PERSPEKTIVE | FES

Baraks Parteiaustritt - Sargnagel für die Awoda oder letzte Chance für einen politischen Neubeginn?

DR. RALF HEXEL Januar 2011

verlässt die Arbeitspartei und gründet mit vier weiteren Awoda-Abgeordneten eine eigene Fraktion und Partei. Für die Arbeitspartei eröffnet sich damit die Chance, den eigenen Niedergang zu stoppen und einen politischen Neubeginn zu starten.

Barak hinterlässt eine verheerende politische Bilanz. Er führte die Partei an den Rand der politischen Bedeutungslosigkeit und scheiterte mit seinem erklärten Vorhaben, Fortschrit- te im Friedensprozess mit den Palästinensern zu erreichen.

Die Arbeitspartei steht vor der Herausforderung, interne Machtkämpfe zu überwinden, einen neuen Vorsitzenden zu wählen und eine politische Alternative zur derzeit dominie- renden Rechten und auch zur Zentrumspartei Kadima zu formulieren.

Ob der politische Neubeginn gelingt, ist offen. Die Führungsdebatten seit Baraks Austritt und die Ernennung eines pensionierten Parteiveteranen zum Interim-Vorsitzenden sind kein Signal eines politischen Aufbruchs. RALF HEXEL | BARAKS PARTEIAUSTRITT

Diskurs, der unsere Demokratie gefährdet.“ Barak verlässt Awoda, und Awoda Die Abgeordnete Shelly Yachimovich bezeich- verlässt Netanyahus Regierung nete Baraks Art, sich von der Partei zu tren- nen, als „korrupt und opportunistisch“, da Der Vorsitzende der Arbeitspartei (Awoda), das Ziel einzig darin bestehe, seinen Minister- Ehud Barak, verließ am 17. Januar gemein- posten in der Regierung zu retten. sam mit vier weiteren Abgeordneten die 13- köpfige Knessetfraktion seiner Partei und Ministerpräsident Netanyahu, mit dem Barak bildete unter dem Namen „Atzmaut“ (Unab- diesen Schritt offenbar eng abgestimmt hat- hängigkeit) eine neue Fraktion. Ziel ist, eine te, sagte: „Die Regierung ist heute stärker ge- Partei mit gleichem Namen gründen. Zusam- worden in ihrer Stabilität und Regierungsfä- men mit Barak verließen folgende Abgeord- higkeit.“ Zwar ist Netanyahus parlamentari- nete die Fraktion der Awoda: Landwirt- sche Mehrheit nun von 74 auf 66 Abgeord- schaftsminister , der stellver- nete geschrumpft, jedoch ist es aus seiner tretende Verteidigungsminister , Perspektive zweifellos richtig, diese Verände- die stellvertretende Ministerin für Industrie, rung als Stärkung der Regierung zu bezeich- Handel und Arbeit Orit Noked und Einat Wilf. nen. Netanyahu kann von nun an mit einer stabileren, weil eindeutig rechts und nationa- Barak sagte zu seiner Entscheidung: „Sharon listisch ausgerichteten Koalition rechnen. hat einen solchen Schritt gemacht wie auch Innerhalb seines Regierungsbündnisses muss Ben Gurion und Peres. Wir bilden eine neue er kaum noch mit Kritik an seiner Politik im Fraktion, eine neue Bewegung und dann eine Nahost-Friedensprozess rechnen. neue Partei. Diese Partei wird zionistisch, de- mokratisch und eine Partei der Mitte sein, Netanyahu belohnte Barak und dessen Ge- und sie wird dem Erbe David Ben Gurions folgsleute mit folgenden Ministerposten: Sha- folgen.“ Als zentralen Grund für das Verlas- lom Simhon wurde Minister für Industrie, sen der Arbeitspartei nannte Barak deren Handel und Arbeit, Matan Vilnai wurde vom immer stärkeres „Abdriften nach links“. Nicht stellvertretenden Minister zum Minister im nur die Öffentlichkeit, auch die Awoda- Verteidigungsministerium befördert, Orit No- Führung wurde von Baraks Schritt überrascht. ked erhielt das Landwirtschaftsministerium Die verbleibenden Awoda-Minister – Sozial- und Einat Wilf wurde der Vorsitz des - minister Isaac Herzog, Minderheitenminister Bildungsausschusses versprochen. Damit sind Avishai Braverman sowie der Industrie- und vier der fünf Mitglieder der „Atzmaut“- Arbeitsminister Benjamin Ben-Eliezer – erklär- Fraktion Minister. ten noch am selben Tag ihren Rücktritt und den Austritt der Partei aus Netanyahus Regie- Baraks verheerende politische Bilanz rung. Isaac Herzog kommentierte Baraks Par- teiaustritt mit folgenden Worten: „Heute ist Mit seinem überraschenden politischen Ma- ein Tag positiver Veränderungen für die Ar- növer – Militärs würden von einem Befrei- beitspartei. Baraks Schritt macht die Erneue- ungsschlag sprechen – ist Barak einer Ent- rung der Partei möglich. Es ist der Zeitpunkt wicklung in der Arbeitspartei zuvor gekom- gekommen, dass wir aufhören, uns selbst zu men, die ihn zunehmend unter Druck setzte. belügen und die Regierung verlassen, die uns Er hatte die Partei 2009 mit der Ankündi- in eine Sackgasse geführt hat. Diese Regie- gung, „kein Feigenblatt, sondern ein echtes rung hat und seine Partei Gegengewicht zu den rechten Parteien“ sein über uns gebracht mit ihrem rassistischen zu wollen, in Netanyahus rechte Regierungs-

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koalition geführt. Vor allem wollte er dafür re Jahre sehr erfolgreich als Geschäftsmann sorgen, dass Netanyahu ein Rahmenabkom- tätig. 2007 kehrte er in die Politik zurück und men für die Erreichung eines dauerhaften wurde ein zweites Mal zum Vorsitzenden der Friedens mit den Palästinensern abschließt. Arbeitspartei gewählt. Bei den Knessetwahlen Das Gegenteil ist eingetreten: Der Friedens- 2009 erlitt die Awoda unter Baraks Führung prozess steckt in einer Sackgasse, der Sied- eine heftige Niederlage. Die Zahl der Manda- lungsbau in der Westbank und Ost- te sank von 19 auf 13, aber Barak beschäftig- geht weiter, Israels internationale Position hat te sich weder mit dem Wahldesaster noch mit sich verschlechtert und Baraks politischem der anhaltenden politischen Talfahrt seiner Gegenspieler in der Regierung, Außenminis- Partei. Statt grundlegende Fragen zu deren ter Avigdor Lieberman, ist es gelungen, sein Zustand zu stellen und ihre Erneuerung in politisches Gewicht beträchtlich zu erhöhen. Angriff zu nehmen, entschied er sich gegen Nicht Barak, sondern Lieberman ist der starke den Gang in die Opposition und führte die Mann in der Regierung. Damit ist das einge- Partei gegen heftigen Widerstand in den ei- treten, was Ehud Barak um jeden Preis ver- genen Reihen in Netanyahus Rechtsregie- hindern wollte und was seine Kritiker ihm rung. Dies führte zu einer inneren Spaltung beim Eintritt in Netanyahus Regierung pro- der Partei und beschleunigte den politischen phezeit hatten: Das „linke Feigenblatt“ für Gewichtsverlust. In Meinungsumfragen er- eine rechte Regierung zu bilden. reichte die Awoda zuletzt nur noch sechs bis acht der 120 Knessetsitze. Die Zahl der Mit- Offenbar sind maßgebliche Vertreter der US- glieder – verlässliche Zahlen gibt es nicht – Administration zum gleichen Schluss gekom- soll unterdessen von ca. 60.000 auf ca. men. In der ersten Januarwoche berichtete 20.000 gefallen sein. Außerdem verschärfte die Zeitung Ha‘aretz, hohe US-Vertreter hät- sich die Verschuldung der Partei erheblich, ten nach dem Scheitern der direkten Gesprä- und die eigene Organisationsstruktur wurde che zwischen Netanyahu und Abbas ihren unter Barak masiv vernachlässigt. tiefen Ärger über Barak zum Ausdruck ge- bracht. Dieser habe beschworen, Netanyahu Angesichts dieser Bilanz nahm die Kritik an zu einem Friedensabkommen mit den Pa- Baraks Kurs in der Partei massiv zu. Es wurde lästinensern bewegen zu können, sie offen- der Rückzug aus der Regierung und die Neu- bar aber getäuscht. Man würde zwar weiter wahl des Parteivorsitzenden gefordert. Barak mit Barak zusammenarbeiten, ihm aber von kam dieser Entwicklung mit seinem Parteiaus- nun an keinen bevorzugten Zugang mehr zu tritt und der Gründung einer eigenen Partei Präsident Obama gewähren. Das Vertrauen in zuvor. Mit diesem politischen Schachzug si- Barak bildete offenbar ein zentrales Element cherte er vorerst seine Position als Verteidi- in der amerikanischen Nahost-Strategie. gungsminister sowie seine machtpolitische Bedeutung für Netanyahu. Ob der neuen Neben seinem Scheitern, den Friedensprozess Partei ein längeres Leben beschert sein wird, voranzubringen, hat Barak eine verheerende ist zu bezweifeln. Die Reaktionen der Öffent- Bilanz als Parteivorsitzender aufzuweisen. lichkeit zeigen, dass Barak als ein Politiker Seine erste Amtszeit endete 2001 mit der gesehen wird, der sein politisches Handeln Wahlniederlage gegen , nach- einzig an eigenen Interessen ausrichtet, für dem er im Sommer 2000 als Ministerpräsi- den Werte und politische Moral nicht existie- dent in Camp David daran gescheitert war, ren. Einer Umfrage zufolge würde Baraks mit Yassir Arafat ein Friedensabkommen aus- neue Partei bei Wahlen nur zwei Knesset- zuhandeln. In den Folgejahren war er mehre- mandate erringen. Es ist wahrscheinlich, dass

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Barak bei den nächsten Wahlen ein Bündnis einig geworden seien, bei den nächsten Wah- mit Netanyahu eingehen wird. Dadurch wür- len für die Partei Tzipi Livnis zu kandidieren. de er Verteidigungsminister bleiben können, und Netanyahu erhielte durch ihn Unterstüt- Am Tag nach Baraks Parteiaustritt erklärte zung gegen Avigdor Lieberman, der sich zu- das Quartett Peretz, Cabel, Ben-Simon sowie nehmend als der neue Führer der israelischen Raleb Majadele dann, dass sie die Arbeitspar- Rechten profiliert. tei doch nicht verlassen würden und bereit seien, an deren Erneuerung mitzuwirken. Wird die Chance zur politischen Er- sagte hierzu: „Wir sind die 'Neue neuerung genutzt? Awoda' und wir hoffen, dass die bestehende Awoda die Prinzipien der 'Neuen Awoda‘ Spätestens seit den Wahlen 2009 befindet akzeptieren wird. Israel braucht eine vertrau- sich die Arbeitspartei in einer Existenzkrise. enswürdige sozialdemokratische Partei, und 1995 war man unter Rabin noch mit 44 Ab- ich hoffe, dass wir das zusammen erreichen geordneten in der Knesset vertreten, zuletzt werden.“ Außerdem forderten die vier die waren es noch 13. Da Barak praktisch nichts Abschaffung des 2010 auf Betreiben Baraks gegen diese Talfahrt unternahm, sondern ein- geänderten Parteistatuts, das dem Vorsitzen- zig an seiner Position als Verteidigungsminis- den mehr Macht gab und demokratische ter interessiert war, gilt er vielen inzwischen Entscheidungsmechanismen einschränkte als Totengräber der israelischen Linken. (Kritiker nannten es das Lieberman-Statut).

Natürlich ist es zu einfach, eine derart tiefge- Die Vertreter der 'Neuen Awoda' sind jene, hende Krise einer einzelnen Person anzulas- die sich seit dem Beitritt der Arbeitspartei zur ten, denn Baraks Kurs wurde von einer Netanyahu-Regierung gegen den Barak-Kurs Mehrheit in der Awoda mitgetragen. Baraks gestemmt hatten. In der Gruppe der soge- Austritt aus der Partei eröffnet jedoch nun die nannten "Rebellen" waren Amir Peretz, Eitan Chance, den politischen Niedergang zu stop- Cabel, Ophir Pines-Paz und mehre- pen und einen Erneuerungsprozess einzulei- re Monate lang gegen Baraks Politik aufge- ten. Ob dies gelingen wird, ist völlig offen treten und hatten für einen anderen politi- und Euphorie, wie sie unter einer Reihe von schen Kurs geworben. Sie hatten eine eigene Anhängern der Partei derzeit anzutreffen ist, Plattform innerhalb der Partei gegründet, es ist fehl am Platz. Ein Erfolg wird wesentlich jedoch nicht geschafft, sich auf eine gemein- davon abhängen, ob es der Awoda-Führung same politische Linie zu einigen und Baraks gelingt, die bestehenden Rivalitäten – die sich politischem Kurs wirksamen Widerstand ent- Barak nach dem Prinzip "divide et impera" gegenzusetzen. Yuli Tamir und Ophir Pines geschickt zunutze machte – zu beenden, die legten daraufhin ihre Knesset-Mandate nie- Situation nüchtern zu analysieren und darauf der, letzterer verließ sogar die Partei, wäh- aufbauend zu einer gemeinsamen politischen rend Cabel und Peretz ihren Widerstand auf- Agenda zu finden. Noch kürzlich sah es so gaben. Die 'bestehende' oder 'alte' Awoda aus, als würde sich der Auflösungsprozess der bilden demnach jene, die Baraks Linie gefolgt Partei fortsetzen. Daniel Ben-Simon kündigte waren und Ministerämter übernahmen. Zu an, die Knessetfraktion verlassen zu wollen, ihnen zählen die ex-Minister Benjamin Ben- um als unabhängiger Abgeordneter weiter zu Eliezer, Isaac Herzog und Avishai Bravermann machen. Parallel dazu wurde gemeldet, dass sowie der einflussreiche Histadrut-Vorsit- Amir Peretz, ex-Vorsitzender der Partei und zende Ofer Eini. Eini hatte auf dem Parteitag, Eitan Cabel, ex-Generalsekretär, mit Kadima der über den Eintritt in die Regierung Neta-

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nyahu zu entscheiden hatte, massiv für Ba- nach Baraks Parteiaustritt traten mehrere raks politische Linie Partei ergriffen und dafür hundert neue Mitglieder der Partei bei. Auch gesorgt, dass eine Mehrheit zustande kam. frühere Awoda-Aktivisten, die sich angesichts Eitan Cabel, der inzwischen zum neuen Frak- von Baraks Politik frustriert aus der Partei zu- tionsvorsitzenden der achtköpfigen Knesset- rückgezogen hatten, kündigten an, sich aktiv fraktion der Awoda gewählt wurde, sagte in für deren Erneuerung engagieren zu wollen. Bezug auf die Wahl eines neuen Vorsitzen- Es liegt nun in der Hand der Arbeitspartei und den: "Ich ziehe es vor, dass keiner von uns ihrer Führung, aus diesem "Barak-Effekt" ei- neuer Vorsitzender wird, da es zuviel böses nen politischen Neuanfang zu machen. Miss- Blut zwischen uns gibt. Es sollte keiner der lingt dies und die internen Streitigkeiten um derzeitigen Knessetabgeordneten sein, son- Posten und Macht gehen weiter, könnte Ba- dern jemand, der unbelastet ist." raks Parteiaustritt tatsächlich zum Sargnagel für die Awoda werden. Am 23.01. einigte sich die Awoda-Führung darauf, den 74jährigen Micha Harish zum Vor welchen Herausforderungen steht vorübergehenden Vorsitzenden der Partei zu die Partei? berufen. Der als integer geltende Harish war Anfang der 90er Jahre Generalsekretär der In den vergangenen 15 Jahren hat die Partei Partei und unter Yitzhak Rabin Industrieminis- die Fähigkeit verloren, klare Antworten auf ter. Seine Aufgabe ist es nun, die Partei bis die zentralen politischen Herausforderungen zur Wahl des neuen Vorsitzenden – der Ter- zu geben. Das gilt nicht nur für den Nahost- min wird derzeit heftig diskutiert - zu führen. Friedensprozess, sondern auch für die zentra- Der neue Parteivorsitzende wird sehr wahr- len innenpolitischen Probleme, wie das stei- scheinlich auch der Kandidat der Arbeitspar- gende Gefälle zwischen arm und reich, die tei für die Wahlen zur nächsten Knesset sein, anhaltenden Spannungen zwischen Religiö- die voraussichtlich 2013 stattfinden werden. sen und Säkularen sowie die Diskriminierung der israelischen Araber. Die drei zentralen Ihre Bereitschaft, für den Parteivorsitz zu kan- Themen, die die Säulen einer neuen politi- didieren, haben bisher Isaac Herzog und A- schen Strategie der Arbeitspartei und damit vishai Braverman erklärt. Auch Shelly Yachi- einer politischen Alternative zur regierenden movich, die keinem der existierenden Flügel Rechten bilden müssten, sind: 1) die Bewah- anghört, Amir Peretz und Amram Mitzna, der rung von Demokratie und Pluralismus in Isra- bereits von 2002-03 Parteivorsitzender war, el, 2) der Kampf für soziale Gerechtigkeit und sollen eine Kandidatur in Erwägung ziehen, Solidarität und 3) ein klares Konzept für einen haben diese bisher aber nicht erklärt. Eine am Frieden mit den palästinensischen und arabi- 18.01. durchgeführte Umfrage stellte 500 schen Nachbarn. Personen u.a. die Frage, wer am besten ge- eignet sei, die Arbeitspartei zu führen. Dabei Bei der Frage nach den Ursachen ihrer Krise gab es folgende Ergebnisse: Herzog 20%, muss sich die Arbeitspartei weiterhin mit fol- Mitzna 18%, Yachimovich 18%, Peretz 5%, genden Problemen auseinandersetzen. bêëJ Braverman 5% und Eini 5%. íÉåë ist die gesellschaftliche Basis dramatisch geschrumpft. Die Awoda hat ihr traditionelles Der neue Awoda-Vorsitzende kann bei seinen Milieu (Histadrut, Kibbutzim) verloren, die Erneuerungsbemühungen auf eine sehr gros- Mittelschicht wählt Kadima und Likud, und in se Kooperationsbereitschaft bei Mitgliedern sozial schwachen Schichten (arabische Bür- und Anhängern der Partei bauen. Am Tag ger, Juden orientalischer Herkunft, russisch-

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stämmige Israelis) hat sie keine Verankerung. zialdemokratische, sondern eindeutig markt- wïÉáíÉåë ging durch permanentes Mitregie- liberale Positionen ein. Kadima ist in der poli- ren das eigene politische Profil verloren. Op- tischen Mitte erfolgreich, und von dort wird position und klare politische Positionen wur- die Partei sich mit Sicherheit nicht wegbewe- den zu Fremdwörtern. aêáííÉåë führte das gen. Livni selbst bezeichnet Kadima als natio- Auseinanderklaffen von Wort und Tat beson- nale und liberale Partei. ders unter Barak zum Verlust des wichtigsten Kapitals der Partei: der politischen Glaubwür- Fazit= digkeit. sáÉêíÉåë= ist Awoda nicht mehr der politische Vertreter des Friedenslagers in Isra- Die Arbeitspartei hat jetzt wohl die letzte el. Diese für ihre politische Relevanz zentrale Möglichkeit, ihren politischen Niedergang zu Rolle hat die Partei an Kadima verloren. cΩåÑJ stoppen und eine Wende einzuleiten. Nur íÉåë ist die Partei intellektuell einfallslos und wenn sie es schafft, ihre internen Rivalitäten politisch sprachlos. Seit Yitzhak Rabin ist es zu beenden, sich eine demokratisch legiti- ihr nicht mehr gelungen, überzeugende Al- mierte neue Führung zu geben und überzeu- ternativen zur Politik der Rechten zu formulie- gende Antworten auf die oben formulierten ren. Dem Anwachsen von undemokratischen Fragen zu finden, kann es ihr gelingen, sich a) und nationalistischen Tendenzen in Politik als sozialdemokratische Partei zu erneuern; b) und Gesellschaft Israels steht die Partei der- die zentrale Kraft für eine Neuformierung der zeit weitgehend konzeptionslos und passiv zionistischen Linken zu werden und c) von gegenüber. den Wählern als politische Alternative sowohl zu Netanyahu und Lieberman als auch zu Aber die Awoda muss nicht nur eine klare Livni angenommen zu werden. politische Alternative zur israelischen Rechten formulieren, sie muss auch klarmachen, wo- Wie sehr Israel ein echtes politisches Gegen- durch sie sich von Kadima unterscheidet. gewicht zur regierenden Rechten braucht, Durch das Bündnis mit Netanyahu und Lie- zeigen nicht nur der völlige Stillstand im Frie- berman hat Barak die Partei für viele Israelis densprozess, die Krise im Verhältnis zu den eindeutig nach rechts gerückt, während Tzipi USA und die stark zunehmende internationa- Livni durch ihre klare Opposition zu Netanya- le Isolation des Landes. Auch innenpolitisch hus Politik sowie durch ihr Bekenntnis zur wird eine starke demokratische Linke ge- Zwei-Staaten-Lösung 1) als wichtigste Stimme braucht, um die israelische Demokratie gegen des Friedenslagers und 2) Kadima als mitte- stärker werdende nationalistische, ultra- links Partei wahrgenommen werden. Ange- orthodox/religiöse und fremdenfeindliche sichts der politischen Talfahrt von Awoda und politische Kräfte zu verteidigen, die – verse- Meretz mag es verständlich sein, dass viele hen mit einflussreichen Positionen in Exekuti- israelische Linke ihre Hoffnungen auf Kadima ve und Legislative – ihre politischen Ziele ent- projizieren. Auch meinen manche von ihnen, schlossen verfolgen. man müsse Kadima beitreten und könne die Die Benennung des Seniors Micha Harish zum Partei dann quasi von innen in Richtung Sozi- vorläufigen Parteivorsitzenden als auch die aldemokratie verändern. Möglicherweise war Art, wie die Führungsdebatten bisher geführt das auch das Kalkül von Amir Peretz und werden, sind allerdings kein Signal des politi- Eitan Cabel. Aber Kadima ist keine mitte-links schen Aufbruchs. Geht der Machtkampf in Partei, sondern eine Partei des politischen der Arbeitspartei weiter, während es kaum Zentrums. In wirtschafts- und sozialpoliti- noch Macht zu verteilen gibt? schen Fragen nimmt die Partei nicht etwa so-

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Über den Autor Impressum

Ralf Hexel ist langjähriger Mitarbeiter der FES und seit 2008 Friedrich-Ebert-Stiftung | Referat Naher/Mittlerer Osten und Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Herzliya, Israel. Nordafrika Hiroshima Str. 28 | 10785 Berlin | Deutschland

Verantwortlich: Armin Hasemann Referent für Israel und die Palästinensischen Gebiete

Tel.: ++49-30-269-35--7423 | Fax: ++49-30-269-35-9233 http://www.fes.de/nahost

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