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Schrift Schriften ab. Man könnte ja auch eine bestehende Schrift ordentlich lizenzie- ren. Ein Trauerspiel.

Die Crux mit der Kompa- : ein Nekrolog tiblität Die Dominanz der Arial ist heute ebenso gross wie die der Times, 1931 An dieser Stelle wurde schon viel über die Schrift Arial geschnö- als Zeitungsschrift von Stanley Morri- son geschaffen. Sie zeichnet kräftig, det. Spüren wir etwas fundierter der Schrift mit der international weil damals feine Serifen im rotativen Zeitungsdruck ab den schweren Bleifor- grössten Verbreitung nach. men Schwierigkeiten machten. Heute ist das kein Problem mehr, die Times hat sich trotzdem hartnäckig gehal- ■ Ralf Turtschi Man kann es drehen Mit «Vorgänger» ist wohl die nes berechnet wurden, was zu schnel- ten. Heute arbeitet die ganze Welt mit und wenden wie man will, die Arial gemeint, 1983 vom Linotype Design leren Rechenzeiten führte. Gegen die Times und Arial, weil alle Computer scheint unseren Kunden zu liegen. Kein Studio redigitalisiert und in Neue Hel- antiquiert scheinende Times New über diese Schriften verfügen, und Tag vergeht, trifft nicht ein Attache- vetica umbenannt. Die Arial gilt als der Roman setzte sich die «modernere» sich die Bürodokumente in Microsoft- ment namens .doc mit der Arial ein. Helvetica ähnlichste Schrift, wobei für Arial schnell durch. Auch deshalb, weil Produkten wie Word, Excel und Power- Und dies nicht, weil ich keine Gele- einen Typografen wie mich himmel- sie in einer Korrespondenzgrösse am point problemlos austauschen lassen. genheit auslasse, darüber zu wettern. weite Unterschiede bestehen. Bildschirm besser lesbar ist. Sind die Anwender bequem, gleichgül- Nein, die lieben Anwenderinnen und Am 24. Januar 1984 wurde der Apple Die Arial fand nicht wegen ihrer Design- tig, Banausen oder Ignoranten? Auch Anwender scheinen die Arial wirklich Macintosh weltweit vorgestellt. Er kam qualitäten Verbreitung, sondern weil im Internet wurde und wird die Arial zu mögen. Die Zeit scheint reif, Kreide mit einer Anzahl gratis mitgelieferter sie auf dem Trittbrett mitfuhr. Wenn standardmässig eingesetzt, weil sie zu fressen und die Arial wieder gut zu PostScript- heraus: Times, Pala- damals Microsoft eine andere Schrift im Internet Explorer enthalten ist. Erst schreiben. Wagen wir den Versuch. tino, New Century Schoolbook, Helve- auserkoren hätte, würde sich die die Verdana von , eine Ich suche über Google nach Arial und tica, Helvetica Narrow, Avant Garde, Welt heute auf einem visuell höheren in den letzten Jahren speziell für den prompt erscheinen 440 000 Einträge, Garamond Condensed, Bookman, Niveau drehen. 1992 hätte es durch- Bildschirm geschaffene Schrift, bietet ein Traumergebnis. Da haben wirs. Optima, , Zapf Dingbats. Wei- aus Alternativen gegeben. eine echte Alternative zur Arial am Arial wurde im Jahr 1982 von Robin tere Fonts mit Städtenamen sorgten Doch es gibt Hoffnung – oder je nach Bildschirm. Als Druck- oder Korrespon- Nicolas und Patricia Saunders für für Begeisterung: New York, Monaco, Sichtweise ziehen neue dunkle Wolken denzschrift sind beide ungeeignet. Monotype entworfen. Auf der Web- Chicago usw. Mit diesen Schriften auf: 1998 stellte Microsoft, aus wel- site liest man folgendes: «Die Arial konnte man im professionellen Bereich chen Gründen auch immer, die Ent- Die Arial hat als Serifenose humanistischere wenig anfangen, dafür waren die Hei- wicklung der Arial stillschweigend ein. Wenden wir uns der Formensprache Züge als viele ihrer Vorgänger, sie manwender happy. Der Gebrauch Inzwischen entwarf der Arial-Designer, zu. Die Arial wirkt als Textschrift viel nimmt die Stimmung Ende des letz- von Schriften wurde auf einen Schlag Steve Matteson von Monotype/Agfa, zu kräftig, der Grauwert ist zu dunkel. ten Jahrhunderts auf. Die Kurven sind «demokratisiert», auch andere spran- die Schrift Segoe, die in der nächs- Eine unausgeglichene Laufweite, also weicher als in den meisten Schriften, gen auf den Zug und stellen Schriften ten Windows-Version «Vista» einge- die Proportionen und der Abstand die einen industriellen Charakterzug zum Gebrauch lizenzfrei zur Verfügung. setzt wird. In Microsofts Guidelines zwischen den Zeichen, gibt der Arial aufweisen. Die Endstriche sind dia- Allen voran Microsoft, welche mass- für neue Programmoberflächen wird ein unruhiges Bild. Der Kontrast, also gonal geschnitten, was der Arial eine geblich verantwortlich zeichnet, dass empfohlen, dass die Segoe UI benutzt das Verhältnis von Senkrechten und technische Anmutung verleiht. Arial ist die Arial heute derart verbreitet ist. werden soll. Waagrechten, lässt sie deftig und sta- eine extrem vielseitige verwendbare Die Geschichte wiederholt sich hier, tisch erscheinen. Besonders hässlich Schriftfamilie, die in allen Gebieten Microsoft und Arial Die Segoe lehnt sich sehr stark an die sind die angeschräften Endstriche bei gleichermassen angewendet werden Als Windows 3.1 1992 erschien, von Adrian Frutiger, die sich a, e, s und t. Die Proportionen und die kann, als Textschrift, in Magazinen und schaffte auch die Arial den internatio- in den 80er-Jahren zur Alternative der Form des t sind eine Zumutung und das Zeitungen, in der Werbung, in Displays nalen Durchbruch. Dies, weil Microsoft viel benutzten Helvetica anbot. Für a sieht wie nach einem Hagelschlag und der Promotion.» Die Kreide bleibt einmal gegen ein Monopol kämpfte: Laien ist die Ähnlichkeit verblüffend, verformt aus. Die geschlossenen Buch- mir bereits beim Lesen dieser Zeilen im Die neue Seitenbeschreibungssprache so dass man von Plagiat reden könnte. stabenformen von a und s zum Beispiel Hals stecken, ich komme nicht umhin PostScript, welche Adobe sorgsam Hier springt Microsoft 20 Jahre zu spät gebend er Arial ein ältliches Aussehen. meiner Abneigung gegenüber diesem behütete. Microsoft und Apple entwi- dem vermeintlichen Lifestyle nach, und Die Arial ist weder als Textschrift noch angeblich multifunktionalen Super- ckelten darauf den Schriftenstandard statt eine eigenständige Schrift zu ent- als Headlinschrift zu empfehlen, da produkt verständlich darzulegen. TrueType, bei der die Schriften nicht als wickeln, kupfert die Branchenführerin fehlt einiges an Klasse. Kurven, sondern als quadratische Spli- eine der erfolgreichsten und schönsten Geschichtlicher Teil Das Verdickt Ein paar weit verbreitete Schriften, die Auch mit bestem Willen bleibe ich vor der Arial im Bleisatz und auf Foto- dabei. Die Arial ist lieblos, unausgegli- satzsystemen eingesetzt wurden, sind: chen und verbeult, sie hat mir noch nie Akzidenz-Grotesk, gezeichnet um Freude bereitet. Microsoft gab ihren 1900, Ferdinand Theinhardt Kunden damals wirklich keinen Anlass , Morris Benton, 1904 zum Jubeln. So wie es jetzt aussieht, , Paul Renner, 1928 tauscht Microsoft ein Plagiat gegen Gill, 1931 ein neues aus. Falls Sie heute Frutiger Helvetica, Max Miedinger, 1957 als Hausschrift verwenden, wie die , Adrian Frutiger, 1957 Post, die UBS und wohl noch weitere, Avant Garde, 1970, Tom Carnase Frutiger Segoe (aus dem Internet kopiert) kann ich Ihnen nur raten, zu wechseln. Ungefähr 2007 werden alle mit dem Frutiger-Plagiat Segoe korrespondie- ren, das sind Milliarden Briefe, E-Mails und Webseiten täglich, und Ihre wun- derschöne Unverwechselbarkeit wird dahin sein. Es sei denn, Sie erkennen den kleinen Unterschied und setzen auf eine neue Individualität. Alterna- tiven gibts glücklicherweise genug. ■

Arial Helvetica Univers Frutiger Fago Unit Design&Praxis Publisher 2 · 2005 39

Jede Schrift ist ein Ausdruck ihrer Zeit. Die Schriften aus der Blei- und Fotosatzzeit waren eher geschlos- sen. Am besten ist dies sichtbar an den Endstrichen beim a, e und s. Sie lassen die Innenräume geschlos- sen wirken, was die Leserlichkeit am Bildschirm Akzidenz-Grotesk erschwert. Frutiger war einer der ersten, welche erkannten, dass für Beschriftungen bei offenen Innenräumen die Lerserlichkeit erhöht wird. Schon 1976 kommt mit der Frutiger eine solche, geöffnete Schrift auf den Markt. Die damaligen Platzhirsche Helvetica und Univers zeigen noch die traditionellen Formen. Die Arial wirft die Welt im Schriftdesign Helvetica wieder in die Nachkriegszeit zurück. Die Verdana wiederum weist Merkmale einer Bildschirmschrift auf: Sie läuft breit und die Buchstaben stehen weit auseinander.

Univers

Frutiger

Arial

Univers Arial

Verdana

Arial Frutiger