Werkstatt: Praxis Heft 76

Ohne Auto einkaufen Nahversorgung und Nahmobilität in der Praxis

Ein Projekt des Forschungsprogramms „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), betreut vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Werkstatt: Praxis

In der Schriftenreihe Werkstatt: Praxis veröffentlicht das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) ausgewählte, praxis­ orientierte Ergebnisse aus der Ressortforschung.

IMPRESSUM Herausgeber Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Berlin wissenschaftliche Begleitung Büro für integrierte Planung Berlin (Auftragnehmer) Uta Bauer Julia Jarass Susann Liepe Forschungsbüro Scheiner, Joachim Scheiner

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Bonn Stephan Günthner

Gestaltung und Satz bauer+möhring grafikdesign gbr

Redaktion Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Bonn Friederike Vogel

Druck Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

Bestellungen [email protected] Stichwort: Werkstatt: Praxis Heft 76

Nachdruck und Vervielfältigung Die vom Auftragnehmer vertretene Auffassung ist nicht Alle Rechte vorbehalten unbedingt mit der des Herausgebers identisch.

ISSN 1436 - 0063 (Schriftenreihe) Werkstatt: Praxis Heft 76 ISBN 978-3-87994-977-9 Berlin 2011 Inhalt

Kurzfassung 1

Summary 4

1 Einführung 7 1.1 Verändertes Einkaufs- und Mobilitätsverhalten – Anlass und Hintergrund 7 1.2 ExWoSt-Studie sucht nach neuen Handlungsansätzen 8 1.3 Nahversorgung und Nahmobilität in Zahlen 9

2 Strukturen und Entwicklung von Angebot und Nachfrage 10 2.1 Der Verkehrsaufwand steigt – Entwicklung im Einkaufsverkehr 10 2.2 Weniger Geschäfte, mehr Verkaufsfläche – Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel 13 2.3 Das Kundenverhalten differenziert sich aus – Entwicklung in der Nachfrage 16

3 Verkehrsverhalten bei der Versorgung – empirische Analysen 19 3.1 Trends im Einkaufsverkehr 2002 bis 2008 19 3.2 Erreichbarkeit von Einkaufsgelegenheiten 20 3.3 Verkehrsmittelnutzung und Wegelänge 20 3.4 Zusammenfassung der Analyseergebnisse 24

4 Handlungsansätze und Instrumente zur Steuerung 27 4.1 Kommunaler Werkzeugkasten – bau- und planungsrechtliche Instrumente 27 4.2 Praxisbeispiele sind Wegweiser – Handlungsansätze zur Förderung von Nahversorgung und Nahmobilität 30

5 Nahversorgung und Nahmobilität in der kommunalen Praxis 39 5.1 Leipzig – Lindenauer Markt 39 5.2 Lemgo – historischer Stadtkern 43 5.3 Wolfsburg – Detmeroder Markt 47 5.4 Zusammenfassung 49

6 Handlungsempfehlungen für Kommunen 51

7 Gute Beispiele zum Nachahmen 54

Anhang 75

Beispiele zur Förderung von Nahversorgung und Nahmobilität 75

Literaturverzeichnis 77

Internetquellen 81 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1 Standortanforderungen ausgewählter Nahversorge 14 Tabelle 2 Kenngrößen des Einkaufsverkehrs 2002 bis 2008 19 Tabelle 3 Erreichbarkeit von Geschäften für den täglichen Bedarf nach Verkehrsmitteln – Differenzierung nach Gemeindegröße 21 Tabelle 4 Modal Split bei Einkaufswegen nach Wegelänge und Pkw-Verfügbarkeit 21 Tabelle 5 Modal Split nach Wegelänge und Gemeindegröße 23 Tabelle 6 Allgemeine Stellplatzregelungen in den Bauordnungen der Bundesländer 30 Tabelle 7 Modellstandorte Nahmobilität und Nahversorgung 40 Tabelle 8 Daten der Befragten in Leipzig 42 Tabelle 9 Daten der Befragten in Lemgo 45 Tabelle 10 Daten der Befragten in Detmerode 48 Tabelle 11 Übersicht über die Steckbriefe 54 Tabelle 12 Beispielsammlung zur Förderung der Nahversorgung und Nahmobilität 75

Abbildung 1 Entwicklung der Vertriebswege im Lebensmitteleinzelhandel 13 Abbildung 2 Preisniveau Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke 2006 16 Abbildung 3 Konsumausgaben der privaten Haushalte für ausgewählte Verwendungszwecke 17 Abbildung 4 Modal Split bei Einkaufswegen 2002 bis 2008 20 Abbildung 5 Handlungsfelder zur Förderung von Nahversorgung und Nahmobilität 31 Abbildung 6 Kampagne der Manchester Friends of the Earth (www.loveyourbike.org) 37 Abbildung 7 Postkarte als Werbung für das „Rote Sofa“ 41 Abbildung 8 Leitbild Handel 44 1

Kurzfassung

Dynamik in der Zunahme des Einkaufs­ kürzer als andernorts und werden häufiger zu verkehrs wird schwächer Fuß zurückgelegt. Dies spiegelt sich auch in der Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit von Der Einkaufsverkehr bildet mit rund 32 % der Einkaufsgelegenheiten wider. In den größten unternommenen Wege und 17 % der zurückge­ Städten sind nur für neun Prozent der Bevölke­ legten Distanzen einen wichtigen Bestandteil rung Geschäfte des täglichen Bedarfs schlecht der Alltagsmobilität. Aufgrund von Konzent­ bis gar nicht zu Fuß erreichbar. In den kleinsten rationsprozessen im Einzelhandel werden Ein­ Gemeinden gilt dies dagegen für fast 40 % kaufswege immer länger. In den letzten Jahr­ zehnten hat der Einkaufsverkehr deshalb stark zugenommen, wobei das Wachstum zum größ­ Die Qualität des Nahversorgungs­ ten Teil auf den Pkw entfällt. In den letzten Jah­ angebotes hat einen wichtigen Einfluss ren flachte sich die Zunahme ab. Die mittlere auf die nahräumliche Orientierung Länge der Einkaufswege stieg von 2002 bis 2008 um drei Prozent und liegt nun bei 5 km (1976: Ein qualitativ differenziertes Nahversorgungs­ 3,6 km). Dies stellt allerdings keine typische angebot bestimmt das Einkaufen zu Fuß oder Wegelänge beim Einkauf dar, sondern wird mit dem Fahrrad maßgeblich. Isolierte Ange­ stark durch wenige lange Wege geprägt. Die bote (etwa ein Supermarkt) stützen die Nah­ Hälfte aller Einkaufswege ist kürzer als 1,9 km. versorgung, tragen aber deutlich weniger zu Auch die Verteilung auf die Verkehrsmittel einer nahräumlichen Orientierung bei als eine blieb von 2002 bis 2008 weitgehend konstant. vielfältige Ausstattung. In gemischten Gebieten Im Modal Split nahm der Anteil des Fahrrades verstärkt die niedrige Motorisierung und die geringfügig zu (ein Prozentpunkt). Innerhalb stärkere Neigung von Pkw-Besitzern zu Fuß zu des motorisierten Individualverkehrs (MIV) gehen die Wirkung der Ausstattung. Eine gute zeigt sich eine leichte Verschiebung zugunsten nahräumliche Ausstattung erhöht die Bindung des MIV als Fahrer auf Kosten von Mitfahrern. an die Wohnumgebung auch unter Personen mit Pkw um rund zehn Prozentpunkte. Dies geht zu Lasten vor allem von peripheren Ein­ Eine gute Nahversorgung kann Verkehr kaufszentren und sonstigen Einkaufsorten, die sparen häufig mit sehr langen Wegen verbunden sind.

Eine gute Ausstattung mit Geschäften zur De­ ckung des täglichen und periodischen Bedarfs Die Distanzschwellen für den Einkauf in zu Fuß erreichbarer Entfernung erhöht den zu Fuß sind niedrig Anteil nicht-motorisiert zurückgelegter Wege, vermeidet Pkw-Verkehr, verkürzt die zurückge­ Bis zu einer Wegelänge von 200 m werden rund legten Distanzen und erhöht die Zufriedenheit 90 % der Einkaufswege zu Fuß gegangen. Eine der Bevölkerung im Quartier erheblich. Dies markante Distanzschwelle für das Gehen zu gilt auch für Personen mit uneingeschränktem Fuß liegt bei Pkw-Besitzern bei rund 400 m. Zugang zum Pkw. Dies wird bis etwa 800 m teilweise vom Fahrrad aufgefangen. Ab 800 m nimmt der Anteil des MIV beim Einkauf stark zu. Unter Personen Die Raum- und Siedlungsstruktur ohne Pkw liegen die Schwellen für das zu Fuß bestimmt das Einkaufs- und Mobilitäts­ gehen deutlich höher, etwa bei 800 –1 000 m verhalten und bei 2 km für den nicht-motorisierten In­ dividualverkehr (NMIV- Fuß und Fahrrad) ins­ Der Einfluss der Siedlungsstruktur auf die Ver­ gesamt. In kleineren Gemeinden fahren Pkw- kehrsmittelwahl, die zurückgelegten Wegelän­ Besitzer auch kürzeste Wege zum Einkauf mit gen und den Verkehrsaufwand ist dominant. dem Pkw und damit in wesentlich stärkerem Mit abnehmender Gemeindegröße nehmen Maße als in Großstädten. Nahversorgung ist die Länge der Einkaufswege sowie die Nut­ eine zeitsensible Aktivität. Der Einkauf zu Fuß zung des MIV signifikant zu. Innerhalb von oder mit dem Fahrrad wird deshalb bevorzugt. Gemeinden sind Einkaufswege an Standorten Großeinkäufe und Getränkeeinkäufe werden – guter nahräumlicher Erreichbarkeit gravierend wenn möglich – mit dem Pkw erledigt. 2 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Von einer guten Nahversorgung Grenzen der ökonomischen Tragfähigkeit profitieren alte Menschen, Haushalte mit für den Einzelhandel Kindern und Haushalte ohne Pkw Der Strukturwandel im Einzelhandel ist geprägt Jugendliche, Frauen und Personen ohne Zugriff von einer stetigen Vergrößerung der Verkaufs­ auf einen Pkw kaufen in überproportionalem flächen, Konzentration der Unternehmen, Maße im Nahraum und in integrierten Zentren Entwicklung neuer Betriebstypen und dem ein. Unterschiede zwischen den Geschlechtern Wandel der Standortanforderungen. Dabei nehmen tendenziell ab. Bei jungen Familien mit bevorzugen Discounter besonders autoorien­ kleinen Kindern sind sie aber sehr ausgeprägt. tierte Standorte. Die Umsatzanteile zwischen Einkäufe sind häufig in komplexe Wegeketten Discountern und traditionellem Einzelhandel eingebettet. Dies gilt besonders für Frauen, Er­ haben sich deutlich zu Gunsten der Discoun­ werbstätige, Alleinerziehende und generell für ter verschoben. Als Tragfähigkeitsuntergrenze Haushalte mit (kleinen) Kindern. Wegeketten von Lebensmittelmärkten fordern die Expansi­ lassen sich interpretieren als Ausdruck eines onsabteilungen der Handelsketten heute i.d.R. komplexen und ‚turbulenten‘ Alltags sowie im mehr als 5 000 Einwohner. Bei einem Radius Sinne einer effizienteren Alltagsgestaltung. Der von 1 000 Metern, wird dieses Nachfragepoten­ Zeitaufwand für Einkaufswege ist insbesondere zial nur in hochverdichteten städtischen Quar­ bei älteren Menschen, bei Personen ohne Pkw tieren erreicht. im Haushalt, bei Beziehern geringen Einkom­ mens und damit auch bei Migranten (fehlender Pkw) überdurchschnittlich hoch. Neue Trends im Einzelhandel sind eine Chance für die Nahmobilität und Nahversorgung Eine fehlende Nahversorgung verschlechtert die Lebensqualität Dort, wo sich der klassische Einzelhandel zu­ insbesondere älterer Menschen rückgezogen hat, haben alternative Betreiber­ modelle der Nahversorgung (DORV Zentren, Bemerkenswert ist die große Einkaufshäufigkeit CAP-Märkte, MarktTreff etc.) eine Chance. unter alten Menschen. Selbst Hochbetagte über Aber auch sie setzen bestimmte Bedingungen 75 Jahre kaufen häufiger als junge Menschen voraus. Dazu gehören eine funktionierende ein und gehen dabei in wesentlich häufiger zu Nachbarschaft, bürgerschaftliches Engagement Fuß. Die Gründe sind nicht nur fehlende Pkw- und kooperationsbereite Akteure, wie z.B. sozi­ Verfügbarkeit, sondern auch nachbarschaftli­ ale Träger, Gewerbetreibende oder Wohnungs­ che soziale Netzwerke, Gesundheitsvorsorge eigentümer. Kleinflächenkonzepte können in und Alltagsorganisation. Alte Menschen sind verdichteten Gebieten von Kommunen ab ca. damit von Einschränkungen nahräumlicher 100 000 Einwohnern Lücken im Versorgungs­ Angebote besonders stark betroffen. netz schließen. Große Lebensmittelhändler planen in den kommenden Jahren eine Aus­ dehnung solcher Konzepte. Nahversorgung ist mehr als Einkaufen

Nahversorgung hat für eine wachsende Zahl Kommunen sollten ihre Optionen von Menschen (ältere Menschen, Erwerbslose, konsequent nutzen versorgende Personen) wichtige soziale und kommunikative Funktionen. Für Stadtquar­ Für die kommunale Steuerung der Nahver­ tiere, Orts- und Stadtteilzentren ist sie wichti­ sorgung und die Sicherung städtebaulich ge­ ge Frequenzbringerin und Identitätsstifterin: wünschter Zentren hat sich die Aufstellung Identifizieren sich die Einwohner mit ihren und konsequente Umsetzung von Einzelhan­ Nahversorgungseinrichtungen, gehen sie auch dels- und Zentrenkonzepten bewährt. Flankiert längere Wege zu Fuß. werden können sie durch Verbesserungen der Kurzfassung 3

Bedingungen für die Nahmobilität zu Fuß und mit dem Rad. Pläne und Maßnahmen sollten gemeinsam mit den Akteuren des Einzelhan­ dels und privaten Anliegern vorbereitet und umgesetzt werden. All diese Instrumente kön­ nen ihre Wirkung jedoch nur dann entfalten, wenn die Kommunalpolitik (sowohl auf Ebene der Gesamtkommune als auch von Orts- bzw. Stadtteilen) ihre eigenen Beschlüsse respektiert und diese konsequent umgesetzt.

Nahversorgung kann nicht überall zu Fuß möglich sein

Mittel- bis langfristig wird nicht in allen Räu­ men eine stationäre Nahversorgung vorgehal­ ten werden können. Es wird künftig neben den ländlichen Räumen auch in den Städten Sied­ lungsbereiche (z. B. Einfamilienhausgebiete am Stadtrand) geben, wo sich eine fußläufige Nahversorgung nicht mehr rechnet. Dies ist zu kommunizieren, um die Konsequenzen von Wohnstandortentscheidungen nachvollzieh­ bar zu machen. Es ist darüber nachzudenken, wie Lösungsstrategien für solche Gebiete ent­ wickelt werden können (z.B. Erhöhung der Umzugsbereitschaft, Unterstützung von Nach­ barschaftshilfe, mobiler Handel). 4 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Summary

Diminishing growth in shopping transport Local supply quality has an important impact on small-scale trip-making Shopping transport is an important part of dai­ ly travel, and it accounts for 32 percent of trips The chances for non-motorised shopping are and 17 percent of travel distances. Shopping strongly influenced by a differentiated local trips tend to increase in distance over time due supply structure. Isolated facilities, such as a to concentration processes in the retail sector. , may be backbones for local sup­ As a consequence, shopping travel strongly in­ ply, but they contribute less to short trips than creased over the last decades, and the private a multifaceted range of facilities. In neighbour­ car benefited most from this growth. More re­ hoods with mixed land-use, low levels of car cently, the increase attenuated. The mean dis­ ownership and a stronger willingness of car tance of shopping trips increased by three per­ owners to walk boost the impact of local faci­ cent between 2002 and 2008, achieving a value lities. A good local supply quality increases the of 5 km (1976: 3.6 km). However, this value does attachment to the neighbourhood in terms of not reflect a typical shopping trip distance, as trip-making by ten percentage points even it is strongly influenced by few extremely long among car owners. This is at the expense of pe­ trips. Half of shopping trips is shorter than 1.9 ripheral shopping centres at the urban fringe km. The mode split of shopping trips remained and other places of shopping which are often relatively constant between 2002 and 2008. The linked to very long trip distances. share of the bicycle slightly increased by one percentage point, and a slight shift towards car driving happened at the expense of car passen­ Distance thresholds for walking are low gers. About 90 percent of shopping trips are under­ taken on foot when the distance is shorter than Good local supply can help save traffic 200 m. A distinct distance threshold for walking is at about 400 m. This threshold is partly over­ Well developed local supply with groceries and come by bicycle up to a distance of about 800 other convenience goods in a walking distance m. The share of driving starkly increases from helps increase the share of non-motorised trips, a distance of 800 m. Among those without ac­ reduce car travel, decrease travel distances, and cess to a car the threshold of walking is clearly increase residents’ neighbourhood satisfaction higher, at about 800 to 1,200 m (2 km for non­ considerably. This is even true for individuals motorised trips including walking and cycling). with access to a car. In small municipalities car owners drive even very short distances, rendering the share of the car markedly higher than in cities. Local shop­ Urban form impacts shopping and travel ping is time sensitive. Shopping on foot or by behaviour bicycle ‘around the corner’ thus meets people’s preferences. Weekly shopping and beverage Urban form has a stronger impact on mode shopping are, if ever possible, done by car. choice, travel distances and total travel volumes than other variables. Shopping trip distances and car use increase significantly with decre­ The elderly, households with children, and asing municipality size. Within municipalities, households without a car benefit from shopping trips in neighbourhoods with good good local supply walking access are remarkably shorter than in other neighbourhoods, and they are more often Adolescents, women, and individuals without a undertaken on foot. This corresponds with high car disproportionately do their shopping in the levels of satisfaction with access to shopping. vicinity and in integrated centres (i.e. at central Walking access to convenience stores is poor or locations). Gender differences tend to decline not available at all for just nine percent of the over time, but they are marked in families with population in the largest cities, but for almost infants or pre-school children. Shopping trips 40 percent in the smallest municipalities. are often embedded in complex trip-chains. This is particularly true for women, employees, single parents, and generally for households Summary 5 with (small) children. Trip-chaining may be in­ operating local supply, such as DORV centres, terpreted as a result of a complex and turbulent CAP markets, MarktTreff etc., have a chance. daily life, and they may reflect an efficient daily However, such concepts have certain requi­ scheduling. The time effort for shopping trips rements, including a well functioning neigh­ is disproportionately high among the elderly, bourhood, civic engagement, and actors who individuals without a car in their household, are prepared to cooperate, e.g. social bodies, low-income groups, and, thus, migrants (lack tradesmen, or housing companies. Concepts of cars). based on small sales spaces, such as city mar­ kets, may fill the gaps in densely settled areas of cities with 100,000 inhabitants or more. Large­ A lack of local facilities impairs quality of scale food enterprises plan to expand such con­ life particularly among the elderly cepts in the next years.

The frequency of shopping among the elderly is striking. Even the ‘old aged’ (75+ years) go Municipalities should consequently make shopping more often than young adults, and use of the options they have doing so, they walk considerably more often. The reason is not just the lack of cars, but also The erection and consequent realisation of social networking in the neighbourhood, health municipal retail and centre concepts has pro­ precaution, and specific ways of daily schedu­ ved successful for the regulation of local supply ling. The elderly are thus particularly strongly and the protection of centres favoured from a affected by curtailing local supply. planning perspective on the municipal level. These concepts may be supported by improved conditions for local mobility on foot and by bi­ Local supply is more than just shopping cycle. Plans and concepts should be developed and realised in close cooperation with actors in Local supply has important social and commu­ the retail sector and private residents. nicative functions for a growing number of in­ dividuals (the elderly, unemployed, household Such concepts, however, can only have an im­ provisioners). It is an important footfall gene­ pact as long as policy makers on the municipal rator and founder of identity for urban neigh­ as well as on the district/neighbourhood level bourhoods, district centres and town centres; respect their own decisions and consequently as soon as residents identify with their local support their realisation. supply facilities, they may be prepared to walk even relatively long distances. Local shopping on foot can not be realised everywhere Frontiers of economic viability for shops In the medium to longer term it will not be pos­ The structural change in the retail sector is sible to provide stationary local supply every­ characterised by increasing sales spaces, eco­ where. There will be areas in the countryside as nomic concentration, the development of new well as in cities in which local facilities within business types, and changing location needs. walking distance will not be economically via­ Discounters prefer particularly car-oriented lo­ ble any more. This should be made transparent cations. The sales volumes have shifted towards to people in order to show plainly the conse­ discounters at the expense of more traditional quences of residential location decisions. Stra­ shops. The departments of expansion in retail tegies for underserved areas have to be deve­ chains generally claim for more than 5,000 in­ loped and reflected thoroughly (e.g. support habitants as the minimum level of viability for of out-migration, support of neighbourly help, groceries. Given a radius of 1,000 m, this de­ mobile shops). mand potential is only achieved in high-density urban neighbourhoods.

New trends in the retail sector are a chance for local supply and local mobility

Where the ‘classic’ forms of retail have with­ drawn from the market, alternative concepts of 7

1 Einführung

1.1 Verändertes Einkaufs- und und andererseits die fehlende Sortimentstiefe Mobilitätsverhalten – und das hohe Preisniveau des ortsansässigen Anlass und Hintergrund Einzelhandels beklagt werden.

Konzentrationsprozesse im Einzelhandel, Sub­ Das Thema Nahversorgung und Nahmobilität urbanisierung sowie die zunehmende Motori­ hat viele Dimensionen: sierung der Bevölkerung haben die Einkaufs­ mobilität in den letzten Jahrzehnten stark ver­ • ­ Für die wirtschaftlichen Interessen des Ein­ ändert. Die Wege zum Lebensmitteleinkauf zelhandels sind Sortimente, Verkaufsflächen, wurden länger, immer mehr Menschen erle­ Lagekriterien, die reibungslose Organisation digen ihren Einkauf mit dem Pkw. So stiegen des Kunden- und Lieferverkehrs, Einzugs­ in den alten Bundesländern die zurückgeleg­ gebiete und nicht zuletzt Umsatzzahlen ent­ ten Distanzen beim Wegezweck „Einkauf“ im scheidend. Zeitraum von 25 Jahren (1976–2001) um 25 %, • Die Nachfragenden sind an der Produktqua­ während der Anteil der zu Fuß bewältigten Ein­ lität und -vielfalt, dem Preis, der Erreich­ kaufswege im gleichen Zeitraum von 50 % auf barkeit im Wohnumfeld, der Aufenthalts­ rund 40 % zurückging (Scheiner 2008). Parallel qualität und einem geringen Zeitaufwand dazu vergrößerten sich die Verkaufsflächen interessiert. Gleichzeitig bestimmen die pro Ladeneinheit wie auch die Einzugsgebiete. Haushaltsgröße, das Alter, die Verfügbarkeit Andererseits wächst die Bedeutung der „Nähe“. von Verkehrsmitteln sowie räumliche Rah­ Die Gruppe derer, für die fußläufig erreichbare menbedingungen, welche Verkehrsmittel Versorgung eine wichtige Frage der Lebensqua­ zum Einkauf gewählt werden (können). lität ist, wird in Zukunft wachsen. Sei es, weil • ­ Nahversorgung hat eine wichtige soziale sich durch steigende Verkehrspreise (Kraftstoff, Funktion, sie schafft Begegnung und Treff­ Fahrzeuge, Parken) weniger Haushalte ein Auto punkte. Viele ältere Menschen gehen (mehr­ leisten können, sei es, weil sich immer mehr Äl­ mals) täglich einkaufen, weil dies ein Anlass tere und Hochbetagte im Wohnumfeld selbst­ ist, aus dem Haus zu gehen. ständig versorgen wollen und müssen. Eine • ­ Nahversorgung hat in unterschiedlichen fußläufige Versorgung ist jedoch nicht nur ein Siedlungsstrukturen einen jeweils anderen Thema für „arm“ und „alt“: Bundesweit hatten Stellenwert. In randstädtischen Einfamili­ 2002 immerhin 20 % der Haushalte keinen Zu­ enhausgebieten, kleinen Dörfern und Streu­ griff auf einen Pkw, in München waren es 30 % siedlungen wird kaum jemand erwarten, zu und in innerstädtischen Bezirken in Berlin im­ Fuß einen Supermarkt erreichen zu können. merhin 50 % (Deutscher Städtetag 2005, S.3). Andererseits können städtebauliche Män­ gel, schlechte Aufenthaltsqualität oder un­ Die Sicherung der Nahversorgung hat in der zureichende Wege den Einkauf zu Fuß auch kommunalen Planungspraxis einen hohen in dicht bebauten städtischen Gebieten er­ Stellenwert, ist jedoch gleichzeitig eine kom­ schweren. plexe Aufgabe. Vielfältige Wechselwirkungen • ­ Eine gute Nahversorgung und eine ausge­ sind zu beachten. Ansiedlungsanfragen der prägte Nahmobilität sind darüber hinaus Projektentwickler konzentrieren sich auf au­ wichtige Standortfaktoren für andere Dienst­ toaffine, meist nicht integrierte Standorte längs leistungen und die Immobilienwirtschaft. der wichtigen Verkehrsachsen. Gleichzeitig sind beispielsweise in die Jahre gekommene An der Sicherung der Nahversorgung und der Nahversorgungszentren hinsichtlich der städ­ Verbesserung der Nahmobilität sind deshalb tebaulichen Gestaltung und der Flächenaus­ ganz unterschiedliche Akteursgruppen zu be­ stattung nicht mehr funktionsfähig. Vielerorts teiligen: sind auch die Voraussetzungen für das zu Fuß • Kunden und Anwohner, gehen oder Fahrradfahren stark verbesserungs­ • ­ Einzelhändler, Investoren, Projektentwickler, bedürftig. Neue Kundenpotenziale lassen sich • verschiedene Ressorts kommunaler darüber hinaus nur dann erschließen, wenn Verwaltung, sich die Wohnbevölkerung mit ihrem „Nahver­ • Verkehrsbetriebe, sorger“ identifiziert, ihn tatsächlich frequen­ • Wohnungseigentümer, Anlieger, tiert und nicht an ihm „vorbei fährt“. Häufig Gewerbetreibende. sind jedoch gerade die Verbraucherwünsche widersprüchlich, wenn einerseits weite Wege 8 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

1.2 ExWoSt-Studie sucht nach kehrsachsen angesiedelt. Das Fehlen dieser neuen Handlungsansätzen wichtigen Funktion schwächt den Wohn­ standort Innenstadt. Vor diesem Hintergrund waren in der ExWoSt- Studie „Nahmobilität und Nahversorgung – • ­ Stadtteilzentren in Wohngebieten (siehe Gute Beispiele integrierter Erschließungskon­ Modellkommune Wolfsburg): Viele Stadt­ zepte“ folgende Fragen zu beantworten: teilzentren der 1960er und 1970er Jahre ent­ sprechen städtebaulich und funktional nicht • Welche Zusammenhänge zwischen Sied­ mehr den heutigen Anforderungen. Sanie­ lungsstruktur, Nahversorgungsangebot rungsbedürftige Gebäude, unzeitgemäß klei­ sowie Mobilitäts- und Einkaufsverhalten ne Verkaufsflächen und handlungsunwillige sind handlungsrelevant? Kleineigentümer lösen einen trading-down • Lassen sich mit verbesserten Rahmen- Prozess aus, der zum sukzessiven Leerstand bedingungen der Nahmobilität neue der Stadtteilzentren führt. Potenziale zur Sicherung der Nah­ vesorgung erschließen? • ­ Stadtteile in Großstädten (s. Modellkom­ • Lässt sich mit verbesserter Nahversorgung mune Leipzig): Selbst dichtbebaute Quartie­ die Nahmobilität stärken? re in Großstädten können in gewissen Nah­ • Welche Steuerungskompetenzen und Stell­ versorgungssegmenten wie dem Lebens­ schrauben haben die Kommunen zur Siche­ mitteleinzelhandel als unterversorgt gelten. rung der Nahversorgung und Nahmobilität? Waren es in den 1990er Jahren großflächige Ansiedlungen am Stadtrand, die zu Versor­ Die Ergebnisse werden in der vorliegenden Ver­ gungslücken führten, sind es heute großflä­ öffentlichung dokumentiert. chige SB-Warenhäuser in den Städten, die in Konkurrenz zu stadtteilbezogener Nahver­ sorgung stehen. Arbeitsschritte

Auf der Basis zweier Datensätze wurde das Begriffserklärung Verkehrsverhalten bei Einkaufszwecken quan­ titativ untersucht (siehe Kapitel 3). Es wurden Als Nahversorgung wird allgemein die Grund­ gute Beispiele recherchiert und übertragbare versorgung mit Verbrauchsgütern und Dienst­ Lösungsansätze identifiziert (siehe Kapitel 4 leistungen des täglichen, kurzfristigen Be­ und Anhang). Aus beiden Bausteinen wurden darfs in der Nähe der Wohnung bezeichnet. fördernde und hemmende Faktoren zur Si­ Zur Grundversorgung zählen insbesondere cherung der Nahversorgung und Nahmobilität Lebensmittel aber auch Zeitungen, Schreibwa­ abgeleitet. In drei Modellkommunen (Leipzig, ren, Drogerieartikel, Blumen, einzelhandelsna­ Lemgo, Wolfsburg) wurden die Lösungsansätze he Dienstleistungen wie Banken, Sparkassen, in der Praxis getestet und mit Bewohnern und Postdienstleistungen sowie Handwerksleistun­ professionellen Akteuren vor Ort diskutiert gen wie Friseur oder Schuster. Auch Gastrono­ (siehe Kapitel 5). mie, Bildungseinrichtungen oder medizinische Versorgung gehören im Weiteren zu einem ab­ Der Handlungsbedarf ist nicht auf dünnbesie­ gerundeten Nahversorgungsangebot. delte, ländliche Raume beschränkt. Die woh­ nungsnahe Versorgung kann auch in Randla­ Weniger Konsens besteht bei der Frage, wel­ gen und zentralen Versorgungsbereichen der che Entfernung zwischen Wohnung und Ein­ Mittel- und Oberzentren gefährdet sein. Drei kaufsstätte als „nah“ zu bezeichnen ist. In der typische Problemlagen lassen sich unterschei­ Regel wird eine Gehzeit von zehn Minuten als den: angemessen angesehen (ILS 2007, S.1; DSSW 2007). In Abhängigkeit von körperlichen Vor­ • ­ Historische Zentren der Klein- und aussetzungen und dem Gehtempo entspricht Mittelstädte (s. Modellkommune Lemgo): dies einem Radius von 500 –1000 Metern. Je Aufgrund hoher Bodenpreise, eingeschränk­ nach Spezialisierungsgrad der Einrichtungen ten Flächenangebotes, baulicher Restriktio­ könnte auch die Fahrzeit mit dem Fahrrad in­ nen (z. B. wegen Denkmalschutz) oder eines nerhalb zehn Minuten (ca. 2–2,5 km) noch als geringen Stellplatzangebotes hat sich in vie­ Nahversorgung gelten. len Kommunen der Lebensmitteleinzelhan­ del ganz aus der (historischen) Innenstadt Der Begriff Nahmobilität beschreibt die Mo­ zurückgezogen und längs der wichtigen Ver­ bilität in der Nähe der Wohnung, oder die­ Einführung 9 jenigen Aktivitäten, für die typischerweise nommen nur die Fortbewegungsmöglichkeit relativ kurze Entfernungen zurück gelegt wer­ meint. Aufgrund der geringen Wegelängen den (Lebensmitteleinkauf). Handelt es sich wird Nahmobilität üblicherweise mit nicht­ um realisierte Wege müsste eigentlich von motorisiertem Verkehr zu Fuß und mit dem Nahverkehr gesprochen werden. Da dieser Fahrrad verbunden, obwohl auch Wege mit Begriff jedoch im Kontext des öffentlichen dem Pkw dazu gehören (ILS 2007, S.2). Ähn­ Nahverkehrs steht, wird hier von Nahmobili­ lich wie bei der Nahversorgung existieren kei­ tät gesprochen, obwohl Mobilität streng ge­ ne exakten Distanzgrenzen für Nahmobilität.

1.3 Nahversorgung und Nahmobilität in Zahlen

Anteil des verfügbaren Einkommens, den Anzahl der Lebensmittelgeschäfte deutsche Haushalte für Lebensmittel ausgaben 1995...... 75.700 50er Jahre ...... ca. 50% 2007...... 51.400 2009...... 11 %

Marktanteil der Discounter Anteil des verfügbaren Einkommens, 2000...... 31 % den Haushalte in den meisten OECD-Ländern 2009...... 44 % 2009 für Lebensmittel ausgaben ...... 16 %

Durchschnittliche Verkaufsfläche eines Anteil der Kunden, die mit dem Fahrrad Lebensmittelgeschäfts einkaufen fuhren 1970...... ca. 90 m² 1976...... (alte Bundesländer) 9 % 2006...... ca. 500 m² 2008...... 10 %

Anteil der über 60-jährigen an der Anteil der Kunden, die zu Fuß einkaufen Gesamtbevölkerung in Deutschland gingen 1990...... ca. 20% 1976...... (alte Bundesländer) 49 % 2010...... ca. 26% 2008...... 27 %

Geschätzter Anteil der über 60-jährigen an Anteil der Haushalte in Deutschland, die 2005 der Gesamtbevölkerung in Deutschland 2030 Lebensmittel mit gesundheitsförderndem ...... ca. 36% Nutzen gekauft haben ...... 71 %

Zeit, die in Deutschland täglich mit Essen Durchschnittlicher Preis von 1l Milch verbracht wurde 2000...... 0,48 Euro 1992...... 82 Minuten 2009...... 0,48 Euro 2002...... 103 Minuten

Durchschnittlicher Preis für 1 Liter Zeit, die in Deutschland täglich für die Zube­ Benzin Super reitung von Mahlzeiten verwendet wurde 2002...... 0,95 Euro 1991...... 85 Minuten 2010...... 1,35 Euro 2001...... 66 Minuten

Anteil der Kunden, die mit dem Pkw Durchschnittspreis für ein Kilogramm (als Fahrer und Mitfahrer) einkaufen fuhren herkömmliche Margarine im ersten Halbjahr 1976...... (alte Bundesländer) 33 % 2006...... 1,92 Euro 2008...... 58 % Durchschnittspreis für ein Kilogramm choles­ terinsenkende Margarine im ersten Halbjahr 2006...... 11,69 Euro 10 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

2 Strukturen und Entwicklung von Angebot und Nachfrage

2.1 Der Verkehrsaufwand steigt – Individualisierung und Pluralisierung der Entwicklung im Einkaufs- Lebensstile und Konsummuster veränderte, verkehr stark ausdifferenzierte Nachfrageransprüche entwickelt (Frehn 1996; siehe Kapitel 2.3). Un­ Überblick terschiedliche Bevölkerungsgruppen kaufen unterschiedliche Güter an unterschiedlichen Die Einkaufsmobilität privater Haushalte bildet Orten ein. Dies hat Konsequenzen für die Ver­ mit rund 32 % der unternommenen Wege und kehrsmittelwahl und den Verkehrsaufwand. In 17 % der zurückgelegten Distanzen im Perso­ der jüngeren Verkehrsgeneseforschung werden nenverkehr einen wichtigen Bestandteil der deshalb Lebensstile und subjektive Erreich­ Verkehrsnachfrage (BMVBS 2009). In den letz­ barkeitspräferenzen als Erklärungsansätze der ten Jahrzehnten ist der Einkaufsverkehr stark Verkehrsnachfrage intensiv untersucht (Cao/ angewachsen. Prozentual liegt der Zuwachs Handy/Mokhtarian 2009; Scheiner/Holz-Rau etwa gleichauf mit dem anderer Verkehrszwe­ 2007). cke. Nur der Geschäfts- und Dienstreiseverkehr sowie der Urlaubsverkehr wuchsen stärker. Die Daneben spielt die Motorisierung eine zentrale Zunahme des Einkaufsverkehrs entfällt zum Rolle. Deren stürmische Zunahme hat sich zwar großen Teil auf den m otorisierten Individual­ seit den 1990 Jahren verlangsamt, hält jedoch verkehr (MIV, im Wesentlichen der Pkw), wäh­ weiterhin an. Deutschlandweit stieg die Moto­ rend die anderen Verkehrsmittel nur wenig risierung im Zeitraum 2002 bis 2007 von 538 auf vom Zuwachs profitieren. Von dem Wachstum 566 Pkw je 1 000 Einwohner. Dagegen ist sie in um 17,7 Mrd. Personenkilometer (Pkm) zwi­ einigen großen Städten leicht rückläufig, etwa schen 1976 und 2001 in den alten Bundeslän­ in Berlin, Hamburg und Bremen2. Es scheint dern entfallen 14 Mrd. Pkm. – also knapp 80 % sich also eine Motorisierungsschere zwischen – auf den MIV (Scheiner 2008)1. In den letzten Stadt und Land zu öffnen. Gleichzeitig sind bei Jahren nahm der Einkaufsverkehr nur noch we­ jüngeren Erwachsenen erste Rückgänge er­ nig zu (BMVBS 2009). kennbar, die sich mit steigenden Kraftstoff- und Verkehrspreisen vermutlich fortsetzen und evtl. Die Entwicklung des Einkaufsverkehrs läuft verstärken werden. dem Leitbild der Nachhaltigkeit aus mehreren Gründen entgegen: negative Umweltfolgen nehmen deutlich zu, nicht-motorisierte Bevöl­ Raumstrukturen und Verkehrsverhalten kerungsgruppen werden zunehmend von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen, Die Einsicht, dass das Verkehrsverhalten zu lange Wege verursachen hohe Kosten für die einem beachtlichen Anteil durch die Struktu­ Verkehrsinfrastruktur und jede einzelne Fahrt. ren der gebauten Umwelt erklärt werden kann, Dies gilt besonders für gering verdichtete Sied­ führte in Deutschland seit den 1990er Jahren zu lungsformen und nicht-integrierten Standorte einer stärkeren Integration der einstmals recht (Einzelhandel auf der „grauen“ Wiese). getrennten räumlichen Planung und der Ver­ kehrsplanung. Primäres Ziel ist es dabei, durch Die Hintergründe für diese Entwicklungen lie­ siedlungsstrukturelle Konzepte eine nachhalti­ gen zum einen in veränderten raumzeitlichen gere Verkehrsentwicklung zu erreichen (Holz­ (1) Erreichbarkeitsverhältnissen, die durch den Rau/Kutter 1995; Holz-Rau 1997). Die Angaben in BMVBS wirtschafts- und raumstrukturellen Wandel (2009) für die Folgejahre sind methodisch bedingt nicht mehr einerseits und neue gesellschaftliche Zeitord­ In den Zusammenhängen zwischen Raum­ vergleichbar. nungen andererseits induziert werden. Dazu strukturen und Verkehrsverhalten spielen We­ zählen etwa die Suburbanisierung des Woh­ gedistanzen und Verkehrsmittelnutzung eine (2) nens (Brake/Dangschat/Herfert 2001), der entscheidende Rolle. Eine dichte, kleinteilig Daten von den Homepages Strukturwandel des Einzelhandels (siehe Kapi­ nutzungsgemischte Siedlungsstruktur ermög­ der Statistischen Landesämter und des Statistischen Bundes­ tel 2.2), aber auch die Ausdehnung und Flexibi­ licht aufgrund der Nähe zwischen Wohnen und amtes. Jüngere Daten sind lisierung der Arbeits- und Betriebszeiten. anderen Nutzungen kurze Wege für die Bevöl­ aufgrund des Ausschlusses vorübergehend abgemeldeter kerung. Vergleichsweise viele Wege können mit Fahrzeuge nicht mehr direkt Zum anderen haben sich im Kontext von so­ nicht-motorisierten Verkehrsmitteln (NMIV – vergleichbar. zialem und demografischem Wandel, von Fahrrad, zu Fuß) erledigt werden. Dieser Effekt Strukturen und Entwicklung von Angebot und Nachfrage 11 der Siedlungsstruktur auf die Verkehrsmittel­ vielfältigen Gelegenheitsstrukturen, wo folglich nutzung ist also indirekt: Die Verkehrsmittel­ größere Wegehäufigkeiten auftreten. Aufgrund wahl ist abhängig von der realisierten Wege- der kürzeren Wege wird dort dennoch weni­ länge, und diese ist abhängig von der Distanz ger Pkw-Verkehr erzeugt (Holz-Rau et al. 1999; zu entsprechenden Gelegenheiten, also von Scheiner 2010a). Für den täglichen kleinen Ein­ der mindestens erforderlichen Wegelänge zu kauf der Stadtbevölkerung spielt der NMIV eine einer Aktivität. zentrale Rolle. Dieser wird durch hohe Dichte und Nutzungsmischung begünstigt (Badland/ Es gibt jedoch auch einen direkten Zusammen­ Schofield 2005). Dagegen dominiert in mono­ hang zwischen Raumstruktur und Verkehrs­ strukturierten Gebieten eher der wöchentliche mittelnutzung. Nicht nur der NMIV, sondern Großeinkauf mit dem Pkw. Die Wirkung einer auch der ÖPNV werden in dichten, nutzungs­ guten nahräumlichen Ausstattung kann aller­ gemischten Strukturen aus mehreren Grün­ dings durch eine hohe Erreichbarkeit auf der den relativ häufig genutzt. Erstens geht hohe regionalen Ebene konterkariert werden (Han­ Siedlungsdichte mit Einschränkungen für den dy 1996). Diese führt dazu, dass große Bevölke­ Pkw-Verkehr einher (Parkplatzmangel, hohe rungsteile zum Einkaufen weite Wege zurück­ Verkehrsdichte, geringe Reisegeschwindig­ legen (Achen 2005). keit) und verringert deshalb den komparativen Nachteil des ÖPNV gegenüber dem Pkw oder Im Vergleich verschiedener Verkehrszwecke dreht ihn in einigen Fällen sogar um. Zweitens ist der Einkaufsverkehr besonders stark raum­ ermöglicht hohe Nachfragedichte – also hohe strukturell beeinflusst, sowohl bezüglich der Bevölkerungs- und/oder Arbeitsplatzdichte Verkehrsmittelnutzung als auch der Wegelän­ – erst ein attraktives ÖPNV-System. Dennoch gen (Holz-Rau et al. 1999; Scheiner 2010a). hat Dichte allein kaum einen Effekt auf die Ver­ Adäquate Einkaufsangebote in der Wohnum­ kehrsmittelnutzung, insbesondere auf die Nut­ gebung werden von erheblichen Teilen der Be­ zung des NMIV (Filion/McSpurren/Appleby völkerung genutzt (Holz-Rau et al. 1999). Stär­ 2006), sondern nur in Kombination mit mög­ ker als im Freizeit- und Berufsverkehr entsteht lichst kleinteiliger Nutzungsmischung (Brandt/ dadurch die Chance zu einer nachhaltigen Holzapfel/Hopmeier 2004). Gestaltung des Einkaufsverkehrs durch raum­ planerische Konzepte. Aufgrund der hohen Darüber hinaus ist die Motorisierung als ver­ NMIV-Anteile ist eine mikroräumliche Diffe­ mittelndes Glied zwischen Raumstruktur und renzierung unerlässlich. Verkehrsverhalten von zentraler Bedeutung. Der Pkw-Fahraufwand von Pkw-Besitzern liegt Neben räumlichen spielen auch zeitliche Struk­ nahezu unabhängig vom siedlungsstrukturel­ turen eine zentrale Rolle im Einkaufsverkehr. len Umfeld auf ähnlichem Niveau, während der Der große Wocheneinkauf konzentriert sich auf Pkw-Fahraufwand der Gesamtbevölkerung mit den Freitag und vor allem den Samstag. Es gibt dem siedlungsstrukturellen Umfeld stark vari­ nur wenige Untersuchungen über die Auswir­ iert (Lanzendorf/Scheiner 2004). Die Personen kungen der Liberalisierung der Ladenöffnungs­ ohne Pkw machen also im Wesentlichen den zeiten auf den Einkaufsverkehr. Bergmann Unterschied aus. (1997) findet im Raum Dresden einen deutlich höheren Pkw-Verkehrsaufwand je Kunde an Samstagen gegenüber Freitagen und schließt Charakteristika des Einkaufsverkehrs auf eine Ausdehnung der Aktionsräume mit entsprechend mehr Verkehr als Folge der zeit­ Der Verkehr beim Einkaufen ist im Vergleich zu lichen Liberalisierung. Hesse und Holz-Rau anderen Zwecken durch relativ kurze Wege und (2000) finden für Halle/Saale, dass vor allem einen hohen Anteil des NMIV gekennzeichnet. Einkaufszentren auf der grünen Wiese von der In den vergangenen Jahrzehnten wuchs der Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes pro­ Verkehrsaufwand für Einkäufe aber ebenso wie fitiert haben, die innerstädtischen Einzelhänd­ der für andere Verkehrszwecke, wobei insbe­ ler dagegen nicht. Als Folge erwarten sie eine sondere der MIV stark zunahm. Zunahme von 1,5 bis 5 % des MIV-Verkehrsauf­ wandes beim Einkauf. Dies wird durch Daten Einkaufen ist häufig eine vor- oder nachge­ der MID 2002 und 2008 bestätigt. lagerte Aktivität im Rahmen von Wegeketten und wird ‚nebenbei‘ auf dem Arbeitsweg oder Einkaufen und Einkaufsverkehr sind in hohem im Rahmen von Begleitwegen für Kinder unter­ Maße status- und geschlechtsspezifisch struk­ nommen (Horner/O‘Kelly 2007). Dies gilt ins­ turiert: Männer und Personen mit hohem öko­ besondere in urbanen Bereichen mit dichten, nomischen Status kaufen seltener ein, legen 12 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

dabei längere Wege zurück und produzieren gelängen („nearest center“) zu unterscheiden. mehr Pkw-Verkehr als Frauen und Personen Raumplanerische Konzepte können lediglich mit niedrigem ökonomischem Status (Schei­ die Distanz zur nächsten Gelegenheit, nicht ner 2008). Trotz tendenzieller Angleichung des aber die realisierte Wegelänge direkt beeinflus­ Verkehrsverhaltens zwischen den Geschlech­ sen. tern im Zeitverlauf (Scheiner 2006) sind ge­ schlechtsspezifische Rollenverteilungen in Nach einer mikroräumlich differenzierenden Paar- und Familienhaushalten nach wie vor Studie des Einkaufsverkehrs in einem Berli­ wirksam (siehe die Beiträge in Statistisches ner Quartier (Holz-Rau 1991) nimmt bereits Bundesamt 2004). Sie äußern sich in kom­ ab 325 m zum nächst gelegenen Geschäft die plexeren Wegeketten und häufigeren Versor­ Pkw-Nutzung bei Motorisierten stark zu, bei gungs- und Begleitwegen von Frauen gegen­ über 670 m nutzen sie fast nur noch den MIV. über Männern (Meyer 2003; Srinivasan/Bhat Personen ohne Pkw nutzen ab 325 m verstärkt 2005). Geschlechtsspezifische Unterschiede in das Fahrrad. der Verkehrsmittelnutzung werden durch die Erwerbstätigkeit der Frauen verringert, durch Allerdings sind nicht alle Wegezwecke glei­ die Familiengründung (Kindergeburt) eher chermaßen für derartige Studien geeignet. Die verstärkt (Best/Lanzendorf 2005). Eignung von Gelegenheiten für eine Aktivität ist am ehesten bei relativ standardisierten Ansprü­ Ältere und insbesondere hochbetagte Perso­ chen operationalisierbar, d.h. bei Einkäufen nen sind besonders stark auf die kleinräumli­ eher als in der Freizeit und beim kurzfristigen che Erreichbarkeit von Einkaufsmöglichkeiten eher als beim mittel- und langfristigen Bedarf in ihrem Wohnumfeld angewiesen (Scheiner/ (Horner/O‘Kelly 2007). Holz-Rau 2002). Ihre Wege sind mit Bedürf­ nissen nach körperlicher Betätigung, sozialer Die Gründe für die Nutzung des Pkw auf kurzen Integration und Aufrechterhaltung der Selbst­ Wegen bis zur Länge von einer Meile werden ständigkeit verbunden. Diese über Versorgung von Mackett (2003) in Großbritannien un­ hinaus gehenden Funktionen sind nicht durch tersucht. Besonders häufig werden folgende ‚in situ‘-Angebote (Lieferservices, Essen auf Rä­ Gründe genannt: Transport (22%), Abholen/ dern) ersetzbar. Bringen (17 %), zu weit (11 %), Bequemlichkeit (10 %). Der letzte Grund wird in ländlichen Eine zunehmende Rolle spielt beim Einkauf die Gebieten und Kleinstädten besonders häufig ‚virtuelle Mobilität‘ (Online-Einkauf ). Cairns genannt. Daraus ließe sich die These ableiten, (2005) schätzt auf der Grundlage eigener Mo­ dass in Großstädten kurze bis mittlere Distan­ dellergebnisse und einer breiten Literaturstu­ zen eher als fußläufig akzeptiert werden. die, dass das direkte Ersetzen von kundensei­ tigem Pkw-Verkehr durch angebotsseitigen Die Entscheidung für ein Verkehrsmittel hängt Lieferverkehr in der Summe (Kunden- plus selbstverständlich nicht nur von der Wegelänge Lieferverkehr) mindestens 70 % der Fahrzeug­ ab. Weitere Einflussfaktoren sind etwa die in­ kilometer im Lebensmitteleinkauf einsparen dividuelle Motivation, die Attraktivität des We­ kann. Dem stehen Grenzen in der Marktdurch­ ges, die verfügbaren Ressourcen, soziale Rollen dringung des Online-Einkaufs sowie auf länge­ und Alltagserfordernisse einer Person. Darüber re Sicht Induktionseffekte auf andere Verkehrs­ hinaus ist der Zweck des Weges eine wichtige zwecke gegenüber. Rahmenbedingung. Transporterfordernisse können die Möglichkeit des Zu-Fuß-Gehens einschränken. Ein hoher monetärer Wert der Zusammenhang zwischen Wegelängen Reisezeit (Arbeitswege, Geschäftsreisen) redu­ und Verkehrsmittelnutzung ziert die Akzeptanz des Zu-Fuß-Gehens.

Die Förderung von Nahmobilität zielt verkehr­ Zusammenfassend hat die Nutzung des Pkw für lich auf die Reduktion der zurückzulegenden Versorgungszwecke langfristig stark zugenom­ Distanzen und auf die Veränderung der Ver­ men. Damit zusammenhängend sind auch die kehrsmittelwahl. Kurze Wege können auch Wege länger geworden. In den letzten rund nicht-motorisiert zurückgelegt werden, wobei zehn Jahren ist eine Stagnation eingetreten. das Fahrradfahren einen größeren Aktionsra­ Trotz der Motorisierung sind die Wege zum dius erlaubt als das Gehen. Bei der Frage nach Einkauf noch immer stark durch die Angebote den konkreten Distanzschwellen ist zunächst in der Wohnumgebung geprägt. zwischen den realisierten Wegelängen und den raumstrukturell gegebenen Mindestwe­ Strukturen und Entwicklung von Angebot und Nachfrage 13

2.2 Weniger Geschäfte, mehr Haushalt mit dem Pkw innerhalb von 10 Minu­ Verkaufsfläche – Entwicklung ten im Durchschnitt drei Discounter erreichen im Lebensmitteleinzelhandel (Springer 2010a:3). Discounter und nach dem Discountprinzip arbeitende Drogeriemärkte Der Strukturwandel des Einzelhandels ist durch erwirtschaften im Lebensmitteleinzelhandel Betriebs- und Unternehmenskonzentrationen, mehr als die Hälfte des Food-Umsatzes (Sprin­ Verkaufsflächenwachstum, neue Betriebstypen ger 2010a:2). Kleine Lebensmittelgeschäfte wie und Angebotsformen geprägt. Auch die Anfor­ Selbstbedienungs- und Tante-Emma-Läden derungen an die Standorte änderten sich. Dies haben einen Anteil von unter 10 % am Gesamt­ verschlechterte die Nahversorgungsituation in umsatz in diesem Bereich (Albers 2009:9). Randgebieten der Großstädte, in kleinen Städ­ ten, Innenstädten aber auch Orts- und Stadt­ In den 1970er Jahren lag die durchschnittliche teilzentren. Verkaufsfläche je Lebensmittelgeschäft bei ca. 90 m². Bis zum Jahr 2006 ist sie auf 500 m² an­ Die Zahl der Lebensmittelgeschäfte sank im gestiegen (Albers 2009: 9). Dieser Zuwachs ist Zeitraum von 1995 bis 2008 von 75 700 auf unter anderem auf die immer größere Zahl an ca. 50 000 (Handelsverband Deutschland e.V. anzubietenden Artikeln zurückzuführen. Für 2010: 23). Gleichzeitig stieg der Umsatz von ein Angebot von 10 000 bis 20 000 Food-Artikel ca. 111 Mrd. Euro auf ca. 131 Mrd. Euro (Vier­ benötigen Vollsortimenter Verkaufsflächen von buchen 2009). Neben der Konzentration der mindestens 1500 m² (Lübbing 2009:13). Verkaufsstellen kam es zu einer Konzentration der Lebensmittelhandelsunternehmen. Durch Mit der zunehmenden Verkaufsfläche steigt die Fusionen, Aufkäufe und Übernahmen haben benötigte Grundstücksfläche. Dazu trägt zu­ sich inzwischen wenige Konzerne die Markt- sätzlich die große Anzahl der von Entwicklern macht gesichert. Sechs große Lebensmittel­ und Einzelhandel geforderten Stellplätze bei. händler (, Rewe, , , , In zentral gelegenen Bestandsquartieren sind Metro/Real) teilen sich 90 % des Umsatzes in diese häufig nicht realisierbar. Deutschland (ebd.). Einen hohen Anteil daran haben die Discounter: Anfang 2010 betrieben Auch andere wirtschaftliche Verwertungskri­ sie knapp 16 000 Filialen in Deutschland. Da­ terien der Standortentwickler haben sich ver­ mit kann nach Berechnungen der Gesellschaft ändert. Lag die Tragfähigkeitsuntergrenze bei für Konsumforschung (GfK) theoretisch jeder Lebensmittelmärkten vor Jahren noch bei rund

Abbildung 1: Entwicklung der Vertriebswege im Lebensmitteleinzelhandel Gesamt in Mrd. EUR, Anteil in %; FMCG-Warengruppe

137 140 144 152 150

18,9 19,6 18,7 19,0 18,4 Aldi

7,9 8,6 9,2 9,7 9,8 Lidl

14,1 14,3 15,1 15,4 16,4 übrige Discounter

26,3 24,8 24,5 23,6 23,7 Food-Voll­ sortimenter

SB-Waren­ 24,6 24,2 23,8 23,5 23,1 häuser

Drogerie­ 8,2 8,5 8,7 8,4 8,6 märkte 2005 2006 2007 2008 2009

Quelle: Axel Springer AG 2010 14 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

3 500 Einwohnern im Einzugsbereich, fordern Neue Konzepte des Lebensmittel­ die Expansionsabteilungen der Handelsketten einzelhandels heute i.d.R. mehr als 5 000 Einwohner (DSSW 2007). Bei einem Radius entsprechend der Seit wenigen Jahren setzen verschiedene Le­ maximalen Fußwegentfernung von 1 000 Me­ bensmittelanbieter sogenannte Citykonzepte tern wird das Nachfragepotenzial nur in hoch­ in innerstädtischen, hochverdichteten und verdichteten städtischen Quartieren erreicht hochfrequentierten Lagen um. Sie haben fest­ (Freudenau/ Reutter 2007: 5 sowie Tabelle 1). gestellt, dass für die Kunden neben dem Preis Sind diese Dichten nicht vorhanden, spielt auch zunehmend die Nähe eine Rolle spielt. die motorisierte Erreichbarkeit eine größere Die Citymärkte sind auf den täglichen Frische­ Rolle. Entsprechend haben Supermärkte und einkauf sowie auf Convenience ausgerichtet. Discounter ihre Standorte in den letzten zwei Bei Verkaufsflächen von 500 bis 1 000 m² führen Jahrzehnten außerhalb zentraler Stadträume sie ein reduziertes Sortiment. an autogerechten Standorten gesucht und ge­ funden (Junker/ Kühn 2004).

Tabelle 1: Standortanforderungen ausgewählter Nahversorger

VK-Fläche Grundstücks­ Anzahl Einzugsgebiet [Kern­ [in m²] fläche [in m²] Parkplätze ort – Einzugsgebiet] Sonstige Anforderungen

EDEKA center, ca. 1 500 k. A. EDEKA neukauf (Fokus)

REWE Supermarkt 1 000 bis k. A. ausreichend Städte und Gemein­ · Nahversorgungs-, Geschäfts-, Einkaufs- 3 000 Parkplätze bei den mit mindestens oder Fachmarktzentren sowie City- und autoorientierten 5000 EW und Stadtteillagen Standorten Einzugsgebieten · Lauf- und Sichtlagen zu Hauptverkehrsachsen von mindestens mit guter Anbindung bestehende oder neue 10 000 EW Ladenflächen

REWE City 500 bis 1 000 k. A. in Städten ab · City-Lagen, Stadtteilzentren oder hochverdich­ 100 000 EW tete Nahversorgungsschwerpunkte · Lauf-/Sichtlagen zu Hauptverkehrsachsen, · ÖPNV-Haltestellen von Vorteil

Lidl 700 bis 1 300 ab 4 000 ab 100 5 000–10 000 EW · hochfrequentierte Lagen mit guter verkehrstech­ ebenerdig nischer Erreichbarkeit und Sichtbarkeit · gute Anlieferungsmöglichkeiten für Sattelzüge mit 40 t Gesamtgewicht und einer Länge von 18,5 m (Rampenanlieferung)

Aldi-Nord 1 100 4 000 bis ca. 100 k. A. · gute Anlieferungsmöglichkeit für Sattelzüge 6 000 (oder mit 40 t Gesamtgewicht und einer Länge von größer) 18,5 m

Aldi-Süd ab 750 (im Erd­ ab 3 000 k. A. k. A. geschoss) (bebaut oder unbebaut)

Netto Supermarkt 700 bis 900 ab 3 500 60–100 Gemeinden ab · Standorte in und an Wohngebieten mit sehr GmbH und Co. 4 000 EW guter Verkehrsanbindung, an Hauptverkehrs­ straßen bzw. in Einkaufszentren sowie neben SB-Warenhäusern oder Supermärkten

Netto Marken-Discount 1 000 bis ab 4 000 60–100 Gemeinden ab 1 200 4 000 EW

Kaufland ab 2 000 ca. 6 000 k. A. In Städten ab · gute zentrale oder periphere Lage 10 000 EW und · Grundstücke möglichst mit Genehmigungs­ einem Einzugsgebiet fähigkeit für großflächigen Einzelhandel von mindestens (Sondergebiet oder Kerngebiet) 25 000 EW

REWE Center 3 000 bis k. A. mind. 300 Einzugsgebiet von · verbrauchernahe und zentrenbezogene 5 000 ebenerdig oder mind. 25 000 EW Standortlagen mit leistungsfähiger Verkehrs­ im Parkhaus anbindung · Ausrichtung auf eine Geschossfläche bevorzugt

Quellen: www.aldi-sued.de, www.aldi-nord.de, www.lidl.de, www.kaufland.de, www.netto-online.de, www.netto.de, www.rewe.de, Lübbing 2009 Strukturen und Entwicklung von Angebot und Nachfrage 15

In einigen schlecht versorgten Gebieten entwi­ Einkaufswege länger. Immer häufiger kommt es ckeln sich zunehmend alternative Nahversor­ nicht nur in ländlichen und verstädterten Räu­ gungsmodelle. Diese zielen nicht nur auf die men, sondern auch in Großstädten zu Versor­ Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs gungslücken in Wohngebieten. In Dortmund ab, sondern verstehen Nahversorgung auch als beispielsweise gelten nach dem Masterplan Versorgung mit Dienstleistungen und betonen Einzelhandel sechs Siedlungsgebiete als unter­ die kommunikative Funktion (s. Kapitel 4.2). versorgt (Ruiter 2006). Schätzungen der Immo­ bilienwirtschaft gehen von bundesweit etwa 8 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Mio. Menschen aus, die ihren kurzfristigen Be­ der Strukturwandel im Lebensmitteleinzel­ darf kaum noch in fußläufiger Entfernung de­ handel von einer betrieblichen Konzentration cken können (Vierbuchen 2009). In NRW sind geprägt ist. Räumlich laufen zwei Entwick­ nach Einschätzung der Städte und Gemeinden lungen parallel: die Konzentration auf höher­ ca. 29 % der Siedlungsfläche unterversorgt. rangige Zentren (Zentralisierung) sowie die (Freudenau/ Reutter 2007). Das bedeutet um­ Randwanderung (Dezentralisierung). Beide gerechnet, dass jeder sechste Einwohner in räumliche Entwicklungen führen zu einem diesem Bundesland keinen wohnungsnahen Rückzug aus der Fläche und zur Verschlechte­ Zugang zu Nahversorgungseinrichtungen hat rung der Nahversorgung. Dadurch werden die (Accocella 2004).

Exkurs

Ist aufgrund der betriebswirtschaftlichen Rahmenbedin­ gungen im Einzelhandel der Einkauf zu Fuß und mit dem Fahrrad illusionär oder zukünftig ein wachsender Trend?

Tine Fuchs, Referatsleiterin Stadtentwicklung, Planungsrecht, Bauleitplanung und nationale Verbraucherpolitik, DIHK e.V.3

Ob Kunden zu Fuß einkaufen gehen oder für den Discountern, die in vielen kleinen Städten den Einkauf das Fahrrad nutzen, ist weniger und Gemeinden die Nahversorgungsfunktion eine Frage der betriebswirtschaftlichen Rah­ übernehmen, auch Lebensmittelvollsortimen­ menbedingungen im Einzelhandel. Sie ist ter für bestimmte Standorte Einzelhandels­ vielmehr von den örtlichen Gegebenheiten geschäfte auf kleineren Flächen eröffnen. Die abhängig. In Großstädten ist eine Trendwende REWE hat ein „Citymarkt-Konzept“ entwickelt für Einkäufe des täglichen Bedarfs zu Fuß oder und will damit in den kommenden Jahren 400 mit dem Fahrrad zu beobachten. Dort gibt es neue Standorte in Nahversorgungszentren rea­ ein großes Angebot an Verbrauchermärkten, lisieren. Die Edeka-Gruppe bietet City-Super­ Discountern und vom Facheinzelhandel wie märkte unter dem Label „Edeka nah und gut“ Bäcker, Drogisten, Fleischer oder Obst- und Ge­ an. Hier werden ebenfalls auf kleinen Flächen müseläden in den zentralen Stadtbezirken. Der Lebensmittelangebote geschaffen. Von den Einkauf ist hier bequem zu Fuß oder mit dem Einzelhandelsketten werden dabei Verkaufs­ Fahrrad durchführbar. Der Verzicht auf den flächen von 100 – 800 m² realisiert. Diese An­ motorisierten Individualverkehr steht auch in gebote des stationären Handels werden er­ Zusammenhang mit einem gut funktionieren­ gänzt durch Dorf- oder Hofläden, die vielerorts dem ÖPNV-Angebot. betriebswirtschaftlich gut funktionieren und mit Dienstleistungsangeboten, wie beispiels­ In kleineren Städten und Gemeinden ist die weise Post- und Telekommunikationsdiensten, Nutzung des privaten PKWs insgesamt we­ verbunden sind. Das wohl bekannteste ist das sentlich ausgeprägter. Hier werden auch große sogenannte Markttreffkonzept aus Schleswig- Entfernungen, z.B. von mehr als 100 km für das Holstein (siehe: www.markttreff-sh.de). Einkaufserlebnis in Kauf genommen. Was ein Problem für den Facheinzelhandel in ländlich Der Einzelhandel kann den Trend des Einkaufs geprägten Räumen ist. zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterstützen: Da­ für sind Angebote, wie Lieferservices, geeignete (3) Seitens des Einzelhandels ist eine Diversifi­ Fahrradständer und eventuelle Serviceangebo­ Frau Fuchs war Mitglied des projektbegleitenden zierung der Ladenangebote erfolgt. Es gibt te für Radfahrer (z.B. Luftpumpe oder Leihan­ Expertengremiums in den letzten Jahren den Trend, dass neben hänger) beispielgebend. Strukturen und Entwicklung von Angebot und Nachfrage 17 en Bundesländer an. 1991 lag sie im Westen für Nahrungsmittel (siehe Abbildung 3). Der noch bei 56,9 % und stieg bis 2006 auf 67,2 %. scheinbare Widerspruch (steigendes verfügba­ Im Osten arbeiteten sowohl 1991 als auch 2006 res Einkommen, sinkender Anteil der Konsum­ ca. 74 % der Frauen (Statisches Bundesamt ausgaben) ist dadurch zu erklären, dass Haus­ 2006). Die Unterschiede im Einkaufsverhal­ halte mit hohem Einkommen absolut zwar ten zwischen Männern und Frauen werden in mehr, relativ aber weniger für Nahrungsmittel der Folge geringer wie auch die Ergebnisse in ausgeben (sog. Engelsches Gesetz6). Kapitel 3.1 belegen. Mit steigender Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt werden Ein­ Schon heute achten die Verbraucher in keinem kaufswege häufiger mit den Wegen zur Arbeit anderen europäischen Land so sehr auf preis­ gekoppelt. Convenience-Produkte gewinnen günstige Produkte wie in Deutschland. Nach an Bedeutung, da weniger Zeit für die Hausar­ Daten der OECD werden hierzulande nur 11 % beit bleibt. der privaten Konsumausgaben für Lebens­ mittel ausgegeben (ohne Zigaretten, Alkohol), während in den meisten OECD-Ländern dieser Ausgaben für Lebensmittel Anteil dagegen bei 16 % liegt (Springer 2010b). Für knapp 62 Prozent der Einwohner Deutsch­ Neben den demografischen Veränderungen lands ist der Preis wichtiger als die Qualität, wie erlebt der Einzelhandel seit einigen Jahren eine Umfrage der GfK Marktforschung in acht Umsatz- und Ertragseinbrüche. Trotz leicht EU-Ländern ergab. Deutschland führt damit steigendem verfügbaren Einkommen hat der die Liste der Sparsamen an, gefolgt vom Mut­ Anteil der Einzelhandelsumsätze an den pri­ terland der Haute Cuisine, Frankreich (60 %) vaten Konsumausgaben abgenommen. Lag (Spiegel 2005). Neben dem oben skizzierten im Jahr 1995 der Anteil des Einzelhandelsum­ Verbraucherverhalten führt der Preiskampf satzes4 an den Konsumausgaben der privaten zwischen den Anbietern zu niedrigen Lebens­ Haushalte noch bei 37 %5, sank dieser Wert mittelpreisen in Deutschland. Die Lebensmit­ über die Jahre kontinuierlich und lag 2009 bei telpreise liegen im europäischen Vergleich im 28,4 % (Bundesarbeitsgemeinschaft der Mit­ unteren Drittel (siehe Abbildung 2). (5) tel- und Großbetriebe des Einzelhandels e.V. in den Preisen des Jahres 1995 2004; Handelsverband Deutschland 2010). Die Zukünftig wird das verfügbare Einkommen (6) Ausgaben für Wohnungsmiete, Betriebskosten eine entscheidende Rolle für die Wahl der Ein­ www.wikipedia.org/wiki/Engel ­ sches_Gesetz und Verkehr lagen deutlich über den Kosten kaufsstätte und das Einkaufsverhalten spielen.

Abbildung 3: Konsumausgaben der privaten Haushalte für ausgewählte Verwendungszwecke

in jeweiligen Preisen 325,32 326,66 (Mrd. EUR) 309,78 311,22 301,14 300

250

200 191,24 187,89 183,29 185,08 177,97

151,95 145,03 149,75 150 138,33 141,83

Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke 100 Wohnungsmiete, Wasser, Strom, Gas u. a. Brenn­ stoffe 50 Verkehr

0 2005 2006 2007 2008 2009

Quelle: Handelsverband Deutschland 2010 18 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass zukünftige und andererseits Premium-Produkten schreitet Rentnergenerationen deutlich weniger Ein­ weiter fort. Das mittlere Preissegment verliert kommen zur Verfügung haben werden als es konstant an Marktanteilen. So hat sich auf der die aktuelle Generation hat. Der Paritätische einen Seite ein Markt für Güter herausgebildet, Wohlfahrtsverband geht davon aus, dass im die der Kunde rationell, schnell und preiswert Jahr 2030 rund zehn Prozent der Rentner von einkaufen will. Auf der anderen Seite ist ein Altersarmut betroffen sein werden. Markt für Güter mit Erlebnisqualität entstan­ den, wo der Konsument das Einkaufen als Teil seiner Persönlichkeit wahrnimmt (LBE 2003). Lebensstile Der hybride Konsument ist dabei in beiden Märkten aktiv. Neben der gestiegenen Nachfrage nach preis­ werten Lebensmitteln etablieren sich jedoch Auch der Internethandel mit Lebensmitteln auch qualitätsorientierte Absatzmärkte. Diese wächst. Derzeit kaufen ca. 4,5 Millionen Deut­ Trends heißen Convenience7, Gesundheit, Bio, sche Lebensmittel über das Internet, dreimal Regionalität und Frische. 30 % der Verbraucher mehr als noch 2009. Nach einer Umfrage des kaufen mehrmals im Monat Fertiggerichte; Branchenverbandes Bitkom wird sich das 43 % der Deutschen achten beim Lebensmittel- Wachstum in den nächsten Jahren fortsetzen. kauf auf einen gesundheitsfördernden Zusatz­ Jeder fünfte Befragte kann sich prinzipiell vor­ nutzen; jeder vierte konsumiert öfter kalorien­ stellen, künftig Lebensmittel online zu kaufen. reduzierte Lebensmittel; mehr als 90 Prozent Besonders jüngere Männer und jüngere User der deutschen Haushalte kaufen einzelne Bio- werden von diesem Angebot angesprochen. Produkte, wie z.B. Eier. Das Bio-Segment er­ Delikatessen, Tiefkühlkost und Weine gehören reicht seit einigen Jahren zweistellige jährliche zu den Topsellern, in Ballungsräumen auch fri­ Wachstumsraten, stellt bislang aber mit einem sche Produkte wie Gemüse und Eier. (Bitkom Anteil von lediglich drei Prozent (5,4 Milliarden 2011) Euro) am Gesamtumsatz des Lebensmittel­ marktes noch einen Nischenmarkt dar (Sprin­ Das oben skizzierte Nachfrageverhalten führt ger 2008). Neben allgemeinen Trends differen­ zu einem verschärften Wettbewerb unter den zieren sich die Verbraucher zunehmend nach unterschiedlichen Vertriebsformen und unter lebensstilbezogenen Gruppen. So richtet bei­ den Anbietern, was auch eine Ausdünnung des (7) Convenience kann in diesem spielsweise die Gruppe der LOHAS (Lifestyle of Angebots zur Folge hat. Die unterschiedlichen Zusammenhang am besten Health and Sustainability) ihre Nachfrage auf Ansprüche und Möglichkeiten zur Teilhabe an mit Bequemlichkeit übersetzt werden. Die Kunden wünschen wirtschaftlich, gesundheitlich und ökologisch der Nahversorgung erfordern differenzierte sich Produkte, die (schnell) sinnvolle Produkte und Dienstleistungen aus. Angebotsstrukturen. Diese bilden sich schon verzehrfertig und bequem, d.h. in unmittelbarer Nähe, erhältlich in Teilen heraus, wie in Kapitel 2.2 bzw. 4.2 sind. Die zunehmende Differenzierung in der Nach­ dargestellt. frage nach einerseits preiswerten Angeboten 19

3 Verkehrsverhalten bei der Versorgung – empirische Analysen

Im Kontext einer nachhaltigen Stadtentwick­ den Geschlechtern in der Einkaufs- und We­ lung spielt die Einsparung von Verkehr, ins­ gehäufigkeit, in den Wegelängen sowie in der besondere motorisiertem Individualverkehr Beteiligung am Einkauf. Unterschied sich der (MIV), eine zentrale Rolle. Die folgenden Ana­ Anteil der Einkaufswege an allen Wegen im Jahr lysen der Daten von „Mobilität in Deutschland 2002 zwischen Frauen (28 %) und Männern (MID) 2008“ weisen auf erhebliche Potenziale (22 %) noch um sechs Prozentpunkte, ist er in zur Einsparung von Verkehr im Einkaufssektor 2008 auf drei Prozentpunkte geschrumpft. Die hin – wenn das lokale Angebot „stimmt“8. Dies Einkaufshäufigkeit von Frauen lag im Jahr 2002 gilt selbst für Pkw-Besitzer, v.a. in städtischen noch um 26 % über der Einkaufshäufigkeit von Umfeldern. Männern (0,50/0,40 je Tag). Bis ins Jahr 2008 hat sich der Vorsprung der Frauen auf 12 % (0,55/0,49 je Tag) reduziert. Auch die zurück­ 3.1 Trends im Einkaufsverkehr gelegte Wegelänge unterscheidet sich nur noch 2002 bis 2008 geringfügig: Bei Männern blieb sie konstant, die Frauen holten auf. Der Mittelwert der Wegelän­ In Tabelle 2 sind einige Eckwerte des Einkaufs­ ge liegt nun bei 5 km. Dies stellt allerdings keine verkehrs vergleichend für 2002 und 2008 dar­ typische Wegelänge beim Einkauf dar, sondern gestellt. Diese zeigen eine deutliche Zunahme wird stark durch lange Wege geprägt. Der Medi­ (8) der Einkaufswege und Einkaufshäufigkeit je an der Wegelänge liegt bei nur 1,9 km (Frauen: Dieses Kapitel beschränkt sich auf Kernergebnisse der Person. Allerdings hat auch die Wegehäufig­ 1,9 km, Männer: 2,0 km). Die Hälfte aller Ein­ Analysen. Eine ausführliche keit insgesamt deutlich zugenommen, was kaufswege ist also kürzer als 1,9 km. Darstellung ist als BMVBS­ Online-Publikation Nr. 08/2011 erhebungsbedingte Veränderungen vermuten veröffentlicht und kann auf den lässt9. Der Anteil der Einkaufswege an allen Die Verteilung auf die Verkehrsmittel blieb im Webseiten des BBSR herunter­ Wegen blieb konstant. Die mittlere Länge der Betrachtungszeitraum weitgehend konstant. geladen werden. Einkaufswege nahm um 3 % zu. Dies entspricht Im Modal Split nimmt der Anteil des Fahrrades einer jährlichen Zunahme von 0,5 %. geringfügig zu (ein Prozentpunkt). Innerhalb (9) des MIV zeigt sich eine leichte Verschiebung In MID 2002 wurden maximal acht Wege je Person in der Auffallend ist die deutliche Angleichung – ins­ zugunsten zu MIV als Fahrer auf Kosten des Wegematrix erhoben (weitere besondere wenn man den kurzen Beobach­ Mitfahrens. Wege nur summarisch), in MID 2008 war es ein Maximum von tungszeitraum in Rechnung stellt – zwischen dreizehn Wegen.

Tabelle 2: Kenngrößen des Einkaufsverkehrs 2002 bis 2008

Einkaufswege alle Wege

Anteil Einkaufshäufig­ Wegehäufigkeit Wegelänge Einkaufswege keit je Person je Person (Mittelwert, km) Wegehäufigkeit* an allen Wegen

2002

männlich 0,40 0,69 5,1 3,15 22%

weiblich 0,50 0,87 4,6 3,13 28 %

alle 0,45 0,79 4,9 3,14 25 %

2008

männlich 0,49 0,83 5,1 3,47 24 %

weiblich 0,55 0,92 4,9 3,46 27 %

alle 0,52 0,88 5,0 3,46 25 %

* Im Wegefragebogen berichtete Wege; ohne regelmäßige berufliche Wege

Quellen: eigene Analysen. Daten: Mobilität in Deutschland. 20 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Die Verteilung auf die Verkehrsmittel blieb im Zwischen den Gemeindegrößen bestehen gra­ Betrachtungszeitraum weitgehend konstant. vierende Unterschiede (Tabelle 3). In den größ­ Im Modal Split nimmt der Anteil des Fahrrades ten Städten geben nur 9 % der Befragten an, geringfügig zu (ein Prozentpunkt). Innerhalb Geschäfte für den täglichen Bedarf schlecht bis des MIV zeigt sich eine leichte Verschiebung gar nicht zu Fuß zu erreichen. In den kleinsten zugunsten zu MIV als Fahrer auf Kosten des Gemeinden ist dies dagegen fast jeder vierte Mitfahrens. (39 %). Durch das Fahrrad wird dies nur parti­ ell aufgefangen, denn noch jeder dritte (31 %) Auch in der Verkehrsmittelnutzung zeigen sich in den Kleinstgemeinden gibt an, Geschäfte Veränderungen im Geschlechterverhältnis. schlecht bis gar nicht mit dem Fahrrad errei­ Diese drücken sich aus in einer Angleichung chen zu können. bei Wegen zu Fuß und mit dem Fahrrad (Zu­ nahme bei den Männern auf Kosten des MIV) und einer leichten Zunahme des MIV-Anteils 3.3 Verkehrsmittelnutzung und bei Frauen. Dadurch schrumpft die Geschlech­ Wegelänge terdifferenz im MIV-Anteil von sechs auf vier Prozentpunkte, im NMIV-Anteil von fünf auf Nahräumliche Erreichbarkeit wurde oben auf zwei Prozentpunkte. der Basis von Selbsteinschätzungen der Befrag­ ten untersucht. Allerdings stellt sich die Frage, bei welchen Entfernungen denn die Erreich­ 3.2 Erreichbarkeit von Einkaufs­ barkeit von Gelegenheiten zu Fuß so gut ist, gelegenheiten dass faktisch zu Fuß gegangen wird. Angaben zur tatsächlichen Entfernung zu den nächsten Im Hinblick auf die Potenziale für Nahmobilität Geschäften liegen in den MID-Daten nicht vor. ist der Anteil von 65 % der Befragten, die Ein­ Im Folgenden wird deshalb die Verkehrsmit­ kaufsgelegenheiten für den täglichen Bedarf telnutzung bei Einkaufswegen in Abhängigkeit sehr gut oder gut zu Fuß erreichen können, von der tatsächlich zurückgelegten Wegelänge als großes, aber auch deutlich verbesserungs­ untersucht. würdiges Potenzial zu bewerten (siehe Tabelle 3). Immerhin fast jeder vierte Befragte (22 %) Dabei ist zu beachten, dass die Verkehrsmittel­ gibt an, Einkaufsgelegenheiten schlecht, sehr nutzung nicht nur von der Länge des einzelnen schlecht oder gar nicht zu Fuß erreichen zu Wegs abhängt, sondern von der gesamten We­ können. Für das Fahrrad fällt dieser Wert auf­ gekette. Deshalb gehen hier nur einfache We­ grund des größeren Bewegungsradius mit 16 % geketten in die Analyse ein, also der Einkauf im etwas geringer aus, liegt aber in einer ähnlichen Umfeld der Wohnung. Als einfach gelten hier Größenordnung. Wegeketten, die von der Wohnung ausgehen

Abbildung 4: Modal Split bei Einkaufswegen 2002 bis 2008 ÖPNV enthält geringe Anteile (0,03%) Fernverkehrsmittel

Wege in % 100

80

60

40 ÖPNV MIV (Fahrer) MIV (Mitfahrer) 20 Fahrrad

zu Fuß 0 Männer Frauen alle Männer Frauen alle

2002 2008

Quelle: eigene Analysen. Daten: Mobilität in Deutschland Verkehrsverhalten bei der Versorgung – empirische Analysen 21

Tabelle 3: Erreichbarkeit von Geschäften für den täglichen Bedarf nach Verkehrsmitteln – Differenzierung nach Gemeindegröße

Gemeindegröße (Einwohner in 1 000)

< 5 5–20 20–50 50–100 100–500 500+ alle

Erreichbarkeit zu Fuß

sehr gut/gut 49 % 59% 66% 66% 75% 79 % 65%

einigermaßen 12 % 14% 14% 14% 13% 12 % 13%

(sehr) schlecht/gar nicht 39 % 27% 20% 20% 12% 9% 22%

Erreichbarkeit mit dem Fahrrad

sehr gut/gut 55 % 69% 75% 76% 79% 86 % 73%

einigermaßen 14 % 12% 11% 11% 8% 6% 11%

(sehr) schlecht/gar nicht 31 % 18% 13% 13% 12% 8% 16%

Quelle: eigene Analysen. Daten: Mobilität in Deutschland.

Tabelle 4: Modal Split bei Einkaufswegen nach Wegelänge und Pkw-Verfügbarkeit Nur nicht-komplexe Wegeketten, die von der Wohnung ausgehen

Wegelänge (km)

bis 0,2– 0,4– 0,6– 0,8– 1,0– 1,5– 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,5 2,0 2–3 3–5 5–7 7–10 10–20 >20

kein Pkw im Haushalt

zu Fuß 94 86 79 89 63 43 41 13 11 2 0 0

Fahrrad 6 10 18 10 18 29 29 34 30 25 28 0

MIV (Mitfahrer) 0 2 0 0 8 2 7 6 12 31 11 26

MIV (Fahrer) 0 0 0 0 3 2 3 1 11 0 1 2

ÖV 1 3 3 2 9 24 21 47 35 42 60 72

Pkw eingeschränkt verfügbar *

zu Fuß 98 84 60 49 43 36 22 20 4 1 1 0 0

Fahrrad 1 13 22 29 31 31 16 18 12 12 2 1 3

MIV (Mitfahrer) 1 3 7 6 12 14 24 26 33 38 45 60 60

MIV (Fahrer) 0 1 10 16 12 17 34 28 39 36 34 26 23

ÖV 0 0 1 1 3 2 4 9 11 13 18 13 15

Pkw jederzeit verfügbar

zu Fuß 86 76 62 54 29 17 14 7 3 1 1 0 0

Fahrrad 4 12 17 20 22 18 15 11 5 3 2 2 0

MIV (Mitfahrer) 0 1 2 2 3 5 7 6 9 9 12 16 22

MIV (Fahrer) 10 11 19 24 44 60 64 74 81 86 82 79 72

ÖV 0 0 0 0 1 0 1 2 2 2 4 2 6

* Pkw im Haushalt, der gelegentlich oder gar nicht zum Fahren verfügbar ist (inkl. Personen ohne Führerschein) kursiv: 37

Quelle: eigene Analysen. Daten: Mobilität in Deutschland. 22 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

und nur aus einem oder zwei Wegen bestehen. Personen ohne Pkw hohe Anteile von rund Komplexe Wegeketten bestehen aus mindes­ 30 %. Dies gilt teilweise auch für Personen in tens drei Wegen in Folge ohne Rückkehr zur motorisierten Haushalten, die aber nicht oder Wohnung. nur gelegentlich auf den Pkw zugreifen kön­ nen. Allerdings liegen bei diesen die höchsten Es liegt nahe, dass die Akzeptanzschwellen für Fahrradanteile in den unteren Entfernungska­ Entfernungen stark variieren, insbesondere in tegorien, während sie bei längeren Wegen eben Abhängigkeit von der Pkw-Verfügbarkeit, aber Zugriff auf den Pkw bekommen, sei es zum auch nach sozialen Merkmalen (Alter, Gesund­ selbst- oder mitfahren. heit), räumlichem Kontext und Versorgungsan­ lass. Auch Personen mit jederzeitigem Zugriff auf ei­ nen Pkw (im Folgenden: Pkw-Besitzer) gehen durchaus zu Fuß – wenn der Weg nicht zu weit ... nach Versorgungsanlass ist. Bereits bei einer Schwelle von 400 m nimmt die Bereitschaft zum Gehen bei Pkw-Besitzern Die Unterscheidung von Versorgungsanlässen deutlich ab. Dennoch geht bis zu einer Entfer­ zeigt den hohen ÖV-Anteil beim Einkaufsbum­ nung von 800 m noch die Mehrheit zu Fuß. Da­ mel, der sich bei Wegen ab etwa 2 km Länge be­ rüber hinaus erreicht das Fahrrad in den Ent­ merkbar macht und ab dieser Entfernung rund fernungskategorien 400 bis 2 000 m beachtliche 20 % einnimmt (ohne Tabelle). Des Weiteren Anteile. Aber bereits ab etwa 800 m nimmt bei treten beim Einkaufsbummel hohe Anteile an Pkw-Besitzern die Nutzung des Pkw stark zu. Wegen zu Fuß bei Wegen bis zu 3 km Länge auf (etwa 19 % in der Kategorie 2–3 km, 28 % bei 1,5–2 km). Offenbar wird der Bummel häufig ... nach Gemeindegröße simultan als Spaziergang betrachtet, besitzt also für viele Personen Freizeitcharakter. Von großem planerischen Interesse ist ein­ mal mehr der räumliche Kontext. Bei einer Auch beim Einkauf „sonstiger Waren“ (nicht Unterscheidung von Gemeindegrößen muss täglicher Bedarf, nicht Einkaufsbummel, son­ aufgrund der unterschiedlichen Motorisie­ dern z.B. Kleidung, Möbel, Hausrat etc.) ist rung und deren zentraler Bedeutung für die der Anteil der Wege zu Fuß bei gegebener Ent­ Verkehrsmittelnutzung die Pkw-Verfügbarkeit fernung höher als beim täglichen Bedarf. Der kontrolliert werden. In Tabelle 5 sind die Ergeb­ insgesamt hohe Fußwegeanteil beim täglichem nisse für Pkw-Besitzer dargestellt, die die größ­ Bedarf liegt also an den kurzen Wegen, während te Gruppe (und die größte Herausforderung) bei längeren Wegen gerade der tägliche Bedarf darstellen. Es wird deutlich, dass vor allem in eher mit dem Pkw erledigt wird, vermutlich we­ Großstädten auch Pkw-Besitzer in stärkerem gen des höheren Transporterfordernisses. Dies Maße als in kleineren Städten und Gemeinden unterstreicht die MIV-erzeugenden Auswirkun­ das Auto stehen lassen, wenn der Weg zum Ein­ gen fehlender Einkaufsmöglichkeiten für den kauf nicht zu lang ist. In den Entfernungsklas­ täglichen Bedarf im Nahraum. sen bis 2 km liegen die Wegeanteile zu Fuß in Städten über 500 000 EW unter Pkw-Besitzern rund 15 Prozentpunkte höher als in den kleins­ ... nach Pkw-Verfügbarkeit ten Gemeinden. Teilweise wird dies dadurch kompensiert, dass in den kleineren Gemein­ Besonders bedeutsam ist die Unterscheidung den bei kurzen Wegen das Fahrrad eine stär­ nach der Pkw-Verfügbarkeit, weil es im Sinne kere Rolle spielt als in Großstädten. Dennoch einer Stärkung des Nahraums und einer Ver­ unterscheiden sich die MIV-Fahrer-Anteile gra­ meidung von MIV eine zentrale Herausfor­ vierend nach den Gemeindegrößenklassen. In derung darstellt, Personen mit Pkw dazu zu kleineren Gemeinden werden auch die kürzes­ bewegen, ihre Wege nicht-motorisiert zurück­ ten Einkaufswege bis 400 m bereits zu 17 % als zulegen. MIV-Fahrer unternommen.

Wie erwartet sind die Fußwegeanteile insbe­ Das räumliche Umfeld scheint also einen star­ sondere bei Personen ohne Pkw im Haushalt ken Einfluss darauf zu haben, ob ein vorhan­ besonders hoch (Tabelle 4). Selbst vier von dener Pkw genutzt wird oder nicht. Ohne dass zehn Wegen zwischen 1 bis 2 km Länge werden hier die entscheidenden Faktoren dafür geklärt noch zu Fuß unternommen, während Pkw-Be­ werden können, dürften die Gründe sowohl sitzer bereits zu zwei Dritteln den Pkw nutzen. im Verkehrssystem als auch in der Stadtstruk­ Ab 1 km Wegelänge erreicht das Fahrrad unter tur zu suchen sein. Zum einen können Park­ Verkehrsverhalten bei der Versorgung – empirische Analysen 23 platzmangel (am Zielort oder zuhause) und Aktivitäten kann es sich auch um kleine Erleb­ hohe Verkehrsdichte ausschlaggebend sein. nisse unterwegs handeln, etwa der Plausch mit Zum anderen ist möglicherweise die hohe dem Nachbarn, der Blick in die Schaufenster Nutzungsvielfalt und -dichte im städtischen oder der kurze – in den Daten nicht berichtete Umfeld für Wege zu Fuß anregender oder – Halt am Kiosk. Ein Einfluss der Qualität des erlebnisreicher. Stärkere Möglichkeiten zur räumlichen Umfeldes auf die Neigung, zu Fuß Kopplung von Aktivitäten zu Fuß sind ein wei­ zu gehen, zeigt sich auch darin, dass bei gege­ terer möglicher Aspekt. Dieser dürfte hier zwar bener Entfernung eher zu Fuß gegangen wird durch die Fokussierung auf einfache Wegeket­ statt den Pkw zu nutzen, wenn die fußläufige ten nicht zum Tragen kommen. Dies gilt jedoch Erreichbarkeit subjektiv als gut oder sehr gut nur oberflächlich betrachtet, denn bei solchen bezeichnet wird.

Tabelle 5: Modal Split nach Wegelänge und Gemeindegröße

Wegelänge (km)

<0,4 0,4–0,8 0,8–1,0 1–2 2–5 >5 alle

< 20 000 Einwohner

zu Fuß 71 56 25 10 4 0 18

Fahrrad 11 21 19 16 4 1 9

MIV (Mitfahrer) 0 1 4 5 6 13 7

MIV (Fahrer) 17 22 52 69 85 84 65

ÖV 0 0 0 0 0 2 1

20 000 – 100 000 Einwohner

zu Fuß 86 57 27 12 5 0 22

Fahrrad 6 20 25 17 9 2 12

MIV (Mitfahrer) 1 3 4 8 9 17 8

MIV (Fahrer) 7 19 44 63 76 78 57

ÖV 0 0 0 0 1 2 1

100 000 – 500 000 Einwohner

zu Fuß 82 60 36 28 7 1 30

Fahrrad 6 14 24 12 6 2 9

MIV (Mitfahrer) 1 2 1 5 8 16 7

MIV (Fahrer) 11 24 38 53 73 74 51

ÖV 0 0 0 1 6 8 3

> 500 000 Einwohner

zu Fuß 95 72 40 22 4 0 37

Fahrrad 4 12 21 16 14 5 12

MIV (Mitfahrer) 0 1 3 7 6 9 5

MIV (Fahrer) 1 15 31 51 69 73 42

ÖV 0 0 6 3 6 14 5

nur Personen mit ständiger Pkw-Verfügbarkeit, nur nicht-komplexe Wegeketten, die von der Wohnung ausgehen Entfernungskategorien zusammengefasst wegen zu kleiner Teilstichproben bei differenzierteren Kategorien.

Quelle: eigene Analysen. Daten: Mobilität in Deutschland. 24 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

3.4 Zusammenfassung der Analyseergebnisse

Die folgende Zusammenfassung berücksichtigt Dominierender Einfluss der Raum­ auch Analyseergebnisse, die hier nicht im De­ struktur tail dokumentiert sind11. Verkehrsverhalten ist zwar raumstrukturell be­ Im Hinblick auf die Potenziale für Nahmobilität einflusst, aber im Allgemeinen überwiegen so­ ist ein Anteil von 65 % der Bevölkerung, die Ein­ zialstrukturelle Einflüsse. Im Gegensatz dazu kaufsgelegenheiten für den täglichen Bedarf wird der Einkaufsverkehr durch raumstruktu­ sehr gut oder gut zu Fuß erreichen können, als relle Kenngrößen dominiert. Dieses Ergebnis großes, aber auch deutlich verbesserungswür­ gilt für Verkehrsmittelwahl, Wegelängen und diges Potenzial zu bewerten. Immerhin fast je­ Verkehrsaufwand, und bleibt auch bei multi­ der vierte (22 %) Befragte gibt an, Einkaufsgele­ variater Kontrolle verschiedener Einflussgrö­ genheiten schlecht, sehr schlecht oder gar nicht ßen stabil. Mit abnehmender Gemeindegröße (11) zu Fuß erreichen zu können. Insbesondere in nehmen die Länge der Einkaufswege und die Eine ausführliche Darstellung den kleinsten Gemeinden gilt dies für fast vier Nutzung des MIV zu. Innerhalb von Gemein­ ist als BMVBS-Online-Publika­ von zehn Personen (39 %). Das Fahrrad kann den sind Einkaufswege in Gebieten guter nah­ tion Nr. 08/2011 veröffentlicht und kann auf den Webseiten dies nur zum kleinen Teil auffangen. räumlicher Erreichbarkeit gravierend kürzer des BBSR heruntergeladen als andernorts und werden häufiger zu Fuß werden. zurückgelegt.

Exkurs

Haben sich die Anforderungen der Bevölkerung an Nahmobilität verändert? Sind heute hinsichtlich Bequemlichkeit, Vernetzung, Gestaltung andere Prinzipien zu verfolgen als noch vor einigen Jahren?

Prof. Dr.-Ing. Christian Holz-Rau, TU Dortmund10

Der Begriff der Nahmobilität hat mit teils sehr vant. Eine barrierefreie oder zumindest eine unterschiedlichem Begriffsverständnis Kon­ barrierearme Gestaltung fördert die Mobilität junktur. Nahmobilität ist nach meinem Ver­ vor allem älterer Menschen und ist damit ein ständnis die Möglichkeit sich komfortabel, si­ zentraler Aspekt ihrer Lebensqualität. Eine gute cher und mit angemessener Geschwindigkeit Führung des Radverkehrs und komfortable Ab­ in der Nähe bewegen zu können. In der Regel stellanlagen erleichtern die Fahrradnutzung für geschieht dies zu Fuß oder mit dem Rad. Von alle. Menschen mit geringen Einkommen be­ besonderer Bedeutung ist Nahmobilität für nötigen zusätzlich ein erschwingliches ÖPNV- Menschen, deren Alltag sich vor allem im Um­ Angebot, um nicht an den Nahbereich gebun­ feld der eigenen Wohnung abspielt – für Ältere, den zu sein. für Kinder, Menschen mit geringen Einkom­ men und für viele Menschen ohne Auto. Stellen Aber gute Bedingungen für die Nahmobilität diese nun besondere Ansprüche? sind nur der halbe Weg zum Ziel. Erst die Ver­ bindung mit Geschäften, Spielplätzen, Ärzten, Für ältere Menschen und Kinder sind vor allem Apotheken, Schulen… in der Nähe schafft Er­ (10) die Aufteilung des Straßenraums, auch unter reichbarkeit und damit die Möglichkeit zu einer Herr Dr. Holz-Rau war Mitglied den Gesichtspunkten Spiel und Aufenthalt, das selbstständigen und aktiven Lebensführung, des projektbegleitenden Expertengremiums damit verbundene Geschwindigkeitsniveau die durch eine engmaschige Gestaltung der des Kfz-Verkehrs und Rücksichtnahme rele- Wegenetze weiter erleichtert wird. Verkehrsverhalten bei der Versorgung – empirische Analysen 25

Dabei spielen auch räumliche Erreichbarkeiten Teilweise deutliche – jedoch abnehmen­ auf mittlerer Maßstabsebene als Konkurrenz de – Unterschiede nach Lebenslage und zur nahräumlichen Ausstattung eine wichtige Lebensstil Rolle. Eine gute nahräumliche Ausstattung er­ höht unter Personen mit Pkw die Bindung an Geschlechterunterschiede im Verkehrsver­ die Wohnumgebung um rund 10 Prozentpunk­ halten für Versorgungszwecke sind im Trend te auf Kosten vor allem von peripheren Ein­ abnehmend und erscheinen teilweise eher kaufszentren und sonstigen Einkaufsorten, die gering, teilweise aber auch sehr deutlich, etwa häufig mit sehr langen Wegen verbunden sind. bei der Betrachtung von Wegeketten oder wenn der Fokus auf junge Familien gelegt wird, in de­ Einzelne Angebote (etwa ein Supermarkt im nen häufig recht traditionelle geschlechtsspe­ Wohnquartier) tragen durchaus zu einer nah­ zifische Arbeitsteilungen vorherrschen. Auch räumlichen Orientierung bei, allerdings we­ andere Merkmale der Lebenslage besitzen teil­ niger stark als eine vielfältige Ausstattung des weise starken Einfluss auf das Verkehrsverhal­ nahräumlichen Umfeldes. Die Wirkung der ten beim Einkauf, etwa das Alter, das Einkom­ Ausstattung wird noch verstärkt durch die in men und die Pkw-Verfügbarkeit (die ihrerseits gemischten Gebieten niedrigere Motorisierung sozial bestimmt ist). sowie die dort stärkere Neigung auch von Pkw- Besitzern, zu Fuß zu gehen (z.B. wegen Park­ Bemerkenswert ist die große Einkaufshäufig­ platzmangel, Verkehrsdichte etc.). keit unter alten Menschen. Selbst Hochbetagte über 75 Jahren kaufen eher häufiger als junge Bis zu einer Wegelänge von 200 m werden Menschen ein und gehen dabei wesentlich rund 90 % der Wege zu Fuß unternommen. häufiger zu Fuß. Die Gründe liegen nicht nur Eine markante Distanzschwelle für das Gehen in fehlender Pkw-Verfügbarkeit, sondern auch zu Fuß liegt bei Pkw-Besitzern bei rund 400 m. in nachbarschaftlichen sozialen Netzwerken, Dies wird bis etwa 800 m teilweise vom Fahrrad Gesundheitsvorsorge und Alltagsorganisation. aufgefangen, aber ab 800 m nimmt der Anteil Alte Menschen sind damit von Einschränkun­ des MIV beim Einkauf stark zu. Unter Perso­ gen nahräumlicher Angebote besonders stark nen ohne Pkw liegen die Schwellen deutlich betroffen. höher, etwa bei 800-1 000 m für das zu Fuß ge­ hen und bei 2 km für den NMIV insgesamt (Fuß Bezüglich der Zielwahl fällt auf, dass Jugend­ und Fahrrad). In kleineren Gemeinden fahren liche, Frauen und Personen ohne Zugriff auf Pkw-Besitzer auch kürzeste Wege zum Einkauf einen Pkw in überproportionalem Maße im wesentlich häufiger mit dem Pkw als in Groß­ Nahraum sowie in integrierten Zentren einkau­ städten. fen. Nahraum und Stadtzentrum ziehen also in sozialer Hinsicht gewissermaßen ‚an einem Durch eine verbesserte nahräumliche Ausstat­ Strang‘. tung mit Gelegenheiten lässt sich nicht nur MIV vermeiden, sondern auch die Zufriedenheit mit Die Einbettung von Einkäufen in komplexe We­ dem räumlichen Umfeld erheblich verbessern. geketten lässt sich im Sinne eines komplexen Vor allem bei Personen ohne Pkw im Haushalt und ‚turbulenten‘ Alltags sowie im Sinne einer nimmt die Zufriedenheit schon bei 400-600 m effizienteren Alltagsgestaltung interpretieren. Luftlinie stark ab. Frauen, Erwerbstätige, Alleinerziehende und generell Personen in Haushalten mit (insbe­ Insgesamt gehen von einer guten Ausstattung sondere kleinen) Kindern koppeln Aktivitäten im fußläufigen Bereich erhebliche Effekte im überdurchschnittlich häufig zu Wegeketten. Sinne einer Stärkung der nicht-motorisierten Diese Personengruppen profitieren besonders Mobilität, Vermeidung von MIV, Verkürzung von durchmischten Raumstrukturen mit viel­ der zurückgelegten Distanzen und Erhöhung fältigen Angeboten auf kleinem Raum. der Zufriedenheit aus. Dies schließt auch Per­ sonen mit uneingeschränktem Zugang zum Die Zufriedenheit mit der nahräumlichen Aus­ Pkw ein. Neben Verkehrseffekten hat eine gute stattung des Wohnumfelds ist sozial eher wenig kleinräumliche Erreichbarkeit auch positive differenziert und hängt in erster Linie von ob­ Auswirkungen auf die Teilhabechancen, die jektiven Raumstrukturen ab. Trotz bestehender Lebendigkeit und die Lebensqualität in den sozialer Unterschiede im Zufriedenheitsniveau Quartieren. profitiert demnach von einer Verbesserung nahräumlicher Angebote im Wesentlichen die 26 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

gesamte Bevölkerung, nicht nur einige Grup­ schnittlich hoch. Diese Gruppen schließen in pen. überdurchschnittlichem Maße Frauen (Allein­ erziehende, junge Mütter, allein lebende ältere Die Qualität der Nahversorgung äußert sich Frauen), Geringeinkommensbezieher und Mi- neben der Zufriedenheit auch in dem Zeit­ granten ein. Diese können von Verbesserungen aufwand, den Personen für Einkaufswege auf der Nahversorgungsangebote in besonderem sich nehmen. Dieser ist insbesondere bei älte­ Maße profitieren. Umgekehrt sind sie von Ein­ ren Menschen und bei Personen ohne Pkw im schränkungen der Nahversorgung besonders Haushalt – und dabei vor allem bei Alleiner­ stark betroffen. ziehenden und jungen Familien – überdurch- 27

4 Handlungsansätze und Instrumente zur Steuerung

4.1 Kommunaler Werkzeugkasten frastrukturelle Ausstattung, den Verkehr, die – bau- und planungsrechtliche Versorgung der Bevölkerung, die Entwicklung Instrumente zentraler Versorgungsbereiche in der Gemein­ de oder in anderen Gemeinden, oder auf das Zur Steuerung und Förderung der Nahversor­ Orts- und Landschaftsbild und den Naturhaus­ gung stehen viele planerische Instrumente zur halt. Großflächigkeit besteht nach der neueren Verfügung, die differenziert nach räumlicher Rechtssprechung des BVerwG, wenn die Ver­ Situation und Art des Vorhabens eingesetzt kaufsfläche12 mehr als 800 m² beträgt. Schädli­ werden können. Ziel muss es sein, dass die che Auswirkungen sind generell anzunehmen, Kommunen von diesen Instrumenten Ge­ wenn die Geschossfläche 1 200 m² überschrei­ brauch machen, sie situationsgemäß einsetzen tet. Oberhalb dieser Grenze muss der (Bau-) und konsequent umsetzen. Zur Verfügung ste­ Antragsteller Anhaltspunkte dafür darlegen, hen die Bauleitplanung und informelle Einzel­ dass entgegen der Vermutung keine negativen handelskonzepte. Eine wichtige Rolle können Auswirkungen zu erwarten sind (Junker/Kühn auch Beteiligungs- und Konsultationsprozesse 2006, S. 90). Umgekehrt muss die Baugeneh­ spielen. migungsbehörde den Nachweis erbringen, dass von dem Ansiedlungsvorhaben dennoch Grundbestandteil des „kommunalen Werk­ negative Auswirkungen ausgehen können, ob­ zeugkastens“ (Junker/Kühn 2006, S. 83) für die wohl die Geschossfläche kleiner als 1 200 m² ist. Steuerung von Einzelhandelsvorhaben sind Aufgrund der Planungshoheit der Kommunen die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten besteht seitens Investoren kein Anspruch auf des allgemeinen Städtebaurechts, die kommu­ die Ausweisung entsprechender Kern- oder nale Bauleitplanung. Die wesentlichen Rechts­ Sondergebiete. Ergebnis der Prüfung kann da­ grundlagen für die Planung und Genehmigung her sein, dass die Kommune das Vorhaben für von Einzelhandelsstandorten finden sich im unzulässig erklärt. Baugesetzbuch (BauGB) und in der Baunut­ zungsverordnung (BauNVO). Neben der allge­ Auch Einzelhandelsbetriebe unterhalb von meinen Ausweisung von entsprechenden Ge­ 800 m² können sich schädlich auf bestehende bieten und der Festsetzung von Art und Maß Zentren, öffentliche Räume und die Nahver­ der baulichen Nutzung in den Bauleitplänen, sorgung auswirken. Insbesondere Lebensmit­ muss im Einzelfall entschieden werden, welche teldiscounter, die knapp unterhalb dieser Grö­ Vorhaben zulässig sind. Die bauplanungsrecht­ ßenschwelle an verkehrsgünstigen Standorten liche Zulässigkeit fällt zunächst hinsichtlich und in Randlagen außerhalb zentraler Versor­ der Baugebietstypen unterschiedlich aus: Ein­ gungsbereiche liegen, können eine zentren­ zelhandelsbetriebe sind grundsätzlich in allen schädigende Wirkung entfalten (Junker/Kühn Baugebietstypen nach § 4 a bis § 9 BauNVO all­ 2006, S. 90). Um dieser Problematik zu begeg­ gemein zulässig. Dagegen können sie in reinen nen, kann die Kommune auf der Grundlage von Wohngebieten nur ausnahmsweise zugelassen § 1 Abs. 5 und Abs. 9 BauNVO bzw. § 9 Abs. 2a werden, wenn sie ausschließlich dem täglichen BauGB in Bebauungsplänen den Einzelhandel Bedarf der ansässigen Bevölkerung dienen ganz oder teilweise ausschließen. Entsprechen­ (BauNVO § 3). de Festsetzungen sind nur aus städtebaulichen Gründen, nicht aus wirtschaftlichen oder aus Wettbewerbsgründen zulässig. Großflächigkeit von Einzelhandelsbetrie­ ben (gemäß BauNVO) Zentrale Versorgungsbereiche

Neben den Gebietstypen richtet sich die Zu­ Insgesamt nehmen zentrale Versorgungs­ lässigkeit von Einzelhandelsbetrieben nach bereiche eine bedeutende Funktion für die (12) ihrer Größe. In § 11 Abs. 3 BauNVO ist fest­ Steuerung der Nahversorgung ein. Die Erhal­ Bei der Berechnung der gelegt, dass bestimmte Einzelhandelsvorha­ tung und Entwicklung zentraler Versorgungs­ Verkaufsfläche sind zusätzlich bestimmte Bereiche, die vom ben generell in Kerngebieten oder speziellen bereiche stellt ein aktuelles und wesentliches Kunden nicht betreten werden Sondergebieten unterzubringen sind. Dies stadtentwicklungspolitisches Anliegen für eine dürfen, wie etwa Thekenberei­ che, der Kassenvorraum oder gilt dann, wenn sie großflächig sind und sich verbrauchernahe Versorgung dar (Söfker 2007, Windfang, einzubeziehen (siehe schädlich auswirken auf die Umwelt, die in­ S. 7). Sie stärken die Innenentwicklung, da die BVerwG – 4 C) 28 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

städtebauliche Entwicklung auf die vorhande­ hand einer Umfrage in NRW: Dort haben 60 % nen Siedlungsbereiche konzentriert wird und aller Städte und Gemeinden angegeben, dass nicht ohne Prüfung von Alternativen neue Flä­ sie Standorte zur Sicherung der wohnungsna­ chen im Außenbereich für bauliche Zwecke in hen Grundversorgung festgelegt haben (Oster­ Anspruch genommen werden (Söfker 2008, S. hage 2006). 1). Kernstück der Novelle aus dem Jahr 2007 hinsichtlich der zentralen Versorgungsberei­ Um Ansiedlungsanfragen des Einzelhandels zu che sind § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB und § 9 Abs. 2a steuern, haben sich institutionalisierte Konsul­ BauGB: Als Planungsgrundsatz setzt § 1 Abs. 6 tationsverfahren wie in Dortmund bewährt. Auf Nr. 4 BauGB fest, dass bei der Aufstellung von der Grundlage des Dortmunder Einzelhandels- Bauleitplänen insbesondere die Erhaltung Masterplans kommen in regelmäßigen Treffen und Entwicklung vorhandener Ortsteile sowie Vertreter der Gewerkschaften, des Einzelhan­ zentraler Versorgungsbereiche berücksich­ delsverband, der IHK und der Verwaltung zu­ tigt werden muss. § 9 Abs. 2a BauGB dient als sammen und diskutieren Vor- und Nachteile zusätzliches planungsrechtliches Feinsteu­ einer möglichen Ansiedlung. Das gemeinsame erungsinstrument für Gebiete innerhalb der Votum wird der Stadtpolitik als Entscheidungs­ im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 grundlage zur Verfügung gestellt. Somit kann BauGB), ohne dass Baugebiete festgelegt wer­ eine höhere Akzeptanz für eine Standortent­ den müssen. Konkret bedeutet dies, dass die scheidung und damit auch für oder gegen die Gemeinde beschränkende Festsetzungen zum Ansiedlung erreicht werden. Einzelhandel treffen kann, um zentrale Versor­ gungsbereiche zu erhalten und zu entwickeln Im Rahmen der „Berliner Gespräche zum Städ­ (Söfker 2007, S. 8). Dabei ist insbesondere ein tebaurecht“, die 2010 zur Vorbereitung der Bau­ städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne planungsrechtsnovelle durchgeführt worden des § 1 Abs. 6 Nr. 11, das Aussagen über die zu sind, wurde angeregt, durch eine Ergänzung erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen des § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB auch die Ausstat­ Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines tung des Gemeindegebiets mit zentralen Ver­ Gemeindeteils enthält, zu berücksichtigen. Die sorgungsbereichen ausdrücklich zu regeln. Ausweisung zentraler Versorgungsbereiche ist Damit kann informellen Zentren- und Einzel­ somit im Zusammenhang mit Einzelhandels- handelskonzepten ein stärkeres rechtliches oder Zentrenkonzepten zu betrachten. Diese Gewicht gegeben werden. Regelungen betonen die planerischen Gestal­ tungsmöglichkeiten der Kommunen, zentra­ le Versorgungsbereiche und die Zulässigkeit Strategische Bebauungspläne entsprechender Vorhaben zu bestimmen und abzugrenzen. Ein geprüftes und abgewogenes Einzelhan­ dels- oder Zentrenkonzept kann auf Grundlage einer geschickten Kombination der seit 2007 (Informelle) Zentren- und Einzelhandels­ geltenden Rechtsgrundlagen § 9 Abs. 2a BauGB konzepte (im Zusammenhang bebaute Gebiete) und § 1 Abs. 5, 6, 8 und 9 BauNVO (bereits überplante Neben formellen Steuerungsansätzen müssen Gebiete) verbindlich geregelt und festgesetzt daher zunehmend städtebauliche Entwick­ werden. Auf ihrer Basis kann ein strategischer lungskonzepte geschaffen und fortgeschrieben Gesamtplan für den Einzelhandel, dessen Gel­ werden, die die zentralen Versorgungsbereiche tungsbereich das gesamte Stadtgebiet umfasst, räumlich und funktional bestimmen. Ein Vor­ erarbeitet und als Satzung beschlossen werden. haben, das einem solchen Konzept in räumli­ Damit können Ansiedlungen an unerwünsch­ cher und funktionaler Hinsicht nicht entspricht, ten Standorten verhindert und geeignete An­ lässt in der Regel schädliche Auswirkungen auf siedlungsstandorte festgesetzt werden. Der das bestehende bzw. planerisch gewollte Zen­ strategische Bebauungsplan soll sowohl einer trengefüge erwarten. Hier kann die Gemeinde an Nachhaltigkeit ausgerichteten Stadtent­ gezielt auf die Nahversorgung einwirken und wicklungspolitik als auch dem ansiedlungswil­ diese räumlich festlegen. Einzelhandels- und ligen Einzelhandel dienen (Schmidt-Eichstaedt Zentrenkonzepte sind Argumentationsgrund­ 2009, S. 54). lage für die Abwehr zentrenschädigender Vor­ haben und für die Beschränkung des zentren­ Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass relevanten Einzelhandels in Randlagen. Die den Kommunen ausreichend Instrumente zur steigende Bedeutung von Einzelhandels- und Steuerung der Nahversorgung vom Gesetzge­ Zentrenkonzepten zeigt sich exemplarisch an­ ber an die Hand gegeben worden sind. Diese Handlungsansätze und Instrumente zur Steuerung 29 müssen jedoch auch genutzt werden. Die Kom­ Das Bauordnungsrecht, für dessen konkrete munalpolitik ist aufgefordert, klare Rahmenbe­ Ausgestaltung und Anwendung die Bundeslän­ dingungen zu formulieren, sich aber an fachli­ der zuständig sind, dient in erster Linie der Ge­ che Empfehlungen zu halten und diese nicht zu fahrenabwehr. Eine Begrenzung von privaten unterlaufen. Akzeptanz dafür wird durch einen Pkw-Stellplätzen im Rahmen von Baugeneh­ institutionalisierten Konsultationsprozess wie migungsverfahren wird in Berlin beispielswei­ z. B. in Dortmund geschaffen. se mit der durch den zusätzlichen Verkehr ver­ ursachten Luftverschmutzung und erhöhten Lärmbelastung begründet, die die Gesundheit Steuerung über den ruhenden Verkehr der Berlinerinnen und Berliner insbesondere an Hauptverkehrsstraßen gefährdet. Eine sol­ Mit dem Bauplanungsrecht kann die Anzahl che Regelung muss jedoch „verhältnismäßig“ von Pkw-Stellplätzen auf den einzelnen Grund­ sein. Dieses erfolgt in der Regel durch den stücken durch textliche Festsetzungen begrenzt Nachweis einer guten ÖPNV-Erschließung. werden. Dieser Weg ist zu wählen, wenn aus städtebaulichen Gründen mit Hilfe der Zu­ Die Pflicht und der Umfang zur Herstellung lässigkeit von Kfz-Stellplätzen Einfluss auf die von Stellplätzen sind in den Landesbauord­ Standortwahl von Einzelhandelsbetriebe ge­ nungen unterschiedlich geregelt. Grundsätz­ nommen werden soll. In Dortmund gibt es z.B. lich können zwei Möglichkeiten unterschie­ in Abhängigkeit vom Zentrenstandort unter­ den werden: Zum einen wird geregelt, ob eine schiedliche Festsetzungen zur Anzahl der Pkw- Stellplatzpflicht besteht, oder ob die einzelnen Stellplätze. Dazu zählt auch die Begrenzung Gemeinden dies selbst regeln können. Zum von Pkw-Stellplätzen, um das Ausweichen von anderen wird geregelt, ob die Gemeinden die Einzelhandelsbetrieben an periphere und flä­ Ermächtigung haben, Stellplätze mit einer chenintensivere Standorte und damit in großer Stellplatzbeschränkung bzw. einem Stellplatz- Distanz zu den Wohngebieten zu verhindern. verbot einzuschränken oder zu untersagen, so­ fern bestimmte Gründe hierfür vorliegen (z.B. verkehrliche Gründe, gute Erschließung durch den ÖV, Minderung der Umweltbelastung).

Exkurs

Brauchen Kommunen Unterstützung bei der Sicherung von Nahversorgung und Nahmobilität?

Stefan Thabe, Stadtplanungs- und Bauordnungsamt, Stadt Dortmund13

Grundlage der Entwicklung der Nahversor­ unerwünschte Entwicklungen machen. Um gung in einer Stadt ist ein politisch beschlosse­ größtmögliche Rechtssicherheit bei allen Ent­ nes Einzelhandelskonzept, das allerdings auch scheidungen zu haben, sollte auf die vorhan­ konsequent angewandt und umgesetzt werden denen bau- und planungsrechtlichen Instru­ muss. Die Erarbeitung sollte in Kooperation mit mente zurückgegriffen werden, die insgesamt den jeweiligen Interessensvertretern, Verbän­ als ausreichend bezeichnet werden können. den etc. erfolgen. Auch in der weiteren prakti­ Dies setzt allerdings einen erheblichen Bear­ schen Arbeit mit dem Konzept empfiehlt sich beitungsaufwand voraus, müssen Bebauungs­ diese kooperative Strategie (z.B. Einrichtung pläne oft erst aufgestellt oder geändert werden! Konsultationskreis Einzelhandel). In der Lo­ Grundsätzlich haben die Kommunen Möglich­ kalpolitik sollte sich zudem die Einsicht durch­ keiten genug, die Einzelhandelsentwicklung gesetzt haben, dass es im gesamtstädtischen im Sinne einer ausgewogenen, zentrenorien­ Interesse ist, die Einzelhandelsentwicklung auf tierten Stadtentwicklung gezielt zu steuern und (13) städtebaulich integrierte Standorte zu konzen­ damit auch die Nahversorgung sicherzustellen, Herr Thabe war Mitglied des projektbegleitenden trieren und dass Abweichungen vom Gesamt­ was sich positiv auf die Nahmobilität auswirkt. Expertengremiums konzept dieses konterkarieren und anfällig für 30 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Tabelle 6: Allgemeine Stellplatzregelungen in den Bauordnungen der Bundesländer

Stellplatzpflicht Stellplatzeinschränkung/-verbot

ja nein ja nein

Stellplätze müssen errichtet Gemeinden regeln selbst, Gemeinden können unter Gemeinden können werden ob es eine Stellplatzpflicht bestimmten Gründen Stell­ Herstellung von Stellplätzen gibt plätze einschränken oder nicht einschränken/unter­ untersagen 14 sagen

Quelle: eigene Darstellung

Fast alle Bauordnungen der Bundesländer 4.2 Praxisbeispiele sind Wegweiser lassen einen gewissen Spielraum bezüglich – Handlungsansätze zur der Anzahl der nachzuweisenden Stellplätze Förderung von Nahversorgung zu. Die Verpflichtung des Einzelhandels, Pkw- und Nahmobilität Stellplätze ausschließlich in Abhängigkeit von der Verkaufsfläche nachzuweisen, widerspricht den Zielen der Nahmobilität und konterkariert Übersicht über Handlungsfelder die Bemühungen, Einkaufswege möglichst zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erledigen. Des­ Über verschiedene Datenbanken sowie Inter­ halb sollten Kommunen die Zahl der zulässigen net- und Literaturrecherchen wurden ca. 70 Stellplätze möglichst begrenzen oder finanziell gute Beispiele recherchiert. Ziel war es Maß­ ablösen lassen. Ein wichtiges Instrument zur nahmen zu identifizieren, die Nahversorgung Förderung der Nahmobilität ist die Pflicht zur und Nahmobilität gleichermaßen fördern oder Schaffung von Fahrradabstellplätzen im Rah­ durch die Förderung des einen auch das ande­ men von Baugenehmigungen (siehe z.B. Bau­ re fördern. Die Beispiele sollten innovativ und ordnung Berlin, § 50). übertragbar sein. Die recherchierten Beispiele wurden folgenden Handlungsfeldern zugeord­ Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung net: des Landes Berlin hat darüber hinaus einen • Verbesserung der Erreichbarkeit, Entwurf für eine Verordnung über Obergren­ • Erhalt und Profilierung des Nah­ zen des Stellplatzbaus für die Innere Stadt versorgungsangebotes, (Innerhalb des S-Bahn-Rings) erarbeitet. Die • Qualifizierung des Straßenraums sowie wesentlichen Ziele dieser Verordnung sind die • Information, Kommunikation und nutzungsabhängige Beschränkung des Kfz- Kooperation. Stellplatzneubaus in den zentralen innerstäd­ tischen Bereichen auf das erforderliche Maß sowie die Begrenzung des zusätzlichen Kfz-Ver­ Eine Übersicht über die recherchierten Maß­ kehrsaufkommens und der damit verbundenen nahmen mit Hinweisen auf weitergehende Umwelt- und Wohnumfeldbelastungen. Die Informationen finden sich in Tabelle 11 im abschließenden Prüfungen zum Erlass dieser Kapitel 7 wieder. (14) Stellplatzobergrenzen-Verordnung sind noch Kann z.B. relevant sein, wenn nicht abgeschlossen. Nach diesem Entwurf der Bauherr Stellplätze für ein Einkaufszentrum errichten will, (Stand: März 2011) ist bei der Genehmigung Verbesserung der Erreichbarkeit um den Kunden Parkmöglich­ von Verkaufsstätten ein Stellplatz pro 75m² keiten zu bieten, die Gemein­ de jedoch aus bestimmten Bruttogeschossfläche zulässig. Bei einem Dis­ Maßnahmen in diesem Handlungsfeld wirken Gründen nur eine begrenzte counter mit 750 m² wären damit in der Berliner unmittel- oder mittelbar auf die Förderung der Anzahl bzw. keine Herstellung Innenstadt nur zehn neue Stellplätze erlaubt. Nahmobilität, weniger auf die Förderung der von Stellplätzen für angemes­ sen hält. Die Verordnung soll auch für andere größere Nahversorgung. Auf die Förderung der Nahmo­ Verkehrserzeuger, wie z.B. Freizeiteinrichtun­ bilität zielen Konzepte, die die Wege für Fuß­ (15) gen sowie Büro- und Verwaltungsgebäude, gänger und Fahrradfahrer sowie das öffentliche Informationen von Joachim gelten15. Nahverkehrsnetz analysieren, Maßnahmen Krey, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, zur Verbesserung entwickeln und damit die Gruppenleiter: Projekte StEP Lebensqualität in dem entsprechenden Gebiet Verkehr erhöhen. Handlungsansätze und Instrumente zur Steuerung 31

Abbildung 5: Handlungsfelder zur Förderung von Nahversorgung und Nahmobilität

Förderung der Förderung der Nahmobilität Nahversorgung

Verbesserung der Erreichbarkeit

Erhalt und Profilierung Nahversorgungsangebot

Qualifizierung Straßenraum

Information, Komunikation, Kooperation

Quelle: eigene Darstellung

Die Ludwigsvorstadt–Isarvorstadt in München tel das sichere und ebenerdige Abstellen von ist eng bebaut und ihre öffentlichen Räume Fahrrädern (siehe Steckbrief VE2). Solche An­ sind durch Konkurrenzen unterschiedlicher gebote entsprechen den heutigen Sicherheits­ Verkehrsträger geprägt. Unter Berücksichtigung anforderungen vor Diebstahl, Vandalismus der Ansprüche von Fußgängern, Fahrradfah­ und Witterungseinflüssen und bieten so einen rern und von Inline- sowie Rollerfahrern wur­ Zusatznutzen zu den klassischen Fahrradab­ den in einem Stadtviertelkonzept (siehe Kapitel stellmöglichkeiten (Fahrradständer, Fahrrad­ 7, Steckbrief VE8) einfache und kostengünstige bügel etc.). Eine Lufttankstelle für Fahrräder Maßnahmen erarbeiten. Damit wurden schwä­ wie in der Fahrradstadt Münster (siehe Steck­ chere Verkehrsteilnehmer in den Mittelpunkt brief VE4) oder mobile Waschanlagen sind der Verkehrsplanung gestellt. zusätzliche Serviceleistungen, mit denen sich Kommunen oder andere Akteure profilieren Die Schaffung infrastruktureller Vorausset­ können. zungen zur Verbesserung der Fahrrad- und Fußgängerinfrastruktur wirken direkt auf die Nahmobilität. Dazu gehören die fußgänger- und fahrradfreundliche Gestaltung von Ein­ kaufs- und Zufahrtsstraßen hinsichtlich Belag und Barrierefreiheit oder die Ausweisung von Fahrradstraßen ebenso wie Bevorrechtigungs­ schaltungen an Fußgänger- und Fahrradam­ peln wie z.B. in Lemgo (siehe Steckbrief VE1). Durch diese Maßnahmen werden die Wege sicherer, bequemer und schneller. Zur fußgän­ ger- und fahrradfreundlichen Gestaltung zählt auch die Sicherstellung der uneingeschränk­ ten Nutzbarkeit, wie beispielsweise durch die Beräumung der Fahrradwege im Winter sowie das Durchsetzen von Parkverboten auf Fußgän­ ger- und Fahrradwegen.

Ergänzend gibt es kleinere Maßnahmen: In Ge­ päcksafes unterschiedlicher Größen können Fahrradhelme, Einkaufstaschen oder ganze Fahrräder (siehe Steckbrief VE3) untergebracht werden. In Hamburg ermöglichen Fahrrad­ Foto: Stephan Günthner, BBSR Radfahrerdruckknopf in Lemgo häuschen im Straßenraum dicht bebauter Vier­ 32 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Verschiedene, meist kleinere Städte und Ge­ Lebensmitteln zu beachten. Ein erfolgreicher meinden haben Marktbusse eingerichtet, die Lieferservice wurde in Mülheim a. d. Ruhr auf­ zu bestimmten Zeiten oder Tagen in der Woche gebaut. Dieser wird überwiegend von Perso­ Ortsteile, in denen es kein Nahversorgungsan­ nen ohne Pkw in Anspruch genommen (siehe gebot gibt, mit Einkaufseinrichtungen verbin­ Steckbrief VE7). den (siehe Steckbrief VE5). In anderen Kom­ munen sind Anrufsammeltaxis eingerichtet Weitere Maßnahmen: worden. Solche Maßnahmen zielen darauf ab, vorhandene Verkehrssysteme besser zu nutzen Beteiligung von Bürgern in Planungs- und Instand­ und fehlende Angebote zu kompensieren. Sie haltungsprozessen sind damit notwendige Angebote für mobili­ • Errichtung von 1.000 neue Fahrradbügel zur Schaf­ tätseingeschränkte Menschen. fung neuer, sicherer Fahrradabstellmöglichkeiten in einem Partizipationsprozess, Dresden

Auf die Reduzierung der Pkw-Nutzung zielen • Scherbentelefon, Meldung von Scherben, Verunreini­ gung oder Gefahren auf Fahrradwegen und schnelle auch Carsharing-Konzepte ab. Das Projekt Beseitigung, Offenburg Car2go ist wegen seines flexiblen Einsatzes be­ • Online Portal http://maerker.brandenburg.de mit sonders für den Einkaufsverkehr geeignet. Die dem Bürger ihrer Kommunen mitteilen können, wo Leihautos stehen im gesamten Stadtraum zur es Verunreinigungen, Barrieren, Störungen o.ä. im Verfügung und können überall wieder abge­ öffentlichen Straßenraum gibt, verschiedene Kom­ munen im Land Brandenburg stellt werden. Eine Vorreservierung an einem bestimmten Ort ist möglich. Damit sind Pkws Erleichterte verkehrssystemübergreifende Nutzung sowohl für den geplanten als auch den spon­ • Kostenlose Fahrradmitnahme in ÖPNV für Monats­ tanen Einkauf nutzbar (siehe Steckbrief VE6), karten- und Abobesitzer, Ausbau von Bike+Ride- Stationen, Magdeburg für die Nutzer entfallen die Anschaffungskosten eine eigenen Pkws. • Kostenlose Busticket für Autofahrer, die ihr Auto auf einem Park+Ride-Platz parken (temporär für Weih­ nachtseinkäufe), San Sebastian (Spanien) Fahrradverleihsysteme erleichtern nicht nur • „mobil.punkte“ bringen ÖPNV, Car-Sharing, Fahrrad den Zugang zu Fahrrädern, sie ermöglichen in und Taxi kundenorientiert an einem Standort zusam­ Kombination mit dem ÖPNV auch die Nutzung men, Bremen nur eines Verkehrsmittels für je einen Weg. Es Servicemaßnahmen des Handels gibt viele unterschiedliche Systeme mit oder ohne Anmeldung, mit Erfassung über das Mo­ • probeweise, kostenlose Ausleihe von Fahrradtaschen und Fahrradanhängern zur Erleichterung des Einkau­ biltelefon bzw. als Pfandsysteme, ähnlich de­ fens mit dem Fahrrad, Rostock nen der Einkaufswagen im Supermarkt. Einige • Ausleihe von Quartiersfahrrädern auf Initiative der Systeme sind sehr dienstleistungsorientiert, wie Gewerbegemeinschaft, Berlin-Halensee z.B. in Chemnitz, und beinhalten einen Hol- Informationen zu den Maßnahmen und weitere Bei­ und Bringservice für Leihfahrräder. Unterneh­ spiele zur Verbesserung der Nahmobilität finden sich men bzw. Kommunen setzen in Großstädten in folgenden Publikationen:

ebenso auf Verleihsysteme als Alternative zur • Fahrradportal des Bundesministeriums für Verkehr, Pkw-Nutzung. Das Bundesverkehrsministeri­ Bau und Stadtentwicklung, www.nationaler-radver­ um hat 2009 den bundesweiten Modellversuch kehrsplan.de/praxisbeispiele/ innovative öffentliche Fahrradverleihsysteme • eine Initiative des BUND gestartet, um eine Verlagerung des motorisier­ www.einkaufen-mit-dem-rad.de/index.shtml ten Individualverkehrs auf den Verbund von • Nahmobilität konkret – Was unsere Städte bewegt, Radverkehr und ÖV zu fördern. Zur Förderung Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen e.V. der Nahmobilität sollten Standorte der Aus­ (AGFS), 2008, www.fahrradfreundlich.nrw.de leihstationen Einkaufseinrichtungen berück­ • eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreund­ sichtigen. Mit den Fahrrädern sollten Einkäufe liche Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein- transportiert werden können, etwa indem sie Westfalen e.V. (AGFS) Befestigungsmöglichkeiten für Fahrradkörbe oder gar Anhänger bieten.

Ein letzter Bereich in diesem Handlungsfeld Wirkungen und Effekte sind Lieferdienste, die den Einkauf sammeln und den Kunden zu einer vereinbarten Zeit Maßnahmen zur Verbesserung der Erreich­ gegen ein Entgelt nach Hause liefern. Gerade barkeit mit dem Umweltverbund erhöhen den im Bereich der Nahversorgung haben diese Anteil des nicht-motorisierten Verkehrs am Lieferdienste anspruchsvolle Anforderungen Modal Split nicht zwangsläufig. Oftmals tragen wie beispielsweise Kühlung und Lagerung von die genannten Maßnahmen jedoch zu einer Handlungsansätze und Instrumente zur Steuerung 33 qualitativen Verbesserung und somit zu einer positiven Wahrnehmung von Fuß- und Radver­ kehr bei. Die genannten Maßnahmen zielen in vielen Fällen nicht speziell auf den Einkaufsver­ kehr, sie können aber Widerstände der Nutzung reduzieren, den Komfort erhöhen und durch zusätzliche (Service)Angebote wie z. B. Fahr­ radkörbe bei Leihfahrrädern, den Einkauf mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterstützen.

Insgesamt stellt die Förderung des Fuß- und Fahrradverkehrs einen wichtigen Imagefaktor für Kommunen dar. Aufgrund steigender Ener­ gie- und Verkehrspreise werden entsprechende Verkehrskonzepte einen immer größeren Stel­ lenwert bekommen. Kommunen, die frühzeitig innovative, verkehrsmittelübergreifende und an die jeweilige Situation angepasste Konzepte entwickeln, werden langfristig einen Wettbe­ werbsvorteil haben. Fotos: Werner Kloppman Fahrradstellplätze im Straßenraum durch Umnutzung von Pkw-Stellplätzen in Lemgo

Erhalt und Profilierung des Nahversorgungsangebotes

In den letzten Jahren kommen aufgrund des Zentrum in Barmen wurde über Bürgerkapital Strukturwandels im Lebensmitteleinzelhandel (DORV-Aktien, www.dorv.de), Spenden und sowie eines veränderten Nachfrageverhaltens ehrenamtliches Engagement der Bewohner re­ alternative Nahversorgungsmodelle auf den alisiert (siehe Steckbrief VA1). Markt (siehe Kapitel 2.2 und 4.2): Große Le­ bensmittelketten eröffnen in verdichteten städ- Die Kommunen können die Ansiedlung von tischen Lagen kleinere Geschäfte, die trotzdem Nahversorgern in sensible denkmalgeschütz­ ein breites Sortiment anbieten und auf fußläu- te zentrale Ensembles unterstützen (siehe fige Erreichbarkeit in gewachsenen Quartieren Steckbrief VA2) oder untergenutzte Flächen in ausgerichtet sind (z.B. Rewe City). Selbständige zentralen Bereichen mobilisieren und für die Kaufleute betreiben standardisierte Nahversor- Ansiedlung von Einzelhandel oder anderen gungsgeschäfte als kleine und mittlere Nach- nahversorgungsrelevanten Funktionen vorbe­ barschaftsmärkte (z.B. Edeka nah und gut). reiten. Im Stadtteil Königsborn in Unna wur­ den durch die Verlagerung einer städtischen Vor allem im ländlichen Raum entstehen neue Sportfläche ein Supermarkt sowie ein peripher Versorgungskonzepte, die nicht nur auf Waren gelegener Discounter in eine integrierte Lage des täglichen Bedarfs abzielen, sondern Nah- umgesiedelt. Damit konnte die Angebotsquali­ versorgung auch als Versorgung mit diversen tät und -quantität des Stadtteilzentrums deut­ öffentlichen, halböffentlichen, medizinischen lich verbessert werden (siehe Steckbrief VA3). und privaten Dienstleistungen sowie als wich­ tigen Kommunikationspunkt verstehen. Die Auf eine generelle Verbesserung der Hauptein- Konzepte sind vielfältig und integrieren teilwei- kaufslage zielen Maßnahmen, die durch die se die Beschäftigungsförderung (z.B. Integrati- Revitalisierung von Einkaufszentren eine zeit­ on behinderter Menschen in den CAP-Märkten, gemäße Nahversorgung schaffen. Oft stehen www.cap-markt.de), teilweise zusätzliche Be- zu kleine Geschäftseinheiten und damit ein­ ratungs- und Dienstleistungen (z.B. Ergänzung hergehend ein ungenügender Branchenmix mit Energiedienstleistern oder Krankenkassen sowie eine nicht zeitgemäße Architektur einer wie bei den Komm-In-Märkten, www.komm- nicht ausreichenden Nachfrage gegenüber. In in.de). Die Finanzierung erfolgt teilweise über solchen Fällen kann die Umgestaltung und der eine Anschubförderung des Bundeslandes (z.B. Umbau von bestehenden Einkaufszentren, wie MarktTreff Schleswig-Holstein, www.markt- in -Freiberg, erfolgreich sein (siehe treff-sh.de), durch die Gemeinden oder durch Steckbrief VA4). bürgerschaftliches Engagement. Das DORV­ 34 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Temporäre Angebote wie beispielsweise Wo­ Wirkungen und Effekte chenmärkte sind geeignet bestimmte Nahver­ sorgungslücken zu schließen und spezifische Projekte zur Verbesserung des Nahversor­ Nahversorgungsfunktionen (z.B. Frischartikel, gungsangebots führen zu einem besseren nah­ sozialer und kultureller Treffpunkt) abzude­ räumlichen Angebot an Versorgungseinrich­ cken (siehe Steckbrief VA5). tungen und damit zu kürzeren erforderlichen Distanzen im Einkaufsverkehr. Die Ergebnisse in Kapitel 3.1 zeigen, dass mit zunehmender Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Nahver­ sorgung finden sich in folgender Publikation: Angebotsqualität und –quantität in der Nähe die zurückgelegten Versorgungswege kürzer • DSSW-Leitfaden: Nahversorgung als Basis der Zentrenbildung, Aktuelle Modelle, Strategien und werden und häufiger zu Fuß oder mit dem Konzepte gegen wegbrechende Handels- und Fahrrad zurückgelegt werden. Dienstleistungsnutzungen, DSSW-Schriften 57, Berlin 2007 Die Konzentration von Nahversorgungsan­ geboten sowie der Angebotsmix von Vollsor­ timentern, Discountern oder anderen Ver­

Exkurs

Können alternative Betreibermodelle wie die DORV-Zentren auch in städtischen Milieus funktionieren und wenn ja, wären Sie in der Lage, dort Versorgungslücken zu schließen?

Heinz Frey, Geschäftsführer, DORV – Zentrum GmbH16

Ja – alternative Modelle lassen sich im städti­ 4. Die aktive Einbindung der Bewohner. Nicht schen Bereich umsetzen und dauerhaft betrei­ zuletzt gilt es, den wichtigsten Baustein, die im ben. Doch dieses „JA“ ist von vielen Rahmenbe­ Quartier lebenden Menschen als dauerhafte dingungen abhängig: Nutzer und Kunden zu gewinnen. Die spezielle auf die Wünsche und Lebensumstände ausge­ 1. Die Loslösung von einem reinen „Lebens­ richtete Sortimentierung und gezielte Auswahl mittel-Laden“. Nur ein auf die individuellen des „Mehr-Angebotes“ muss – und das ist un­ Bedürfnisse und Bedingungen des jeweiligen abdingbar – mit den Menschen vor Ort gemein­ Stadtteils exakt zugeschnittenes „Rund-Um­ sam abgestimmt werden. Versorgungs-Zentrum“ ist sozial und wirt­ schaftlich lebensfähig. Ja dann wird es zum 5. Die Auswahl des geeigneten Betreibermo­ Motor der Wiederbelebung des Quartiers. dells: Ob eine bürgerschaftliche, kaufmänni­ sche oder integrative Betreiberlösung für das 2. Die positive Begleitung des neuen „Zent­ neue Versorgungszentrum umgesetzt wird, rums“. Die im Stadtviertel handelnden, wirt­ kann erst nach Abschluss verschiedener Ana­ schaftenden und verantwortlichen Einrichtun­ lysen festgelegt werden. Auch Mischformen gen (Wohnungswirtschaft, Gewerbetreibende, sind möglich. Stadt, Stadtteilarbeit und Quartiersmanage­ ment, Kirchen und Sozialverbände) müssen Inzwischen ist das erste DORV-Zentrum im kooperieren und das neue Versorgungszent­ städtischen Bereich in Aachen-Preuswald er­ rum stärken. öffnet, als sogenanntes Aachener Modell. Alter­ native Betreibermodelle können mehr als eine 3. Die regionale Ausrichtung. Die verlässliche Nischenfunktion übernehmen. Die Menschen, Zulieferung durch den Lebensmittel-Groß­ die durch ihr Verhalten heute schon das schaf­ handel und durch die unterschiedlichen re­ fen und dauerhaft erhalten, was sie selbst erst gionalen Anbieter ist von entscheidender Be­ morgen brauchen, sichern das, was die nicht (16) deutung, um sich vom Einerlei der „Großen“ mehr mobilen Nachbarn schon heute brau­ Herr Frey war Mitglied abzuheben. Damit können mit Qualität und chen: Lebensqualität durch Nähe. des projektbegleitenden Expertengremiums Nähe sogar Wettbewerbs- und Standortvorteile offensiv genutzt werden. Handlungsansätze und Instrumente zur Steuerung 35 sorgungsangeboten (z. B. Dienstleistungen, die Fußgänger Bevorrechtigung haben. Als Be­ Banken und Sparkassen, öffentlichen Einrich­ gegnungszone ist die gesamte Straße (inklusi­ tungen) ist wichtig, um Agglomerationseffekte ve Fahrbahn) ein Treffpunkt für alle Anwohner zu nutzen und damit die Konkurrenzfähigkeit und ein Spiel- und Bewegungsort für Kinder. der Standorte zu stärken. Auch in Frankfurt am Main wurden im Stadtteil Nordend Begegnungszonen geschaffen. In die­ Oft sind die Nahversorgungsangebote erfolg­ sem Zusammenhang wurden auch Sitzrouten reich, die nicht nur auf den reinen Verkauf von für verschiedene Wegeverbindungen erarbei­ Gütern des täglichen Bedarfs abzielen. Ein tet (siehe Steckbrief AS2). Durch verschiedene wichtiges Standbein von Orts- und Stadtteil­ Sitzgelegenheiten auf Einkaufswegen und vor zentren sind Dienstleistungen des Lebensmit­ den Geschäften wird das Einkaufen vor allem telhandwerks, Bank- und Postdienstleistungen für ältere Menschen erleichtert. sowie Friseur, Kosmetik, Pedi-/Maniküre und medizinische Dienste. Neben der funktionellen Weitere serviceorientierte Maßnahmen und Versorgung hat Nahversorgung eine Bedeutung spielerische Aktionen tragen zur Verbesserung als alltägliches Erlebnis zum (unverbindlichen) der Aufenthaltsqualität im Straßenraum und Austausch. Neue Konzepte, die Nahversorgung damit zu längeren Verweilzeiten bei. In Aalen als „Nahvorsorge“ mit dem Lebensmittelein­ stellen beispielsweise unter dem Motto „Nette zelhandel, der öffentlichen Hand und den Toilette“ die Gastronomen in der Innenstadt Bürgerinnen und Bürgern entwickeln, sind ihre Toiletten zur öffentlichen Nutzung zur Ver­ eine Lösung für Standorte, von denen sich der fügung. Die Kommune zahlt einen regelmäßi­ klassische Einzelhandel zurückgezogen hat. gen Reinigungszuschuss an Händler und Gas­ Diese Beispiele zeigen, dass die Einbindung tronomen, die sich im Gegenzug verpflichten, der Bewohner in die Planung, Umsetzung und ihre Toiletten der Öffentlichkeit zugänglich zu Finanzierung ein wichtiger Erfolgsfaktor für machen (siehe http://www.die-nette-toilette. funktionierende Nahversorgungsmodelle in de). In Zürich sollten die Mobilspiele zum kleinflächigem Maßstab ist. spielerischen Umgang mit Mobilität im öffent­ lichen Raum anregen. Zukünftig wird es jedoch Standorte geben, an denen mobile Angebote die einzige Art der Weitere Maßnahmen: Nahversorgung sein kann. • Umgestaltung eines Platzes mit Schaffung von Nahversorgungsmöglichkeiten (im Rahmen des Programms „Platzda“), Düsseldorf Qualifizierung des Straßenraums • Schaffung eines städtischen Platzes zur Verkehrsbe­ ruhigung in den Wohngebieten und als Wochenmarkt Die Qualifizierung des gesamten Straßenraums sowie zur Verbesserung der Erreichbarkeit öffentlicher bekommt in den letzten Jahren in vielen Kom­ Einrichtungen, Berlin munen einen höheren Stellenwert. Zu diesem • Herunterstufen einer Landesstraße und Umbau eines Bereich zählen die gestalterische Aufwertung Platzes zur besseren Zufahrt zur Innenstadt und zur fahrrad- und fußgängerfreundliche Nutzung, Kevelaer der öffentlichen Räume ebenso wie die „ge­ rechtere“ Aufteilung der Flächen. Dies wird Weitere Maßnahmen zur Qualifizierung des Straßen­ raums finden sich in folgenden Publikationen: bereits in zahlreichen Kommunen mit kleinen Maßnahmen umgesetzt. • Gestaltung urbaner Freiräume, Dokumentation der Fallstudien im Forschungsfeld „Innovationen für fa­ milien- und altengerechte Stadtquartiere“, Werkstatt: Deutlich aufwändiger ist der Umbau komplet­ Praxis Heft 61, BBR, Bonn 2008 ter Straßenräume wie z.B. nach dem Shared Space-Ansatz. Charakteristisch für den Ansatz ist das Fehlen von Fahrbahnmarkierungen, Verkehrszeichen und Signalanlagen. In „Shared Wirkungen und Effekte Space“ - oder „gemeinsamen Straßenräumen“ – fügt sich der Autoverkehr rücksichtsvoll ins Maßnahmen zur Qualifizierung und Verände­ Miteinander von Fuß- und Fahrradverkehr; der rung stadträumlicher Gegebenheiten verbes­ öffentliche Straßenraum steht allen Verkehrs­ sern die Nutzbarkeit und Aufenthaltsqualität teilnehmern gleichberechtigt zur Verfügung im öffentlichen Raum für Fußgänger und Fahr­ (siehe Steckbrief AS1). Ähnlich funktionieren radfahrer. Sie fördern damit objektiv und sub­ verkehrsberuhigte Zonen (Spielstraßen) sowie jektiv das Wohlbefinden der Menschen und da­ das Schweizer Modell der Begegnungszone, die mit die Aneignung des öffentlichen Raums. Für allerdings beide auf weniger befahrene Wohn­ viele, gerade ältere Menschen bilden derartige gebietsstraßen ausgerichtet sind und in denen Maßnahmen eine notwendige Hilfestellung, 36 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Fotos: Tiefbauamt der Stadt Zürich Mobilspiele in der Stadt Zürich - Spielerische Interventionen zum Umgang mit Bekanntem, mit dem Thema Mobilität und mit dem öffentlichen Raum.

Wege sicher und bequem zurückzulegen. Eine in Navigationsgeräte. Diese Pläne informieren systematische und konsequente Verkehrspla­ über die Möglichkeiten für den Fußgänger- und nung zugunsten des Fuß- und Fahrradverkehrs Fahrradverkehr und erleichtern die Nutzung in sollte zukünftig im Kontext der kommunalen Freizeit und Alltag. (Beispiel: www.radrouten­ Verkehrsplanung ein größeres Gewicht bekom­ planer.nrw.de und www.nawiki.org) men. Gleichzeitig sind innovative Konzepte wie Shared Space mit einem konsequenten kom­ Spezifisch auf den Einkaufsverkehr zielt die munalen, aber auch bundesweiten Monitoring Kampagne „zu Fuß einkaufen“ in der Schweiz, der Wirkungen zu verbinden. die in Kooperation mit einer regionalen Einzel­ handelskette gestartet wurde (siehe Steckbrief IK1). In Mühlbach am Hochkönig (Österreich) Information, Kommunikation und entwickelte die Gemeinde eine Initiative, die Kooperation die finanziellen und qualitativen Vorteile des Einkaufens vor Ort gegenüber weiter entfernten Zu diesem Handlungsfeld gehören Maßnah­ Standorten aufzeigte. Der BUND unterstützte men, die durch Information und Kommuni­ verschiedene Aktionen mit Kommunen und kation auf eine Verhaltensänderung abzielen Einzelhandelsbetrieben, die zum Einkaufen und motivieren, zu Fuß zu gehen oder mit dem mit dem Fahrrad anregen sollten. So konnten Fahrrad zu fahren. z.B. Kunden den Transport des Einkaufs mit ei­ nem Fahrradanhänger ausprobieren oder sich Rein informativ wirken Fahrrad- oder Fußgän­ Fahrradtaschen ausleihen. Auf Humor setzt die gerstadtpläne. Sie enthalten Informationen Gruppe „Manchester Friends of the Earth“, die über Wege und Routen. Einige Pläne infor­ mit der Kampagne „Love your Bike“ das Rad­ mieren über die Attraktivität und Sicherheit fahren in der Stadt propagiert. sowie die Oberflächen und Steigungen der Wege. Andere enthalten durchschnittliche Die Stadt Bozen fördert das Fahrradfahren Geh- bzw. Fahrzeiten Ergänzt werden die Plä­ durch einen breiten Ansatz. Nach aufwändi­ ne, die entweder digital im Internet oder auch gem Ausbau des Radwegenetzes wurde dieses als Printprodukt erhältlich sind, mit nützlichen offensiv vermarktet. Dazu wurden Maßnahmen Informationen zu Umsteigepunkten zum ÖV, der Information mit einer umfassenden Werbe­ öffentlichen Einrichtungen und Sehenswür­ kampagne kombiniert. Bozen entwickelte ein digkeiten. Digitale Pläne im Internet ermög­ Leitsystem und Fahrradstadtpläne und schuf lichen die Erstellung von Routen nach benut­ Informationsangebote im Wegenetz. Für den zerdefinierten Kriterien und deren Portierung Wiedererkennungswert im öffentlichen Raum Handlungsansätze und Instrumente zur Steuerung 37

Abbildung 6: Kampagne der Manchester Friends of the Earth (www.loveyourbike.org)

wurde ein Logo entwickelt (siehe Steckbrief konzepte (siehe Steckbrief IK4). Ähnlich wie bei IK2). Solche kommunikativen Ansätze sind be­ dem Modell des Business Improvement District sonders wirkungsvoll, wenn Ihnen infrastruk­ wird hier – nur ohne verpflichtende Finanzie­ turelle Verbesserungen voraus gegangen sind. rungsbeiträge – gemeinschaftlich Standortver­ antwortung und –entwicklung übernommen. Maßnahmen, wie das PatenTicket in Köln In funktionierenden Quartieren und Standor­ (siehe Steckbrief IK3) zielen darauf ab, durch ten ist sowohl die Nahversorgung als auch die Empfehlungsmarketing neue Nutzergruppen Nahmobilität gesichert. für den ÖPNV zu gewinnen. Bei dem Beispiel in Köln wurde den Inhabern von Senioren- Weitere Maßnahmen: Zeitkarten eine zweite Zeitkarte angeboten, die Kampagnen die auf Veränderung des Verhaltens sie an Freunde, Verwandte oder Partner weiter abzielen: geben werden konnten, die bisher nicht oder • Kampagne für mehr Gesundheit und Bewegung im wenig den öffentlichen Verkehr nutzten. Dafür Alltag, bundesweit (www.ich-bin-die-energie.de) verpflichteten sie sich, diesen die Nutzung des • the funtheory, Spaß und Freude als Ansatzpunkte zur ÖPNV zu zeigen und mit ihnen zu üben. Verhaltensänderung, Schweden (www.thefuntheory.de)

In anderen Beispielen wurde versucht, durch • Kampagne des BUND „Einkaufen mit Rad“, neue Kooperationsstrukturen auf die Förde­ bundesweit (www.einkaufen-mit-dem-rad.de) rung der Nahversorgung und damit letztlich • Kampagne zu Werbung für den Einkauf vor Ort, auch der Nahmobilität einzuwirken. So macht Aufzeigen von monetären Vorteilen, Mühlbach am beispielsweise die Gemeinnützige Wohnungs­ Hochkönig gesellschaft Bielefeld in – hinsichtlich Nahver­ Kooperative Standortentwicklung: sorgung – unterversorgten Bereichen neue An­ • InnenStadtEntwicklungs-Fonds (ISE-Fonds) zur gebote. Versuchsweise wurden Ladenflächen Initiierung privatwirtschaftlicher Investitionen zur nach­ zu subventionierten Preisen Einzelhändlern haltigen Entwicklung der Innenstadt, Bad Dürkheim zur Verfügung gestellt oder es werden Fahrten im Kleinbus zum nächstgelegenen Supermarkt, der nicht zu Fuß erreichbar ist, angeboten. Die Wirkungen und Effekte Preise richten sich nach den Tarifen im Öffent­ lichen Verkehr. Mit diesen Maßnahmen verbes­ Maßnahmen im Bereich Information und sern sich die Wohnqualität und die Vermietbar­ Kommunikation wirken mittelbar auf die För­ keit der Wohnungen. derung der Nahmobilität und Nahversorgung. Sie sind nur dann sinnvoll, wenn die Infrastruk­ Eine weitere Strategie ist der Aufbau kleinräu­ tur oder das Angebot in einem „vermarktungs­ miger Kooperationsstrukturen zu Standort­ fähigen“ Zustand ist. Realisierte Maßnahmen gemeinschaften. In Eschwege entwickelten zur Verbesserung des Angebots sollten jedoch Hauseigentümer, Geschäftstreibende, Gastro­ immer offensiv kommuniziert werden. In der nomen, Investoren und Bürger gemeinsam in zielgruppengenauen Vermarktung der vorhan­ festgelegten Innenstadtkarrees neue Nutzungs­ denen Angebote, die die Vorteile des Einkaufs 38 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

zu Fuß oder mit dem Fahrrad vermitteln, liegt provement District oder City- und Geschäfts­ noch Potenzial. straßenmanagement sind aus der kooperativen Standortentwicklung nicht mehr wegzuden­ Die Entwicklung von Standorten in neuen Ko­ ken. Die Bildung von Kooperationen erfordert operationsstrukturen wirkt unmittelbar auf die eine hohe Kompetenz sowie finanzielle und Förderung der Nahversorgung. Wie bereits fest­ personelle Ressourcen seitens der Akteure. Oft gestellt, ist ein gutes und vielfältiges Nahversor­ sind diese bei privaten Akteuren, wie Immo­ gungsangebot der Schlüssel zur Förderung der bilieneigentümern oder Gewerbetreibenden, Nahmobilität. Der Aufbau neuer Kooperations­ begrenzt. Bei kleineren Gemeinden verringern strukturen ist heutzutage für die Entwicklung fehlende personelle Ressourcen und die inter­ von urbanen Standorten und neuen Angeboten kommunale Konkurrenz das städtebauliche ein „muss“. Instrumente, wie der Business Im- Steuerungspotenzial.

Exkurs

Welche Handlungsoptionen hat die Wohnungswirtschaft Nahversorgung zu unterstützen?

Norbert Müller, Geschäftsführer, Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH17

Die Wohnungswirtschaft hat ein elementares Engagement eine Versorgungsstruktur auf­ Interesse daran, dass die Nahversorgung, min­ baut, verspricht eher erfolgreich zu sein. Auch destens mit den Dingen des täglichen Bedarfs, die Bereitstellung von Bring- und Holdiensten im Umfeld ihrer Bestände sichergestellt ist. und/oder die Organisation und Bereitstellung Optimal wäre eine weitergehende Versorgung, von Fahrdiensten zum ÖV-Tarif könnte im Ver­ die der steigenden Zahl von Bewohnern mit antwortungsbereich der Wohnungsvermieter Mobilitätseinschränkungen ein selbständiges liegen. Es muss auch über eine technische In­ Leben im gewohnten Wohnumfeld ermöglicht. frastruktur, z.B. unterstützt durch das Internet, Gegenwärtig verschlechtert sich der Zustand nachgedacht werden. Der Sicherstellung von fortlaufend. Die Zahl der „Kleinlädenbetrei­ Nahversorgung kommt eine immer größere ber“ nimmt ständig ab. Die Wohnungswirt­ Bedeutung bei integrierten Stadtentwicklungs­ schaft kann versuchen, die Wirtschaftlichkeit konzepten zu. Hier gilt es mit allen Beteiligten (17) dieser Läden z.B. durch Mietverzichte zu ver­ tragfähige Lösungen zu entwickeln, um eine Herr Müller war Mitglied bessern, dies hat allerdings nur sehr geringen Abkopplung ganzer Gebiete und ihrer Bewoh­ des projektbegleitenden Expertengremiums Erfolg. Die Organisation von Netzwerken, die ner von der gesellschaftlichen Teilhabe zu ver­ semiprofessionell auch durch ehrenamtliches hindern. 39

5 Nahversorgung und Nahmobilität in der kommunalen Praxis

Die in Kapitel 3 und 4 dargestellten fördernden 5.1 Leipzig – Lindenauer Markt oder hemmenden Faktoren zur Sicherung der Nahversorgung wurden in drei Modellkommu­ Der Lindenauer Markt ist mit seiner gründer­ nen auf ihre Praxisrelevanz hin überprüft. Dies zeitlichen Wohnbebauung ein zentraler, stadt­ waren: bildprägender Platz, um den einige Versor­ gungseinrichtungen angesiedelt sind. Er ist ein • Leipzig – Neubau eines großflächigen Ver­ wichtiger ÖPNV-Umsteigeknoten. Baulücken, brauchermarktes in einem Stadtteil der die durch Leerstand und Rückbau entstanden, Gründerzeit (Lindenauer Markt) sind inzwischen durch Zwischenbegrünung und Kunst im öffentlichen Raum aufgewertet. • Lemgo – Neuansiedlung eines Nahversorgers Die Einwohnerentwicklung ist seit einigen Jah­ im historischen Stadtkern ren positiv. Viele jüngere Einwohner schätzen den Ortsteil Lindenau (5 500 EW) einerseits • Wolfsburg – Profilierung eines Stadtteilzen­ wegen vieler kultureller Einrichtungen aber trums (Detmeroder Markt) der 1970er Jahre auch wegen der noch preiswerten Mieten. Der – ebenfalls im Einzugsbereich liegende – In allen drei Modellkommunen wurden zu­ Ortsteil Alt-Lindenau (12 400 EW) weist eine nächst eine Bestandsaufnahme durchgeführt im Vergleich zur Gesamtstadt Leipzig und zum und das Meinungsbild der Anwohner zur Ein­ Ortsteil Lindenau ältere Bevölkerung auf (Stadt kaufs- und Verkehrssituation erhoben. Die Leipzig 2009). Ergebnisse wurden dann mit Investoren, Pro­ jektentwicklern, lokalen Politikern und Fach­ Nahversorgung planern der Verwaltung diskutiert. Eine erste Übersicht bietet Tabelle 7. Trotz der Lagegunst des Standortes und eines tragfähigen Einzugsbereiches von 6 700 Ein-

Foto: Eberhard Mai Lindenauer Markt 2010 40 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

wohnern im Radius von 500 m und 18 000 Ein­ lungsplan Zentren von 2009 ist er als Stadt­ wohnern im weiteren Einzugsbereich (Ortstei­ teilzentrum ausgewiesen (Stadt Leipzig 2009). le Lindenau/ Alt-Lindenau) ist das Stadtgebiet Jedoch sind Ladenleerstände ein Indiz, dass mit Lebensmittelangeboten unterversorgt (0,2 ein sogenannter Magnetbetrieb fehlt, der als m² Verkaufsfläche pro EW im periodischen Frequenzbringer die anderen Einzelhandels­ Bedarf ). Der Lindenauer Markt ist mit einem einrichtungen stärkt und stabilisiert. Dies soll kleinflächigen Nahversorgungsmarkt, einem durch die Ansiedlung eines SB-Warenhauses Drogeriemarkt, einem etablierten Wochen­ mit 3 800 m² Handelsfläche (ca. 250 Stellplät­ markt, kleinen Geschäftseinheiten, einzel­ zen) erreicht werden. Die Baugenehmigung für handelsnahen Dienstleistern sowie Banken das SB-Warenhaus ist auf einer Brachfläche in und Sparkassen ein ausbaufähiger Nahver­ unmittelbarer Nähe des Marktplatzes erteilt. sorgungsstandort. Im Leipziger Stadtentwick- Die Ansiedlung ist in der Bewohnerschaft und

Tabelle 7: Modellstandorte Nahmobilität und Nahversorgung

Leipzig (ca. 515 000 EW) Lemgo (ca. 41 000 EW) Wolfsburg (ca. 121 000 EW) Sachsen Nordrhein-Westfalen Niedersachsen

Standorttyp Lindenauer Markt – historischer Stadtkern Detmeroder Markt – gründerzeitlicher Stadtteil Stadtteil (1970er Jahre)

Problematik/ Integration einer großflächigen fehlende Nahversorgung im Qualifizierung des Stadtteil­ Herausforderung Ansiedlung in vorhandene historischen Stadtkern zentrums Strukturen

Kundenpotential Bewohner 6 700 EW (500 m-Radius) 3 500 EW 7 400 EW (Stadtteil) 18 000 EW (historischer Stadtkern) (Alt-Lindenau/ Lindenau)

Beschäftigte Gesundheitszentrum Westbad – Umnutzung von Wohngebäu­ zwei Theater / Einzelhandel den zu Bürogebäuden (ca. 22 Firmen)

Kennziffern Einzelhandel Verkaufsflächen-Aus­ 705 m² (Lindenauer Markt) 3 880 m² (periodischer 3 770 m² (standortbezogen) stattung periodischer + 3.800 m² (Kaufland 2011) Bedarf ) Bedarf 935 m² (nur Lebensmittel)

Zentralität periodischer 76,6% (Stadtbezirk Alt-West) 106% (Lemgo Stadtgebiet) 61,6 % Bedarf

Kaufkraftbindung – 85% (Lemgo Stadtgebiet) ca. 88% Bindung an den periodischer Bedarf Stadtteil

Verkaufsflächen-Aus­ 0,20 0,26 (nur Lebensmittel) 0,34 stattung periodischer 1,1 (periodischer Bedarf) Bedarf (m²/EW)

Situation Nahversorgung Standort Konsum (kleinflächig), kleinere kleinteilige Angebote und Discounter, Vollsortimenter, Geschäftseinheiten und Wochenmarkt Wochenmarkt Wochenmarkt

Erweitertes verschiedene Discounter Discounter und – Einzugsgebiet Vollsortimenter

Bewertung fehlende Quantität und Quali­ fehlender Nahversorger in mittel- bis langfristige Trag­ tät am Standort, Erweiterung der Innenstadt, Standort fähigkeit der Angebote und notwendig, Ansiedlung überdi­ Hansecenter nicht geeignet für Verkaufsflächen (Größen, mensioniert Ansiedlung Zuschnitte) verbessern

Situation Nahmobilität Fußgänger gutes Fußwegenetz (Aus­ attraktive Wegeverbindungen, attraktives straßenunabhängi­ nahme Querungen einiger überwiegend Fußgängerzone ges Fußwegenetz, Verkehrsachsen) zum Teil weite Wege

Fahrrad gute Radverkehrsbedingungen wichtige Nord-Süd-Achse, attraktives straßenunabhängi­ hohe Frequenzen am Standort ges Fuß- und Radwegenetz

ÖPNV sehr gute Erschließung mit Erschließung mit drei Buslinien gute Erschließung mit Buslinie, Straßenbahn und Bus (je im Radius von 150 bis 340 m Barrierefreiheit mit Umwegen 3 Linien), ÖV-Knoten mit verbunden Taxistand

Bewertung sehr gute Nahmobilitäts­ sehr gute Nahmobilitäts­ Bewältigung der langen Wege bedingungen bedingungen und Barrierefreiheit verbessern

Quelle: eigene Darstellung Nahversorgung und Nahmobilität in der kommunalen Praxis 41

Fotos: Büro für integrierte Planung Berlin (links), Roland Beer (rechts), Baulücke und Wochenmarkt am Lindenauer Markt

in Fachkreisen umstritten. Sie kritisieren die dem Lindenauer Markt. Das Gesprächsange­ Maßstäblichkeit des Projektes und befürchten bot wurde über Pressemitteilungen und Post­ Konkurrenz zu anderen gewachsenen Stand­ karten bekannt gemacht. Weiterhin wurden orten und Einzelsortimenten am Lindenauer ausgewählte Personen (Gewerbetreibende, Markt. Weiterhin nehmen sie eine erhebliche Kulturakteure etc.) gezielt zu einem bestimm­ zusätzliche Verkehrsbelastung an, die über ten Termin auf das „Rote Sofa“ eingeladen. Da­ enge Anliegerstraßen nicht bewältigt werden rauf aufbauend fanden kleinere Gesprächsrun- könne und die Wohn- und Aufenthaltsqualität den zwischen Baudezernenten und Investor beeinträchtige. (13.10.2010), sowie Investor, Stadtverwaltung, IHK und den ansässigen lokalen Akteuren (01.12.2010) statt. Nahmobilität

Die Erreichbarkeit des Lindenauer Marktes ist Abbildung 7: optimal. Als ÖPNV-Umsteigepunkt von drei Postkarte als Werbung für das „Rote Sofa“ Straßenbahn- und drei Bus-Linien frequentie­ ren täglich ca. 6 000 Fahrgäste den Lindenauer Markt. Auch für den Fuß- und Radverkehr sind die Rahmenbedingungen mit Ausnahme der großen Ausfallstraße (Lützener Straße) gut. Der hohe Parkdruck in den Anliegerstraßen mindert jedoch die Aufenthaltsqualität und er­ schwert teilweise das Überqueren der Straßen.

Aufgabenstellung und Vorgehensweise

Im Forschungsprojekt wurden die Handlungs­ spielräume (Sortiment, Parkflächen, Stand­ ortgemeinschaft) für eine stadtverträgliche Integration aus Sicht des zukünftigen Investors und der ansässigen Händler identifiziert. Dabei mussten die kontroversen Positionen berück­ sichtigt werden. Um das aktuelle Einkaufsver­ halten der Anwohner zu ermitteln und mög­ liche Verkehrseffekte beurteilen zu können, wurden am 25.08.2010 Anwohner, Händler und lokale Multiplikatoren zum Gespräch auf das „Rote Sofa“ eingeladen. Das „Rote Sofa“ stand an einem Markttag von 10.00 bis 16.00 Uhr auf Quelle: eigene Darstellung 42 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Tabelle 8: Daten der Befragten in Leipzig

Geschlecht Wohnort Altersgruppen

w m Ortsteil Alt- Außerhalb <20 20–30 31–65 >65 Lindenau Lindenau

44 29 40 30 3 0 7 35 31

Quelle: eigene Erhebung

Ergebnisse Befragung des Lindenauer Marktes zerstören werden und geben an, das geplante SB-Warenhaus bewusst Die Resonanz auf das Gesprächsangebot des boykottieren zu wollen. „Roten Sofas“ war sehr erfreulich. Insgesamt wurden 73 Interviews durchgeführt. Viele An­ wohner würden es begrüßen, wenn eine derar­ Bewertung und Empfehlungen tige Aktion öfter stattfände. Allerdings wurden nicht alle Zielgruppen gleichermaßen erreicht. Die Ansiedlung eines SB-Warenhauses in die­ Insbesondere junge Erwachsene nutzten das ser Größenordnung ist nicht unproblematisch. Gesprächsangebot kaum (siehe Tabelle 8). Zwar können im Rahmen dieses Projektes die Auswirkungen auf den benachbarten Einzel­ Deutlich wurde eine sehr hohe Identifikation handel sowie die verkehrserzeugende Wirkung mit dem Lindenauer Markt. Der Einkauf zu nicht quantifiziert werden, doch erscheinen Fuß oder mit dem Fahrrad ist fast allen Befrag­ Handlungsspielräume ungenutzt. Neben der ten sehr wichtig. 65 % der Einkaufswege legen Dimensionierung der Verkaufsfläche wäre die die Befragten zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu­ Zahl und die Unterbringung der Stellplätze zu rück, obwohl diese Wege häufig deutlich län­ überdenken. Nach der Sächsischen Bauord­ ger als 500 m sind. Der tägliche oder mehrmals nung kann die Gemeinde durch Satzung für wöchentliche Einkauf zu Fuß spielt eine große genau abgegrenzte Teile des Gemeindegebie­ Rolle auch um „aus dem Haus zu gehen“ und tes die Herstellung von Stellplätzen untersagen „Leute zu treffen“. Gerade für soziale Kontakte oder einschränken. Darüber hinaus sind auf­ werden die Markttage sehr geschätzt. Die be­ grund der Ausführung als offenes Stellplatz- fragten Berufstätigen koppeln ihre Einkaufs­ deck und Lärmschutzregelungen Benutzungs­ wege häufig mit den Wegen zur Arbeit und verbote nach 22.00 Uhr nötig. Dadurch können nutzen dafür den ÖPNV. Gleichwohl nutzen z. B. Besucher umliegender Theater die Stell­ sie auch den Pkw insbesondere für den Groß­ plätze nicht nutzen. einkauf oder den Einkauf von Getränken. Die Wege dafür sind teilweise sehr lang und reichen Davon unabhängig wird die stadtverträgliche bis zu den großen Einkaufszentren am Leipzi­ Integration des zukünftigen SB-Warenhauses ger Stadtrand. Gelänge es, diese Einkäufe an nur in einer Koordination verschiedener Maß­ den Lindenauer Markt zu binden, ließen sich nahmen gelingen. Hierzu zählen der Aufbau erhebliche Verkehrseinsparungen erzielen. geeigneter Kooperationsstrukturen, die Weiter­ Haushalte, die keinen Pkw zur Verfügung ha­ entwicklung der Aufenthaltsqualität am Linde­ ben, nutzen zum Einkauf öffentliche Verkehrs­ nauer Markt, die Verbesserung der Rahmenbe­ mittel, müssen aber zum Teil den Fahrpreis dingungen für das Einkaufen zu Fuß und mit „hart“ kalkulieren. dem Fahrrad, die Abstimmung der angebo­ tenen Sortimente im SB-Warenhaus mit den Die Mehrzahl der Befragten (75 %) beurteilte vorhandenen Angeboten der Einzelhändler in den Stadtteil in Bezug auf den Lebensmittelein­ der Nachbarschaft. Die Unterstützung ansässi­ zelhandel als unterversorgt. Deshalb begrüßen ger und die Akquise neuer Gewerbetreibender sie die Ansiedlung eines Vollsortimenters sehr. für den Lindenauer Markt sowie die Bündelung Allerdings können sich ein Fünftel der Befrag­ aller Akteure (Investor/Betreiber des Neubaus, ten mit der aktuellen Versorgungslage gut ar­ Gewerbetreibende, Wohnungseigentümer, Kul­ rangieren und lehnen die Ansiedlung eines gro­ turakteure etc.) sind dabei notwendig. Wichtig ßen SB-Warenhauses ab. Sie befürchten, dass ist auch die verträgliche Erschließung und Ge­ die Dimensionen des Vorhabens die Qualitäten staltung des Kunden- und Lieferverkehrs. Nahversorgung und Nahmobilität in der kommunalen Praxis 43

Für diese und vergleichbare Situationen schlagen wir folgendes Maßnahmenbündel vor:

Koordination verschiedener Fachämter

• Konsultationskreis Einzelhandel: Die integrierte Be­ arbeitung von Ansiedlungsanfragen des Einzelhan­ dels ist insbesondere in größeren Städten mit einer ausdifferenzierten Verwaltung wichtig. Ein bewährtes Beispiel ist der Konsultationskreis Einzelhandel in Dortmund.

Verbesserung der Nahmobilität/Erreichbarkeit

• Sitzrouten: lange Wege zu Fuß zum Lindenauer Markt können mit Sitzrouten bequemer und interessanter gestaltet werden. Sitzmöglichkeiten vor den Geschäf­ ten laden zum Verweilen und Ausruhen ein. Sitzrouten sind gemeinsam mit den Anwohnern, den Händlern und Wohnungseigentümern zu planen und gegebe­ nenfalls zu finanzieren (siehe Steckbrief AS2), Beispiel Frankfurt/M.). In diesem Zusammenhang sollten auch Schwachstellen bei wichtigen Fußgängerquerungen (Hauptverkehrsachsen, nördlich des Marktes) identifi­ ziert und beseitigt werden. Fotos: Büro für integrierte Planung Berlin Befragungen im Rahmen der Aktion „Rotes Sofa“ in Leipzig • Service für Fahrradfahrer: Gepäckschließfächer, Lufttankstellen und eventuell ein Fahrradreparatur­ service im SB-Warenhaus unterstützen den Einkauf mit dem Fahrrad und werten das Verkehrsmittel auf (siehe Steckbriefe Nr. VE4 bzw. VE5).

• Kampagne zu Fuß oder mit dem Fahrrad einkaufen: Die Vorteile des zu-Fuß-Einkaufens können gemein­ sam mit Händlern, Gewerbetreibenden und dem 5.2 Lemgo – SB-Warenhaus beworben werden. Die Maßnahmen könnten mit einer Aktion zur Vermarktung regiona­ historischer Stadtkern ler Produkte („nah tut gut“) verbunden werden. Ein solches Beispiel hat sich im St. Galler Rheintal (siehe Mit der Geschäftsaufgabe eines Discounters Steckbrief IK1) und in Berlin mit einer Kauflandfiliale bewährt (www.einkaufen-mit-dem-rad.de/pm54. in einer innerstädtischen Ladenpassage, dem shtml). Hanse-Center, vor zwei Jahren hat sich der Le­

Verbesserung der Aufenthaltsqualität bensmitteleinzelhandel ganz aus der histori­ schen Innenstadt von Lemgo zurückgezogen. • „Nette Toilette“: Der Aufenthalt auf Plätzen wird für viele Bevölkerungsgruppen wesentlich angenehmer, Mit Ausnahme von Bäckern und einigen Spezi­ wenn öffentliche Toiletten vorhanden sind. Allerdings alitätenläden können sich viele ältere Bewoh­ ist die Unterhaltung öffentlicher Toiletten kaum noch ner der Innenstadt inzwischen nur jenseits der finanzierbar. Das Beispiel „Nette Toilette“ zeigt eine Lösung. historischen Wallanlagen mit Lebensmitteln versorgen. Die Wege dahin sind deutlich län­ Aufbau einer kooperativen Standortgemeinschaft „Lindenauer Markt“ ger als 500 m, große Straßen müssen überquert werden. Die Innenstadt hat derzeit ca. 3 500 • Ansiedlung des SB-Warenhaus als Chance nutzen: Viele Maßnahmen zur Verbesserung des Einkaufs­ Einwohner. Mit zunehmender Alterung der Be­ standortes sind nur in Kooperation öffentlicher und völkerung gewinnt die Innenstadt Lemgo Be­ privater Akteure zu finanzieren und umzusetzen. deutung als Wohnstandort für ältere Menschen. Hierzu sind Standort- oder Werbegemeinschaften eine wichtige Voraussetzung. Ob nun gemeinsame Wer­ Die Stadt beobachtet seit einigen Jahren einen beaktionen gestartet werden, die lokalen Kulturein­ Zuzug älterer Menschen in die Innenstadt. Das richtungen ihr Angebot im SB-Warenhaus vermark­ ten, das Angebotssortiment abgestimmt oder eine Hanse-Center ist in ein städtebaulich bedeutsa­ Gewerbeflächenbörse erarbeitet wird, die gemeine mes Ensemble eingebettet. Nutzung des Parkdecks geprüft oder die Eröffnung des SB-Warenhauses mit einem Auftaktfest als Aktion für den gesamten Standort genutzt wird, die Anlässe und Maßnahmen sind zahlreich. Nahversorgung

Insgesamt ist die Nahversorgung in Lemgo mit einer Handelszentralität von 106 % im periodi­ schen Bedarf quantitativ und qualitativ gut. Al­ lerdings haben typische Konzentrationsprozes­ se im Einzelhandel und Neuansiedlungen an den Ausfallstraßen die Versorgungswege in der Innenstadt verlängert. Ziel der Stadtverwaltung ist deshalb die Wiederansiedlung eines Nah­ versorgers am Standort des Hanse-Center. Als 44 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Abbildung 8: Leitbild Handel

Quelle: Städtebauliches Entwicklungskonzept Innenstadt, Wolters Partner im Auftrag der Stadt Lemgo

einzige Fläche in der Innenstadt besteht dort mune in die „Arbeitsgemeinschaftfahrrad­ das Potenzial für ein Nahversorgungsangebot freundliche Städte, Gemeinden und Kreise in mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 m². Nordrhein-Westfalen“ (AGFS) aufgenommen. Machbarkeitsstudien und städtebauliche Kon­ Per Lkw und Pkw ist das Hansecenter über die zepte für einen Nahversorger mit 1200 m² Ver­ Stiftsstraße erreichbar. Aufgrund der engen kaufsfläche und ca. 60 Stellplätzen im rückwär­ Straßenverhältnisse ist jedoch die Anlieferung tigen Bereich liegen vor. Allerdings hemmen von Waren nicht ganz unproblematisch. bislang die schwierigen Eigentumsverhältnisse (geschlossener Immobilienfonds, 100 Einzelei­ gentümer) wie auch der Modernisierungsstau, Aufgabenstellung und Vorgehensweise die Ladenleerstände im Center sowie in der Nachbarschaft die weitere Entwicklung. Ver­ In Lemgo ist das Nachfragepotential für eine in­ handlungen mit Kaufinteressenten und Inves­ nerstädtische Nahversorgung den Anforderun­ toren sind bislang erfolglos geblieben. gen von Standortentwicklern und Investoren gegenüberzustellen sowie mit den Vorstellun­ gen der Stadt und der Eigentümer abzuglei­ Nahmobilität chen.

Das Hansecenter liegt an der Ecke Breitestra­ Mit einer Passantenbefragung auf dem „Roten ße/Stiftstraße im Süden der historischen In­ Sofa“ an zwei Standorten (Marktplatz, Hanse- nenstadt aber außerhalb des Hauptgeschäfts­ Center) am 13.07.2010 wurde ein Meinungsbild bereiches. Es ist mit allen Verkehrsmitteln (zu bei Anwohnern, Erwerbstätigen und Kunden Fuß, Fahrrad, Bus, Pkw) gut erreichbar. Ein der Innenstadt eingeholt. Ausgewählte Perso­ Großteil der historischen Innenstadt ist als nen aus Verwaltung, verschiedenen Interes­ Fußgängerzone ausgewiesen. Die Breite Straße sensgruppen sowie Gewerbetreibende wurden ist die einzige durchgängige Nord-Süd-Achse gezielt auf das „Rote Sofa“ eingeladen. Mit der der Innenstadt. Sie ist großteils autofrei und Befragung sollte das Einkaufs- und Mobilitäts­ eine wichtige Verbindung für Fußgänger und verhalten sowie das Potenzial für die Neuan­ Radfahrer. Die Stadt Lemgo hat ein prämiertes siedlung eines Nahversorgers in der Innenstadt Stadtbus-System und wurde 2009 als 50. Kom­ ermittelt werden. Die Ergebnisse der Befra­ Nahversorgung und Nahmobilität in der kommunalen Praxis 45

Fotos: Büro für integrierte Planung Berlin Hanse-Center in Lemgo (Vorderansicht, rückwärtige Erschließung v.l.)

gung wurden in einem Werkstattgespräch mit Verbrauchermarkt sowie für Getränke genutzt. Standortentwicklern, potenziellen Betreibern, Berufstätige koppeln Einkaufswege häufig mit Eigentümervertretern und verschiedenen städ­ den Wegen von der Arbeit nach Hause. tischen Akteuren am 28.10.2010 diskutiert. Fast alle Befragten wünschen sich wieder einen Lebensmittelmarkt in der Innenstadt. Die Mei­ Ergebnisse nungen hinsichtlich Preis- und Qualitätsniveau sowie Sortimentstiefe gehen jedoch auseinan­ Die Resonanz auf das Gesprächsangebot auf der. Personen mit geringen finanziellen Spiel- dem Sofa war sehr erfreulich. Insgesamt wur­ räumen – insbesondere Senioren – sind auf den 38 Gespräche geführt. Fast allen Befragten preiswertere Angebote angewiesen, andere be­ ist das Einkaufen zu Fuß oder mit dem Fahrrad vorzugen einen hochwertigen Vollsortimenter. wichtig (Ausnahme: 4 Befragte). Die Befragten schätzen die Qualitäten der historischen Alt­ Mit den Bedingungen für Fußgänger und Rad­ stadt, die zum Bummeln und Einkaufen, aber fahrer ist die Mehrheit sehr zufrieden. Aus ihrer auch zum Verweilen einlädt. Zu Fuß einkaufen Sicht kann häufigeres zu Fuß gehen und Fahr­ hat insbesondere für ältere Menschen zusätz­ rad fahren beim Einkaufen durch ein geeig­ liche Funktionen: es schafft Begegnung und netes Versorgungsangebot induziert werden. Anlässe zu Kommunikation. Für sie ist das als Dieses fehle derzeit jedoch vor allem in der unzureichend erlebte Nahversorgungsangebot südlichen Altstadt. ein gravierender Einschnitt in die Lebensqua­ lität (selbständige Versorgung). Einige sind auf Unterstützung von Nachbarn oder von Ver­ Bewertung und Empfehlungen wandten angewiesen. Das Ergebnis der Diskussion mit Entwicklern Insgesamt ist die Verteilung der gewählten und Betreibern von Einzelhandelsgeschäf­ Fortbewegungsmittel für den Einkauf von Le­ ten (REWE, JIBI, EDEKA) im Oktober 2010 im bensmitteln bei allen Befragten sehr homo­ Rathaus Lemgo war eindeutig: Der Standort gen. Viele der Befragten nutzen das Fahrrad Hanse-Center ist für eine Neuansiedlung eines für Einkäufe am Innenstadtrand und gehen für Nahversorgers nicht geeignet. Die schwierigen den Einkauf von frischen Lebensmitteln in den Eigentümerverhältnisse und die notwendigen Fachgeschäften der Innenstadt zu Fuß. Der Pkw Investitionen in die Immobilie verursachen wird für den Großeinkauf im Discounter bzw. einen erheblichen Aufwand, dem ein quanti-

Tabelle 9: Daten der Befragten in Lemgo

Geschlecht Wohnort18 Altersgruppen (18) Der Wohnort wurde nicht von w m Innen­ Stadt­ Außer­ 20–25 26–50 51–65 66–75 >75 allen angegeben. Deshalb stadt gebiet halb gibt es hier Abweichungen zur 21 17 19 14 2 1 12 12 8 5 Gesamtzahl der Befragten

Quelle: eigene Erhebung 46 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

tativ nicht ausreichendes Nachfragepotenzial Frequenzbringer wie einem dort fehlenden gegenübersteht. Die Entwickler und Betreiber Elektronikmarkt gesehen. Empfohlen wur­ sprachen sich nicht grundsätzlich gegen einen de die Ansiedlung eines City-Konzeptes (auf fußläufig erreichbaren Nahversorgungsstand­ Fußgänger und Fahrradfahrer ausgerichtete ort in der Innenstadt aus: Jedoch müssen an Nahversorger) oder Bio-Supermarktes. Hierzu solchen Standorten hohe Frequenzen erzielt wäre jedoch ein Standort mit hoher Fußgänger­ werden, um den niedrigeren durchschnittli­ frequenz in 1a Lage oder zumindest in unmit­ chen Einkaufswert pro Kunde im Vergleich zu telbarer Nähe zur 1a-Lage nötig. Selbst alterna­ autoorientierten Standorten auszugleichen. tive Ladenmodelle wie z.B. die DORV-Zentren Die Frequenzen der 1b Lage des Hanse-Centers (Steckbrief VA1) wären aufgrund der geringen reichen nicht für den wirtschaftlichen Betrieb Bindung der Bevölkerung an den Standort eines Vollsortimenters oder von Alternativkon­ ebenfalls auf Lagen im Hauptgeschäftsbereich zepten aus. Weitere Argumente waren die Kon­ angewiesen. kurrenz der vorhandenen Vollsortimenter in ca. 1 000 m Entfernung, die geringe Bevölkerungs­ Zur Versorgung mobilitätseingeschränkter, in zahl von 3 500 Einwohnern im Einzugsbereich der Nähe des Hansecenters lebender, älterer und die Einschätzung, dass Berufstätige Ein­ Menschen bieten sich mobile Formen des Han­ käufe eher auf dem Nachhauseweg erledigen dels und Bestell-/Bringdienste an. Eine weitere und damit Standorte außerhalb der Innenstadt Möglichkeit wird in Bielefeld realisiert: Die dor­ aufsuchen. tige Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft bie­ tet ihren Mietern einen Einkaufsbus (Kleinbus) Mögliche Lösungen zur Verbesserung der Nah­ an, der die Bewohner regelmäßig zu Nahver­ versorgung in der Innenstadt wurden in der sorgungseinrichtungen fährt. Das Nutzungs­ Kombination eines Nahversorgers mit einem entgelt entspricht den örtlichen ÖPNV-Tarifen.

Exkurs

Beteiligung „Rotes Sofa“

Die Einladung auf das „Rote Sofa“ hat sich als de „Rotes Sofa“ ist in vieler Hinsicht denkbar: niedrigschwelliges Beteiligungsangebot sehr bewährt. Als Hingucker weckt es Neugier und Das „Rote Sofa“ kann zu unterschiedlichen schafft gleichzeitig eine bequeme, persönliche Tageszeiten an unterschiedliche Standorte im Gesprächsatmosphäre. Viele Bürgerinnen und Stadtteil wandern und erreicht ganz unter­ Bürger fühlen sich angesprochen und moti­ schiedliche Zielgruppen (z.B. Schulen, Kita, viert, ihre Meinung zu äußern. Anders als in Theater, Haltestellen, Seniorenheime, Kranken­ Bürgerversammlungen kommt man so auch häuser, Arbeitgeber). mit weniger wortstarken Menschen ins Ge­ spräch. Allerdings werden mit dieser Methode Das „Rote Sofa“ kann zu einem Schwerpunkt­ Jugendliche oder junge Erwachsene nicht glei­ thema durch die Stadtteile wandern. Die Ge­ chermaßen erreicht. Wahrscheinlich ist diese sprächsergebnisse werden im Internet do­ Zielgruppe eher über digitale Medien wie Fa­ kumentiert; können so nachvollzogen und cebook anzusprechen. Ein weiteres Plus des kommentiert werden. „Roten Sofas“ ist die mediale Aufmerksamkeit. Allein das ungewohnte Bild (Privates im öffent­ Das „Rote Sofa“ kann regelmäßig (z.B. viertel­ lichen Raum) schafft positive Presseresonanz. jährlich) an gleichem Standort stehen und zu wechselnden Themen ein Gesprächsangebot Eine Weiterentwicklung der Beteiligungsmetho­ der Verwaltung an die Einwohner sein. Nahversorgung und Nahmobilität in der kommunalen Praxis 47

5.3 Wolfsburg – eine ausreichende Verkaufsflächengröße auf, Detmeroder Markt sie ist aber auf zwei Ebenen verteilt und damit hinsichtlich der Barrierefreiheit problematisch. Der Wolfsburger Stadtteil Detmerode mit Die Verkaufsfläche des Discounters reicht mit derzeit ca. 7 400 Einwohnern entstand in den 400 m² nicht aus, den Markt langfristig am 1960er Jahren südwestlich der Innenstadt Standort zu sichern. Nach den Ergebnissen nach einem autoorientierten, städtebaulichen des Einzelhandelsentwicklungsplanes Wolfs­ Leitbild. Einige Hochhäuser, viergeschossige burg (CIMA 2010) wurde im periodischen Zeilenbauten, Bungalows sowie Reihenhäuser Bedarf eine Verkaufsflächenausstattung von prägen die Baustruktur. Aufgrund von Leer­ 0,34 m² pro Einwohner sowie eine Zentralität stand und zurückgehenden Einwohnerzahlen von 61,6 % ermittelt. Damit gibt es nach Ein­ wurden Hochhäuser teilweise zurückgebaut schätzung des Einzelhandelsentwicklungspla­ oder in Büroflächen umgewandelt. Die Bevöl­ nes offene Nachfragepotenziale in Höhe von kerungsentwicklung im Stadtteil hat sich mitt­ rund 3,2 Mio. Euro (CIMA 2010). lerweile stabilisiert. Viele ältere Menschen aus der Erbauungszeit prägen den Stadtteil. Aber aufgrund seines differenzierten Wohnungsan­ Nahmobilität gebotes (Einfamilienhäuser, Mietwohnungen) und seiner guten Lage im Grünen findet er Die Bedingungen für Fuß- und Radverkehr sind auch bei jüngeren Bevölkerungsgruppen eine im Stadtteil Detmerode mit einem gut ausge­ Nachfrage. bauten, straßenunabhängigen Fuß- und Rad­ wegenetz vergleichsweise günstig. Der Stadtteil und das Stadtteilzentrum sind mit einer Busli­ Nahversorgung nie gut an die Innenstadt angebunden. Verbes­ serungsbedarf gibt es hinsichtlich der direkten Wie viele Siedlungen dieses Baualters besitzt barrierefreien Erschließung des Zentrums. Die der Stadtteil Detmerode ein Stadtteilzentrum, Bushaltestelle kann nur über eine Treppe oder den Detmeroder Markt, in zentraler Lage. Das über einen größeren Umweg erreicht werden. Versorgungsangebot ist mit einem Discoun­ Weiterhin liegen die südlichen Wohngebie­ ter, einem Vollsortimenter, Apotheken, Opti­ te außerhalb eines Radius von 500 m um das ker, Drogeriemarkt, Stadtteilbibliothek sowie Stadtteilzentrum. Anwohner aus diesen Berei­ zahlreichen einzelhandelsnahen und medi­ chen müssten entsprechend lange Wege zurück zinischen Dienstleistungen umfassend. Ein legen. Pkw-Besitzer weichen daher mit hoher Wochenmarkt ergänzt das Angebot temporär. Wahrscheinlichkeit auf autoaffinere Standorte Die Arztpraxen ziehen auch Bewohner außer­ (vielleicht auch mit attraktiverem Angebot) aus. halb von Detmerode an. Der südliche Teil des Detmeroder Marktes wurde vor Kurzem durch Maßnahmen der Platzgestaltung, Aufstellen Aufgabenstellung und Vorgehensweise von Bänken und Erneuerung des Gehwegbela­ ges deutlich verbessert. Der Detmeroder Markt ist derzeit noch ein eta­ blierter und in der Bevölkerung anerkannter Die Flächen einiger Einzelhandelsbetriebe sind Nahversorgungsstandort. Allerdings weist er langfristig nicht groß genug. Das Ladenlokal einige Schwächen hinsichtlich der baulich ge­ des Vollsortimenters weist zwar mit 1 300 m² stalterischen Situation und der Flächenausstat-

Fotos: Büro für integrierte Planung Berlin Nahmobilität in Detmerode 48 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Tabelle 10: Daten der Befragten in Detmerode

Geschlecht Wohnort Altersgruppen Haushaltgrößen

w m Detmerode andere <20 20–30 31–65 66–75 >75 1 2 3 4 5 Stadtteile

29 21 38 12 1 3 21 14 11 15 21 7 6 1

Quelle: eigene Erhebung

tung der Einzelhandelsbetriebe auf. Die hohe te/Angebote wurden als Ergänzung mehrfach Bindung an das Stadtteilzentrum beruht groß- gewünscht: Bioladen oder Naturkost, Beklei­ teils auf der seit Gründung des Stadtteils dort dung/Schuhe und Postfiliale. Als Schwächen wohnenden Bevölkerung. Zur Bindung wei­ wurden Barrieren, Schmutz und Leerstand terer jüngerer Bevölkerungsgruppen ist eine genannt. Manche wünschen sich eine bessere Profilierung des Angebots erforderlich. Auch Aufenthaltsqualität, sei es durch mehr Grün, Maßnahmen zur Verbesserung der Nahmobi­ Bänke oder gastronomische Angebote (z.B. lität helfen, den Standort langfristig zu sichern. Eisdiele).

Um Stärken und Schwächen des Angebots so­ Entgegen den Erwartungen war es fast allen Be­ wie der Erreichbarkeit des Detmeroder Mark­ fragten wichtig, zu Fuß oder mit dem Fahrrad tes zu identifizieren, wurde eine Passanten­ einkaufen zu gehen. 84 % der Befragten kamen befragung am 26.08.2010 im Stadtteilzentrum zu Fuß oder mit dem Fahrrad zum Detmeroder Detmeroder Markt durchgeführt. Die Kunden Markt. Nur acht (überwiegend jüngeren) von 50 wurden gefragt, mit welchem Verkehrsmittel Befragten ist das Einkaufen zu Fuß nicht wich­ sie einkaufen, welche Angebote fehlen und wie tig. Sie kaufen mit dem Pkw ein. Ältere betonen die Erreichbarkeit verbessert werden könnte. die Vorteile der frischen Luft und Bewegung Insgesamt wurden 50 qualitative Interviews sowie der sozialen Kontakte beim Einkauf zu geführt. Die Ergebnisse berücksichtigen nicht Fuß oder mit dem Fahrrad. Viele Anwohner die Meinungen der Bewohner, die nicht am aus Detmerode legen Wege von mehr als 500 Detmeroder Markt einkaufen gehen. Die Er­ Metern zur Erledigung ihrer Nahversorgung gebnisse der Passantenbefragung sowie die zurück. Für den Großeinkauf und Getränke­ daraus abgeleiteten Empfehlungen wurden einkauf wird der Pkw genutzt. Der Bus spielt am 02.11.2010 in einem Werkstattgespräch mit insbesondere für Bewohner aus dem unterver­ Vertretern der Einzelhändler, des Ortsrates Det­ sorgten Wohngebiet südlich des Detmeroder merode, IHK, Wolfsburger Verkehrsbetriebe Marktes eine wichtige Rolle. Da viele von ihnen (WVG), Wolfsburg Marketing GmbH und den nur über geringe Einkommen verfügen, ist der Geschäftsbereichen Stadtplanung und Baube­ Fahrpreis wichtig. Für eine oder nur wenige ratung sowie Straßenbau und Projektkoordina­ Haltestellen ist Vielen der Normalpreis zu teuer. tion der Stadt Wolfsburg diskutiert.

Bewertung und Empfehlungen Ergebnisse Befragung Das Einkaufszentrum Detmeroder Markt in Die Befragten drückten eine hohe Zufrieden­ Wolfsburg ist ein gutes Beispiel, Wechselwir­ heit und Identifikation mit dem Detmeroder kungen zwischen Nahmobilität und Nahver­ Markt aus. Sie schätzen die gute Anbindung sorgung aufzuzeigen. Noch wird das Stadt­ mit dem ÖPNV, den Wochenmarkt und das teilzentrum von der ansässigen Bevölkerung vielfältige, kompakte Dienstleistungs- und Ein­ angenommen und die Identifikation ist hoch. zelhandelsangebot. Der Detmeroder Markt ist Ein großer Teil der Kunden kommt trotz langer gerade für die älteren Anwohner der zentrale Wege zu Fuß und mit dem Fahrrad. Diese Si­ Versorgungsstandort. Der tägliche Einkauf zu tuation kann sich ändern, wenn das Angebot Fuß spielt eine große Rolle in der Alltagsgestal­ nicht mehr den Bedürfnissen der (zahlreicher tung. werdenden jüngeren) Einwohner entspricht und immer mehr Einkäufe mit dem Pkw an Insgesamt ist der überwiegende Teil der Befrag­ weiter entfernten Standorten erledigt werden. ten mit dem Sortiment sehr zufrieden. Ihnen Dies kann einen Trading-down Prozess in fehlt in der Regel nichts. Einzelne Sortimen­ Gang setzen, der – spätestens wenn der letzte Nahversorgung und Nahmobilität in der kommunalen Praxis 49

Fotos: Büro für integrierte Planung Berlin Einkaufen in Detmerode

Lebensmittelladen schließt – Auswirkungen Verkehrsbetriebe auf Standortqualitäten des gesamten Stadttei­ • Tarifsystem für Einkaufsfahrten kommunizieren: Preis­ les haben kann. werte Fahrmöglichkeiten für den Einkauf wie z. B. Hin- und Rückfahrten innerhalb von 90 Minuten mit einem Fahrtschein sind nicht allen Kunden, die auf den Bus Die Nahversorgung am Detmeroder Markt hat – angewiesen sind, bekannt. Verkehrsbetriebe wie aber das ist ausdrücklich zu betonen – aufgrund der auch die Händlergemeinschaft am Detmeroder Markt sollten diese Möglichkeit offensiver kommunizieren. Einwohnerzahlen im Einzugsbereich langfristig ein wirtschaftlich tragfähiges Potenzial. Nicht Wolfsburg Marketing GmbH und Standortgemein­ schaft nur aus Gründen der Versorgungssicherheit, sondern auch hinsichtlich der verkehrlichen • Entwicklung langfristig tragfähiger Flächengrößen: Mit­ telfristig sind trotz schwieriger Eigentümerverhältnisse Perspektive sind funktionierende Standorte, die Möglichkeiten der Flächenerweiterung, des Flä­ die bislang gut zu Fuß und mit dem Fahrrad chentausches und der Flächenentwicklung zu prüfen erreicht werden können, zu sichern und wei­ und zu nutzen. Wirtschaftlich tragfähige Verkaufsflä­ chen sind für die Tragfähigkeit des Nahversorgungss­ terzuentwickeln. Hierzu schlagen wir ein Bün­ tandortes eine entscheidende Voraussetzung. del an Maßnahmen vor, die von unterschiedli­ • Jüngere Bevölkerungsgruppen an den Standort bin­ chen Akteuren umgesetzt und verfolgt werden den: Um zu verhindern, dass jüngere Bevölkerungs­ sollten: gruppen am Versorgungsstandort Detmeroder Markt „vorbei fahren“, sollten spezifische Angebote für diese Zielgruppe gemacht werden. Dies könnten regionale oder Bio-Produkte, Wochenmärkte und spezifische Stadt Wolfsburg Dienstleistungen sein. Parallel kann in Kampagnen, in Kooperation mit den ansässigen Nahversorgern, • Konsequente Umsetzung des Einzelhandels­ für den Einkaufsstandort in der Nähe sensibilisiert entwicklungsplanes: werden. Stadtteilzentren wie der Detmeroder Markt sind aktiv zu stützen und weiterzuentwickeln. Dazu gehört es, • Kooperative Standortentwicklung fördern: Viele Ansiedlungsanfragen weiterer Einzelhandelsbetriebe Maßnahmen zur Verbesserung eines Einkaufsstand­ außerhalb der Stadtteilzentren z. B. an wichtigen ortes sind nur in Kooperation öffentlicher und privater Verkehrsachsen konsequent abzulehnen und ausge­ Akteure umzusetzen. Hierzu sind Standort- oder wiesene Potenzialflächen für die Bestandentwicklung Werbegemeinschaften eine wichtige Voraussetzung. zu nutzen. Ob nun die Aufenthaltsqualität verbessert, das Ange­ botssortiment profiliert werden soll, oder gemeinsame • Wegequalität zu Fuß und mit dem Fahrrad: Werbeaktionen gestartet werden, das aktuelle Förder­ Die langen Fußwege sollten durch sogenannte „Sitz­ programm „Plätze in Einkaufszentren“ der Wolfsburg routen“ bequemer gestaltet und aufgewertet werden Marketing GmbH und der Stadt Wolfsburg kann ab (siehe Steckbrief AS2). Eine weitere Maßnahme wäre 2011 zum Aufbau kooperativer Standortgemeinschaf­ eine verbesserte Ausleuchtung bestimmter Wegeab­ ten genutzt werden. schnitte.

• Störungen auf Verkehrswegen beheben: Scherben auf Radwegen, Verschmutzungen von Geh­ wegen, Vandalismus an Bänken behindern den Rad- 5.4 Zusammenfassung und Fußverkehr. Wie solche Störungen im öffentlichen Raum vor Ort erkannt und zügig beseitigt werden können, zeigt der „Märker Brandenburg“ Das Einkaufen zu Fuß oder mit dem Fahrrad (www.maerker.brandenburg.de). spielt in allen untersuchten Fallbeispielen, ob

• Barrierefreie Erschließung des Stadtteilzentrums in den Stadtteilen oder der historischen Innen­ sichern: stadt, eine gewichtige Rolle. Passt das Angebot, Auch wenn die barrierefreie Erschließung nach Ansicht wird es genutzt, weil man Zeit spart, Leute trifft der Befragten und der Ortsräte noch nicht das drän­ gendste Problem ist, sollte es bei allen Umgestaltun­ und verschiedene Besorgungen kombinieren gen im Straßenraum auf der Agenda stehen und mit kann. Gleichwohl wägen Kunden sehr bewusst bedacht werden. ab. Großeinkäufe oder Getränkeeinkäufe er­ 50 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

ledigen viele gerne mit dem Pkw. Berufstätige zu versorgen. Da nun zum Einkauf ohnehin kombinieren ihren Einkauf häufig mit den We­ in die nächstgrößere Stadt gefahren werden gen zur Arbeit. muss, senkt dies auch die relative Attraktivität und Überlebenschance des verbleibenden tra­ Ein fehlendes Nahversorgungsangebot indu­ ditionellen Lebensmittelhandwerks (Metzger, ziert insgesamt erheblich Verkehr, da mit dem Bäcker). Auto mitunter sehr weite Wege in Kauf genom­ men werden. Auch Stadtteile in Großstädten sind vom Wan­ del des Lebensmitteleinzelhandels betroffen. Vorhandene Nahversorgungszentren in Stadt­ Waren es in den 1990er Jahren gerade in ost­ teilen mit räumlich gebündeltem Angebot deutschen Kommunen großflächige Einkaufs­ haben gute Chancen ihre Funktion auch in zentren am Stadtrand, die gegen innerstädti­ Zukunft zu erfüllen, wenn sich die Verkaufsflä­ sche Standorte konkurrierten, sind es heute chen den aktuellen Anforderungen der Lebens­ großflächige SB-Warenhäuser, die wie in Leip­ mittelmärkte anpassen lassen, das Angebot und zig-Lindenau in noch unterversorgte Stadtteile Sortiment der Geschäfte sich an den Wünschen drängen. Hier ist vorausschauendes und kon­ und Möglichkeiten der örtlichen Bevölkerung sequentes Handeln der Kommune gefragt, um ausrichtet und keine Konkurrenz im Umfeld Nahversorgungsangebote in die bestehenden geschaffen wird. Aufgrund ihrer zentralen Lage Strukturen zu integrieren. Ein wichtiges Instru­ und etablierten Wegebeziehungen bieten sie ment sind in diesem Zusammenhang abgestuf­ hinsichtlich der Nahmobilität viel Potenzial. te Einzelhandels- und Zentrenkonzepte. Diese Defizite in der Wegequalität, der Wegelänge müssen von der Kommunalpolitik konsequent oder der Barrierefreiheit sollten systematisch umgesetzt werden. In innerstädtischen Ein­ und schrittweise behoben werden. kaufslagen ist das Stellplatzangebot ein wich­ tiger Faktor, um MIV zu induzieren oder auch Nahversorgung ist ein Thema für alle Sied­ zu vermeiden. Die Kommunen sollten die in lungsstrukturen. Die Ansiedlung vieler Dis­ den Landesbauordnungen meist vorhandenen counter und großflächiger Vollsortimenter an Spielräume offensiv nutzen, um Stellplätze zu autoorientierten Standorten hat dazu geführt, begrenzen oder abzulösen. dass die Nahversorgung in vielen (historischen) Innenstädten der Klein- und Mittelstädte fehlt. Die (Neu-)Ansiedlung eines Nahversorgers Der Standort „Innenstadt“ wird damit insge­ ist an mehrere Standortvoraussetzungen ge­ samt geschwächt. Besucher und Beschäftigte knüpft. Vollsortimenter, die auf Fußgängers­ können ihre Wege nicht mit dem (Lebensmit­ tandorte setzen, brauchen sehr hohe Frequen­ tel-)Einkauf koppeln. In kleineren Städten kann zen. Diese setzen in der Regel eine gewisse das Fehlen dieses wichtigen Anziehungspunk­ Stadtgröße von ca. 100 000 Einwohnern voraus. tes zusätzliche Funktionen des Zentrums als Auch Kleinflächenkonzepte brauchen deshalb Erlebnisraum und gastronomischer Standort Mindestfrequenzen, die einen Standort in den gefährden. Hauptgeschäftsbereichen empfehlen lassen.

In Dörfern nimmt die Schließung des einzi­ gen Supermarktes der Bevölkerung die letzte Möglichkeit, sich vor Ort mit Lebensmitteln 51

6 Handlungsempfehlungen für Kommunen

Die wohnungsnahe Versorgung zu sichern und ist vorausschauend zu organisieren. Mithilfe die Rahmenbedingungen des Fuß- und Rad­ einer gezielten Bodenvorratspolitik können verkehrs zu verbessern, ist eine Aufgabe meh­ strategisch wichtige Grundstücke für den Ein­ rerer öffentlicher und privater Akteure. Seitens zelhandel vorbereitet werden. Die Zusammen­ der Kommunen sind verschiedene Ressorts wie legung kleinerer Flächen zu einer größeren die Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehrs­ Einheit und die Suche nach Betreibern, die planung und Wirtschaftsförderung angespro­ auf kleinere Ladeneinheiten spezialisiert sind chen. Auf privatwirtschaftlicher Seite stehen (Nischenkonzepte), sind wichtige Instrumente Investoren, Projektentwickler, Einzelhändler, zur Flächenaktivierung. Kommunen sollten in Gewerbetreibende, Dienstleistende und Im­ der Lage sein, nicht nur auf Ansiedlungsanfra­ mobilieneigentümer. Sie haben weniger das gen zu reagieren, sondern vorausschauend zu Gemeinwohl im Blick als vielmehr ihre jewei­ agieren. ligen wirtschaftlichen Interessen. Schließlich üben Kunden durch ihr Einkaufs- und Ver­ kehrsverhalten eine Marktmacht aus. Um die Integrierte Nahmobilitätskonzepte verschiedenen Interessen, Instrumente und erarbeiten und konsequent umsetzen Maßnahmen aufeinander abzustimmen, zu bündeln und zu koordinieren sind kooperative Nahmobilität und Nahversorgung zu steuern, Verfahren nötig. ist eine integrierte, lokal zu definierende Auf­ gabe, die eine intensive Beteiligung der Ein­ wohner und weiterer Anlieger erfordert. Um Einzelhandels- und Zentrenkonzepte verschiedene meist kleinteilige Maßnahmen zur Steuerung und Sicherung der räumlich, zeitlich und inhaltlich aufeinander Nahversorgung abzustimmen, sind je nach Stadtgröße ge­ samtstädtische oder stadtteilbezogene Ent­ Kommunen sollten Bauland für den großflä­ wicklungskonzepte hilfreich. Eine Stärkung chigen Einzelhandel auf der „Grünen Wiese“ der „Nähe“ bedeutet in dem Zusammenhang, und in anderen nicht-integrierten Lagen nur die Geschwindigkeiten des MIV zu reduzieren beschränkt ausweisen oder (in Abhängigkeit (flächendeckend Tempo 30, fallweise noch ge­ von der Branche) grundsätzlich ausschließen. ringere Geschwindigkeit), den Straßenraum Die jeweilige Landes- und Regionalplanung attraktiv für den Fuß- und Radverkehr zu ge­ sollte dieses Anliegen konsequent unterstüt­ stalten und den Komfort für die Nahmobilität zen. Die Entwicklung der Nahversorgung sollte (Sitzgelegenheiten, Fahrradabstellmöglich­ sich auf die zentralen Bereiche der jeweiligen keiten, Umwandlung von Pkw in Fahrradstell­ Siedlungsgebiete konzentrieren. Ihre Standorte plätze,...) zu erhöhen. sollten in abgestuften Einzelhandels- und Zen­ trenkonzepten festgelegt werden. Die Entwick­ lung und Beschlussfassung dieser Konzepte Dialog innerhalb der Verwaltung sollte für alle Kommunen ein „Muss“ sein. Zur organisieren bauplanungsrechtlichen Sicherung können strategische Bebauungspläne eingesetzt wer­ Die Erarbeitung von integrierten Nahversor­ den. Ihr Geltungsbereich umfasst die gesamte gungs- und Nahmobilitätskonzepten, aber im Zusammenhang bebaute Fläche einer Stadt. auch die Bearbeitung von Ansiedlungsanfra­ Ihr Inhalt steuert die Nahversorgung im kom­ gen des Einzelhandels erfordert eine ressort­ plexen Wirkungsgefüge der Gesamtstadt oder übergreifende Zusammenarbeit. Insbesondere Gemeinde (siehe Kapitel 4.1). in größeren Städten sind die Verwaltungen sehr arbeitsteilig organisiert. Ressortübergreifen­ de Abstimmungen brauchen deshalb immer Angebotsorientierte Flächenentwicklung wieder einen Anlass und Anstoß von außen. durch die Kommune Bewährt haben sich institutionalisierte, re­ gelmäßige Abstimmungsrunden wie z. B. der Die Aktivierung und Entwicklung von Flächen „Konsultationskreis Einzelhandel“ in Dort­ in innerstädtischen Lagen für zukünftige Ein­ mund. zelhandelsansiedlungen oder -vergrößerungen 52 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Gute Beispiele als Mittel zur Kommuni­ Verwaltungsdienstleistungen und service­ kation von Handlungsfeldern und Hand­ orientierte oder altengerechte Wohnangebote lungsansätzen schaffen weitere Frequenz.

Angesichts der unterschiedlichen lokalen Aus­ gangsbedingungen sowie der Vielzahl unter­ Beteiligung, lokale Kooperationen und schiedlicher Maßnahmen, die Nahversorgung Standortgemeinschaften organisieren und Nahmobilität unterstützen können, eig­ nen sich gute Beispiele (siehe Kapitel 7). Nach Verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung Handlungsfeldern systematisiert, können sie der Nahversorgung und Nahmobilität können vorhandene Erfahrungen und vorhandenes nur zusammen mit lokalen Akteuren realisiert Wissen vermitteln. werden. Die Kommune hat in diesem Zusam­ menhang eine koordinierende und steuernde Rolle. Neue Kommunikations- und Beteili­ Stadtteilzentren stärken gungsformen (Stadtteilexkursionen, „Rotes Sofa“) liefern wichtige Impulse, Standorte neu Größere Städte stehen aktuell vor der Aufgabe, wahrzunehmen, Identifikation zu fördern und ihre häufig städtebaulich und funktional in die unterschiedliche Akteure an einen Tisch zu ho­ Jahre gekommenen Stadtteilzentren zu stabili­ len. Neue Kooperationen zwischen öffentlicher sieren und qualitativ weiterzuentwickeln. Die Hand, dem Einzelhandel, halböffentlichen Qualität der Nahversorgungsangebote und ihre Einrichtungen (z.B. Wohnungsgesellschaften, Mischung mit anderen Dienstleistungen sind soziale Träger) und den Einwohnern sind Vo­ wichtig für die Attraktivität und Lebensquali­ raussetzung zur Entwicklung alternativer La­ tät der Stadtteile. Für die Nahmobilität haben denkonzepte. diese Zentren eine wichtige Funktion: die Ver­ kehrsinfrastruktur ist vorhanden und das Ver­ kehrsverhalten zu Fuß, mit dem Fahrrad und Den ÖV auch für die Nahversorgung dem ÖV ist über die Jahre eingespielt. attraktiv gestalten

Auch wenn der ÖV für die Nahversorgung nicht Innenstädte durch Nahversorgung die zentrale Rolle spielt, hat er eine wichtige aufwerten ergänzende Funktion für diejenigen, die aus gesundheitlichen oder Kostengründen keinen Die Nahversorgung hat sich aus vielen Innen­ Pkw besitzen und/oder relativ weite Wege zum städten insbesondere in Klein- und Mittelstäd­ Einkauf zurücklegen müssen. Die kleinräumi­ ten zurückgezogen und ist an autoorientierte ge, barrierefreie Erschließung, ein dichtes Hal­ Standorte ausgewichen. Die Wiederansiedlung testellennetz sowie attraktive Tarife für kurze eines Nahversorgers in der Innenstadt hat er­ Strecken sind sinnvolle Ansätze. hebliche Effekte zur Stärkung der Nahmobilität, da der Wohnstandort Innenstadt aufgewertet wird und Erwerbstätige mit einem Arbeitsplatz in der Innenstadt bzw. andere Kunden zahlrei­ che Wegezwecke mit einem Lebensmittelein­ kauf verbinden können.

Qualifizierung der Nahversorgung in un­ terversorgten dünn besiedelten Bereichen

Nahversorgung muss insbesondere in dünn besiedelten Strukturen mehr bieten als „ein­ kaufen“. In unterversorgten Bereichen ist sie nur durch Kombination vieler Funktionen in räumlicher Nähe tragfähig. Erfolgversprechend sind Zentren, die neben dem Einzelhandel gas­ tronomische und andere Dienstleistungen an­ bieten sowie soziale Dienste, Treffpunkte und Kulturangebote bündeln. Zusätzliche Angebo­ te wie schnelle Internetverbindungen, Online- Handlungsempfehlungen für Kommunen 53

Exkurs

Nahmobilität und Nahversorgung ist ein typisches Handlungsfeld integrierter kommunaler Planung. Oft gefordert, selten realisiert. Gibt es aktuelle Impulse?

Prof. Dr.-Ing. Ulrike Reutter, Forschungsfeldleiterin Mobilität, ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH19

Aufgrund der Entwicklungen im Einzelhandel Nahmobilität zu reagieren. Auf der einen Seite der letzten Jahrzehnte stellt der Zugang zu Wa­ ist die Aufstellung und konsequente Umsetzung ren des täglichen Bedarfs in bestimmten Räu­ kommunaler Einzelhandels- und Zentrenkon­ men und für bestimmte Personengruppen ein zepte von großer Bedeutung, um städtebaulich erhebliches Problem dar. Oft sind weite Wege gewünschte Versorgungsbereiche zu schützen. oder die Benutzung von motorisierten Ver­ Gleichzeitig sollten aber auch Bedingungen für kehrsmitteln nötig, um Geschäfte für Güter des eine bessere Nahmobilität zu Fuß und mit dem täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Getränke Rad geschaffen werden: Dazu gehören in erster sowie Gesundheits- und Drogerieartikel zu Linie die Entschleunigung durch flächenhafte erreichen. Für eine ausreichende Nahversor­ Verkehrsberuhigung und Tempo 30 als inner­ gung kommt es nicht nur auf die Erreichbarkeit örtliche Höchstgeschwindigkeit, flächenhafte bzw. Nähe eines Geschäftes an. Eine funktio­ Fuß- und Radverkehrserschließungen, ausrei­ nierende und qualitativ gute Nahversorgung chende und qualitativ hochwertige Abstellan­ benötigt die Kombination aus Geschäften für lagen für Fahrräder, städtebaulich attraktive unterschiedliche Waren mit anderen Dienst­ Lösungen zur Zugänglichkeit (im wörtlichen leistungseinrichtungen wie bspw. Post, Ärzten Sinn) von Geschäften. Gemeinsame Konzepte oder Apotheken. und Maßnahmen mit den Akteuren des Einzel­ handels zur Förderung des Rad- und Fußver­ Den Kommunen ist das Problem der Nahver­ kehrs wie z. B. Kampagnen „Mit dem Rad zum 19) sorgungssituation durchaus bekannt. Sie su­ Einkauf“ oder das Angebot eines Zustellservice Frau Dr. Reutter war Mitglied des projektbegleitenden chen Strategien und Maßnahmen zur Siche­ erhöhen die Attraktivität von Nahmobilität und Expertengremiums rung der Nahversorgung, um auf den Verlust Nahversorgung. von Nahversorgung, Nutzungsmischung und 54 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

7 Gute Beispiele zum Nachahmen

Der Beispielkatalog stellt vielfältige Praxisbei­ • Angaben zur Organisations-, Akteurs- bzw. spiele dar, die entsprechend der aufgezeigten Trägerstruktur, Handlungsansätze in Kapitel 4.2 auf die För­ • Angaben zur Finanzierung, derung der Nahmobilität und Nahversorgung • Verweise auf Beispiele, die ähnlich agieren abzielen. bzw. für ein ähnliche Problem eine andere Vorgehensweise entwickelt haben sowie Die Tabelle 12 im Anhang enthält eine Viel­ • weiterführende Informationsmöglich- zahl von Maßnahmen mit Hinweisen auf wei­ keiten und Ansprechpartner. tergehende Informationen. Einige der Guten Beispiele sind in einem Steckbrief detailliert Die vorgestellten Beispiele können nicht eins aufgearbeitet. Folgende Angaben sind in den zu eins auf andere Standorte übertragen wer­ Steckbriefen zu finden: den. Je nach Ausgangs- und Problemlage muss die Übertragbarkeit gegebenenfalls auch von • Angaben zum Standort und zum Stand Einzelaspekten geprüft und die Ausrichtung der Umsetzung, der Maßnahme angepasst werden. Wün­ • Projektbeschreibung mit Darstellung des schenswert ist die Kopplung von Maßnahmen Projektstandes, Umsetzungserfahrungen, aus unterschiedlichen Handlungsfeldern im fördernden Faktoren und der Eignung zur Rahmen integrierter Konzepte. Wichtig ist bei Förderung der Nahversorgung und/oder allen Maßnahmen, die intensive Beteiligung Nahmobilität, der betroffenen Akteure beziehungsweise der anzusprechenden Zielgruppen.

Tabelle 11: Übersicht über die Steckbriefe

Verbesserung der Erreichbarkeit

Bevorrechtigung für Radfahrer und Fußgänger Lemgo VE1

Fahrradhäuschen Hamburg VE2

Gespäcksafe für Radfahrer Kitzingen VE3

Lufttankstelle Münster VE4

Marktbus Losheim am See VE5

Cahrsharing car2go Ulm VE6

Heimlieferservice „Shop an go“ Mühlheim/Ruhr VE7

Stadtviertelkonzept Nahmobilität München VE8

Erhalt und Profilierung des Nahversorgungsangebotes

DORV, Dienstleistung und ortsnahe rundum Versorgung Jülich VA1

Ansiedlung eines Discounters in historischer Innenstadt Treuenbrietzen VA2

Flächenmobilisierung im Bestand Unna VA3

Revitalisierung eines Einkaufszentrums Stuttgart VA4

Schillermarkt Berlin VA5

Qualifizierung des Straßenraums

Shared Space Bohmte AS1

Sitzrouten zu und Sitzmöglichkeiten vor Geschäften Frankfurt a.M. AS2

Information, Kommunikation, Kooperation

Kampagne „Zu Fuss Einkaufen“ St. Gallen (Schweiz) IK1

Radverkehrsförderung Bozen (Italien) IK2

Das PatenTicket Köln IK3

Innenstadtkarrees Eschwege IK4

Quelle: eigene Darstellung Gute Beispiele zum Nachahmen 55

Projekt/Maßnahme VE1 Stadt Lemgo Bevorrechtigung für Radfahrer Einwohner ca. 45 000 und Fußgänger Bundesland Nordrhein-Westfalen

Handlungsfeld: Ortsteil Innenstadt Verbesserung der Erreichbarkeit für Einwohner ca. 3 488 den Umweltverbund

Kurzbeschreibung Beobachtungen haben gezeigt, dass noch nicht In Lemgo grenzt eine Wallanlage die Innenstadt alle Nutzer des Walls die Möglichkeit des vor­ von den Außenbezirken ab und bildet einen gezogenen Ampeldruckknopfes kennen und autofreien grünen Ring. Dieser wird stark von damit ihre Wartezeit an der Straßenquerung Radfahrern, Fußgängern und Joggern frequen­ verkürzen können. Daher hat die örtliche Pres­ tiert. Die Wallanlage übernimmt des Weiteren se Informationen zu der neuen Ampelanlage seit langem eine wichtige Verteilerfunktion für veröffentlicht. Zudem hat die Stadt einen Flyer die Radverkehrsverbindungen von den Außen­ erstellt, der seit Juni 2009 im Umlauf ist und den bezirken in die Innenstadt von Lemgo. Um die­ Standort sowie die Funktionsweise des Ampel­ se Funktionen zu stärken und die Wallanlage druckknopfes näher erläutert. für Fußgänger und Radfahrer benutzerfreund­ licher zu gestalten, wurde der Gehweg an zwei Straßenquerungen aufgepflastert: Fußgänger Projektstand und Fahrradfahrer haben hier Vorfahrt, wo­ Die Maßnahmen wurden von Oktober bis Dezember hingegen für den Fahrzeugverkehr eine War­ 2008 realisiert. tepflicht besteht. Vor der Wallanlage hat die Initiatoren, Träger bzw. Organisation Stadt an zwei Kreuzungsstellen einen vorge­ zogenen Ampeldruckknopf für Fußgänger und Träger: Stadt Lemgo Umsetzung: Planungsgemeinschaft Verkehr (PGV) Fahrradfahrer installiert. Dieser befindet sich einige Meter vor der Straßenquerung, so dass Finanzierung Fußgänger und Radfahrer im Vorbeilaufen bzw. Die Kosten für die baulichen Änderungen (Aufpflaste­ Vorbeifahren die Grünanforderung frühzeitig rung) belaufen sich insgesamt auf rund 96 000 Euro; die Arbeiten an der Ampelanlage haben rund 8 000 Euro tätigen können. Sind sie an der Straßenquerung gekostet. Die Stadt hat die Umbaumaßnahmen aus angelangt, schaltet das Ampelsignal auf Grün. Haushaltsmitteln finanziert. Hierdurch verkürzt sich die Wartezeit für den Kontaktdaten Fuß- und Radverkehr. Dietmar Fillies Radverkehrsbeauftragter Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … Alte Hansestadt Lemgo 5.661 - Tiefbau … die Maßnahmen (Aufpflasterung, vorgezo­ Heustraße 36-38 gener Ampeldruckknopf) den Fußgängern und 32657 Lemgo Fahrradfahrern die Benutzung der Wegeverbin­ Telefon: +49 (0)5261/213-373 dungen erleichtern und die Wartezeit an Am­ Fax: +49 (0)5261/213-5373 Mail: [email protected] peln verkürzen. Die Maßnahmen sind in ähn­ licher Form auf viele Querungen von Fuß- und Radwegtrassen mit Verkehrsstraßen übertrag­ bar. Die Priorität der Fußgänger und Radfahrer im Straßenverkehr erhöht die Benutzungsqua­ lität und Attraktivität der Wegeverbindungen.

Erfahrungen Nach Einschätzung der Beteiligten hat sich der Anteil an Fußgängern und Radfahrern durch diese Maßnahme nicht signifikant erhöht. Dennoch erhält die Stadt Lemgo mithilfe die­ ses Projekts ein fußgänger- und fahrradfreund­ licheres Image, das die Attraktivität der Innen­ stadt für den Nahverkehr maßgeblich fördert. Foto: Alte Hansestadt Lemgo Gute Beispiele zum Nachahmen 57

Projekt/Maßnahme VE3 Stadt Kitzingen

Einwohner ca. 20 830 Gepäcksafe für Radfahrer Bundesland Bayern

Handlungsfeld: Ortsteil Innenstadt Verbesserung der Erreichbarkeit für den Einwohner ca. 10 000 Umweltverbund

Kurzbeschreibung Projektstand

In der Innenstadt von Kitzingen wurde ein Ge­ Seit ca. 5 Jahren existiert der Gepäcksafe. päcksafe für Radfahrer eingerichtet, der unter­ schiedlich große Fächer enthält. Die größeren Initiatoren, Träger bzw. Organisation Fächer können für Fahrrad-Gepäcktaschen Stadt Kitzingen/Touristeninformation und größere Einkäufe genutzt werden. In den Umsetzung: Firma Orion kleineren Fächern können Helme oder kleine­ Finanzierung re Einkäufe verstaut werden. Die Schließfächer Die Stadt Kitzingen hat die Errichtung des Gepäck­ werden mit einer Pfandmünze bedient. Darü­ safes und der Fahrradboxen finanziert. Geplant ist die ber hinaus gibt es an einem anderen Standort Finanzierung der Boxen in Zukunft über Sponsoren, die die einzelnen Gepäckfächer als Werbeflächen nutzen auch Boxen, in die das ganze Fahrrad einge­ können. Die Kosten für die Errichtung der Fahrradboxen stellt werden kann. So können auch hochwer­ betrugen ca. 9 000 Euro. tige Fahrräder sicher abgestellt werden. Weiterführende Quellen/ Links

Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … www.city-marketing-fahrrad.de/index.php?id=70 … durch die Einrichtung des Gepäcksafes, in Ähnliche Beispiele dem Einkäufe bzw. Fahrradzubehör verstaut Fahrradparken mit Service werden können, ein unbeschwerter Stadtbum­ In Düren werden zur Kirmes bewachte Fahrradpark­ mel sowie die Kopplung verschiedener Wege plätze angeboten. Neben der Bewachung können auch Fahrradhelme, Regenkleidung und ähnliches zur möglich ist. Das erhöht die Attraktivität des Zu Aufbewahrung abgegeben werden. Fuß Gehens und ermöglicht bzw. erleichtert www.city-marketing-fahrrad.de/index.php?id=75 Einkäufe, die mit dem Fahrrad oder zu Fuß ge­ tätigt werden.

Erfahrungen Die Maßnahme wird sehr gut angenommen und erzielt mit geringem Aufwand einen Kom­ fortgewinn für Fahrradfahrer und Fußgänger. Die Fächer werden zur Unterbringung von Fahrradhelmen, Fahrradtaschen und Einkäu­ fen genutzt.

Bei der Aufstellung der Gepäcksafes und der Fahrradboxen ist die Wahl des Standortes sehr wichtig, da durch die Auswahl eines einseh­ baren, stärker frequentierten Standortes die Gefahr des Vandalismus sinkt.

Die einzelnen Gepäckfächer sollen als Werbe­ flächen für Sponsoren dienen, um so die Finan­ zierung zu erleichtern.

Foto: Helmut Beer Kontaktdaten

Walter Vierrether Schrannenstraße 1 97318 Kitzingen Telefon: +49 (0) 93 21/92 00 19 Mail: [email protected] Web: www.kitzingen.info 58 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Projekt/Maßnahme VE4

Lufttankstelle Stadt Münster

Einwohner ca. 218 000.

Handlungsfeld: Bundesland Norsrhein-Westfalen Verbesserung der Erreichbarkeit für Ortsteil Innenstadt den Umweltverbund

Kurzbeschreibung Zunächst wurde an dem Standort vor dem In der Innenstadt der Stadt Münster wurde an Stadthaus ein Prototyp einer Solarluftpumpe einem zentralen Standort, vor dem Stadthaus für eine Dauer von einem Jahr errichtet. Diese 1, eine elektrische Lufttankstelle für Fahrrä­ hat sich jedoch nicht bewährt, da die Verfügbar­ der installiert. Seit 2008 können Fahrradfahrer keit aufgrund mangelnder Sonneneinstrahlung den Service einer öffentlichen Lufttankstelle und einer Übernutzung nicht durchgehend nutzen, um ihre Reifen schnell und kostenlos gewährleistet werden konnte. In Folge dessen aufzupumpen. Die Luft-Tankstelle ergänzt da­ wurde 2008 eine elektrische Pumpe installiert, mit nicht nur die Infrastruktur für einheimische die aus Dänemark importiert wurde. Radler. Sie sorgt auch dafür, dass die zahlrei­ chen Gäste der Stadt, die Münster auf zwei Rä­ Wenn weitere Pumpen finanziert werden kön­ dern erkunden, mobil bleiben. nen, sollen nach dem Vorbild der dänischen Stadt Odense, die über 10 öffentliche Luftpum­ Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … pen innerhalb der Stadt verfügt, zusätzliche … die Lufttankstelle eine einfache, aber effizi­ Luftpumpen in Münster errichtet werden. ente Servicemaßnahme zur Erhöhung der Be­ nutzerfreundlichkeit der Radwege ist. Radfah­ rer müssen nicht immer eine eigene Luftpumpe Projektstand

mit sich führen und können vor allem unkom­ Seit 2008 gibt es eine elektrische Luftpumpe in der pliziert und schnell bei Bedarf ihre Reifen direkt Innenstadt.

in der Stadt aufpumpen. Diese Maßnahme er­ Initiatoren, Träger bzw. Organisation höht somit die Qualität der Nahmobilität. Stadt Münster Erfahrungen Finanzierung Der Service wird sehr gut von der Bevölkerung Die Anschaffungskosten betrugen 5 000 Euro (ohne angenommen und trägt zur Verbesserung der Aufstellungskosten), die jährlichen Reparatur- und War­ Nahmobilität bei. Durch Presseberichte und tungsarbeiten betragen ca. 2 500 bis 3 000 Euro. Die Finanzierung erfolgt durch die Stadt Münster. Mund-zu-Mund Propaganda hat die Lufttank­ stelle einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht. Weiterführende Quellen/ Links Die Lufttankstelle befindet sich an zentraler www.city-marketing-fahrrad.de/index.php?id=71 Stelle vor dem Stadthaus, gewährleistet damit Ähnliche Beispiele eine gute Erreichbarkeit und stellt eine gewisse Kontrolle hinsichtlich Vandalismus, aber auch Scherbentelefon In Offenburg können Hindernisse auf Radwegen hinsichtlich der Funktionsfähigkeit sicher. (Scherben, Verschmutzungen etc.) telefonisch gemeldet werden. (siehe: www.offenburg.de/html/scherbentele­ fon449.html)

Mobile Fahrradwaschanlage In der Radstation in Unna können sich Kommunen, Ge­ werbevereine oder andere Akteure als Serviceleistung für die Fahrradfahrer zu Stadtfesten, verkaufsoffenen Sonntagen oder anderen Aktionen eine mobile Wasch­ anlage ausleihen. (siehe: http://www.city-marketing­ fahrrad.de/index.php?id=61) Kontaktdaten

Stephan Böhme Alberloher Weg 33 48155 Münster Telefon: +49 (0)251/492-6156 Mail: boehme@stadt-muenster. de Foto: Stadt Münster, Benno Willmeroth Gute Beispiele zum Nachahmen 59

Projekt/Maßnahme VE5 Stadt Losheim am See

Einwohner ca. 16 540 Marktbus Bundesland Saarland

Handlungsfeld: Ortsteil Innenstadt Verbesserung der Erreichbarkeit für Einwohner ca. 10 000 den Umweltverbund

Kurzbeschreibung Noch nicht ganz optimal ist das Mischsystem: Der speziell eingesetzte Marktbus ist als solcher Die ringförmig umliegenden Ortsteile der Ge­ erkennbar. Die Linienbusse, die auch als Markt­ meinde Losheim am See waren unzureichend bus genutzt werden können, sind nicht geson­ mit dem ÖPNV an den Kernort angebunden. dert gekennzeichnet, so dass es zu Verwechs­ Zudem ging das Angebot an Nahversorgungs­ lungen bei den Ticketpreisen (der Marktbus ist einrichtungen in den Ortsteilen zurück bzw. günstiger als der Ticketpreis des Linienbusses) fehlte ganz. Vor diesem Hintergrund hat die kommen kann. Gemeinde einen Service entwickelt, der die Mobilität der Bürger, die keinen Pkw zur Ver­ fügung haben, stärkt und ausweitet. Dazu Projektstand wurde der Marktbus eingerichtet, der die ver­ laufende Maßnahme seit 1999 schiedenen Ortsteile zwei Mal wöchentlich auf sechs unterschiedlichen Routen mit den Initiatoren, Träger bzw. Organisation Einkaufszentren und dem Markt verbindet. Es Initiator: Gemeinde Losheim am See handelt sich hierbei um ein Mischsystem, bei Kooperation: regionale Busverkehrsgesellschaft Saarpfalzbus dem einerseits für einige Routen ein spezielles Fahrzeug, andererseits der bereits vorhandene Finanzierung Linienverkehr als Marktbus genutzt wird. Mit Die Gemeinde Losheim finanziert das Projekt zu einem einem Fahrpreis von 50 Cent können verschie­ Drittel (ca. 5 000 € pro Jahr). Zwei Drittel der Kosten werden durch Sponsoren getragen. Nahversorger, die dene Versorgungseinrichtungen miteinander durch den Marktbus erreicht werden, spenden für den verknüpft und die Einkäufe im Bus transpor­ Marktbus und werden im Gegenzug auf Flyern, Internet­ seite oder bei Veranstaltungen genannt. tiert werden. Weiterführende Quellen/ Links

Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … www.losheim-stausee.de/gemeinde-losheim/marktbus. … die direkte Verbindung zu verschiedenen html Einkaufsmöglichkeiten und der günstige Fahr­ Ähnliche Beispiele preis die Nahmobilität erheblich fördern und die Kopplung unterschiedlicher Besorgungen Tübingen: Jeden Samstag kostenlos Bus fahren (2009) www.tuebingen.de/25_29282.html erleichtern. Auf diese Weise rücken Nahver­ sorgungseinrichtungen näher zusammen und sind zeitlich schneller zu erreichen als bei re­ gulären Buslinien, deren Stationen nicht zwin­ gend in direkter Nähe zu Einkaufsgelegenhei­ ten zu finden sind. Vor allem auf kleinere Städte oder einzelne Stadtquartiere größerer Städte ist diese Form der Vernetzung übertragbar.

Erfahrungen

Das Projekt ist ein Erfolg und diente bereits als Modellprojekt für einen Nachbarort, der das Kontaktdaten Konzept des Marktbusses übernommen hat. Dr. Josef Kiefer Vor allem ältere Menschen profitieren von der Hauptamt Einrichtung des Marktbusses. Sie können selb­ Foto: Gemeinde Losheim a. S. Merziger Str. 3 66679 Losheim am See ständiger einkaufen und sind nicht auf Ver­ wandte oder Bekannte angewiesen. Personen, Telefon: +49 (0)6872-609-106 die einen Pkw zur Verfügung haben, werden Mail: [email protected] jedoch mit dieser Maßnahme kaum erreicht. 60 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Projekt/Maßnahme VE6

Carsharing »car2go« Stadt Ulm

Einwohner ca. 121 600

Handlungsfeld: Bundesland Baden-Württemberg Verbesserung der Erreichbarkeit für Ortsteil gesamtes Stadtgebiet den Umweltverbund

Kurzbeschreibung Jahre alt. Kein Auto steht länger als einen Tag car2go ist eine von der Daimler AG entwickel­ an einer Stelle und im Schnitt kommt ein Wa­ te neue Form des Carsharings. Im Stadtgebiet gen auf vier bis acht Mietvorgänge am Tag. Die von Ulm werden flächendeckend ca. 200 Smart Daimler AG geht davon aus, dass viele car2go Fortwo cdi Fahrzeuge bereitgestellt, die rund Mitglieder ihr Mobilitätsverhalten grundlegend um die Uhr gemietet werden können. Nach ändern und allgemein weniger Auto fahren wer­ einer einmaligen Registrierung haben die Kun­ den. Da car2go als Ergänzung zum ÖPNV und den die Möglichkeit, spontan oder mit Vor­ Fußverkehr zu betrachten ist, wird erwartet, buchung auf die Fahrzeuge zuzugreifen und dass auch die Zahl der Bus- und Bahnfahrten diese beliebig lange zu nutzen. Dabei sieht das in Ulm steigt. Car2go setzt auf Spontanfahrten. Konzept vor, dass innerhalb weniger Gehminu­ ten entweder im Straßenraum oder auf festen Verkehrspolitisch ist car2go nicht unumstrit­ Parkstationen ein freies Fahrzeug bereit steht. ten. In Großstädten mit einem hohen Anteil Bei einer Vorbuchung sammelt das car2go­ an autolosen Haushalten wie z.B. Berlin wird Rechenzentrum in Ulm alle Wünsche und teilt befürchtet, dass car2go einen Einstieg in die dem Nutzer in der letzten Stunde vor Fahrtan- private Motorisierung bedeuten kann und da­ tritt mit, wo der reservierte Wagen steht – ein mit eher MIV produziert als ihn zu ersetzen. Bei Radius von ein paar hundert Metern rund um der Übertragung des Modells auf Ballungsräu­ den Wohnort wird dabei garantiert. Nachdem me geht es weiterhin um die Frage des Parkens. der zugelassene Nutzer über einen Chip auf In Ballungsräumen ist das Bereitstellen von öf­ dem Führerschein identifiziert wird, hat er Zu­ fentlichen Parkflächen ein Problem. griff auf den Schlüssel im Handschuhfach. Die zurückgelegten Strecken und Fahrzeiten wer­ Bisher wird das Pilotprojekt in Ulm mit Fahr­ den automatisch erfasst. Nach Fahrtende kann zeugen betrieben, die konventionelle Treib­ das Auto an einem beliebigen öffentlichen stoffe nutzen. Das Projekt soll zukünftig mit Parkplatz im Stadtgebiet abgestellt werden. Die elektrobetriebenen Fahrzeugen durchgeführt Kosten betragen 19 Cent pro Minute. werden. Weiterhin ist die Vernetzung des car­ 2go Modells mit dem ÖPNV geplant. Car2go Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … startet ab Frühjahr 2011 in Hamburg und damit … die flexible Handhabung des Carsharing­ in der ersten deutschen Metropole. modells car2go den Anteil der Nahmobilität im Modal Split erhöhen kann. Beispielsweise Projektstand

können Wege zu Einkaufsgelegenheiten zu Fuß Die Pilotphase in Ulm begann im März 2009, die inter­ oder mit dem ÖPNV zurückgelegt werden. Wird nationale Markteinführung fand im November 2009 in der Einkauf doch größer als erwartet und damit Austin/Texas statt umständlicher zu transportieren, kann spontan Organisation auf ein car2go-Auto für den Transport zurück­ Daimler AG gegriffen werden. Finanzierung Erfahrungen Eigenmittel der Daimler AG Die Begleitforschung der Ulmer Pilotphase Weiterführende Quellen/ Links Kontaktdaten zeigt, dass die Nutzer mit dem Konzept car2go sehr zufrieden sind. 98 % der befragten Nutzer www.car2go.com/ulm/de/ car2go GmbH Wilhelm-Runge-Str. 11 würden das System weiterempfehlen. 20 000 Ähnliche Beispiele 89081 Ulm Personen haben sich inzwischen registriert, Integration von Fahrradverleihsystemen in den ÖPNV Andreas Leo das ist jeder fünfte Führerscheinbesitzer in Ulm. Die Integration von Fahrradverleihsystemen in den Corporate Communcations Der Projektentwickler hatte nur mit der Hälfte ÖPNV wird in einem Pilotprojekt des BMVBS themati­ Manager (Deutschland, Unter­ siert. (Näheres unter: http://www.bbsr.bund.de). nehmenskommunikation) gerechnet. Die Nutzer sind überdurchschnitt­ Mail: [email protected] lich jung, zwei Drittel sind zwischen 18 und 35 Gute Beispiele zum Nachahmen 61

Projekt/Maßnahme VE7

Stadt Mülheim a. d. Ruhr Heimlieferservice »Shop and Go« Einwohner ca. 168 290

Handlungsfeld: Bundesland Nordrhein-Westfalen Verbesserung der Erreichbarkeit für den Ortsteil gesamtes Stadtgebiet Umweltverbund

Kurzbeschreibung Die Öffentlichkeitsarbeit müsste für die Ak­ Gemeinsam mit der Werbegemeinschaft In­ tivierung von weiteren Händlern verbessert nenstadt, dem örtlichen Kaufhof und dem Ein­ und gleichzeitig müsste das Projekt bei den kaufszentrum „Forum City Mülheim“ entstand Kunden durch Informationskampagnen stär­ der Heimlieferservice „Shop and go“, der als ker bekannt gemacht werden. Die Etablierung gemeinsamer Logistikpartner für die Innen­ des Lieferdienstes in den Köpfen der Kunden stadthändler Waren nach dem Einkauf nach und Händler nimmt einen langen Zeitraum in Hause liefert. Ein breites Spektrum an Geschäf­ Anspruch. ten (Edeka, dm, Apotheke, Blumengeschäfte, alle Geschäfte aus dem Forum City Mülheim, Das Projekt funktioniert gut und unterstützt die Kaufhof, Elektrohändler, Strauss Innovation) ist Nahversorgungsstruktur in der Innenstadt. an dem Heimlieferservice beteiligt. So können Frischeprodukte aus dem Supermarkt, Produk­ te aus dem Drogeriemarkt, aus der Apotheke, Projektstand aus Blumengeschäften und weiteren Geschäf­ Laufende Maßnahme seit 1998 ten nach Hause geliefert werden. Die Kosten ab drei Euro variieren je nach Menge der Waren. Initiatoren, Träger bzw. Organisation Die Lieferung erfolgt im Zeitraum von 8:00 Uhr Stadt Mülheim, Werbegemeinschaft Innenstadt, Forum bis 21:00 Uhr. In der Regel wird zu gewünschten City Mülheim, Kaufhof Uhrzeiten geliefert, ansonsten erfolgt die Liefe­ Finanzierung rung entsprechend der Tourenplanung. Für alle Für den Heimlieferservice wurden eine Festanstellung Sendungen, die schneller oder zu genauen Zei­ und drei von der Sozialagentur geförderte Stellen ten geholt oder geliefert werden müssen, ste­ geschaffen. Das Projekt trägt sich selbst, erwirtschaftet jedoch keinen Gewinn. Für die Lieferung von Produkten hen Kurierdienste bereit. Weiterhin kann ein werden ein Anteil der Kosten vom Kunden und ein fachgerechter Service zum Aufstellen/Aufbau­ Anteil vom Händler übernommen. Für den Händler be­ tragen die Gebühren pro Lieferung zwischen 1 Euro und Kontaktdaten en oder Montieren von Gegenständen gebucht 2 Euro, (1 Euro bei Abnahme von einem monatlichen werden. Kontingent). Für den Kunden kostet die Lieferung ab 3 Euro aufwärts, je nach Volumen und Gewicht. Shop and go Der Heimlieferservice Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … Weiterführende Quellen/ Links Frank Schellberg Hans-Böckler-Platz 31 … durch den Heimlieferservice verschiedene www.muelheim-ruhr.de/cms/shop_and_go1.html 45468 Mülheim an der Ruhr Besorgungen in der Innenstadt mühelos mit­ Telefon: +49 (0)208/8485710 einander verknüpft werden können, ohne dass Fax: +49 (0)208/84857-29 die Einkaufstüten dabei stören. Das Auto ist Mail: frank.schellberg@stadt­ dienste.de nicht notwendig, um größere Besorgungen zu erledigen. Das Beispiel ist gut auf andere Kom­ munen übertragbar.

Erfahrungen Der Heimlieferservice wird überwiegend von Senioren, Müttern und WGs oder allgemein gesagt, Personen ohne eigenen Pkw genutzt. Die Logistik betreffend, ist das System bereits sehr weit entwickelt. Die Abläufe sind gut ge­ regelt und es besteht eine hohe Verlässlichkeit bezüglich der Lieferung.

Foto: Paritätische Initiative für Arbeit e.V. 62 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Projekt/Maßnahme VE8 Stadt München

Einwohner ca. 1,3 Mio. Stadtviertelkonzept Nahmobilität Bundesland Bayern

Handlungsfeld: Ortsteil Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt Verbesserung der Erreichbarkeit für Einwohner ca. 46 000 den Umweltverbund

Kurzbeschreibung Erfahrungen Nahmobilitätskonzepte – Konzepte für den Mit dem Stadtviertelkonzept Nahmobilität Rad- und Fußgängerverkehr - sollten integ­ konnten wertvolle Erkenntnisse gewonnen rierter Bestandteil von Verkehrsentwicklungs­ werden, wie durch eine gezielte Förderung des planungen sein. In der kommunalen Realität Rad- und Fußverkehrs Alternativen zum Auto- fristen sie doch eher ein Nischendasein. Mün­ fahren geschaffen und eine sichere Verkehrs­ chen hat im Rahmen des Bündnisses für Öko­ teilnahme insbesondere von Kindern, Seni­ logie ein Pilotvorhaben „Stadtviertelkonzept orinnen und Senioren erreicht werden kann. Nahmobilität“ entwickelt und im Stadtbezirk Insgesamt wurden 555 Anregungen formuliert, Ludwigvorstadt-Isarvorstadt umgesetzt. Im die zu 230 Maßnahmen zusammengefasst gesamten Stadtteil hat das Konzept Maßnah­ wurden. Wichtige Erkenntnisse sind in dem men für mehr Sicherheit und Komfort für den Zusammenhang: Fußgänger- und Radverkehr identifiziert, An­ forderungen neuer Fortbewegungsformen wie • Der Stadtbezirk ist die geeignete Maßstabse­ z.B. Inline-Skates und Roller berücksichtigt und bene für die Verbesserung der Nahmobilität. das lokale Busnetz auf den Prüfstand gestellt. • Exkursionen und Stadtteilerkundungen sind Wichtig war es mit einer breit angelegten Bür­ eine ausgesprochen effiziente Methode der gerbeteiligung Bedürfnisse unterschiedlicher Bürgerbeteiligung, wenn sie mit ausgewähl­ Zielgruppen zu erfassen und für einen ausge­ ten Zielgruppen wie Senioren, Menschen mit wogenen Interessenausgleich zu sorgen. Im Behinderungen, Familien mit Kindern statt­ Ergebnis wurde ein in unterschiedlichen Prio­ finden. ritäten abgestufter Maßnahmenplan erarbeitet, • Ein umsetzungsfähiges Sofortprogramm ist der seitdem schrittweise umgesetzt wird. wichtig, um Bürgerinnen und Bürger in ih­ rem Engagement ernst zu nehmen. Dafür ist Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … ein eigenes Budget erforderlich. Sinnvoll ist … systematisch und unter intensiver Beteiligung die Kombination mit anstehenden baulichen der Bürgerinnen und Bürger Schwachstellen Maßnahmen wie z.B. des Straßenbaus. der Nahmobilität auf Stadtteilebene erfasst und • Das Maßnahmenspektrum sollte neben der Maßnahmen zur Verbesserungen schrittweise Verbesserung der Infrastruktur auch Maßnah­ umgesetzt werden. Viele kleine Maßnahmen men der Öffentlichkeitsarbeit und des Mobi­ wie z.B. Beleuchtung des Gehsteiges, Sitzgele­ litätsmanagements (z.B. in Zusammenarbeit genheiten, Beseitigung von Lücken im Radwe­ mit Schulen, Betrieben) umfassen. genetz machen den wohnungsnahen Einkauf zu Fuß oder mit dem Rad bequemer und sicherer. Projektstand

Das erarbeitete Konzept wurde im Dezember 2007 vom Stadtrat beschlossen, die Maßnahmen werden seitdem umgesetzt.

Initiatoren, Träger bzw. Organisation

Träger: Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Landeshauptstadt München Kontaktdaten Konzept: stadt+plan und Komma.Plan Das Stadtviertelkonzept Nahmobilität entstand im Rah­ Landeshauptstadt München men des Münchner Bündnisses für Ökologie. Referat für Stadtplanung und Finanzierung Bauordnung Abteilung Verkehrsplanung Das Pilotvorhaben wurde vom Freistaat Bayern, Bayri­ Ilka Eigner sches Staatsministerium des Inneren, gefördert. Blumenstraße 31 80331 München Quelle: Landeshauptstadt München Tel.: +49 089/23 32 27 79 realisierte Maßnahmen Gute Beispiele zum Nachahmen 63

Projekt/Maßnahme VA1 Stadt Jülich

DORV (Dienstleistung und Einwohner ca. 34 000 Ortsnahe Rundum Versorgung) Bundesland Nordrhein-Westfalen Ortsteil Barmen Handlungsfeld: Erhalt und Profilierung Einwohner ca. 1 400 Nahversorgungsangebot

Kurzbeschreibung gungsläden bundesweit in Gemeinden mit DORV (Dienstleistung und Ortsnahe Rundum 800 bis 3000 Einwohnern. Daneben werden Versorgung) ist ein Konzept für ländliche Ge­ Betreiber kleiner Ladeneinheiten beraten. meinden mit schlechter oder gefährdeter Nah­ In Aachen/Preuswald wurde mit der Eröffnung versorgung. Das DORV-Zentrum Barmen ist ein eines DORV Zentrums im Oktober 2010 das moderner Tante-Emma-Laden, der Nahversor­ Modell auf städtische Wohnquartiere übertra­ gung, Dienstleistungen, soziale/medizinische gen. Dienste sowie Kommunikation und Kultur für die Bewohner im Dorfzentrum bündelt (5-Säu­ len-Modell). Anlass für die Planung des neuen Projektstand

Nahversorgungsmodells war die Schließung Der Planungsprozess begann ca. 2001. Das DORV- verschiedener Einrichtungen in Jülich-Barmen, Zentrum in Jülich-Barmen wurde 2004 eröffnet. unter anderem der Sparkassenfiliale, in der sich Initiatoren, Träger bzw. Organisation heute das DORV-Zentrum befindet. Aufgrund der Kooperation mit regionalen Anbietern, wie Initiator: mehrere Bürger der Stadt Jülich Träger: DORV Zentrum GmbH (Betreibergesellschaft); Bäcker, Metzger und Landwirt, ist der Frische­ DORV Partner GbR (Kapitalbeschaffung); DORV e. V. anteil beim Lebensmittelangebot sehr groß. Es (Trägerverein) werden Bank- und Versicherungsdienstleistun­ Finanzierung gen, Anzeigenannahme, Reinigungsannahme, DORV ist als Aktiengesellschaft durch Bürgerkapital Informationen für Neubürger, eine allgemeine organisiert und wird durch Spenden und hohes Eige­ Sozialberatung sowie die Vermittlung von pri­ nengagement finanziert. Anteilsscheine am DORV- Laden kann jeder Barmener Einwohner erwerben. Der vater Freiwilligenarbeit und von Dienstleistun­ DORV-Laden arbeitet eigenwirtschaftlich. Lediglich eine gen der Stadt- und Kreisverwaltung angebo­ Machbarkeitsstudie im Rahmen der Entwicklung des ten. Ein Pflegedienst und Reisebüro sowie ein Konzeptes wurde gefördert. Bankautomat runden das Angebot ab. Auch die Weiterführende Quellen/ Links Ansiedlung eines Hausarztes und eines Zahn­ www.dorv.de arztes im gleichen Gebäude ist den Initiatoren und Betreibern dieses Nahversorgungsladens Ähnliche Beispiele gelungen. KOMM-IN-Dienstleistungszentren www.komm-in.de

MarktTreff Schleswig-Holstein www.markttreff-sh.de Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … … wichtige Versorgungslücken geschlossen IK-Ihr Kaufmann www.ik-ihr-kaufmann.de werden. Zusatzangebote in Nahversorgungs­ einrichtungen erhöhen die Attraktivität des Standortes aus Kundensicht und fördern somit auch die Nahmobilität.

Erfahrungen Die Stärke des Projekts liegt in der konzent­ rierten Angebotsvielfalt, mit dem viele Zent­ renfunktionen kleinerer Orte bedient werden Kontaktdaten können. Der Erfolg des Modells zeigt sich in DORV-Zentrum GmbH seiner Wirtschaftlichkeit, ist allerdings stark Heinz Frey auf vorhandene soziale Netzwerke angewie­ ehrenamtlicher Geschäftsführer Prämienstraße 49 sen, die für das notwendige bürgerschaftliche 52428 Jülich Engagement wichtig sind. Das DORV-Modell Telefon: +49 (0)2461/343 95 95 wurde auch in Herzogenrath im Ortsteil Pan­ Fax: +49 (0)2461/343 95 96 nesheide umgesetzt und dient inzwischen als Mail:[email protected] Vorbild für die Gründung weiterer Nahversor- Foto: Dorv-Zentrum 64 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Projekt/Maßnahme VA2

Stadt Treuenbrietzen Ansiedlung eines Discounters in der historischen Innenstadt Einwohner ca. 8 150 Bundesland Brandenburg Handlungsfeld: Erhalt und Profilierung Ortsteil historische Innenstadt Nahversorgungsangebot

Kurzbeschreibung Erfahrungen Die historische Innenstadt von Treuenbrietzen Der Umsetzungsprozess hat sehr gut funktio­ ist als Flächendenkmal ausgewiesen. Zuneh­ niert, da ALDI als kompromissbereiter Partner mende Leerstände machten jedoch eine Revita­ wahrgenommen wurde. Des Weiteren hat ALDI lisierung erforderlich. Hierfür wurden Ideen für Planer für die Umsetzung des Projekts ausge­ neue Nutzungen gesucht. Insbesondere sollte wählt, die bereits Erfahrungen mit sensiblen die Innenstadt als Standort der Nahversorgung Altbaustrukturen und Denkmalschutz vorwei­ und des Einzelhandels gestärkt werden. Zent­ sen konnten. Der Discounter wird von der Be­ rales Element war die verträgliche Ansiedlung völkerung frequentiert, wovon auch ein kleiner eines Lebensmitteldiscounters (Aldi) in der „Tante Emma“ Laden in der Nähe des Discoun­ denkmalgeschützten Altstadt. Damit konnte ters profitiert, nachdem er die Produktpalette ein neuer Frequenzbringer angesiedelt und umgestellt hat. Der Discounter wird sowohl mit zwei leerstehende Fachwerkhäuser erhalten dem Pkw als auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad werden. Die Kommune hat bei Gesprächen mit erreicht. potenziellen Investoren den Standort offensiv vermarktet und seine Attraktivität verdeutlicht. Als Reaktion auf die Ansiedlung von ALDI ist die Erweiterung und Verlagerung eines Dro­ Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … geriemarktes im Gespräch, ebenso die An­ … das Beispiel verdeutlicht, dass auch in sen­ siedlung eines Fitnesscenters in leerstehenden siblen denkmalgeschützten Altbaustrukturen, Geschäftsräumen in unmittelbarer Nähe des Lebensmitteldiscounter angesiedelt werden Discounters ALDI. Die Vorbereitungen der können. Dies fördert die Attraktivität des Stadt­ Grundstücksordnung hierzu laufen. Zudem zentrums und ist Voraussetzung zur Stärkung wurde ein anderes Quartier in Treuenbrietzen der Nahversorgung und -mobilität. für eine ähnliche Ansiedlung vorbereitet. Kontaktdaten

Christoph Höhne Bauamtsleiter, Stadtverwaltung Projektstand Treuenbrietzen Großstr. 105 Erteilung der Baugenehmigung im Jahr 2006, 14929 Treuenbrietzen Initiatoren, Träger bzw. Organisation Telefon: +49 (0)33748/74715, Fax: +49 (0)33748/74786 Initiator: Stadt Treuenbrietzen Mail: Amtsleiter-BA@Treuen­ Kooperation: Sanierungsträger Stadtkontor, Potsdam, brietzen.de Discounter ALDI

Finanzierung

Einsatz von Sanierungsmitteln für die Baufreimachung des Grundstücks.

Weiterführende Quellen/ Links

www.staedtebaulicher-denkmalschutz.de/gute-beispie­ le/detail.php?id=136

Ähnliche Beispiele

Ansiedlung eines Supermarktes im historischen Zent­ rum von Jüterbog bzw. im Stadtteilzentrum Oberbilk in Düsseldorf (siehe: DSSW-Leitfaden: Nahversorgung als Basis der Zentrenbildung, DSSW-Schriften 56, Berlin 2007)

Foto: Stadt Treuenbrietzen Gute Beispiele zum Nachahmen 65

Projekt/Maßnahme VA3 Stadt Unna

Einwohner ca, 67 342 Flächenmobilisierung im Bestand Bundesland Nordrhein-Westfalen

Ortsteil Königsborn Handlungsfeld: Erhalt und Profilierung Einwohner ca. 17 500 Nahversorgungsangebot

Kurzbeschreibung Als Problem erwies sich die notwendige Sanie­ Im Stadtteil Königsborn bildet der Marktplatz rung der vorhandenen Altlast des Sportplatzes das historische Zentrum. Den Geschäften am (Aschenbelag mit Kieselrot). Sie konnte jedoch Marktplatz fehlte jedoch der Bezug zu den Ein­ vor dem Verkauf abgeschlossen werden. zelhandelsbetrieben, die sich im Laufe der Zeit entlang der Hauptverkehrsstraße angesiedelt Je nach städtebaulicher Situation, kann die haben. Am Marktplatz war nur ein geringer Maßnahme gut auf andere Stadtteile übertra­ Geschäftsbesatz vorhanden und die Handel­ gen werden. Die Maßnahme ist insbesondere simmobilien entlang Hauptverkehrsstraße für Stadtteile geeignet, die Nahversorgungsde­ entsprachen nicht mehr den derzeitigen Flä­ fizite aufweisen aber auch Flächenpotentiale in chenanforderungen für Supermärkte. Um das den jeweiligen Gebieten haben. Stadtteilzentrum zu stärken und die Nahver­ sorgung zu sichern, verlagerte die Stadt Unna Projektstand eine städtische Sportfläche aus dem Zentrum Die Neuansiedlung/Verlagerung wurde 2008 umgesetzt. an den Siedlungsrand und vergab die frei ge­ wordene, verkehrlich gut gelegene Fläche per Initiatoren, Träger bzw. Organisation Ausschreibung an Ansiedlungsinteressenten Initiator und Umsetzung: Stadt Unna aus dem Handel. Dort siedelten sich ein Super­ Finanzierung markt und ein Discounter an. Die Neuansied­ lung der beiden Lebensmittelmärkte hat die Die Stadt Unna hat den zentral gelegenen Sport­ platz verkauft und an anderer Stelle eine Fläche für Lebensmittelversorgung gesichert und gleich­ einen Sportplatz erworben. Da der zentral gelegene zeitig die Attraktivität des Stadtteilzentrums Sportplatz für einen hohen Bodenpreis verkauft werden konnte, fielen keine zusätzlichen Kosten für die neue gestärkt. Aufgrund der Angebotsverbesserung Sportfläche an. im Quartier, siedelte sich ein zweiter Lebens­ Weiterführende Quellen/ Links mitteldiscounter aus einem peripheren Bereich im Stadtteil Königsborn an. www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Wirtschaft/ Handel_DL/Nahversorgung/index_html#Unna

Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … Ähnliche Beispiele Kontaktdaten … durch die Neuansiedlung bzw. Verlagerung Durch die Neugestaltung einer Platzsituation am Rand von Lebensmittelmärkten ein bereits beste­ des Zentrums wurde Platz für großflächige Betriebe und Friedhelm Leipski neue Aufenthaltsqualität geschaffen. (siehe: Nahversor­ hendes Versorgungszentrum gestärkt und auf­ Bereichsleiter Planung gung im Quartier, Dokumentation des 7. Fachgesprächs Stadt Unna gewertet wurde. Erst die räumliche Konzentra­ „Wohnungsunternehmen als Akteure in der integrierten Rathausplatz 1 Stadt(teil)entwicklung“, Institut für Landes- und Stadt­ tion der Angebote schuf das Stadtteilzentrum 59423 Unna entwicklungsforschung und Bauwesen des Landes neu und machte den Nahversorgungsstandort Nordrhein-Westfalen (ILS NRW), LEG Arbeitsmarkt- und Telefon: +49 (0)2303/103-610 konkurrenzfähig. Damit wird auch die Nahmo­ Strukturentwicklung GmbH [Hrsg.], Dortmund/Essen Mail: Friedhelm.leipski@stadt­ bilität gefördert und das Quartier belebt. Vor 2007) unna.de der Ansiedlung der Lebensmittelmärkte im Stadtteilzentrum wurde in entfernt gelegenen Ortsteilen eingekauft, da in Königsborn kein ausreichendes Nahversorgungsangebot vor­ handen war.

Erfahrungen Der Stadtteil wurde durch die Konzentration der Versorgungseinrichtungen in zentraler Lage nachhaltig gestärkt. Das Lebensmittelangebot konnte erweitert und diversifiziert werden. Der Marktplatz wurde funktional mit den bestehen­ den Einzelhandelsbetrieben verbunden. Foto: Stadt Unna 66 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Projekt/Maßnahme VA4 Stadt Stuttgart

Einwohner ca. 592 000 Revitalisierung eines Einkaufszentrums Bundesland Baden-Württemberg Ortsteil Freiberg Handlungsfeld: Erhalt und Profilierung Einwohner ca. 7 400 Nahversorgungsangebot

Kurzbeschreibung Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … Das Versorgungsangebot im Stadtteil Freiberg … durch die Revitalisierung des Einkaufszen­ hatte sich in den 1990er Jahren verschlechtert. trums in einer umfassenden Sanierung die Zwar ist das Einkaufszentrum Kaufpark gut zu Nahversorgungsstruktur im Stadtteil gesichert Fuß erreichbar und erfüllt auch für die angren­ und der Stadtteil aufgewertet wurden. Die Stadt zenden Stadtteile Rot und Mönchfeld (ggf. mit hat dabei die Rolle des Projektsteuerers, Wirt­ der U-Bahn) wichtige Funktionen. Zunehmen­ schaftsförderers und Immobilien(mit)eigentü­ de Leerstände, der Wegzug eines Ankermieters mers übernommen und damit Stadt- und Pro­ im Einkaufzentrum Kaufpark, die Verlagerung jektentwicklung aus „einem Guss“ geschaffen. des Wochenmarktes sowie die zunehmende Etablierung von Spielhallen führten jedoch zu Erfahrungen einem Trading Down des Stadtteilzentrums. Insgesamt hat die Revitalisierung des Ein­ Die Gestaltung und Größe der Ladeneinhei­ kaufszentrums zu einer Verbesserung des ten im Einkaufszentrum entsprachen nicht Nahversorgungsangebots geführt. Vor allem mehr heutigen Anforderungen. Zum Ausbau ältere Menschen, Personen ohne Pkw und des Nahversorgungsangebotes sowie zur Stei­ Laufkundschaft profitieren von dem Angebot. gerung der Attraktivität im Stadtteil wurde im Der neu angesiedelte Lebensmitteldiscounter Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ das spielt dabei eine besondere Rolle, da dieser Einkaufszentrum Kaufpark revitalisiert. Bei als Magnetgeschäft für das Einkaufszentrum der Modernisierung wurden die Zuschnitte der fungiert. Einige Leerstände sind dennoch wei­ Gewerbeflächen verändert und die Architektur terhin ein Problem, dem mit Hilfe einer Werbe­ moderner und heller gestaltet. Als Ankermieter gemeinschaft begegnet wird. Künftig soll dieser konnte ein Lebensmittel-Discounter angesie­ Leerstand durch die Umwandlung der Flächen delt werden. Zum Schutz ansässiger Geschäfte in Büros reduziert werden. Wegen mangeln­ wurden vertragliche Sortimentsbegrenzungen der Mitwirkungsbereitschaft eines Teils der mit neu anzusiedelnden Betrieben vereinbart. Immobilieneigentümer kaufte die Kommune Das Nahversorgungsangebot wird durch Bä­ Teile der Immobilie auf. Die Stadt wurde so­ cker, Metzger, Obst-/Gemüsehändler und Dro­ mit entscheidungsberechtigter Teileigentümer. geriemarkt, durch Dienstleistungsangebote Damit konnte die Stadt den Prozess effektiv (Frisör, Banken, Stadtteilbücherei, Poststelle), steuern und Verhandlungen mit Ansiedlungs­ durch Gastronomie sowie Fachgeschäfte ab­ interessenten führen, sie trug jedoch durch den gerundet. Vor allem das Lebensmittelangebot Immobilien(zwischen)erwerb auch ein hohes ist für das wohnortnahe Einkaufen in Freiberg finanzielles Risiko. sehr wichtig, da die nächsten Einkaufsmög­ lichkeiten ohne Motorisierung nicht erreichbar sind. Projektstand

Der Kaufpark wurde 2001/2002 modernisiert

Initiatoren, Träger bzw. Organisation Kontaktdaten Initiator: Stadt Stuttgart Martina de la Rosa Träger: Teileigentümergemeinschaft Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung Finanzierung Graf-Eberhard-Bau Eberhardstraße 10 Einsatz von Sanierungsmitteln für die Baufreimachung 70173 Stuttgart des Grundstücks. Telefon: +49 (0)711/216-6388 Mail: martina.de.la.rosa@ Weiterführende Quellen/ Links stuttgart.de www.sozialestadt.de/veroeffentlichungen/arbeitspapie­ Foto: Landeshauptstadt Stuttgart re/band9/2-fallstudien-stuttgart.phtml Gute Beispiele zum Nachahmen 67

Projekt/Maßnahme VA5 Stadt Berlin

Einwohner ca. 3,4 Mio. Schillermarkt Bundesland Berlin

Handlungsfeld: Ortsteil Neukölln Erhalt und Profilierung Einwohner ca. 154 100 Nahversorgungsangebot

Kurzbeschreibung Marktverwalter vergeben. Des Weiteren haben Der Schillermarkt ist ein Wochenmarkt, der je­ sich hinsichtlich der kulturellen Veranstaltun­ den Samstag im Berliner Stadtbezirk Neukölln gen finanzielle Engpässe ergeben, für die neue stattfindet. Der Markt ist ein Projekt zur Auf­ Finanzierungsmodelle gefunden werden müs­ wertung des Schillerkiezes in Neukölln. In den sen. letzten Jahren schlossen fast alle Fachgeschäf­ te im Kiez. Stattdessen öffneten Filialbetriebe, Die kulturellen Veranstaltungen, die anfangs 1-Euro-Shops und ähnliches. Die Kunden, die einmal im Monat stattfanden, sollen wieder Qualitätsprodukte für den täglichen Bedarf eingeführt werden. Es hat sich gezeigt, dass die kaufen wollten, mussten weite Wege zurück­ kulturellen Veranstaltungen, die zeitgleich zu legen bzw. öffentliche Verkehrsmittel oder das den Marktzeiten stattfinden als Magnet dienen Auto nutzen. Mit dem Schillermarkt wurde der und somit für den Erhalt des Marktes wichtig Wochenmarkt, der von 1910 bis 1990 am Herr­ sind. furthplatz stattfand, wiederbelebt. Die Initiato­ ren setzten auf ein hochwertiges Angebot (z.B. frische Lebensmittel vom Bauernhof, Bio- und Projektstand

Vollwertprodukte, von Hand hergestellte oder Der Markt findet seit Mai 2009 jeden Samstag statt. exotische Produkte), um auch anspruchsvolle­ re Kundengruppen an den Standort zu binden. Initiatoren, Träger bzw. Organisation Initiator: Verein Pro Schillerkiez e.V. Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … Kooperationspartner: Quartiersmanagement, Schiller Palais, Schilleria, Initia­ … der Markt das Nahversorgungsangebot im tive der Haus- und Wohnungseigentümer, Genezareth- Quartier ergänzt und gleichzeitig zu einer Kirchengemeinde, Marktverwaltung Rainer Perske Aufwertung des Umfelds beiträgt. Durch den Finanzierung Kunst- und Kulturmarkt erhält der Schiller­ Das Projekt war 2009 Preisträger im Wettbewerb markt eine zusätzliche Qualität. Der Schiller­ „MittendIN Berlin! Die Zentren-Initiative“. Durch diese markt ist ein wichtiger Impulsgeber zur Stär­ Initiative wurde das Projekt bezuschusst. 30% wurde durch Eigeninitiative des Vereins Pro Schillerkiez e.V. Kontaktdaten kung der Nahversorgung und Nahmobilität. finanziert (Spenden; Ehrenamt). Der Markt trägt sich Der Markt hat insbesondere für junge Erwach­ noch nicht über die Marktgebühren. Insbesondere Beate Hauke sene, darunter viele Studenten und junge Fa­ wurden im Winter Verluste registriert, da aufgrund der kalten Witterung weniger Besucher kamen. Pro Schillerkiez e.V. milien einen hohen Stellenwert. Des Weiteren Okerstr. 36 12049 Berlin wird er von älteren Personen geschätzt, die Weiterführende Quellen/ Links noch den alten Wochenmarkt in der Schiller­ www.schillerkiez.de/schillermarkt/index.html Telefon: +49 (0)30/431 60 70 promenade kannten. Fax: +49 (0)30/88 47 20 83 beate-hauke.blog.de/tags/schillermarkt/ Mail: [email protected] Web: beate-hauke.blog.de Erfahrungen Insgesamt funktioniert der Schillermarkt gut und wird von der Bevölkerung angenommen. Der Bekanntheitsgrad des Markts wurde durch Presseberichte, Flyer, Plakate, Werbung in der U-Bahn, E-Mail-Verteiler, Mund-zu-Mund Pro­ paganda und einen Internet-Blog erhöht und gefestigt.

Die Organisation des Markts wurde ursprüng­ lich ehrenamtlich von einem kleinen Kreis an Personen übernommen. Dies führte zu einer relativ hohen Belastung. Daher wurde die Or­ ganisation später an einen professionellen Foto: Beate Hauke 68 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Projekt/Maßnahme AS1 Gemeinde Bohmte

Einwohner ca. 13 300 Shared Space Bundesland Niedersachsen

Ortsteil Bohmte Handlungsfeld: Einwohner ca. 3 900 Qualifizierung Straßenraum

Kurzbeschreibung Erfahrungen Im Rahmen eines EU-Projektes wurde der Be­ Das Projekt wird vor Ort durchweg positiv be­ reich der Bremer Straße zwischen der Lever­ urteilt. Die Geschwindigkeiten des MIV haben ner Straße und der Straße Am Schwaken Hofe sich reduziert, Staus und der durch den MIV nach dem Shared Space Ansatz umgestaltet. verursachte Lärm wurde gemindert. Die Ver­ Das bedeutet, dass keine eindeutig abgegrenz­ kehrsteilnehmer verhalten sich insgesamt auf­ ten Fahrbahnen für den motorisierten Verkehr merksamer. Eine Zufriedenheitsanalyse von und den Fahrradverkehr bzw. kein abgegrenz­ 2009, zeigte, dass 75 bis 80 % der Befragten mit ter Fußgängerweg existiert. Weiterhin gibt es der neuen verkehrlichen Situation sehr zufrie­ keine Beschilderung. Durch die Aufhebung den sind und Fußgänger die Fahrbahn an allen der räumlichen Trennung und den Verzicht Stellen schneller und sicherer kreuzen können. auf Verkehrszeichen werden die Verkehrsteil­ nehmer zu mehr Verantwortung für sich und Einige wenige Fahrradfahrer fühlen sich durch die anderen Verkehrsteilnehmer bewegt. Der die Auflösung von klar zugewiesenen Straßen- Umbau und die Umgestaltung der Straße soll abschnitten unsicher. Auch ein kleiner Anteil mehr sozialen Raum durch Verbesserung der an der PKW-Fahrern ist durch die fehlende Be­ Aufenthaltsqualität schaffen, die Verkehrssi­ schilderung verunsichert. cherheit für Fußgänger und Fahrradfahrer er­ höhen und den LKW-Verkehr reduzieren bzw. Da das Projekt zu einer erkennbaren Verbes­ verträglicher abwickeln. serung im Straßenraum geführt hat, gilt es als Vorzeigeprojekt für andere Kommunen. Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … … durch die Revitalisierung des Einkaufszen­ Kontaktdaten trums in einer umfassenden Sanierung die Projektstand Nahversorgungsstruktur im Stadtteil gesichert Siegfried Pöttker Workshops zur Ideensammlung 2004; Fachdienst 4 - Planen und der Stadtteil aufgewertet wurden. Die Stadt Realisierung des Vorhabens 2007-2008 und Bauen hat dabei die Rolle des Projektsteuerers, Wirt­ Rathaus Initiatoren, Träger bzw. Organisation Postfach 12 13 schaftsförderers, Immobilien(mit)eigentümers 49154 Bohmte sowie –maklers übernommen und damit Stadt- Initiator/Träger: Gemeinde Bohmte Finanzierung Telefon: +49 (0)5471/808-41 und Projektentwicklung aus „einem Guss“ ge­ Mail: [email protected] schaffen. Die ca. 2,1 Mio. Euro Baukosten wurden knapp zur Hälfte im Rahmen eines INTERREG IVb-Projektes gefördert. Die andere Hälfte wurde von der Gemeinde Bohmte finanziert.

Weiterführende Quellen/ Links

www.bohmte.de/staticsite/staticsite.php?menuid=123& topmenu=123&keepmenu=inactive

Gestaltung urbaner Freiräume, Dokumentation der Fallstudien im Forschungsfeld „Innovationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere“, Werkstatt: Praxis Heft 61, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt­ entwicklung (BMVBS) und Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Berlin/Bonn 2007 (S.52)

Ähnliche Beispiele

Projekt in Hennef: Frankfurter Straße. Informationen und Foto unter www.tfl.gov.uk/assets/downloads/review-of­ simplified-streetscape-schemes.pdf (Seite 18)

Foto: Gemeinde Bohmte Gute Beispiele zum Nachahmen 69

Projekt/Maßnahme AS2 Stadt Frankfurt am Main

Einwohner ca. 664 800 Sitzrouten und Sitzmöglichkeiten vor Geschäften Bundesland Hessen Ortsteil Nordend Handlungsfeld: Einwohner ca. 54 000 Qualifizierung Straßenraum

Kurzbeschreibung Projektstand

Im Rahmen des ExWoSt-Forschungsfeldes In den Jahren von 2007 bis 2009 wurde das Konzept „Vernetzte Spiel- und Begegnungsräume“ der Sitzrouten entwickelt und umgesetzt. wurde das Konzept der Sitzrouten im Frank­ Initiatoren, Träger bzw. Organisation furter Stadtteil Nordend, einem Gründerzeit- viertel, entwickelt und umgesetzt. Das Kon­ Stadt Frankfurt a. M., Verkehrsdezernat, Referat Mobili­ täts- und Verkehrsplanung zept der Sitzrouten sieht eine Ausstattung mit Weitere Akteure: verschiedenen Sitzgelegenheiten in kurzen Planersocietät, Dortmund; Ortsbeirat Nordend; Initiative Alte für Frankfurt; Kinderschutzbund Frankfurt/M.; Abständen zueinander vor. Somit werden All­ Kinderbüro tagswege oder längere Spazierwege zu Fuß Finanzierung erleichtert. An unterschiedlichen Standorten vor Geschäften, auf Plätzen und Gehwegen Das Projekt wurde im Rahmen des ExWoSt-Programms mit rund 80 000 Euro durch BMVBS/BBSR gefördert. laden über 40 neue Sitzmöglichkeiten zum Zusätzlich flossen aus dem städtischen Haushalt rund Verweilen ein. Sie sind unterschiedlich ge­ 16 000 Euro ein. staltet und sollen ein breites Spektrum an Weiterführende Quellen/ Links Personen ansprechen: So ist die „Frankfurter Bank“ eine feste Holzbank. Die „Verrückten www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=2509340&_ffm­ par[_id_inhalt]=3488156 Stühle“ können hingegen beliebig verschoben werden. Die Sitzwürfel haben eine doppelte Ähnliche Beispiele Funktion: Sie dienen als Sitzmöglichkeit und „Vernetzte Spiel- und Begegnungsräume“ Kontaktdaten halten die Gehwege von parkenden Autos frei. Ziel des Projekts ist es, Straßen und Plätze im Nordend familien- und altengerecht zu gestalten. In diesem Kon­ Mona Winkelmann text entwickelt die Stadt Frankfurt a. M. attraktive Spiel- Referat Mobilitäts- und Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … und Begegnungsräume im Nordend. Alltagsorte wie Verkehrsplanung zum Beispiel Straßenecken, Hinterhöfe sowie kleinere Stiftstraße 9-17 … für Fußgänger der Einkauf bequemer und Aufenthalts- und Kommunikationsorte stehen dabei im 60313 Frankfurt am Main der Straßenraum belebt wird. Vor allem ältere Vordergrund. Telefon: +49 (0)69/21236166 (siehe: www.frankfurt.de/sixcms/detailphp?id=2509340) Menschen profitieren und werden zu eigen­ Mail: mona.winkelmann@stadt­ ständiger Mobilität und selbständiger Nahver­ frankfurt.de sorgung animiert.

Erfahrungen Die Sitzmöglichkeiten werden sehr gut ange­ nommen und sind aufgrund der ausgewähl­ ten Standorte (Stadtteilplätze, in der Nähe von Geschäften) mit Nahversorgungsmöglichkei­ ten gekoppelt. Der anfangs entwickelte Plan der Sitzrouten, musste in der Praxis teilweise modifiziert werden, da nicht jeder Standort einer Sitzgelegenheit die Zustimmung der Anlieger fand. Eine gewisse Flexibilität muss also möglich sein. Innerhalb des Förderpro­ gramms „Nahmobilität“, das für die gesamte Stadt Frankfurt a. M. ausgelegt ist, besteht die Absicht, auch in anderen Stadtteilen Sitzgele­ genheiten nach dem Vorbild der „Sitzrouten“ zu schaffen. Foto: Planersocietät 70 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Projekt/Maßnahme IK1

Region St. Gallen Rheintal

Kampagne »Zu Fuß Einkaufen« Beteiligte Altstätten, Au, Balgach, Gemeinden Berneck, Gams, Grabs, Reb­ stein, Rüthi, Frümsen, Sevelen, Handlungsfeld: Atzmoos, Sargans Information, Kommunikation, Land Schweiz Kooperation

Kurzbeschreibung Erfahrungen Der Schweizer Fachverband der Fußgänge­ Die Zusammenarbeit mit der Einzelhandels­ rinnen und Fußgänger „Fussverkehr Schweiz“ kette Volg hat sehr gut funktioniert, da die führte in Zusammenarbeit mit der Einzelhan­ Philosophie von Volg - als Einzelhandelskette delskette ‚Volg‘ im Einzugsgebiet von 17 Filia­ in kleinen Ortschaften - mit den Zielen des Pi­ len eine Kampagne mit dem Thema “Zu Fuß lotprojekts übereinstimmte. Aufgrund fehlen­ Einkaufen” durch. Die Kampagne bestand aus der Folgefinanzierung durch den Wegfall der verschiedenen Elementen: Fördermittel von „Energie Schweiz“ konnte • Verteilung von Informationsmaterialien über die Kampagne nicht in allen 600 Volg-Filialen die Kampagne sowie über Fußwegeverbin­ durchgeführt werden und beschränkte sich dungen in der jeweiligen Region, somit auf 17 Filialen im St. Galler Rheintal. • Befragung der Kunden zu ihrem Mobilitäts- Trotzdem konnten die Ergebnisse, die im Rah­ und Einkaufsverhalten mit der Möglichkeit men der Umfrage generiert wurden, genutzt Preise zu gewinnen, werden, um den Gemeinden Schwachstellen • Einrichtung einer Internetseite sowie Presse- hinsichtlich der Nahmobilität und Nahversor­ und Öffentlichkeitsarbeit über verschiedene gung aufzuzeigen. Als Grundlage für konkrete Medien (Print, Radio) und Kommunikations­ Maßnahmen können die Ergebnisse des Pilot­ mittel (Plakate, Flyer, Anzeigen). projekts weiterhin genutzt werden. Sofern die Ziel war es, herauszufinden, welche Elemente Finanzierung für ein Folgeprojekt gesichert ist, der Kampagne besonders gut angenommen wäre auch die Kooperation mit einem Interes­ werden und wer sich von der Kampagne an­ senverband des Fahrradverkehrs denkbar und gesprochen fühlt. Weiterhin wurden Orte in sinnvoll, um gleichzeitig den Belangen des den einzelnen Gemeinden identifiziert, die für Fuß- und Fahrradverkehrs gerecht zu werden. Fußgänger gefährlich oder besonders unattrak­ tiv sind. Daraus wurden Handlungsempfehlun­ gen für die Gemeinden und Informationen für Projektstand

künftige Projekte generiert. Das Projekt wurde 2003 durchgeführt.

Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … Initiatoren, Träger bzw. Organisation … die Kooperation mit einer Lebensmittelein­ Initiator: Fachverband „Fussverkehr Schweiz“ zelhandelskette zum Thema Nahmobilität zu­ Kooperation: Einzelhandelskette Volg kunftsweisend ist. Finanzierung

Insgesamt lagen die Kosten des Projekts bei ca. 150 000 CHF (ca. 104 530 Euro). Die Kosten wurden von dem Programm „Energie Schweiz“ im Rahmen der Sparte „Mobilität“, vom Kanton St. Gallen und von der Einzelhandelskette Volg übernommen.

Weiterführende Quellen/ Links

www.fussverkehr.ch/presse/zufuss_schlussbericht.pdf

Ähnliche Beispiele Kontaktdaten Aktionstag „Einkaufen mit dem Fahrrad“ Thomas Schweizer Im Rahmen einer Initiative des BUND wurde in Fussverkehr Schweiz Zusammenarbeit mit einer Kauflandfiliale in Berlin für Klosbachstrasse 48 das Einkaufen mit dem Fahrrad geworben. In einem CH-8032 Zürich bestimmten Zeitraum konnten sich Kunden Fahrradan­ hänger ausleihen, um auszuprobieren, wie viel sich Telefon:+41 (0)43 488 40 30 damit nach Hause transportieren lässt. Fax: +41 (0)43 488 40 39 www.einkaufen-mit-dem-rad.de/pm54.shtml Mail: thomas.schweizer@ fussverkehr.ch Foto: Thomas Schweizer Gute Beispiele zum Nachahmen 71

Projekt/Maßnahme IK2

Stadt Bozen

Radverkehrsförderung Ortsteil gesamtes Stadtgebiet, mit Kernbereich Innenstadt

Handlungsfeld: Einwohner ca. 100 000 Information, Kommunikation, Land Italien Kooperation

Kurzbeschreibung Es gilt in Zukunft, das Angebot für die Radfah­ In Bozen wurde ein umfangreiches Konzept rer zu optimieren, das Netz weiter auszubauen entwickelt, das ein zusammenhängendes und die Sicherheit zu erhöhen. Konfliktpunk­ Fahrradwegenetz mit acht Hauptachsen und te zwischen allen Verkehrsteilnehmern sollen weiteren Nebenrouten umfasst. In einer ers­ reduziert werden. ten Phase wurde der Ausbau des Radwegenet­ zes umgesetzt. Anschließend wurden die neu geschaffenen Infrastrukturangebote offensiv Projektstand vermarktet: Für das Fahrradwegenetz wurde 2000 bis ca. 2005 ein Leitsystem mit unterschiedlichen Farben für die Hauptachsen entwickelt, das einem Initiatoren, Träger bzw. Organisation U-Bahn-Netz ähnelt. Ein kompakter Faltplan Träger: Stadtgemeinde Bozen, Assessorat für Verkehr dient zur Kennzeichnung des Fahrradwegenet­ und Umwelt Idee und Umsetzung: Ökoinstitut Südtirol/Alto Adige in zes und der Fahrradabstellplätze in der Stadt. Kooperation mit Helios Durch ein einheitliches Logo wird der Wie­ Finanzierung dererkennungswert an Fahrradstationen und Informationspunkten sowie im Rahmen der keine Angabe begleitenden Werbekampagne gewährleistet. Weiterführende Quellen/ Links

www.nationaler-radverkehrsplan.de/praxisbeispiele/ Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … anzeige.phtml?id=2059#3 … die Informationskonzepte (Leitsystem, Falt- www.oekoinstitut.it/mobilitade_articolo.php?id=113 plan der Fahrradabstellplätze, Werbekampag­ ne) die Nahmobilität fördern, indem einerseits www.eltis.org/study_sheet.phtml?study_id=782 Kontaktdaten die Benutzung der Fahrradwege vereinfacht www.cipra.org/competition/HGlauber/ und andererseits die Akzeptanz und Präsenz Ähnliche Beispiele Gemeinde Bozen - des Fahrrads bei den Bürgern durch Werbe­ Amt für Mobilität kampagnen erhöht wird. Es ist gelungen, den Fahrradstadtpläne Sergio Berantelli Mobility Manager Anteil des Radverkehrs am Modal Split zu er­ Verschiedene Kommunen, Verlage, Verbände haben digitale oder gedruckte Fahrradstadtpläne mit unter­ Galileo Galilei Straße 23 höhen und der Fahrradmobilität ein positives schiedlichen Informationen entwickelt. Telefon: +39 (0)471/997284 Image zu verleihen. www.radweit.de/index/fradplan.html Fax: +39 (0)471/997535 www.bund-projekte.de/regieren/DerFahrradstadtplan/ Mail: sergio.berantelli@comune. tabid/152/language/de-DE/Default.aspx bolzano.it Erfahrungen Die Maßnahmen haben messbare Erfolge. Er­ hebungen, die alle vier Jahre in Bozen durch­ geführt werden, ergaben, dass der Anteil der Radfahrer am Modal Split deutlich gestiegen ist. Etwa 29 % beträgt mittlerweile der Anteil des Fahrradverkehrs. Das Projekt gilt als Vorzeige­ projekt und findet auch international Anerken­ nung. Bozen ist mittlerweile eine Modellstadt bezüglich der Radmobilität geworden, wobei besonders das Corporate Design, das Leitsys­ tem und die Marketingkonzepte Beachtung finden.

Foto: Stadtgemeinde Bozen/Ökoinstitut Südtirol 72 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Projekt/Maßnahme IK3

Stadt Köln Das PatenTicket Ortsteil Kölner Stadtgebiet

Handlungsfeld: Einwohner ca. 995 420 Information, Kommunikation, Bundesland Nordrhein-Westfalen Kooperation

Kurzbeschreibung Erfahrungen Das PatenTicket dient der Rück- und Neuge­ Das Projekt wurde gut von den „Paten“ und winnung älterer Menschen für den ÖPNV. Die „Patenkindern“ angenommen. 30 % der be­ Besonderheit liegt im Empfehlungsmarketing, teiligten „Patenkinder“ haben sich nach der das auf persönlichen Kontakten und auf der Projektphase entschieden, ein Aktiv60Ticket individuellen Unterstützung für die poten­ zu erwerben. Ein weiteres Drittel will öffentli­ ziellen Neukunden beruht. Im Rahmen dieses che Verkehrsmittel in Zukunft häufiger nutzen. Modellprojekts haben die Kölner Verkehrs-Be­ Insbesondere für die Gruppe der Älteren ist das triebe (KVB) 850 zufällig ausgewählten älteren Erlernen neuer Routinen mit Hilfe eines ver­ Stammkunden eine zusätzliche Zeitkarte ange­ trauten, versierten „Paten“ der beste Ansatz, boten, die sie an Verwandte oder befreundete um Unsicherheit oder Vorbehalte abzubauen. Personen ab 60 Jahre weiterreichen konnten. Es wurde beobachtet, dass neue Ziele ange­ Diese erhielten die Möglichkeit, für drei Mo­ steuert wurden und sich somit der Aktionsra­ nate diese Zeitkarte im gesamten VRS-Gebiet dius der älteren Menschen vergrößert hat. Auch kostenlos zu nutzen. Die Aktiv60Ticket-Kunden für alltägliche Aktivitäten wie Einkäufe oder der Kölner Verkehrsbetriebe fungierten dabei Freizeitaktivitäten wurde das Ticket genutzt, als „Paten“; die Verwandten oder Bekannten die „Patenkinder“ konnten erfahren, wie ange­ als „Patenkinder“. Die „Patenkinder“, die bisher nehm oder bequem die Nutzung des ÖPNV ist. den ÖPNV selten oder gar nicht genutzt ha­ Die Ticketkosten konnten durch neue Kunden ben, konnten sich während der dreimonatigen mehr als kompensiert werden. Es wäre auch Probephase mit dem ÖPNV vertraut machen. denkbar, andere Ziel- bzw. Altersgruppen über Durch gemeinsame Fahrten und mit Hilfe kon­ das Empfehlungsmarketing anzusprechen. kreter Hinweise konnten die „Paten“ ihre „Pa­ tenkinder“ aktiv bei der Nutzung des ÖPNV un­ terstützen. Durch das Modellprojekt sollte ein Projektstand

stärker multimodales Verkehrsverhalten ange­ November 2007- März 2009 regt und die selbstbestimmte Mobilität Älterer gesichert werden. Initiatoren, Träger bzw. Organisation Träger: BMVBS Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … Umsetzung: Kölner Verkehrsbetriebe AG (KVB) Idee: Fachgebiet Verkehrswesen und Verkehrsplanung, … das Empfehlungsmarketing gut geeignet ist, Fakultät Raumplanung der TU Dortmund, urbane nicht nur älteren Menschen den Zugang zu öf­ konzepte GmbH fentlichen Verkehrsmitteln zu erleichtern und Finanzierung Neukunden zu gewinnen. Das Projekt wurde im Rahmen des BMVBS Vorhabens „Mobilität21“ gefördert und erhielt Zuwendungen für die Konzeption, Durchführung von Informationsveranstal­ tungen und Evaluation durch die Projektbeteiligten. Die KVB stellte die 117 PatenTickets – gültig im VRS-Gebiet – als Eigenanteil zur Verfügung. Förderung erhielt die KVB in Höhe von 5 000 Euro für zusätzliche Personal­ kosten. Kontaktdaten Weiterführende Quellen/ Links Birgit Kasper, Steffi Schubert urbane konzepte GmbH i.Gr. www.urbane-konzepte.de (Bereich „Projekte“) Hamburger Allee 96 60486 Frankfurt am Main www.kvb-koeln.de/german/news/press.html?NID=808

Telefon: +49 (0)69/8043 5052 Toepsch, Jürgen/Kasper, Birgit/Schubert, Steffi (2009): Mobil: +49 (0)152-01787331 Das PatenTicket - Ein erfolgreiches Forschungs- und Mail: Umsetzungsprojekt zur Gewinnung von Kunden für den [email protected], ÖPNV in der Zielgruppe 60+. In: Nahverkehrspraxis, [email protected] Heft 1/2-2009, S. 19-21 Foto: Birgit Kasper Gute Beispiele zum Nachahmen 73

Projekt/Maßnahme IK4 Stadt Eschwege

Einwohner ca. 20 000 Innenstadtkarrees Ortsteil Innenstadt

Handlungsfeld: Einwohner ca. 2 900 Information, Kommunikation, Bundesland Hessen Kooperation

Kurzbeschreibung Einige Hauseigentümer können die finanzi­ Die Innenstadt von Eschwege war und ist durch ellen Mittel für den Umbau ihrer Immobilien abnehmende Kundenfrequenzen sowie eine nicht aufbringen. Um diesem Problem zu be­ steigende Zahl an Wohnungs- und Ladenleer­ gegnen, wurde im Frühjahr 2010 von der Stadt ständen in seiner Funktionalität und Zentralität Eschwege eine Stadtentwicklungsgesellschaft gefährdet. Im Rahmen des Projekts „Ab in die gegründet, die Häuser kaufen, umbauen und Mitte! Die Innenstadt-Offensive Hessen“ wurde anschließend wieder an die ehemaligen Ei­ deswegen ein Wettbewerb für die Innenstadt in gentümer zurückgeben oder zum Teil im Be­ Form eines offenen Stadtentwicklungsprozes­ stand halten soll. Weiter denkbar sind Genos­ ses konzipiert, der sich an Hauseigentümer, Ge­ senschaftsmodelle, über die die Immobilien schäftsbesitzer, Gastronomen, Investoren und entwickelt werden können, ohne dass die Ei­ Bürger richtete, die sich innerhalb selbst festge­ gentümer ihr Eigentum aufgeben müssen. Die legter Innenstadtkarrees zu neuen Kooperatio­ Kommunikation zwischen den Akteuren ist für nen zusammenfinden sollten. Die fünf besten das Gelingen der Innenstadtkarrees wesent­ Konzepte wurden ausgezeichnet, vier davon lich. Da die Innenstadtkarrees gut funktionie­ konnten in das Stadtumbauprogramm aufge­ ren und wichtige Funktionen für die Innenstadt nommen werden. Daneben wurden Innen­ übernehmen, ist die Entwicklung weiterer Kar­ höfe als „heimliche“ Raumpotenziale im Rah­ rees geplant. men eines Kunstwettbewerbs (Kunstparcour) durch Kunstinstallationen thematisiert und Projektstand der öffentlichen Wahrnehmung zugänglich Die Auftaktveranstaltung war im Jahr 2005. Die ersten gemacht. Mit der Entwicklung der Innenstadt­ zwei Projekte, die aus der Initiative heraus entstanden, wurden 2008/09 umgesetzt, die Umbauten von zwei karrees wurde zudem die Zielsetzung verfolgt, weiteren Karrees werden 2010 begonnen. die aktuellen Diskussionen über Business Im­ provement Districts (BID) um einen weiteren Initiatoren, Träger bzw. Organisation Aspekt – Karrees als strategisches Instrument Initiator: Stadt Eschwege integrativer Stadtentwicklungskonzepte – zu Kooperationspartner: IHK, Haus- und Grundeigentü­ merverein, Hotel- und Gaststättenverband, Einzelhan­ bereichern. delsverband, Architekten, Banken

Finanzierung Als „Gutes Beispiel“ ausgewählt, weil … … es beispielhaft gelungen ist, durch Kooperati­ Das Projekt wurde im Rahmen des Landeswettbewerbs „Ab in die Mitte“ gefördert. Die Stadt Eschwege hat on und Kommunikation Standortgemeinschaf­ einen Beitrag von ca. 8 000 Euro beigesteuert. Die ten zu bilden und Standorte in der Innenstadt Umsetzung des Marktplatzkarrees wird vom Bundes­ aufzuwerten und weiterzuentwickeln. ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Erfahrungen Weiterführende Quellen/ Links Das Konzept der Innenstadtkarrees stellt als www.werkstatt-stadt.de/de/projekte/205 freiwilliges Konzept eine Ergänzung zum An­ satz eines BID bzw. einer Immobilien- und Standortgemeinschaft dar und zeigt, wie lokale Akteure bei der Entwicklung ihres Standortes Kontaktdaten integriert werden können. Der kleinräumige Wolfgang Conrad M.A Maßstab der Karrees im Gegensatz zu Quartie­ Kreisstadt Eschwege ren ist für Kooperationsformen verschiedener Stabsstelle Wirtschaftsförderung Obermarkt 22 Akteure sinnvoll, da durch die geringere Anzahl 37269 Eschwege an Akteuren bessere Absprachen getroffen wer­ Telefon: +49 (0)5651/304337 den können. Mail: wolfgang.conrad@ eschwege-rathaus.de Bildquelle: IPC Vermögensanlagen 75

Anhang

Beispiele zur Förderung von Nahversorgung und Nahmobilität

Tabelle 12: Beispielsammlung zur Förderung der Nahversorgung und Nahmobilität

Kurzbeschreibung Ort Link

Verbesserung der Erreichbarkeit

Ausbau des Rad- und Fußgängerverkehrsnetzes, Coesfeld www.coesfeld.de/666.0.html Ausweisung von Tempo-30-Zonen, Einrichtung von Fahrradstationen

Analyse einer Einkaufsstraße hinsichtlich fahrradfreund­ Berlin www.einkaufen-mit-dem-rad.de/ licher Nutzung, Teilausweisung als Fahrradstraße berlin_bergmannstrasse.shtml

Errichtung von 1.000 neue Fahrradbügel zur Schaffung Dresden http://d-nb.info/991941845/34 neuer, sicherer Fahrradabstellmöglichkeiten in einem Partizipationsprozess

Fahrradfreundliches Geschäft mit stabilen Fahrrad­ Bremen www.einkaufen-mit-dem-rad.de/ ständern und Serviceleistungen für Fahrradfahrer bremen_wettbewerb.shtml

Mobilstationen zur Erleichterung der Nutzung öffentlicher Münster www.werkstatt-stadt.de/de/projek­ und umweltschonender Verkehrsmittel für Pendler te/145/

„mobil.punkte“ bringen ÖPNV, Car-Sharing, Fahrrad und Bremen www.werkstatt-stadt.de/de/projek­ Taxi kundenorientiert an einem Standort zusammen te/212/

Kostenlose Fahrradmitnahme in ÖPNV für Monatskarten- Magdeburg www.nationaler-radverkehrsplan.de/ und Abobesitzer, Ausbau von Bike+Ride-Stationen praxisbeispiele/anzeige.phtml?id=2104

Kostenlose Busticket für Autofahrer, die ihr Auto auf San Sebastian www.civitas.eu/news. einem Park+Ride-Platz parken (temporär für Weihnachts­ phtml?id=660&lan=en&read_more=1 einkäufe)

Fahrradverleihsystem „Hamburger Stadtrad“ Hamburg www.nationaler-radverkehrsplan.de/ (bis zu 30 min kostenlos) praxisbeispiele/anzeige.phtml?id=2128

Ausleihe von Quartiersfahrrädern Berlin-Halensee www.kudamm-halensee.de

probeweise, kostenlose Ausleihe von Fahrradtaschen Rostock www.einkaufen-mit-dem-rad.de/ und Fahrradanhängern zur Erleichterung des Einkaufens PM_ADFC_Rostock.pdf mit dem Fahrrad

Mobile Waschanlage für Fahrräder, die bei Stadtfesten Unna www.city-marketing-fahrrad.de/index. und anderen Aktionen aufgestellt werden kann php?id=61

Scherbentelefon, Meldung von Scherben, Offenburg http://www.offenburg.de/html/scher­ Verunreinigung oder Gefahren auf Fahrradwegen bentelefon449.html und schnelle Beseitigung

Online Portal mit dem Bürger ihrer Kommunen mitteilen verschiedene www.maerker.brandenburg.de können, wo es Verunreinigungen, Barrieren, Störungen Kommunen im im öffentlichen Straßenraum gibt Bundesland Brandenburg

BürgerBus zur Vernetzung der umliegenden Belzig www.mobikult.de/flaemingHavel.html Gemeinden mit dem Stadtzentrum, auf Initiative der Bürger entstanden

Anrufsammeltaxi zur Sicherstellung der innerörtlichen Griesheim http://d-nb.info/991941845/34 (S. 62) Erreichbarkeit

Taxi-Flatrate, Beförderung von Tür zu Tür zu jeder Zeit Schweiz www.taxmobil.de/ zu einem monatlichen Festpreis (im Aufbau)

Erhalt und Profilierung des Nahversorgungsangebotes

KOMM-IN Zentren, Baden- www.komm-in.de Dienstleistungszentren in kleinen Gemeinden Württemberg

BEROMA Bergischer Regionalladen zur Aufrecht­ Solingen www2.solingen.de/C12572F­ erhaltung der Nahversorgung im Quartier 80037DB19/html/7F1560D5F0F398E7 C12573A600466270?openDocument 76 Ohne Auto einkaufen Werkstatt: Praxis Heft 76

Kurzbeschreibung Ort Link

CAP-Märkte, zentrumsnahe Lebensmittelmärkte mit Süddeutschland www.cap-markt.de Integration behinderter Menschen als Personal

Zentrenumbau zur Ermöglichung der Ansiedlung großflä­ Hennef http://www.stadtraumkonzept.de/ chiger Nahversorgungseinrichtungen sowie zur Erhöhung fileadmin/Dateien_SRK/dokumente/ der Aufenthaltsqualität nahversorgung_quartier.pdf

Qualifizierung des Straßenraums

Umgestaltung eines Platzes mit Schaffung von Düsseldorf www.duesseldorf.de/planung/platzda/ Nahversorgungsmöglichkeiten plaetze/kamper/index.shtml (im Rahmen des Programms „Platzda“)

Schaffung eines städtischen Platzes zur Verkehrs­ Berlin www.sozialestadt.de/praxisdatenbank/ beruhigung in den Wohngebieten und als Wochenmarkt suche/ausgabe.php?id=545& sowie zur Verbesserung der Erreichbarkeit öffentlicher Einrichtungen

Herunterstufen einer Landesstraße und Umbau eines Kevelaer www.fahrradfreundlich.nrw. Platzes zur besseren Zufahrt zur Innenstadt und zur de/cipp/agfs/lib/pub/object/ fahrrad- und fußgängerfreundliche Nutzung downloadfile,lang,1/oid,4145/ ticket,guest/~/AGFS_ Nahmobilit_t_27_10.pdf (S. 10)

„Nette Toilette“ ist eine Aktion, bei der die Gastronomen Aalen www.null-euro-urbanismus.de/?p=175 ihre Toiletten für die öffentliche Nutzung zur Verfügung stellen

Mobilspiele in der Stadt; temporäre, spielerische Aktionen Zürich www.stadt-zuerich.ch/ted/de/index/ zum Umgang mit Nahmobilität und öffentlicher Raum mobil_in_zuerich/mobilitaetistkultur/ Archiv/mobilspiele_2003.html

Information, Kommunikation, Kooperation

Kampagne für mehr Gesundheit und Bewegung im Alltag bundesweit www.ich-bin-die-energie.de

the funtheory, Spaß und Freude als Ansatzpunkte Schweden www.thefuntheory.com zur Verhaltensänderung

innovative Kampagne zur Unterstützung des Manchester www.loveyourbike.org Radfahrens in der Stadt

Kampagne des BUND „Einkaufen mit dem Rad“ bundesweit www.einkaufen-mit-dem-rad.de/ (Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen, Wettbewerbe, Bürgerbeteiligung etc.)

Imagekampagne „Emders up Rad“ (Fahrradstadtpläne, Emden www.nationaler-radverkehrsplan.de/ Online-Plan für Radfahrer, Infoboxen, Aktionen und praxisbeispiele/anzeige.phtml?id=2063 Wettbewerbe, Baumaßnahmen, Pressearbeit etc.)

Kampagne Mühlbach am Hochkönig wirbt für Mühlbach am www.e5-salzburg.at/e5-gemeinden/ den Einkauf vor Ort und zeigt Vorteile auf Hochkönig muehlbachamhochkoenig.php

Informationsflyer mit Tipps für Einzelhändler und Kunden Dülmen www.radverkehr-duelmen.de/filead­ zum Einkaufen mit dem Fahrrad min/radverkehr/upload/Einkaufen.pdf

Mobilitäts-Aktionstag „Einkaufen mit dem Fahrrad“ Berlin www.einkaufen-mit-dem-rad.de/pm54. von BUND und einer Kauflandfiliale shtml

Plan Piétons, Fußgängerplan mit Gehzeiten, Genf www.ville-ge.ch/geneve/plan-pietons/ Fußgängerkorridoren, etc.) index.html

Wiki-Map: gemeinsame Karte der Quartiersbewohner Frankfurt a.M. www.frankfurt.de/sixcms/detail. mit persönlichen Tipps zum Stadtteil php?id=2509340&_ffmpar[_id_in­ halt]=3488158

Stadtspaziergänge zur Verbesserung der Infrastruktur Zürich www.stadt-zuerich.ch/ted/de/index/ und Aufzeigen von Wegeverbindungen aus mobil_in_zuerich/mobilitaetistkultur/ verschiedenen Blickwinkeln zueri_z_fuess.html

Verbindliche Beteiligung der Grundeigentümer Hamburg www.werkstatt-stadt.de/de/projek­ an der Aufwertung des Geschäftsbereich im te/173/ Business Improvement District (BID) “

InnenStadtEntwicklungs-Fonds (ISE-Fonds) zur Bad Dürkheim www.werkstatt-stadt.de/de/projek­ Initiierung privatwirtschaftlicher Investitionen zur te/176/ nachhaltigen Entwicklung der Innenstadt

Geschäftsstraßenmanagement zur Förderung Leipzig www.sozialestadt.de/praxisdatenbank/ des Einzelhandels in einer Geschäftsstraße suche/ausgabe.php?id=340

Anhang 77

Kurzbeschreibung Ort Link

Steuerung der Nahversorgung

Erstellung eines Nahversorgungskonzeptes Dortmund dev.stadtplanungsamt.dortmund.de/ im Rahmen des Masterplans Einzelhandel stadtplanungsamt/project/assets/tem­ plate7.jsp?content=me&smi=6.4&tco de2=grossprojekte.stadtplanungsamt. masterplaene.einzelhandel&tid=52617 &tid2=0&ttitle2=+

gemeindeübergreifende Regelung der Einzelhandels­ östliches www.rehk-ruhrost.de entwicklung in einem regionalen Einzelhandelskonzept Ruhrgebiet

Steuerung des großflächigen Einzelhandels Sachsen-Anhalt www.sachsen-anhalt.de/LPSA/index. über Landesentwicklungsplan php?id=37996

Konsultationskreis Einzelhandel, interdisziplinäres Dortmund http://do21.de/index. Beratungsgremium zur Beurteilung von Ansiedlungs­ php?site=berichte_details&objekt_ vorhaben ID=275

Quelle: eigene Darstellung

Literaturverzeichnis

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