Zur archäologischen Forschung im Kanton

Autor(en): Bürgi, Jost

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Archäologie der Schweiz = Archéologie suisse = Archeologia svizzera

Band (Jahr): 20 (1997)

Heft 2: Kanton Thurgau

PDF erstellt am: 07.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-16682

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http://www.e-periodica.ch Zeit Epoche wichtige Fundorte im Thurgau (Kursiv Gräber) Bemerkungen

1803 n.Chr. Beitritt des Kantons Thurgau in den Bund

1500 n. Chr. Neuzeit Kolumbus entdeckt Amerika

Spatmittelalter Diessenhofen Städte, Burgen

800 n. Chr. Hochmittelalter Steckborn um 719 n.Chr. Gründung des Klosters St. Gallen durch den Hl. Otmar um 650 n. Chr. Mittelalter Tod des Hl. Gallus im 7. Jh. n. Chr. Entstehung des Bistums Konstanz Frühmittelalter Ermatingen; Steckborn; Güttingen

450 n. Chr. ab 300 n. Chr. Spätrömisch Pfyn, Kastell; Pfyn, Adelberg; Arbon Christentum

Römische Zeit Mittlere Kaiserzeit Stutheien: Gutshofe. Vici

Frühe Kaiserzeit Eschenz; Eschenz, Werd um 0 Augustus

späte Latenezeit Helvetier wohnen in der Gegend des Kantons Thurgau

jüngere Eisenzeit mittlere Latenezeit Basadmgen; Einführung des Münzgeldes und der Schrift

frühe Latenezeit Aadorf; Kreuzungen

450 v. Chr. Kelten

Hallstatt D2/3 Neunfom; Thurberg intensive Kontakte zum Mittelmeerraum ältere Eisenzeit Hallstatt D1 Ermaf/ngen;Wäldi, Hohenrain

Hallstatt C Kreuzungen; Ürschhausen, Hom Waffen, Werkzeuge und Schmuck aus Eisen

800 v. Chr.

späte Spätbronzezeit Hallstatt B2/3 Ossingen ZH; Ürschhausen, Hom mittlere Spätbronzezeit Hallstatt A2/B1 Eschenz, Werd das Kantonsgebiet ist dicht besiedelt

1300 v. Chr. frühe Spätbronzezeit Bronze D/Ha A1 Basadmgen; Matzingen, Rönnen

1500 v. Chr. mittlere Bronzezeit Wäldi, Hohenrain »Arboner Gruppe« Arbon, Bleiche 2 Waffen, Werkzeuge und Schmuck aus Bronze

2200 v. Chr. Frühbronzezeit

Endneolithikum Glockenbecher Eschenz? Goldbecher von Eschenz 2500 v.Chr. 2700 v.Chr. Schnurkeramik Eschenz, Werd; Ürschhausen, Hom; Thurberg

3300 v. Chr. Spatneolithikum Horgen Eschenz, Werd; Steckborn, Turg älteste Radfunde aus der Schweiz 3384 v.Chr. Arbon, Bleiche 3

3900 v. Chr Jungneolithikum Pfyn Niederwil, Egelsee; Pfyn, Breitenloo; Ürschhausen, Inseli Seeufer- und Moorsiedlungen (»Pfahlbauten«)

4500 v. Chr. Mittelneolithikum Rossen Ürschhausen (Schuhleistenkeil) 5500 v.Chr. Frühneolithikum Bandkeramik Beginn der Landwirtschaft im Kanton Thurgau; Keramik

Eichenmischwaid

6600 v. Chr. * Spätmesolithikum Mesolithikum Rhein- und Bodenseeufer Frühmesolithikum Seebachtal Haselwälder: Waldtiere 9000 v.Chr. nomadisierende Wildbeutergruppen

Azilien Tundra/Steppe; kältellebende Tierwelt

13000 v. Chr. Jungpaläolithikum Magdalenien Schweizersbild SH keine Funde im Kanton Thurgau Kesslerloch SH Zur archäologischen waren es Leute aus anderen Kantonen und berfeldern von Ermatingen und Steckborn. aus Konstanz, welche K.K.-T hatte immer im Ausgrabungen Schwierigkeiten, die Forschung Kanton durch- und die Funde entführten oder solche finanziellen Mittel für seine Grabungen zu Thurgau aufkauften. Viele Funde aus dieser Zeit beschaffen. Für die Auswertung reichten sind heute nicht mehr greifbar oder lagern die Finanzen nie und seine grossen und Wie anderswo fanden auch im Thurgau in Zürich, Konstanz, Basel, Schaffhausen wichtigen Grabungen wurden zu Hypotheken, Ruinen und Funde aus römischer Zeit und anderswo. die erst in den letzten Jahren dank bereits früh Beachtung. In einer Konstanzer Um die Mitte des Jahrhunderts besserte Sonderkrediten teilweise amortisiert werden Chronik des 15. Jahrhunderts lesen wir sich die Lage. Die Entdeckung der konnten. Von den grösseren Grabungen erstmals: »Nu was Constantinus sesshaft Pfahlbauten durch Ferdinand Keller förderte Kellers ist heute als einzige Pfyn, zu Pfyn und het gar ain schön herlich ge- auch im Thurgau das Interesse an der Ur- Breitenloo, ausgerechnet die Patenstation der säss, als die Stadtjetzt ist. Das was do ain und Frühgeschichte gewaltig. Der 1859 Pfynerkultur, noch nicht aufgearbeitet. vestin...... Stumpf erwähnt 1548 römische gegründete »Historische Verein des Kantons Erst als im Jahre 1958 das bis dahin private Gebäudereste in Arbon und in Pfyn neben Thurgau« wurde rasch aktiv. Schon im Museum an den Kanton überging, wurde Ruinen auch Münzen. In seiner 1662 ersten Heft der »Thurgauischen Beiträge K.K.-T. kantonaler Beamter und vom Staat begonnenen Chronik verlegt der Steckbor- zur vaterländischen Geschichte« berichtet besoldeter Konservator und Kantonsarchäologe, ner Burgermeister und Stadthauptmann J.C. Mörikofer über die Pfahlbauten am allerdings nurzu 50%; nebenher Hans Ulrich Haussmann die Anfänge seiner Untersee und die ersten Sondierungen Jakob hatte er als Schulinspektor tätig zu sein. Er Vaterstadt in römische Zeit und Messikommers. Aber nicht nur am Untersee übertrug die Untersuchung des 1958 erwähnt Mauern und Münzfunde. Im 18. und in der Region Frauenfeld wurde entdeckten spätrömischen Kastells Arbon Jahrhundert protokolliert der Arboner geforscht. In Arbon suchte Messikommer Elmar Vonbank aus Bregenz und die Leitung Stadtschreiber und Stadtfähndrich Joh. 1882 im Auftrag der Ortsvorsteherschaft der Grabungen in der pfynerzeitlichen Station Melchior Mayr (1686-1780), »under- nach Pfahlbauten, im Herbst 1885 klärte er Niederwil-Egelsee H.T Waterbolk und schiedliche Geltleyn mit alten keyserli- in der Bleiche die Ausdehnung der neu W. van Zeist aus Groningen. Für die damalige chen Prägen«. entdeckten neolithischen Station ab. Im Zeit in ungewohnt grossem Masse zog Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen gleichen Jahr wurde die Siedlung Pfyn, Waterbolk Naturwissenschafter und sich die Hinweise auf Zufallsfunde und Breitenloo entdeckt. moderne Datierungsmethoden bei. Leider zwar nicht ausschliesslich solchen aus Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlahmte sind von den geplanten fünf Bänden zu römischer Zeit zu mehren. Es dauerte aber der Eifer. Die Grabungstätigkeit nahm Niederwil zwischen 1978 und 1991 erstde- noch lange, bis im Thurgau eine eigentliche deutlich ab. Erst als 1917 die ren vier erschienen. archäologische Forschung einsetzte. »Thurgauische Museumsgesellschaft« gegründet Als K.K.-T krankheitshalber nicht mehr tätig Mit wenigen Ausnahmen, erwähnt seien wurde, ging es wieder aufwärts. Am 7 sein konnte, wurde nach einem hier Pfarrer Sulzberger und Dekan Pupiko- März 1922 erliess der Regierungsrat eine Interregnum in den späten sechziger Jahren fer, interessierten sich die Thurgauer Verordnung zur »Behandlung der Funde mit Frau Madeleine Sitterding erstmals eine zunächst herzlich wenig für die im Boden von Naturkörpern und Altertümern« und vollamtliche Archäologin als Konservatorin erhaltenen Zeugen ihrer Geschichte. Meist bezeichnete, sparsam wie die Thurgauer und Kantonsarchäologin angestellt. sind, das private, der Museumsgesellschaft Sie wechselte 1972 ins Sekretariat der gehörende »kantonale« Museum SGUF. Der Aufbau einer funktionierenden als Organ zur Überwachung und Erhaltung Kantonsarchaologie verlief weiterhin harzig. der Funde, wobei er den Arbonern Sonderrechte Noch im April 1973 verfügte das an den Funden aus ihrem Bezirk Museum neben den Abwartsehepaaren und Abb. 1 einräumte. Mit Karl Keller-Tarnuzzer (1891 - Aufsichtsaushilfen über einen Karl Keller-Tarnuzzer, 1891-1973. Foto AATG. zwar je 1973) übernahm ein initiativer Mann die akademisch gebildeten Konservator für jede urgeschichtliche Sammlung. Als »kantonaler der damals drei Naturmuseum, liiJIfffft Abteilungen, *;KfJ!fM Konservator«, so sein ehrenamtlicher Historisches Museum und Titel, war er de facto der erste Urgeschichtliche Sammlung, aber über kein Kantonsarchäologe. 1924 erhielt er im damals weiteres Personal. Der Konservator der eröffneten neuen Museum an der Freiestrasse urgeschichtlichen Sammlung war gleichzeitig Büro- und Ausstellungsraum. Mit Hans Kantonsarchäologe und hatte im Alleingang Reinerth gab er 1925 die Urgeschichte des auch noch den Kanton Schaffhausen CA- Thurgaus heraus, ein Buch, auf welches zu betreuen. Der Aufgabenkreis war wir heute noch oft zurückgreifen. K.K.-T, so damals allerdings enger als heute, hiess es zeichnete er seine Zeitungsartikel und doch im Pflichtenheft: »zuständig bis zum i lll Fundmeldungen, initiierte eine ganze Reihe Jahre 1000 n. Chr.«. Wer die darauffolgenden, kleinerer und grösserer Grabungen, die jüngeren Abschnitte bearbeiten sollte, er entweder selbst leitete oder Dritten war niemandem so ganz klar. Der anvertraute. Hervorzuheben sind unter vielen Staatsarchivar reklamierte die Burgen, der andern die Arbeiten auf der Insel Werd, die Denkmalpfleger die Kirchen für sich. Eine Freilegung des römischen Gutshofes institutionalisierte Mittelalter- und Stutheien bei Hüttwilen, die Grabungen mit Gebäudearchäologie und vor allem eine zentrale polnischen Internierten in Pfyn, Breitenloo Dokumentationsstelle gab es nicht. Erst und Arbon, Bleiche sowie die als 1977 die Restaurierung der Kartause It- 40 Untersuchungen in den frühmittelalterlichen Grä¬ tingen die Kräfte aller erforderte, kam es zur engen Zusammenarbeit von Denkmalpflege und Archäologie. Diese hat sich bis heute sehr gut bewährt und ist im Gesetz zum Schutz und Pflege der Natur und Hei- matvom8.April 1992 und der dazugehörigen Verordnung vom 22. März 1994 geregelt. Letztere weist den Unterhalt von Ruinen dem Amt für Archäologie zu und bestimmt, das Amt habe in mit der Absprache f,f *. üÄSÜs Denkmalpflege bauanalytische &**•*?£'• ¦¦**£**' t Untersuchungen durchzuführen. z» Während in anderen Kantonen der Natio- nalstrassenbau den Aufbau der archäologischen »•¦„zm/ä mmm SES Dienste erleichterte, müsste man im Thurgau ohne diese Starthilfe auskommen. in Grössere Projekte, wie die Arbeiten fkiMiisäf""; der frühbronzezeitlichen Höhensiedlung JA'm Toos-Waldi, in der Kartause Ittingen und in der Kirche Pfyn ermöglichten jedoch den rr, wm schrittweisen Ausbau. Anfangs der achtziger Zm* m ¦" Jahre war es dank einem Kässeli des «in. ;••¦••¦—-•"=* IIIIIII Raumplanungsamtes, Hilfestellungen des Abb.2 Arbon, Luftaufnahme von Tiefbauamtes und der Seepolizei sowie Süden, 1995. einem Beitrag des Nationalfonds möglich, Im Vordergrund links das Bodenseeuntersuchungen zu finanzieren. Grabungsareal Bleiche (1993-1995), im Hintergrund Das damalsfürdiese Arbeiten zusammengebettelte Sporn mit Arboner Altstadt und Material wie Barackenwagen, Kastell. Foto AATG, U. Leuzinger. Vermessungsgeräte usw. bildete den Grundstock für die heutige technische Ausrüstung. 1983 endete die Zusammenarbeit mit Schaffhausen. Die Aufgabenbereiche von Museum und Archäologie wurden getrennt. Die Museumsfunktionen wie beschreibt und als Besonderheit ausführlich fonds und der Deutschen Forschungsgemeinschaft Fundverwaltung, Restaurierung und Ausstellung auf die Keramik des 17 bis 19. Jahrhunderts finanzierten Projekt diesem blieben beim Museumsamt, während eingeht. Ziel näher zu kommen. das neugeschaffene Amt für Archäologie Als für die spätrömische Zeit ungewöhnlich Im August 1996 konnte das neue Museum die Feld- und Gebäudearchäologie sowie fundreich erwies sich das Kastell Pfyn. für Archäologie an der Freiestrasse in die »hoheitlichen« Funktionen des Dieses hat wegen seiner Lage an der Frauenfeld eröffnet werden. Mit ihm hat die Kantonsarchäologen, wie Mitwirkung bei Provinz- und Präfekturengrenze eine besondere Kantonsarchaologie ein Schaufenster Rieht-, Regional- und Ortsplanung, Bedeutung. Die Auswertearbeiten erhalten, welches das Verständnis für ihre Unterschutzstellungen usw. zugeteilt erhielt. der zwischen 1976 und 1992 vorgenommenen Arbeiten fördern soll. Dies ist besonders in Bereits kurz nach der Schaffung des Amtes Grabungen sollten Ende 1997 einer Zeit der knappen Finanzen nötig. fielen eine Reihe von Untersuchungen abgeschlossen werden können. Wenn auch die rückläufige Bautätigkeit im an, deren Bedeutung als überregional Ein willkommener Sonderfall ist auch die Thurgau weniger Not- und Rettungsgrabungen bezeichnet werden darf, so z.B. die zwischen neolithische Station Arbon, Bleiche 3, die bedingt, sind doch erhebliche Mittel 1985 und 1991 auf dem Uerschhauser- seit 1993 untersucht wird. Die Häuser aus für die Auswerte-, Konservierungs- und horn durchgeführten Grabungen einer der Zeit des Übergangs von der Pfyner zur Publikationsarbeiten einzusetzen. Ein grossen Siedlung, die zeitlich in den kaum Horgener Kultur sind dendrochronologisch Unterbruch oder ein Erstrecken würde zu bekannten Übergangshorizont von der in die Jahre zwischen 3384 und Wissensverlusten und später zu erheblichen spätesten Bronzezeit zur frühesten Eisenzeit 3370 v. Chr. datiert, in eine Epoche also, Mehrkosten führen. Es wäre gehört. von der man bislang kaum genaueres unverantwortlich, wie zu Zeiten Keller-Tarnuz- wusste. zers, aufwendigen und wichtigen Grabungen Die zwischen 1988 und 1991 durchgeführten Auf die vielen offenen Fragen, welche sich keine Auswertung folgen zu lassen. gebäudearchäologischen bei der Bearbeitung der Grabungen in und Dies gilt nicht nur für die »eigentlichen« Untersuchungen im Unterhof von Diessenhofen am Nussbaumersee sowie in Arbon stellen, archäologischen Arbeiten, sondern ebenso fanden 1995 ihren Abschluss in einer finden sich nur Antworten, wenn die für die begleitenden naturwissenschaftlichen umfassenden Publikation, welche kurz die Bodenseeregion als Einheit betrachtet Untersuchungen, ohne die umfassende Zeugen der urgeschichtlichen, römischen wird. A. Hasenfratz und H. Schlichtherle Aussagen zum Leben und zur und frühmittelalterlichen Belegung des vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg Umwelt in früheren Zeiten nicht möglich sind. Platzes vorstellt, die Befunde und Funde versuchen mit einem grenzübergreifenden, mittelalterlicher und jüngerer Zeitstellung vom Schweizerischen National¬ Jost Bürgi 41