf besonders gravierende neuen Vorschriften, die den freien wirtschaftlichen Beeinträchtigungen beschränken. Wettbewerb schützen sollen, der Zielsetzung des Ich darf daran erinnern, dass erst im August dieses Arzneimittelgesetzes entsprechen. Einerseits enthält Jahres die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes ver- dieses bereits Vorschriften zum Verbot von Arznei- schärft worden sind. Die Änderungen beruhten unter mitteln zu Dopingzwecken im Sport (§§ 6a, 95 Absatz anderem auf dem Bericht der Bundesregierung zur 1 AMG), andererseits bezweckt es ausdrücklich nur Evaluation des Gesetzes zur Verbesserung der Be- die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln (§ 1 kämpfung des Dopings im Sport. AMG). Die drei Länder gehen davon aus, dass diese rechtssystematische Fragestellung im weiteren Ge- Dem hier und heute vorliegenden Gesetzentwurf setzgebungsverfahren geprüft wird. geht das aber nicht weit genug. Um nur einige 558* Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013

(A) (C) Punkte daraus aufzugreifen: Für Berufssportler soll klar und bestimmt sein und sich in das Gesamtgefüge mit dem „Dopingbetrug“ ein eigener Straftatbestand des Strafrechts einordnen. Vor allem aber braucht es eingeführt, die Strafobergrenzen sollen angehoben, ein eindeutig definiertes Rechtsgut, das es zu schüt- eine Kronzeugenregelung soll geschaffen werden. zen gilt.

Ich halte diese Ansätze für nicht zielführend. An alledem habe ich bei dem Gesetzentwurf Zwei- fel. Die Kernvorschriften zum sogenannten Doping- Damit keine Missverständnisse aufkommen: Sau- betrug sind komplex und enthalten eine Vielzahl un- berer Sport und die Bekämpfung illegaler Doping- bestimmter Rechtsbegriffe. Es ist nicht ohne weiteres praxis sind der Justiz, auch der sächsischen Justiz, erkennbar, welche Sportler davon betroffen sind, wichtige Anliegen. Es darf auch nicht übersehen welche konkreten Dopingmittel und -praktiken da- werden, dass Doping in der öffentlichen Wahrneh- runterfallen sollen und in welchem zeitlichen Rah- mung gemeinhin missbilligt wird und auch staatli- men eine Straftat vorliegt. Derart fundamentale Fra- cherseits bekämpft werden soll. gen darf ein Gesetz nicht offen- beziehungsweise den Gerichten zur Klärung überlassen. Bei der Dopingbekämpfung müssen sich Staat und Sportverbände gegenseitig ergänzen. Das A und O Mit der Erhöhung der Strafrahmen würde das Do- liegt hier zuallererst in einer wirksamen Kontrolle der ping in den Bereich der mittelschweren Kriminalität Sportler. Wenn eine solche nicht stattfindet, können gerückt, ohne dass es hierfür einen ausreichenden weder verbandsinterne noch strafrechtliche Konse- Grund gibt. Diese Frage war schon Gegenstand des quenzen gezogen werden. Um beim Beispiel des Evaluationsberichts der Bundesregierung und ist dort Radsports zu bleiben: Auch verschärfte Strafgesetze eindeutig negativ beantwortet worden. hätten die skandalösen Vorfälle der jüngeren Ver- gangenheit wohl kaum verhindern können. Vor allem aber fehlt es an einem strafrechtlich zu schützenden Rechtsgut: Die gesundheitliche Selbst- Die Strafverfolgungsbehörden dürfen nach gelten- schädigung eines dopenden Sportlers ist für sich ge- dem Recht keine verdachtsunabhängigen Doping- nommen nicht strafwürdig. Das Prinzip der straflosen kontrollen durchführen. Sie würden damit zugleich Selbstgefährdung gilt im Sport genauso wie in allen einen Großteil der Sportler unter Generalverdacht anderen Lebensbereichen. Auch der Gesetzentwurf stellen. Umgekehrt haben die Sportverbände durch- übersieht das nicht. Das Eigendoping soll deshalb als aus die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten, eine Art „Sportbetrug“ erfasst werden. Der Schutz solche verdachtsunabhängigen Kontrollen durchzu- fremder Vermögensinteressen ist ein anerkanntes setzen. Rechtsgut. Allerdings verzichtet der Entwurf auf den Eintritt eines konkreten Vermögensschadens und Es liegt auch viel eher in der Verantwortung des entfernt sich damit zugleich wieder von diesem (B) Sports selbst, auf Doping durch effektive Kontrollen (D) Schutzgut. Stattdessen wird der „freie wirtschaftliche und Sanktionen zu reagieren. Denn wir sollten nicht Wettbewerb“ zum Anknüpfungspunkt der Sanktio- aus dem Blick verlieren, dass Berufssportaktivitäten nierung gemacht. in der Regel durch die Sportverbände öffentlichkeits- wirksam vermarktet werden. Mit den dahinterste- Aber geht es denn hier tatsächlich um den Schutz henden materiellen und immateriellen Interessen des wirtschaftlichen Wettbewerbs? Natürlich spielen sollte auch die Pflicht korrespondieren, die Haupt- im Berufssport finanzielle Fragen eine Rolle. Den- verantwortung für sauberen Sport zu schultern. noch wird man der Bedeutung von sportlichen Wett- kämpfen und Veranstaltungen nicht gerecht, wenn Hinzu kommt, dass die sportrechtlichen Sanktio- man sie auf kommerzielle Aspekte reduziert. nen einen Dopingsünder zumeist viel härter treffen, als es das Strafrecht leisten könnte. Ungeachtet der Die krampfhafte Suche nach einem tauglichen Verfahrensdauer eines Strafprozesses – zumal wenn Rechtsgut ist verräterisch. Die beschriebenen An- er sich über mehrere Instanzen hinzieht – hat der sätze können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Sportler hier in der Regel „nur“ mit einer überschau- in Wirklichkeit und in erster Linie doch um die Wah- baren Geld- oder Bewährungsstrafe zu rechnen. Die rung von Fairness und Chancengleichheit im Sport verbandsrechtlichen Sanktionen, etwa ein Startver- und die Erhaltung der Vorbildfunktion von Berufs- bot oder eine längere Sperre, treffen den Sportler sportlern geht. Genau diese Werte können aber mit schneller, schmerzhafter und damit viel effektiver. Kriminalstrafe nicht erzwungen werden. Dasselbe Phänomen zeigt sich übrigens auch in anderen Berufsgruppen: Den Berufskraftfahrer schmerzt ein Bußgeld kaum, das Fahrverbot hinge- gen sehr.

Was heißt das alles für den vorliegenden Gesetz- Anlage 5 entwurf? Umdruck 10/2013 Wenn der Staat die zuvörderst verbandsrechtliche Dopingbekämpfung ergänzen soll, muss er sich dabei Zu den folgenden Punkten der Tagesordnung der auf den Bereich beschränken, in dem es um gravie- 917. Sitzung des Bundesrates möge der Bundesrat rendes Fehlverhalten geht. Strafvorschriften müssen gemäß den vorliegenden Empfehlungen und Vor- rechtsstaatlichen Vorgaben genügen. Sie müssen schlägen beschließen: Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013 559*

(A) (C) I. Punkt 19 Verordnung zur Ablösung der Versuchstiermel- Die Entschließung zu fassen: deverordnung und zur Änderung tierschutzrecht- licher Vorschriften (Drucksache 731/13, Drucksa- Punkt 4 che 731/1/13) Entschließung des Bundesrates „Personalgestel- lung und Abordnung – Herausnahme der öffent- lich-rechtlichen Gebietskörperschaften aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung“ (Drucksache 745/ VI. 13) Entsprechend den Anregungen und Vorschlägen zu beschließen:

Punkt 23 II. Benennung von Beauftragten des Bundesrates in Beratungsgremien der Europäischen Union (Aus- Die Entschließung nach Maßgabe der in der Emp- schuss der Kommission für die Richtlinie 2005/36/ fehlungsdrucksache wiedergegebenen Änderungen EG über die Anerkennung beruflicher Qualifika- zu fassen: tionen; Themenschwerpunkt: fachliche Anerken- nung von Hochschulberufen) (Drucksache 178/13, Punkt 5 Drucksache 178/1/13) Entschließung des Bundesrates zur Bundesan- stalt für Immobilienaufgaben (BImA) (Drucksa- Punkt 24 che 742/13, Drucksache 742/1/13) Benennung von Mitgliedern und stellvertreten- den Mitgliedern des Verwaltungsrates der Film- förderungsanstalt (Drucksache 726/13, zu Druck- sache 726/13, Drucksache 726/1/13) III. Punkt 25 Zu der Vorlage die Stellungnahme abzugeben, Benennung eines stellvertretenden Mitglieds des die in der zitierten Empfehlungsdrucksache wieder- Kuratoriums der Stiftung „Haus der Geschichte gegeben ist: der Bundesrepublik Deutschland“ (Drucksache (B) (D) 747/13) Punkt 7 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Punkt 26 Parlaments und des Rates über Maßnahmen zum Benennung eines Mitglieds und eines stellvertre- Schutz vor Pflanzenschädlingen (Drucksache tenden Mitglieds für den Eisenbahninfrastruktur- 413/13, zu Drucksache 413/13, Drucksache 413/1/ beirat (Drucksache 738/13) 13) Punkt 27 Benennung eines Mitglieds und eines stellvertre- tenden Mitglieds für den Beirat der Bundesnetz- agentur für Elektrizität, Gas, Telekommunika- IV. tion, Post und Eisenbahnen (Drucksache 739/13) Der Vorlage ohne Änderung zuzustimmen: Punkt 29 Punkt 18 Benennung von Vertretern und Stellvertretern des Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Bundesrates im Mittelstandsrat der Kreditanstalt Sozialversicherung für 2014 (Sozialversiche- für Wiederaufbau (Drucksache 771/13) rungs-Rechengrößenverordnung 2014) (Drucksa- che 727/13)

VII. Zu den Verfahren, die in den zitierten Drucksa- V. chen bezeichnet sind, von einer Äußerung und ei- Der Verordnung nach Maßgabe der in der Emp- nem Beitritt abzusehen: fehlungsdrucksache wiedergegebenen Empfehlung zuzustimmen sowie die unter Buchstabe C der Emp- Punkt 28 fehlungsdrucksache angeführte Entschließung zu Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht fassen: (Drucksache 744/13, zu Drucksache 744/13) 560* Bundesrat – 917. Sitzung – 29. November 2013

(A) (C) Anlage 6 folgreichen Regulierung von Telekommunikations- netzbetreibern. Ein solcher ist jedoch weder Erklärung erforderlich noch zielführend. Des Weiteren schlägt die Europäische Kommission von Staatsminister Michael Boddenberg im Rahmen der Digital Single Initiative Harmonisie- (Hessen) rungsregelungen im Bereich der Frequenzpolitik vor, zu Punkt 8 der Tagesordnung deren Mehrwert nicht erkennbar ist. Die nationale In dem Verordnungsvorschlag zum digitalen Bin- Hoheit der Funkfrequenzverwaltung hat sich bisher nenmarkt kommt die Sorge der Europäischen Kom- als geeignetes und effizientes Mittel erwiesen, um mission vor einem Zurückfallen Europas hinter die das in der Frequenzpolitik notwendige Gleichge- großen Verbrauchermärkte in den USA und in Asien wicht von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen zum Ausdruck. Aspekten zu wahren. Für die Bereiche Hardware sowie Plattformen und Auch im Bereich der Netzneutralität sind die Vor- Inhalte ist diese Sorge anhand der von Kommissions- schläge der Europäischen Kommission in der vorlie- präsident Barroso vorgelegten Zahlen durchaus genden Fassung unausgewogen. Danach soll es eine nachvollziehbar. Danach liegt Europa in diesen Be- EU-weite Regelung geben, die weiterhin ein freies reichen gegenüber den USA deutlich zurück. Hier und offenes Basisangebot garantiert, aber gleichzei- muss europäische Wettbewerbsfähigkeit gestärkt tig Sonderverträge ermöglicht, mit denen Kunden werden. gegen höhere Kosten Spezialdienste erhalten könn- ten. Die Degradierung des Best-Effort-Internets zum Sehr viel erfreulicher stellt sich die Position Euro- Basisangebot wird seiner aktuellen Bedeutung je- pas, ebenfalls bestätigt durch Zahlen der Europäi- doch nicht gerecht. Das Best-Effort-Prinzip ist das schen Kommission, in Bezug auf Telekommunika- fundierende Element des Internets. Der für jeder- tionsnetzbetreiber in den Sparten Festnetz und mann offene Zugang zu den weltweiten Netzen und Mobilfunk dar. Von 22 Weltmarktführern, den soge- der diskriminierungsfreie Transport der Inhalte sind nannten Innovationstreibern, befinden sich elf in zwei zentrale Grundpfeiler des offenen Internets. Sie Europa. Dies resultiert maßgeblich aus einer erfolg- sind wesentlich für dessen Erfolg und wichtige Vo- reichen Liberalisierung des Telekommunikations- raussetzungen für Freiheit, Innovation und Medien- marktes auf deutscher und europäischer Ebene. Die pluralismus. Die Erbringung von Spezialdiensten und bisherige Liberalisierung und Privatisierung des Tele- ein zielführendes Verkehrsmanagement müssen wei- kommunikationsmarktes kann als Erfolgsgeschichte terhin möglich bleiben, doch darf die Entwicklung bezeichnet werden. Die Deregulierung der Endkun- des offenen Internets dadurch nicht beeinträchtigt denmärkte ist weitgehend abgeschlossen. Der Erfolg werden. (B) basiert vor allem auf einem intelligenten regulatori- (D) schen Rahmen. Die Regulierungsbehörde erstellt da- Als Fazit halte ich fest: bei regelmäßige Marktanalysen und führt Anpassun- Die Schwerpunkte der Digital Single Market Ini- gen an die tatsächlichen Marktverhältnisse durch. tiative der Europäischen Kommission zeigen erhebli- Die nun von der Europäischen Kommission vorge- chen Nachbesserungsbedarf auf. Deshalb ist ein ab- legte Digital Single Initiative setzt vor diesem Hinter- lehnendes Votum des Bundesrates im Sinne des grund die falschen Schwerpunkte. Statt die Stärkung Zurückziehens des Entwurfs der Digital Single Mar- der europäischen Wettbewerbsfähigkeit bei (IT-) ket Initiative und einer gründlichen Prüfung erfor- Diensten und Inhalten in den Fokus zu stellen, befür- derlicher Modifikationen unter Einbeziehung der wortet sie einen Paradigmenwechsel der bislang er- Marktteilnehmer ein notwendiges Signal.