Kalauer und Koteletten Manfred Krug vor der Alten Nationalgalerie Berliner Morgenpost | 2001

Vor der Alten Nationalgalerie, natürlich. Welcher ning Protzmann am Baß und Andreas Bicking am Ort im Herzen könnte wohl besser passen Saxophon. Daneben gönnt Krug einer in für das Urgestein des ostwestdeutschen Enter- lebenden schwarzen Sängerin zwei Miniauftritte. tainments: unser aller Manfred Krug. Ein Viertel- Leta Davis aus Pennsylvania hat genau die drei jahrhundert war er nicht in Berlin zu hören, da Eigenschaften, die dem Krug imponieren: Stim- mußte es schon ein ganz besonderer Rahmen me, Schönheit und Schalk. Den Humor läßt auch sein, nicht wahr? er selbst immer wieder heraus. „Jaja, die alten Vor dem großen unverrückbaren Haus an der Lieder“, unterbricht er einen Song, als die Zuhö- Spree ist eine kleine fahrbare Bühne aufgebaut, rer bei den Anfangsnoten in Jubel ausbrechen. der Platz davor dicht mit Stuhlreihen bedeckt. Und legt seine Halbglatze ob eines vorüberflie- Die Leute schlürfen Cocktails und lauschen unter genden Hubschraubers in theatralische Falten. blauem Himmel den Vorab-Klängen von „Jazzin’ Dafür muß man ihn einfach gern haben, den the Blues“. Nach einer halben Stunde ist es dann Manfred. soweit: Die Sonne geht unter, und der Krug geht Anders als seine geschaßten Mitkollegen Bier- auf. Mit einem knallroten Wollpullover überm mann oder Renft warf Krug sich nach Maueröff- Hemd und einer ledernen Umhängetasche um nung nicht in die Arme seiner wartenden Anhän- die Schulter schlurft der Mann auf die Bühne – ger, sondern drehte seelenruhig weiter seine melancholisch wie ein Büroangestellter nach Vorabend-Filmchen. Allein deshalb ist dieser Feierabend. Die Fans klatschen entzückt. Krug Abend vor der Nationalgalerie so besonders: Er winkt leger zurück, zwängt sich an den kleinen markiert die späte Heimkehr eines weggetriebe- Sprelacart-Tisch, ein Stück authentischen DDR- nen Künstlers. Die DDR ist überpräsent – fast Mobilars, und kokettiert sofort los: „Na, so einen jede Ansage, jede Witzelei, jede Reminiszenz tollen Empfang hätte ich ja nicht erwartet.“ Der streift den untergegangenen Arbeiter-und- Spruch entzückt das Publikum noch mehr und Bauern-Staat. Krug setzt noch einen drauf, in- stellt das abendliche Stimmungsbarometer dau- dem er konsequent vom „Ostsektor Berlins“ erhaft auf Heiter. spricht, an dem er heute abend auftrete. Nach Manfred Krugs künstlerisches Kontrastpro- dem letzten Kalauer, die Zuhörer sind noch gar gramm nach 25 Jahren Berliner Bühnenabstinenz nicht fertig mit Lachen, gehen die Lautsprecher geht auf Nummer sicher, und das kann nur hei- aus und eine Leinwand bläst sich auf – der finale ßen: es gibt den vollen Krug – in Wort, Ton und Programmpunkt zeigt Krug in dem DEFA-Film Bild. Zunächst liest der Allroundkünstler aus „Das Versteck“. seinem Buch „Abgehauen“ eine pointenreiche „Manfred Krug steht im Mittelpunkt des heuti- Passage, in der er Eberhard Esche von einem gen Abends“, versprach Bassist Protzmann zu Hirngespinst zum anderen torkelt läßt. Später Beginn der Veranstaltung. Er hätte auch sagen gibt er ein paar jener „Schnurren“ zum besten, können: Krug satt. Denn all die Würstchenbu- die ihm sein Freund auf Postkarten den, Buchstände, die farbenprächtige Lichtillu- übersandte. Vor und nach den Kurzlesungen minierung − ja selbst der Schriftzug „Der deut- aber tritt der 64jährige in die Bühnenmitte, schen Kunst“, den ein cleverer Beleuchter aus beugt den Kopf nach unten und dröhnt sich mit dem Gemäuer der Nationalgalerie filtert − schei- seiner Badewannenstimme durch eine Handvoll nen nur dem großen Krug in all seiner Pracht zu Krugscher Evergreens: das Lied „mit dem einen dienen. Und als sich drunten der lebendige Man- langen Ton“, „Alles geht einmal zu Ende“, „Nie- fred den wartenden Fans zur Autogrammstunde mand liebt dich so wie ich“. Die Tatort-Nummern zuwendet, während droben der Leinwand- läßt er weg. Manfred fürchterliche 70er-Jahre-Koteletten Für seine musikalischen Ausflüge in die Vergan- ausfährt, hat die Verkrugung des Abends ihren genheit hat sich Krug allerbeste Musiker mitge- Höhepunkt erreicht. Danke, Manne! bracht: Ulrich Gumpert am Piano, Wolfgang Schneider am Schlagzeug, Karat-Gründer Hen- www.meyer-schreibt.de