Tobias Koch Franz Schubert (1797-1828)
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SCHUBERT Schwanengesänge MARKUS SCHÄFER · TOBIAS KOCH FRANZ SCHUBERT (1797-1828) 1 Schwanengesang D 744 (T: Johann Chrisostomus Senn) vermutlich / likely in 1822 02:57 2 Winterabend D 938 (T: Karl Gottfried von Leitner) Januar 1828 06:17 3 Die Sterne D 939 (T: Karl Gottfried von Leitner) Januar 1828 03:12 4 Auf dem Strom für Tenor, Horn und Klavier D 943 (T: Ludwig Rellstab) März 1828 09:15 5 Herbst D 945 (T: Ludwig Rellstab) 03:29 April 1828, vermutlich zusammen mit den anderen Liedern aus dem Schwanengesang Liedsammlung „Schwanengesang“ D 957 August 1828 7 Lieder nach Texten von Ludwig Rellstab 6 Liebesbotschaft 02:42 7 Kriegers Ahnung 05:29 8 Frühlingssehnsucht 03:54 9 Ständchen 03:27 10 Aufenthalt 02:48 11 In der Ferne 07:00 12 Abschied 04:02 6 Lieder nach Texten von Heinrich Heine 13 Der Atlas 02:01 14 Ihr Bild 02:48 15 Das Fischermädchen 01:55 16 Die Stadt 02:52 17 Am Meer 04:12 18 Der Doppelgänger 03:51 19 Die Taubenpost D965 A (T: Johann Gabriel Seidl) 04:06 Total Time 76:23 Markus Schäfer Tenor Tobias Koch Pianoforte Friedrich Hippe, Weimar 1820/30 Stephan Katte Naturhorn, Kopie von Stephan Katte, Weimar 2016, nach Anton Kerner, Wien 1810 Recording: II 2017, Stadtschloss Weimar / City Castle Weimar · Executive producer: Stefan Lang Recording producer, editing & mastering: Joachim Müller · Piano Technician & Tuning: Roland Hentzschel Publisher: Neue Schubert-Ausgabe, Tübingen & Wien g 2017 Deutschlandradio / Avi-Service for music P 2019 Avi-Service for music, Cologne/Germany 42 6008553915 4 · Made in Germany · All rights reserved · LC 15080 · STEREO · DDD Design: www.BABELgum.de · Translations: Stanley Hanks · Fotos: g Jonas Kaffine · www.avi-music.de www.deutschlandfunkkultur.de · www.tobiaskoch.eu · www.tenor-markus-schaefer.de · www.stefan-katte.de A Co-production with KREATIVE HERAUSFORDERUNG Jede Zeit hat ihre eigenen Bezugspunkte und Ansätze. Lebendig im Einklang zum Jetzt und eine beachtliche Bedeutung zukam, gültig sowohl für das künstlerische Selbstverständnis zum Selbst das Vermächtnis eines Komponisten hör- und erfahrbar zu machen – das ist die wie auch das Selbstbewusstsein seiner Interpreten. Um Text und Musik gesteigerten und Aufgabe, der sich jede musikalische Interpretation stellen muss. Eigenverantwortete Freiheiten insbesondere persönlichen Ausdruck zu verleihen, gehörten zu den als selbstverständlich und aufführungspraktische Grenzen bei einer möglichst unverfälschten Wiedergabe eines erachteten aufführungspraktischen Konventionen die Variierung von Strophenliedern, Or- Notentextes verleihen ihr erst ein eigenes Profil. namentierungen, Lagenveränderungen und zahlreiche weitere Manieren. Wir sind bei dieser Neuaufnahme wiederum das experimentelle Wagnis eingegangen, uns einem Auch unsere als Grundvoraussetzung gemeinsamer Arbeit begriffene vorbehaltlose Gleich- aus dem Geiste der Improvisation spontan entstehenden musikalischen Zugriff gegenüber zu berechtigung von Gesang und Fortepiano-Part birgt mit ihrer stetig sich neu manifestierenden öffnen. Nicht nur auf diesem Hintergrund hat uns dabei die als Herausforderung empfundene gegenseitigen Unabhängigkeit Chancen und Risiken zugleich, zumal, wenn die Klavier- Fragestellung beschäftigt: Wann wird Subjektivität zu Manieriertheit? Und wie viel Freiheit stimme damit zu einer eigenständig kommentierenden zweiten und zugleich doppelbödigen kann, darf, soll und muss einer aufnahmetechnisch fixierten Interpretation innewohnen? Realitäts-Ebene aufgewertet wird. Insbesondere als historisch informiert agierende Interpreten sehen wir uns dabei als Vermittler. Werktreue findet ihren Ausgangspunkt erst in der Bereitschaft zum Entschlüsseln, zum Um als Interpreten jenseits einer nur zaghaft historisierenden Rekonstruktion werktreu Deuten und Ausdeuten. Sie endet nicht in Erstarrung vor handschriftlichen Vermächtnissen. sein zu können, müssen wir mutig sein. Eintauchend in ein zeitliches Umfeld, in dem es Im Bewusstsein, dass jede Auseinandersetzung mit Meisterwerken der Vergangenheit ihre als besonders werktreu galt, so individuell als möglich zu gestalten und dadurch zu inter- Legitimation in einer nachschöpferischen Ausbalancierung des fragilen Spannungsfeldes pretieren, betrachten wir diese Aufnahme als Momentaufnahme einer sich stets im Wandel von Werk- und Textreue findet, wissen wir zugleich um die Problematik, beide Begriffe begriffenen verantwortungsvollen Auseinandersetzung mit dem Werk – einer Auseinander- miteinander gleichzusetzen. setzung, die wir bereit sind, als kreative Herausforderung anzunehmen. Wir konfrontieren die Hörer dieser Aufnahme mit zahlreichen vom Komponisten nicht fi- © Markus Schäfer und Tobias Koch, Mai 2019 xierten Noten, mit vielfach ungewohnten musikalischen Phrasen und einer Vielzahl eigener Veränderungen des Notentextes. Verstanden wissen wollen wir dies allerdings weder als eigenmächtige Provokation noch als Zurschaustellung einer übersteigert egozentrischen interpretatorischen Befindlichkeit. Tatsächlich ist aus mannigfachen historischen Quellen ersichtlich, dass der kreativen eigenen Anverwandlung des Notentextes zu Schuberts Zeiten 4 SCHUBERTS SCHWANENGESÄNGE Die Gewohnheit, neben der Schönen Müllerin und der Winterreise noch von einem weiteren zu denen er in einem Begleitschreiben anmerkte: „Diese haben vielleicht das Neue, daß großen Liederzyklus Schuberts zu sprechen, ist eine Erbschaft des 19. Jahrhunderts. Die sie einen Zusammenhang unter sich bilden, der auf Glück, Vereinigung, Trennung, Tod und Zusammenstellung jener Lieder, die unter dem Namen Schwanengesang berühmt geworden Hoffnung auf das Jenseits ahnen läßt, ohne bestimmte Vorfälle anzugeben. – Möchten sind, geht auf den Wiener Verleger Tobias Haslinger zurück, der ein halbes Jahr nach Schuberts diese Gedichte Ihnen so viel Liebe abgewinnen, daß Sie sich zur Composition entschließen, Tod 14 Lieder aus dem Nachlass des Komponisten als „die letzten Blüten seiner edlen Kraft“ und auf diese Art die Verbindung mit einer Handlung eröffneten, die es sich zum Grundsatz herausgab. gemacht hat, so viel als irgend möglich ist, nur der wahren höchsten Kunst förderlich zu sein und die Begeisterung des Componisten als das erste Gesetz betrachtet, nach dem er Dabei hatte Schubert selbst bereits 1815 das Gedicht Schwangesang von Ludwig Theobald schreiben soll.“ Kosegarten vertont, wohl im Herbst 1822 folgte die Vertonung des Schwanengesangs seines aus politischen Gründen verbannten Freundes Johann Senn. Da hatte Schubert aber noch Zu einer Vertonung kam es nicht, obwohl Beethoven, so Rellstab in seinen Lebenserinnerungen, sechs Lebens- und Schaffensjahre vor sich, von denen das letzte, 1828, ein besonders reiches einige der Lieder, die ihm zur Komposition geeignet schienen, mit einem Bleistift markiert war. Neben einer Reihe von Großwerken wie dem Streichquintett, der Es-Dur-Messe und den habe. Nach einem Bericht von Beethovens Faktotum Anton Schindler ist die handschriftliche drei letzten Klaviersonaten entstanden zahlreiche Lieder, sowohl als Einzelwerke wie wohl Gedichtsammlung aus Beethovens Nachlass an Schubert gelangt, der acht Gedichte ver- auch als Teile geplanter, aber nicht mehr realisierter Liederhefte. Im Januar komponierte tonte. Eines dieser Lieder, Herbst, notierte Schubert in das Stammbuch des reisenden Schubert mit Der Winterabend und Die Sterne die letzten einer Reihe von Liedern auf Texte Violinvirtuosen Heinrich Panofka. Die anderen sieben Rellstab-Lieder gingen ein in den des dichtenden Gymnasiallehrers Karl Gottfried Leitner. Im März folgte Auf dem Strom, ein postumen Zyklus Schwanengesang. weit ausholendes Lied für Singstimme, Horn und Klavier, das im Rahmen des einzigen öffentlichen Konzerts, das Schubert am 28. März 1828 als „Privatkonzert“ zu Lebzeiten Ein wesentlicher Unterschied zu den großen Zyklen auf Gedichte Wilhelm Müllers besteht ausschließlich mit eigenen Werken veranstaltete, seine erste Aufführung erlebte. bereits darin, dass im Schwanengesang nicht weniger als drei Dichter vertreten sind: Rellstab mit sieben und Heinrich Heine mit sechs Gedichten sowie Johann Gabriel Seidl, von dem Das Gedicht dieses bewegenden Abschiedsgesang stammt von Ludwig Rellstab. Bei einem lediglich die Taubenpost stammt. Nur gewaltsam lässt sich ein Bogen vom ersten Lied, der mehrwöchigen Aufenthalt in Wien im Jahr 1825 traf der Dichter einige Male mit Beethoven Liebesbotschaft, bis zum letzten Lied, der Taubenpost spannen, gleichwohl wurde bis Ende zusammen, für den er ein Opernlibretto schreiben wollte. Wie so viele andere Opernpläne des 20. Jahrhunderts die Integrität des Schwanengesangs als Zyklus zumindest im Konzert- Beethovens gelangte auch dieser über erste Skizzen nicht hinaus. Rellstab schickte dem leben kaum in Frage gestellt. Mittlerweile aber hat sich die Sicht auf diese Liedsammlung von ihm zutiefst verehrten Komponisten aber auch Abschriften einiger eigener Gedichte, verändert, und das aus guten Gründen: Während die Lieder auf Texte von Rellstab und Heine 5 zusammen in einem Manuskript notiert sind, ist Die Taubenpost separat überliefert; erst in der Vertonung sich in vertrauten Grenzen bewegenden und gerade dadurch rätselhaften Haslinger hat dieses Lied mit den anderen Gesängen in einem Zusammenhang gebracht. Fischermädchens – Heines zentrales Thema, den Liebesverrat und das aus ihm erwachsende Leid, in ausdrucksstarke Verse fassen. Die Ausbrüche in Müllers Winterreise-Dichtung erscheinen Verschiedene Indizien – die Überlieferung des Manuskripts, Schuberts grundsätzliche Neigung, geradezu verhalten gegen die Heftigkeit, mit der Heine sein Leid