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BEETHOVEN THE SYMPHONIES AND REFLECTIONS KANCHELI · MOCHIZUKI · ŠERKŠNYTE˙ SHCHEDRIN · STAUD · WIDMANN MARISS JANSONS SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 2

LUDWIG VAN BEETHOVEN THE SYMPHONIES AND REFLECTIONS KANCHELI · MOCHIZUKI · ŠERKŠNYTE˙ · SHCHEDRIN · STAUD · WIDMANN

MARISS JANSONS SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 4

LUDWIG VAN BEETHOVEN 1770–1827 CD 1 CD 2 Symphonie Nr. 1 C-Dur / C major op. 21 Symphonie Nr. 3 Es-Dur / E-flat major op. 55 „Eroica” 01 I. Adagio molto – Allegro 8:18 01 I. Allegro con brio 16:54 02 II. Andante cantabile con moto 7:20 02 II. Marcia funebre. Adagio assai 12:40 03 III. Menuetto. Allegro molto e vivace – Trio 3:16 03 III. Scherzo. Allegro vivace – Trio 5:43 04 IV. Finale. Adagio – Allegro molto e vivace 5:37 04 IV. Finale. Allegro molto 12:10

Total time: 24:45 Total time: 47:43 JOHANNES MARIA STAUD *1974 RODION SHCHEDRIN *1932 „Maniai“ für Orchester (2011) „Beethovens Heiligenstädter Testament“ (2008) 05 Furioso – Grazioso 11:13 Symphonisches Fragment für Orchester 05 Maestoso con grave 12:09

Symphonie Nr. 2 D-Dur / D major op. 36 06 I. Adagio molto – Allegro con brio 11:00 07 II. Larghetto 9:27 CD 3 08 III. Scherzo. Allegro – Trio 3:26 Symphonie Nr. 4 B-Dur / B-flat major op. 60 09 IV. Allegro molto 6:25 01 I. Adagio – Allegro vivace 11:10 Total time: 30:40 02 II. Adagio 8:45 *1969 MISATO MOCHIZUKI 03 III. Allegro vivace – Trio. Un poco meno allegro 5:45 10 „Nirai“ (2012) 04 IV. Allegro ma non troppo 7:01 Intermezzo zu Beethovens Symphonien Nr. 2 und 6 9:00 Total time: 33:00

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Symphonie Nr. 5 c-Moll / C minor op. 67 GIYA KANCHELI *1935 05 I. Allegro con brio 6:55 06 „Dixi“ für gemischten Chor und Orchester (2009) 21:47 06 II. Andante con moto 8:50 07 III. Allegro 4:55 CD 5 08 IV. Allegro 10:31 Total time: 31:25 Symphonie Nr. 7 A-Dur / A major op. 92 RAMINTA ŠERKŠNYTE˙ *1975 01 I. Poco sostenuto – Vivace 14:03 „Fires“ (2010) 02 II. Allegretto 8:08 09 I. Misterioso 5:44 03 III. Presto – Assai meno presto 8:38 10 II. Con brio 4:50 04 IV. Allegro con brio 8:51 Total time: 10:34 Total time: 40:00 CD 4 JÖRG WIDMANN *1973 Symphonie Nr. 6 F-Dur / F major op. 68 “Pastorale”* 05 „Con brio“ Konzertouvertüre für Orchester (2008) 11:50 01 I. Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen. Symphonie Nr. 8 F-Dur / F major op. 93 Allegro ma non troppo 11:50 06 I. Allegro vivace e con brio 9:25 02 II. Szene am Bach. Andante molto moto 11:37 07 II. Allegretto scherzando 3:45 03 III. Lustiges Zusammensein der Landleute. Allegro 5:11 08 III. Tempo di Menuetto 4:31 04 IV. Donner. Sturm. Allegro 3:36 09 IV. Allegro vivace 7:60 05 V. Hirtengesang. Wohltätige, mit Dank an die Gottheit Total time: 26:00 verbundene Gefühle nach dem Sturm. Allegretto 9:60 Total time: 42:28 * Satzbezeichnungen nach der neuen kritischen Ausgabe von Jonathan Del Mar * Titles of movements according to the new critical edition by Jonathan Del Mar 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 8

CD 6 Symphonie Nr. 9 d-Moll / D minor op. 125 01 I. Allegro ma non troppo e und poco maestoso 14:59 02 II. Molto vivace – Presto 11:35 Tonmeister/Recording Producer: Wilhelm Meister Toningenieur/Balance Engineer: Ulrike Schwarz (Symphonien Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 7, 8, 9, Šerkšnyte˙, Staud), 03 III. Adagio molto e cantabile – Andante moderato 12:39 Peter Urban (Widmann), Sunao Shimazaki (Symphonien Nr. 1, 2, 4, 5, 7, 8, 9), 04 IV. Finale: Presto – Allegro assai 23:52 Klemens Kamp (Symphonie Nr. 6, Shchedrin, Mochizuki, Kancheli) Tontechnik/Sound Engineer: Mechthild Homburg, Elisabeth Panzer, Bernadette Rüb („Freude, schöner Götterfunken“) Live-Aufnahmen / Live Recordings: Total time: 63:23 Symphonien Nr. 1, 2 & 5: Tokio, Suntory Hall 27.11.2012 Symphonie Nr. 3: München, Herkulessaal, 18./19.10.2012 Symphonie Nr. 4: Tokio, Suntory Hall 26.11.2012 Symphonie Nr. 6: München, Herkulessaal, 08./09.11.2012 Christiane Karg Sopran / Symphonie Nr. 7: Tokio, Suntory Hall 30.11.2012 Symphonien Nr. 8 & 9: Tokio, Suntory Hall 01.12.2012 Mihoko Fujimura Alt / alto J.M. Staud: München, Herkulessaal 09./10.02.2012 Michael Schade / tenor M. Mochizuki: München, Herkulessaal 08./09.11.2012 R. Shchedrin: München, Philharmonie am Gasteig 18./19.12.2008 Michael Volle Bariton / baritone R. Šerkšnyte˙: München, Herkulessaal 17./18.05.2012 G. Kancheli: München, Herkulessaal 29./30.10.2009 Chor des Bayerischen Rundfunks J. Widmann: München, Philharmonie am Gasteig 25./26.09.2008 Peter Dijkstra Einstudierung / chorus master Verlag/Publisher: Kancheli: Musikverlag Hans Sikorski GmbH & Co. KG. Staud: Universal Edition Wien AG. Mochizuki: Breitkopf & Härtel Wiesbaden - Leipzig - . Widmann/Shchedrin: Schott Music GmbH & Co. KG Mainz. Šerkšnyte˙: Eigenverlag SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS

MARISS JANSONS Dirigent / conductor Fotos/Photography: © Koichi Miura (Cover S. 10/11, S. 17, S. 33, S. 56); © Sarah Ainslie (S. 34); © 2010 by Jérémie Souteyrat, Tokyo (S. 36); © Narimantas Sˇerksˇnys (S. 37); © Peter Andersen (S. 39); © Jonathan Irons (S. 40); © Marco Borggreve (S. 42); © Copyright 2012 by Universal Edition A.G., Wien/UE 35691 (S. 28). © SCHOTT MUSIC GmbH & Co. KG, Mainz (S. 33). Design/Artwork: [ec:ko] communications Editorial: Peter Rieckhoff / Andrea Lauber. Label Management: Stefan Piendl, Arion Arts GmbH, Dreieich Eine CD-Produktion der BRmedia Service GmbH. P+C 2013 BRmedia Service GmbH 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 10

Aufführung der 9. Symphonie am 1. Dezember 2012 (Suntory Hall, Tokio) Performance of Symphony No.9 on December 1st, 2012 (Suntory Hall, Tokyo) 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 12

DIE NEUN SYMPHONIEN Beethoven leuchtet mit seinem revolutionären Schaffen tatsächlich in zwei Richtungen: weit voraus, aber ebenso zurück. Er führt das Erbe der Klassik fort, In nicht allzu ferner Zukunft wird man jüngeren Menschen erklären müssen, indem er sich selbst anfangs an Mozart und, mehr noch, an seinem für die For- was ein Leuchtturm ist. Längst haben nämlich auch in der Schifffahrt satelli- mengenese der Musik bahnbrechenden Lehrer Haydn orientiert. Er wird aber tengestützte Ortungssysteme einen unaufhaltsamen Siegeszug angetreten, und auch zum Überwinder der Klassik, indem er mit seinem höchst individuellen es dürfte bloß eine Frage der Zeit sein, bis die ehemals so unentbehrlichen Ausdrucksbedürfnis deren Konventionen sprengt und die Tore zur Romantik Lichtzeichen dem Fortschritt zum Opfer fallen. Mit ihnen stürzt freilich auch aufstößt. Keine Werkgruppe innerhalb seines umfangreichen Schaffens spiegelt eine der schönsten Metaphern in sich zusammen, die der poetische Geist der diese Zweiseitigkeit derart plastisch wider wie der Zyklus der neun Sympho- Romantik der Seefahrersprache entliehen hat: Ein Leuchtturm war nicht nur nien. Sie sind Resümee, Höhe- und Endpunkt der klassischen Gattung; zugleich das Erste und Letzte, was der Weltumsegler bei der Heimkehr und dem erneu- nehmen sie in nuce Entwicklungen künftiger Epochen vorweg. ten Aufbruch zu seinen Fahrten wahrnahm – ihr Leuchten war, weit darüber Noch heute spricht man, in Anlehnung an die Metaphorik der Antike, von hinaus, ein Symbol der Hoffnung, dass es inmitten der realen oder imaginären einem Janus-Gesicht, um das Doppeldeutige im Wesen eines Menschen zu be- Stürme des Lebens einen Ort der Orientierung gäbe, der den rechten Weg zum zeichnen. Auf Beethoven und sein Werk trifft dies zweifelsohne zu: Er ist Klas- Ziel weist. siker in der Anbindung an die Tradition; er ist Zukunftsmusiker im betont Kaum überraschend, dass es in der sturmbewegten Geschichte der mensch- individualisierten Umgang mit ebendieser Tradition. Das unterstreicht unter lichen Kultur immer wieder überragende Künstlergestalten gab, denen im über- anderem die Tatsache, dass jede seiner neun Symphonien ein höchst charak- tragenen Sinne die Funktion eines Leuchtturms, um nicht zu sagen: eines teristisches, für sich stehendes Stück ist – Werkreihen im Sechser- oder Leuchtfeuers zuerkannt wurde. Sie zeigten der Kunst ihrer Epoche die Richtung Dutzendpack wie im Barock, auch bloß geschlossene Werkgruppen wie teil- auf, leuchteten ihr buchstäblich voran; sie wurden zum dauerhaften Bezugs- weise noch bei Haydn und Mozart, sind bei Beethoven undenkbar. Denn jede punkt für viele nachfolgende Künstlergenerationen, da in ihnen zentrale Strö- neue Symphonie scheint bei ihm jeweils den Rahmen der ganzen Gattung neu mungen des Geistes zusammenliefen. In der Philosophie scheinen Platon und abzustecken – Wiederholungen ein und desselben Stück- oder Satzkonzepts Kant solche Fixgrößen zu sein; in der Literatur kommt bis heute niemand an sind ausgeschlossen. Shakespeare und Goethe vorbei. In der Musik gibt es neben Bach, dem lieben Ein radikaler Schritt, der schlagartig allen späteren Komponisten den Boden Herrgott der Tonkunst, vor allem einen rechtmäßigen Propheten, auf den sich unter den Füßen wegzog: Was eine Symphonie sei, musste fortan jeder durch die Mehrzahl aller späteren Komponisten mühelos verständigen könnte: Ludwig sein Werk neu definieren, ohne sich dabei auf etablierte Muster verlassen oder van Beethoven. zurückziehen zu können. Der Siegeszug der Gattung, der über ihre höchste 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 14

Blüte im 19. und 20. Jahrhundert hinaus bis in die Gegenwart andauert, beruht Musikgeschichtsschreibung lange behauptet hat. Vielmehr finden sich neben entscheidend auf dem mit Beethoven in die Welt gekommenen Zwang zur Ori- kühnen „Vorgriffen“ auf Künftiges immer wieder „Rückfälle“ in vermeintlich ginalität, also der künstlerischen Selbstverpflichtung, die alte Form immer wie- Überwundenes. Ein Satz wie die Marcia funebre aus der Eroica weist in seiner der neu zu füllen. Freilich gilt dies bei Beethoven nur für die Individualisierung konzeptionellen Kühnheit tatsächlich um ein Jahrhundert voraus: auf die großen jedes einzelnen Satzes und der Musik im Ganzen. Erstaunlich traditionsver- Trauermärsche in den Symphonien Gustav Mahlers. Der in der Vierten vorherr- bunden blieb er hingegen beim äußeren Zuschnitt seiner Symphonien: Anders schende Klassizismus kann demgegenüber wie ein Rückschritt erscheinen – als bei seinen Sonaten und Streichquartetten hielt er fast durchweg an der und führte prompt dazu, dass das Stück lange Zeit ähnlich vernachlässigt wurde überkommenen Viersätzigkeit fest; nur die Pastorale, deren Fünfsätzigkeit pro- wie die Zweite Symphonie, die stets im Schatten der sie umgebenden Werke grammatisch bedingt ist, bildet eine bezeichnende Ausnahme. stand. Noch ärger traf es die Achte Symphonie, die sich in ihrer Haydn, ja Rossini Auch in der Besetzung des Orchesters steht Beethoven fester auf dem Grund nahestehenden Leichtigkeit so gar nicht als gedanklich-stilistische Hinführung der klassischen Tradition, als man, beeinflusst durch den lange aufs Monumen- zur alles krönenden Neunten interpretieren ließ. Erst die Moderne hat den Blick tale zielenden Aufführungsstil des 20. Jahrhunderts, zunächst annehmen möchte. geschärft für die Doppelbödigkeit dieses „verspäteten“ Klassizismus, von dem Grundsätzlich geht Beethoven – auch dies ein Beleg für die Janusköpfigkeit, für ein schnurgerader Weg zum Neo-Klassizismus bei Prokofjew und Strawinsky sein „Leuchten“ in zweierlei Richtungen – kaum über die Besetzungsgrößen der führt. späten Mozart- und Haydn-Symphonien hinaus. Wo er zusätzliche Instrumente Ein leuchtendes Beispiel bot Beethoven der gesamten nachfolgenden Musik fordert – wie beispielsweise die verstärkte Horngruppe in der Eroica, Pikkolo- schließlich noch in anderer Hinsicht: Indem er gerade seine Symphonik – wie flöte und Posaunen in der Fünften oder Chor, Soli und erweitertes Schlagwerk auch etliche seiner Sonaten und Quartette – mit einem über die handwerkliche in der Neunten – steht dies immer in engster Verbindung mit dem jeweiligen Ebene der reinen Komposition weit hinausweisenden poetischen Gehalt auflud. individuellen Werkkonzept, folgt also nicht etwa grundsätzlichen Überlegungen Schon bei der Zweiten gibt es Hinweise auf einen solchen „außermusikali- zu einer akustisch-dynamischen Massierung der instrumentalen Mittel. Die kon- schen“, nämlich höchst privaten Inhalt (wohl eine von Beethovens zahllosen un- tinuierliche Erweiterung des Orchesterapparats, von der Symphonik der Fin- glücklichen Amouren); gleichwohl ist das Werk im Ganzen nur ein sublimierter de-Siècle-Zeit nach 1900 bis ins Extrem getrieben, kann sich auf Beethoven Niederschlag der seelischen Erschütterungen, die sich, ausgelöst durch das gerade nicht berufen. Voranschreiten seiner Ertaubung, in dem ergreifenden Notschrei des Heiligen- Der große Individualist durchkreuzt noch manch anderen Versuch der städter Testaments Bahn brachen. Völlig unbestritten ist der programmatische Vereinnahmung. So verläuft auch seine Entwicklung vom späten Wiener Klas- Gehalt dagegen bei der nachfolgenden Sinfonia eroica: Beethovens symboli- siker zum Frühromantiker keineswegs so zielgerichtet und bruchlos, wie es die scher Bruch mit dem ursprünglichen Adressaten des Werks, dem zum blutigen 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 16

Usurpator herabgesunkenen Napoleon Bonaparte, gehört zu den Schlüssel- momenten seiner geistig-politischen Biografie. Nicht weniger bekannt, ja fast zum Klischee verkommen, ist die Schicksals- thematik der Fünften Symphonie mit ihrer prototypischen per aspera ad astra- Entwicklung, die aber in der teilweise gleichzeitig entstandenen Pastorale ein aufschlussreiches Gegenstück erhält. Die Sechste hat Beethoven selbst als Sinfonia caracteristica bezeichnet, als „malende“ Musik (wie man damals sagte). Mit seinem berühmten Zusatz, das Stück sei „mehr Ausdruck der Empfindung(en) als Malerei“ stellte er freilich sogleich die eherne Regel auf, die bis zur Alpen- sinfonie von Richard Strauss und impressionistischen Naturmusiken wie Debussys La mer gültig geblieben ist: Keine Musik, die einem inneren oder publizierten Programm folgt, ist etwas wert, sofern sie ihren Gegenstand bloß ab- oder nachbildet; es geht immer um eine Übersetzung, eine Überhöhung des Inhalts in musikalischen Ausdruck. Das ist nicht zuletzt das Geheimnis der Neunten. Denn wieder ist es Beethovens individueller Ausdruckswille, der hier an Grenzen stößt und so zu unerhörten Neuerungen führt: Um sich verständlich zu machen, greift er zur Sprache, zum gesungenen Wort, erweitert das Orchester um Chor und Solisten. Wieder wirkt er damit als Leuchtturm für zahlreiche nach- folgende Komponisten – von Mendelssohn über Mahler bis zu . Die Musik aber hat eine philosophische und weltanschauliche Dimension hinzugewonnen: Seit Beethoven formuliert sie ihre eigene Botschaft.

Christian Wildhagen 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 18

THE NINE SYMPHONIES with his highly individual urge for self-expression, and flinging wide the doors to Romanticism. No group of works within his large oeuvre reflects this two- In the not-too-distant future, young people will probably have to be told what a sidedness more vividly and effectively than his cycle of nine symphonies. It forms lighthouse is. The success of satellite navigation systems has extended to the the starting-point, conclusion and summary of the Classical genre, at the same world of shipping, and it is probably only a matter of time before those indis- time collectively and succinctly anticipating the developments of future epochs. pensable sources of light fall victim to progress. Their demise will likely coincide Today, people still use the Antique metaphor “Janus-faced” to denote ambi- with that of one of the finest maritime metaphors ever employed by the Romantic guity in a person, and it can certainly be applied to Beethoven and his work too. Movement. A lighthouse was not only the first and last thing that a circumnavi- His links with tradition make him a musician of the Classical period, yet his em- gator of the globe saw on his arrival and departure—its light was a symbol of phatically individual treatment of that very tradition makes him a musician of the hope that in the midst of life's storms, real or imaginary, there might be a fixed future. This is borne out even more by the fact that each of his symphonies is a point showing the right course to the destination. highly individual and independent work in its own right; series of works by the It is hardly surprising that in the storm-tossed history of human culture, the dozen, as in Baroque times, or even merely self-contained groups of works that figurative function of lighthouses—or indeed beacons—has been ascribed time one sometimes encounters in Haydn and Mozart, are quite unthinkable in Beet- and again to outstanding artistic figures. They gave the art of their epoch a di- hoven. With him, each new symphony seems to redefine the framework of the rection into the future, literally lighting the way for it and, because they were key whole genre—any repetitions of the same idea for a piece or a movement are focal points for ideological trends, they became an enduring fixture for numerous dispensed with entirely. generations of artists that followed. In philosophy, Plato and Kant seem to be This sudden and radical step pulled the carpet from under the feet of all later such established figures. In literature, no-one has yet excelled Shakespeare and composers: henceforth, through their work, they found themselves obliged to Goethe. In music, apart from Bach, that marvellous god of everything musical, redefine the meaning of a symphony without departing from, or reverting to, there is a figure that most later composers would have no trouble agreeing was established patterns. The triumphant success of the genre has lasted from its most definitely prophetic: Ludwig van Beethoven. heyday in the 19th and 20th century right up to the present, and certainly has its The revolutionary oeuvre of Beethoven actually points in two directions: far roots in the obligation to be original that came with Beethoven, i.e. the self- into the future, and equally far back into the past. He began by continuing the imposed duty of the artist to constantly fill the old form with new content. In heritage of the Classical period, taking his cue from Mozart as well as from his Beethoven, of course, this applies to the individualisation of every single move- teacher Haydn, who set new standards in the genesis of musical form. He then ment and of the music as a whole. He does however remain astonishingly true went on to become the conqueror of the Classical age by shattering its conventions to tradition in the outer trappings of his symphonies; in contrast to his sonatas 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 20

and string quartets, he retains the traditional four-movement form almost even worse treatment: with its Haydnesque, almost Rossini-like levity, it could entirely. The only significant exception here is the Pastorale which, for program- not be construed as any kind of conceptual or stylistic signpost to the crowning matic reasons, has five movements. glory of the Ninth. It was only the modern age that made people more keenly In his use of orchestral forces, too, Beethoven is more firmly rooted in the aware of the ambiguity of this “belated” Classicism, which leads straight to the Classical tradition than one might at first assume, bearing in mind the monu- Neoclassicism of Prokofiev and Stravinsky. mental aspirations of 20th-century symphonic performance. Essentially, Beet- Beethoven set a shining example to all the music that followed him in one hoven scarcely exceeds the orchestra sizes of the late Mozart and Haydn other respect. He gives his symphonies in particular, and many of his sonatas symphonies—yet more proof of his Janus-like ability to cast light in two different and quartets as well, a poetic and emotional edge that goes far beyond the craft directions. Wherever he calls for additional instruments—the reinforced horn of pure composition. The Second Symphony already contains hints at something section in the Eroica, for instance, the piccolo and trumpets of the Fifth, or the “extramusical” and highly personal (probably one of Beethoven's countless un- choir, soloists and extra percussion in the Ninth—it is always closely bound up lucky love affairs), while at the same time the work as a whole is only a subli- with the individual concept of each work rather than an amassing of instruments mated reflection of the spiritual crisis that was triggered by his progressive for any acoustic or dynamic reasons. Responsibility for the continuous expan- deafness, culminating in the Heiligenstadt Testament, that urgent and deeply sion of the orchestra, driven to extremes by the symphonies of the fin de siècle moving cry for help. The programmatic content that follows in the Eroica era after 1900, cannot be placed at Beethoven’s door. Symphony is quite undisputed: Beethoven’s symbolic break with the man the The great individualist has also foiled several other attempts to misappro- work was originally dedicated to, Napoleon Bonaparte, who had sunk to the level priate him. His development from exponent of the First Viennese School to Early of a bloody usurper, is one of the key moments in his political biography. Romantic composer was by no means as deliberate or as seamless as music No less famous, indeed almost a cliché now, is the fate theme of the Fifth historians have long claimed. Instead, his courageous “sorties” into the future Symphony, with its prototypical per aspera ad astra development. This work is are repeatedly accompanied by “retreats” into what seems to have already been followed, however, by its fascinating counterpart in the Pastorale, parts of which overcome. The conceptual daring of a movement like the Marcia funebre from were written during the same period. Beethoven himself referred to his Sixth the Eroica does indeed point a century ahead, to the great funeral marches in Symphony as a Sinfonia caracteristica, and as music that “painted a picture”. the symphonies of Gustav Mahler. In comparison, the Classicism prevalent in By famously adding that the piece was "more the expression of feeling than the Fourth Symphony can seem like a relapse. This promptly led to the piece painting” Beethoven of course established a cast-iron principle that retained being long neglected, much like the Second Symphony, which has always stood its validity all the way to Richard Strauss’ Eine Alpensinfonie and impressionistic in the shadow of the works surrounding it. The Eighth Symphony came in for nature-music works such as Debussy’s La mer: No music that follows an internal 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 22

or publicised programme is worth anything if it merely depicts or copies its sub- ject, it must always be a translation and sublimation of it in musical form. This is actually the secret of the Ninth. Again, it is Beethoven’s individual will to self- expression that reaches its limits here and leads to unprecedented innovations. To make himself understood, the composer resorts to language, to the sung word, and adds a choir and soloists to the orchestra. And once again, he is a lighthouse for numerous later composers—from Mendelssohn and Mahler to Hans Werner Henze. In Beethoven, music gained a philosophical dimension, a new world- view—and it has been formulating its own message ever since.

Christian Wildhagen Translation: David Ingram

Jörg Widmann: „Con brio“ Auszug aus dem Autograph Jörg Widmann: “Con brio” Excerpt from the autograph 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 24

REFLECTIONS: sich heraus, dass es genau diese oder jene Symphonie von Beethoven war, die in den damals noch sehr jungen Menschen den Wunsch aufkommen ließ, selbst DIE AUFTRAGSKOMPOSITIONEN ZU BEETHOVENS SYMPHONIEN Musik zu schreiben. So gestand etwa der Österreicher Johannes Maria Staud: Hier wurde ein Akzent gesetzt, ein Programmpunkt, der klassische Symphonie- „Die Erste Symphonie ist wahrscheinlich das Stück, weswegen ich überhaupt konzerte in Richtung konzeptueller Programmgestaltung erweitert: Mariss komponiere. Ich hörte sie, als ich acht oder neun Jahre alt war. Sie ist wahn- Jansons, Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, sinnig toll orchestriert, sie hat eine unglaubliche Dynamik.“ Auch die litauische vergab an zeitgenössische Komponisten Aufträge für jeweils ein ca. zehnminüti- Komponistin Raminta Šerkšnyte˙ beschrieb ein einschneidendes Erlebnis mit ges Werk, das sich formell, ideell oder durch das verwendete Material auf eine der ihr zugedachten Symphonie: „Als ich zehn oder elf Jahre alt war, besuchte spezielle Symphonie von Ludwig van Beethoven beziehen sollte. (In zwei Fällen ich ein Konzert, in dem ausgerechnet Beethovens Fünfte Symphonie gespielt gab es zwei Referenzwerke, die Vierte Symphonie blieb unbesetzt). Diese kurzen wurde. Keine Musik hatte bislang diesen Eindruck vermittelt, so kraftvoll zu sein, Orchesterstücke waren als einleitende Geste gedacht oder als moderne Nach- ich befand mich in einer Art Trance. Seitdem ist und bleibt Orchestermusik für lese der Aufführung der betreffenden Symphonien im Konzertsaal. mich die am meisten faszinierende Musikform – mit ihrer verbindenden Kraft, So unterschiedlich die sechs Autorinnen und Autoren in Bezug auf Alter, dass alle Zuhörer dieselben Gefühle empfinden und zu einer Gemeinschaft zu- Herkunft und kompositionstechnische Ausrichtung auch sind – sie alle vereint sammenwachsen können, das ist das größte Geheimnis dieser Musik.“ eine ehrliche Bewunderung ihrer berühmten Vorgänger. Wer im 21. Jahrhundert Die in Paris lebende japanische Komponistin Misato Mochizuki hat acht mar- komponiert, kennt die großen Meister sehr genau und setzt sich intensiv mit kante Wechselnoten aus dem Schluss des letzten Satzes der Zweiten Symphonie ihnen auseinander. Der Münchner Komponist Jörg Widmann beschrieb dieses zum Ausgangsmaterial ihrer Arbeit „Nirai“ erkoren: „Was mich reizte, war die Gefühl folgendermaßen: „Ich arbeite lustvoll mit der Musikgeschichte, um daraus Tatsache, dass es sich um eine kleine Sekunde handelt – das Intervall, das in wieder etwas Neues zu machen. Da sehe ich mich ganz in der Tradition von der zeitgenössischen Musik bevorzugt verwendet wird.“ Als Fuge beginnend, Arnold Schönberg, der ja nur aus der tiefsten Kenntnis der Musikgeschichte entwickelt sich dieses kurze Intermezzo, das im Konzert zwischen der Zweiten heraus das Tonsystem revolutionieren konnte. Dieses Selbstverständnis ist mir und der Sechsten Symphonie erklang, in sehr freier, „pastoraler“ Form. In der sehr nah – nämlich weiter zu gehen aus einer Liebe zu etwas.“ locker gewebten Partitur fallen vor allem unterschiedlichste Arten von Glissandi Alle sechs Komponisten – sie stammen aus Deutschland, Russland, Litauen, und Vierteltonbewegungen auf. Dazu die Komponistin: „Der Grund, warum ich Österreich, Georgien und Japan – hatten bei diesem Auftrag sofort begeistert zu- diese Dinge verwendet habe, ist, dass sie sehr gut erkennbar sind. Wieso kann gesagt, so als empfänden sie es als Befreiungsschlag, sich endlich „offiziell“ mit man bei einem Sonatenhauptsatz die beiden Themen so leicht ausmachen? einem Klassiker auseinandersetzen zu dürfen. Und in nicht wenigen Fällen stellte Weil sie von so unterschiedlicher Charakteristik sind. Aber es gibt noch einen 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 26

weiteren Grund: Beethoven hat keine Glissandi verwendet, sie sind – zusammen Referenzpartitur – deshalb ist „Dixi“ von Giya Kancheli, das in Zusammenhang mit Mikrotönen – der Kontext der Gegenwartsmusik.“ mit Beethovens Neunter steht, für Symphonieorchester und gemischten Chor Eine derart konkrete Annäherung an die Aufgabenstellung war die Ausnahme. geschrieben. Die Sängerinnen und Sänger haben Textfragmente auf Lateinisch Raminta Šerkšnyte˙ zum Beispiel war wegen der gewünschten Bezugnahme zur zu singen, kurze religiöse und weltliche Slogans, wie etwa „ora et labora“ oder Beethoven’schen Musik zunächst irritiert, denn musikalische Zitate oder Hom- „stabat mater dolorosa“. magen waren ihrer Musik bis dahin fremd. „Ich saß am Klavier und improvisierte. Johannes Maria Staud wählte – wie die Mehrheit seiner Kollegen – eine zwei- Als ausgebildete Pianistin bin ich es gewöhnt, musikalische Ideen beim Improvi- teilige Anlage für sein Stück „Maniai“ (griechischer Name für die drei Furien) und sieren zu finden und auszuprobieren. Zufällig spielte ich Motive aus Beethovens bezeichnete den ersten Teil mit furioso und den zweiten mit grazioso. Dazu der Fünfter Symphonie, und ich veränderte das berühmte Anfangsmotiv („g-g-g-es“), Komponist: „Ich habe Beethoven auch insofern ernst genommen, als ich diese indem ich es in einem anderen Rhythmus spielte und viel schneller. Dabei merkte absolute Zartheit neben der absoluten Wildheit, wie sie keiner vor ihm und auch ich, dass es fantastisches musikalisches Material ist. Ich veränderte die Intonation keiner nach ihm so darstellen konnte, probieren wollte.“ und stelle es in einen repetitiven Kontext – und auf einmal war mir klar, was ich Für einige der sechs Komponistinnen und Komponisten war die beginnende wollte.“ Im Gegensatz zu ihren Kollegen entschied sich Raminta Šerkšnyte˙ für die und fortschreitende Taubheit Beethovens von zentraler Bedeutung. So sind die direkte Einbeziehung von Zitaten. Darüber hinaus arbeitete sie aber auch mit As- neuen Spieltechniken, die Raminta Šerkšnyte˙ im zweiten Teil ihres Werkes ver- soziationen von Feuer und Kraft – die beiden Sätze, aus denen ihre Komposition langt, darin begründet: „Ich stellte mir verschiedene seltsame Geräusche vor, „Fires“ besteht, sind überschrieben mit misterioso und mit con brio. die man hört, wenn man anfängt, nichts mehr zu hören.“ Zum alles bestimmenden Feuer, Wildheit, Raserei – diese Bilder hatten auch andere Komponisten vor Element aber wurde die Taubheit für den russischen Komponisten Rodion Shche- Augen. So gab Jörg Widmann seiner Arbeit den Titel „Con brio“, einer von Beet- drin. Obwohl er als Bezug die Dritte Symphonie wählte, gingen seine Assoziationen hoven bevorzugt verwendeten Vortragsbezeichnung. Doch obwohl Widmann weit über das „Eroische“ dieses Werkes hinaus: Shchedrin legte seiner Kom- keine einzige Note zitiert, gibt es etliche konkrete Analogien zu den Symphonien position „Beethovens Heiligenstädter Testament“ zugrunde. Dieses berühmt- Sieben und Acht: „Mein Beethoven-Bezug beginnt bereits mit der Besetzung, denn berührende Dokument, das als Inbegriff des Leidens eines Künstlers gilt, der von die ist bei diesen Symphonien besonders. Es gibt dort keine vier Hörner oder Po- seiner Umwelt nicht verstanden wird, gibt dem Hörer gleichsam eine Anleitung, saunen wie etwa in der Neunten Symphonie. Nein, er macht diesen unglaublichen wie man der suggestiven Musik Shchedrins am besten folgen kann. Gemäß ‚Lärm’ mit nur zwei Hörnern, zwei Trompeten und Pauken. Meiner Ansicht nach Beethovens künstlerischer Devise formulierte auch Rodion Shchedrin den entfacht er diesen musikalischen Furor gerade, weil er diese reduzierte Besetzung Hauptgedanken seiner musikalischen Botschaft: „Von der Finsternis zum Licht!“ hat.“ In der Besetzung orientierten sich alle Projektteilnehmer an derjenigen ihrer Sibylle Kayser 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 28

REFLECTIONS: THE WORKS COMMISSIONED FOR BEETHOVEN’S SYMPHONIES Here, an item on the concert programme pointedly shifted classical symphony performances closer towards conceptual programme design. Mariss Jansons, Chief Conductor of the Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, com- missioned six contemporary composers to each write a work lasting approximately ten minutes, the requirement being that it should refer to a particular symphony by Ludwig van Beethoven in terms of its form, its concept or the material used. (In two cases, there are two reference works, the Fourth Symphony was left out). These short orchestral pieces were intended as an introductory gesture, or as a modern afterthought on the performance of the relevant symphonies in the concert hall. As different as the six authors are in terms of age, origin and compositional style, they all share a deep admiration for their famous musical predecessors. Anyone composing in the 21st century has an intimate knowledge of the great masters and is deeply involved with them. The Munich-based composer Jörg Widmann described this feeling as follows: “I delight in working with music history, in order to turn it into something new. Here I see myself very much in the tradition of , who was of course only able to revolutionize the tonal system because of his profound knowledge of the history of music. It’s an attitude that is very close to my own heart – that is, making progress based on the fact that one loves something.” All six composers – they come from Germany, Russia, , , Georgia and Japan – agreed to the commission straight away, and most enthu- Johannes Maria Staud: „Maniai“ Auszug aus dem Autograph Johannes Maria Staud: “Maniai” Excerpt from the autograph siastically. It was almost as if the chance to finally deal with a classic “officially” 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 30

gave them a sense of liberation. And in quite a few cases it transpired that it had for instance, was initially confused by the desired reference to Beethoven’s indeed been this or that symphony by Beethoven which had inspired the com- music, because musical quotations or tributes had hitherto been alien to her posers at a very young age to write music themselves. The Austrian composer work. “I sat at the piano and improvised. As a trained pianist, I’m accustomed to Johannes Maria Staud, for instance, admitted: “The First Symphony is probably finding musical ideas during improvisation and trying them out. Coincidentally the reason why I compose at all. I heard it when I was eight or nine years old. I played motifs from Beethoven’s Fifth Symphony, and I changed the famous The First is incredibly well orchestrated, it has amazing momentum.” And re- opening motif (“GGG-E flat”) by playing it in a different rhythm and a lot faster. ferring to ‘her’ symphony, Lithuanian composer Raminta Šerkšnyte˙ described And I realized that it's fantastic musical material. I changed the intonation and a dramatic experience: “When I was ten or eleven years old, I attended a concert, placed it in a repetitive context – and immediately knew what I wanted.” Unlike and they played Beethoven’s Fifth Symphony. No music had ever made such a her colleagues, Raminta Šerkšnyte˙ decided on the direct use of musical quota- powerful impression on me, and I was in a kind of trance. Ever since then, or- tion, but also worked with associations of fire and power: The two movements chestral music has remained for me the most fascinating musical genre, with its of her composition “Fires” are marked misterioso and con brio. power to connect, so that all who hear it feel the same feelings, and can grow Fire, ferocity, rage – these were images also envisioned by other composers. together to form a community – that is the greatest mystery of this music.” Jörg Widmann, for example, entitled his work “Con Brio”, one of Beethoven’s Japanese composer Misato Mochizuki, who lives in Paris, chose eight noti- favourite markings. Even though Widmann does not cite a single note, there are ceable changed notes from the end of the last movement of the Second Sym- numerous specific analogies to Symphonies Seven and Eight: “My reference to phony as the source material for her work “Nirai”: “What attracted me was the Beethoven begins with the scoring, because in these symphonies it is special. fact that it involves a minor second – the interval favoured in contemporary There are no four horns or trombones here, as in the Ninth Symphony. No, he music.” Starting as a fugue, this brief intermezzo that can be heard in the concert makes that incredible ‘noise’ with just two horns, two trumpets and timpani. In between the Second and the Sixth Symphony develops in a very free, “pastoral” my view, the reduced scoring is the very reason why he unleashes such musical form. Most noticeable in the loosely-woven score are all kinds of glissandi and fury in the first place.” All the project participants based their scoring on that quarter-tone movements. The composer explains: “The reason I have used these of the respective reference work, which is why “Dixi” by Giya Kancheli, which things is that they are very easily recognizable. Why can the two themes of a sonata relates to Beethoven’s Ninth Symphony, is written for orchestra and mixed cho- be detected so easily? Because they have such different characteristics. But rus. The singers have to sing Latin text fragments – brief religious and secular there is a further reason: Beethoven used no glissandi. Together with micro-tones, slogans such as “ora et labora” or “stabat mater dolorosa”. they are part of the context of contemporary music.” Johannes Maria Staud – like the majority of his colleagues – chose a two- Such a concrete approach to the task was an exception. Raminta Šerkšnyte˙, part system for his piece “Maniai” (the Greek name for the Three Furies), marking 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 32

the first part furioso and the second grazioso. The composer explains: “I’ve also taken Beethoven seriously insofar as I wanted to try out that juxtaposition of absolute delicacy with absolute wildness, which no-one before or after him has ever managed to convey so effectively.” For some of the six composers, the onset of Beethoven’s progressive deafness was of central importance. It was also the reason for the new playing techniques required by Raminta Šerkšnyte˙ in the second part of her work: “I imagined various strange noises that you begin to hear when your hearing starts to fail.” For the Russian composer Rodion Shchedrin, however, Beethoven’s deafness became the all-determining element. Although he selected the Third Symphony as his reference work, his associations went far beyond the work’s “heroic” aspects: Shchedrin entitled his composition “Beethoven’s Heiligenstadt Testament”. This famous and moving document, which ranks as the epitome of an artist’s suffering when he remains misunderstood by those around him, is also a useful guide on how best to follow Rodion Shchedrin’s evocative music. Shchedrin formulated the main idea of his musical message in true Beethovenian style: “From Darkness into Light!” Sibylle Kayser Translation: David Ingram 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 34

Ein häufiges Merkmal in Kanchelis Werken sind krasse dynamische Gegensätze – Fortissimo-Explosionen inmitten leiser, melodiedurchwebter Klangfelder. Die dadurch entstehende Spannung kann auch als Spiegel der angsterfüllten Atmosphäre gedeutet werden, in der Giya Kancheli während der stalinistischen Ära aufgewachsen ist. Ein wichtiger Bezugspunkt für seine Klangsprache sind die archaischen polyphonen Lieder der folkloristischen Gesangstradition in Georgien, die er allerdings nie direkt zitiert. Einen zentralen Werkzyklus bilden seine sieben Symphonien, die zwischen 1967 und 1986 entstanden. 1984 wurde seine einzige Oper Music for the Living am Paliashvili- Theater in Tiflis uraufgeführt. Giya Kancheli wurde 1935 in Tiflis, Georgien, geboren. Nach seinem Studium am dortigen Konservatorium bestritt er seinen Lebensunterhalt als Komponist vor allem mit Film- und Bühnenmusik. 1991 übersiedelte Kancheli nach Berlin. 1995 wurde er Composer in Residence beim Royal Flemish Philharmonic Orchestra und zog nach Antwerpen, wo er seither lebt. Stark dynamic contrasts are a frequent feature in Kancheli's works: fortissimo explosions within quieter sound fields that are interwoven with melody. The tension resulting from this can be interpreted as mirroring the fearful atmosphere in which Giya Kancheli grew up during the Stalinist era. The archaic, polyphonic songs from Georgian folk tradition are an important point of reference for his musical language, although he never quotes from them directly. His seven symphonies, written between 1967 and 1986, form a central cycle of works. In 1984 his only , Music for the Living, premiered at the Paliashvili Theatre in Tbilisi. Giya Kancheli was born in 1935 in Tbilisi, Georgia. After graduating from the Tbilisi Conservatory he earned his living as a composer, primarily with film and stage music. In 1991 Kancheli moved to Berlin. In 1995 he was composer-in-residence at the Royal Flemish Philharmonic and moved to Antwerp, where he has lived ever since. GIYA KANCHELI *1935 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 36

In Misato Mochizukis Werk begegnen sich europäische Avantgarde und der Geist traditioneller japanischer Kultur. Ihr Stil zeichnet sich durch formale Freiheit und klangliche Transparenz aus. Häufig bilden klare rhythmische Strukturen das Rückgrat schillernder Klanggebilde. Misato Mochizuki wurde 1969 in Tokio geboren. Sie absol- vierte ein Kompositions- und Klavierstudium an der Tokyo National University of Fine Arts and Music und übersiedelte 1992 nach Paris, wo sie am Conservatoire National bei Paul Méfano und Emmanuel Nunes studierte. Eine Ausbildung am Pariser IRCAM in Komposition und Musikinformatik bei Tristan Murail rundete ihre Studienzeit ab. Ihr Werkkatalog umfasst über 50 Kompositionen, darunter Kammermusik, symphonische Musik, Filmmusiken und eine Kammeroper (Die große Bäckereiattacke, nach einer Kurz- geschichte von Haruki Murakami). Misato Mochizuki hält eine Professur für Kunst- und Kulturgeschichte an der Meiji Gakuin Universität in Tokio. In der Saison 2012/2013 ist sie Composer in Residence beim Festival de musique de Besançon. Misato Mochizuki’s work is where European avant-garde and the spirit of traditional Japanese culture meet. Her style is characterized by formal freedom and a transparency of sound. Clear rhythmic structures frequently form the backbone of shimmering soundscapes. Misato Mochizuki was born in Tokyo in 1969. She graduated in composi- tion and piano studies at the Tokyo National University of Fine Arts and Music and moved in 1992 to Paris, where she studied with Paul Méfano and Emmanuel Nunes at the Conservatoire National. A course in composition and computer music at the IRCAM in Paris with Tristan Murail rounded off her studies. The catalogue of her works includes over 50 compositions, including chamber music, symphonic music, film scores and a chamber opera (The Great Bakery Attack, based on a short story by Haruki Murakami). Misato Mochizuki holds a professorship for art and cultural history at Meiji Gakuin University in Tokyo. In the 2012/2013 season, she is composer-in-residence at the Festival de Musique de Besançon. MISATO MOCHIZUKI *1969 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 38

Orchestermusik steht im Zentrum des Schaffens der litauischen Komponistin Raminta Šerkšnyte· . Das Orchester eröffnet der Komponistin, deren Stil neoimpres- sionistische Züge trägt, einen unerschöpflichen Reichtum an Klangfarben, die sie in hochvirtuosen, strukturell streng gefassten Kompositionen verdichtet. Raminta Šerkšnyte· wurde 1975 in Kaunas, Litauen, geboren. Ihre frühe Ausbildung absolvierte sie am Musikgymnasium ihrer Heimatstadt mit den Schwerpunktfächern Klavier, Musiktheorie und Komposition. Anschließend nahm sie ein Kompositionsstudium bei Osvaldas Balakauskas an der Litauischen Akademie für Musik und Theater in Vilnius auf, das sie im Jahr 2000 abschloss. Weitere Anregungen erhielt sie von bedeutenden zeitgenössischen Komponisten wie , Helmut Lachen- mann und Pascal Dusapin. Ihre Werke werden weltweit bei großen Festivals für Neue Musik aufgeführt, wie z. B. den ISCM World New Music Days, der Gaudeamus Music Week Amsterdam, den Klangspuren Schwaz, dem Vilnius Festival und dem Gaida Festival. Orchestral music is central to the work of the Lithuanian composer Raminta Šerkšnyte· . The orchestra gives her neo-impressionist style an inexhaustible wealth of tonal colours, which she condenses into highly virtuosic and stringently structured compositions. Raminta Šerkšnyte· was born in 1975 in Kaunas, Lithuania. She com- pleted her early education at the music school in her home town, majoring in piano, music theory and composition. She then went on to study composition with Osvaldas Balakauskas at the Lithuanian Academy for Music and Theatre in Vilnius, where she graduated in 2000. She was further influenced by leading contemporary composers such as Louis Andriessen, Helmut Lachenmann, Pascal Dusapin, and others. Her works are performed worldwide at major New Music festivals such as the ISCM World New Music Days, Gaudeamus Music Week Amsterdam, the Tyrolean Klang- spuren Festival, the Vilnius Festival and the Gaida Festival. • RAMINTA ŠERKŠNYTE *1975 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 40

Sein bis heute populärstes Werk ist die Carmen-Suite von 1967. Der Erfolg dieses Neuarrangements nach Bizets gleichnamiger Oper überblendet jedoch die wahren Qualitäten des hochoriginellen Komponisten Rodion Shchedrin, dem es gelang, einen allgemein verständlichen, jedoch avantgardistische Techniken durchaus einbezie- henden Personalstil zu entwickeln. 1932 in Moskau geboren, studierte Shchedrin am Moskauer Konservatorium Komposition bei Yuri Schaporin und Klavier bei Jakow Flier. 1964 übernahm er hier selbst eine Professur für Komposition, 1973 wurde er Präsident des russischen Komponistenverbands. Das Œuvre des äußerst produktiven Komponisten umfasst sämtliche Werkgattungen von Kammermusik über symphoni- sche Werke und Vokalmusik bis hin zu Oper, Ballett- und Filmmusik. 2007 wurde Shchedrin mit dem russischen „Orden für Verdienste um das Vaterland 2. Klasse“ ausgezeichnet. Der Komponist, der heute Wohnsitze in München und Moskau hat, ist mit der langjährigen Primaballerina des Bolshoi-Theaters, Maya Plisetskaya, verheiratet.

His most popular work to date is the Carmen Suite of 1967. However, the success of this new arrangement based on Bizet’s opera obscures the true qualities of the highly original composer Rodion Shchedrin: He has succeeded in developing a per- sonal style that is generally intelligible while including several avant-garde techni- ques. Born in Moscow in 1932, Shchedrin studied composition at the Moscow Conservatory with Yuri Shaporin and piano with Yakov Flier. In 1964 he himself be- came a professor of composition there, and in 1973 became President of the Russian Composers' Association. The oeuvre of this exceptionally prolific composer covers all genres, from chamber music, vocal music and symphonic works to opera, ballet and film music. In 2007 Shchedrin was awarded the Russian “Order of Merit for Services to the Fatherland 2nd Class”. The composer, who today lives in Munich and Moscow, is married to Maya Plisetskaya, longstanding prima ballerina of the RODION SHCHEDRIN *1932 Bolshoi Theatre . 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 42

Jede seiner Kompositionen birgt neue Erfahrungen und Überraschungen – der österreichische Komponist Johannes Maria Staud ist stets versucht, in jedem seiner Werke neue Klangwelten für sich zu erobern. Ideen aus Literatur, Film und bildender Kunst geben oftmals den Anstoß zu seinen komplexen, bis ins feinste Detail minutiös bezeichneten Partituren. Johannes Maria Staud wurde 1974 in Innsbruck geboren. Er studierte Komposition an der Musikhochschule Wien bei , Dieter Kaufmann und Iván Eröd sowie an der Berliner Hochschule für Musik bei Hanspeter Kyburz. Weitere Studien absolvierte er u.a. in Meisterkursen bei und Alois Pinˇos. Werke von Johannes Maria Staud wurden u.a. von den Berliner und Wiener Philharmonikern, vom Cleveland Orchestra, vom NHK Symphony Orchestra Tokyo und von den Symphonieorchestern des BR, NDR, SWR und WDR aufgeführt. In der Saison 2010/2011 war er Capell-Compositeur der Staatskapelle Dresden. Staud ist Mitbegründer der Wiener Komponistengruppe „Gegenklang“. Each of his compositions brings new experiences and surprises – in each of his works the Austrian composer Johannes Maria Staud is always trying to conquer new worlds of sound. Ideas from literature, film and the fine arts frequently inspire his complex, minutely detailed scores. Johannes Maria Staud was born in 1974 in Innsbruck. He studied composition at the Vienna Music Academy with Michael Jarrell, Dieter Kaufmann and Iván Eröd, and at the Berlin Hochschule für Musik Hanns Eisler with Hanspeter Kyburz. Further studies included master classes with Brian Ferney- hough and Alois Pinˇos. Works by Johannes Maria Staud have been performed by the Berlin and , the Cleveland Orchestra, the NHK Symphony Or- chestra Tokyo and the symphony orchestras of the BR, NDR, SWR and WDR. In the 2010/2011 season he was Capell-Compositeur at the Staatskapelle Dresden. Staud is co-founder of the Viennese composer group “Gegenklang”. JOHANNES MARIA STAUD *1974 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 44

Jörg Widmann verfolgt eine außergewöhnliche Doppel-Karriere: Er ist ein interna- tional hoch geschätzter Klarinettist und gleichzeitig einer der führenden deutschen Kom- ponisten der jüngeren Generation. Der 1973 in München geborene Widmann studierte Klarinette an der Münchner Hochschule für Musik und Theater und an der Juilliard School New York. Zu seinen Kompositionslehrern zählen Wilfried Hiller, Hans Werner Henze, Heiner Goebbels und Wolfgang Rihm. Jörg Widmanns kompositorisches Werk erstreckt sich über verschiedene Genres. Im Zentrum seines Kammermusik-Œuvres steht ein Zyklus von fünf Streichquartetten. Auf dem Gebiet des Musiktheaters ist Wid- mann bisher mit drei großen Bühnenwerken hervorgetreten (, Am Anfang und zuletzt , 2012 an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt). Einen Höhepunkt in seinem symphonischen Schaffen markiert das Jahr 2007, in dem zwei Uraufführungen stattfanden: das Violinkonzert mit dem Solisten Christian Tetzlaff sowie das Orchesterstück Armonica mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von . Jörg Widmann hat eine Professur für Klarinette und eine zusätzliche Professur für Komposition an der Hochschule für Musik Freiburg inne. Jörg Widmann has an unusual “double career”: He is an internationally acclaimed clarinetist and also one of the leading German composers of the younger generation. Born in Munich in 1973, Widmann studied clarinet at the Munich Academy of Music and Drama and at New York's Juilliard School. His composition teachers include Wilfried Hiller, Hans Werner Henze, Heiner Goebbels and Wolfgang Rihm. Jörg Widmann’s com- positional work spans several genres. At the centre of his chamber music oeuvre is a cycle of five string quartets. In the field of musical theatre, Widmann has so far been represented by three major stage works (Das Gesicht in Spiegel/The Face in the Mirror, Am Anfang/At the Beginning and, most recently, Babylon, which premiered in 2012 at the ). The year 2007 marked a high point in his symphonic work, with the premiere of his Violin with soloist Christian Tetzlaff as well as the premiere of his orchestral work Armonica with the Vienna Philharmonic under the direction of Pierre Boulez. Jörg Widmann holds a clarinet professorship and also a JÖRG WIDMANN *1973 composition professorship at the Hochschule für Musik, Freiburg. 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 46

MARISS JANSONS MARISS JANSONS Mariss Jansons wurde 1943 in Riga als Sohn des Dirigenten Arvid Jansons geboren. Mariss Jansons, son of conductor Arvid Jansons, was born in Riga in 1943. He Er studierte am Leningrader Konservatorium die Fächer Violine, Klavier und Dirigieren studied violin, piano, and conducting at the Leningrad Conservatory, completing his und vervollständigte seine Ausbildung als Schüler von Hans Swarowsky in Wien und education as a student of Hans Swarowsky in Vienna and of Herbert von Karajan in Herbert von Karajan in Salzburg. 1971 wurde er Preisträger beim Karajan-Wett- Salzburg. In 1971 he became a laureate of the Karajan Competition in Berlin and began bewerb in Berlin und begann seine enge Zusammenarbeit mit den heutigen St. Pe- his close partnership with the St. Petersburg Philharmonic, first as an assistant to tersburger Philharmonikern, zunächst als Assistent von Jewgenij Mrawinskij, später Jewgenij Mrawinskij and then as a permanent conductor. From 1979 to 2000 Jansons als ständiger Dirigent. served as Music Director of the Oslo Philharmonic Orchestra. Under his tenure, the Von 1979 bis 2000 stand Mariss Jansons dem Philharmonischen Orchester Oslo orchestra earned international acclaim and undertook tours to leading concert halls als Musikdirektor vor: Unter seiner Ägide erwarb sich das Orchester internationales around the world. Renommee und gastierte in den bedeutendsten Konzerthäusern der Welt. Von 1997 bis Between 1997 and 2004 he was Principal Conductor of the Pittsburgh Symphony 2004 leitete er das Pittsburgh Symphony Orchestra, zur Spielzeit 2003/2004 wurde Orchestra, and in the 2003-2004 season he took over leadership of the Bavarian Radio er Chefdirigent von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, und mit Symphony Orchestra; he began his tenure as head of the Royal Concertgebouw der Saison 2004/2005 begann zudem seine Amtszeit beim Koninklijk Concertgebouw- Orchestra in the 2004-2005 season. Jansons is guest conductor of the Berlin and orkest Amsterdam. Als Gastdirigent arbeitet Mariss Jansons u.a. mit den Berliner und Vienna Philharmonics (leading the latter’s 2006 and 2012 New Year’s concerts); he Wiener Philharmonikern, deren Neujahrskonzert er in den Jahren 2006 und 2012 leitete; has additionally conducted the leading orchestras in the U.S. and Europe. außerdem dirigierte er die führenden Orchester in den USA und Europa. His discography comprises many prizewinning recordings, including a Grammy Seine Diskographie umfasst viele preisgekrönte Aufnahmen, darunter die mit for his account of Shostakovich’s Symphony No. 13. Mariss Jansons is an honorary dem Grammy ausgezeichnete 13. Symphonie von Schostakowitsch. Mariss Jansons member of the Society of Friends of Music in Vienna and of the Royal Academy of ist Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und der Royal Academy Music in London; the has honored him with the Hans-von-Bülow of Music in London. Die Berliner Philharmoniker würdigten ihn mit der Hans-von- Medal, the City of Vienna with the Golden Medal of Honor, and the State of Austria Bülow-Medaille, die Stadt Wien überreichte ihm das Goldene Ehrenzeichen, der Staat with the Honorary Cross for Science and Arts. Österreich das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, und 2010 wurde ihm der In 2006 Cannes MIDEM named him Artist of the Year, and he received the ECHO Bayerische Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft verliehen. Klassik Award in 2007 and 2008. In June 2013, for his life’s work as a conductor, he 2006 wurde er auf der MIDEM in Cannes zum „Artist of the Year“ gewählt, 2007 was awarded the prestigious Ernst von Siemens Music Prize. und 2008 erhielt er den ECHO Klassik. Für sein dirigentisches Lebenswerk wurde ihm im Juni 2013 der renommierte Ernst von Siemens Musikpreis verliehen. 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 48

SYMPHONIEORCHESTER SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS Schon bald nach seiner Gründung 1949 entwickelte sich das Symphonieorchester des Not long after it was established in 1949, the Symphonieorchester des Bayerischen Bayerischen Rundfunks zu einem international renommierten Orchester. Besonders Rundfunks (Bavarian Radio Symphony Orchestra) developed into an internationally die Pflege der Neuen Musik hat eine lange Tradition, so gehören die Auftritte im Rah- renowned orchestra. The performance of new music enjoys an especially long tra - men der 1945 von Karl Amadeus Hartmann gegründeten „musica viva” von Beginn an dition, and right from the beginning, appearances in the “musica viva” series, created zu den zentralen Aufgaben des Orchesters. Auf ausgedehnten Konzertreisen durch by composer Karl Amadeus Hartmann in 1945, have ranked among the orchestra’s core nahezu alle europäischen Länder, nach Asien sowie nach Nord- und Südamerika be- activities. On extensive concert tours to virtually every country in Europe, to Asia as weist das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks immer wieder seine Po- well as to North and South America, the Symphonieorchester des Bayerischen Rund- sition in der ersten Reihe der internationalen Spitzenorchester. Die Geschichte des funks continually confirms its position in the first rank of top international orchestras. Symphonieorchesters verbindet sich auf das Engste mit den Namen der bisherigen The history of the Symphonieorchester is closely linked with the names of its previous Chefdirigenten: Eugen Jochum (1949–1960), Rafael Kubelík (1961–1979), Sir Colin Davis Chief Conductors: Eugen Jochum (1949–1960), Rafael Kubelík (1961–1979), Sir Colin (1983–1992) und Lorin Maazel (1993–2002). 2003 trat Mariss Jansons sein Amt als Davis (1983–1992) and Lorin Maazel (1993–2002). In 2003, Mariss Jansons assumed Chefdirigent an. Mit zahlreichen CD-Veröffentlichungen, u.a. einer Reihe von Live-Mit- his post as new Chief Conductor. With a number of CD releases, among others a series schnitten der Münchner Konzerte, führt Mariss Jansons die umfangreiche Diskographie of live recordings of concerts in Munich, Mariss Jansons continues the orchestra’s des Orchesters fort. Ihre Einspielung der 13. Symphonie von Schostakowitsch wurde extensive discography. Maestro Jansons, the Chor and Symphonieorchester des im Februar 2006 mit dem Grammy (Kategorie „Beste Orchesterdarbietung“) ausge- Bayerischen Rundfunks were honored for their recording of the 13th Symphony by zeichnet. Im Dezember 2008 wurde das Symphonieorchester des Bayerischen Rund- Shostakovich when they were awarded a Grammy in February of 2006 in the “Best funks bei einer Kritiker-Umfrage der britischen Musikzeitschrift Gramophone zu den Orchestral Performance” category. In December, 2008, a survey conducted by the zehn besten Orchestern der Welt gezählt. 2010 erhielten Mariss Jansons und das Sym- British music magazine Gramophone listed the Symphonieorchester des Bayerischen phonieorchester des Bayerischen Rundfunks einen ECHO Klassik in der Kategorie „Or- Rundfunks among the ten best orchestras in the world. In 2010, Mariss Jansons and chester/Ensemble des Jahres” für die Einspielung von Bruckners 7. Symphonie bei the Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks received an ECHO Klassik Award BR-KLASSIK. Der Zyklus aller Beethoven-Symphonien, den das Symphonieorchester in the category “Orchestra/ Ensemble of the Year” for their recording of Bruckner’s unter der Leitung von Mariss Jansons im Herbst 2012 in Tokio gespielt hat, wurde vom 7th Symphony on BR-KLASSIK. The complete Beethoven symphonies, performed by Music Pen Club Japan, der Vereinigung japanischer Musikjournalisten, zu den besten the Symphonieorchester under Mariss Jansons in Tokyo in the autumn of 2012, were Konzerten ausländischer Künstler in Japan im Jahr 2012 gewählt. voted by the Music Pen Club Japan - the organisation of Japanese music journalists - as the best concerts by foreign artists in Japan in 2012. 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 50

ODE „AN DIE FREUDE“ ODE “TO JOY” FRIEDRICH SCHILLER FRIEDRICH SCHILLER

O Freunde, nicht diese Töne! Küsse gab sie uns und Reben, O friends, no more these sounds! She gave us kisses and the fruit of the vine, Sondern lasst uns angenehmere anstimmen Einen Freund, geprüft im Tod; Let us sing more cheerful songs, A tried friend to the end. Und freudenvollere! Wollust ward dem Wurm gegeben, more full of joy! Even the worm can feel contentment, Und der Cherub steht vor Gott. And the cherub stands before God! Freude, schöner Götterfunken, Joy, bright spark of divinity, Tochter aus Elysium, Froh, wie seine Sonnen fliegen Daughter of Elysium, Gladly, like the heavenly bodies Wir betreten feuertrunken, Durch des Himmels prächt’gen Plan, Fire-inspired we tread Which He set on their courses Himmlische, dein Heiligtum. Laufet, Brüder, eure Bahn, Thy sanctuary. Through the splendour of the firmament; Freudig wie ein Held zum Siegen. Thus, brothers, you should run your race, Deine Zauber binden wieder, Thy magic power reunites, As a hero going to conquest. Was die Mode streng geteilt; Freude, schöner Götterfunken… All that custom has divided, Alle Menschen werden Brüder, All men become brothers Joy, bright spark of divinity ... Seid umschlungen, Millionen! Wo dein sanfter Flügel weilt. Under the sway of thy gentle wings. Diesen Kuss der ganzen Welt! You millions, I embrace you. Wem der große Wurf gelungen, Brüder, über’m Sternenzelt Whoever has created This kiss is for all the world! Eines Freundes Freund zu sein, Muss ein lieber Vater wohnen. An abiding friendship, Brothers, above the starry canopy Wer ein holdes Weib errungen, Or has won There must dwell a loving Father. Ihr stürzt nieder, Millionen? Mische seinen Jubel ein! A true and loving wife, Ahnest du den Schöpfer, Welt? Do you fall in worship, you millions? Ja, wer auch nur eine Seele Such’ ihn über’m Sternenzelt! All who can all at least one soul theirs, World, do you know your Creator? Sein nennt auf dem Erdenrund! Über Sternen muss er wohnen. Join in our song of praise; Seek Him in the heavens! Und wer’s nie gekonnt, der stehle But any who cannot, must creep tearfully Above the stars must He dwell. Seid umschlungen… Weinend sich aus diesem Bund! Away from our circle. You millions, I embrace you… Freude, schöner Götterfunken… Freude trinken alle Wesen All creatures drink of joy Joy, bright spark of divinity… An den Brüsten der Natur; At Nature’s breast; Alle Guten, alle Bösen Just and unjust Folgen ihrer Rosenspur. Alike tast of her gift. 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 52

„DIXI“

GIYA KANCHELI Mortuos plango Ich beweine die Toten I lament the dead Ad se ipsum Zu sich selbst To oneself Ars est celare artem Wahre Kunst verbirgt ihre Kunst True art conceals its art Canimus surdis Wir singen für Taube We sing for deaf people Vox clamantis in deserto Die Stimme des Rufers in der Wüste A voice crying in the wilderness Durum patientia frango Härte breche ich mit Geduld I use patience to break that which is hard Ede, bibe, lude Iss, trink und erfreue dich Eat, drink, play Salve, sancta simplicitas Sei gegrüßt, du heilige Einfalt Hail, holy simplicity Per aspera Durch Mühsal Through hardships Qualis rex, talis grex Wie der Herr, so der Knecht Like master, like servant Stabat mater dolorosa Christi Mutter stand mit Schmerzen Grieving Mary stood Sine ira et studio Ohne Zorn und Eifer Without hate and zealousness Vitam impendere vero Das Leben dem Wahren weihen To devote one's life to the truth Ora et labora Bete und arbeite Pray and work Et alleluia, re vera veritas Und alleluja, wahrhaftig die Wahrheit And Alleluia, truly the truth Et feci Und ich habe es getan And I did it Dictum, factum – Kakhidze Gesagt, getan – Kakhidze Said and done - Kakhidze Lux in tenebris, Das Licht im Dunkeln, The light in the darkness lux ex tenebris das Licht aus dem Dunkeln the light from the darkness Via sacra Heilige Straße Sacred road Omnes una manet nox Alle erwartet ein und dieselbe Nacht One and the same night awaits everyone Credo verum Ich glaube das Wahre I believe in the truth Ex silentio Aus der Stille From the silence Signum temporis Zeichen der Zeit signs of the time Si etiam omnes sit, ego non Auch wenn vielleicht alle mittun, ich nicht Even if all join in, I do not Lege artis Nach den Regeln der Kunst In accordance with art 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 54

Larga manu Mit freigiebiger Hand With a liberal hand Lux veritatis Licht der Wahrheit Light of Truth Nil nisi Nichts außer Nothing but Dum est lux Solange es Licht gibt As long as there is light Dum est vis, est vox Solange man Kraft hat, hat man eine Stimme As long as one has strength, one has a voice Ad infinitum Bis in Ewigkeit For all eternity Charta non erubescit Papier errötet nicht Paper does not blush Et alleluia, ab initio, Und alleluja, vom Anbeginn bis zur And Alleluia, from the beginning until infinity, ad infinitum astra Unendlichkeit leuchten die Sterne the stars shine Dixi Ich habe gesprochen I have spoken Varium hic, nubila, Hier ist es wechselhaft, mal Wolken, Here it is variable, sometimes clouds, sol mal Sonne sometimes sun Volens nolens Wohl oder übel For better or worse Odium, omnia vanitas Hass herrscht, und alles ist Eitelkeit Hatred reigns, and all is vanity Ego non Ich nicht Not I Dum spero, Solange ich hoffe, As long as I hope, nil nisi bene will ich nur Gutes reden I only want to say good things O, si sic omnia O, wenn doch alles so wäre Oh, if only everything were so Memento vivere, Gedenke, dass du lebst, und gedenke, Remember that you are alive, et memento mori dass du sterben musst and remember that you must die Lege artis, Wer ist es in Wahrheit und nach den Who is it in truth, and according re vera quis? Regeln der Kunst? to the rules of art? Post tenebras lux, Nach der Dunkelheit das Licht, After the darkness, the light, post nubila sol nach den Wolken die Sonne after the clouds, the sun Post mortem lux Nach dem Tod das Licht After death, light Summa summarum Alles in allem All in all Itur ad astra Der Weg zu den Sternen The way to the stars Super omnia veritas Die Wahrheit siegt über alles Truth conquers all 900119 beethoven booklet v3_- 18.06.13 17:34 Seite 56

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