Marktorientierte Sozialunternehmen in

Darstellung der existierenden Unternehmenslandschaft und Feststellung vorhandener und fehlender Gründungsvoraussetzungen

mwae.brandenburg.de

Studie zu Marktorientierten Sozialunternehmen in Brandenburg

Auftraggeber:

Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg Heinrich-Mann-Allee 107 14473 Potsdam

Die Studie wurde gefördert durch die Europäische Union und den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Autorinnen und Autoren:

Thorsten Jahnke Nina Spiri

Social Impact gGmbH, Potsdam www.socialimpact.eu

Prof. Dr. Gabriela Christmann Dr. Ralph Richter Dr. Ariane Sept Valentina Troendle

Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS), Erkner www.leibniz-irs.de

Stand: 07. Januar 2021

Zusammenfassung der Ergebnisse

Marktorientierte Sozialunternehmen Landes Brandenburg erkennt und aktiv un- (MSU) haben für das Land Brandenburg terstützt. eine große Bedeutung, die jedoch in Po- litik und Verwaltung noch nicht ausrei- Im Einzelnen kommt diese Studie zu fol- chend erkannt wird. Mit rund 140 Unter- genden Ergebnissen nehmen ist das Segment marktorientierter Sozialunternehmen vergleichsweise stark In der Forschung gibt es keine etablierte vertreten. Eine Besonderheit der Branden- Definition für marktorientierte Sozialun- burger MSU-Landschaft ist ihre Präsenz im ternehmen. Wir schlagen daher vor, markt- ländlichen Raum. Dort sind MSU wichtige orientierte Sozialunternehmen als eigen- Impulsgeber, zum Beispiel im Bereich der ständige Organisationen zu definieren, wel- Digitalisierung, des neuen Arbeitens, bei che mit unternehmerischen Mitteln soziale der Nutzung des vorhandenen Raumwohl- und/oder ökologische Ziele verfolgen, um stands und in der ökologischen Landwirt- dem Gemeinwohl zu dienen. Zu diesem schaft. Hinzu kommen innovative Sozialbe- Zweck entwickeln sie sozial-innovative Pro- triebe, die für die wichtigen Aufgaben der dukte, Dienstleistungen, Verfahren und Ge- Inklusion und Integration stärker als in der schäftsmodelle. Marktorientierte Sozialun- Vergangenheit auch am freien Markt agie- ternehmen erzielen die für ihre soziale/öko- ren. Das Potenzial von marktorientierten logische Mission erforderlichen Einnahmen Sozialunternehmen wird mittlerweile auch mindestens in Teilen auf freien oder ge- in klassischen Wirtschaftsbereichen er- setzlich geregelten Märkten (-> Abschnitt kannt, wie die Prämierung des Brandenbur- 2.3). Im Unterschied zu konventionellen ger MSU Coconat mit dem deutschen Tou- Unternehmen orientieren sich MSU primär rismuspreis 2019 und die wiederholte Wahl am Gemeinwohl und reinvestieren Ge- von Sozialunternehmen unter die deutsch- winne in die sozialen Ziele der Organisa- landweiten Start-ups des Jahres beweist. tion. Von klassischen Wohlfahrtsorganisati- Oft erkennen Brandenburger Entschei- onen unterscheiden sie sich durch das Ge- dungsträger und Behörden dieses Poten- nerieren von Einnahmeanteilen auf freien zial aber noch nicht und behindern die Märkten, durch diversifizierte Einnahme- Etablierung dieses innovativen Unterneh- quellen und das Hervorbringen innovativer menssegments durch Vorbehalte gegen- Produkte, Dienstleistungen, Verfahren oder über neuartigen Lösungswegen und nicht Geschäftsmodelle (-> Abschnitt 2.4). bedarfsgerechte Förderangebote. Diese Studie benennt sehr deutlich die Defizite, In Brandenburg identifizieren wir 188 po- zeigt aber auch die Chancen für eine pros- tenziell marktorientierte Sozialunterneh- perierende Entwicklung der marktorientier- men (-> Abschnitt 3.1). Von diesen erfüllen ten Sozialunternehmen in Brandenburg. 20 Prozent die Kriterien für marktorientierte Die Darstellung der gegenwärtigen Situa- Sozialunternehmen voll und ganz (Kernbe- tion, die durch die Corona-Pandemie zu- reich), 55 Prozent teilweise (erweiterter Be- sätzliche Brisanz gewinnt, mündet in einen reich) und 25 Prozent nicht. Daraus folgt, Katalog von Empfehlungen für eine Politik, dass es in Brandenburg zum Zeitpunkt der welche die Leistungen marktorientierter So- Erhebung schätzungsweise 38 marktorien- zialunternehmen für die Entwicklung des tierte Sozialunternehmen im engeren Sinn und 103 MSU im erweiterten Sinn gibt.

4 MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG Nimmt man die Gesamtzahl von 141 MSU wie Armutsbekämpfung, soziale Ungleich- zum Maßstab, so ist der Besatz mit Sozial- heit und Frieden und Gerechtigkeit stehen unternehmen in Brandenburg im bundes- demgegenüber etwas weniger im Fokus (- weiten Vergleich überdurchschnittlich hoch > Abschnitt 4.2). (-> Abschnitt 4.1). Brandenburger MSU sind nach Anzahl Bezogen auf ihren Geschäftssitz konzent- der Beschäftigten und den erzielten Um- rieren sich die meisten Sozialunternehmen sätzen im bundesweiten Vergleich eher südwestlich im Landkreis Potsdam-Mittel- klein. Der Anteil der Sozialunternehmen mark und der Stadt Potsdam sowie in den mit mehr als 100 Beschäftigten und Jahres- nordöstlichen Landkreisen Barnim und umsätzen oberhalb von 500.000 Euro liegt Märkisch-Oderland. Obwohl damit Berlin in bundesweite rund doppelt so hoch. Dies Reichweite liegt, sind Sozialunternehmen kann u.a. daran liegen, dass Brandenbur- kein Phänomen aus dem Speckgürtel der ger MSU vergleichsweise jung sind, dass Hauptstadt. Im Gegenteil, viele MSU su- sie zur Finanzierung weniger auf private chen bewusst den räumlichen Abstand zu Stiftungen, Spenden und Sozialinvestoren Berlin. So kommt es, dass Sozialunter- zurückgreifen (können), dass sie sich weni- nehmen in Brandenburg vergleichs- ger über umsatzträchtige SGB-Leistungen weise ländlich verortet und orientiert finanzieren oder dass der Markt für sozial- sind (-> Abschnitte 3.2 und 4.2). unternehmerische Produkte insgesamt noch nicht so „reif“ ist (-> Abschnitte 4.1 und Der soziale und gesellschaftliche Tätig- 4.3). keitsschwerpunkt der meisten Brandenbur- ger MSU liegt im Bereich Bildung, Inklu- Die favorisierten Rechtsformen der Bran- sion, Integration und soziale Dienstleistun- denburger MSU sind die (g)GmbH und der gen. An zweiter Stelle folgt der Bereich eingetragene Verein. Rund die Hälfte der Nachhaltigkeit, Umweltschutz, ökologische Unternehmen besitzt den Status der Ge- Landwirtschaft und bewusste Ernährung, meinnützigkeit. Unternehmenskonstrukte an dritter Stelle Tätigkeiten im Bereich Ent- aus mehreren wirtschaftlichen und gemein- wicklung der Region und an vierter Stelle nützigen Organisationseinheiten, die der das Wirkungsfeld Kunst, Kultur und Wis- besseren Vereinbarkeit beider Bereiche senschaft. Im bundesweiten Vergleich dienen könnten, sind in Brandenburg die fokussieren Brandenburger Sozialunter- Ausnahme (-> Abschnitt 4.1). nehmen viel stärker auf ökologische Themen, darunter Maßnahmen zum Kli- Fast die Hälfte der Brandenburger MSU be- maschutz, Fragen des nachhaltigen Kon- zeichnet sich nicht als „Sozialunterneh- sums und des Schutzes von Landökosys- men“, ein weiteres Drittel nur teilweise. Ob- temen. Angesichts von zunehmender Tro- wohl sie faktisch den Kriterien eines Sozial- ckenheit, einem vergleichsweise großen unternehmens entsprechen, verorten sich Agrarsektor und der Renaturierung von viele dieser Unternehmen eher in ihrem Bergbaufolgelandschaften in der Lausitz thematischen Umfeld. Das Label „Sozial- sind das Themen, die für die Brandenbur- unternehmen“ entfaltet in Brandenburg ger Sozialunternehmen direkt vor Haustür (noch) keine Sogwirkung. Eine kollektive liegen. Globalere und abstraktere Themen

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Identität oder Interessenvertretung fehlt (-> Die Ambitionen der Brandenburger MSU Abschnitt 4.1). zur Skalierung ihres Geschäftsbetriebs sind eher gebremst. Bis auf eine Hand voll Die Brandenburger MSU können mit Fug MSU mit starker Skalierungsorientierung und Recht als marktorientiert bezeichnet favorisieren diese eher ein integriertes werden. Im bundesweiten Vergleich gene- Wachstum, bei dem die Stabilisierung des rieren sie einen auffallend großen Teil der Geschäftsbetriebs und das Erzielen einer Einnahmen aus Verkäufen von Produk- größeren sozialen Wirkung im bestehen- ten und Dienstleistungen am Markt. den Umfeld im Vordergrund stehen. Dies Demgegenüber generieren sie weniger geschieht durch die Ausweitung von Pro- Einnahmen über SGB-finanzierte Entgelte duktpalette und Vertriebsaktivitäten, aber und viel weniger Erlöse aus Spenden. Ers- weniger durch die Expansion in neue Regi- teres könnte auf einen schwierigen Zugang onen oder das Einstellen neuer Mitarbeite- zum Quasi-Markt SGB-finanzierter Leistun- rinnen und Mitarbeiter. Die reduzierten gen, letzteres auf ein unterentwickeltes Skalierungsambitionen hängen zusammen Spendenwesen im Land Brandenburg hin- mit limitierten finanziellen und zeitlichen Ka- deuten (-> Abschnitt 4.3). pazitäten, einem prinzipiellen Unbehagen gegenüber Wachstumsvorstellung und an Gemessen an der Marktneuheit ihrer Pro- einer ausgeprägten Bindung an Raum und dukte, Dienstleistungen und Geschäftsmo- Ort (-> Abschnitte 4.3 und 6.1). delle können die Brandenburger MSU als innovative Unternehmen gelten. Im Unter- Bei der politischen und administrativen schied zu ihren Pendants in anderen Bun- Unterstützung sehen die Brandenburger desländern beschränkt sich die Reich- MSU viel Steigerungspotenzial. Zwar weite der Innovation bei den Branden- wird auf der Landesebene ein zunehmen- burger MSU aber eher auf das regionale des politisches Interesse an sozialunter- Umfeld. Eine Erklärung kann die insge- nehmerischen Anliegen erkannt, aber auf samt starke Orientierung und Netzwerk- den mittleren Entscheidungsebenen und in pflege in der Region Berlin-Brandenburg den Ämtern erleben MSU wenig Unterstüt- sein. Die Region mit dem dominanten Zent- zung und ein anderes Mindset bei lokalen rum Berlin absorbiert die Aufmerksamkeit, Akteuren. Eine Wertschätzung für die Ar- der Anspruch an überregionale Sichtbarkeit beit von Sozialunternehmen und ein Dialog und Vernetzung ist weniger stark ausge- auf Augenhöhe werden vermisst (-> Ab- prägt (-> Abschnitte 4.4 und 4.6). schnitte 4.7 und 6.2).

Die Corona-Pandemie trifft die Branden- Große Unzufriedenheit herrscht über die burger MSU mit großer Wucht. Fast drei Ausgestaltung von Förderrichtlinien Viertel der Unternehmen berichten von und über den bürokratischen Aufwand leichten bis starken Beeinträchtigungen. zur Beantragung und Abwicklung. Der Seminarhäuser und Arbeitsresidenzen Zugang müsse deutlich niedrigschwelliger konnten keine Gäste empfangen, Bildungs- und eine Finanzierung auch für gemeinnüt- anbieter keine Veranstaltungen durchfüh- zige MSU vereinfacht werden (-> Abschnitt ren und Inklusionsbetriebe nur mit einer 6.2). Notbelegschaft arbeiten.

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INHALTSVERZEICHNIS

Zusammenfassung der Ergebnisse ...... 4 1.1. Problemaufriss ...... 10 1.2. Zielsetzung und Vorgehen ...... 11 2. Definition Marktorientierter Sozialunternehmen ...... 14 2.1. Forschungsstand ...... 14 2.2. Definition marktorientierte Sozialunternehmen...... 20 2.3. Abgrenzung gegenüber Wohlfahrtsorganisationen und konventionellen Unternehmen ...... 21 3. Annäherung an potenziell marktorientierte Sozialunternehmen in Brandenburg ...... 26 3.1 Geografische Verteilung ...... 26 3.2 Verteilung nach Wirkungsbereich ...... 28 4. IST-Situation marktorientierter Sozialunternehmen in Brandenburg ...... 34 4.1 Zentrale Merkmale marktorientierter Sozialunternehmen in Brandenburg ... 36 4.2 Soziale Mission und Impact ...... 44 4.3 Unternehmerische Dimension und Finanzierung ...... 52 4.4 Innovationskraft ...... 58 4.5 Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Geschäftstätigkeit ...... 62 4.6 Regionale und überregionale Vernetzung ...... 64 4.7 Sozialunternehmerisches Ökosystem in Brandenburg ...... 66 4.8 Brandenburger MSU im bundesweiten Vergleich ...... 69 5. Marktorientierte Sozialunternehmen in der Gründungsphase: Rahmenbedingungen und Unterstützungsbedarfe ...... 74 5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen ...... 74 5.2 Finanzierung ...... 76 5.3 Unterstützungsstrukturen ...... 79 5.4 Unterstützungsbedarfe ...... 81 6. Marktorientierte Sozialunternehmen in der Skalierungsphase: Potenziale, Rahmenbedingungen und Unterstützungsbedarfe ...... 84 6.1 Skalierungspotentiale der Sozialunternehmen ...... 85

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6.2 Rahmenbedingungen für die Skalierung ...... 88 6.3 Unterstützungsbedarfe ...... 94 7. Handlungsempfehlungen für die Brandenburger Förder- und Arbeitspolitik . 97 A. Wertschätzung und Sichtbarkeit von Sozialunternehmen steigern...... 97 B. Zugang zu öffentlichen Einnahmequellen verbessern ...... 98 C. Ökonomische und infrastrukturelle Rahmenbedingungen stärken ...... 99

TABELLENVERZEICHNIS ...... 101 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...... 101 LITERATURVERZEICHNIS ...... 103 ANHANG 1: METHODIK DER RECHERCHE VON MSU ...... 108 ANHANG 2: GRUNDGESAMTHEIT DER MSU ...... 114 ANHANG 3: FRAGEBOGEN FÜR DIE ERHEBUNG ...... 120

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1. Problemaufriss und Zielstellung

1.1. Problemaufriss Munoz/Steiner/Farmer 2014). Im Unter- schied zu anderen Organisationen seien Im Zuge eines unternehmerischen Wan- Sozialunternehmen eher in der Lage, inno- dels hin zu mehr gesellschaftlicher und vative Lösungen mit sozialem und ökologi- ökologischer Verantwortung finden Sozial- schem Mehrwert zu entwickeln (EC 2020). unternehmen seit einigen Jahren zuneh- Erwartungen richten sich insbesondere an mende Beachtung (Jähnke/Christmann/ „New-Style Social Enterprises“, welchen es Balgar 2011; Pless 2012; Evers & Jung et stärker als traditionellen Sozialbetrieben al. 2015). Obwohl hybride Organisationen um die Entwicklung neuartiger Produkte mit sozialen und unternehmerischen Anlie- und Dienstleistungen und deren erfolgrei- gen kein neues Phänomen sind, erfahren che Platzierung am Markt geht. Mit New diese unter dem Namen social enterprise Style Social Enterprise werden vor allem bzw. Sozialunternehmen neue Popularität ambitionierte Start-ups assoziiert, welche (Hackenberg/Empter 2011; Metzger 2019). ein gutes Gespür für neue Trends und un- Das beobachten wir auch in Brandenburg, befriedigte soziale Bedürfnisse haben wo seit einiger Zeit neue Sozialunterneh- (Schmitz/Scheuerle 2013b; EC 2018). Des- men entstehen. Dazu zählen junge Star- sen ungeachtet gilt für New Style Social tups aber auch etablierte Sozialbetriebe mit Enterprises wie für Sozialunternehmen im einem unternehmerischen Ansatz und un- Allgemeinen, dass es keine weithin akzep- ternehmerische Ausgründungen aus Wohl- tierte Definition der damit bezeichneten Or- fahrtsorganisationen. Brandenburger Sozi- ganisationen gibt. Im weiten Feld der So- alunternehmen haben nicht nur unter- zialunternehmensforschung bedeutet das schiedliche Hintergründe, sie sind auch in oft, sich jeweils noch einmal der Begriffsar- verschiedenen Tätigkeitsfeldern aktiv und beit zu widmen. Auch gestaltet sich speziell haben unterschiedliche Organisations- die Erfassung gewerblich verfasster Sozial- strukturen. Das macht es schwer sie zu unternehmen schwierig, da diese im Han- identifizieren und als Zielgruppe mit Unter- delsregister nicht gesondert ausgewiesen stützungs- und Förderprogrammen zu ad- sind (Evers & Jung et al. 2015). ressieren. Hinzu kommt eine geringe Sicht- barkeit. Im jährlichen Deutschen Social Ein häufig artikulierter Missstand ist das Entrepreneurship Monitor kommt von 212 Fehlen von spezifischen Förder- und Unter- befragten Sozialunternehmen nur eines stützungsstrukturen (Mercator 2012b; EC aus Brandenburg (SEND 2019). Eine Über- 2013; SEND 2018). Gerade angesichts des sicht über Sozialunternehmen in Branden- gesellschaftlichen Mehrwerts, den diese burg fehlt bis heute. Unternehmen produzieren, sei öffentliche und private Unterstützung gerechtfertigt Gleichzeitig besteht seitens der Politik und und sogar geboten. Dafür allerdings bedarf Wissenschaft zunehmendes Interesse an es einer genauen Kenntnis dieses spezifi- dieser Organisationsform. Mit Sozialunter- schen Bereichs der Sozialwirtschaft. Für nehmen verbindet sich die Erwartung, dass das Land Brandenburg fehlt, wie gezeigt, diese auch dort Bedarfe erkennen und be- bislang ein strukturierter Überblick über den friedigen, wo sich Staat und Markt zum Teil Bestand, die Aktivitäten und Bedarfe markt- schon zurückgezogen haben (Pless 2012; orientierter Sozialunternehmen.

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1.2. Zielsetzung und Sozialunternehmen und zur Art ihrer Ver- Vorgehen netzung. Weiterhin werden die Sozialunter- nehmen in Brandenburg in zentralen Merk- Vor diesem Hintergrund sowie gemäß der malen mit Sozialunternehmen in anderen vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Bundesländern verglichen und aufgezeigt, Energie des Landes Brandenburg (MWAE) ob und in welcher Weise die Corona-Pan- veröffentlichten Leistungsbeschreibung demie den Geschäftsbetrieb der Sozialun- verfolgt diese Studie fünf Zielstellungen: ternehmen beeinflusst. Die Umsetzung die- ser Aufgabenstellung begann mit einer Re- 1. Entwicklung einer arbeitsfähigen cherche der Grundgesamtheit mittels Definition für marktorientierte Sozialun- schriftlicher und telefonischer Kurzbefra- ternehmen gung von Personen, die das Feld sehr gut kennen. Danach führten wir unter den iden- Angesichts des Fehlens einer anerkannten tifizierten Organisationen eine standardi- Definition und einer nicht immer klaren Ab- sierte Online-Befragung durch. Die Aus- grenzung gegenüber klassischen Sozialbe- wertung erfolgt in drei Phasen. In einem trieben und konventionellen Unternehmen ersten Schritt liefern wir auf Grundlage der wird eine präzise und leicht anwendbare Grundgesamtheit eine Übersicht der Sozi- Definition von „marktorientierten Sozialun- alunternehmen, inklusive ihrer geografi- ternehmen“ entwickelt. Diese dient dazu, schen Lage und ihres Tätigkeitsfeldes. Im den Untersuchungsgegenstand zu konkre- zweiten Schritt liefern wir auf Grundlage der tisieren, infrage kommende Sozialunter- standardisierten Befragung statistisch und nehmen zu identifizieren und Kriterien zur inhaltsanalytisch aufbereitete Ergebnisse Unterscheidung gegenüber konventionel- für die oben genannten Merkmale. Im drit- len Unternehmen und der klassischen So- ten Schritt vergleichen wir unter Hinzuzie- zialwirtschaft abzuleiten. Hierzu wird der in- hung weiterer Studien die Resultate für die ternationale und nationale Forschungs- Brandenburger Sozialunternehmen mit den stand in Hinblick auf existierende Defini- Ergebnissen in anderen Bundesländern. tionsangebote und den Stellenwert von Auf diese Weise zeigen wir auf, wo die marktorientierten Sozialunternehmen bzw. Brandenburger Sozialunternehmen im bun- New Style Social Enterprises aufbereitet. desweiten Vergleich stehen.

2. Systematisierung und Mapping 3. Marktorientierte Sozialunterneh- marktorientierter Sozialunternehmen in men in der Gründungsphase: Rahmen- Brandenburg bedingungen und Unterstützungsbe- darfe Auf Grundlage der entwickelten Definition werden marktorientierte Soziallunterneh- Ein besonderes Augenmerk gilt Sozialun- men in Brandenburg identifiziert und in ver- ternehmen in der Gründungsphase, da im schiedenen Dimensionen systematisch Zeitraum vor und nach der formalen Unter- dargestellt. Die Darstellung liefert Informa- nehmensgründung die Unterstützungs- tionen zur geografischen Verortung der So- strukturen und Förderangebote der Bun- zialunternehmen, zu den gesellschaftlichen desländer greifen. Ziel ist es daher, einen Zielsetzungen, zu den Geschäftsmodellen belastbaren Überblick über die Herausfor- und Tätigkeitsfeldern, zur Innovationstätig- derungen von Sozialunternehmen in der keit, zu den Organisations- und Rechtsfor- Gründungsphase, über ihre Sicht auf die men, zur Finanzierung, zur Relevanz der Rahmenbedingungen in Brandenburg,

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über die Nutzung von Unterstützungsstruk- 5. Ableitung von Handlungsempfeh- turen und über weiterführende Unterstüt- lungen für die Brandenburger Förder- zungsbedarfe zu geben. Die Umsetzung und Arbeitspolitik basiert auf der standardisierten Befragung und darauffolgenden Vertiefungsinterviews Ein übergeordnetes Ziel der Studie ist es, mit werdenden MSUs. Während in der Informationen über Entwicklungspotenziale standardisierten Befragung allgemeine Ein- von marktorientierten Sozialunternehmen schätzungen zu den Rahmenbedingungen in Brandenburg bereitzustellen und Anre- für Sozialunternehmen in Brandenburg er- gungen für bedarfsgerechte Unterstüt- fasst werden, liegt der Fokus der Vertie- zungsangebote und Fördermöglichkeiten fungsinterviews unter anderem auf den zu geben. Hierzu präsentieren wir im letz- Herausforderungen rechtlicher und finanzi- ten Kapitel der Studie Handlungsempfeh- eller Natur. lungen für die Brandenburger Förder- und Arbeitspolitik in Hinblick auf die Unterstüt- 4. Marktorientierte Sozialunterneh- zung marktorientierter Sozialunternehmen men in der Skalierungsphase: Rahmen- in der Gründungs- und Skalierungsphase. bedingungen und Unterstützungsbe- Die Handlungsempfehlungen ergeben sich darfe zum einen aus den Bedarfen, welche die Sozialunternehmen in den Interviews und Unter den Stadien der Unternehmensent- der Befragung nennen. Zum anderen leiten wicklung gilt neben der Gründungsphase wir aus Erkenntnissen über Unterstüt- der Skalierungsphase das besondere Inte- zungsinstrumente in anderen Bundeslän- resse. Zur Entwicklung geeigneter Unter- dern und Ländern Europas Empfehlungen stützungsinstrumente und Förderangebote für das Land Brandenburg ab. für die Ausweitung der sozialunternehmeri- schen Geschäftstätigkeit bedarf es detail- lierter Informationen über die Pläne und Po- tenziale der Sozialunternehmen zur Skalie- rung ihrer Aktivitäten. Dabei geht es nicht notwendig um das Wachstum der Organi- sation selbst, sondern auch um die Erhö- hung gesellschaftlicher Wirkung beispiels- weise durch Open Source Strategien oder Social Franchising. Auch wird ermittelt, wel- che Unterstützungsmöglichkeiten bereits genutzt werden und welche aus Sicht der Unternehmen noch fehlen. Hierzu wird abermals mit der standardisierten Befra- gung und vertiefenden qualitativen Inter- views gearbeitet. Die standardisierte Befra- gung dient einer ersten Eruierung von Ex- pansionsplänen und Bedarfen. Die vertiefenden Interviews konkretisieren die Anregungen und ermitteln die Entwick- lungspotenziale und Strategien.

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2. Definition Marktorientierter Sozialunternehmen

Es gibt keine allgemein anerkannte Defini- amerikanischen Forschung steht demge- tion von marktorientierten Sozialunterneh- genüber das soziale Unternehmertum als men, wohl aber eine umfangreiche interna- eine unternehmerische Praxis mit sozialen tionale und nationale Forschung mit einer Zielen, welche gleichermaßen von nicht- Vielzahl an Ansätzen und Definitionsange- profitorientierten wie von profitorientierten boten. Im Folgenden liefern wir einen Über- Unternehmen (z.B. im Rahmen der CSR- blick über die zwei zentralen Strömungen Strategie) umgesetzt werden kann. Wäh- der Forschungen zu Sozialunternehmen rend die eher sozialwissenschaftlich ge- und Social Entrepreneurship, die jede für prägte europäische Forschungslinie Wert sich wichtige Erkenntnisse für eine Defini- auf partizipative Unternehmensführung tion marktorientierter Sozialunternehmen legt, steht für die eher wirtschaftswissen- liefern. Darauf folgt ein kursorischer Über- schaftlich geprägte anglo-amerikanische blick über die Systematisierung der Land- Linie die Unternehmerpersönlichkeit mit ih- schaft der Sozialunternehmen in Deutsch- ren schöpferischen Fähigkeiten im Mittel- land. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie punkt (Defourny/Nyssens 2013; Pestoff vorhandene Forschungen marktorientierte 2014). Sozialunternehmen definieren, wo sie diese im Gesamtfeld der Sozialunterneh- Social Enterprise Forschung men positionieren und wie sie diese gegen- über weniger marktorientierten Sozialunter- Der europäische Forschungsstrang, der 1 nehmen abgrenzen. Am Ende werden stark vom Forschungsnetzwerk EMES diese Erkenntnisse zusammengeführt und geprägt ist, verortet Sozialunternehmen in eine forschungsleitende Definition marktori- der Schnittmenge zwischen einer sozialen, entierter Sozialunternehmen (MSU) entwi- einer unternehmerischen und einer organi- ckelt. Diese bildet die Grundlage für die Ab- sationalen Dimension (EC 2015). Gemäß grenzung gegenüber Wohlfahrtsorganisati- Abbildung 1 sprechen wir bei Organisatio- onen und klassischen Sozialbetrieben auf nen von „social enterprises“ bzw. „Sozial- der einen Seite und konventionellen Unter- unternehmen“, wenn sie Merkmale jeder nehmen auf der anderen Seite. Darüber dieser drei Dimensionen aufweisen. hinaus dient die Definition als Prüfschema für die Identifizierung von MSU in der empi- rischen Erhebung (vgl. Kapitel 4).

2.1. Forschungsstand In der internationalen Forschung zu Sozial- unternehmen können die eher europäisch geprägte Social Enterprise Forschung und die anglo-amerikanisch geprägte Social Entrepreneurship Forschung un- terschieden werden (Defourny/Nyssens 2010). Der europäische Forschungsstrang interessiert sich für Sozialunternehmen als Organisationen, welche starke Wurzeln im dritten Sektor haben. Im Fokus der anglo-

1 Das Forschungsnetzwerk EMES widmet sich der Erforschung von Sozialunternehmen. Das Akronym steht für den französischen Terminus „Emergence des Entreprises Sociales en Europe”.

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Die drei Dimensionen lassen sich in insge- samt neun Kriterien unterteilen (De- fourny/Nyssens 2013; Richter et al. 2020) und wie folgt beschreiben:

In der unternehmerischen Dimension zeichnen sich Sozialunternehmen dem- nach erstens aus durch die kontinuierliche Produktion von Gütern und/oder den Ver- kauf von Dienstleistungen (im Unterschied etwa zu Stiftungen, die ein gesellschaftli- ches Anliegen nur durch die Verteilung von finanziellen Mitteln verfolgen), zweitens durch das Tragen eines unternehmeri- schen Risikos (anders als bei vielen öffent- lichen Organisationen hängt das finanzielle Abbildung 1: Die drei Dimensionen von Sozialunternehmen (Darstellung ent- nommen EC 2015, S. VI) Überleben von Sozialunternehmen ab von der Performanz seines Personals) und drit- der erzeugte soziale Mehrwert (double bot- tens durch ein Mindestmaß an entlohnter tom line) und die Effekte zum Schutz der Arbeit (Defourny/Nyssens 2013, S. 45). Umwelt (tripple bottom line). Durch das Kriterium der Entlohnung unter- scheiden sich Sozialunternehmen von vie- Die drei Kriterien auf der organisationalen len Vereinen, die ihre Ziele rein ehrenamt- Dimension betreffen erstens einen hohen lich verfolgen. Grad an Autonomie (Sozialunternehmen sollen eigenständig agieren – bis hin zur Auf der sozialen Dimension kann von ei- selbst veranlassten Schließung des Unter- nem Sozialunternehmen gesprochen wer- nehmens), zweitens Entscheidungspro- den, wenn erstens das zentrale Anliegen in zesse, die nicht an die Höhe einer finanzi- der Verfolgung eines gesellschaftlichen o- ellen Beteiligung gebunden sein und drit- der sozialen Ziels liegt, zweitens die Grün- tens eine partizipative Unternehmens- dung und der Betrieb des Sozialunterneh- führung, welche die Mitsprache von Perso- mens auf die Initiative einer Gruppe von nen und Gruppen ermöglicht, die von den Menschen mit geteilten sozialen Interessen Entscheidungen des Sozialunternehmens zurückgeht und drittens die Ausschüttung beeinflusst werden (Defourny/Nyssens von Gewinnen begrenzt ist. Die Verteilung 2013, S. 46). von Gewinnen an Mitglieder, Beschäftigte oder Anteilseigner wird nicht prinzipiell aus- An anderer Stelle betonen die Autoren, geschlossen, sie soll aber so begrenzt sein, dass die Kriterien keine harten Ein- und dass ein Engagement aufgrund von Profi- Ausschlüsse definieren, vielmehr im Sinne tabsichten vermieden wird (Defourny/Nys- von Max Weber einen Idealtypus beschrei- sens 2013, S. 45f.). In Hinblick auf die ge- ben. Als solches bilden die Kriterien eine sellschaftliche Zielsetzung spricht die For- Richtschnur für die Bezeichnung einer Or- schung auch von einer double oder tripple ganisation als Sozialunternehmen aber bottom line (Emerson 2006). Hier wird ver- keine verbindliche Definition (De- deutlicht, dass im Unterschied zu her- fourny/Nyssens 2010, S. 43). In der For- kömmlichen Unternehmen nicht allein die schungspraxis erweist sich dieser Spiel- finanziellen Ergebnisse zur Bilanzierung ei- raum als weise Entscheidung. Die vom IRS nes Unternehmens dienen, sondern auch

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durchgeführte Erforschung von Sozialun- Gelegenheiten zur Realisierung dieser Mis- ternehmen in ländlichen Regionen ver- sion, suche permanent nach neuen Wegen schiedener europäischer Länder ergab bei- zur Umsetzung ihrer Pläne, könne hierfür spielsweise, dass die untersuchten Sozial- Ressourcen weit über die eigenen Möglich- unternehmen in sehr unterschiedlichem keiten hinaus mobilisieren und zeige sich Maß die drei Dimensionen erfüllen (Ru- für die gesellschaftlichen Konsequenzen ih- rInno 2018). Je nach dem organisationalen res Handelns verantwortlich (Dees 2001 Hintergrund (Genossenschaft, Entstehung [1998], S. 4). Sozialunternehmen sind aus aus einer Non-profit-Organisation, unter- dieser Perspektive eine soziale Innovation nehmerisch arbeitende Stiftung, Social der Sozialunternehmerin, die es mit diesem Startup) und den nationalen Rahmenbedin- Organisationstyp vermag, durch wirtschaft- gungen bringen Sozialunternehmen unter- liche Tätigkeit und in gewisser Unabhängig- schiedliche Voraussetzungen mit und wer- keit von öffentlichen Mitteln gesellschaftli- den dem Idealtypus mehr oder weniger ge- chen Mehrwert zu erbringen. recht. Eine einflussreiche Vertreterin des anglo- Social Entrepreneurship Forschung amerikanischen Social Entrepreneurship- Strangs ist die Ashoka Foundation. Sie Anders als die bis hierhin geschilderte beschreibt die Persönlichkeit des Sozialun- Social Enterprise Forschung geht es der ternehmers mit folgenden Worten: Social Entrepreneurship Forschung weni- ger um die Organisation, als vielmehr um [Social entrepreneur] describes an individ- die Praxis des Sozialunternehmers bzw. ual who conceives of, and relentlessly pur- der Sozialunternehmerin. Im Zentrum steht sues, a new idea designed to solve societal die ambitionierte, schöpferische Unterneh- problems on a very wide scale by changing merpersönlichkeit, die mit besonderen Fä- the systems that undergird the problems. higkeiten ausgestattet ist. Unter Verweis This definition includes two critical compo- auf Joseph Schumpeter (2016 [1929]) be- nents: First, the entrepreneur must seek to trachten Autoren wie Dennis Young (1983, create impact on a wide societal scale; 1986), Gregory Dees (2001 [1998]) und he or she will not rest until the new idea has Geoff Mulgan (2007) Sozialunternehmen been broadly adopted at the national and als in hohem Maß geprägt von der Person even international level. Second, the entre- des Sozialunternehmers und dessen Inno- preneur must seek systemic change, de- vationskraft ("This willingness to innovate is fined as the fundamental reform of existing part of the modus operandi of entrepre- societal systems and/or the creation of new neurs.", Dees 2001[1998], S. 5). Die Sozial- ones.” (Levinger et al., Hervorhebungen im unternehmerin sei angetrieben von einer Original)2 sozialen Mission, erkenne sich bietende

2 https://www.ashoka.org/en-ch/collection/social-entrepreneurship (08.04.2020)

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Neben der Betonung der Unternehmer- diesen neuartigen Sozialunternehmen sel- bzw. Unternehmerinnenpersönlichkeit fällt ten, die benötigten Einnahmen vollständig vor allem der Anspruch an das Setzen von am Markt zu erwirtschaften. Zusätzlich Impulsen für einen strukturellen Wandel seien für die Stabilisierung des Geschäfts- auf. Antriebsquelle des Sozialunterneh- betriebes oft Einnahmen in Form von Zu- mers bzw. der Sozialunternehmerin ist schüssen und Spenden erforderlich (EC demnach nicht vordergründig die Schaf- 2018, S. 48). Mit dem Social Entrepreneu- fung eines florierenden Geschäfts – das ist rship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND) eher Mittel zum Zweck – als vielmehr die existiert seit 2017 eine Interessensvertre- ursächliche Lösung eines gesellschaftli- tung, die aufgrund ihrer Ursprünge im Bun- chen Problems durch das Vorantreiben ge- desverband deutscher Startups diesen sellschaftlichen Wandels. neueren Typ Sozialunternehmen vertritt. Der Name der Interessensvertretung ver- New Style Social Enterprise weist darauf, dass sich der Begriff New Style Social Enterprises nicht durchsetzen Anders als der Anglizismus vermuten lässt, konnte und für den Typus eigenständiger, entstand der Begriff „New Style Social marktorientierter Sozialunternehmen eher Enterprise“ im deutschsprachigen For- der Begriff Social Entrepreneurship Ver- schungskontext und wird auch hier nur spo- wendung findet. radisch verwendet. In einem EU-Bericht zum sozialunternehmerischen Ökosystem Erforschung der Sozialunternehmen in in Deutschland werden beispielsweise acht Deutschland Typen von Sozialunternehmen unterschie- den, darunter New Style Social Enterprises In der letzten Dekade beobachten wir eine (EC 2018). Bei diesen handele es sich schwunghafte Zunahme der Forschungen meist um Startups, die eine klare gesell- zu Sozialunternehmen in Deutschland. Den schaftliche Mission haben und zur Lösung Grundstein legen drei große Studien in der der identifizierten Probleme innovative, un- ersten Hälfte der 2010er Jahre, die 2012 er- ternehmerische Geschäftsmodelle entwi- schienene Studie des Wissenschaftszent- ckelt haben. Oft werden New Style Social rums Berlin (WZB) (Priller et al. 2012), die Enterprises von Ashoka, der Schwab Foun- im gleichen Jahr erstmals veröffentlichten dation oder anderen einschlägigen Stiftun- Ergebnisse des Mercator Forschungsver- gen unterstützt und erreichen eine hohe öf- bundes (Mercator 2012a, b; Jan- fentliche Sichtbarkeit. Sie agieren zwar e- sen/Heinze/Beckmann 2013) und die im her in Nischenmärkten, üben aber durch ihr Jahr 2013 erschienene Studie des Centrum Engagement und die (demonstrierte) Inno- für soziale Investitionen und Innovationen vationskraft einen gewissen Veränderungs- (CSI) der Universität Heidelberg im Auftrag druck auf die etablierten Wohlfahrtsver- der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bände aus (EC 2018, S. 48). Durch die Ge- (Scheuerle et al. 2013; 2015). Gemeinsam genüberstellung mit der traditionellen ist den Studien, dass sie in einem bis dahin Sozialwirtschaft erklärt sich auch die Zu- wenig erforschten Bereich eine Bestands- schreibung „new style“. Im Unterschied zu aufnahme vorlegen. Sie setzen dabei aber unternehmerischen Ausgründungen aus unterschiedliche Schwerpunkte, durch die Wohlfahrtsorganisationen stehen New sich in der Gesamtschau ein erstes umfas- Style Social Enterprises auf eigenen Füßen sendes Bild des sich entwickelnden sozia- und haben das Ziel, Einnahmen weitge- len Unternehmertums ergibt. Im Fokus der hend am Markt zu generieren. Folgt man WZB-Studie steht der dritte Sektor als Gan- dem EU-Bericht, so gelingt es aber auch zes, dem sich neben Sozialunternehmen

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die klassischen Wohlfahrtsorganisationen Studie fest, dass es sich bei diesem noch und organisierte Gruppen zivilgesellschaft- um ein Nischenphänomen handele. Sozial- lich Engagierter zuordnen. Für die Beschäf- unternehmen in Deutschland seien nicht tigung mit Sozialunternehmen ist die WZB- grundsätzlich innovativ und kaum in der Studie interessant, weil das deutsche Sozi- Lage, soziale Probleme aufgrund von alstaatsmodell stark von Wohlfahrtsorgani- Markt- und Staatsversagen wirksam zu be- sationen geprägt ist (Caritas, Diakonie, Ar- heben: „Trotz stellenweise entwickelter He- beiterwohlfahrt, Paritätischer Wohlfahrts- belwirkung kann damit nicht von einer weit- verband, Volkssolidarität usw.) und die reichenden sozialen und ökologischen Wir- Entwicklung des Feldes der Sozialunter- kung ausgegangen werden“ (Mercator nehmen im Verhältnis zur dominanten Po- 2012b, S. 7). Dieser Analyse folgen Scheu- sition der Wohlfahrtsorganisationen zu ver- erle et al. in ihrer international vergleichen- stehen ist. So beschreiben die WZB-For- den Studie nur bedingt. Zwar kommen schungen das soziale Unternehmertum als auch sie zu dem Schluss, dass das Feld einen Aspekt einer umfassenden Ökonomi- der Sozialunternehmen in Deutschland be- sierung des dritten Sektors, in dessen zogen auf die Anzahl der Unternehmen, der Folge Sozialunternehmen unter anderem Umsätze und der geografischen Reich- als Ausgründungen aus Wohlfahrtsorgani- weite eher klein ist. Sie schätzen die Anzahl sationen entstehen (Intrapreneurship) und der Sozialunternehmen im engeren Sinn durch ihre unternehmerischen, innovativen auf 1.000 bis 1.500 und bei einer weiter ge- Ansätze selbst den Modernisierungsdruck fassten Definition auf 40.000 bis 70.000 auf die Wohlfahrtsorganisationen verstär- (Scheuerle et al. 2013). Aber eine geringe ken (Droß 2013). Für die vorliegende Stu- Innovationskraft erkennen sie nicht. So hät- die ist zudem eine Teilanalyse der WZB- ten über vierzig Prozent der befragten So- Forschung interessant, die sich explizit zialunternehmen angegebenen, die ersten dem dritten Sektor im Land Brandenburg in ihrem Markt oder regionalen Umfeld zu widmet und dessen große Bedeutung für sein, die ein bestimmtes Problem adressie- das gesellschaftliche Engagement und die ren. Im Vergleich mit anderen Ländern Wirtschaftsleistung des Bundeslandes her- spiele eine hohe Innovationskraft im deut- vorhebt (Priller et al. 2013). schen Wohlfahrtsstaatsmodell eine beson- dere Rolle, da man sich dadurch eine hö- Im Unterschied zur WZB-Studie widmet here Qualität und günstigere Preise für so- sich die Untersuchung des Mercator For- ziale Dienstleistungen verspreche schungsverbundes speziell den Sozialun- (Scheuerle et al. 2015). ternehmen in Deutschland. Erstmals wird der Versuch unternommen, über eine ei- Ging es in den frühen Studien darum, erst genständige Ermittlung der Grundgesamt- einmal ein Verständnis von der Art und dem heit den Umfang des sozialunternehmeri- Umfang des Phänomens Social Entrepre- schen Feldes zu bestimmen und mittels neurship in Deutschland zu gewinnen, so quantitativen sowie qualitativen Befragun- greifen die seitdem entstandenen For- gen einen Überblick über dessen Merkmale schungen zunehmend speziellere Frage- zu gewinnen. Gerade im Vergleich mit dem stellungen auf. Sie untersuchen, wie be- anglo-amerikanischen Raum und dessen günstigend oder hemmend die institutionel- marktliberalen Wohlfahrtstaatsmodell hatte len Rahmenbedingungen in Deutschland es bis dahin an einer systematischen Erfor- für die nachhaltige Entwicklung von Sozial- schung der Sozialunternehmen in Deutsch- unternehmen sind (Evers & Jung et al. land gefehlt. Für das Feld der Sozialunter- 2015; EC 2018) und wie Sozialunterneh- nehmen in Deutschland hält die Mercator- men in der Gründungsphase der Weg zu

18 MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG

einer erfolgreichen Etablierung geebnet das Aufzeigen des innovativen Potenzials werden kann (SEND 2018; Metzger 2019; dieser Organisationen (SEND 2018, 2019). SEND 2019). Die im Auftrag des Bundes- Dass es sich bei diesen Social Start-ups ministeriums für Wirtschaft und Energie um kein Randphänomen handelt, will eine (BMWi) entstandene Studie von Evers & neuere Untersuchung der Kreditanstalt für Jung et al. (2015) identifiziert eine Reihe Wiederaufbau (KfW) verdeutlichen. Auf von Hemmnissen für eine prosperierende Grundlage des KfW-Gründungsmonitors Entwicklung deutscher Sozialunterneh- kommt das Forschungspapier zu dem men, darunter eine ausgeprägte Trennung Schluss, dass es deutschlandweit rund zwischen sozialer und ökonomischer 108.000 Sozialunternehmen in der Grün- Sphäre. Diese zeige sich beispielsweise in dungsphase gebe (bezogen auf die ersten der Unvereinbarkeit von Gemeinnützigkeit 5 Jahre nach Unternehmensgründung). und wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb, die Dies ergebe sich daraus, dass rund 9 Pro- Sozialunternehmen vielfach zum Aufbau zent aller Gründenden dem sozialen oder aufwändiger Hybridstrukturen zwinge. ökologischen Anliegen ihres Unterneh- Etablierte Förderinstrumente der Industrie- mens einen höheren Stellenwert einräu- und Handelskammern oder der Wirt- men als dem ökonomischen Zweck (Metz- schaftsförderungsgesellschaften würden ger 2019). Sozialunternehmen kaum erreichen, da die Renditelogik der bestehenden Instrumente Einmal mehr fällt die große Spannbreite der mit den Anliegen der Sozialunternehmen dem Feld der Sozialunternehmen zuge- wenig kompatibel sei (Evers & Jung et al. rechneten Unternehmen ins Auge. Das 2015). Auf einen anderen Grund für die ge- liegt zum einen an engeren und weiteren ringe Kompatibilität mit bestehenden För- Definitionen von Sozialunternehmen, zum derstrukturen weist eine im Auftrag der Eu- anderen an den sehr unterschiedlichen Er- ropäischen Kommission erstellte Studie hebungsmethoden. Untersuchungen auf hin. Demnach fehle es den Sozialunterneh- Basis von Datenbanken und Handelsregis- men in Deutschland an einem klaren tereinträgen scheinen das Phänomen re- Selbstverständnis und an einer klaren Iden- gelmäßig stark zu überschätzen. Hier wer- tität, die den Förderorganisationen eine den in großer Zahl Vereine mitgezählt, die bessere Ansprache ermöglichen würde. bei genauer Betrachtung aus Mangel an ei- Stattdessen fühlten sich deutsche Sozial- nem regelmäßigen Geschäftsbetrieb wohl unternehmen eher bestimmten Sektoren o- oft nicht als Sozialunternehmen gezählt der Organisationstypen wie dem Vereins- werden können. Auch können über diese oder Genossenschaftswesen zugehörig Vorgehensweise gewerblich verfasste So- (EC 2018). zialunternehmen ohne Gemeinnützigkeits- status kaum identifiziert werden (Evers & Um ein stärkeres Selbstverständnis und die Jung et al. 2015). Andere Untersuchungen Bündelung der Interessen von Sozialunter- ermitteln die Grundgesamtheit der Sozial- nehmen ist das 2017 gegründete Social unternehmen über aufwändige Recher- Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e. chen in Netzwerken und auf Plattformen. V. (SEND) bemüht. Seit dem Jahr 2018 Im Ergebnis zeigt sich ein deutlich über- führt SEND jährlich deutschlandweite Be- schaubareres Feld von deutschlandweit fragungen unter Sozialunternehmen durch zwischen 1.000 und 3.000 Sozialunterneh- und veröffentlicht die Ergebnisse im Deut- men im engeren Sinn (Scheuerle et al. schen Social Entrepreneurship Monitor. 2013; EC 2018). Diese Größenordnung Ziel sei eine bessere Sichtbarkeit insbeson- dürfte auch für den Umfang marktorientier- dere von jungen Sozialunternehmen und

MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 19

ter Sozialunternehmen in Deutschland gel- Eine Leerstelle im Social Enterprise-Ansatz ten. Die Ermittlung der Grundgesamtheit ist ist jedoch die Innovationstätigkeit von Sozi- jedoch oft wenig transparent und nachvoll- alunternehmen. Die Innovationskraft von ziehbar. Hinzu kommen teils methodische Sozialunternehmen neueren Typs ist im Schwächen, wie die unkontrollierte Zirkula- deutschen Wohlfahrtsstaat gleichermaßen tion von Online-Fragebögen, hohe Ab- Distinktionsmerkmal und Legitimierungs- bruch- und geringe Ausschöpfungsquoten. grundlage. Hier kommt die Social Entrepre- neurship-Forschung mit ihrem starken In- Um die methodischen Herausforderungen novationsbegriff ins Spiel. Ein wichtiger mo- zu meistern, nähern wir uns dem Feld der dus operandi von marktorientierten Sozial- marktorientierten Sozialunternehmen in unternehmen ist demnach das Streben Brandenburg in drei Schritten. Diese beste- nach neuartigen Lösungen zur Bearbeitung hen erstens aus einer Definition mit klaren von gesellschaftlichen Problemlagen. Da- Ein- und Ausschlusskriterien, zweitens aus bei geht es nicht nur um die erfolgreiche einer umfangreichen Recherche der Etablierung eines innovativen Produktes, Grundgesamtheit auf Basis von Datenban- sondern um die nachhaltige Lösung des ken und Netzwerken und drittens aus einer gesellschaftlichen Problems, sprich um methodisch kontrollierten Vollerhebung, bei eine soziale Innovation. Aus diesen Überle- der über einen Online-Fragebogen die gungen ergibt sich folgende Definition: Passfähigkeit mit den Kriterien marktorien- tierter Sozialunternehmen überprüft wird. Marktorientierte Sozialunternehmen (MSU) sind eigenständige Organisationen, 2.2. Definition Marktorientierte welche mit unternehmerischen Mitteln sozi- Sozialunternehmen“ ale und/oder ökologische Ziele verfolgen, Für die Definition marktorientierter Sozial- um dem Gemeinwohl zu dienen. Zu diesem unternehmen können wir nicht auf eine be- Zweck entwickeln sie sozial-innovative Pro- reits existierende Definition zurückgreifen, dukte, Dienstleistungen, Verfahren und Ge- wohl aber auf Elemente aus der Social schäftsmodelle. Marktorientierte Sozialun- Enterprise- und Social Entrepreneurship- ternehmen erzielen die für ihre soziale/öko- Forschung. Die Social Enterprise-For- logische Mission erforderlichen Einnahmen schung mit ihrer Orientierung auf Organisa- mindestens in Teilen auf freien oder ge- tionen ist ein geeigneter Ausgangspunkt. setzlich geregelten Märkten. Die drei Dimensionen soziale Mission, un- Für die Identifizierung von MSU leiten wir ternehmerisches Anliegen und partizipative aus dieser Definition fünf Prüfkriterien ab: Unternehmensführung liefern relevante Merkmale, wobei die beiden erstgenannten im Zentrum des Interesses stehen. Sozial- unternehmen sind demnach eigenständige Organisationen, die vornehmlich ein sozia- les und/oder ökologisches Anliegen bzw. einen gesellschaftlichen Zweck verfolgen. Zu dessen Realisierung wählen sie einen unternehmerischen Ansatz, der durch ei- nen kontinuierlichen Geschäftsbetrieb, die Generierung von Einnahmen durch den Verkauf von Produkten/Dienstleistungen am Markt und bezahlte Arbeit geprägt ist.

20 MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG

Kriterium Beschreibung

MSUs sind nicht abhängig von und nicht Teil anderer staat- Eigenständigkeit licher oder privatwirtschaftlicher Organisationen Erwirtschaftete Gewinne werden überwiegend in den sozia- len/ökologischen Zweck der MSUs reinvestiert; gemein- Gemeinwohlorientierung wohlorientierte Ziele sind in den Statuten der MSUs veran- kert MSUs produzieren Produkte oder Dienstleistungen, die sie Unternehmerische Mittel kontinuierlich gegen Entgelt anbieten; sie arbeiten erwerbs- wirtschaftlich, d.h. nicht rein ehrenamtlich Das MSU etabliert neuartige Produkte, Dienstleistungen, Verfahren oder Geschäftsmodelle zur besseren Bewälti- gung gesellschaftlicher Herausforderungen; die Neuartigkeit Innovationstätigkeit dieser sozialen Innovationen ist in der Regel nicht absolut,

sondern relativ, d.h. sie sind im spezifischen Tätigkeitsfeld oder räumlichen Umfeld neu oder sie sind Neukombinatio- nen vorhandener Elemente MSUs erwirtschaften einen signifikanten Anteil der Einnah- men durch Verkäufe von Produkten und Dienstleistungen Markteinnahmen auf freien Märkten (auch Gebühren, Vermietung/Verpach- tung) oder Quasi-Märkten (Leistungsentgelte z.B. für Ar- beitsmarktintegration, Inklusion) Tabelle 1: Kriterien für marktorientierte Sozialunternehmen (MSU)

2.3. Abgrenzung gegenüber vor allem im Hinblick auf die unternehmeri- Wohlfahrtsorganisationen und sche Orientierung markante Unterschiede. konventionellen Unternehmen Dazu zählt das Streben nach innovativen Lösungen für gesellschaftliche Problemla- Marktorientierte Sozialunternehmen haben gen, durch die Sozialunternehmen eine Schnittmengen mit Wohlfahrtsorganisatio- bessere Bearbeitung des Problems anstre- nen und konventionellen Unternehmen, ben, als dies mit herkömmlichen Mitteln grenzen sich aber in zentralen Merkmalen möglich war. Sozialunternehmen wollen mit von diesen beiden Organisationstypen ab innovativen Lösungen zum gesellschaftli- (vgl. Abb. 2). Sie bilden ein organisationa- chen Wandel beitragen und sich gleichzei- les Segment an der Schnittstelle zwischen tig als Problemlöser anbieten. Klassische dem ersten und dritten Sektor. Wohlfahrtsorganisationen gelten demge- Abgrenzung gegenüber klassischen genüber als wenig innovativ, da sie in enger Wohlfahrtsorganisationen Zusammenarbeit mit öffentlichen Sozial- versicherungsträgern agieren und das Während marktorientierte Sozialunterneh- enge Korsett aus definierten Sozialleistun- men mit Wohlfahrtsorganisationen die Ori- gen und Leitungsentgelten kaum Anreize entierung am Gemeinwohl teilen, zeigen zur Entwicklung neuartiger Lösungen sich zwischen beiden Organisationstypen schafft. Auch vertreten sie weniger offen- sichtlich eine Agenda des gesellschaftli- chen Wandels. Neben der Innovationskraft

MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 21

ist die Erwirtschaftung von Einnahmen am erwerbswirtschaftlich, d.h. durch hauptbe- freien Markt ein weiteres Unterscheidungs- ruflich Beschäftigte in den Kernbereichen merkmal. Während sich Wohlfahrtsorgani- tätig sind und ergänzend Ehrenamtliche sationen ganz überwiegend über SGB-fi- einbinden. Soziale Initiativen hingegen sind nanzierte Leistungsentgelte finanzieren, ehrenamtlich organisiert und binden profes- generieren marktorientierte Sozialunter- sionelle Expertise i. d. R. nur fallbezogen nehmen Einnahmen in signifikanter Größe und gegebenenfalls auftragsbezogen ein. durch Verkäufe von Produkten und Dienst- leistungen am freien Markt. Die Fähigkeit, Abgrenzung gegenüber konventionel- gemeinwohlorientierte Leistungen über ei- len Unternehmen gene Einnahmen statt ausschließlich staat- liche Zuwendungen zu finanzieren, be- Der augenfälligste Unterschied zwischen trachtet der Social Entrepreneurship For- marktorientierten Sozialunternehmen und scher Gregory Dees (2001 [1998]) als konventionellen Unternehmen besteht in eigentliche Innovation der Sozialunterneh- der Motivation für das Betreiben des Unter- men. Auch birgt das Erwirtschaften eigener nehmens. Sozialunternehmen geht es pri- Einnahmen das unternehmerische Risiko mär um die bessere Befriedigung von sozi- des Scheiterns, dem Wohlfahrtsorganisati- alen Bedürfnissen und um das Beheben onen aufgrund der relativ gesicherten Ein- gesellschaftlicher Missstände. Sozialunter- nahmen durch Leistungsentgelte deutlich nehmer schöpfen ihre Motivation aus der weniger ausgesetzt sind. Eine letzte Unter- gesellschaftlichen Wirkung, die sie mit ih- scheidung betrifft den rechtlichen Satus der rem Unternehmen entfalten. Die Hauptan- Gemeinnützigkeit. Während Wohlfahrtsor- triebsquelle von konventionellen Unterneh- ganisationen grundsätzlich als gemeinnüt- men ist demgegenüber das Erwirtschaften zig anerkannt sind, verzichten marktorien- von Gewinnen und der Erfolg des Unter- tierte Sozialunternehmen teilweise auf den nehmens selbst, gemessen unter anderem Gemeinnützigkeitsstatus, da dieser dem an dessen Größe und Marktanteil. Ein zent- wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb enge rales Indiz für die Orientierung am Gemein- Grenzen setzt (vgl. Tab. 2). wohl ist das Reinvestieren von Gewinnen in die sozialen Zwecke des Unternehmens. Bei der Abgrenzung von erwerbswirtschaft- lich und ehrenamtlich ist anzumerken, dass MSU und auch Wohlfahrtsorganisationen

Abbildung 2: Abgrenzungen und Schnittstellen von MSU (eigene Darstellung)

22 MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG

Um eine mission drift hin zu einer Gewinno- rientierung zu vermeiden, sind bei Sozial- unternehmen der Ausschüttung von Ge- winnen an Inhaberinnen und Inhaber oder Anteilseignerinnen und Anteilseigner enge Grenzen gesetzt. Bei konventionellen Un- ternehmen ist hingegen die Ausschüttung von Gewinnen ein zentraler Bestandteil des Unternehmenszwecks.

Mit Gewinnausschüttungen werden die In- teressen der Anteilseignerinnen und An- teilseigner befriedigt, die ihr Geld zum Zweck der Vermehrung in kommerzielle Unternehmen investieren und nicht primär zum Zweck einer wie auch immer gearteten Wirkung auf Zielgruppen und Kunden. Ent- sprechend können konventionelle Unter- nehmen auch keinen Gemeinnützigkeits- status besitzen. Ein Unterschied besteht darüber hinaus in der Diversität der Einnah- mequellen und eingesetzten Ressourcen. Bei Sozialunternehmen speist sich die Ein- nahmeseite oft aus einer Vielzahl unter- schiedlicher Quellen wie öffentlichen Zu- wendungen, Einnahmen durch Verkäufe am Markt, Spenden, Mitgliedsbeiträge, ge- setzlich geregelte Leistungsentgelte, För- dermittel u.a.m. Hinzu kommt ehrenamtli- che Arbeit durch Personen, die den sozia- len und gesellschaftlichen Zweck des Unternehmens unterstützen. Die Einnah- meseite konventioneller Unternehmen ist hingegen einseitiger auf marktgenerierte Erlöse orientiert. Spenden, Mitgliedsbei- träge oder ehrenamtliche Arbeit spielen für konventionelle Unternehmen als Einnah- mequellen und Ressourcen in der Regel keine Rolle (vgl. Tab. 2).

MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 23

klassische Marktorientierte Konventionelle Kriterien Wohlfahrts- Sozialunterneh- Unternehmen organisationen men

Gemeinwohlorientierung    ist zentral (oft in Satzung

verankert)

keine oder limitierte Ge- sozial winnausschüttung/Ge-    winne werden gemäß sozialer Ziele reinvestiert

Herstellung von Produk- ten/Erbringung von Leis-    tungen (statt nur Vertei- lung von Mitteln wie bei manchen Stiftungen)

Das Organisationsprin- zip ist Erwerbswirtschaft-    lichkeit, nicht Ehrenamt-

lichkeit

Organisation trägt unter- erisch /    nehmerisches Risiko

Einnahmen werden min- nternehm

U destens in Teilen am   /  freien Markt generiert; Einnahmequellen sind meist divers

Organisation ist innova- tiv: sie etabliert neuartige    Produkte, Dienstleistun- gen, Verfahren oder Ge-

schäftsmodelle

al Organisation ist eigen- /    ständig Organisation besitzt Sta-  /  

organisation tus der Gemeinnützigkeit Tabelle 2: Abgrenzung gegenüber Wohlfahrtsorganisationen und konventionellen Unternehmen

24 MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG

MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 25

3. Annäherung an potenziell marktorientierte Sozialunternehmen in Brandenburg

Im Zuge eines unternehmerischen Wan- Allerdings sind infolge der Corona-Pande- dels hin zu mehr gesellschaftlicher und mie manche dieser Unternehmen insol- ökologischer Verantwortung finden Sozial- venzgefährdet, andere entstehen neu. So- unternehmen seit einigen Jahren zuneh- mit ist das Ergebnis eine Momentaufnahme mende Beachtung (Jähnke/Christmann/ und es kann kein Anspruch auf Vollständig- Balgar 2011; Pless 2012; Evers & Jung et keit erhoben werden. Tabelle 3 zeigt die al. 2015). Obwohl hybride Organisationen quantitative Verteilung der Grundgesamt- mit sozialen und unternehmerischen Anlie- heit auf die 14 Landkreise und 4 kreisfreien gen kein neues Phänomen sind, erfahren Städte . diese unter dem Namen social enterprise eine neue Aufmerksamkeit.

3.1 Geografische Verteilung Insgesamt konnten 188 potenziell marktori- entierte Sozialunternehmen in Branden- burg identifiziert werden (Stand August 2020). Im Verlauf der Recherche wurde deutlich, dass es viele kleine und oftmals unscheinbare sozialunternehmerische Initi- ativen gibt.

Landkreis/kreisfreie Anzahl Stadt

Potsdam-Mittelmark 28 Barnim 26 Märkisch-Oderland 22 Potsdam 16 Ostprignitz-Ruppin 14 Oder-Spree 12 Havelland 12 Uckermark 11 -Fläming 8 Elbe-Elster 7 Oberhavel 7 Spree-Neiße 6 Oberspreewald-Lausitz 6 Dahme-Spreewald 4 Prignitz 4 Brandenburg a.d. Havel 3 Frankfurt Oder 3 Grundgesamtheit 188 Tabelle 3: Geografische Verteilung (absteigend)

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Abbildung 3: Geografische Verteilung

Abbildung 3: geografische Verteilung der Sozialunternehmen

In Abbildung 3 wird deutlich, dass die Nähe rung für die vorwiegende Ansiedlung markt- zu Berlin und Potsdam eine Rolle für die orientierter Sozialunternehmen im Umland Gründungslandschaft Brandenburgs spielt. von Berlin und Potsdam ist die direkte An- Viele Sozialunternehmen siedeln sich in bindung an die Städte, deren Angebote, den direkt an die beiden Städte angrenzen- Netzwerke und Infrastrukturen. den Landkreisen an, wobei Potsdam-Mittel- mark (28) und Barnim (26) die höchste An- zahl potenziell marktorientierter Sozialun- ternehmen aufweisen. Auffällig ist außerdem, dass sich weit über die Hälfte der Grundgesamtheit auf den Norden Bran- denburgs verteilt. Insbesondere in den nordöstlichen Landkreisen Uckermark, Barnim und Märkisch-Oderland scheinen Sozialunternehmen einen fruchtbaren Bo- den zu finden. Eine naheliegende Erklä-

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3.2 Verteilung nach Wirkungs- bereich Zusätzlich zur rein geografischen Vertei- lung auf die Landkreise und kreisfreien Städte ist es interessant zu vergleichen, in welchem Bereich, mit welchem Ziel und in welcher Erscheinungsform die einzelnen Sozialunternehmen aktiv sind. Bei der Ka- tegorisierung und Einteilung der identifizier- ten Sozialunternehmen liefert Ashoka, die weltweite Förderorganisation von Sozialun- ternehmen, im ersten Schritt eine gute Ori- entierung (Ashoka 2015, S.20). Ashoka ka- tegorisiert Sozialunternehmen nach Wir- kungsbereichen in folgende zehn Kate- gorien: Gemeinschaft & Familie, Bildung & Schule, Inklusion, Gesundheit, Sport, Ar- beitsmarkt, Regionalentwicklung, Partizipa- tion & Transparenz (Medien), Energie & Umwelt, Gewaltprävention & Umgang mit straftätigen Jugendlichen.

Für die Recherche der Grundgesamtheit erwies es sich als zielführend, die Sozialun- ternehmen nicht ausschließlich deduktiv in bestehende Kategorien einzuordnen, son- dern neben den Wirkungsbereichen auch die Erscheinungsformen der Unternehmen zu untersuchen und zu unterscheiden. In Anlehnung an Ashoka wurden neun Kate- gorien für die unterschiedlichen gesell- schaftlichen Wirkungsbereiche der Sozial- unternehmen in Brandenburg definiert. Ta- belle 4 zeigt eine Übersicht dieser mit einer Kurzbeschreibung und den unterschiedli- chen Erscheinungsformen innerhalb eines Bereichs. Letztere konkretisieren, wie und womit die Sozialunternehmen ihre Wirkung erzielen. Innerhalb eines Wirkungsbereichs können unterschiedliche Formen von Sozi- alunternehmen vertreten sein.

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Wirkungsbereich Kurzbeschreibung Erscheinungsform

Unternehmen, die neue Konzepte ► Gästehaus mit Co-working- oder Kombinationen aus den Be- Option Alternative Wohn- & reichen Wohnen, Arbeiten und Zu- Arbeitskonzepte sammenleben an konkreten physi- ► Co-Working Space, Kreativ- schen Orten ausprobieren und rea- raum lisieren. ► Wohnprojekt ► Integration Behinderter Unternehmen mit dem primären ► Integration Älterer Ziel, behinderte, beeinträchtige ► Integration Langzeitarbeitslo- Arbeitsförderung & oder anderweitig benachteiligte Inklusion Menschen am Arbeitsmarkt zu in- ser tegrieren und/oder (Weiter-)Bildung ► Integration psychisch/geistig zu ermöglichen. Beeinträchtigter ► Migrationssozialarbeit

Unternehmen die sich für gesunde, ► Hofladen ggf. mit Café regional erzeugte Lebensmittel und ► Solidarische Landwirtschaft Bewusste Ernährung & Ernährung einsetzen und/oder Be- Landwirtschaft ► Gemüse- oder Biokiste wusstsein für Landwirtschaft, Na- ► Landschafts-, Natur-, Arten- tur- und Artenschutz fördern. schutz

Unternehmen die auf einen nach- ► Forschung/Produktion innova- Nachhaltige Produktion & haltigen Umgang mit natürlichen tiver Nahrungsmittel regionale Ressourcen sowie regionalen Ressourcen Wert ► Bewusst regionale & nachhal- legen. tige Produktion & Einzelhandel

Unternehmen, die auf einen fairen, ► Dorfladen Ökologischer & bewussten und ökologischen Han- fairer Handel ► Unverpackt-Laden del und Vertrieb abzielen. ► Eine Welt Laden ► Bildungs- & Begegnungszent- rum Unternehmen die Projekte, Pro- dukte & Dienstleistungen mit (teil- ► Dorfschule, Kita Nachhaltige Bildung & weise) pädagogischem Inhalt an- ► Jugend- & Gemeinwesensar- Entwicklung bieten und deren primäre Ziele die beit (Weiter-)Bildung & Sensibilisierung ► Wildnisschule verschiedener Zielgruppen sind. ► Werkstatt, Technologie- & Digi- talisierungstreiber

Unternehmen, die attraktive physi- ► Bildungs- & Gästehaus mit sche Räume schaffen, die Leute Kultur- & Veranstaltungsraum Raum für Projekte, Austausch & anziehen und zu Austausch, Be- Begegnung ► Gästehaus mit Seminarraum gegnung, kulturellem und kreati- ► Vereinshaus, Veranstaltungs- vem Wirken einladen. raum, Kulturzentrum ► Dorfladen Unternehmen die durch Projekte, ► Beratung Vernetzung & Förderung d. Ent- Netzwerkarbeit und andere Dienst- ► Projektentwicklung, -manage- wicklung im ländlichen Raum leistungen die Entwicklung in Bran- ment denburg initiieren und fördern. ► Mobilitäts-, Reise-, Touris- musangebote ► Wandel durch Kunst & Kultur Unternehmen die durch Projekte, physische Räume und Initiativen ► Wandel durch Innovation & Wandel & Wandel initiieren und Reflexion, New Work kreative Veränderung Partizipation & Selbstbestimmung ► Ökologie & Kulturwendebewe- in Bezug auf gesellschaftlich rele- gung vante Themen anstoßen. ► Energiegenossenschaft Tabelle 4: Kategorisierung nach Wirkungsbereich & Erscheinungsform

MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 29

Abbildung 4: Quantitativer Überblick potentieller MSU nach Wirkungsbereich

Sowohl die Wirkungsbereiche als auch die Wirkungsbereiche Bewusste Ernährung zugehörigen Erscheinungsformen sind & Landwirtschaft sowie Wandel & krea- nicht gänzlich trennscharf. Manche Er- tive Veränderung sind jeweils 26 Sozial- scheinungsformen, bspw. Kulturzentren, unternehmen vertreten. Auffällig sind hier können mehreren Wirkungsbereichen zu- insgesamt 12 solidarische Landwirtschaf- geordnet werden. Die Zuordnung der ten einerseits und 11 Initiativen, die Wandel marktorientierten Sozialunternehmen in die durch Kunst & Kultur anstoßen, wie Kultur- jeweiligen Kategorien erfolgt anhand der In- zentren oder Ausstellungsorte. Auch in der tention und soziale Mission des jeweiligen nachfolgenden Kategorie Raum für Pro- Sozialunternehmens. Ein Kulturzentrum jekte, Austausch & Begegnung sind 16 mit dem primären Anliegen, Wandel und von insgesamt 22 Sozialunternehmen als kreative Veränderung anzustoßen, wird Vereinshaus oder Kulturzentrum tätig. Im nicht als Projekt- und Begegnungsraum ka- Bereich Arbeitsförderung & Inklusion tegorisiert. spielt die Integration von Menschen mit Be- hinderung eine wichtige Rolle. Von 21 So- Abbildung 4 gibt einen quantitativen Über- zialunternehmen agieren über die Hälfte als blick der marktorientierten Sozialunterneh- Behindertenwerkstatt oder Inklusionsbe- men innerhalb der neun Wirkungsbereiche. trieb. Den drei Wirkungsbereichen Alterna- Es fällt auf, dass Initiativen in den beiden tive Wohn- & Arbeitskonzepte, Nachhal- Bereichen Bildung & Entwicklung sowie tige Produktion & regionale Ressourcen Ökologischer & fairer Handel am meisten und Vernetzung & Förderung der Ent- vertreten sind. Zu letzterer Kategorie zäh- wicklung im ländlichen Raum konnten len allerdings unter anderem 23 Eine Welt- mit entsprechend 12, 10 und 9 die wenigs- Läden, die oftmals rein ehrenamtlich und ten Sozialunternehmen zugeordnet wer- ohne explizit wirtschaftliches Ziel agieren. den. Sie sind an dieser Stelle zwar Teil der Grundgesamtheit, werden in der weiteren Erörterung in Kapitel 4 jedoch nicht mehr zu den marktorientierten Sozialunternehmen im engeren Sinne gezählt. Innerhalb der

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In Abbildung 5 wird gezeigt, wo sich die in größter Hotspot mit insgesamt 16 Sozialun- den Wirkungsbereichen eingeordneten So- ternehmen, die in fast allen Wirkungsberei- zialunternehmen geografisch in Branden- chen tätig sind. Die anderen drei kreisfreien burg befinden. Auf den ersten Blick zeigt Städte Cottbus, Frankfurt und Brandenburg sich eine relativ ausgeglichene landesweite an der Havel weisen allerdings verhältnis- Verteilung der Unternehmen mit einzelnen mäßig wenige Sozialunternehmen auf. Die Hotspots. Die 188 Sozialunternehmen der Landkarte zeigt, dass es dafür andere Hot- Grundgesamtheit verteilen sich auf alle 14 spots im Land gibt, die deutlich aktiver und Landkreise und vier kreisfreien Städte. Je- dichter mit Sozialunternehmen besetzt doch ist ein Nord-Süd-Gefälle erkennbar, sind. So bilden sich in Barnim deutliche d.h. die nördlichen Landkreise Branden- Cluster um Eberswalde, Biesenthal und burgs scheinen sozialunternehmerisch ak- Wandlitz sowie um Lunow-Stolzenhagen tiver bzw. erschlossener zu sein. Außer- direkt an der Grenze zu Polen. Im benach- dem befindet sich die Mehrheit der Unter- barten Landkreis Märkisch-Oderland fällt nehmen in naher Entfernung zu Berlin und insbesondere das Dreieck Müncheberg, Potsdam. Die Stadt Potsdam zeigt sich als Strausberg und Buckow ins Auge, welches

Abbildung 5: Geografische Verteilung potentieller MSU nach Wirkungsbereich

MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 31

sich in nicht weiter Ferne von den Hotspots Storkow und Steinhöfel im Landkreis Oder- Spree befindet. Weitere auffällige Cluster potenziell marktorientierter Sozialunterneh- men finden sich in Potsdam-Mittelmark rund um , , und Teltow sowie in Ostprignitz-Ruppin um Kyritz und Neuruppin. Die Ansiedlung sozi- alunternehmerischer Initiativen um Hot- spots ist kein Zufall. Diese Cluster entste- hen unter anderem durch zwei Faktoren: Einerseits durch die Niederlassung von un- ternehmerisch erfahrenen und oft gut ver- netzten Entrepreneuren, andererseits durch aktive, offene Verwaltungen und lo- kale Akteurinnen und Akteure.

Beispiele hierfür sind das Coconat in Bad Belzig oder das Kulturzentrum Ganz.Kultur in Ganz bei Kyritz. Auch in der Uckermark (Gerswalde), im Kreis Elbe-Elster (Finster- walde, Herzberg) sowie Oberspreewald- Lausitz (Senftenberg), Prignitz (Pritzwalk) und Oberhavel (Oranienburg) finden sich kleinere Cluster von Sozialunternehmen.

Abschließend betrachtet lassen sich keine eindeutigen Verteilungsmuster in Bezug auf die Wirkungsbereiche erkennen. Zwar siedeln sich häufig bis zu vier Sozialunter- nehmen eines Wirkungsbereichs am sel- ben Ort an. Jedoch verteilen sich die Wir- kungsbereiche landesweit recht ausgegli- chen, sodass in dieser Hinsicht keine Gefälle oder Cluster zu erkennen sind.

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4. IST-Situation marktorientierter Sozial- unternehmen in Brandenburg

Auf Grundlage der berichteten Grundge- marktorientierter Sozialunternehmen erfül- samtheit soll das Feld marktorientierter So- len. Insgesamt identifizieren wir unter die- zialunternehmen in Brandenburg weiter sen 56 marktorientierte Sozialunterneh- qualifiziert werden. Es sollen repräsentative men, darunter 15 Unternehmen, welche die Aussage über den Umfang und die Merk- Kriterien vollständig erfüllen – wir sprechen male dieses Unternehmenssegments ge- vom Kernbereich marktorientierter Sozial- troffen und Vergleiche mit der Landschaft unternehmen – und 41 Unternehmen, wel- der Sozialunternehmen in anderen Teilen che zwar einzelne „weiche“ Kriterien nicht der Bundesrepublik gezogen werden. erfüllen, aber mit der Erfüllung der „harten“ Schließlich sollen auch Einschätzungen zu Kriterien als marktorientierte Sozialunter- den Rahmenbedingungen für die sozialun- nehmen gelten können. Wir bezeichnen ternehmerische Praxis in Brandenburg aus diese als erweitertes Feld marktorientierter Sicht der Sozialunternehmen selbst ge- Sozialunternehmen. 19 Unternehmen erfül- wonnen werden. Hierfür dient das im vor- len ein oder mehrere „harte“ Kriterien nicht herigen Abschnitt dargestellte Mapping der und können daher nicht als marktorientierte Sozialunternehmen als Ausgangspunkt. Sozialunternehmen bezeichnet werden.3 Während dort aber die Grundgesamtheit al- ler Sozialunternehmen erfasst und berich- Grundlage dieser Qualifizierung sind neun tet wurde, geht es nun um marktorientierte aus der Definition markorientierter Sozial- Sozialunternehmen im engeren Sinn. Um unternehmen abgeleitete Kriterien (vgl. auf der Grundlage der Definition (vgl. Ab- Abb. 6). Diese unterteilen sich in fünf wei- schnitt 4.3) marktorientierte Sozialunter- che Prüfkriterien (in Abb. 6 hellrot darge- nehmen identifizieren und beschreiben zu stellt) und vier harte Kriterien (dunkelrot). können, werden strukturierte Informationen Die weichen Kriterien sind zwar ein Indiz für von möglichst vielen dieser Sozialunterneh- die sozialunternehmerische Verfasstheit ei- men benötigt. Diese haben wir im Juni und ner Organisation. Sie sind aber nicht so ele- Juli 2020 in Form einer standardisierten Be- mentar, dass das Nichterfüllen eines oder fragung gewonnen. In dieser Vollerhebung mehrerer weicher Kriterien den Ausschluss wurde versucht, alle 188 recherchierten So- aus dem Feld marktorientierter Sozialunter- zialunternehmen telefonisch und via Email nehmen rechtfertigen würde. Stattdessen zu kontaktieren und um das Ausfüllen eines werden die betreffenden Organisationen Online-Fragebogens zu bitten. Das gelang dem erweiterten Feld marktorientierter So- in 177 Fällen. Unter diesen füllten Vertrete- zialunternehmen zugeordnet. Zu dieser rinnen und Vertreter von 80 Sozialunter- Gruppe zählen die Kriterien „volle Eigen- nehmen den Fragebogen vollständig aus, ständigkeit der Organisation“, „Status der was einer Ausschöpfungsquote von 45,2 Gemeinnützigkeit“, „Selbstbezeichnung als Prozent entspricht. Im Vergleich mit ande- Sozialunternehmen“, „soziale Ziele in Sat- ren Befragungen in diesem Forschungsfeld zung verankert“ und „keine Ausschüttung ist das eine sehr gute Resonanz (für nähere von Gewinnen“ (für eine detaillierte Erläute- Erläuterungen zur Stichprobenstatistik rung der Ein- und Ausschlusskriterien siehe siehe Anhang). Anhang). Demgegenüber berühren die har- ten Prüfkriterien den definitorischen Kern Interessant ist nun die Frage, wie viele der marktorientierter Sozialunternehmen. Dazu 80 erfassten Unternehmen die Kriterien zählt, dass Gewinne wenigstens in Teilen in

3 Fünf weitere Unternehmen können nicht geprüft werden, da die Befragten nicht mehr im Sozialunternehmen aktiv waren oder das Unternehmen zum Zeitpunkt der Befragung keinen Geschäftsbetrieb hatte und daher nur ein verkürzter Fragebogen ausgefüllt wurde.

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den sozialen Zweck des Sozialunterneh- nicht erfüllt, teils sehr hoch ist. So treten mens reinvestiert werden, dass das Unter- rund 55 Prozent der befragten Unterneh- nehmen ein Minimum an Innovationstätig- men in ihrer Außendarstellung nie als Sozi- keit aufweisen muss, dass es nicht aus- alunternehmen auf (41 Fälle). Das verweist schließlich ehrenamtlich arbeitet und dass auf einen nach wie vor geringen Grad der es Einnahmen am Markt oder auf Quasi- Institutionalisierung der Sozialunterneh- märkten erzielt. Organisationen die eines o- men und auf eine eher geringe Bekanntheit der mehrere dieser Kriterien nicht erfüllen, und Reputation dieses Feldes. Der hohe werden nicht als marktorientierte Sozialun- Anteil an Unternehmen ohne Gemeinnüt- ternehmen verstanden. Ausnahmen von zigkeitsstatus könnte dem Umstand ge- Ausschlussentscheidungen gibt es für So- schuldet sein, dass sich dieser Status aus zialunternehmen in der Gründungsphase, Sicht vieler MSU nur schlecht mit einem da hier nicht nur die Ist-Situation, sondern wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb in Ein- auch das Potenzial berücksichtigt wird. So- klang bringen lässt. zialunternehmen in den ersten drei Jahren ihres Bestehens können auch dann dem Wenn nicht anders angegeben, werden in erweiterten Feld der MSU zugeordnet wer- den folgenden Auswertungen der Kernbe- den, wenn sie noch ausschließlich ehren- reich und das erweiterte Feld marktorien- amtlich arbeiten und wenn sie noch keine tierter Sozialunternehmen berücksichtigt Einnahmen auf freien oder Quasi-Märkten (zusammen 56 Fälle). Die Befunde können generieren. aufgrund der recherchierten Grundgesamt- heit und der vorgenommenen Vollerhebung In Abbildung 6 ist für jedes Kriterium die An- als repräsentativ für das Feld marktorien- zahl der Fälle angegeben, die dieses nicht tierter Sozialunternehmen in Brandenburg erfüllen. Es fällt auf, dass der Anteil der Or- gelten. ganisationen, welche die weichen Kriterien

Abbildung 6: Identifikation marktorientierter Sozialunternehmen in Brandenburg

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4.1 Zentrale Merkmale marktori- Anzahl marktorientierter Sozialunter- entierter Sozialunternehmen in nehmen in Brandenburg Brandenburg Auf Grundlage der standardisierten Befra- Im Folgenden soll erstmals ein strukturier- gung ermittelten wir 56 marktorientierte So- ter Überblick über die MSU in Brandenburg zialunternehmen, darunter 15 im engeren gegeben werden. Dies geschieht zunächst und 41 im weiteren Sinn. Diese Ergebnisse anhand allgemeiner Kennzahlen wie An- beziehen sich freilich nur auf die Unterneh- zahl und Alter der Unternehmen, Stand der men, die an der Befragung teilgenommen Unternehmensentwicklung, Anzahl der Be- haben. Durch die Kenntnis der Grundge- schäftigten, Rechtsformen und Selbstver- samtheit (vgl. Kapitel 3) und unter der An- ständnis als Sozialunternehmen. Wo mög- nahme, dass das Verhältnis von marktori- lich, werden die Resultate für Brandenburg entierten Sozialunternehmen zu nicht mit den entsprechenden Werten für die marktorientierten Sozialunternehmen in der Bundesrepublik insgesamt verglichen (Ver- realisierten Stichprobe diesem Verhältnis in gleichswerte für einzelne Bundesländer lie- der Grundgesamtheit entspricht, lässt sich gen nur ansatzweise vor). Auf diese Weise jedoch die tatsächliche Anzahl schätzen. soll herausgearbeitet werden, welche Be- Das Vorgehen verdeutlicht die folgende Ta- sonderheiten dieses Unternehmensseg- belle: ment in Brandenburg aufweist. Allerdings müssen die Vergleiche vorsichtig interpre- tiert werden, da die Vergleichsstudien un- terschiedliche Definitionen von Sozialunter- nehmen zugrunde legen und unterschiedli- che Verfahren bei der Ermittlung von Grundgesamtheit und Stichprobe zum Ein- satz kommen. Insofern liefern die Verglei- che eher einen ungefähren Eindruck da- von, wo das Feld marktorientierter Sozial- unternehmen in Brandenburg etwa steht.

Anteil in der geschätzte Grundgesamt- realisierten Anzahl in heit Stichprobe Brandenburg marktorientierte 75% 141 Sozialunternehmen davon aus dem Kern- 20% 38 bereich x 188 Fälle davon aus dem er- 55% 103 weiterten Feld nicht marktorientierte Sozi- 25% 47 alunternehmen

Tabelle 5: Anzahl marktorientierter Sozialunternehmen in Brandenburg

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Die Anzahl marktorientierter Sozialun- (vgl. Abb. 7). Im deutschlandweiten Ver- ternehmen kann in Brandenburg insge- gleich bestätigt sich für Brandenburg der samt auf 141 geschätzt werden. Darunter vergleichsweise hohe Anteil ganz junger sind 38 Unternehmen, welche die Kriterien marktorientierter Sozialunternehmen. Der voll und ganz erfüllen und daher als Kern- gleichzeitig hohe Anteil an MSU mit einem bereich marktorientierter Sozialunterneh- Alter von 20 Jahren und älter verweist auf men bezeichnet werden können. Im Ver- ein insgesamt ausgewogenes Verhältnis gleich dazu schätzen Studien die Anzahl aus jungen und etablierten MSU in Bran- der Sozialunternehmen im engeren Sinn in denburg. Deutschland auf 1.000 bis 2.000 Unterneh- men (Scheuerle et al. 2013, S. 50; EC Eine Besonderheit der marktorientierten 2018, S. 63f.). Nimmt man den Anteil Bran- Sozialunternehmen in Brandenburg ist die denburgs an der Gesamtbevölkerung von Tatsache, dass diese bis auf wenigen Aus- rund 3 Prozent zur Grundlage, würden auf nahmen (Hoffnungstaler Werkstätten, Brandenburg rechnerisch zwischen 30 bis Landhof Liepe) alle nach 1990 entstanden. 60 Sozialunternehmen entfallen. Je nach- Bedingt durch den Systemumbruch von dem ob hierzu nur der Kernbereich oder 1989/90 gibt es keine langfristige Kontinui- das erweiterte Feld der ermittelten MSU ins tät im gewerblichen Teil des dritten Sektors Verhältnis gesetzt werden, dann liegt der im Land Brandenburg. Besatz mit marktorientierten Sozialunter- nehmen in Brandenburg im bundesweiten Vergleich entweder im unteren Mittelfeld (nur Kernbereich) oder deutlich über dem Durchschnitt (erweitertes Feld der MSU).

Alter und Phase der Unternehmensent- wicklung

Das mittlere Alter der marktorientierten Sozialunternehmen in Brandenburg be- trägt 6,5 Jahre. Die Hälfte der heute exis- tierenden MSU wurde bis 2013 gegründet, die zweite Hälfte seit 2014. Damit weisen die Brandenburger MSU das für dieses Segment charakteristische geringe Alter auf. Für eine rege Gründertätigkeit im Feld der Brandenburger MSU spricht der mit 12,5 Prozent relativ hohe Anteil an Unter- nehmen, die noch keine zwei Jahre existie- ren (vgl. Abb. 7). Etwa ein Drittel der MSU ist 3 Jahre und jünger, ein weiteres Drittel ist bis zu 16 Jahre alt und ein weiteres Drit- tel 17 Jahre und älter. Um diese Ergebnisse mit der Altersstruktur deutscher Sozialun- ternehmen insgesamt ins Verhältnis zu set- zen, ziehen wir die Resultate der SEFORÏS Forschungsgruppe vergleichend heran

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Fragestellung: In welchem Jahr wurde das Sozialunternehmen/die Organisation gegründet?, n=56; bundesweite Vergleichs- werte aus (SEFORÏS 2016, S. 23), n=107. lter der MSU in Brandenburg im bundesweiten Vergleich

Abbildung 7: Alter der MSU in Brandenburg im bundesweiten Vergleich

lter der MSU in Brandenburg im bundesweiten Vergleich

50% 45% 40% 35% 37,5% 30% 32,1% 30,4% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Gründungsphase Konsolidierungsphase Skalierungsphase

Fragestellung: In welcher Phase der Unternehmensentwicklung würden Sie Ihr Sozialunternehmen gegenwärtig einordnen?, n=56

Abbildung 8: Phase der Unternehmensentwicklung

lter der MSU in Brandenburg im bundesweiten Vergleich

Zur ausgewogenen Verteilung der Alters- So verorten sich 32,1 Prozent der befragten gruppen passt es, dass sich jeweils fast ein Sozialunternehmen in der Gründungs- Drittel der MSU den drei Phasen der Unter- phase, 37,5 Prozent in der Konsolidie- nehmensentwicklung zuordnet (vgl. Abb. rungsphase und 30,4 Prozent in der Skalie- 8). rungsphase.

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Anzahl der Beschäftigten MSU mit mehr als 50 Beschäftigten von 0 (Gründungsphase) über 10 Prozent (Kon- Im Mittel beschäftigen marktorientierte solidierungsphase) auf 29 Prozent (Skalie- Sozialunternehmen in Brandenburg fünf rungsphase). Trotz des Beschäftigten- Personen als bezahlte Vollzeit- oder wachstums mit fortschreitender Unterneh- Teilzeitarbeitskräfte. Lediglich 5 Prozent mensentwicklung kommt ein großer Teil der Unternehmen haben keine bezahlten der MSU auch in der Skalierungsphase Arbeitskräfte. Diese vergleichsweise ge- nicht über den Status als Kleinstunterneh- ringe Zahl veranschaulicht den Auswahlef- men hinaus (47 Prozent). Das verweist da- fekt durch die Definition, welche bezahlte rauf, dass bei vielen marktorientierten Sozi- Arbeit als ein Kriterium für marktorientierte alunternehmen die Entwicklung nicht oder Sozialunternehmen betrachtet und nur bei nur im geringen Maß mit einem organisati- Unternehmen in der Gründungsphase Aus- onalen Wachstum einhergeht. nahmen zulässt. Ohne diese Vorauswahl läge der Anteil der Sozialunternehmen Im Vergleich mit Sozialunternehmen in der ohne bezahlte Arbeitskräfte bei 15 Prozent. Bundesrepublik insgesamt sind die MSU in Des Weiteren verfügen 14 Prozent der Un- Brandenburg nach Beschäftigtenzahl un- ternehmen über nur eine entlohnte Arbeits- terdurchschnittlich groß (vgl. Abb. 9). Wäh- kraft und 9 Prozent über 2 Arbeitskräfte. rend bundesweit 40,5 Prozent der Sozial- Nimmt man die Größenklassen von Unter- unternehmen weniger als 6 bezahlte Ar- nehmen nach EU-Definition zum Maßstab, beitskräfte haben, sind es in Brandenburg so zeigt sich, dass 71,4 Prozent der Bran- 53,6 Prozent. Beim Anteil mittlerer und grö- denburger MSU zu den Kleinstunterneh- ßerer MSU liegt Brandenburg demgegen- men mit weniger als 10 Beschäftigten zäh- über hinter dem bundesdeutschen Ver- len, 16,1 Prozent zu den Kleinunternehmen gleichswert zurück. Im Bundesdurchschnitt mit 10 bis 49 Beschäftigten, 8,9 Prozent zu haben 12,1 Prozent der Sozialunterneh- den mittleren Unternehmen (50 bis 249 Be- men mehr als 100 bezahlte Arbeitskräfte, schäftigte) und 3,6 Prozent zu den Großun- bei den Brandenburger MSU sind es nur ternehmen mit mehr als 250 bezahlten Ar- 5,4 Prozent. beitskräften. In die letztgenannte Kategorie fallen marktorientiert arbeitende Inklusions- betriebe, welche jeweils eine größere Zahl behinderte aber auch nicht behinderte Menschen sozialversicherungspflichtig be- schäftigen, wobei Teile der Personalkosten für die beeinträchtigten Personen und ihre Betreuung durch Zuschüsse gedeckt wer- den.

Wie zu vermuten ist, sinkt der Anteil der Kleinstunternehmen mit fortschreitender Phase der Unternehmensentwicklung. Liegt ihr Anteil in der Gründungsphase noch bei 94 Prozent, so sinkt er in der Kon- solidierungsphase auf 74 und in der Skalie- rungsphase auf 47 Prozent. Gleichzeitig steigt der Anteil der mittleren und großen

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Fragestellung: Wie viele Personen sind für Ihre Organisation regelmäßig tätig? in Vollzeit | in Teilzeit, n=56, zusammenge- fasste Antworten. Bundesweite Vergleichswerte aus (EC 2018, S. 62).

Abbildung 9: Anzahl der Beschäftigten im Vergleich

Eine wichtige ergänzende Ressource von Rechtsform und Gemeinnützigkeit Sozialunternehmen ist ehrenamtliche Ar- beit. Im Unterschied zu kommerziellen Un- Marktorientierte Sozialunternehmen stehen ternehmen greifen 71% der Sozialunter- vor der Herausforderung, eine organisatori- nehmen auch in späteren Entwicklungs- sche Form zu finden, welche gleicherma- phasen ergänzend zu bezahlter Arbeit auf ßen dem sozialen Anliegen und der wirt- ehrenamtliche Arbeit zurück. Das zeigt sich schaftlichen Geschäftstätigkeit Rechnung auch bei den marktorientierten Sozialunter- trägt. Aus der Literatur ist bekannt, dass nehmen in Brandenburg. Hier geben 46 Sozialunternehmen hierzu nicht selten zwei Prozent der Unternehmen an, bis zu 9 eh- und mehr Organisationseinheiten mit unter- renamtliche Beschäftigte zu haben, weitere schiedlicher Rechtsform gründen, zum Bei- 25 Prozent nehmen sogar die unentgeltli- spiel einen Verein für die gemeinnützigen che Mitarbeit von 10 und mehr Personen in Anliegen und eine GmbH für die wirtschaft- Anspruch. Nur 29 Prozent der Brandenbur- lichen Aufgaben. In Brandenburg finden wir ger MSU verzichten auf ehrenamtliche Mit- eine solche Differenzierung eher selten. 73 arbeit. Im Vergleich dazu liegt der Anteil der Prozent der MSU besitzen nur eine Organi- Sozialunternehmen ohne regelmäßige eh- sationseinheit mit einem Rechtsstatus. 20 renamtliche Unterstützung bundesweit mit Prozent haben zwei unterschiedliche Orga- 39 Prozent erkennbar höher (SEND 2019, nisationseinheiten und 7 Prozent drei und S. 57). Das lässt die Schlussfolgerung zu, mehr Organisationsteile mit eigenem dass marktorientierte Sozialunternehmen Rechtsstatus. Bei den Organisationen mit in Brandenburg überdurchschnittlich stark mehreren Rechtsformen gibt es kein bevor- auf ehrenamtliche Unterstützung setzen. zugtes Muster. So werden Vereine mit GmbHs und UGs kombiniert, UGs mit Ge- nossenschaften, Genossenschaften mit Vereinen, GmbHs mit Vereinen, GbRs mit Vereinen und KGs, AGs mit GmbHs, KGs mit Stiftungen u.a.m.

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Welche Rechtsformen besitzen nun die Sozialunternehmen entspricht etwa dem marktorientierten Sozialunternehmen in Bundesdurchschnitt (bundesweit 15% und Brandenburg? In Abbildung 10 ist die Ver- 17%). Demgegenüber kommen unter Bran- teilung der Rechtsformen dargestellt, wobei denburger Sozialunternehmen etwas häufi- bei mehreren Organisationseinheiten die ger Unternehmensgesellschaften (bundes- Rechtsform mit der nach Auskunft der Be- weit 5,5%), Gesellschaften bürgerlichen fragten größten Wichtigkeit gezählt wurde. Rechts (bundesweit 5,5%) und Genossen- Weiterhin unterscheiden wir für jede schaften vor (bundesweit 1%). Als Aktien- Rechtsform nach Vorhandensein/nicht- gesellschaft organisierte Sozialunterneh- Vorhandensein des Gemeinnützigkeitssta- men haben auch bundesweit Seltenheits- tus. status. Einzelunternehmen, Kapitalgesell- schaften und OHGs sind in der SEFORïS- In rechtlicher Hinsicht sind die Brandenbur- Studie nicht gesondert ausgewiesen (SE- ger Sozialunternehmen sehr heterogen. Zu FORïS 2016, S. 15). den am häufigsten gewählten Rechtsfor- men gehören die Gesellschaft mit be- schränkter Haftung (26,8%), die eingetra- genen Vereine (23,2%) und die Einzelun- ternehmen (12,5%). Unter den GmbHs besitzt eine Hälfte den Gemeinnützigkeits- status (gGmbH), die andere Hälfte nicht. Unter den als Verein organisierten Sozial- unternehmen sind alle gemeinnützig, unter den GbRs, OHGs, AGs und KGs keines, was nicht zuletzt daran liegt, dass diese Rechtsformen teils nicht mit dem Status der Gemeinnützigkeit kompatibel sind. Auch Einzelunternehmen bleibt der Gemeinnüt- zigkeitsstatus verwehrt. Dass sich ein be- fragtes MSU dennoch als gemeinnütziges Einzelunternehmen bezeichnet (vgl. Abb. 10), führen wir auf einen Eingabefehler zu- rück. Klammern wir diesen einen Fall aus, dann haben 51 Prozent der Brandenburger MSU den Status der Gemeinnützigkeit, 49 Prozent nicht. Das bestätigt die bekannte Tatsache, dass wirtschaftlich tätige Sozial- unternehmen oft auf die Gemeinnützigkeit verzichten, um wirtschaftlich größere Hand- lungsspielräume zu haben.

Im bundesweiten Vergleich der Rechtsfor- men, wie ihn unter anderem die SEFORïS- Studie berichtet (SEFORïS 2016, S. 15), ist der Anteil der als Verein organisierten So- zialunternehmen in Brandenburg unter- durchschnittlich (bundesweit 45%). Der An- teil der als GmbH oder gGmbH verfassten

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Reform des Gemeinnützigkeitsrechts

Für viele soziale Initiativen und gemeinwohlorientierte Sozialunternehmen ist es elementar, als gemeinnützig anerkannt zu werden: Der Status der Gemeinnützigkeit bedeutet ein leichteres Ein- werben von Spenden durch deren steuerliche Anerkennung, die Möglichkeit zum Erhalt von Zu- schüssen und Fördergeldern und eine auf das soziale Anliegen der Organisation verweisende Au- ßenwirkung. Gleichzeitig müssen gemeinnützige Organisationen strenge Auflagen und Pflichten erfüllen. Sie tragen ein laufendes Steuerrisiko, da die Gemeinnützigkeit entsprechend ihrer Aktivi- täten und Dokumentationspflichten von den Finanzämtern immer nur nachträglich abschließend beschieden wird. Einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und der Bildung von Rücklagen sind enge Grenzen gesetzt. Im Feld der Sozialunternehmen sind deshalb häufig Mischfinanzierungen und kreative Kombinationen verschiedener Rechtsformen anzutreffen. Aus der Praxis- und Erfah- rungsperspektive sind dies aber wenig nachhaltige Notlösungen, die sich aus der heiklen Rechts- situation ergeben. Die Dringlichkeit einer Reform des Gemeinnützigkeitsrechts wird durch eine Gesetzesänderungs- initiative des Bundesrats deutlich. Trotz der im Koalitionsvertrag vereinbarten Reformierung des Gemeinnützigkeitsrechts hat die Bundesregierung die angekündigte Gesetzesinitiative (noch) nicht eingebracht. Hier muss erwähnt werden, dass klassische Wohlfahrtsorganisationen wenig Inte- resse an dieser Reform haben und deren Verbandsvertreter sich für den Erhalt des steuerlichen Status quo einsetzen. Eine Reform der zu Grunde liegenden Abgabenordnung würde voraussicht- lich marktorientierte Sozialunternehmen begünstigen: Bürokratische Entlastungen, ein teilweiser Erlass der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung, eine Erhöhung von Pauschalsätzen für Ehren- ämter sowie Vereinfachungen für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb wären zu erwarten.

Weitere Informationen: Bundesverband Deutscher Stiftungen 2020, Dieffenbach-Trommer 2020, BR.-Drs. 503/20

Fragestellungen: Welche Rechtsform hat das Sozialunternehmen bzw. die Organisation heute? Hat die Organisation den Gemeinnützigkeits- status? ja | nein, n=56

Abbildung 10: Rechtsform und Gemeinnützigkeit

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Selbstbezeichnung als Sozialunternehmen

Das Selbstverständnis als Sozialunterneh- men ist in Brandenburg eher gering ausge- prägt. Nur jedes vierte Unternehmen be- zeichnet sich in seiner Außendarstellung als „Sozialunternehmen“, weitere 30,4 Pro- zent tun dies teilweise (vgl. Abb. 11). Dem- gegenüber geben 44,6 Prozent der Organi- sationen an, diese Selbstbenennung nicht zu verwenden. In diesen Fällen baten wir die Unternehmen darum, ihre Selbstbe- zeichnungen anzugeben. Als Selbstbe- zeichnungen fungieren entweder kurze Tä- tigkeitsbeschreibungen (z.B. „Anbieter für Bildungsangebote“), die Rechtsform (z.B. „gemeinnütziger Verein“) oder andere Gat- tungsbegriffe (vgl. die Wortwolke in Abb. 11). Mit Ausnahme der weiteren Gattungs- begriffe jeweils nur einmal vor. Das bedeu- tet, dass sich für das Segment der Bran- denburger Sozialunternehmen auch keine alternative Bezeichnung aufdrängt. Am Ge- bräuchlichsten bleibt das „Sozialunterneh- men“, auch wenn mit einer Befragten kon- statiert werden kann: „In Brandenburg ist der Begriff Sozialunternehmen z.T. nicht eingeführt.“

Als Sozialunternehmen andere Selbstbezeichnung

Fragestellung: Bezeichnet sich das Unternehmen/die Organisation in der Außendarstellung als Sozialunternehmen? n=56

Abbildung 11: Selbstbezeichnung der Unternehmen

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4.2 Soziale Mission und schen Problemstellungen nennen die Be- Impact fragten Themen, die für die Entwicklung der Städte und Regionen in Brandenburg wich- Ein zentrales Kennzeichen von Sozialun- tig sind. Dazu zählen eine gerechtere Ver- ternehmen ist, dass diese Organisationen teilung von bewirtschaftetem Land (statt ein soziales und/oder ökologisches Anlie- der Konzentration in wenigen großen Agr- gen verfolgen. Sie wollen mit unternehme- arbetrieben), die Anpassung landwirt- rischen Mitteln ein gesellschaftliches Prob- schaftlicher Betriebe an den Klimawandel lem bearbeiten oder allgemein etwas für er- (insbesondere an Hitze und Wasserman- strebenswerte gesellschaftliche Ziele gel), die Sicherung von (hochwertigen) Kul- unternehmen. In diesem Abschnitt soll auf- turangeboten, die Pflege des kulturellen Er- gezeigt werden, worin die soziale Mission bes und die Überwindung von wirtschaftli- der Brandenburger Sozialunternehmen be- chen und infrastrukturellen Mängeln. steht, welche Rolle das soziale Anliegen im Auffallend ist ein verbreiteter Fokus auf Vergleich mit wirtschaftlichem Erfolg be- ländliche Räume und deren Entwicklung. sitzt, inwiefern sich das soziale Anliegen im Bei den zielgruppenspezifischen Problem- Umgang mit Gewinnen widerspiegelt und stellungen geht es oft um die Bedarfe ge- welche soziale Wirkung die Brandenburger sellschaftlich benachteiligter Gruppen, wie MSU erzielen. Hierzu präsentieren wir „Menschen mit körperlichen, geistigen und abermals Ergebnisse der standardisierten psychischen Beeinträchtigungen“, Kinder Befragung und setzen diese teils zu bun- und Jugendliche, ältere Menschen und desweiten Ergebnissen ins Verhältnis. Zu- Menschen mit multiplen Vermittlungs- vor zeigen wir aber, welche sozialen und hemmnissen am Arbeitsmarkt. Adressiert gesellschaftlichen Zielsetzungen die Unter- werden zudem Rückkehrende und Stadt- nehmen verfolgen. Diese Übersicht geht flüchtige. zurück auf offene Antworten in der standar- disierten Befragung, die wir inhaltsanaly- Während die adressierten Problemlagen e- tisch ausgewertet haben. her implizit genannt werden, nehmen die Lösungsansätze in den offenen Antworten Soziale und gesellschaftliche Zielset- viel Raum ein. Oft verfolgen die Sozialun- zungen ternehmen mehrere Ansätze und kombinie- In den offenen Antworten lassen sich zwei ren diese teils auf neuartige Weise mitei- Aspekte unterscheiden, die Problemstel- nander. Ungeachtet dieser Vielfalt und He- lung, auf welche die MSU reagieren und terogenität ist es möglich, die Ansätze vier der Lösungsansatz, mit welchen die Unter- Themenfeldern zuzuordnen: nehmen das Problem bearbeiten. Betrach- • etwa zwei Drittel der Sozialunternehmen ten wir zunächst die Problemstellungen. engagieren sich im Bereich der sozialen Etwa die Hälfte der Sozialunternehmen Unterstützung, Bildungsarbeit und Inklu- nennt allgemeine Problemstellungen, ein sion Viertel regionaltypische Probleme und ein • knapp jedes zweite Unternehmen ver- weiteres Viertel zielgruppenspezifische folgt einen Ansatz im Bereich Umwelt- Problemstellungen. Das Gros adressiert schutz, gesunde Ernährung und Nach- demnach Problemfelder von allgemeiner haltigkeit gesellschaftlicher Relevanz, etwa Umwelt- schutz, gesunde Ernährung und gesell- • ein Drittel engagiert sich im Bereich der schaftliche Teilhabe. Bei den regionaltypi- Regionalentwicklung

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• ein Viertel ist im Bereich Kunst, Kultur Bereich Umweltschutz, gesunde Ernäh- und Wissenschaft aktiv rung und Nachhaltigkeit. Das Spektrum der Anliegen ist ausgesprochen vielfältig Da oft mehrere Ansätze kombiniert werden, und umfasst Themen wie ökologische und ergibt sich in der Summe mehr als 100 Pro- solidarische Landwirtschaft, gesunde Er- zent. Auch hier lohnt ein genauerer Blick nährung, nachhaltiger Konsum, Erhaltung auf die konkreten Aktivitäten. der Biodiversität, Tierschutz, Wertschät- zung der Natur, Klimaschutz, nachhaltige Der hohe Anteil der Sozialunternehmen, Landnutzung und erneuerbare Energien. die sich in der einen oder anderen Form in der Bildung, Inklusion und Unterstüt- Etwa jedes dritte Sozialunternehmen in zung sozialer Gruppen engagiert, ver- Brandenburg zielt mit dem eigenen Ansatz deutlicht, dass Bildungs- und Unterstüt- auf die Entwicklung der Region. Ziele zungsangebote zum Kernrepertoire sozial- sind eine nachhaltige Regionalentwicklung unternehmerischer Aktivitäten gehören. durch Bildungsangebote, Gemeinwesens- Gegenstände der Bildungsarbeit sind neue arbeit, die Bewahrung des Kulturerbes, Medien und Digitalisierung, der Umwelt- Weiterbildungsangebote für die Mitarbeiter schutz, kulturelle Teilhabe, die „positive regionaler Unternehmen, die Vernetzung Gestaltung der modernen Migrationsgesell- wichtiger Akteure im Bereich Tourismus, schaft“ und allgemein ein „solidarisches die Begleitung des Wandels in der Lausitz, Miteinander“. Inklusionsangebote richten die Förderung des Austauschs von Stadt sich an benachteiligte Gruppen, darunter und Land, die Stärkung der „zum Teil verlo- auch ältere Menschen. Ein Sozialunterneh- rengegangen Identität“ der Region sowie men beschreibt den Ansatz zur Inklusion äl- die Erhöhung der „Lebensqualität in ländli- terer Menschen sehr anschaulich: chen und strukturschwachen Regionen“ durch digitale Innovationen. Ansätze zur Wir bieten den Senioren und Seniorinnen in Schaffung moderner Lebens- und Arbeits- unserer Kuchenmanufaktur die Möglich- formen spielen auch im Zusammenhang keit, einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzu- mit der Regionalentwicklung eine Rolle, wie gehen, ihre Freude am Backen mit anderen ein Befragter unterstreicht: zu teilen und sich etwas zu ihrer Rente da- zuzuverdienen. Damit möchten wir einen [Unser Soziallunternehmen] will Menschen Beitrag gegen Altersdepression, Einsam- im Raum Herzberg die Möglichkeit bieten, keit im Alter sowie Altersarmut leisten. mittels eines Co-Working Spaces moderne Arbeitsformen zu praktizieren. Gut ausge- Daneben gehören in den hier beschriebe- bildete Rückkehrer sollen ihren Job mit in nen Bereich auch Unterstützungsangebote die Heimat zurückbringen können. Tele- in Form von Ermöglichungsräumen, ideelle worker sollen nicht daheim, sondern in Ge- Unterstützung und Hilfe zur Selbsthilfe. meinschaft in einem modernen Büro arbei- Auffallend sind die vielen Sozialunterneh- ten können. Pendler sollen mehrere Tage men, welche durch das Schaffen von offe- auf Telearbeit umsteigen können. Neu- nen Räumen abseits der Großstädte neue gründer sollen mit überschaubaren Kosten Formen des Austauschs, Wohnens und Ar- und guter Infrastruktur und Vernetzung beitens ermöglichen wollen. starten können. […] Mit diesem Konzept unterscheiden [wir uns] deutlich von den Eine große Rolle spielen bei Brandenbur- Speckgürtel-Co-Working-Spaces, wo ger Sozialunternehmen auch Ansätze im

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hippe Großstädter in einem Landhaus oder Netzwerk Zukunftsorte einem Vierseitenhof Co-Working-Ferien machen. Zu den Initiativen, die von besonderer Bedeutung für die Brandenburger Re- Hier wie auch bei den meisten anderen An- gionalentwicklung sind, zählt das sätzen der Regionalentwicklung geht es Netzwerk Zukunftsorte. In dem Netz- werk versammeln sich Akteurinnen um die Stärkung des ländlichen Raums. und Akteure, die den Wandel ländli- Nachteile durch fehlende Arbeitsplätze für cher Räume und die Vernetzung von Hochschulabsolventen, Vernetzungsmög- Stadt und Land aktiv mitgestalten lichkeiten für Kreativarbeiter und lange möchten. Zukunftsorte sollen bei der Bewältigung der großen Herausforde- Pendeldistanzen sollen durch neue Ar- rungen in Brandenburg helfen, allem beitsformen und Orte des Treffens ausge- voran der Landflucht, dem demogra- glichen werden. phischen Wandel und dem Fachkräf- temangel. Hierfür will das Netzwerk Ein vierter Schwerpunkt sozialunternehme- den Leerstand reaktivieren und den rischer Aktivitäten liegt im Themenfeld „Raumwohlstand“ in Brandenburg nutzbar machen. Es setzt dabei auf Kunst, Kultur und Wissenschaft, wobei Digitalisierung, ortsunabhängiges Ar- auch hier der Schwerpunkt auf dem ländli- beiten und eine stärkere Vernetzung chen Raum liegt. Verstanden wird die För- von Stadt und Land, um mehr Men- derung von Kunst und Kultur als ein Mittel schen davon zu überzeugen, dass sich im ländlichen Brandenburg zur Erreichung weiterer gesellschaftlicher „…das Beste aus beiden Welten mitei- Anliegen wie der Stärkung des „interkultu- nander verbinden“ lässt (Paaß/Diet- rellen Dialogs“, der Nutzung des künstleri- rich/Hentschel 2019). schen Denkens für „positive gesellschaftli- che Veränderungen“ und die Verbesserung Das Netzwerk Zukunftsorte agiert seit 2020 als gemeinnütziger Verein. Es gesellschaftlicher Integration. Ein Schlüssel steht für marktorientiertes Sozialunter- hierfür sei kulturelle Teilhabe, wie eine So- nehmertum in doppelter Hinsicht: Das zialunternehmerin erläutert: Geschäftsmodell sieht vor, Beratungs- dienstleistungen für den Aufbau von Konkret steht bei uns kulturelle Teilhabe Impulsorten anzubieten. Ihre Expertise haben die Mitglieder durch die Grün- besonders im Fokus, die wir insbesondere dung ihrer jeweils eigenen Sozialun- durch kulturelle Angebote im ländlichen ternehmen gewonnen, welche neuar- Raum verbessern wollen, wie auch durch tige Orte des Treffens, Arbeitens und eine leichte Zugänglichkeit für Menschen Lebens etabliert haben. Beteiligt am mit wenig kultureller Vorbildung oder gerin- Netzwerk Zukunftsorte sind bislang der Bauernhof Grüna, Coconat, Hof gen finanziellen Mitteln. [Unser Angebot] Prädikow, Kaiserliche Postagentur versteht sich als Ort der Begegnung, an Raddusch, Libken, Neuendorf im dem Menschen aus verschiedenen gesell- Sande, Projektraum Drahnsdorf, Stol- schaftlichen Gruppen miteinander in Aus- zenhagen und Stolpe und das Ufer- tausch treten und ins Gespräch kommen werk.

können. So soll Empathie und gegenseiti- Mehr unter: https://zukunftsorte.land/ ges Verständnis gefördert und der gesell- schaftliche Zusammenhalt gestärkt wer-

den. ditionellem Handwerk) und wissenschaftli- Im Weiteren zählen auch Angebote zur För- cher Erkenntnisgewinn zu diesem Tätig- derung des kulturellen Erbes (z.B. von tra- keitsbereich.

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Adressierung der UN-Ziele nachhaltiger Sozialunternehmen wie auf Bundesebene Entwicklung das „Schützen von Landökosystemen“ (41,8% zu 15,6% Zustimmungswert), sau- Ergänzend zur Auswertung der offenen bere und bezahlbare Energie (23,6% zu Antworten lassen sich die sozialen und ge- 9,9%) und „Maßnahmen zum Klimaschutz“ sellschaftlichen Anliegen der MSU in Bran- (65,5% zu 30,7%) als Wirkungsfeld ihres denburg auch entlang von 17 Zielen nach- Unternehmens. Aber auch „nachhaltiger haltiger Entwicklung darstellen, welche die Konsum und Produktion“ und die „nachhal- UN im Jahr 2016 verabschiedet hat. Dies tige Entwicklung von Städten und Gemein- ermöglicht eine Übersicht der Wirkungsfel- den“ spielen für die Brandenburger Sozial- der anhand weltweit anerkannte Nachhal- unternehmen eine erkennbar größere tigkeitsziele und den Vergleich mit den ge- Rolle. Wir vermuten, dass diese markanten sellschaftlichen Anliegen der Sozialunter- Unterschiede hauptsächlich auf eine stär- nehmen auf Bundesebene, wie sie unter kere Orientierung der Brandenburger anderem der SEND Monitor (2019) doku- MSU auf den ländlichen Raum und des- mentiert (vgl. Abb. 12). sen natürliche Ressourcen zurückzufüh- ren sind. Die direkte Nachbarschaft zur Alle Brandenburger MSU finden sich in ih- Metropole Berlin und der dort sichtbaren ren gesellschaftlichen Anliegen durch min- Probleme einer hochurbanisierten Welt destens eines der UN Entwicklungsziele re- könnte diese spezifische Orientierung der präsentiert, was für den großen Stellenwert Brandenburger Sozialunternehmen auf die von nachhaltiger Entwicklung für die Sozi- Erhaltung natürlicher Ressourcen und die alunternehmen spricht. Die übergroße nachhaltige Entwicklung von Städten und Mehrheit der Brandenburger MSU (96,4%) Gemeinden erklären. adressiert mit dem eigenen Unternehmen nicht nur ein Entwicklungsziel, sondern gibt Für eine Prägung der Wirkungsfelder durch zwei und mehr Ziele als handlungsleitend die Spezifik des regionalen Umfelds spricht für das eigene Unternehmen an. Die vier auch, dass der Kontrast in den ökologi- am häufigsten gewählten Ziele sind „nach- schen Nachhaltigkeitszielen zwischen den haltiger Konsum und Produktion“ (70,9% Brandenburger MSU und den Sozialunter- der Brandenburger MSU verfolgen dieses nehmen in Berlin, für die im SEND Monitor Ziel), Maßnahmen zum Klimaschutz (2019, S. 73) eine gesonderte Auswertung (65,5%), „hochwertige Bildung“ (60,7%) vorliegt, noch einmal größer ist. Die Rele- und „nachhaltige Entwicklung von Städten vanz von „Maßnahmen zum Klimaschutz“ und Gemeinden“ (57,1%). Diese Anliegen (Zustimmungswert unter Berliner Sozialun- spiegeln die große Relevanz der Themen ternehmen 26,2%), „nachhaltigem Konsum Bildung, Umweltschutz und Regionalent- und Produktion“ (39,3%) und „nachhaltiger wicklung wider, welche zuvor schon in der Entwicklung von Städten und Gemeinden“ qualitativen Auswertung deutlich geworden (36,1%) liegt in Berlin jeweils noch unter der ist. bundesweiten Bedeutung dieser Entwick- lungsziele. Beachtenswert ist in diesem Zu- Interessant ist der Vergleich mit den Wir- sammenhang auch, dass eher global orien- kungsfeldern der Sozialunternehmen auf tierte Wirkungsfelder wie „globale Partner- Bundesebene. Auffallend ist, dass die schaft für nachhaltige Entwicklung“ (14,5% Brandenburger MSU wesentlich häufiger zu 33,0% Zustimmung) und „Frieden, Ge- als ihre Pendants auf Bundesebene ökolo- rechtigkeit und starke Institutionen“ (21,8% gische Wirkungsfelder benennen. In Bran- zu 25,0%) bei Brandenburger Sozialunter- denburg sehen mehr als doppelt so viele

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nehmen weniger hoch auf der Agenda ste- hen als im Bundesvergleich und erst Recht im Vergleich mit den Berliner Sozialunter- nehmen (39,3% und 31,1% Zustimmungs- werte). Relevanter und wohl auch unter- stützungsfähiger sind für die meisten MSU in Brandenburg die Problemlagen vor ihrer Haustür.

Fragestellungen: Auf welche der folgenden Ziele nachhaltiger Entwicklung (UN Sustainable Development Goals) versucht Ihr Sozialunternehmen positiv einzuwirken? (mehrere Antworten möglich); n=55; Vergleichswerte aus (SEND 2019, S. 42)

Abbildung 12: Wirkungsfelder nach UN-Entwicklungszielen

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Soziale Wirkung In Abbildung 13 wird deutlich, dass keines der befragten Soziallunternehmen der sozi- Im Unterschied zu kommerziellen Unter- alen Wirkung eine geringe Bedeutung bei- nehmen drückt sich der Erfolg von Sozial- misst. Im Gegenteil, 66,1 Prozent betrach- unternehmen in ihrer gesellschaftlichen ten das Erzielen einer sozialen Wirkung für Wirkung aus und nicht vordergründig in ih- ihr Sozialunternehmen als „sehr bedeut- rem kommerziellen Erfolg. Auch zur Mobili- sam“, weitere 30,4 Prozent als „bedeut- sierung von Unterstützung und als Mittel sam“ und „eher bedeutsam“ und nur 3,6 der Legitimierung wird der Nachweis des Prozent sehen die Bedeutung der sozialen erzielten gesellschaftlichen Mehrwerts Wirkung für ihr Unternehmen ambivalent. bzw. des social impact immer wichtiger. In Demgegenüber besteht hinsichtlich der Be- der standardisierten Befragung haben wir deutung einer finanziellen Rendite viel grö- zunächst die Bedeutung der sozialen Wir- ßere Uneinigkeit. Nur eines der 56 MSU kung gemessen und diese dem Erzielen ei- hält diese für „sehr bedeutsam“ (1,8 Pro- ner finanziellen Rendite gegenübergestellt. zent), weitere 41,1 Prozent attestieren der Auf diese Weise erhoffen wir uns Aussagen finanziellen Rendite „bedeutsam“ oder „e- darüber, wie sich das Spannungsverhältnis her bedeutsam“ zu sein. Dem stehen 26,9 zwischen den beiden Motiven soziale Wir- Prozent der Sozialunternehmen gegen- kung und finanzieller Erfolg bei den markt- über, welche der finanziellen Rendite ge- orientierten Sozialunternehmen in Bran- ringe bis gar keine Bedeutung beimessen. denburg ins Verhältnis setzt und wo die Brandenburger MSU in dieser Hinsicht im Darüber hinaus zeigt sich, dass für 84,1 bundesweiten Vergleich stehen. Prozent der MSU die soziale Wirkung wichtiger ist als finanzielle Rendite, für 12,5 Prozent beides von gleich großer Bedeutung ist und nur von 3,6 Prozent der MSU der fi- nanzielle Erfolg höher gewich- tet wird. In dieser Hinsicht zei- gen sich keine großen Unter- schiede zu den Sozialunter- nehmen auf Bundesebene, wo 83,5 Prozent der sozialen Wir- kung größere Bedeutung bei- maßen als der finanziellen Ren- dite (SEND 2019, S. 39). Aller- dings liegt auf Bundesebene der Anteil der Sozialunterneh- men, die beides – soziale Wir- kung und finanzielle Rendite – für wichtig halten, höher als in Brandenburg. Fragestellungen: Wie bedeutsam sind die folgenden Aspekte für Ihr Sozialunterneh- men? Soziale Wirkung | finanzielle Rendite; n=56

Abbildung 13: Bedeutung sozialer Wirkung und finanzieller Rendite im Vergleich

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Während sich bundesweit 65,1 Prozent der zu geänderten Verhaltensweisen (Out- Sozialunternehmen in das rechte obere come). Das gilt insbesondere für bestimmte Viertel des Diagramms einordnen, sind es gesellschaftliche Herausforderungen und in Brandenburg nur 42,9 Prozent (vgl. Abb. adressierte Zielgruppen, bei welchen je- 13). Hintergrund ist, dass die Brandenbur- weils für die Mehrheit der Sozialunterneh- ger MSU insgesamt dem Erzielen einer fi- men ein sozialer Outcome und nicht nur ein nanziellen Rendite weniger Bedeutung bei- Output erzielt wird. Hier zeigt sich die inno- messen als ihre Pendants auf Bundes- vationsstimulierende und transformative ebene. Wirkung sozialunternehmerischen Han- delns, denn sozialer Wandel bedarf verän- Neben dem Maß der Wirkungsorientierung derter Denk- und Verhaltensweisen. Die ist auch von Interesse, wie die Sozialunter- größte Wirkung erzielen Sozialunterneh- nehmen ihre tatsächlich erzielte soziale men nach eigenen Angaben bei der An- und gesellschaftliche Wirkung einschätzen. sprache bestimmter Zielgruppen. Die In Anlehnung an die Phineo Wirkungs- größte Zustimmung erfährt die Aussage, treppe (Phineo 2018) entwickelten wir hier- dass die sozialunternehmerischen Ange- für ein Messinstrument, das den Social Im- bote etwas im Verhalten der adressierten pact auf einer 5er Skala von „Angebote Menschen bewirkten, an zweiter Stelle ran- nicht wahrgenommen“, „Angebote wahrge- gieren veränderte Denkweisen bei den nommen“ und „Angebote genutzt“ bis hin adressierten Gruppen. Ebenfalls große zu „Angebote haben Denkweise verändert“ Wirkung attestieren sich die Sozialunter- und „Angebote haben Verhalten verändert“ nehmen mit Blick auf bearbeitete gesell- misst. Die ersten drei Optionen werden als schaftliche Herausforderung wie etwa den Output bezeichnet, die beiden letzten als Klimaschutz oder eine gesunde Ernährung. Outcome. Der Output steht dabei für quan- Durch die eigenen Aktivitäten gelinge es titativ messbare Sachverhalte wie die An- ein Umdenken zu bewirken (häufigste Nen- zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nung) oder zumindest die Menschen mit bei Seminaren, der Outcome für eine Wir- den eigenen Angeboten zu erreichen kung, die sich eher qualitativ in veränderten (zweithäufigste Nennung). Denk- und Verhaltensweisen ausdrückt. Diese Messung nahmen wir für drei unter- schiedliche Wirkungsfelder vor: bestimmte Zielgruppen (Jugendliche, ältere Men- schen, Langzeitarbeitslose etc.), Men- schen in einem bestimmten Gebiet (oder mehreren Gebieten und Regionen) und be- zogen auf allgemeine gesellschaftliche Herausforderungen. Neben dem Umfang der erzielten Wirkung lässt sich so auch zwischen verschiedenen Wirkungsberei- chen differenzieren (vgl. Abb. 14).

Insgesamt schätzen die Sozialunterneh- men die soziale Wirkung ihrer Aktivitäten relativ hoch ein. Angebote werden oft nicht nur wahrgenommen und genutzt (Output), sondern führen aus Sicht der Sozialunter- nehmer oft auch zu einem Umdenken und

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Fragestellungen: Wie schätzen Sie die soziale Wirkung der von Ihrem Sozialunternehmen realisierten Angebote in den ver- gangenen 3 Jahren ein, in Hinblick auf…; (eine) bestimmte Zielgruppe/n | die Menschen in bestimmtem geografischen Ge- biet/en | bestimmte gesellschaftliche Herausforderungen; n=54, n= 47, n=48

Abbildung 14: Einschätzung der sozialen Wirkung

Etwas weniger optimistisch fällt die Ein- schätzung der eigenen Möglichkeiten in Hinblick auf ein geografisches Gebiet als Ganzes aus, etwa wenn es darum geht, durch Bildungsangebote einen positiven Beitrag zur Regionalentwicklung zu leisten. Hier entfallen die meisten Stimmen auf die Aussage, die Menschen würden die Ange- bote nutzen, die zweitmeisten auf verän- derte Denkweisen infolge der sozialunter- nehmerischen Angebote. Bezogen auf eine konkrete gesellschaftliche Herausforde- rung oder eine bestimmte Zielgruppe kön- nen Sozialunternehmen viel bewirken, so lässt sich schlussfolgern, bezogen auf ein Gebiet als Ganzes erscheinen die Möglich- keiten im Vergleich begrenzter zu sein.

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4.3 Unternehmerische Dimen- Brandenburger Sozialunternehmen ad- sion und Finanzierung ressieren vor allem private Konsumen- ten Sozialunternehmen sind selbständige Or- ganisationen, die ihre Leistungen regelmä- Für das Generieren von Einnahmen haben ßig und professionell erbringen und die da- private Konsumenten für die Brandenbur- für anfallenden Kosten durch Verkäufe von ger Sozialunternehmen größere Bedeu- Produkten und Dienstleistungen selbst de- tung als andere Unternehmen und staatli- cken wollen. Die Frage lautet, wie und in che Stellen. Dieser Befund ist interessant, welchem Umfang es Sozialunternehmen da bei Sozialunternehmen oft angenom- gelingt, Einnahmen auf freien Märkten men wird, diese würden in ganz erhebli- (Verkäufe an private Konsumenten, Unter- chem Maß von öffentlichen Mitteln abhän- nehmen und weitere Organisationen) oder gen. Wenn stattdessen der Fokus auf pri- Quasi-Märkten (staatlich organisierte vate Konsumenten liegt, ist das ein Indiz für Märkte für definierte Sozialleistungen ge- die Bedeutung freier Märkte bei der Erwirt- gen Entgelt) zu erzielen. Für marktorien- schaftung von Einnahmen. tierte Sozialunternehmen geht es dabei vor allem um Einnahmen auf freien Märkten. In Abbildung 15 zeigt sich die Bedeutung Die Fähigkeit zum Erschließen nichtstaatli- privater Konsumenten darin, dass in jeder cher Finanzierungsquellen für gemeinnüt- der vier wichtigsten Kundenkombinationen zige Leistungen zeichnet Sozialunterneh- private Konsumenten – B2C steht für Busi- men vor anderen Unternehmen aus und ness to Consumer – beteiligt sind. Nur in macht sie zu einer sozialen Innovation für rund 16 Prozent der Geschäftsmodelle sich (Dees (2001 [1998]). Umstritten ist in spielen private Konsumenten als Einnah- der Forschung, zu welchem Anteil es Sozi- mequelle eine untergeordnete Rolle. Dem- alunternehmen gelingen kann, die entste- gegenüber bilden in 33 Prozent der An- henden Kosten durch Einnahmen am Markt sätze andere Unternehmen und Organisa- zu decken. Um dies zu ergründen, wurden tionen kein wichtiges Marktumfeld (B2B – in der Befragung die Höhe der generierten Business to Business), und in immerhin 47 Jahreseinnahmen sowie die Anteile ver- Prozent der MSU ist die öffentliche Hand schiedener Einnahmequellen an den Ge- als Käufer von Produkten und Leistungen samteinnahmen der Sozialunternehmen weniger wichtig (B2S – Business to State). erhoben. Zuvor steht jedoch die Frage im Die Brandenburger Sozialunternehmen er- Mittelpunkt, welche der drei zentralen Sta- zielen ihre Umsätze offenbar hauptsächlich keholder – private Konsumenten, Unter- mit privaten Konsumenten, weniger mit an- nehmen, Staat – für die Brandenburger So- deren Unternehmen und der öffentlichen zialunternehmen die größte Bedeutung bei Hand. der Generierung von Umsätzen haben. An- ders gefragt: Wer sind die adressierten Nachfrager und Nachfragerinnen auf den Märkten der Brandenburger Sozialunter- nehmen?

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Intensivierung der Geschäftstätigkeit Präsenz, Unternehmensgröße und Verbrei- bei gebremsten Skalierungsabsichten tung von Ideen erhoben (vgl. Abb. 16).

Ein wichtiger Aspekt der strategischen Ent- Auffallend ist zunächst, dass hinsichtlich wicklung von Unternehmen betrifft die Aus- der Produktpalette, der Umsätze und der weitung (oder Reduzierung) der geschäftli- regionalen Präsenz kein marktorientiertes chen Aktivitäten. Während konventionelle Sozialunternehmen eine Schrumpfung an- Unternehmen oft eine Skalierung ihrer Ge- strebt. Stattdessen wollen mehr als zwei schäftsaktivitäten anstreben, um eine bes- Drittel der MSU in den kommenden drei

Fragestellungen: Wie wichtig sind für Ihr Sozialunternehmen die folgenden Kundengruppen, gemessen an den Umsätzen, die durch diese generiert werden? (Gemeint sind Gruppen oder Institutionen, die für die von Ihnen erbrachten Leistungen zah- len.); n=51

Abbildung 15: Wichtigkeit von Kundengruppen für Generierung von Umsätzen sere Wettbewerbsposition und mehr Ge- Jahren ihre Produktpalette und ihre Um- winne zu erzielen, geht es Sozialunterneh- sätze ausweiten. Etwas weniger ambitio- men eher um die Skalierung ihrer sozialen niert sind die Pläne zur geografischen Ex- Wirkung. Auch könnten bei Sozialunterneh- pansion; dennoch gibt auch hier mehr als men im Sinne des Degrowth-Ansatzes die Hälfte der Sozialunternehmen Pläne zur (D'Alisa/Demaria/Kallis 2015; Schmel- Ausweitung zu Protokoll aber keine Rück- zer/Vetter 2019) eher qualitative Entwick- zugspläne. Diese Befunde müssen nicht im lungen im Forderung stehen, als eine quan- Widerspruch zu einer Degrowth-Perspek- titative Ausweitung der Geschäftstätigkeit. tive stehen, denn die Ausweitung der Ge- Vor diesem Hintergrund soll herausgefun- schäftstätigkeit kann bei Sozialunterneh- den werden, welche Entwicklungsabsich- men die Erhöhung der sozialen und gesell- ten die Brandenburger MSU für die kom- schaftlichen Wirkung und die Stabilisierung menden drei Jahre verfolgen. Konkret wur- der Organisation selbst zum Ziel haben. den Pläne zur Skalierung oder auch Um die Erhöhung der sozialen Wirkung zu Reduzierung der Aktivitäten für die fünf Be- erreichen, setzen viele Sozialunternehmen reiche Produktpalette, Umsätze und Ver- weniger auf die Vergrößerung des eigenen triebsaktivitäten, regionale/geografische

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Unternehmens als vielmehr auf die Skalie- eine nicht geglückte Operationalisierung, rung der entwickelten Lösungen und Ideen bei der das Signalwort „Social Franchising“ durch die Gewinnung von Nachahmern o- einseitige Assoziationen hervorgerufen hat. der durch Social Franchising. Die Befunde für die Brandenburger Sozialunternehmen sind in dieser Frage jedoch nicht eindeutig. So plant eine Hälfte ein Wachstum der Or- ganisation, zum Beispiel durch die Erhö-

hung der Beschäftigtenzahl, die andere Hälfte eine konstante oder in einem Fall so-

gar rückläufige Entwicklung. Gleichzeitig sind die Ambitionen zur Skalierung von Ideen aber ebenfalls gebremst. Nur ein Drittel will die Ausbreitung von Lösungen steigern, 61 Prozent streben keine zuneh- menden Aktivitäten an und 6 Prozent sogar eine Reduzierung. Dieses Ergebnis lässt entweder darauf schließen, dass viele Brandenburger MSU die Wirkung des eige- nen Ansatzes zunächst eher in Eigenregie steigern wollen oder womöglich auch auf

Fragestellungen: In welchem Maß planen Sie, die Geschäftstätigkeit Ihres Sozialunternehmens in den kommenden 3 Jahren auszuweiten oder zu reduzieren? Nennen Sie Ihre Pläne zur Ausweitung oder Reduzierung für folgende Bereiche: Produkt- palette | Umsätze, Vertriebsaktivitäten | regionale/geografische Präsenz | Größe des Unternehmens (z.B. nach Anzahl der Beschäftigten) | Skalierung von Ideen, „Social Franchising“; n=56 | 56 | 55 | 56 | 51

Abbildung 16: Ausweitung vs. Reduzierung der Geschäftstätigkeit

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Viele Brandenburger MSU mit geringen Jedes fünfte Brandenburger MSU verzeich- Einnahmen nete im letzten Geschäftsjahr sogar weni- ger als 20.000 Euro Einnahmen. Demge- Im Mittel haben die Brandenburger Sozial- genüber sind einnahmestarke MSU ver- unternehmen im Jahr 2019 Einnahmen in gleichsweise selten. Sind bundesweit 30,8 Höhe von 50.000 bis 100.000 Euro erzielt. Prozent der Sozialunternehmen Einnahme- Im bundesweiten Vergleich sind diese millionäre, so liegt dieser Anteil in Branden- Werte unterdurchschnittlich. Während in burg mit 16 Prozent nur etwa halb so hoch. Brandenburg 40 Prozent der Sozialunter- nehmen geringe Einnahmen bis 50.000 Euro verzeichnen, fallen bundesweit nur 28,4 Prozent der Sozialunternehmen in diese Kategorie (vgl. Abb. 17).

Fragestellungen: Wie hoch waren die Einnahmen, die Ihr Sozialunternehmen im Jahr 2019 insgesamt erzielt hat? n=50; deutschlandweite Vergleichswerte aus der Mercator-Studie; entnommen (Spiess-Knafl et al. 2013, S. 28); Mercator n= 209

Abbildung 17: Einnahmen im Jahr 2019

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Wichtigste Einnahmequelle: Verkauf fentliche Hand (16,7%), darunter vornehm- von Produkten und Dienstleistungen lich für Leistungen im Rahmen des Sozial- gesetzbuches (z.B. Arbeitsförderung, Kin- Einen Hinweis auf die Geschäftsmodelle der- und Jugendhilfe, Inklusion). Die Ein- der Brandenburger MSU gibt die Verteilung nahmeseite zeichnet sich durch eine der Einnahmen über verschiedene Einnah- gewisse Diversifizierung aus. Im Mittel mequellen. Im Zentrum stehen dabei drei speisen sich die Einnahmen aus drei unter- Einnahmearten: 1.) Erlöse aus Verkäufen schiedlichen Quellen (z.B. Einnahmen aus von Produkten und Dienstleistungen am Verkäufen kombiniert mit Einnahmen durch freien Markt, 2.) Einnahmen durch die Er- Erbringung von SGB-Leistungen, kombi- bringung von staatlich finanzierten Leistun- niert mit Fördermitteln). In keinem der erho- gen und 3.) Einnahmen durch öffentliche benen Fälle werden die Einnahmen aus- und private Zuschüsse, Fördermittel und schließlich aus einer Quelle generiert. Spenden. Bevor die Verteilung auf diese Einnahmearten näher betrachtet werden Auch im bundesweiten Vergleich ergibt sich kann, muss vorweggeschickt werden, dass für die Brandenburger Sozialunternehmen, aufgrund einer technischen Panne mit der für die diese Angaben vorliegen, ein hoher Erhebungssoftware nur in knapp der Hälfte Anteil an Erlösen am freien Markt (vgl. Abb. der Befragungen (24 Fälle) die Einnahme- 18). Während die Mercator-Studie bundes- quellen erhoben werden konnten4. Das hat weit auf einen am Markt generierten Ein- Einfluss auf die Aussagekraft der Ergeb- nahmeanteil von 21 Prozent kommt, entfal- nisse, die entsprechend vorsichtig interpre- len bei den Brandenburger MSU 43,1 Pro- tiert werden müssen. Dessen ungeachtet zent der Einnahmen auf diese zeigen sich markante Muster, die einen Einnahmequelle. Das ist ein wichtiges Indiz Hinweis auf die Verteilung in der Grundge- dafür, dass die Fokussierung auf marktori- samt geben. entierte Sozialunternehmen auch tatsäch- lich empirisch untersetzt ist. Weiterhin spie- Das markanteste Ergebnis ist der hohe An- len für die Brandenburger MSU öffentliche teil an Sozialunternehmen, die ihre Kos- Entgelte mit einem Einnahmeanteil von ten hauptsächlich durch Verkäufe von 15,2 Prozent eine geringere Rolle als für Produkten und Dienstleistungen am ihre Pendants auf Bundesebene (20,8 Pro- freien Markt decken. Unter den 24 Sozial- zent). Diese zunächst geringere Bedeutung unternehmen, für welche diese Daten vor- von öffentlichen Mitteln gleicht sich durch liegen, generieren elf ihre Einnahmen einen höheren Anteil an öffentlichen Zu- hauptsächlich am freien Markt (45,8%). schüssen und Fördermitteln aus (22,3 zu Weitere neun MSU erwirtschaften ihre Ein- 15,4 Prozent), so dass sich die Branden- nahmen hauptsächlich über Zuschüsse, burger MSU unter dem Strich durch einen Fördermittel und Spenden (37,5%), d.h. ähnlich hohen Anteil an öffentlichen Mitteln über Einnahmen für welche die Geldgeber keine unmittelbare Gegenleistung erhalten. Schließlich erwirtschaften vier MSU den Hauptteil ihrer Einnahmen über Entgelte für die Erbringung von Leistungen für die öf-

4 Infolge eines Softwareupdates im Verlauf der Befragung funktionierte die Steuerung bei der Frage nach der Einnahmevertei- lung im Online-Fragebogen nicht mehr, so dass die Erhebung im weiteren Verlauf ohne diese Fragestellung weitergeführt wer- den musste. Bis zu dem technischen Problem hatten 35 Befragte Angaben gemacht, darunter 24 aus dem Kernbereich und er- weiterten Bereich marktorientierter Sozialunternehmen.

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Fragestellungen: Welchen Anteil hatten folgende Einnahmequellen an den Gesamteinnahmen in 2019? Umsätze durch Ver- kauf von Produkten und Dienstleistungen am Markt | Entgelte für die Erbringung von Leistungen im Rahmen des SGB (z.B. Arbeitsförderung, Kinder- und Jugendhilfe, Inklusion) | Entgelte für die Erbringung weiterer Leistungen für die öffentliche Hand | öffentliche Zuschüsse, Fördermittel oder Stipendien | private Zuschüsse, Fördermittel oder Stipendien (z.B. von Stiftungen) | Gebühren, Mitgliedsbeiträge, Nutzungsbeiträge, Vermietung, Verpachtung, Zinsen | Crowdfunding, Spenden, Sponsoring, Preisgelder | Sonstige Einnahmen; n=24; deutschlandweite Vergleichswerte aus der Mercator-Studie; entnommen (Scheuerle et al. 2015, S. 498); Mercator n= 207

Abbildung 18: Einnahmequellen im Vergleich finanzieren. Dennoch bleibt zu konstatie- dieser Anteil unter Brandenburger MSU mit ren, dass sich marktorientierte Sozialunter- 2,3 Prozent sehr viel niedriger. Selbst ein- nehmen in Brandenburg zu einem ver- gedenk der statistischen Ungenauigkeit gleichsweise geringen Teil durch die Er- lässt sich hier eine deutliche Differenz kon- bringung von SGB-finanzierten und andere statieren, die sich womöglich auf ein insge- öffentliche Leistungen tragen. Dies könnte samt weniger etabliertes zivilgesellschaftli- darauf hindeuten, dass das deutsche Wohl- ches Spendenwesen und geringere Privat- fahrtsstaatsmodell Brandenburger Prägung vermögen in Ostdeutschland (u.a. aufgrund durch seine Orientierung an klassischen fehlender Erbfolgen) zurückführen lassen. Wohlfahrtsorganisationen kaum Zugang zu Darüber hinaus lässt sich aber auch inter- diesem Quasi-Markt für neue Leistungser- pretieren, dass Sozialunternehmen in bringer aus dem Feld der MSU ermöglicht. Brandenburg die Möglichkeiten zur Ak- quise von Spenden als eine nicht unbedeu- Eine ähnlich geringe Rolle wie auf Bundes- tende Position im sozialunternehmerischen ebene spielen für die Brandenburger MSU Einnahmemix noch nicht ausgeschöpft ha- Einnahmen aus Zuwendungen von priva- ben. ten Stiftungen (7,5% zu 7,1%) und eine et- was größere Rolle Zuflüsse aus Mitglieds- Insgesamt weisen wir noch einmal darauf beiträgen und Gebühren (7,5% zu 5,0%). hin, dass die Gegenüberstellung von markt- Ein markanter Unterschied zeigt sich mit orientierten Sozialunternehmen in Bran- Blick auf den Einnahmeanteil, der aus denburg und definitorisch weiter gefassten Spenden, Sponsoring und Crowdfunding Sozialunternehmen auf Bundesebene ei- generiert wird. Während auf Bundesebene nen behelfsmäßigen Vergleich darstellt, Sozialunternehmen fast ein Fünftel ihrer weil der aktuelle Forschungsstand keine Einnahmen aus Spenden bestreiten, liegt bundesweiten Zahlen für MSU liefert und

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wir daher auf Zahlen für das gesamte Seg- von sozialen Innovationen – sollen gesell- ment der Sozialunternehmen referenzieren schaftliche Herausforderungen besser lö- müssen. Um die Werte dennoch besser ins sen können, als dies mit herkömmlichen Verhältnis zu setzen, haben wir zusätzlich Mitteln möglich war (Howaldt/Schwarz noch einmal die Einnahmeverteilung für 2010). Da marktorientierte Sozialunterneh- alle Sozialunternehmen in Brandenburg er- men – anders als klassische Wohlfahrtsor- mittelt. Diese 36 Fälle setzen sich zusam- ganisationen – auf dem freien Markt agie- men aus 24 MSU und 12 nicht marktorien- ren, spielt die Innovationstätigkeit auch in tierten Sozialunternehmen. Dabei zeigen der Konsolidierungs- und Skalierungs- sich erwartungsgemäß Abweichungen ge- phase eine wichtigere Rolle. Um im freien genüber der Einnahmeverteilung in der Wettbewerb langfristig bestehen zu kön- Gruppe der reinen MSU. Diese sind jedoch nen, ist das Erkennen und Setzen von nicht sehr markant: Einnahmen aus Ver- Trends durch stetige Innovation wichtig. In käufen am freien Markt 45,3 Prozent (ggü. diesem Abschnitt soll aufgezeigt werden, 43,1% bei den reinen MSU); öffentliche worin die Innovationstätigkeit der Branden- Entgelte für Leistungserbringung 15,2 Pro- burger Sozialunternehmen konkret besteht, zent (ggü. 15,0%); öffentliche Zuschüsse wie und mit welchen Zielen Innovationen 18,9 Prozent (ggü. 22,3%); private Zu- umgesetzt werden. Zu Beginn stehen Ant- schüsse 6,0 Prozent (ggü. 7,5%); Mitglieds- worten auf die offene Frage nach der inno- beiträge u.a. 10,7 Prozent (ggü. 7,5%); vativen Besonderheit der Unternehmen im Spenden, Sponsoring u.a. 2,5 Prozent Mittelpunkt, die wir inhaltsanalytisch ausge- (ggü. 2,3%); sonstige Einnahmen 1,7 Pro- wertet haben. Im Anschluss präsentieren zent (ggü. 2,1%). Die Brandenburger SU wir Ergebnisse der standardisierten Befra- generieren gegenüber den MSU einen et- gung, die erneut zu bundesweiten Ergeb- was höheren Einnahmeanteil aus Verkäu- nissen ins Verhältnis gesetzt werden. fen am freien Markt und aus Mitgliedsbei- trägen und etwas geringere Anteile aus öf- Die vielen Gesichter sozialunternehme- fentlichen und privaten Zuschüssen. Für rischer Innovation den Vergleich mit der Bundesebene tritt der zentrale Befund hierdurch sogar noch stär- In der Erhebung wurden die Befragten ge- ker zutage: Die Brandenburger Sozialun- beten, in offenen Antworten das Besondere ternehmen erwirtschaften einen signifikant oder Innovative an ihrem Sozialunterneh- höheren Anteil ihrer Einnahmen am freien men zu nennen. Oft finden sich in den Ant- Markt. worten verschiedene Aspekte wieder. Es lassen sich dennoch vier Themenbereiche ableiten, die genauer beschreiben, inwie- fern diese Unternehmen innovativ tätig 4.4 Innovationskraft sind. Knapp ein Drittel der Sozialunterneh- men leben Innovation durch das Schaffen Marktorientierte Sozialunternehmen verfol- neuer Allianzen und Verbindungen. Über gen Ideen, die zur Lösung gesellschaftli- die Hälfte der Unternehmen geben an, die cher Herausforderungen beitragen. Es sol- Bereiche Unternehmertum, Arbeitsorgani- len neuartige Angebote in Form von Pro- sation und Produktion anders zu denken dukten, Dienstleistungen, Verfahren oder und hierin innovativ zu agieren. Wiederum Geschäftsmodellen und Kombinationen ein knappes Drittel stellt Menschen in den dieser geschaffen werden, um eine ge- Mittelpunkt um Innovationen zu verfolgen wünschte soziale Wirkung zu erreichen. und einen besonderen gesellschaftlichen Diese neuartigen Lösungen – wir sprechen Beitrag zu leisten.

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Eine kleinere Gruppe von Befragten gibt Smart Village in Brandenburg an, durch vergangenheitsbewusstes und zukunftszugewandtes Agieren innovativ tä- Ein Beispiel für die Innovationskraft und tig zu sein (durch Mehrfachnennungen er- die gesellschaftlichen Impulse durch geben sich in der Summe mehr als 100 marktorientierte Sozialunternehmen ist Prozent). Es lohnt sich ein genauerer Blick der Smart Village e.V. Wesentlichen in die Antworten der Sozialunternehmen. Anteil an der Gründung des Vereins und der erfolgreichen Bewerbung als Als erstes wird der vergleichsweise hohe Modellregion für die Digitalisierung im Anteil an Sozialunternehmen betrachtet, ländlichen Raum hat das Sozialunter- die Unternehmertum, Arbeitsorganisa- nehmen Coconat. Zusammen mit der tion und Produktion anders denken. Ge- Stadtverwaltung Bad Belzig, der Ge- genstand dieses Andersdenkens sind alter- meinde Wiesenburg, dem Sozialunter- native Produktions- und Wirtschaftsweisen nehmen Neuland21 und Beteiligten oder auch innovative Organisationsstruktu- aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft hat ren. Weitere Unternehmen dieser Katego- Coconat den Verein aus der Taufe ge- rie zeichnen sich durch ihr Engagement in hoben und zu einer professionell arbei- zukunftsträchtigen Märkten bzw. Marktni- tenden Einrichtung gemacht. Diese schen, das Schaffen bzw. Stabilisieren vor- schreibt sich drei Aufgaben auf die handener Infrastrukturen und die Erschlie- Fahnen: Erstens die Förderung eines ßung neuer Arbeitsfelder aus. Auch das modernen Landlebens, zweitens die Angebot und die Erforschung neuartiger Entwicklung von digitalen Anwendun- Produkte gehört in diesen umfangreichen gen für die Menschen in der Modellre- Themenbereich. Folgendes Zitat eines So- gion und drittens die Steigerung der zialunternehmens beschreibt viele Aspekte Medienvielfalt auf dem Land. Hierzu dieser ersten Kategorie sehr anschaulich: unterstützt der Smart Village e.V. unter anderem das Bürgerjournalismus- Walnüsse werden schon seit Jahrhunder- projekt „Wirzulande“ und die Entwick- ten verspeist und man fragt sich, was an ei- lung einer Bad Belzig App. Es macht ner heimischen Produktion nun die Innova- Partizipationsangebote, führt Work- tion sein soll. Doch zum einen gibt es nur shops durch und bemüht sich um die einen verschwindend geringen Anteil der Beantragung weiterer Fördermittel. Ne- heimischen Walnussproduktion, zum ande- ben dem Smart Village e.V. tragen die ren auch kaum die Möglichkeit, die Wal- Sozialunternehmen Coconat und Neu- nuss von ihrer Schale zu befreien, um sie land21 dazu bei, dass rund um Bad weiterverarbeiten zu können! […] Wir wer- Belzig und Wiesenburg mittlerweile ein den diesen Verarbeitungsschritt als Dienst- kleines Cluster zur Digitalisierung im leistung für Jedermann und -frau anbieten ländlichen Raum entstanden ist. und die heimische Walnussproduktion stär- ken. Des Weiteren gibt es kaum Kenntnisse Mehr unter: https://smart-village.net/ darüber, was für neue Produkte aus der Walnuss noch entstehen können. Zusam- Das Smart Village geht u.a. zurück auf einen Wettbewerb der Medienanstalt men mit Kooperationspartnerinnen und Berlin-Brandenburg (mabb) und wird -partner möchten wir möglichst ALLES von durch diese gefördert: der Walnuss verwerten, um die größtmögli- che Nutzung und möglichst wenig Restpro- https://www.mabb.de/ smart-village. html dukte zu haben. […] Die Walnuss muss in

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ein neues Licht gerückt und die Restpro- miteinander verbinden möchten oder auch dukte bis auf Mindestmengen reduziert Themen und Wirtschaftsfelder zusammen- werden! bringen, die in Kombination zunächst neu- artig oder ungewohnt scheinen, wie das fol- Menschen in den Mittelpunkt zu stellen gende Zitat verdeutlicht: ist ein so zentraler wie umfassender Aspekt von Innovation. Immer mehr Unternehmen […] Die Verbindung die wir schaffen zwi- verstehen, dass ein Umdenken erforderlich schen Kunst und Kultur und Energie und ist und arbeiten mit Herangehensweisen, Wirtschaft. [Wir] bringen diese zwei sehr die weniger technologisch und rein ressour- fremden Themenfelder zusammen und cenorientiert, sondern eher kunden- und schaffen etwas Neues, Innovatives - eine nutzerzentriert sind. Dies erklärt u.a. die zu- Symbiose. nehmende Beliebtheit nutzerzentrierter In- novationsmethoden wie Design Thinking. Die wenigsten Befragten haben als beson- Man setzt sich explizit mit verschiedenen deres oder innovatives Merkmal ihrer Un- Zielgruppen und deren Bedürfnissen ausei- ternehmung vergangenheitsbewusstes nander und schneidet Angebote passge- und zukunftszugewandtes Agieren an- nau auf erkannte Bedarfe zu. In diesem Zu- gegeben. An dieser Stelle ist es wichtig sammenhang finden sich vor allem MSU, klarzustellen, dass alle Unternehmen zu- die in den Bereichen Bildung und Beratung kunftsorientiert agieren, sofern sie Inte- sowie Inklusion und Integration innovativ resse haben, langfristig zu existieren. Mit tätig sind. Identitätsstiftung, Selbsterfah- zukunftszugewandt ist hier allerdings die rung und Ermächtigung sind weitere The- Überlieferung oder sogar Weiterentwick- men, die diese zunehmende Nähe und lung historisch, kulturell und traditionell re- Wichtigkeit von Menschen als Nutzende levanter Inhalte und Gegenstände in die bestehender Angebote greifbar machen. Gegenwart und Zukunft gemeint. Ein Teil Oftmals zählen die Gründerinnen oder In- dieser relativ kleinen Menge an Sozialun- haber der Sozialunternehmen selbst zur ternehmen beschäftigt sich mit der Bewah- adressierten Zielgruppe. So entstehen bei- rung, Um- oder Neunutzung historischen spielsweise „Lebens- und Lernorte“ inner- Bestands auf innovative Art und Weise. So halb derer eine „Lebensgemeinschaft […] entsteht beispielsweise eine „[…] private das Unternehmen gemeinsam führt“. Die- Kultureinrichtung in den historischen Ge- ser Kategorie können insgesamt ein knap- bäuden des früheren Kaltwalzwerks [mit pes Drittel der befragten Sozialunterneh- dem Ziel] einen inspirierenden und nach- men zugeordnet werden. haltigen Raum der Begegnung [zu schaf- fen]“. Außerdem finden sich in dieser vier- Zusammenarbeit, Kooperationen und Netz- ten Kategorie Unternehmen wieder, die tra- werke sind wichtige Bestandteile einer in- ditionelle Handwerke und Techniken novativen Unternehmenslandschaft. Dem- reaktivieren und fördern. Hieraus können entsprechend gibt knapp jedes dritte be- wiederum die Überlieferung und zeitge- fragte Sozialunternehmen an, in einem mäße Weiterentwicklung handwerklich tra- bestimmten Bereich neue Allianzen zu ditioneller Produkte und Dienstleistungen schaffen. Gegenstand dieser Kategorie entstehen. sind einerseits Tätigkeiten, welche die kol- lektive Wissensproduktion, Vernetzung und Gemeinschaftsbildung fördern. Anderer- seits gibt es auch Unternehmen, die ver- schiedene Lebens- und Arbeitsbereiche

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In Brandenburg dominieren Innovatio- MSU. Auch innovative Geschäftsmodelle nen mit regionaler Reichweite haben vor allem einen regionalen (50%) und deutschlandweiten (13%) Neuigkeits- In geschlossenen, quantitativen Fragen wert, nehmen für sich jedoch nicht in An- wurden die Sozialunternehmen zusätzlich spruch, eine europäische (4,3%) und welt- gefragt, wie sie die Innovationstätigkeit ih- weite (6,5%) Innovation darzustellen. res Betriebs innerhalb der letzten drei Jahre Marktneuheiten im Bereich Pro- einschätzen. In der Formulierung der Frage dukte/Dienstleistungen sowie im Bereich wird das Augenmerk explizit auf das Her- Wirkungsmodell werden am häufigsten vorbringen von Marktneuheiten gelegt, wo- auch im überregionalen Zusammenhang bei zwischen regionalen, deutschlandwei- genannt. So geben 46,2 Prozent der be- ten, europaweiten und weltweiten Markt- fragten Unternehmen an, Produkte und neuheiten abgestuft wird. Abbildung 19 Dienstleistungen mit regionalem Neuig- zeigt die prozentuale Übersicht der Antwor- keitswert etabliert zu haben. In 25,0 Pro- ten zur Innovationstätigkeit. An den Ergeb- zent der MSU haben selbst entwickelte nissen ist zunächst auffällig, dass markt- Produkte und Dienstleistungen deutsch- neue Prozessinnovationen weniger häufig landweit, in 9,6 Prozent europaweit und 7,7 genannt werden und zudem lediglich eine Prozent sogar weltweit ein Alleinstellungs- regionale Bedeutung haben. 41,9 Prozent merkmal.

Fragestellungen: Wie schätzen Sie die Innovationstätigkeit Ihres Sozialunternehmens in den vergangenen 3 Jahren ein? In welchem Maß haben Sie Marktneuheiten hervorgebracht, in Hinblick auf...; …die angebotenen Produkte/Dienstleistungen | …die Prozesse der Produktion oder Organisation (z.B. Einsatz neuer Technologien) | …das Wirkungsmodell (Strategie zum Erreichen sozialer Wirkung) | … das Geschäftsmodell; n=52, n= 43, n=47, n=46; bundesweite Vergleichswerte entnommen dem Social Entrepreneurship Monitor 2019 (SEND 2019, S. 24)

Abbildung 19: Innovationstätigkeit im Vergleich der Unternehmen geben an, in den vergan- Die Ergebnisse für sozialunternehmerische genen drei Jahren eine regionale Markt- Wirkungsmodelle, also für die jeweiligen neuheit im Bereich Prozesse hervorge- Ansätze zur Erzielung positiver Wirkungen bracht zu haben; deutschland-, europa- bei Zielgruppen, sehen ähnlich aus. 40,4 und weltweite Marktneuheiten erzielen im Prozent geben an, innovative Wirkungsmo- Prozessbereich jeweils nur 2,3 Prozent der delle mit regionaler Reichweite etabliert zu

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haben, in 25,5 Prozent der Fälle handelt es Gleichzeitig kann der teilweise Mangel an sich um eine deutschlandweite Innovation, Angeboten, Fachkräften und Infrastruktu- in 6,4 Prozent der Fälle um eine europa- ren treibend auf Innovationen wirken, wenn weite und in 8,5 Prozent um eine weltweite aus der sprichwörtlichen Not eine Tugend Innovation (vgl. Abb. 19). gemacht wird.

Ergänzend lohnt ein Vergleich mit der Bun- 4.5 Auswirkungen der desebene, den wiederum der Social Entre- Corona-Pandemie auf preneurship Monitor ermöglicht (SEND die Geschäftstätigkeit 2019). Zu Beginn ist es wichtig anzumer- Zum Zeitpunkt der Ausschreibung für die ken, dass die Fragestellung beim SEND vorliegende Studie konnte nicht vorausge- Monitor von der vorliegenden quantitativen sehen werden, dass sich durch die plötzli- Befragung zur Innovationstätigkeit ab- che und rasche Ausbreitung von Covid-19 weicht. So bezieht SEND die Einschätzung die Rahmenbedingungen für marktorien- der Innovationstätigkeit mittels Marktneu- tierte Sozialunternehmen in Brandenburg heiten auf den Zeitpunkt der Gründung der drastisch verändern würden. Bislang fehlte Unternehmen. In der vorliegenden Unter- es jedoch an repräsentativen Daten dar- suchung stehen hingegen die vergangenen über, wie und in welchem Umfang die drei Jahre der Unternehmung im Mittel- Corona-Pandemie die Arbeit marktorien- punkt, was bedeutet, dass die Antworten tierter Sozialunternehmen beeinflusst. In auch durchaus sozialunternehmerische diesem Abschnitt beleuchten wir auf Perspektiven aus der Skalierungs- und Grundlage der im Juni und Juli 2020 durch- Konsolidierungsphase beinhalten können. geführten standardisierten Befragung die Auswirkungen der Pandemie auf die markt- In der vorliegenden Erhebung fällt zunächst orientierten Sozialunternehmen in Bran- auf, dass brandenburgische Sozialunter- denburg. nehmen in allen vier Kategorien (Pro- dukte/Dienstleistungen, Prozesse, Wir- Starke Beeinträchtigung durch die Pan- kungsmodell und Geschäftsmodell) vor al- demie lem regionale Marktneuheiten hervorbringen, im bundesweiten Vergleich Am Beginn der Befragung wurde um eine jedoch deutschlandweite und weltweite Angabe gebeten, ob das betreffende Sozi- Marktneuheiten überwiegen. Dieser Unter- alunternehmen einen regelmäßigen Ge- schied kann auf unterschiedliche Weise in- schäftsbetrieb hat oder dieser unter ande- terpretiert werden. Regionale Wirkung zu rem im Zusammenhang mit der Corona- erzielen und innovativ tätig zu sein spielt für Pandemie eingeschränkt ist. Unter den ins- die meisten Sozialunternehmen in Bran- gesamt 90 begonnenen Fragebögen bestä- denburg eine wichtige Rolle, mehr als in an- tigten 69 Prozent eine weiterhin regelmä- deren Regionen der Bundesrepublik. Durch ßige Geschäftstätigkeit. 28 Prozent ver- seine große Fläche und relativ geringe Be- merkten eine vorübergehende völkerungsstärke bietet Brandenburg nicht Einschränkung des Geschäftsbetriebs und nur Wohnraum für Zuziehende (Zimmer- 3 Prozent eine dauerhafte Einschränkung mann 2016). Der Leerstand vorhandener oder Einstellung der Geschäftstätigkeit Gebäude, teilweise historischer Höfe und (das entspricht 2 MSU). Als Gründe für die Gutshäuser sowie das Vorhandensein vie- Einschränkungen nennen mehr als drei ler landwirtschaftlicher Flächen bietet viele Viertel die Auswirkungen der Corona-Pan- Möglichkeiten, ökologisch und nachhaltig demie. Dabei handelt es sich insbesondere orientierte Ideen regional anzusiedeln.

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um MSU, die mit Risikogruppen arbeiten, Zusätzlich wurden die Befragten gebeten, Arbeits- und Übernachtungsorte betreiben, konkrete Auswirkungen von Corona zu be- Kulturangebote machen und im Bildungs- schreiben. Die genannten Folgen lassen bereich tätig sind. Ein knappes Viertel sich vier Kategorien zuordnen: nennt weitere Schwierigkeiten, die oft im Zusammenhang mit einer Unterfinanzie- A) Einschränkungen des Geschäfts- rung stehen. Die schwerwiegenden Folgen betriebs: Von allen Folgen bezieht sich der Pandemie dokumentiert auch Abbil- rund die Hälfte der Auswirkungen auf den dung 20. Auf die Frage, wie sich die Ge- Geschäftsbetrieb. Betroffene Sozialunter- schäftsbedingungen des eigenen Sozialun- nehmen müssen diesen aufgrund von Hy- ternehmens infolge der Corona-Pandemie gienevorschriften oder Auflagen temporär verändert haben, gaben 48,2 Prozent an, einschränken oder einstellen. Aufträge und diese hätten sich stark verschlechtert, wei- Veranstaltungen werden verschoben oder tere 25,0 Prozent geben eine leichte Ver- gestrichen: schlechterung zu Protokoll. Die Befragung zeigt jedoch auch, dass sich nicht für alle Überall dort, wo Menschen zusammen- Sozialunternehmen Nachteile aus der Situ- kommen, um gemeinsam Darbietungen zu ation ergeben: erleben oder sich zu relevanten Themen auszutauschen, dürfen Veranstaltungen

Fragestellungen: Wie haben sich die Geschäftsbedingungen für Ihr Sozialunternehmen infolge der Corona-Pandemie verän- dert? Die Geschäftsbedingungen haben sich…; n=56

Abbildung 20: Einfluss der Corona-Pandemie auf den Geschäftsbetrieb

Für 16,1 Prozent sind die Geschäftsbedin- nur unter umfangreichen behördlichen Auf- gungen gleichgeblieben, für 8,9 Prozent lagen durchgeführt werden. […] Dies führt haben sie sich leicht und für 1,8 Prozent so- dazu, dass Veranstaltungen insgesamt zur- gar stark verbessert. zeit nicht mehr wirtschaftlich durchführbar sind.

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Insgesamt sehen sich Sozialunternehmen wurde Freiwilligenarbeit teils begrenzt oder mit Planungsunsicherheit und einer unge- unmöglich. wissen Zukunft konfrontiert, in der ein Nor- malbetrieb noch nicht (wieder) absehbar D) Positive Nebeneffekte: In wenigen sei. Fällen nennen Sozialunternehmen auch positive Nebeneffekte der Pandemie. B) Schlechte Erreichbarkeit externer Hierzu zählen ein Mehrumsatz sowie eine Stakeholder: Knapp jedes fünfte Sozialun- gestiegene Nachfrage nach regionalen, ternehmen berichtet von Schwierigkeiten, nachhaltig produzierten Lebensmitteln: „Da externe Zielgruppen zu adressieren. Dies wir als systemrelevant eingestuft sind, äußert sich in der eingeschränkten Zusam- konnte unsere Produktion ungehindert wei- menarbeit mit Partnerinnen, Partnern und tergeführt werden und die Nachfrage nach Fördernden. Hinzu kommt die erschwerte unseren Produkten stieg im Zuge der Pan- oder unmöglich gewordene Erreichbarkeit demie stark an“. Ein Sozialunternehmen er- von Kundengruppen. Drastisch schildert gänzt, dass „[…] das Thema Ernährung ein Sozialunternehmer seine Erfahrungen: und regionale Herkunft von Lebensmitteln stärker ins Bewusstsein gerückt ist. Auch Zusammenarbeiten mit internationalen die Risiken globaler Lieferketten sind deut- Künstlern, Partnern und Förderern sind zu- lich geworden“. Begünstigend wirken sich sammengebrochen. Außerdem mussten für einige Sozialunternehmen auch eine wir unsere Ausstellungsräume schließen größere Offenheit gegenüber digitalen und konnten eine unserer Kernaufgaben, Werkzeugen und eine größere Bereit- Öffentlichkeit herzustellen und Bildungsan- schaft, diese als Normalität im Arbeitsalltag gebote zu schaffen, nicht gerecht werden. anzuerkennen, aus. Außerdem wird die Er- Alle Akquisebemühungen waren umsonst starkung eines Wunsches nach Verände- und Freelancer konnten nicht bezahlt wer- rungen wahrgenommen: „Es gibt eventuell den. Ein kompletter Zusammenbruch in al- eine größere Nachfrage nach der Bearbei- len Bereichen. tung von Meta-Themen (weniger Aktionis- mus) und einen Wunsch danach, sich für C) Negative Folgen für Mitarbeitende: grundsätzliche Veränderungen flexibler Seltener genannt aber dennoch von großer aufzustellen“. Relevanz sind Einschränkungen für die Be- schäftigung von Mitarbeitenden, nicht zu- 4.6 Regionale und überregio- letzt im Bereich der Inklusion und Integra- nale Vernetzung tion. Die Befragten berichten von unterbro- Eine wichtige Fähigkeit von Sozialunter- chener Beschäftigung, drohenden nehmerinnen und Sozialunternehmern ist Entlassungen und gestiegenen Anforde- das Knüpfen und Pflegen von Netzwerk- rungen, wie das folgende Statement zeigt: kontakten. Je nachdem wie diese geogra- „[Inklusionswerkstätten] wurden mit einem fisch verortet sind – eher lokal, überregional Betretungsverbot belegt. Arbeit mit Men- oder gar global – erlauben Art und Umfang schen mit Behinderung war nur noch im der Vernetzung Aussagen über den räumli- Rahmen einer Notbetreuung möglich. chen Wirkungskreis, die Einbettung der Un- Dienstleistungsaufträge waren nur mit er- ternehmen vor Ort, die Chancen für eine heblichem Einsatz verbliebener Mitarbeiter Skalierung der Geschäftstätigkeit und die zu realisieren“. Ein Sozialunternehmen be- Fähigkeit, Innovationen hervorzubringen. schreibt die Verkettung ungünstiger Ent- So zeigen weitere Forschungen, dass eine wicklungen sehr knapp mit „Wegfall Kun- umfangreiche überregionale Vernetzung den, Schließung, Entlassung“. Nicht zuletzt

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die Chancen für die Entwicklung innovati- Die erhobenen Daten erlauben darüber ver Ideen und die Mobilisierung von Res- hinaus auch Aussagen über den geografi- sourcen zu deren Realisierung erhöhen schen Fokus der Vernetzungsaktivitäten. (Richter 2019). In der standardisierten Be- Eine ähnliche Frage zum geografischen fragung wurde für sechs geografische Ge- Schwerpunkt wurde bereits in der bundes- biete (von lokal bis global) der Umfang der weiten Mercator-Studie erhoben, so dass dort unterhaltenen Netzwerkkontakte er- ein Vergleich der Brandenburger MSUs mit fasst. den Sozialunternehmen auf Bundesebene naheliegend ist. Allerdings unterscheiden Beim Blick auf die Dichte der Netzwerkkon- sich die Fragegegenstände in beiden Stu- takte zeigt sich das charakteristische Bild dien. Während hier die räumliche Verortung einer abnehmenden Kontaktdichte mit zu- der Netzwerkkontakte im Vordergrund nehmender Größe der Teilräume (nicht ab- steht, geht es in der Mercator-Studie um gebildet). Geben die Befragten die Kontakt- den räumlichen Schwerpunkt der sozialun- dichte auf lokaler Ebene (Landkreis/Stadt ternehmerischen Aktivitäten. Da jedoch des Geschäftssitzes) und regionaler Ebene Netzwerkkontakte ein Bestandteil allgemei- (Region Berlin-Brandenburg) im Mittel je- nerer sozialunternehmerischer Aktivitäten weils mit 1,93 an („umfangreiche“ Kon- sind, erscheint ein vorsichtiger Vergleich takte), so verringert sich die mittlere Kon- beider Befunde durchaus sinnvoll. taktdichte für andere Regionen in Ost- deutschland auf 2,84, für Westdeutschland Die Abbildung 21 offenbart einige signifi- auf 2,93 und andere europäische Länder kante Unterschiede. Während bundesweit auf 3,11 (jeweils „weniger umfangreiche“ für 53,3 Prozent der Sozialunternehmen Kontakte). Am geringsten ist der Umfang der Aktivitätsschwerpunkt auf lokaler der Netzwerkkontakte mit einem Mittelwert Ebene liegt und das Bundesland von gerin- von 3,52 außerhalb Europas („weniger um- gerer Bedeutung ist, liegt der Schwerpunkt fangreiche“ bis „keine Netzwerkkontakte“). der Vernetzungsaktivitäten bei den Bran- Bemerkenswert ist, dass sich der Vernet- denburger MSU auf der gesamten Region zungsschwerpunkt nicht allein auf die lo- Berlin-Brandenburg (für die bessere Ver- kale Ebene erstreckt, sondern die gesamte gleichbarkeit zu einem Bundesland zusam- Region Berlin-Brandenburg umfasst. Die mengefasst) und in geringerem Maß allein Brandenburger Sozialunternehmen sind auf lokaler Ebene. Der Hintergrund für die- im Durchschnitt gleichermaßen in ihrem sen Befund könnte im Zentrum-Peripherie- lokalen Brandenburger Umfeld einge- Verhältnis von Berlin und Brandenburg be- bettet wie in der gesamten Region Ber- stehen. Gerade im Feld der Sozialunter- lin-Brandenburg. Interessant war darüber nehmen befinden sich viele wichtige Institu- hinaus die Frage, ob es 30 Jahre nach der tionen in der Hauptstadt, welche eine Ver- politischen Wende in Ostdeutschland wei- netzung über das engere lokale Umfeld terhin Sonderbeziehungen zu anderen Re- hinaus bedeutsam machen. In weniger gionen Ostdeutschlands in Form von inten- stark zentralisierten Regionen der Bundes- siveren Netzwerkkontakten gibt. Hierfür republik oder überall dort wo sich Sozialun- gibt es nur schwache Belege. So geben 53 ternehmen in den großen Städten ballen, Prozent der Befragten an, gleich intensive mag hingegen ein lokaler Aktivitätsschwer- Kontakte in Ost- und Westdeutschland zu punkt, wie ihn die Mercator-Studie berich- pflegen. 29 Prozent unterhalten umfangrei- tet, naheliegender sein. Mit der starken Ori- chere Kontakte in andere ostdeutsche Re- entierung der Brandenburger MSU auf die gionen, 18 Prozent intensivere Kontakte in Region Berlin-Brandenburg scheint aber den westlichen Teil der Bundesrepublik.

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Fragestellungen: Denken Sie jetzt bitte an die geschäftlichen Kontakte und Netzwerke Ihres Sozialunternehmens: Wie umfang- reich sind Ihre Netzwerkkontakte in verschiedenen Teilräumen? in dem Kreis/der Stadt, in der mein Sozialunter-nehmen ansässig ist | in der Region Berlin-Brandenburg, aber außerhalb meines Kreises | in den „neuen“ Bundesländern außerhalb Berlin-Branden- burgs | in den „alten“ Bundesländern | in anderen europäischen Ländern | außerhalb Europas; Antworten auf einer 4er-Skala von 1 sehr umfangreich bis 4 keine Netzwerkkontakte; n=55; die deutschlandweiten Vergleichswerte aus der Mercator-Studie beziehen sich auf einen etwas anders gelagerten Aspekt, nämlich auf den geografischen Tätigkeitsschwerpunkt der Sozialunternehmen; entnommen (Scheuerle et al. 2015, S. 500); Mercator n= 207

Abbildung 21: Geografischer Fokus der Vernetzung (MSU in BB) und der Aktivitäten (SU bundesweit)

auch eine geringere Vernetzung in überre- 4.7 Sozialunternehmerisches gionale Räume einher zu gehen. So spielt Ökosystem in Brandenburg die Bundesrepublik als Bezugsgröße für Für marktorientierte Sozialunternehmen in Vernetzungsaktivitäten für die Brandenbur- Brandenburg bestehen besondere, teils für ger MSU eine deutlich geringere Rolle als dieses Bundesland spezifische Rahmenbe- für Sozialunternehmen in anderen Regio- dingungen. Auf Grundlage der standardi- nen der Republik. Auch eine globale Ver- sierten Befragung fasst der folgende Ab- netzung ist für die Brandenburger MSU im schnitt zusammen, wie Sozialunternehme- Vergleich weniger relevant, wohingegen rinnen und -unternehmer diese Situation die europäische Ebene für die Brandenbur- bewerten. ger Sozialunternehmen eine größere Be- deutung hat als für Sozialunternehmen in In Anlehnung an SEND (2019) wurde in der anderen Teilen der Bundesrepublik. Wo- quantitativen Befragung darum gebeten, möglich kommt hier auch die zeitliche Di- Schulnoten für die politischen und sozio- mension zum Tragen. Zwischen der Merca- ökonomischen Rahmenbedingungen für tor-Erhebung im Jahr 2012 und der vorlie- marktorientierte Sozialunternehmen in genden Studie liegen acht Jahre, in Brandenburg zu vergeben. Die Ergebnisse welchen die Europäische Union mit ihrer in Abbildung 22 zeigen, dass Sozialunter- Social Business-Initiative (EC 2011) und nehmen diese Rahmenbedingungen insge- begleitenden Förderprogrammen zu Be- samt nicht als ideal, sondern nur als „aus- deutungsgewinn und stärkerer Vernetzung reichend“ bis „mangelhaft“ bewerten. Was der Sozialunternehmen auf europäischer steckt dahinter? Ebene beigetragen haben könnte.

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Zunächst zeigt ein Vergleich mit ähnlichen dingungen empfunden, das heißt die Nach- Studien mit bundesweitem Fokus, dass frage nach sozialunternehmerischen Pro- Brandenburg mit der eher schlechten dukten (Note 3,3), die Verfügbarkeit von Schulnote bezüglich der politischen Lobby Fachkräften und Talenten (3,9) und die für Sozialunternehmen nicht alleine ist und Nähe zu weiteren Sozialunternehmen und kein deutsches Bundesland hier gut ab- positiven Rollenmodellen (3,0). schneidet. Der SEND Monitor (2019, S. 65)

Fragestellungen: Wie bewerten Sie die politischen und [sozioökonomischen] Rahmenbedingungen für Sozialunternehmen in Brandenburg? Vergeben Sie Schulnoten in Hinblick auf… Politische Lobby von Sozialunternehmen | Nachfrage nach sozial- unternehmerischen Produkten/Dienstleistungen | Verfügbarkeit von Fachkräften und Talenten | Nähe zu weiteren Sozial-un- ternehmen, wichtigen Akteuren und positiven Rollenmodellen; n (von links nach rechts): 44, 50, 52, 50 Abbildung 22: politische und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen

legt dar, dass die Politik zur Förderung von Die quantitativen Ergebnisse und in Ergän- „Social Entrepreneurship“ bundesweit mit zung die Aussagen in Interviews legen den einer mittleren Note von 4,6 bewertet wird. Schluss nahe, dass voneinander abwei- Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, chende Interpretationen vornehmlich mit Bayern, Hessen und Hamburg beispiels- dem Tätigkeitsbereich zusammenhängen, weise erhalten Noten zwischen 4,3 und 4,7 in welchem die Befragten im weiten Feld und selbst Berlin steht mit 4,3 kaum besser der marktorientierten Sozialunternehmen da. Befragte stellen fest, dass eine Interes- agieren. Während beispielsweise im sozia- sensvertretung für Sozialunternehmen in len Bereich wie der offenen Jugendhilfe der Brandenburg bislang fehlt und teilweise Bedarf als konstant hoch bewertet wird, entwickeln MSU Geschäftsmodelle, die ge- wird die Nachfrage beziehungsweise För- nau diesen Mangel adressieren. Beispiel- derbereitschaft auf Seiten der Geldgeben- haft hierfür ist das Netzwerk Zukunftsorte den als eher mäßig beschrieben. Aus die- (vgl. Abschnitt 4.2). Nicht als optimal, doch sem Grund werden personelle und zeitliche besser als die politische Unterstützung wer- Kapazitäten der Sozialunternehmen ge- den die sozio-ökonomischen Rahmenbe- sprengt beziehungsweise leisten diese viel unentgeltliche Arbeit, um auf den Bedarf

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trotz unzureichender Mittel adäquat zu rea- Lage sahen, den „Zugang zu öffentlichen gieren. In Bezug auf ökologische Themen Aufträgen" abzuschätzen, da dies nicht für wie Bildung für nachhaltige Entwicklung, alle Sozialunternehmen eine relevante Ka- ökologische Landwirtschaft und regionale tegorie ist. Wie bereits die politischen und Vermarktung wird die Nachfrage als wach- sozio-ökonomischen Voraussetzungen, send beschrieben und dies nicht zuletzt mit werden die administrativen und förderstruk- Covid-19 in Verbindung gebracht. Die Be- turellen Rahmenbedingungen insgesamt fragten bemerken auf Seiten von Auftrag mit Noten zwischen 3,1 und 4,5 eher kri- Gebenden, Konsumentinnen und Konsu- tisch beurteilt. menten und auch unter konventionell wirt- schaftenden Unternehmen ein Umdenken Mit Blick auf administrative Rahmenbedin- und eine wachsende Bereitschaft, sich gungen erhält der Zugang zu öffentlichen Nachhaltigkeitsaspekten anzunehmen. Beratungs- und Weiterbildungsangeboten die Schulnote 3,1. Bestehende Angebote Geht es um die Verfügbarkeit von Fachkräf- werden demnach gesehen und wertge- ten und Talenten, erhält Brandenburg die schätzt. Gleichzeitig werden diese als häu- Note 3,9. Interessant ist jedoch, dass sich fig nicht passgenau für sozialunternehmeri- vermehrt gut ausgebildete Fachkräfte und sche Bedürfnisse sowie teils als nicht ganz Talente aus Berlin und sogar bundeweit da- zeitgemäß beschrieben. Berichtet wird, für zu interessieren scheinen, bei Sozialun- dass einzelne Beratende und Initiativen ternehmen in Brandenburg zu arbeiten und gute Arbeit leisten, es von diesen aber zu damit ihren Arbeits- und teils sogar Lebens- wenige gibt, um den Bedarf zu decken. mittelpunkt dorthin zu verlegen. Insofern es Sozialunternehmen in Brandenburg ge- lingt, interessante Stellen zu schaffen und sich als attraktive Unternehmen zu präsen- tieren, ließe sich eine potentiell wachsende Anzahl von Fachkräften und Talenten ge- winnen. Das wiederum würde das sozialun- ternehmerische Ökosystem in Branden- burg bereichern und stabilisieren. Für die Nähe zu weiteren Sozialunternehmen, wichtigen Akteurinnen und Akteuren und positiven Rollenmodellen wurde im Rah- men der quantitativen Befragung mit 3,0 die im Durchschnitt beste Schulnote vergeben. Hier zeigt eine genauere Betrachtung, dass bestimmte Initiativen und Branchen relativ sichtbar und vor allem digital sehr gut ver- netzt sind, zum Beispiel die Sozialunter- nehmen im Netzwerk Zukunftsorte.

Nachfolgend wird auf Grundlage von Abbil- dung 23 beschrieben, wie marktorientierte Sozialunternehmen die administrativen und förderstrukturellen Rahmenbedingungen in Brandenburg beurteilen. Zu beachten ist hierbei, dass sich nur 29 Personen in der

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Fragestellungen: Wie bewerten Sie die administrativen und [förderstrukturellen] Rahmenbedingungen für Sozialunternehmen in Brandenburg? Vergeben Sie Schulnoten in Hinblick auf… Zugang zu öffentlichen Beratungs- und Weiterbildungsangeboten | Akzeptanz und Verständnis in Behörden und öffentlichen Institutionen | Zugang zu öffentlicher Förderung | Zugang zu öffent- lichen Aufträgen; n (von links nach rechts): 49, 50, 52, 29 Abbildung 23: Administrative und förderstrukturelle Rahmenbedingungen

Darüber hinaus würden Beratenden inso- zige Organisationen rein rechtlich proble- fern die Hände gebunden sein, als dass matischen Pflicht zur Vorfinanzierung von diese zwar die administrativen und förder- Projektmitteln ausdrücken (vgl. Kapitel 6). strukturellen Rahmenbedingungen kennen und darüber informieren, diese jedoch nicht 4.8 Brandenburger MSU im ändern beziehungsweise verbessern könn- bundesweiten Vergleich ten (vgl. hierzu auch Kap. 5 und 6). In einem Fachartikel über deutsche Sozi- alunternehmen im internationalen Ver- Zu den administrativen Rahmenbedingun- gleich urteilen Scheuerle et al.: „SEOs [So- gen zählen weiterhin Akzeptanz und Ver- cial enterprise organizations] in ständnis für Sozialunternehmen in Behör- are mostly small with a low turnover, a low den und öffentlichen Institutionen, die von number of employees and operations at a den Befragten mit 3,8 benotet werden. Die local scope of activity” (Scheuerle et al. Gegebenheiten diesbezüglich werden von 2015, S. 504). Was für deutsche Sozialun- zahlreichen Befragten problematisiert. ternehmen im Ganzen gilt, bestätigt sich in Ähnlich verhält es sich mit dem Zugang zu Brandenburg in besonderer Weise. Die hie- öffentlicher Förderung, welcher mit 3,6 nur sigen marktorientierten Sozialunternehmen eine geringfügig bessere Benotung erhält. haben im bundesweiten Vergleich durch- Öffentliche Förderungen sind häufig auf ge- schnittlich eher wenige Beschäftigte und er- meinnützig tätige Sozialunternehmen be- zielen oft nur geringe Einnahmen. Ihre Kon- schränkt und gleichzeitig für diese beson- takte erstrecken sich auf den Raum Berlin- ders schwer zu erhalten. Die Befragten be- Brandenburg, aber weniger in überregio- merken förderlogische Widersprüche, die nale Gebiete. Diese und weitere Vergleich- sich beispielsweise in einer für gemeinnüt- sergebnisse sind in Tabelle 6 zusammen- gefasst. Dargestellt sind in komprimierter

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Form die in den verschiedenen Abschnitten das Erzielen einer finanziellen Rendite. Bei dieses Kapitels vorgenommenen Verglei- den sozialen und gesellschaftlichen Zielset- che zwischen den MSU in Brandenburg zungen spielen ökologische Themen wie und den Sozialunternehmen im Rest der der nachhaltige Konsum (70,9% zu 45,3%), Bundesrepublik. Wo Vergleichswerte für der Schutz des Klimas (65,5% zu 30,7%) Sozialunternehmen in Berlin vorliegen, sind und von Landökosystemen (41,8% zu auch diese vermerkt. Damit wird der räum- 15,6%) sowie Fragen der Regionalentwick- lichen Nähe und starken Vernetzung mit lung (57,1% zu 37,7%) bei Brandenburger Organisationen und Strukturen in Berlin Sozialunternehmen eine deutlich größere Rechnung getragen. Rolle als bei Sozialunternehmen auf Bun- desebene und in Berlin. Brandenburger So- Neben einigen Gemeinsamkeiten zeigen zialunternehmen adressieren hauptsäch- sich markante Unterschiede zwischen den lich Problemstellungen und Potenziale, die MSU in Brandenburg und ihren Pendants sich aus ihrem regionalen, meist ländlich auf Bundesebene (in Tab. 6 hervorgeho- geprägten Umfeld in Brandenburg erge- ben). Der höhere Anteil jüngerer MSU bis 4 ben. Nicht selten offerieren sie auch Ge- Jahre (39,4% zu 28,4%) lässt auf ein leben- genangebote zu den Herausforderungen diges Gründungsgeschehen in Branden- eines hochurbanisierten Lebens in der burg schließen. Brandenburger MSU wäh- Hauptstadt Berlin (beispielsweise durch len als primäre Rechtsform deutlich selte- das Betonen von Ruhe und Entspannung in ner den eingetragenen Verein (23,2% zu ländlichen Co-Working-Spaces). Als Metro- 45,0%) und sind häufiger als UG, GbR oder pole inmitten des Landes Brandenburg fun- Genossenschaft organisiert. Sie verfügen giert Berlin gleichermaßen als Bezugs- und häufiger über zwei oder mehr Rechtsfor- Abgrenzungsgröße. Hierzu passt es, dass men als die Sozialunternehmen auf Bun- gesellschaftliche Ziele von eher globaler desebene, was auf eine ausgeprägtere und abstrakter Bedeutung (Frieden und Trennung von gemeinnützigen und wirt- Gerechtigkeit, globale Partnerschaft für schaftlich tätigen Unternehmensteilen nachhaltige Entwicklung) unter Branden- schließen lässt. Bereits erwähnt wurde der burger MSU weniger Beachtung finden als höhere Anteil sehr kleiner MSU mit weniger bei Sozialunternehmen in der weltweit ver- als 5 Beschäftigten (53,5% zu 40,5%) und netzten Metropole Berlin (21,8% zu 31,1% der geringe Anteil größerer Sozialunterneh- und 14,5% zu 39,3%). men mit mehr als 100 bezahlten Arbeits- kräften (5,4% zu 12,1%). Zu ergänzen ist, dass Brandenburger MSU stärker als auf Bundesebene auf die Hilfe durch ehren- amtliche Unterstützerinnen und Unterstüt- zer zurückgreifen (71% zu 61%).

Nicht anders als auf Bundesebene messen die Brandenburger Sozialunternehmen der sozialen Wirkung ihres Unternehmens mehr Bedeutung bei als der finanziellen Rendite (84,1% zu 83,5%). Allerdings liegt der Anteil der Unternehmen, die beide As- pekte gleich gewichten bundesweit höher (65,1% zu 42,9%). Auch legen Branden- burger MSU insgesamt weniger Wert auf

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MSU in Bran- Kriterium SU bundesweit SU in Berlin denburg

bis 4 Jahre: 39,4% bis 4 Jahre: 28,4%1 Alter der Unternehmen 5-20 Jahre: 28,6% 5-20 Jahre: 41,2%1 >20 Jahre: 32,1% >20 Jahre: 35,3%1 bis 5: 53,5% bis 5: 40,5%2 6-30: 28,5% 6-30: 33,6%2 Anzahl der Beschäftigten 2 31-100: 12,5% 31-100: 13,8% >100: 5,4% >100: 12,1%2

Anteil MSU/SU mit ehren- 71% 61%3 amtlicher Unterstützung e.V.: 23,2% e.V.: 45,0%1

organisational (g)GmbH: 28,6% (g)GmbH: 32,0%1 Rechtsform (g)UG: 10,8% (g)UG: 5,5%1 GbR: 10,7% GbR: 5,5%1 eG: 7,2% eG: 1,0%1

Bedeutung sozialer Wirkung 27% 12% vs. finanzieller Rendite Soz.Wirk. > Rendite: Soz.Wirk. > Rendite: 84,1% 83,5%3 Einnahmequellen Soz.Wirk. = Rendite: Soz.Wirk. = Rendite: 42,9% 65,1%3

nachhaltiger Konsum: nachhaltiger Konsum: nachhaltiger Konsum: 70,9% 45,3%3 39,3%3 3 3 sozial Klimaschutz: 65,5% Klimaschutz: 30,7% Klimaschutz: 26,2% UN Sustainable Develop- Globale Partnerschaft: Globale Partnerschaft: Globale Partnerschaft: ment Goals 14,5% 33,0%3 39,3%3 Frieden, Gerechtigkeit: Frieden, Gerechtigkeit: Frieden, Gerechtigkeit: 21,8% 25,0%3 31,1%3 bis 50 Tsd. €: 40,0% bis 50 Tsd. €: 28,4%4 Einnahmen pro Jahr 50-500 Tsd. €: 38,0% 50-500 Tsd. €: 31,2%4 >500 Tsd. €: 22,0% >500 Tsd. €: 40,4%4 Verkäufe am Markt: Verkäufe am Markt: 43,1% 21,0%5 Entgelt für öffentliche Entgelt für öffentliche Leistungen: 15,2% Einnahmequellen Leistungen: 20,8%5 öffentliche Zuschüsse: öffentliche Zuschüsse: 22,3% 15,4%5 Spenden: 2,3% Spenden: 18,3%5

Produkte keine Produkte keine Produkte keine unternehmerisch Marktneuheit: 11,5% Marktneuheit: 16,0%3 Marktneuheit: 16,4%3 Produkte regionale Produkte regionale Produkte regionale Innovationskraft Marktneuheit: 46,2% Marktneuheit: 15,6%3 Marktneuheit: 9,8%3 Produkte überregionale Produkte überregionale Produkte überregionale Marktneuheit: 42,3% Marktneuheit: 68,4%3 Marktneuheit: 73,8%3

5 geograf. Schwerpunkt von lokal: 30,9% lokal: 53,3% Vernetzung (MSU) und Akti- Bundesland (B-BB): 43,6% Bundesland:8,6%5

vitäten (SU) überregional: 25,4% überregional: 35,6%5 system Politische Lobby und Unter- 4,4 4,63 4,33

Öko stützung (Schulnote) Quellen: 1 (SEFORïS 2016), 2 (EC 2018), 3 (SEND 2019), 4 (Spiess-Knafl et al./Mercator 2013), 5 (Scheuerle et al./Mercator 2015)

Tabelle 6: Brandenburger MSU im Vergleich

Markant sind die Unterschiede auf der un- auch die Zusammensetzung der Einnah- ternehmerischen Dimension. Das betrifft mequellen. Brandenburger MSU generie- nicht nur die deutlich geringeren Einnah- ren signifikant mehr Einnahmeanteile durch men vieler Brandenburger MSU (40,0% zu Verkäufe von Produkten und Dienstleistun- 28,4% mit Jahreseinnahmen unter 50 Tsd. gen am freien Markt (43,1% zu 21,0%), Euro und 22,0% zu 40,4% mit Jahresein- aber prozentual weniger Erlöse durch die nahmen über 500 Tsd. Euro), sondern

MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 71

Erbringung öffentlich finanzierter Leistun- Letzteres würde sich mit dem Befund de- gen (15,2% zu 20,8%) und markant weni- cken, dass 73,6 Prozent der Brandenbur- ger Einnahmen durch Spenden und Spon- ger MSU hauptsächlich im lokalen und re- soring (2,2% zu 18,5%). Das bestätigt zum gionalen Umfeld (Region Berlin-Branden- einen die Marktorientierung der berücksich- burg) Kontakte unterhalten, während dieser tigten Sozialunternehmen. Zum anderen Wert bei den Sozialunternehmen im Rest verweist der Befund auf den Zugang zu öf- der Republik mit 61,9 Prozent niedriger fentlich finanzierten Quasi-Märkten, der ausfällt. Der sozialunternehmerische Ver- den Brandenburger MSU offenbar noch flechtungsraum Berlin-Brandenburg absor- schwerer gelingt als den Sozialunterneh- biert die Aufmerksamkeit der dort agieren- men in anderen Regionen der Bundesre- den Sozialunternehmen, was zulasten ei- publik. Ebenfalls ausbaufähig erscheinen ner stärkeren Vernetzung auf nationaler Einnahmen durch Spenden und Sponso- und globaler Ebene geht. Den Vergleich ring, wobei offen bleiben muss, ob diese beschließt die Einschätzung zur Unterstüt- Schwäche eher auf strukturelle Gründe zung von Sozialunternehmen durch die (weniger ausgeprägte Spendenkultur und Bundes- und Landespolitik. Die Sozialun- geringere Privatvermögen in Branden- ternehmen beurteilen die Unterstützung burg), auf formale Gründe (nur etwas mehr durch die Brandenburger Politik mit einer als die Hälfte der Sozialunternehmen besit- Schulnote von 4,4. Mit diesem schlechten zen den Gemeinnützigkeitsstatus, mit Fol- Ergebnis befindet sich Brandenburg aller- gen für die steuerliche Absetzbarkeit der dings in guter Gesellschaft, denn bundes- Spenden) oder doch auf unternehmerische weit fällt das Urteil sogar noch schlechter Gründe (z.B. geringes Bemühen um die (4,6) und in Berlin nur geringfügig besser kommunikative Vermittlung des sozialen aus (4,3). und gesellschaftlichen Anliegens) zurück- zuführen ist. Abschließend sei noch einmal darauf hin- gewiesen, dass die hier präsentierten Ver- Für einen ausgeprägten Unternehmergeist gleiche vorsichtig interpretiert werden soll- spricht der hohe Anteil der Brandenburger ten. Die heterogene Landschaft der Sozial- MSU, die ihre Innovationskraft durch das unternehmen und das Fehlen einer Hervorbringen von Marktneuheiten unter einheitlichen Definition erschweren das Er- Beweis stellen. Bemerkenswert ist, dass mitteln von Grundgesamtheit und Stichpro- die Brandenburger MSU zwar im Vergleich ben. Die Vergleichsgrundlage variiert zwi- mehr Innovationsaktivitäten zu Protokoll schen den Studien, je nach der verwende- geben, diese jedoch im Unterschied zu So- ten Definition und je nachdem, ob zialunternehmen anderer Bundesländer e- Grundgesamtheit und Stichproben über her auf regionaler Ebene etablieren (46,2% aufwändige Recherchen ermittelt werden, zu 15,6% bieten regional neuartige Pro- ob auf die Selbstrekrutierung der Teilneh- dukte), während sie überregional seltener merinnen und Teilnehmer gesetzt oder auf einen Neuigkeitswert beanspruchen bestehende Datenbanken wie das Regis- (42,3% zu 68,4% mit deutschland-, europa- terportal der Länder zurückgegriffen wird. oder weltweit neuartigen Produkten). Einer- Auch können semantische Unterschiede in seits könnte dies auf einen eingeschränk- der Operationalisierung mancher Sachver- ten Neuigkeitswert der Produkte und halte die Vergleichbarkeit einschränken. Dienstleistungen hindeuten, andererseits auch auf eine insgesamt stärkere regionale Orientierung der Brandenburger MSU.

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MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 73

5. Marktorientierte Sozialunternehmen in der Gründungsphase: Rahmenbedingun- gen und Unterstützungsbedarfe

Nach der detaillierten Betrachtung der Ist- dem Bereich Arbeitsförderung, ein im Be- Situation marktorientierter Sozialunterneh- reich Nachhaltige Bildung & Entwicklung tä- men liegt in diesem Kapitel der Fokus auf tiges Sozialunternehmen aus dem Land- MSU in der Gründungsphase. Ziel ist es zu- kreis Märkisch-Oderland, ein Sozialunter- nächst, einen Überblick über die Rahmen- nehmen aus Ostprignitz-Ruppin (Wandel & bedingungen und Herausforderungen von kreative Veränderung, Schwerpunkt Kunst Brandenburger MSU in der Gründungs- & Kultur) und ein Sozialunternehmen aus phase zu geben. Auf dieser Basis können Potsdam-Mittelmark (Wandel & kreative die Bedarfe marktorientierter Sozialunter- Veränderung, Schwerpunkt Innovation und nehmen erkannt und daraus abgeleitet Digitalisierung). Das Kapitel schließt ab mit werden, welche Rahmenbedingungen und der Vorstellung von Unterstützungsbedar- Angebote insbesondere in der Gründungs- fen von MSU, die sich aus den drei The- phase zukünftig hilfreich und wünschens- menbereichen ableiten lassen. wert wären. 5.1 Rechtliche Rahmenbedin- In Anlehnung an die vom Bundesministe- gungen rium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in Rechtsform und steuerlicher Status Auftrag gegebene Studie „Herausforderun- gen bei der Gründung und Skalierung von Wie in vielen Ländern haben Gründende in Sozialunternehmen“ (Evers & Jung et al. Deutschland die Wahl zwischen vielfältigen 2015) ordnen wir die Ergebnisse der vorlie- Rechtsformen, jedoch existiert (noch) keine genden Untersuchung drei Themenberei- spezielle Rechtsform für Sozialunterneh- chen zu: Rechtliche Rahmenbedingungen, men wie beispielsweise die „Benefit Corpo- Finanzierung und Unterstützungsstruktu- ration“ in Großbritannien. Ein Grund hierfür ren. Für jeden Themenbereich werden zum liegt auch in dem Gemeinnützigkeitsrecht in einen die Ergebnisse dreier offener Fragen Deutschland, das im nicht-deutschsprachi- in der standardisierten Online-Befragung gen Raum weniger regulativ gestaltet ist. analysiert. Diese Ergebnisse stützen sich Die Wahl der passenden Rechtsform in vorwiegend auf die 18 der insgesamt 56 Kombination mit der steuerlichen Verfas- einbezogenen MSU, die sich nach Eigen- sung bestimmt über die steuerliche Veran- angabe in der Gründungsphase befinden. lagung und somit über die Finanzie- Lediglich bei Frage 19 (Rückblick auf die rungsoptionen des Unternehmens (Evers & vergangenen drei Jahre) werden ebenfalls Jung et al. 2015). Wie in Kapitel 4 erläutert, die Antworten der 21 Unternehmen inner- sind die populärsten Rechtsformen der be- halb der Konsolidierungsphase betrachtet. fragten MSU momentan der e.V. (23%), die Um die quantitativen Ergebnisse zu verifi- gGmbH (14%) und die GmbH (14%). Auch zieren, belastbarer und anschaulicher zu Hybridstrategien parallel gewerblicher und machen, werden qualitative Vertiefungsin- gemeinnütziger Rechtsformen werden in terviews hinzugezogen. Es wurden vier ver- Brandenburg verfolgt, kommen unter den tiefende Interviews mit Sozialunternehmen befragten Unternehmen aber nicht sehr in Gründung geführt, die alle die wesentli- häufig vor. Knapp Dreiviertel der MSU agie- chen Merkmale von MSU repräsentieren ren lediglich in einer Rechtsform, 20 Pro- und zusätzlich in unterschiedlichen Tätig- zent haben zwei unterschiedliche Organi- keitsbereichen agieren. Ausgewählt wur- sationseinheiten und nur 7 Prozent geben den ein Potsdamer Sozialunternehmen aus

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eine Differenzierung in mindestens drei ver- keit wohl erst noch erkämpfen müssen: „Di- schiedene Rechtsformen an. Während die gitalisierung für den ländlichen Raum ist quantitativen Ergebnisse die Wahl der ge- halt kein gemeinnütziger Zweck“ (MSU02). eigneten Rechtsform und Hybridstrukturen nicht als Herausforderungen erkennen las- Das Sozialunternehmen aus Ostprignitz- sen, wird die Wahl der Rechtsform in den Ruppin, welches eine umgebaute und re- vertiefenden Interviews mehrmals proble- novierte Scheune zur kulturellen Plattform matisiert. etabliert, konnte lediglich durch eine Aus- gründung weiterbestehen. Um einen För- Drei der vier MSU, die nicht als Einzelunter- derantrag im Rahmen von LEADER zu stel- nehmen agieren, haben die Wahl der pas- len, wurde neben dem Verein eine GbR ge- senden Rechtsform als Herausforderung gründet. Den Antrag als e.V. zu stellen im Gründungsprozess genannt. Hier wurde hätte zwar die Möglichkeit auf die doppelte der Gemeinnützigkeitsstatus angespro- Fördersumme in Aussicht gestellt, jedoch chen, der in Zusammenhang mit der spielten hier Haftungsbeschränkungen und Rechtsformwahl und Definition der Satzung Entscheidungsfreiheit in Bezug auf das er- steht. Diesen Status muss man sich jährlich worbene Privatgebäude eine große Rolle. „erarbeiten bzw. in der Satzung erstmal de- Solche Hybridstrategien bedeuten einer- finieren und dann entsprechend handeln seits einen höheren Arbeitsaufwand und und umsetzen“ (MSU01). Das wird nicht mögliche Probleme hinsichtlich Transpa- nur als zeitaufwändig, sondern auch als renz, Governance-Strukturen und rechtli- handlungsbeschränkend empfunden. Für cher Notwendigkeiten (Evers & Jung et al. MSU, die sich als gemeinwohlorientiert be- 2015). Andererseits schaffen sie den Vor- trachten und gleichzeitig unternehmerisch teil, auf diversen Ebenen aktiv zu sein und agieren, kann es sehr schwierig sein, eine somit unterschiedliche Fördermittel in An- geeignete Rechtsform oder Hybridstruktur spruch zu nehmen: „Die Förderung für das zu finden, die diese Mischung ohne Weite- Bühnenstück lief ja über den Verein, und res zulässt. Das Sozialunternehmen aus die Förderung für den Ausbau des Gebäu- Potsdam-Mittelmark hat sich beispiels- des, also […] LEADER lief ja über die GbR“ weise als Verein gegründet, der laut dem (MSU03). Finanzamt die Hälfte seiner Einnahmen mit gemeinwohlorientierten Forschungsaufträ- Rechtsberatung und Finanzämter gen erwirtschaften muss. Das ist nach Aus- kunft des Unternehmens unmöglich im Vo- Die Komplexität bei der Wahl der geeigne- raus zu planen und zwingt das Unterneh- ten Rechtsform und deren Zusammenhang men in seinem Entwicklungsprozess dazu, mit dem Gemeinnützigkeitsstatus legen in mindestens einer zusätzlichen nicht-ge- nahe, dass viele Gründende eine professi- meinnützigen Rechtsform auszugründen. onelle Rechtsberatung benötigen. In der Nur so könnten die zunehmenden Aufträge quantitativen Erhebung geben die befrag- für nicht unbedingt gemeinwohlorientierte ten MSU Auskunft über ihre größten Her- Forschungsprojekte bedient und der natür- ausforderungen in den vergangenen drei liche Innovationszyklus des Unternehmens Jahren (hier wurden die Antworten der 18 nicht unterbrochen werden. In engem Zu- MSU in der Gründungsphase und der 21 sammenhang hiermit steht, dass sich die MSU in der Konsolidierungsphase analy- von diesem MSU angebotenen Dienstleis- siert). Ein gutes Fünftel beschreibt das Be- tungen ihren Anspruch auf Gemeinnützig- ratungsangebot und den weiterführenden Unterstützungsrahmen im Gründungspro-

MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 75

zess als problematisch. Es werden „[…] be- 5.2 Finanzierung zahlbare Steuerberater, die sich mit dem In beiden Erhebungen sticht das Thema Fi- Gemeinnützigkeitsrecht auskennen“ ver- nanzierung als größte und vielschichtige misst und die Auseinandersetzung mit dem Herausforderung hervor. In der quantitati- Finanzamt geschildert, welches „[…] mit ven Umfrage schildern knapp 50 Prozent der Spezifik von gemeinnützigen Vereinen der 39 MSU in Gründung und Konsolidie- nicht vertraut ist“. In den vertiefenden Inter- rung Probleme durch fehlende Anschlussfi- views wird dieses Bild bestätigt. Bei dem nanzierungen, Förderakquise, Liquiditäts- MSU aus Potsdam-Mittelmark hat der engpässe, mangelnden Zugang zu passen- Gründungsprozess über ein Jahr gedauert, den Fördermitteln und Investoren bzw. da das Startkapital für Steuer- und Rechts- Investorinnen oder unzureichende Finan- beratung zunächst nicht vorhanden war zierung. Es lohnt also, diesen Bereich noch und sich das Schreiben der Satzung und etwas differenzierter zu betrachten und Finden der Rechtsform somit hingezogen durch die qualitativen Antworten zu vertie- haben. Auch erwähnt es die Auseinander- fen. setzung mit unerfahrenen, unaufgeschlos- senen und gar innovationsaversen Finanz- Finanzierungs- und Fördermöglichkei- ämtern. Zwar hat das Unternehmen mittler- ten weile seinen Hauptsitz in Brandenburg, hatte sich jedoch aus genannten Grund zu- Wie die oben genannte BMWi-Studie nächst in Berlin gegründet: „Eigentlich woll- schreibt, finanzieren sich gründende MSU ten wir uns in Brandenburg gründen, aber meist aus Eigenmitteln, philanthropischen wir hatten Probleme mit den Finanzämtern. Stiftungsmitteln und öffentlichen Finanzie- Also, die haben uns einfach, die fanden uns rungsangeboten, da diese Unternehmen in so strange, dass wir wirklich Sorgen hatten, Gründung für den traditionellen und auch dass die, also, dass wir unseren Gemein- sozialen Kapitalmarkt ungeeignet oder nützigkeitsstatus da nicht durchbekom- (noch) unattraktiv sind (Evers & Jung et al. men“ (MSU02). 2015).

In Brandenburg Außerhalb Brandenburgs

► 2 x Lokalhelden Gründerwerkstatt ► 2 x Leader-Förderung ► BFB Brandenburg Kapital GmbH ► Agrarförderung (in Teilen) ► IBB ► Berliner Startup Stipendium ► ILB Mikrokredit ► Förderprogramm Klimaschutz-Initiative Deutsch- ► Untere Denkmalschutzbehörde land 2017-2018 ► Demokratie Leben (Förderung einer Veranstal- ► Förderprogramme Bundesebene tung) ► Corona-Hilfe ► LELF Neuruppin ► Land NRW, Landschaftsverband Westfalen-Lippe ► Eigenmittel und familiär bereitgestellte Mittel (LWL) ► Dr. Bronners ► Stiftung Humboldt Forum ► Sparkasse Luckenwalde Tabelle 7: Finanzielle Unterstützungsangebote, die in den vergangenen drei Jahren durch gründende MSU in An- spruch genommen wurden

76 MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG

Dies lässt sich auch in Tabelle 6 erkennen, heit bei Fördermittelgeberinnen und För- die einen Überblick darüber gibt, welche fi- dermittelgebern. Daraus lässt sich wiede- nanzielle Unterstützung durch öffentliche o- rum schließen, dass der Zugang für noch der private Institutionen von den 18 befrag- unbekannte und schlecht vernetzte MSU ten Gründenden in Anspruch genommen anfangs sehr schwierig ist. wurden. In einem der vier Vertiefungsinterviews wird Die verschiedenen Fördertöpfe und Finan- weiter ausgeführt, dass die Komplexität von zierungsangebote auf regionaler, landes- und der erschwerte Zugang zu Förderun- weiter und auch europäischer Ebene sind gen mit jeder Verwaltungsebene steigt und für viele Gründende vor allem zu Beginn zudem stark vom Tätigkeitsbereich der nicht leicht zu überblicken und zu durch- MSU abhängt. Das Sozialunternehmen aus schauen. In den Vertiefungsinterviews wird dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin be- neben dieser Komplexität teilweise ein In- schreibt die lokale und regionale Förder- formationsdefizit erwähnt. Man weiß nicht, landschaft als sehr offen und zugänglich für welche Fördermittel für das eigene Vorha- die Förderung von Veranstaltungen. För- ben überhaupt existieren und auch nicht, dertöpfe auf Landesebene konnte das Un- wo man sich diese Information zusammen- ternehmen jedoch bislang gar nicht nutzen, gefasst holen kann - ein entscheidender „[…] weil sie nie so ganz genau […] pass- Grund, warum sich das als Einzelunterneh- ten“ (MSU03). Der Wunsch nach Auswei- men agierende Potsdamer Sozialunterneh- tung und Ausdifferenzierung der Förderku- men komplett aus Privatmitteln finanziert lisse auf u.a. Kulturentwicklung wird weiter hat. unten bei den Unterstützungsbedarfen nochmals aufgegriffen. Den zweistufigen Auch die in der quantitativen Befragung und als sehr komplex beschriebenen An- mehrfach als „schwer zugängliche Förde- trag im Rahmen des LEADER-Programms rungen“ umschriebenen Fördermöglichkei- das Unternehmen wohl nur durch das be- ten sind ein wichtiger und in den vertiefen- reits vorhandene berufsbedingte Know- den Interviews näher erläuterter Aspekt. So how und Unterstützung der Lokalen Akti- beschreibt der Sozialunternehmer aus Ost- onsgruppe (LAG) meistern: prignitz-Ruppin, dass er bei Antragstellung im Rahmen von LEADER den Vorteil ge- [Unter] Privatleuten wie uns kenne ich mehr habt habe, dass die LAG ihn, sein Netzwerk inzwischen die das wieder abgebrochen und den beruflich passenden Hintergrund haben oder gar nicht erst angefangen ha- kannte. Man habe schnell erkannt, dass es ben, weil die sagen, das ist für uns nicht sinnvoll ist, jemandem aus den Bereichen händelbar, das ist auch nicht durchschau- Touristik & Regionalentwicklung dabei zu bar, das kostet so viel Zeit und Energie und unterstützen, sein Vorhaben in der Region man kann so viele Fehler machen. Das anzusiedeln. Auch das im Landkreis Pots- heißt die Förderung ist nicht geeignet für dam-Mittelmark befragte MSU gibt an, dass das was sie eigentlich sein soll, und die wird nach der Bewilligung einiger Fördergelder halt hauptsächlich und professionell auch und Zusammenarbeit mit den Kommunen nur von den Kommunen in Anspruch ge- nun der Zugang zu Fördermitteln stets nommen oder von großen Unternehmen, leichter wird. Die Unternehmerin freut sich aber nicht von kleinen Anbietern. (MSU03) über die wachsende Auftragslage durch ih- ren zunehmenden Bekanntheitsgrad in der Das Sozialunternehmen aus Potsdam-Mit- Region und die damit verbundene Offen- telmark betont, dass es insbesondere an Anschubfinanzierungen für Gründende

MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 77

fehlt. Viele Stiftungen und Fördermittel, die oben bereits thematisiert. In den vertiefen- für das Unternehmen in Gründung thema- den Gesprächen ist in diesem Zusammen- tisch in Frage gekommen wären, durften ihr hang von „verkrusteten Strukturen“ die Geld nur an bereits gegründete MSU ver- Rede (MSU01). teilen. Aus oben erwähnten Gründen kann die Gründungsphase einer MSU aber län- Gesondert von den Förder- und Finanzie- ger dauern als anfangs erwartet, laut der rungsangeboten zu betrachten sind die Sozialunternehmerin „[…] sicher ein Jahr Aussagen, die in den Erhebungen bezüg- bis man den rechtlichen Kram ausbaldo- lich des Antragsprozesses und Finanzie- wert hat“ (MSU02). Das MSU konnte seine rungsverlaufs gemacht wurden. Da öffentli- Gründung lediglich durch eine Förderung che Finanzierungsangebote keine Grundfi- des Inkubators der gemeinnützigen Hertie- nanzierung bieten, sondern projektbasiert Stiftung realisieren. Diese mittlerweile ein- sind, bleibt die Suche und Akquise von Fi- gestellte Förderung unterstützte die Grün- nanzierungen auch nach erfolgreicher denden mit einem auskömmlichen Stipen- Gründung eine Herausforderung. Neben dium und stellte bereits Mittel zur Projek- dem benannten Druck, ständig weitere För- tumsetzung bereit. Ein weiteres Problem, in dermittel akquirieren und Anschlussfinan- dem sich dieses und wahrscheinlich auch zierungen finden zu müssen, wird in den of- andere MSU befinden, ist die Umsetzung fenen Antworten der quantitativen Erhe- von Projekten über gemeinsam beantragte bung ebenfalls kritisiert, dass diese Zuwendungen als Unterauftragnehmer von Fördermittelakquise und aufwändige An- Kommunen. In dieser Konstellation erhält tragsstellung nicht vergütet bzw. gefördert stets die Kommune das Geld, was nicht nur werden. Die auch in den Vertiefungsinter- den Gemeinnützigkeitsstatus der unterbe- views mehrfach angesprochene Komplexi- auftragten MSU gefährdet, sondern „[…] ir- tät und Dauer der Antragstellung bringt gendwie auch Implikationen für das geis- MSU insbesondere in der Anfangsphase tige Eigentum an dem Produkt“ (MSU02) an zeitliche und finanzielle Grenzen, vor al- mit sich bringt. lem wenn keine Eigenmittel oder anderwei- tige Finanzierungsquellen zur Verfügung Antragstellung & Finanzierungsverlauf stehen.

Insbesondere bei der Gründung eines MSU Auch eine zugesagte Finanzierung bringt im ländlichen Raum bedarf es nicht nur fi- ihre Herausforderungen mit sich. Der Doku- nanzieller Unterstützung, sondern auch An- mentationsaufwand sei enorm, insbeson- sprechpartnerinnen und Ansprechpartner, dere was europaweite Förderungen wie die beratend, vernetzend, integrierend und LEADER betrifft. In den offenen Antworten motivierend zur Seite stehen. Aus den offe- der quantitativen Erhebung beschreiben nen Antworten im quantitativen Fragebo- dies mehrere Schlagworte wie „Bürokratie“ gen lässt sich ableiten, dass die Verwal- oder „zu viele Ämterläufe“. Zudem stehen tungslandschaft in Brandenburg eher als die Bedingungen der Vorfinanzierung in der herausfordernd als unterstützend betrach- Kritik: „Man ist ständig am Vorfinanzieren, tet wird. Ein Drittel der Antworten kritisieren und man muss immer Unterlagen einrei- zeitraubende und unverständliche Bürokra- chen, Abrechnungen, Ausschreibungen tie und hohe Auflagen, beispielsweise und so weiter. Und wenn irgendwo ein klei- durch das Bauamt. Der Wunsch nach kom- ner Formfehler ist, dann kriegt man kein petenten und bezahlbaren Steuerberaterin- Geld oder muss eben nochmal nacharbei- nen und Steuerberatern sowie aufge- ten und wartet wieder ein, zwei Monate auf schlossenen Finanzämtern wurde weiter sein Geld“ (MSU03).

78 MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG

5.3 Unterstützungsstrukturen Stadt auf Fördertöpfe und andere Finanzie- rungsmöglichkeiten hingewiesen, die zum Verwaltungs- und Beratungslandschaft Profil des Unternehmens passen. Darüber Angebote, um sich in diesen Auflagen und hinaus sind regionale und lokale Sponso- Vorgaben zurecht zu finden und entspre- ren wie die Sparkasse Ostprignitz-Ruppin chend seiner Vision beraten zu lassen, sind auf das Unternehmen aufmerksam gewor- in Brandenburg durchaus vorhanden. Ta- den und leisten Unterstützung. Das MSU belle 7 gibt eine Übersicht der Beratungs- aus Märkisch-Oderland berichtet von ers- und Weiterbildungsangebote, die befragte ten Gründungserfahrungen in Nordrhein- MSU in den vergangenen drei Jahren ge- Westfalen und weist auf die Unterstützung nutzt haben. Es fällt auf, dass deutlich mehr des dortigen Bürgermeisters hin, die wert- Beratung in Brandenburg in Anspruch ge- voll für die Integration in der Stadt und bei nommen wird als außerhalb, jedoch Wei- den Bewohnerinnen und Bewohnern gewe- terbildungsangebote noch eher wenig vor- sen sei. Die Sozialunternehmerin aus Pots- handen zu sein scheinen und auch außer- dam erzählt, dass sie auf dem ersten Grün- halb Brandenburgs wenig aufgesucht derforum Potsdam einen Berater kennen- werden. Innerhalb Brandenburgs stechen gelernt habe, der sie seither als wichtiger Beratungsangebote durch die Social Im- „Sparring Partner“ aktiv und engagiert bei pact gGmbH, die Wirtschaftsförderung und der Gründung und Etablierung ihres Sozial- den Business Plan Wettbewerb heraus. unternehmens begleitet. Und auch die So- Auch die Lokalhelden Gründerwerkstatt zialunternehmerin aus Potsdam-Mittelmark wird mehrmals genannt. spricht von ihrer „Verbandelung“ mit dem

In Brandenburg Außerhalb Brandenburgs

► 4 x Wirtschaftsförderung Brandenburg ► Finanz-Coaching ► 3 x Social Impact gGmbH ► Bafa-Unternehmensberatung ► 3 x Lokalhelden Gründerwerkstatt ► Humboldt Inkubator ► 2 x Business Plan Wettbewerb ► Münsterland e.V. ► Coaching in der Gründungsphase ► Beratung in Handwerk und Energieplanung ► Finanz-Coaching ► EIT Change Makers ► Kreativagentur ► SHAKE (UK) ► Gründungszentren verschiedener Universitäten ► Austauschprojekt mit Universität der Künste für ► IHK Fördermittelberatung Marketing- und Kommunikationsstrategie ► LELF Neuruppin ► Filmschule Hamburg Berlin e.V. ► Beratung in Handwerk und Energieplanung ► Gründungs-Workshops Wertewandel e.V. ► Kultur-Tourismus- Vernetzungsmeeting ► Startup Incubator Berlin Tabelle 8: Beratungs- und Weiterbildungsangebote durch private und öffentliche Institutionen

In den Vertiefungsinterviews wird das Bild Netzwerk Zukunftsorte und dessen Unter- der Verwaltungs- und Beratungslandschaft stützung im Gründungsprozess und dar- konturiert und vervollständigt. Es sind oft e- über hinaus. her einzelne Akteurinnen und Akteure, wel- che die Bedeutung der Entwicklung markt- In diesem Zusammenhang ist es auch inte- orientierter Sozialunternehmen für Bran- ressant, nochmals auf den LEADER-An- denburg erkennen und begünstigen. So trag des MSU aus Ostprignitz-Ruppin ein- wird das Sozialunternehmen aus Ostprig- zugehen. Wie erwähnt kennt sich der So- nitz-Ruppin von der Kulturbeauftragten der zialunternehmer durch seinen beruflichen

MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 79

Hintergrund vergleichsweise gut aus mit tion und Bekanntmachung“ oder „Men- den Entscheidungsstrukturen und -prozes- schen finden, die verstehen was wir ma- sen hinter LEADER und ähnlichen Förder- chen möchten und warum, und die auch instrumenten. Auch ist sein Name einigen unterstützen möchten“ lassen vermuten, LAGs bekannt und er konnte seine Idee dass die Netzwerkarbeit für marktorien- noch vor Antragstellung entsprechend dis- tierte Sozialunternehmen in Brandenburg kutieren und bewusster platzieren. Neben nicht immer einfach ist. In den vertiefenden der Idee und dem Ort selbst wurden sein Interviews wird diese Vermutung jedoch e- persönliches Netzwerk und Know-how als her widerlegt als bestätigt. Alle vier Inter- Potenzial für die Region erkannt. Auch die viewpartnerinnen und -partner beschreiben Sozialunternehmerin aus Potsdam-Mittel- ihre Netzwerke in Brandenburg als sehr ak- mark weist darauf hin, dass Beratungsan- tiv und wachsend. Die Gründerin des Pots- gebote individualisiert sein müssen, da „[…] damer MSU berichtet, wie sie über das jeder Fall anders ist“. Dies bedeutet im Um- Gründerforum Potsdam wertvolle Kontakte kehrschluss, dass die bloße Standardisie- zu Akteurinnen und Akteuren mit passen- rung der Fördermittel- und Finanzierungs- den Interessen knüpfen konnte. Nach ihrer anträge problematische Seiten hat. Ein Mit- Beobachtung finden sich immer mehr Initi- glied der LAG Ostprignitz-Ruppin fasst dies ativen und Einzelunternehmen mit ähnli- in einer Rede während der Eröffnungsfeier chen Interessen zusammen, so dass sich des dort ansässigen MSU treffend zusam- in ihrer Region ein thematisches Cluster bil- men: „Hinter den Antrag zu schauen ist det. Der Sozialunternehmer aus Ostprig- eine Kunst, die nicht viele Menschen kön- nitz-Ruppin spricht über ein engagiertes nen, die schauen sich nämlich nur das Netzwerk mit viel gegenseitigem Respekt in Formblatt an und nicht, was hinter dem seiner Region. Er erklärt, dass sein MSU Formblatt ist“. Vieles, was sich in diesem ein klar formuliertes Profil hat, das sich von Zusammenhang auf unpersönlicher Ebene anderen Kulturschaffenden im regionalen abspielt, wird in den Interviews dement- Umfeld abhebt, um „[…] niemandem der sprechend weniger positiv betrachtet. Zwar schon was macht irgendwie auf die Füße gibt es auch für den LEADER-Antrag spe- [zu] treten“. Das Netzwerk Zukunftsorte zielle Beratungsstellen, jedoch scheinen wird mehrmals als aktiver Netzwerktreiber persönlicher Kontakt und gemeinsame In- und Anlaufstelle erwähnt. Kritisch werden teressen mit Akteurinnen und Akteuren an hingegen Internetplattformen zur Vernet- Schnittstellen die wichtigsten Zutaten zu zung gesehen, weil sie „nicht mit Leben ge- sein, um aus einer Gründung in Branden- füllt“ seien und daher nicht den gewünsch- burg ein Erfolgsrezept zu machen. ten Effekt erzielten.

Netzwerk Region Brandenburg

Gerade in geografisch weitläufigen Gebie- In den offenen Antworten der quantitativen ten wie Brandenburg ist das vorhandene Erhebung beziehen sich nur wenige Aussa- Netzwerk eine essentielle Unterstützungs- gen auf Vorteile und Herausforderungen struktur. In der quantitativen Erhebung ge- durch Brandenburg als Ganzes. Einmal ben ein Viertel aller befragten Gründenden wird die „schlechte Infrastruktur“ erwähnt, und MSU in Konsolidierung das Netzwerk dreimal wird auf Fachpersonalmangel hin- als Herausforderung an. Sätze wie „feh- gewiesen. Die vertiefenden Interviews ge- lende Netzwerke vor Ort“, „Mangel an Ak- ben deutlich mehr Aufschluss über die Be- zeptanz“, „Unterstützung bei Kommunika- deutung der Region für gründende MSU. In zwei der vier Fällen basiert die Gründung in

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Brandenburg auf einer persönlichen Ver- Informationsbeschaffung, ohne Raum für wurzelung in oder Vorliebe für die gewählte Austausch zu bieten. Netzwerke „[…] exis- Region. Sowohl das MSU in Märkisch- tieren nur als Internetplattform, aber die Oderland als auch das MSU in Ostprignitz- sind nicht mit Leben gefüllt. Das sind tote Ruppin betrachten die „Wiederbelebung Netzwerke, ist mein Empfinden. Es gibt ein der Provinzen“ als Potenzial und auch per- Netzwerk in Mecklenburg-Vorpommern, da sönliches Anliegen. Man möchte vermitteln bekomme ich regelmäßig Informationen, und bei den lokalen Bedarfen ansetzen: die machen ständig Veranstaltungen, um „[…] hier hat man noch Chancen, also hier die Kulturschaffenden auf dem Land zu ver- kann man auch noch etwas gestalten“ netzen, zu fördern, zu unterstützen. In (MSU01). In Hinblick auf ein diverses kultu- Brandenburg wirkt das alles sehr statisch, relles Angebot seien Städte wie Berlin und also wie gesagt, es gibt so zwei, drei Platt- Potsdam übersättigt. Der Unternehmer aus formen da kann man sich eintragen lassen Ostprignitz-Ruppin beschreibt den und dann ist es vorbei, das war es dann“ Wunsch, ein solches Angebot auch aufs (MSU03). Als motivierend schätzen Land zu bringen, wo das Publikum seiner Gründende Inkubationsangebote ein, weil Meinung nach auch vorhanden ist. Der vor- diese gemeinsamen Entwicklungen in der handene Raumwohlstand und die (noch) Gruppe ermöglichen. relativ günstigen Immobilienpreise spielten hierbei ebenso eine Rolle. 2) Die komplexe Geschäftsentwicklung von MSU, bei denen sich oft Kundinnen 5.4 Unterstützungsbedarfe und Kunden von Nutzenden der Leistung unterscheiden, bei denen häufiger im Team Die Unterstützungsbedarfe von MSU unter- als allein gegründet wird, bei denen man- scheiden sich nach dem Stand der Unter- che Handlungsoptionen aufgrund ökologi- nehmensentwicklung. Während es in der scher oder sozialer Werte nicht gehbar Skalierungsphase häufiger um die Finan- sind, erfordert auch komplexe Beratung. zierung größerer Entwicklungen und Pro- Der Großteil der befragten Gründenden jekte, Personalsicherung, Fördermittelver- wünscht sich fachkompetente, speziali- waltung und Wertschätzung der geleisteten sierte und werteverwandte Unterstützung. Arbeit für das Gemeinwohl geht, nennen Sie fühlen sich bei den etablierten Gründende häufiger die Themen lokale Gründungsberatungsstellen nicht verstan- Vernetzung, fachkundige und individuelle den oder zu standardisiert beraten. Beratung und Anschubfinanzierung. […] in dem formalen Verbandsystem gibt 1) Bei der Vernetzung geht es um den es eigentlich keine Leute, die sich für einen persönlichen Austausch auf lokaler Ebene, zuständig fühlen. Man fällt halt irgendwie der der Orientierung in der Förderland- nicht in den Geschäftsbereich der Handels- schaft, dem Know-how-Austausch im Be- kammer, man fällt aber auch nicht in diese reich Unternehmensaufbau, der Bildung typischen Gründungsberatungen. Also es von Allianzen und letztlich auch der gegen- gibt ja die Gründerlotsen in Brandenburg, seitigen Bestätigung von sinnstiftender Un- aber die können auch nichts mit einem an- ternehmenstätigkeit dient. Die meisten fangen, die sind dann so ‚wo ist denn der Gründenden wünschen sich niedrigschwel- Business-Plan‘. Und das hat man halt nicht lige Veranstaltungen wie Gründerstammti- und kann man auch nicht aufstellen und die sche oder wechselseitige Vorort-Austau- halten auch Fördermittel für kein valides sche. Digitale Netzwerke sind kaum vor- Geschäftsmodell. (MSU02) handen oder eignen sich eher für die

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Neben der MSU-affinen Beratung wün- schen Gründende häufig eine zentrale Ko- ordinierungsstelle. Die bestehende Bran- denburger Förderlandschaft – die im Bun- desvergleich sicher zahlreiche Gründungs- unterstützungsangebote bereit hält – wird als unübersichtlich und, bezogen auf Förderprozesse und Zugänge, schema- tisch empfunden.

3) Der Unterstützungbedarf im Bereich Finanzierung besteht in der zeitlichen Überbrückung zwischen Ausarbeitung des Geschäftsmodells und Vorbereitung der Unternehmensstruktur und den ersten Er- trägen der operativen Geschäftstätigkeit. Im Gegensatz zu gewerblich ausgerichte- ten Gründungen ist dieser Zeitraum auf- grund der Anforderungen an Rechtskon- struktionen von Teamgründungen und Ge- schäftsmodellen mit „doppelten Kunden“ (zahlende Kunden und Nutzende) wesent- lich länger. Als Anschubfinanzierung wer- den hier neben Projektförderungen auch Stipendien, Grundeinkommen und prämierte Gründerwettbewerbe genannt. Punktuell werden auch positive Erfahrun- gen mit Stiftungsfinanzierungen gemacht, weil diese mehr ergebnis- als prozessorien- tiert förderten.

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6. Marktorientierte Sozialunternehmen in der Skalierungsphase: Potenziale, Rahmen- bedingungen und Unterstützungsbedarfe

Haben sich Sozialunternehmen am Markt in der Erwartung, dass mehr Mitarbeitende etabliert und organisatorisch konsolidiert, mehr Wirkung entfalten. Eine zweite Strate- stellt sich die Frage nach der Skalierung ih- gie zielt auf die Verbreitung der Idee außer- rer Aktivitäten. Bei Sozialunternehmen ist halb des Sozialunternehmens (scaling of dies normativ mit dem Anspruch an die Lö- ideas), indem das Sozialunternehmen den sung sozialer Problemlagen und dem Er- eigenen Ansatz als Rollenmodell bekannt zielen gesellschaftlicher Wirkung verbun- macht und andere Organisationen zur den (Jansen 2013, S. 80). Wer gesell- Nachahmung anregt. Dees et al. (2004, S. schaftlich etwas verändern will, macht sich 28-30) sprechen hier von eine Dissemina- meist Gedanken darüber, wie der im Klei- tions-Strategie. Ein Mix aus beiden Ansät- nen erprobte Ansatz ausgeweitet und so zen ist die Affiliation-Strategie, bei der die größere gesellschaftliche Wirkung erreicht Idee von anderen Organisationen über- werden kann. Die Motivation für die Skalie- nommen und verbreitet wird, wobei diese rung unterscheidet sich dabei markant zwi- mehr oder weniger stark über Social fran- schen MSU und konventionellen Unterneh- chising oder Netzwerke mit dem initiieren- men. Ist die Skalierung bei herkömmlichen den Sozialunternehmen verbunden blei- Unternehmen meist motiviert durch die Ver- ben. Während diese drei Strategien auf besserung der Wettbewerbsposition und eine Verbreitung nach außen zielen die Erhöhung oder Sicherung der Rendite, (scaling out), geht es bei der vierten Strate- geht es MSU hauptsächlich um die Steige- gie um die Skalierung im Bestehenden rung der sozialen und gesellschaftlichen durch eine Verbesserung des Wirkungsmo- Wirkung. Dies kann auf vier unterschiedli- dells, eine bessere Adressierung der vor- che Arten angestrebt werden (vgl. Abb. 24). handenen Zielgruppe und bessere Sicht- Eine klassische Strategie ist die Vergröße- barkeit im existierenden (räumlichen) Um- rung der Organisation selbst, feld (scaling deep) (Schmitz/Scheuerle 2013b, S. 104).

Abbildung 24: Die drei Dimensionen von Sozialunternehmen (Darstellung entnommen EC 2015, S. VI)

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Mit dieser thematischen und begrifflichen MSU eher um eine Vergrößerung ihrer Or- Einordnung ist der Weg geebnet für eine ganisation, die Verbreitung ihres Ansatzes, nähere Untersuchung der Skalierungsstra- eine Ausweitung über Partnerunternehmen tegien marktorientierter Sozialunterneh- oder um eine Erhöhung ihrer Wirkung in- men in Brandenburg. Das Ziel ist es, aufzu- nerhalb des bestehenden Umfeldes? zeigen, welche Potenziale die Brandenbur- ger MSU für die Skalierung ihrer Aktivitäten Eher scaling deep als scaling out mitbringen, welche unterstützenden oder hemmenden Rahmenbedingungen sie Erste Indizien zur Art und Weise der ange- hierfür vorfinden und welche Unterstüt- strebten Skalierung lieferten die Ergeb- zungsbedarfe sich daraus ergeben. Ge- nisse der quantitativen Befragung zur ge- mäß diesen Zielsetzungen gliedert sich das planten Unternehmensentwicklung in den Kapitel in drei Abschnitte. Im ersten Teil Dimensionen Produktpalette, Umsätze, re- liegt der Fokus auf den unternehmerischen gionale Präsenz, Unternehmensgröße und Potenzialen zur Skalierung, im zweiten Teil Skalierung der Idee (vgl. Abschnitt 4.3). auf den sozioökonomischen und strukturel- Dort zeigte sich, dass in den kommenden len Kontextbedingungen und im dritten Teil drei Jahren jeweils mehr als zwei Drittel der auf den zusätzlichen Unterstützungsbedar- Sozialunternehmen eine Ausweitung der fen, die sich aus der Differenz zwischen Po- Umsätze und der Produktpalette anstre- tenzialen und Möglichkeiten ergeben. Em- ben, mehr als die Hälfte die geografische pirisch stützt sich die Darstellung haupt- Präsenz erweitern oder vertiefen will, jedes sächlich auf neun leitfadengestützte zweite Unternehmen als Organisation Experteninterviews, die wir mit Branden- wachsen will und jedes Dritte MSU den An- burger MSU in der Skalierungs- oder spä- satz jenseits des eigenen Unternehmens ten Konsolidierungsphase geführt haben skalieren will. Bezogen auf die vier Skalie- sowie ergänzend auf Daten der standardi- rungsstrategien deuten diese Ergebnisse sierten Befragung. Auswahlkriterien für die darauf hin, dass viele MSU zunächst an ein Vertiefungsinterviews waren neben der integriertes Wachstum in den bisherigen fortgeschrittenen Phase der Unterneh- Grenzen denken (scaling deep), einige mensentwicklung das Tätigkeitsfeld, die auch an eine Vergrößerung der eigenen Rechtsform und die geografische Lage im Reichweite und der eigenen Struktur und Land Brandenburg. Das Sample sollte die nur wenige an eine Skalierung des eigenen unterschiedlichen Ausprägungen dieser Ansatzes jenseits der eigenen Organisa- Kriterien in der Grundgesamtheit in groben tion (Disseminations-Strategie). Dieser Ein- Zügen abbilden. druck findet sich in den Vertiefungsinter- views weitgehend bestätigt. Die meisten 6.1 Skalierungspotentiale der MSU in der Skalierungsphase setzen auf Sozialunternehmen eine Verbesserung ihrer Wirksamkeit in den bisherigen organisatorischen und sozi- Knapp jedes dritte MSU in Brandenburg be- alräumlichen Dimensionen, wie das fol- findet sich nach eigener Auskunft in der gende Zitat beispielhaft zeigt: Skalierungsphase (vgl. Abschnitt 4.1). Un- geachtet dieser Zuordnung stellt sich die Wo wir hin wollen ist eigentlich, dass wir sa- Frage, in welchem Maß die Sozialunter- gen, okay, das was wir tatsächlich machen, nehmen tatsächlich eine Skalierung anstre- entfaltet zunehmend eine größere Wirkung. ben und welcher Art diese ist. Geht es den Und wenn ich jetzt mit einer Mitarbeiterin

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[…] das schaffen würde, die gesamte Lau- dass der eigene Ansatz von anderen Orga- sitz zu bespielen, weil sie ein Tool hat, was nisationen in der Region adaptiert wird. auch nur 10 Euro kostet, dann wäre mir das Durch ihr Beispiel sollen die Strukturen jen- relativ egal. Dann würde ich auch mit einer seits der eigenen Organisation gestärkt einzelnen Personalstelle happy sein, wenn werden („Aber wachsen als Verein müssen man damit tatsächlich schafft, eine große wir nicht, die Struktur um uns herum muss Wirkung in der Region zu entfalten. wachsen, aber nicht wir selbst“, MSU07). (MSU08) Insgesamt sind die Skalierungsambitionen Bereits deutlich seltener begegnen wir der Brandenburger MSU eher moderat. MSU, welche für die Skalierung ihrer Wir- Zwar strebt kein Sozialunternehmen eine kung auf die organisationale Wachs- Reduzierung der eigenen Geschäftsaktivi- tumsstrategie setzen. Diese wird in den be- täten an. Aber ambitionierte Wachstums- obachteten Fällen von Unternehmen ver- ziele verfolgt nur eine Minderheit der MSU folgt, welche ambitionierte Wachstums- in der Skalierungsphase. Was sind die pläne vorantreiben. Um diese organisato- Gründe für die insgesamt eher verhaltenen risch zu bewältigen, sind mehr Mitarbei- Wachstumsabsichten? In Bezug auf die tende erforderlich. Organisationales Möglichkeiten der Organisationen selbst Wachstum wollen diese Sozialunterneh- finden wir in den Vertiefungsinterviews vor men aber nicht als Ziel, sondern als Mittel allem drei Hinderungsgründe: die starke zum Zweck der Wirkungssteigerung bei be- Verbundenheit mit einer bestimmten Re- stimmten Zielgruppen verstanden wissen gion oder einem speziellen Ort, die Ableh- („Der Zweck des Wachstums ist nicht, dass nung von expansiven Wachstumsvorstel- wir wachsen, sondern dass wir mehr Kinder lungen und die limitierten Kapazitäten der erreichen, vor allem“, MSU06). Unternehmen.

Auf die Affiliation-Strategie stoßen wir dem- Bindung an Raum und Ort gegenüber bei Sozialunternehmen, die ih- ren Ansatz in andere, formal selbständige Die Ortsgebundenheit als Hemmschuh für Organisationen diffundieren lassen, mit de- Skalierungsambitionen zeigt sich in den nen sie über eine Dachorganisation oder Vertiefungsinterviews in zwei Ausprägun- über Netzwerke verbunden bleiben. Die gen. Im ersten Fall beschränken MSU den Verbreitung des Ansatzes wollen diese Un- eigenen Wirkungskreis auf bestimmte Re- ternehmen fördern, aber nicht selbst steu- gionen in Brandenburg, welchen sie sich bi- ern („Unsere Idee ist, dass [wir] das, was ografisch und sozial verbunden fühlen. Ihre wir hier machen, eher in so ein Netzwerk Wirkungsabsichten sind auf diesen Bereich speisen wollen und dass dieses Netzwerk beschränkt, eine praktische und ideelle Ex- dann auch wieder an uns zurück kommuni- pansion über dieses Gebiet hinaus ist nicht ziert. Und dass man dadurch dann irgend- vorgesehen („Ich glaube, wenn [du] einen wie so eine Art Wachstum erzeugt, jetzt Betrieb […] hochwertig führen willst, und nicht in der eigenen Struktur“, MSU11). Sel- dazu zählt einfach auch eine familiäre tener stoßen wir in Brandenburg auf Sozi- Struktur, dann brauchst du nicht über dei- alunternehmen, welche sich ganz von der nen Sozialraum hinweg“, MSU07). In ande- Idee gelöst haben, den eigenen Ansatz or- ren Fällen ist der sozialunternehmerische ganisatorisch zu begleiten. Diese bringen Ansatz an einen besonderen Ort oder ein beispielsweise neue Ideen in die Gemein- besonderes Gebäude gebunden, welche wesensarbeit ein und arbeiten darauf hin, für Skalierungsabsichten nicht replizierbar

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sind. Dabei handelt es sich vielfach um Co- (MSU11). Oft sehen die MSU die Potenzi- Working-Spaces, Seminarhäuser und Ar- ale ihres gegenwärtigen Geschäftsmodells beitsresidenzen, für welche die Unterneh- noch nicht ausgeschöpft. Diese richtig zu men leerstehende Gutshöfe, Plattenbauten nutzen und ein selbsttragendes Unterneh- oder Forsthäuser in malerischen Umge- men zu etablieren, ist das naheliegende bungen zu neuem Leben erweckt haben. Ziel. Der Unternehmenszweck ist an die Schaf- fung und Unterhaltung dieser besonderen Ressourcen der Organisation reichen Orte gebunden, auch wenn sich die Unter- nicht aus nehmen über das pure Vermieten von Räumlichkeiten hinaus Ziele mit gesell- Viele MSU in Brandenburg stehen vor dem schaftlichem Mehrwert auf die Fahnen Dilemma, für einen auskömmlichen Ge- schreiben, darunter das Fördern neuer Ar- schäftsbetrieb die Aktivitäten und Umsätze beitsmodelle, ökologische Nachhaltigkeit, ausweiten zu müssen, für diese Auswei- gesunde Ernährung oder Inklusion durch tung aber nicht genügend Ressourcen auf- künstlerische Verfahren. bringen zu können. Um die erforderlichen Mittel zu erwirtschaften, wären diese aber Qualität statt Quantität bereits erforderlich – ein Teufelskreis. Das Dilemma zeigt sich sehr plastisch bei der Ein zweiter Hemmschuh für die Skalierung Vorfinanzierung von Projektmitteln. Um das geschäftlicher Aktivitäten ist eine wieder- Sozialunternehmen im Zuge größerer öf- kehrende Skepsis gegenüber Wachs- fentlich finanzierter Projekte skalieren zu tumsstrategien an sich. Zwar wird die Erhö- können, müssten Summen vorfinanziert hung der sozialen und gesellschaftlichen werden, über welche die meist kleinen So- Wirkung angestrebt. Erreicht werden soll zialunternehmen nicht verfügen: das aber eher durch ein qualitatives Wachstum innerhalb der bestehenden Und wenn man tatsächlich Sachen skalie- Strukturen als durch expansives Wachs- ren will und im größeren Rahmen agieren tum. Auf die Frage nach einer Skalierung will, und wir reden jetzt mal meinetwegen mit oder ohne Organisationswachstum ant- nicht nur von 50.000, sondern von 500.000 wortet ein Sozialunternehmen: „Auf jeden oder fünf Millionen Euro, und ich muss also Fall ohne Wachstum, weil bei uns geht es davon mindestens ein Fünftel vorfinanzie- ja viel mehr um Qualität als um Quantität ren, dann frage ich mich, wie das funktio- absolut, da haben wir [uns] auch schon im- nieren soll. (MSU08) mer für ausgesprochen“ (MSU07). Ein an- deres Sozialunternehmen beschränkt die Neben den eingeschränkten finanziellen Skalierungsabsichten auf eine Intensivie- Ressourcen ist auch die im Alltagsgeschäft rung und Diversifizierung der eigenen An- gebundene und überlastete Arbeitskraft ein gebote und begründet das „[…] mit diesem Hinderungsgrund für mehr Skalierungsam- Suffizienzgedanken. Also wir haben gar bitionen. Die Arbeit vieler Sozialunterneh- nicht so einen Expansionsgedanken. Wir merinnen und Sozialunternehmer ist von sind eine kleine Struktur und diese Kleinheit Überlastung und Selbstausbeutung ge- ist unheimlich wichtig für diesen Ort. Also, prägt. Die Arbeitskraft reicht kaum aus, das dass da nicht im Jahr irgendwie 200.000 tägliche Geschäft zu bewältigen: „Uns frisst Leute durchgeschleust werden, sondern, quasi diese praktische, also dieses hand- dass es sich halt einfach rumspricht“ werkliche, dieses ständige Bauen auch,

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frisst uns halt komplett auf“ (MSU10). Ent- empfundene Unterstützung durch Bran- sprechend gibt es kaum Reserven für das denburger Politikerinnen und Politiker (vgl. Entwickeln neuer Ideen und das Betreiben Abschnitt 4.7). In den Vertiefungsinterviews strategischer Planungen. Ein wiederkeh- differenziert sich das Bild aus, wobei grob render Wunsch ist in diesem Zusammen- gesagt die Landespolitik tendenziell als et- hang die Möglichkeit, für eine gewisse Zeit was unterstützender und die politischen Eli- eine Personalstelle gefördert zu bekom- ten in den Landkreisen und Kommunen als men, welche den Rücken für das Entwi- etwas bremsender wahrgenommen wer- ckeln neuer Ideen und Strategien freihalten den. Die eher positiven Beurteilungen der könne. Zum ganzen Bild gehört aber auch Landespolitik beziehen sich auf politische der Verweis darauf, dass es bei einigen und thematische Schwerpunktsetzungen, MSU an Ressourcen im Sinne von Know- nicht auf den Stellenwert, den Sozialunter- how mangelt. Die Geschäftsentwicklung ist nehmen auf der politischen Agenda haben. von sich ergebenden Chancen und Oppor- Gelobt wird zum einen die Unterstützung tunitäten geprägt und nicht von strategi- der Brandenburger Politik im Bereich de- scher Planung. Möglichkeiten zur Vorfinan- mografischer Wandel, genauer die Unter- zierung über Darlehen oder gar Sozialin- stützung von Rückkehrendeninitiativen vestoren werden nicht gesehen. („Ich bin ja eigentlich relativ zufrieden mit der Landespolitik […] so was die Staats- 6.2 Rahmenbedingungen für kanzlei und so […], die sind schon sehr auf- die Skalierung merksam zu uns gewesen“, MSU07). Zum anderen werden Hoffnungen in einen Für die Ausweitung der sozialunternehme- Wechsel der Landwirtschaftspolitik hin zu rischen Aktivitäten und ihrer Wirkung in die mehr ökologischem Landbau gesetzt („Da Gesellschaft braucht es nicht nur leistungs- habe ich aber eben gerade auch Hoffnung, fähige MSU mit skalierungsfähigen Ge- weil ja durch [den] Regierungswechsel und schäftsmodellen, sondern auch geeignete aktuelle Diskussion zu einem Agrarstruktur- Rahmenbedingungen im Land Branden- gesetz da und eben auch ambitionierte burg. Während unseren Forschungen Ziele jetzt, die im Koalitionsvertrag stehen, zeigte sich, dass diese von den Sozialun- Förderung des Ökolandbaus, Förderung ternehmerinnen und -unternehmern kontro- von Gründung und so weiter und so fort, vers diskutiert werden. Die Wortmeldungen das ist wirklich, also ich würde fast sagen, verdichten sich in den vier Themenfeldern ein Paradigmenwechsel“, MSU09). (1) Unterstützung in Politik und Verwaltung, (2) Zugang zu Fördermitteln, (3) Rahmen- Durchwachsen fällt das Fazit mit Blick auf bedingungen für marktorientierte Inklusi- die politischen Eliten in den Kreisen und onsbetriebe und (4) sozioökonomische Kommunen aus. In einzelnen Fällen berich- Umfeldbedingungen. ten Sozialunternehmen von Unterstützung durch lokale Bürgermeisterinnen und Bür- Unterstützung in Politik und Verwal- germeister sowie gute Kontakte zur Regio- tung: Zwischen politischem Willen und nalpolitik. Ein MSU aus dem Landkreis bürokratischen Hürden Oberhavel stieß mit seinem Geschäftsmo- dell zunächst auf Skepsis, konnte sich aber Die schlechte Schulnote für die politische durch Kontaktpflege ein gutes Standing in Lobby von Sozialunternehmen gibt einen der Lokal- und Regionalpolitik aufbauen ersten Hinweis auf eine nicht als optimal (MSU13). Sozialunternehmen aus Mär-

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kisch-Oderland und Oberspreewald-Lau- Initiativen behindert statt unterstützt wer- sitz erleben indes vielfach ein lokales Es- den. Das hat zunächst mit einem Machtun- tablishment, das eingrenzt statt ermöglicht, gleichgewicht der öffentlichen Hand als autoritär agiert und an überkommenen Vor- Leistungsträger und Fördermittelgeber zu stellungen festhält, wie das folgende Zitat tun. Während auf diese Schwierigkeit in anschaulich zeigt: den folgenden Abschnitten zu Fördermit- teln und Inklusionsbetrieben näher einge- Die Grundsatzprobleme, auf die man halt gangen wird, sei hier ein näherer Blick auf immer wieder stößt, sind tatsächlich die eine – aus Sicht der Sozialunternehmen – klassischen Probleme, dass […] sowohl auf mangelnde Offenheit und Flexibilität der der kommunalen Ebene wie auch auf der Behörden für sozialunternehmerische Akti- Kreisebene und noch weiter oben, ganz oft vitäten geworfen. Dieser begegnen wir im eben noch Menschen sitzen, die in den Bereich nachhaltige Regionalentwicklung 70er und 80er Jahren sozialisiert wurden. und Gründungshilfe, aber auch in der Ge- Die ein komplett anderes Verständnis von meinwesensarbeit. Dazu ein Beispiel: Ein Entwicklung haben, die halt tatsächlich mit Sozialunternehmen will anlässlich 30 Jahre einem Bild von Industriearbeitsplätzen im- Wiedervereinigung einmalig in einem Frei- mer noch jetzt 30 Jahre später durch die luftkino die Langzeitdokumentation „Die Lande ziehen oder das alleinige Heil der Kinder von Golzow“ zeigen. Die einset- Region dann vielleicht noch im Tourismus zende Verwaltungsbürokratie ließ die So- sehen. […] Wenn man halt dann wirklich zialunternehmerin den Plan jedoch wieder mit partizipativen Ansätzen Wirtschafts- aufgeben: und Regionalentwicklung machen will, dann werden die Hände oft gehoben und Wir mussten für ein mögliches Autokino ei- man merkt halt, dass das nicht wirklich ge- nen Verwaltungsakt durchlaufen – ich bat wollt ist, sondern man möchte dann lieber ausdrücklich um unbürokratische Durch- die Entscheidungshoheit behalten, seine führung dieses Events, es war ein einmali- eigenen Ideen durchsetzen und dann wer- ges, kein kommerzielles – ich wäre damit den halt die Interessen von denjenigen be- über zwei Wochen beschäftigt gewesen. dient, die schon immer an den Töpfen sa- Das Veterinäramt hat angerufen, das Ge- ßen. (MSU08) sundheitsamt, und nicht nur, nicht nur Corona bedingt, ja, sondern einfach die Marktorientierte Sozialunternehmen, wel- wollten die Zufahrtregelung und, und, und, che mit neuen Ideen etwas verändern und und da fehlen einfach, also die machen die den gesellschaftlichen Wandel vorantrei- [Klein-]Städte ja auch bewusst tot, ja, die le- ben wollen, fühlen sich in einem solchen gen die lahm mit ihren Auferlegungen. […] politischen Umfeld ausgebremst. Ziel Da fehlt so ein bisschen die Flexibilität, müsse es daher sein, zusammen mit „[…] dass man sagt, okay, wir wollen hier junge Leuten die so ticken wie wir, die in unserem Leute, und du siehst ja, in manchen Dörfern Alter sind, einfach das Establishment wo, wo man auch mal ein Auge zudrückt da ab[zu]lösen“ (MSU07). sieht es auch wesentlich lebendiger aus. (MSU07) Ein wiederkehrender Eindruck ist, dass Be- hörden nicht partnerschaftlich auf Augen- Das Scheitern der sozialunternehmeri- höhe mit Sozialunternehmen agieren, die schen Initiative steht hier beispielhaft für Arbeit der Unternehmen wenig Wertschät- eine geringe Sensibilität für unternehmeri- zung erfährt und sozialunternehmerische

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sches und zivilgesellschaftliches Engage- Agentur für Kultur und Kreativwirtschaft und ment, das durch Verwaltungshandeln er- andere Institutionen gut beraten und spre- stickt statt ermöglicht wird. Der Bogen lässt chen gar von einer „Überberatung“ sich weiter spannen zu den wiederkehren- (MSU09). Allerdings differiert der Zugang den Klagen über eine zunehmende „Rege- zu Fördermitteln stark zwischen den Tätig- lungswut“ etwa beim Brand- und Denkmal- keitsfeldern und Rechtsformen. Sozialun- schutz, die insbesondere Sozialunterneh- ternehmen aus dem Kunst- und Kreativbe- men mit Co-Working- und Seminar- reich zeigen sich mit den Angeboten insge- angeboten belasten. Da diese Herausfor- samt zufrieden, Unternehmen im Bereich derungen jedoch nicht spezifisch Sozialun- ökologische Landwirtschaft oder Bildung ternehmen betreffen, soll diese Problematik für nachhaltige Entwicklung sehen einen hier nur angedeutet werden. eklatanten Mangel („Das ist unter aller Sau, ehrlich gesagt“, MSU09). Auch Sozialunter- Zugang zu Fördermitteln nehmen ohne Gemeinnützigkeitsstatus se- hen sich oft erfolglos nach Fördermöglich- Bei vielen MSU sind Fördermittel ein wich- keiten um. tiger Bestandteil des Einnahmemixes. So etwa bei dem Sozialunternehmen, das im Anders als Inhalt und Breite der Fördermit- ländlichen Raum eine Künstlerinnen- und telangebote sind die Förderrichtlinien des Künstlerresidenz betreibt und neben den Landes Brandenburg Gegenstand imma- Erlösen aus Übernachtungen Einnahmen nenter Kritik. Die Voraussetzungen für die über das Bearbeiten öffentlich finanzierter Beantragung und Abrechnung seien sehr Projekte generiert. Fördermittel sind für hoch („Die Hürden, die dort aufgebaut wur- viele Sozialunternehmen gleichzeitig Se- den über die ILB an EU-Mittel ranzukom- gen und Fluch. Sie ermöglichen wichtige men, sind einfach utopisch hoch und für Einnahmen und die Beschäftigung mit The- das normal sterbliche Unternehmen fast men, die als interessant und relevant emp- nicht zu leisten“, MSU08). Nicht wenige So- funden werden. Gleichzeitig regulieren und zialunternehmen schrecken daher vor der binden diese Projekte einen Großteil der Beantragung zurück, wie das folgende Zitat Arbeit, so dass oft wenig Zeit für Weiterent- in deutlichen Worten zeigt: wicklung bleibt. Also LEADER wollen wir nicht mehr anfas- Die Fördermittellandschaft, auf welche sen […] Und ich meine die Kriterien wie MSU zurückgreifen können, ist ausgespro- Fördermittel zu stellen sind, die macht ja je- chen divers. Im offenen Antwortfeld der des Land für sich selbst […] Aber das finde standardisierten Befragung werden fast so ich echt abschreckend, das macht über- viele unterschiedliche Fördermittelgeber haupt keinen Spaß, also dann können wir genannt, wie Sozialunternehmen auf diese lieber mal drei große Partys machen, ha- Frage geantwortet haben. Sie reichen von ben wir irgendwie mehr als wenn wir ewig Mitteln aus verschiedenen Ministerien und so diese kleinteiligen Projektförderungen Landkreisen, über ESF-, ELER- und LEA- abrechnen. (MSU07) DER-Förderungen, Lotto-Mittel, Zuwen- dungen aus dem Fond darstellender Künst- Einige Sozialunternehmen gehen davon ler bis hin zu Mitteln von diversen privaten aus, dass in Brandenburg viele "EU-Gelder Stiftungen. Manche Sozialunternehmen überhaupt nicht abgerufen werden" fühlen sich in dem Fördermitteldschungel (MSU04) und sehen dies als Folge des auf- überfordert, andere sehen sich durch die

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wändigen Antrags- und Abrechnungspro- Darüber hinaus wird von der paradoxen Si- zederes. Auch wenn dies sachlich nicht im- tuation berichtet, dass Sozialunternehmen mer richtig ist, sollten solche Aussagen als für die Nutzung bestimmter Fördermittel mit Indikator für eine gewisse Unzufriedenheit hohen Geldsummen in Vorleistung gehen mit der Förderlogik in Brandenburg gelesen müssen. Gemeinnützige Sozialunterneh- werden. Dies zeigt sich auch in der Kritik, men könnten das aber nicht leisten, da das dass viele Richtlinien darauf setzen, Neues Bilden von finanziellen Rücklagen mit die- hervorzubringen. Dieses würde aber in der sem Status nicht möglich ist (MSU06). So- Folge keine Anwendung finden, da Folge- zialunternehmen mit finanziellen Reserven, projekte nicht auf zuvor entwickelten Lö- aber ohne Gemeinnützigkeitsstatus wiede- sungen aufbauen, sondern wiederum auf rum können die Fördermittel ebenfalls oft neuartige Lösungen setzten. Das sei über- nicht beantragen, da die Gemeinnützigkeit haupt nicht nachhaltig (MSU11). hierfür eine Voraussetzung ist (MSU08). Derartige Probleme könnten aber nicht dis- Die Hauptadressatin des wiederkehrenden kutiert werden, ergänzt ein anderes MSU. Ärgers über die Ausgestaltung und Abwick- Man habe mit der ILB in Dialog treten wol- lung der Förderrichtlinien ist die Investiti- len, um Förderrichtlinien „[…] ein bisschen onsbank des Landes Brandenburg (ILB). näher an der Realität zu strukturieren“ Dieser würde oft das inhaltliche Verständ- (MSU11). Daraus habe sich ein Konflikt nis speziell für Sozialunternehmen im entwickelt, an dessen Ende sich die Sozial- Kunst- und Kreativbereich fehlen (MSU11). unternehmer fühlten wie "das kleinste Räd- Das elektronische Beantragungs- und Ab- chen an dem ganzen Ding" und die Epi- rechnungssystem sei „altertümlich“ und be- sode als "krasse Machterfahrung" be- hindere die Antragstellung. Ein MSU be- schreiben (MSU11). richtet, dass es sich extra einen Laptop mit einem alten Betriebssystem besorgt habe, Der konkrete Fall kann hier nicht beurteilt um das Fördermittelportal der ILB bedienen werden, er verweist aber auf ein als gestört zu können (MSU13). Ein anderes MSU ver- empfundenes Miteinander, das in mehre- misst in diesem Zusammenhang die de- ren Gesprächen angesprochen wird. Als zentrale Verwaltung von EU-Mitteln „über Fördermittelempfänger müsse man sich „ir- die lokalen Landesämter“, die es in der Ver- gendwie immer beweisen“ und für das gangenheit gegeben habe. Die ILB agiere empfangene „Geld rechtfertigen“ (MSU07). hingegen zentral und kenne die lokalen Verhältnisse nicht: Häufig wird auf das nahe gelegene Berlin verwiesen, wo man sich derartige Konflikte Jetzt mit der ILB muss man sagen, die ken- nicht vorstellen könne (MSU05). Vor die- nen halt die Situation der Akteure vor Ort sem Hintergrund plädieren mehrere Ge- nicht wirklich und da herrscht unheimliche sprächspartnerinnen und -partner für einen Angst und Unsicherheit, auch bei den Mit- stärkeren Dialog zwischen den Fördermit- arbeitern. Das merkt man halt auch als An- telgebern und -empfängern. tragsteller, dass also dort mit einer sehr großen, nahezu schon Angst entschieden wird und man sich sehr, sehr, sehr strikt an irgendwelche Vorgaben hält und damit ei- gentlich das Leben für den Projektträger vor Ort unheimlich schwer macht. (MSU08)

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Rahmenbedingungen für marktorien- Beschäftigungsquote von Schwerstbehin- tierte Inklusionsbetriebe derten. Gerade im ländlichen Raum seien diese oft gar nicht mehr zu finden – hier Auch zahlreiche Inklusionsbetriebe erfüllen müssten die Ämter stärker die Arbeits- die Kriterien für marktorientierte Sozialun- marktlage berücksichtigen und beispiels- ternehmen. Unternehmen wie die Hoff- weise mittels Übergangsphasen mehr Fle- nungstaler Werkstätten beschränken sich xibilität zeigen (MSU12). nicht auf das Erledigen von Auftragsarbei- ten, sondern entwickeln eigene Produktli- Für die Inklusion behinderter Menschen nien wie die Molkereiprodukte Lobetaler könne vom Land ebenfalls noch mehr ge- Bio, die sich als Marke erfolgreich etabliert tan werden. Das beginne damit, dass Be- und dafür auch den Brandenburger Innova- hinderte neben dem Arbeitsentgelt in den tionspreis erhalten haben. Aus dem Feld Inklusionsbetrieben von verschiedenen der MSU stechen die Inklusionsbetriebe Ämtern Unterstützung bezögen. Das ma- durch ihre vergleichsweise großen Mitar- che sie unnötig zu Almosenempfängern. beiter- und Umsatzzahlen hervor. Die Rah- Wenn stattdessen die Leistungen über die menbedingungen der Inklusionsbetriebe Werkstätten zentral als Gehalt an die Be- unterscheiden sich zum Teil von den ande- hinderten ausgezahlt würden, wäre das de- ren MSU, weshalb diese hier gesondert be- ren Selbstbewusstsein unheimlich zuträg- leuchtet werden. lich (MSU05). Neben dem Einsatz in der ei- genen Produktion bilden die In den qualitativen Interviews wird die Pro- Inklusionsbetriebe behinderte Menschen fessionalität der Inklusionsbetriebe bei der auch für den Übergang in den Arbeitsmarkt Erbringung gesellschaftlich wichtiger Leis- aus. Nach zwei Jahren beruflicher Grund- tungen für Menschen mit Behinderung be- ausbildung würden diese aber keinerlei An- tont. Jedoch habe man das Gefühl, dass erkennung oder Zertifikat erhalten, um sich das so von den Behörden im Land und in bewerben zu können. Gebraucht werde die den Landkreisen nicht gesehen und wert- Anerkennung eines einfachen Abschlusses geschätzt werde: „Und da würde ich mir als Fachwerker oder ähnlichem, um den wünschen, dass es da ein bisschen mehr Menschen überhaupt die Chance auf einen auch eine partnerschaftliche Begegnung beruflichen Übergang zu geben. Für den gibt und einen entsprechenden Austausch, Schritt in den Arbeitsmarkt müsse es insge- und nicht rein dieses ‚leisten und bezahlen‘- samt mehr Offenheit bei den Unternehmen Thema im Vordergrund steht“ (MSU05). In- und Institutionen im Land für die Beschäfti- klusionsbetriebe arbeiten oft in verschiede- gung von Menschen mit Beeinträchtigun- nen Kreisen und Städten des Landes. Hier gen geben (MSU05). würde der Föderalismus die Arbeit der Un- ternehmen unnötig erschweren, zum Bei- spiel, wenn in jedem Kreis eigene Kostens- ätze gelten: „Das heißt also, eine Rege- lung, die getroffen wird gilt bei einem und dann gibt es aber noch 59 andere Regelun- gen, das heißt, man kann den Bedingun- gen kaum nachkommen, weil sie so indivi- duell sind“ (MSU05). Erschwerend hinzu kämen zu starre Regelungen, etwa bei der

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Sozioökonomische Umfeldbedingun- Wir haben ja hier nicht so besonders viele gen kreative Berufe, das ist einfach alles relativ solide, das ist Verkauf, viel Handwerk, und Zum Gedeihen von MSU tragen weitere so- dann hast du noch Lehrer, Lehrerinnen, Al- ziale, ökonomische und ökologische Um- tenpflege so. Und dann hast du eben diese feldbedingungen bei. Als begünstigende freiwilligen Aufgaben, Kultur, Jugendsozial- Faktoren werden die landschaftliche arbeit, Jugendclubs, Jugendeinrichtungen, Schönheit, die Abgeschiedenheit mancher also das was auch so ein bisschen als Hal- Landstriche und der „Raumwohlstand“ ge- ligalli immer verstanden wird, hat einfach ei- sehen (MSU07). Dieser wurde als Folge nen schlechten Ruf, die denken ihr seid So- von Leerständen und Unternutzung lange zialschmarotzer, ihr lebt von Steuergeldern, Zeit als Ballast empfunden, drängt nun aber wir sind ja unsozial, ich glaube da fehlt es zunehmend als Potenzial ins Bewusstsein. auch an Aufklärung. (MSU07) Tatsächlich erweisen sich Raumwohlstand, Ländlichkeit und landschaftliche Schönheit Sozialunternehmen, die aus Berlin ins länd- als Zutaten für die Geschäftsmodelle vieler liche Brandenburg kommen – die Sozialun- Sozialunternehmen. Diese haben leerste- ternehmerin spricht im Scherz von den hende Gebäude zu Co-Working-Spaces, „Speckwürfeln“ – hätten es als sozial Tätige Seminarhäusern und Veranstaltungsorten und Auswärtige vor Ort oft besonders umgebaut und locken gestresste Großstäd- schwer. Diesen Eindruck finden wir in an- terinnen und Großstädter mit ländlichen Ar- deren Interviews indes nur zum Teil bestä- beits- und Wohnumfeldern in die Branden- tigt. Gesprächspartnerinnen und -partner, burger Peripherie. die als Rückkehrende ein Sozialunterneh- men gegründet haben, fühlen sich sozial Diesen begünstigenden Bedingungen ste- gut integriert. Zugezogene Sozialunterneh- hen zahlreiche Hemmnisse gegenüber, da- men haben hingegen oft nur begrenzten runter das Fehlen privater Stiftungen und Austausch mit den Alteingesessenen („Ich ein unterentwickeltes Ehrenamtswesen glaube da geht es auch schnell darum, (MSU06). In vielen Regionen Branden- dass man irgendwie in gewisser Weise burgs gebe es zu wenige Leute „die mitma- seine Ruhe hat“, MSU10). chen“ (MSU07). Das falle beispielsweise im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen auf, wo Eine Herausforderung ganz anderer Art ist man mehr Freiwillige für Aufgaben in der der geringe Besatz mit Unternehmen im ökologischen Landwirtschaft gewinnen verarbeitenden Gewerbe. Dieser wird zum könne. In Brandenburg profitiere man von einen von Inklusionsbetrieben bemängelt, engagierten Gruppen, die aber nicht regel- welche hierdurch schwer an Aufträge in der mäßig in weit entfernten Regionen einge- Auftragsfertigung gelangten und auch setzt werden könnten (MSU06). Hier wirke kaum Unternehmen fänden, an welche die ungenügende Infrastruktur im ländli- ausgebildete Menschen mit Behinderun- chen Brandenburg zusätzlich hemmend. gen vermittelt werden könnten (MSU05). Züge seien unzuverlässig, der Internetaus- Zum anderen wirkt sich das Fehlen verar- bau hinke hinterher (MSU07). Teilweise lei- beitender Betriebe auch negativ auf An- den Sozialunternehmen auch unter einer strengungen zur Schaffung regionaler geringen sozialen Akzeptanz im ländlichen Wertschöpfungsketten aus. Ein Sozialun- Raum. Schnell hafte ihnen der Stempel als ternehmen, das auf die Stärkung solcher „Linke, Alternative, Hippies, Ökos an“ Wertschöpfungsketten spezialisiert ist, fin- (MSU07). Und weiter: det in Brandenburg kaum Betriebe für die

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Weiterverarbeitung ökologisch hergestell- Das gegenwärtige Verfahren sei nicht ziel- ter Lebensmittel, obwohl mit Berlin ein rie- führend, da die Fördermittel oft nicht im siger Absatzmarkt für diese Produkte vor Verhältnis zur aufgewendeten Zeit für die der Haustür liegt („Erstaunlicherweise, weil Antragstellung und Abwicklung stünden. der Bedarf von Berlin aus, der ist, vielmehr Insbesondere für MSU habe sich die ILB aus Brandenburg auch zu beziehen. Aber als wenig kompetent erwiesen, eine Rück- die Struktur, die Logistik, die Märkte, die kehr zur dezentralen Fördermittelverwal- Verarbeitung, also Getreidemühlen, et tung über die Landesämter sei aufgaben- cetera sind einfach nicht da“, MSU09). gerechter. Für Inklusionsbetriebe wäre es eine große Entlastung, könnten diese über 6.3 Unterstützungsbedarfe eine Leistungsvereinbarung mit dem Land einheitliche Kostensätze abrechnen, statt In der Zusammenschau aus den Vertie- mit jedem Kreis separat kalkulieren zu müs- fungsinterviews und Angaben in der stan- sen. Mit Blick auf Genehmigungsverfahren dardisierten Befragung lassen sich sechs von Bauvorhaben werden eine Reduzie- Bereiche identifizieren, in welchen die MSU rung von Anforderungen und unverhältnis- in der Skalierungsphase Unterstützungsbe- mäßigen Auflagen durch das Bauord- darfe nennen: nungsamt sowie eine Beschleunigung an- gemahnt. 1) Ein zentrales Thema in fast allen Inter- views ist eine stabile Finanzierung. Hierfür 3) Daran schließt der Bedarf an eine bes- sei eine institutionelle Förderung oder sere finanzielle und rechtliche Zugäng- eine Art Grundeinkommen für Soziallunter- lichkeit zu Fördermitteln und eine ver- nehmen der Idealfall, auch wenn vielen be- besserte Ausgestaltung der Förderricht- wusst ist, dass „institutionelle Förderung im linien an. Um mehr MSU den Zugang zur Fördersystem eher ein Schimpfwort ist“ Förderung zu ermöglichen, müsste entwe- (MSU09). Jedoch würde diese den MSU der die Pflicht zur Vorfinanzierung für ge- den Rücken frei halten für die Entwicklung meinnützige Unternehmen fallen oder in die neuer Ideen, Angebote und Skalierungs- Förderrichtlinien Lösungen für den Zugang strategien. Bei der „kurzatmigen Projektför- zu Darlehen integriert werden, z.B. über die derung“ (MSU11) gehe hingegen jedes Mal GLS-Bank und die ILB als Bürge. Auf diese Know-how verloren, sei es durch eingear- Weise wären gemeinnützige MSU viel eher beitete Mitarbeitende, die nicht gehalten in der Lage, ihre Aktivitäten zu skalieren. werden können, sei es durch die Entwick- Für nicht gemeinnützige MSU oder Sozial- lung neuartiger Ideen, die mit dem Ende unternehmen in kommunaler Trägerschaft der Projektförderung keine Chance auf Re- sollte der Zugang zu Fördermitteln verbes- alisierung haben. Kleine Lösungen an sert werden. Weitere Anliegen sind ein grö- Stelle einer dauerhaften Förderung sind die ßerer Vorlauf bei Fördermittelausschrei- Sicherstellung von Overhead-Mitteln in bungen zugunsten einer besseren Planbar- Projektförderungen und niedrigschwellige keit, Förderquoten im Bereich zwischen Auftragsvergaben an Sozialunternehmen. den sonst üblichen 90 oder 45 Prozent so- wie eine bessere Abstimmung zwischen 2) Die vereinfachte Beantragung und den Förderrichtlinien, um widersprüchliche Abwicklung von Fördermitteln, Kosten- Anforderungen zu vermeiden. Thematisch satzabrechnungen und Genehmigungs- werden Bedarfe für Förderangebote in verfahren ist ebenfalls ein Hauptanliegen ganz unterschiedlichen Bereich angemel- der Brandenburger Sozialunternehmen.

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det: Umweltbildung, Bildung der Zivilgesell- von Kitas und Schulen mehr Bewusstsein schaft im Strukturwandel, New Work/ Co- für gesunde Ernährung. Ein anderes Unter- Working, Streuobstwiesen und artgerechte nehmen erwartet eine stärkere Anerken- Bienenhaltung sowie Gemeinwohlökono- nung der Leistungen, die MSU für die nach- mie. Auch Beihilfen für Investitionen, Aus- haltige Entwicklung Brandenburgs leisten. bildungsplätze und Praktika in etablierten Sozialunternehmen fragen MSU nach. 6) Eine Besonderheit Brandenburgs ist die Verortung vieler Sozialunternehmen im 4) Eine Ansprechperson für die Belange ländlichen Raum. Um deren Erreichbarkeit von Sozialunternehmen wird als wichtig und Vernetzung sicherzustellen, mahnen erachtet. Diese Person müsse in die Mini- diese mehr Anstrengungen bei der Digi- sterien und Fördermittelverwaltungen hin- talisierung und beim Ausbau öffentli- ein vermitteln und über Fördermittelange- cher Verkehrsangebote an. bote beraten können. Für eine bessere Durchsetzungskraft sei es denkbar, dass eine solche Koordinierungsstelle mit einer ministeriumsübergreifenden Arbeitsgruppe rund um die Belange von Sozialunterneh- men zusammenarbeitet. Wichtig sei eine langfristige Perspektive für diese Stelle, denn zu oft habe man es zwar mit fähigen, aber wechselnden Ansprechpartnerinnen und -partnern zu tun. Die Koordinierungs- stelle könnte auch einen Dialogprozess zwischen Fördermittelgebern und -empfän- gern anregen, wie er von einigen MSU vor- geschlagen wird. In diesem könnten Be- darfe erfasst und Spielräume zur Einbezie- hung von Sozialunternehmen mit bislang wenig Fördermittelzugang (insbesondere nicht gemeinnützige MSU) ausgelotet wer- den.

5) Gegebenenfalls könnte die Koordinie- rungsstelle als Katalysator für eine vielfach angemahnte verbesserte Wertschätzung für Sozialunternehmen wirken. MSU be- nötigten eine bessere Lobby und eine be- vorzugte Berücksichtigung bei Auftrags- vergaben, wie sie die Social Business Initi- ative der EU schon vor Jahren angemahnt hat (EC 2011). Erwartet wird eine Zusam- menarbeit auf Augenhöhe und mehr Ak- zeptanz für innovative Ideen und sozialun- ternehmerische Lösungen. Ein Sozialunter- nehmen im Bereich ökologischer Landbau vermisst beispielsweise bei der Versorgung

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7. Handlungsempfehlungen für die Branden- burger Förder- und Arbeitspolitik

Marktorientierte Sozialunternehmen leisten 2. Ministeriumsübergreifende Ar- einen wesentlichen Beitrag zur Innovati- beitsgruppe „Marktorientierte Sozi- onskraft des Landes Brandenburg und sind alunternehmen“ einrichten dennoch wenig sichtbar. Ein zentrales Er- gebnis der Studie ist, dass Unterstützungs- Marktorientierte Sozialunternehmen sind in und Förderprogramme oft an den Bedürf- unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und nissen marktorientierter Sozialunterneh- Branchen tätig, die oft in die Zuständigkeit men vorbeigehen. Aus den Ergebnissen verschiedener Ministerien fallen. Ihre spe- zeichnen sich konkrete Handlungsfelder für zifischen Anforderungen, zum Beispiel hin- eine passgenauere Förderung dieser Un- sichtlich Rechtsform oder Besteuerung, ternehmen ab. Auf Grundlage der empiri- sind in den Brandenburger Institutionen schen Erhebungen werden Empfehlungen noch nicht hinreichend bekannt. Um eine für bedarfsgerechte Unterstützungsange- höhere Sensibilität für die Bedürfnisse von bote und Fördermöglichkeiten formuliert. MSU in Politik und Verwaltung zu errei- Diese zielen auf die drei zentralen Hand- chen, sollen Kompetenzen in einer ministe- lungsfelder A) Wertschätzung und Sicht- riumsübergreifenden Arbeitsgruppe „Markt- barkeit, B) Zugang zu öffentlichen Einnah- orientierte Sozialunternehmen“ gebündelt mequellen und C) ökonomische und infra- werden. Diese Arbeitsgruppe sollte es sich strukturelle Rahmenbedingungen. zur Aufgabe machen, ressortübergreifend über Sozialunternehmen zu informieren, A. Wertschätzung und Sicht- Weiterbildungsbedarfe für Mitarbeiterinnen barkeit von Sozialunternehmen und Mitarbeiter der Verwaltungen zu adres- steigern sieren und als Brückenkopf der zu schaf- fenden Koordinierungsstelle für MSU 1. Dialogprozess mit MSU in Gang (siehe Empfehlung 4) in die Ministerien hin- setzen ein zu fungieren.

Die vorliegende Studie sollte der Auftakt ei- 3. Wettbewerb „Brandenburgisches nes Austauschprozesses zwischen den Sozialunternehmen“ des Jahres Entscheidungsträgerinnen und -trägern im etablieren MWAE sowie weiteren relevanten Ministe- rien und den marktorientierten Sozialunter- Marktorientierte Sozialunternehmen fühlen nehmen in Brandenburg sein, mit dem Ziel, sich im Förderkontext oft als Bittsteller und die Bedarfe und Unterstützungsmöglichkei- beklagen, dass ihre professionelle Arbeit ten zu eruieren und die hier vorliegenden zur Stärkung von Zivilgesellschaft, zur und weitere Handlungsempfehlungen zu nachhaltigen Entwicklung von Stadt und diskutieren. Ein solcher Austausch würde Land sowie zur Unterstützung benachteilig- den Erwartungen der Sozialunternehmen ter Gruppen zu wenig wahrgenommen gerecht werden, die Erkenntnisse dieser wird. Mit der Etablierung eines landeswei- Studie nutzbar zu machen. Um nachhaltige ten Wettbewerbs zum „Sozialunternehmen Ergebnisse zu erreichen, ist der Dialogpro- des Jahres“ und einer öffentlichkeitswirksa- zess nicht als einmalige Veranstaltung, men Auszeichnung in den Kategorien sondern als Abfolge mehrerer Austausch- Gründungs- und Skalierungsphase kann treffen zu organisieren. Als Voraussetzung die Sichtbarkeit stark erhöht werden. Ein hierfür sollte die vorliegende Studie den Preisgeld (oder Stipendium) für die Gewin- MSU im Land Brandenburg zugänglich ge- nerinnen und Gewinner schafft einen star- macht werden. ken Anreiz zur Teilnahme und ermöglicht

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vielversprechenden Geschäftsmodellen bei öffentlichen Ausschreibungen und glei- eine nachhaltige Etablierung oder Skalie- cher Eignung gegenüber konventionellen rung. Im Rahmen einer Veranstaltung zur Unternehmen den Vorzug erhalten oder im Preisübergabe wird die Vernetzung der Un- Rahmen des Wettbewerbes sozialwirt- ternehmen untereinander gestärkt. schaftliche Kriterien berücksichtigt werden, die in der Regel MSU häufiger erfüllen als B. Zugang zu öffentlichen Ein- konventionelle Unternehmen. So könnten nahmequellen verbessern beispielsweise Zutaten für die Versorgung in öffentlich getragenen Kitas und Schulen 4. Beratungs- und Koordinierungs- von einem MSU aus der ökologischen stelle für MSU schaffen Landwirtschaft bezogen werden oder die Reinigung in öffentlichen Gebäuden gleich- Sozialunternehmerinnen und -unternehmer zeitig zur Integrationsleistung werden, empfinden die Förderlandschaft oft als un- wenn diese durch einen Inklusionsbetrieb durchschaubar und kennen mitunter die durchgeführt werden. Mit der bevorzugten ihnen offenstehenden Fördermöglichkeiten Berücksichtigung von MSU in öffentlichen nicht. Auch fehlen ihnen Ansprechpartne- Ausschreibungen und bei der Erarbeitung rinnen und -partner, die Anliegen in die Mi- von Rahmenverträgen würde das Land nisterien und Fördermittelverwaltung ver- Brandenburg eine der Forderungen aus der mitteln können. Eine Beratungs- und Koor- EU Social Business Initiative erfüllen. dinierungsstelle, die MSU in allen Phasen sektor- und themenübergreifend berät, ist 6. Fördermittel und –programme daher notwendig. Für die Kontakte in die passgenauer gestalten Ministerien ist die Beratungs- und Koordi- nierungsstelle eng mit der oben angespro- MSU fallen in der Logik vieler Förderpro- chenen ministeriumsübergreifenden AG gramme durch das ordnungspolitische „Marktorientierte Sozialunternehmen“ ver- Raster. Eine Unterscheidung von gewerbli- netzt. Weitere Aufgaben liegen in der Ver- chen und gemeinnützigen Antragstellern mittlung an Spezialisten (z.B. Rechts- und schließt regelmäßig zahlreiche MSU aus. Steuerberatung), in der Organisation des Für die Unterstützung von MSU könnte o.g. Wettbewerbs und in der Netzwerkar- eine entsprechende Kategorie, zumindest beit. Die Beratungs- und Koordinierungs- jedoch sozialunternehmerische Kriterien stelle kann zudem Peer-to-peer-Beratung bei der Förderprogrammgestaltung hilfreich der MSU untereinander vermitteln. sein. Diese könnten z. B. über Gemein- wohl-Zertifikate belegt werden. 5. MSU in öffentlichen Ausschreibun- gen stärker berücksichtigen Eine weitere Möglichkeit, gemeinnützige MSU zu unterstützen, ist die Lösung von Durch die Aufnahme einer sozialwirtschaft- Vorfinanzierungsproblemen bei der Inan- lichen Wirkungslogik in öffentliche Verga- spruchnahme von Förderungen. Rechtlich beverfahren können marktorientierte Sozi- sind gemeinnützigen Sozialunternehmen alunternehmen substanziell ohne zusätzli- enge Grenzen bei der Bildung von Rückla- che öffentliche Finanzausgaben gefördert gen gesetzt. Das wird nicht zuletzt dann werden. Angesichts des durch diese Unter- zum Problem, wenn Projekte eine teils nehmen erbrachten gesellschaftlichen hohe Vorfinanzierung durch die Fördermit- Mehrwerts sollte geprüft werden, ob diese telempfänger erfordern. Alternativ sind im

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Rahmen von Förderprogrammen Darle- für Wachstum bringt. Auch könnte bei er- hensangebote für die Vorfinanzierung zu folgreicher Implementierung ein Budget für integrieren, beispielsweise könnten diese die Verbreitung des Ansatzes durch das von der Bürgschaftsbank kraft Zuwen- Unternehmen vorgehalten werden. Hierbei dungsbescheide oder Rahmenverträge be- ginge es darum, für den Ansatz im Sinne sichert werden. eines Open-Source-Gedankens Nachah- mer in anderen Teilen des Landes zu fin- Die Nutzung von Förderprogrammen kann den und so die Wirkung zusätzlich zu ska- für MSU wesentlich erleichtert werden, lieren. wenn die Möglichkeiten der Pauschalierun- gen bei Antrag und Abrechnung durchgän- C. Ökonomische und infra- gig ausgenutzt werden. Analog der „Grün- strukturelle Rahmenbedingun- dungsrichtlinie“ des MWAE könnte die kal- gen stärken kulatorische Komplexität durch die Reduzierung auf die drei Kostenarten Per- 8. Wertewandel und Bildung stärken sonal, Honorar und Sachkosten vereinfacht werden. Dadurch würde nicht nur den MSU Das zunehmende Interesse von Gründerin- sondern auch den öffentlichen Prüfinstan- nen und Gründern, von Medien und Ver- zen Aufwand erlassen werden. Haushalts- waltung an Sozialunternehmen zeugt von rechtlich könnte zudem geprüft werden, einer Tendenz zu sinnstiftender Arbeit in welche Möglichkeiten es bei der Gestaltung Brandenburg. Damit verbunden sind ge- von Förderprogrammen, insbesondere der sellschaftliche Diskussionen über die Werte Abrechnungsmechanismen, gibt, von einer unseres wirtschaftlichen Handelns im All- Prozess- auf eine Wirkungslogik umzustel- gemeinen (z.B. „Unsere Welt neu denken“, len. Maja Göpel, Generalsekretärin des Wis- senschaftlichen Beirates der Bundesregie- 7. Rahmenbedingungen für MSU in rung) und von Unternehmenswerten im Skalierung verbessern Speziellen. Es sollte in Betracht gezogen werden, diesen Dialog insbesondere an der Ein großes Problem projektförmig organi- Schnittstelle Wirtschaft, Arbeit und Energie sierter Arbeit ist der Verlust von Ideen und im Sinne einer Zukunftsperspektive öffent- Know-how nach Projektende. Im Projekt lich und langfristig mitzugestalten. Ebenso qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbei- sollten im Rahmen der Landesbildungspo- ter können mit dem Ende der Förderung oft litik Curricula in Schule und Ausbildung den nicht gehalten werden. Speziell für Sozial- Wertewandel gestalterisch aufnehmen und unternehmen in der Skalierungsphase soziale Innovation den technischen Innova- sollte daher ein Förderformat entwickelt tionen in Forschung, Lehre und Förderung werden, welches auf die Verstetigung und gleichstellen. Skalierung aussichtsreicher Ansätze aus früheren Projekten abzielt. Dieses sollte Sozialunternehmen in die Lage versetzen, für den Ansatz ein tragfähiges Geschäfts- modell zu entwickeln. Hier gibt es bereits in- ternationale Vorreiter wie z.B. das „Invest- ment Readiness Program“ in Kanada, das Social Entrepreneurs zur Investitionsreife

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9. (Sozial-)Investitionsfreundliches unternehmerischen Komponente von Sozi- Klima im Land etablieren alunternehmen ist es notwendig, Wege der Marktorientierung unter gleichzeitiger Viele Sozialunternehmen haben in den In- Wahrung der sozialen Interessen aufzu- terviews das Fehlen von Investitionen zeigen. Fortbildungs-, Coaching- und durch Stiftungen und private Kapitalgebe- Goodpractise-Angebote sollten daher auf- rinnen und –geber in Brandenburg bemän- zeigen, wie es einzelnen Unternehmen ge- gelt. Ein Handlungsansatz wäre die Unter- lingen kann, nachhaltigere soziale Ge- stützung von intersektoralen Kooperatio- schäftsmodelle zu entwickeln oder über nen zwischen Sozialunternehmen, eine Impact-Readyness-Strategie gezielt Stiftungen, konventionellen Unternehmen auch Impact Investoren zu gewinnen. und staatlichen Institution wie z.B. die Bürg- schaftsbank. Zum einen könnte über ge- 11. Infrastrukturen im ländlichen Raum zielte Ansprache der Akteure und Aufberei- sichern und verbessern tung von guten internationalen Beispielen für mehr Kooperationen (beispielsweise in Die Studie konnte zeigen, dass Sozialun- Form von Social Business Angels) gewor- ternehmen breit über das Land Branden- ben werden und zum anderen über Pilot- burg gestreut sind und damit auch stärker projekte wie z.B. mit Social Impact Bonds als konventionelle Startups zu einer Bele- neue Kooperationen ausprobiert werden. bung der ländlichen Gebiete beitragen. Gleichzeitig beklagen viele Unternehmen 10. Marktorientierung der Sozialunter- aber die dort vorhandene Infrastruktur oft- nehmen stärken mals als mangelhaft. Um MSU dauerhaft auch in den ländlichen Räumen anzusie- Wie im Kapitel 4 aufgezeigt, unterscheiden deln und zu halten, gilt es vor allem den sich MSU im unternehmerischen Denken Breitbandausbau konsequent voranzutrei- und der Ertragsgestaltung (und somit Fi- ben, für eine funktionierende Mobilitätsinf- nanzierungsbedarf) vom Durchschnitt der rastruktur zu sorgen und Angebote der Da- Sozialunternehmen wie beim Verband seinsvorsorge zu erhalten. SEND e.V. organisiert. Für die langfristige Förderung von MSU, d.h. der Stärkung der .

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TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Kriterien für marktorientierte Sozialunternehmen (MSU) ...... 21

Tabelle 2: Abgrenzung gegenüber Wohlfahrtsorganisationen und konventionellen Unternehmen ...... 24 Tabelle 3: Geografische Verteilung (absteigend) ...... 26 Tabelle 4: Kategorisierung nach Wirkungsbereich & Erscheinungsform ...... 29 Tabelle 5: Anzahl marktorientierter Sozialunternehmen in Brandenburg ...... 36 Tabelle 6: Brandenburger MSU im Vergleich ...... 71

Tabelle 7: Finanzielle Unterstützungsangebote, die in den vergangenen drei Jahren durch gründende MSU in An-spruch genommen wurden ...... 76

Tabelle 8: Beratungs- und Weiterbildungsangebote durch private und öffentliche Institutionen ...... 79

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Die drei Dimensionen von Sozialunternehmen (Darstellung entnommen EC 2015, S. VI) ...... 15 Abbildung 2: Abgrenzungen und Schnittstellen von MSU (eigene Darstellung) ...... 22 Abbildung 3: Geografische Verteilung ...... 27 Abbildung 4: Quantitativer Überblick potentieller MSU nach Wirkungsbereich ...... 30 Abbildung 5: Geografische Verteilung potentieller MSU nach Wirkungsbereich ...... 31 Abbildung 6: Identifikation marktorientierter Sozialunternehmen in Brandenburg ...... 35 Abbildung 7: Alter der MSU in Brandenburg im bundesweiten Vergleich ...... 38 Abbildung 8: Phase der Unternehmensentwicklung ...... 38 Abbildung 9: Anzahl der Beschäftigten im Vergleich ...... 40 Abbildung 10: Rechtsform und Gemeinnützigkeit ...... 42 Abbildung 11: Selbstbezeichnung der Unternehmen ...... 43 Abbildung 12: Wirkungsfelder nach UN-Entwicklungszielen ...... 48 Abbildung 13: Bedeutung sozialer Wirkung und finanzieller Rendite im Vergleich ...... 49 Abbildung 14: Einschätzung der sozialen Wirkung ...... 51

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Abbildung 15: Wichtigkeit von Kundengruppen für Generierung von Umsätzen ...... 53 Abbildung 16: Ausweitung vs. Reduzierung der Geschäftstätigkeit ...... 54 Abbildung 17: Einnahmen im Jahr 2019 ...... 55 Abbildung 18: Einnahmequellen im Vergleich ...... 57 Abbildung 19: Innovationstätigkeit im Vergleich ...... 61 Abbildung 20: Einfluss der Corona-Pandemie auf den Geschäftsbetrieb ...... 63

Abbildung 21: Geografischer Fokus der Vernetzung (MSU in BB) und der Aktivitäten (SU bundesweit) ...... 66 Abbildung 22: politische und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen ...... 67 Abbildung 23: Administrative und förderstrukturelle Rahmenbedingungen ...... 69

Abbildung 24: Die drei Dimensionen von Sozialunternehmen (Darstellung entnommen EC 2015, S. VI) ...... 84

102 MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG

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MARKTORIENTIERTE SOZIALUNTERNEHMEN IN BRANDENBURG 107

ANHANG 1: METHODIK DER RECHERCHE VON MSU

Vorgehen bei der Recherche der Grundgesamtheit der MSU in Brandenburg

Das Suchvorgehen um MSU in Brandenburg zu identifizieren war divers und iterativ. An ers- ter Stelle stand die Ansprache existierender Netzwerke. Hier konnte auf zahlreiche Kontakte aus dem Berliner und Brandenburger Netzwerk der Social Impact gGmbH zurückgegriffen werden. Zusätzlich konnten durch schriftliche oder telefonische Empfehlungen dieser Netz- werkpartnerinnen und -partner sowie durch Online-Recherchen weitere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausfindig gemacht und angesprochen werden. In einer erweiterten Netz- werksuche wurden alle Wirtschaftsförderungsgesellschaften in Brandenburg kontaktiert. Zu- nächst wurden alle mittels eines Anschreibens mit Informationen zur Studie um Unterstüt- zung gebeten; diese Anfrage wurde einige Tage später durch telefonische Kontaktaufnahme ergänzt.

Einige bekannte Webseiten wie Kreativorte Brandenburg (https://www.kreativorte-branden- burg.de/) oder das Netzwerk Zukunftsorte (https://zukunftsorte.org/reallabore) liefern außer- dem eine sehr gute Sammlung bestehender Sozialunternehmen in Brandenburg. Sie boten einen guten Einstieg für die tiefergehende Recherche – so führte der Internetauftritt eines Zukunftsortes über Verlinkungen zu weiteren Netzwerken, Partnerinitiativen oder auch an- deren Sozialunternehmen in der Umgebung. Parallel wurde im Internet sektor- und schlag- wortspezifisch recherchiert. Hierunter eine Übersicht einiger Sektoren und Schlagworte, die online eingegeben und deren Ergebnisse nach MSU durchsucht wurden:

• Inklusionsbetriebe Brandenburg • Solidarische Landwirtschaften Brandenburg • Energiegenossenschaften Brandenburg • B-Corps Verzeichnis • Unternehmen der Gemeinwohlökonomie • Unverpackt-Laden Brandenburg • Dorfladen Brandenburg • Dorfzentrum Brandenburg • Eine Welt Laden Brandenburg • Wildnisschulen/Wildnispädagogik Brandenburg

Zur Vervollständigung der Liste wurde das Registerportal des Landes Brandenburg nach fol- genden Rechtsformen durchsucht: gGmbH, gUG, eG. Außerdem stand von der Investitions- bank des Landes Brandenburg (ILB) eine Liste aller Unternehmen und Initiativen zur Verfü- gung, die über die ESF-Förderprogramme 2014-2020 in Brandenburg gefördert werden. Ins- besondere die 29 Unternehmen aus dem Förderprogramm „Soziale Innovationen“ wurden genauer betrachtet und ggf. in die Grundgesamtheit aufgenommen. Zudem wurde die kom- plette Liste nochmals nach den Hauptschlagworten „sozial“, „innovativ“ und „Innovation“

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durchsucht, um mögliche interessante Unternehmen aus anderen Förderprogrammen eben- falls einzubeziehen.

Die explorativen Interviews mit Expertinnen und Experten sowie Sozialunternehmen waren eine weitere Quelle, um relevante MSU zu ermitteln. Insbesondere in den Expertinnen- und Experteninterviews wurden einige Hinweise und konkrete Beispiele für Orte, Personen und Unternehmen genannt. Diese konnten im Anschluss recherchiert und ggf. kontaktiert werden. Somit basierte die Suche stark auf existierenden Netzwerken und dem Wissen der in diesen Netzwerken organisierten Personen. Ohne deren Input wäre eine umfangreiche Suche der sehr heterogenen Grundgesamtheit potenziell marktorientierter Sozialunternehmen weniger erfolgreich gewesen. Es gibt insbesondere sehr viele kleine, unscheinbare und durchaus „versteckte“ Sozialunternehmen in Brandenburg, die lediglich durch gezielte Suche ihren Weg in die Grundgesamtheit gefunden haben. Wie eine interviewte Regionalmanagerin tref- fend beschreibt, setzen diese Unternehmen auf „enge Kooperationen und Vernetzung und […] haben vielleicht nicht so sehr das Gefühl dafür, sich gut zu verkaufen und so darzustellen, dass sie wirklich ein Produkt verkaufen. Sondern sie sind einfach da und machen super gute Angebote, super gute Arbeit. […] Also, sie sind ganz eng, sehen sich als wichtiger Bestandteil von vielen, von vorhandenen Netzwerken, und sind aber alles so kleine Perlen für sich“ (per- sönliches Online-Interview, 19.05.2020). Somit bleibt abschließend anzumerken, dass die aktuelle Liste der Grundgesamtheit aller potenziellen MSU in Brandenburg keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben kann. Es gibt sicherlich die ein oder andere „Perle“, die trotz um- fangreicher Recherche außen vor geblieben ist.

Vorgehen bei der standardisierten Befragung und der Identifizierung marktorientierter Sozialunternehmen

Nach der Ermittlung der Grundgesamtheit potenzieller MSU in Brandenburg ging es in einem zweiten Schritt darum, aus dieser Grundgesamtheit gemäß der in Abschnitt 2.3 entwickelten Definition die tatsächlich marktorientierten Sozialunternehmen zu identifizieren und in ver- schiedenen Dimensionen zu beschreiben. Im Folgenden wird gezeigt, wie wir hierbei vorge- gangen sind.

Schnell war klar, dass die Bestimmung von MSU gemäß der aufgestellten Definition nicht auf Basis öffentlicher Quellen vorgenommen werden konnte. Um Informationen gemäß den Kri- terien zu erhalten und darüber hinaus das Feld dieses Unternehmenssegments in Branden- burg darstellen zu können, war eine standardisierte Befragung das Mittel der Wahl. Hierzu entwickelten wir einen quantitativen Fragebogen mit sieben Fragekomplexen: 1. Organisati- onale Dimension, 2. Soziale Dimension, 3. Unternehmerische Dimension, 4. Soziale Innova- tion, 5. Rahmenbedingungen und Unterstützungsstrukturen, 6. Räumlicher Fokus und Ver- netzung und 7. Soziodemographie. Die Themen und Operationalisierung ergaben sich neben den Prüfkriterien aus den Informationsbedarfen des Auftraggebers und aus Themenfeldern, die in der Forschung zu Sozialunternehmen diskutiert werden. Die Übernahme mehrerer er- probter Operationalisierungen ermöglichte die Vergleichbarkeit des Feldes Brandenburger MSU mit diesem Segment im Rest der Bundesrepublik. Insgesamt enthielt der Fragebogen

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37 bis 46 Fragestellungen (je nach Verlauf der über Frageweichen gesteuerten Befragung) mit bis zu 81 einzelnen Frageitems. Unter diesen waren 17 offene Antwortfelder. Dieser ver- gleichsweise umfangreiche Fragebogen macht es möglich, das Feld der MSU in vielen De- tails abzubilden. Der Fragebogen wurde mit der Erhebungssoftware LimeSurvey program- miert und vor der Befragung einem Pretest unterzogen.

Im Sinne der Aussagekraft der Daten ist eine hohe Rücklaufquote wichtig. Das gilt gerade bei vergleichsweise kleinen Grundgesamtheiten. Bei Online-Befragungen kommt erschwe- rend hinzu, dass Unternehmen mit vielen derartigen Anfragen konfrontiert werden und ent- sprechend die Motivation zur Beantwortung und die resultierenden Ausschöpfungsquoten oft gering sind. Aus diesem Grund verwendeten wir einigen Aufwand, um aus der Vielzahl der Befragungen herauszustechen und viele Sozialunternehmen zur Teilnahme zu motivieren. Dazu gehörte es, nach einer Email-Ankündigung alle telefonisch erreichbaren Sozialunter- nehmen anzurufen, das Anliegen der Erhebung zu schildern und um Beantwortung des Fra- gebogens zu bitten. In den allermeisten Fällen stieß das auf Wohlwollen, woraufhin die An- sprechpersonen einen Zugangslink zum Online-Fragebogen erhielten. Dieses Vorgehen hatte nicht nur den Vorteil, Aufmerksamkeit und Vertrauen in die Befragung zu gewinnen. Der Kontakt konnte auch dazu genutzt werden, die richtigen Ansprechpersonen und ihre Email-Adresse zu überprüfen und so insgesamt vergleichsweise kontrollierte Erhebungsbe- dingungen zu gewährleisten. Einzelne Interviews wurden auch direkt telefonisch geführt, so beispielsweise mit einer englischsprachigen Sozialunternehmerin, welcher der Fragebogen am Telefon übersetzt wurde. Die Befragung dauerte vom 17. Juni bis 13. Juli 2020 und fand in Form einer Vollerhebung statt. Bei 11 der 188 recherchierten Sozialunternehmen stellten sich die Kontaktdaten als falsch und auch nicht mehr ermittelbar heraus, so dass die Netto- grundgesamtheit 177 Sozialunternehmen betrug.

Insgesamt beantworteten 80 Sozialunternehmen den Fragebogen vollständig. Das entspricht einer Ausschöpfungsquote von 45,2 Prozent. Hinzu kommen 10 angefangene aber nicht be- endete Fragebögen, die hier und in der Auswertung aber nicht berücksichtigt werden. Des- sen ungeachtet ist die Ausschöpfungsquote für eine Online-Befragung sehr zufriedenstel- lend. Das gilt auch im Vergleich mit anderen Befragungen von Sozialunternehmen. So ver- zeichnete die WZB-Studie einen Rücklauf von 26 Prozent (Priller et al. 2012, S. 12) und die Mercator-Studie von 15 Prozent (Spiess-Knafl et al. 2013, S. 24). Sie SEND-Befragungen verzichten gänzlich auf eine kontrollierte Erhebungssituation und lassen den Fragebogen frei in Netzwerken zirkulieren (SEND 2019, S. 78).

Im letzten Schritt auf dem Weg zu einer Übersicht der MSU in Brandenburg ging es darum, anhand von Prüfkriterien unter allen Sozialunternehmen der Grundgesamtheit die am Markt orientierten Sozialunternehmen herauszufiltern. Grundlage bilden hierfür die aus der Defini- tion abgeleiteten fünf Kriterien Eigenständigkeit, Gemeinwohlorientierung, unternehmerische Mittel, Innovationstätigkeit und Markteinnahmen. Diese haben wir über neun Fragestellungen operationalisiert (vgl. Tab. 8). Bei der Erhebung und Auswertung der Daten zeigte sich, dass es nicht sinnvoll ist, jedes der neun Prüfkriterien als hartes Ausschlusskriterium zu verwen-

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den. So ist der Status der Gemeinnützigkeit zwar ein klares Indiz dafür, dass ein Unterneh- men am Gemeinwohl orientiert ist. Gerade marktorientierte Sozialunternehmen verzichten aber nicht selten auf diesen Status, da dieser der wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit enge Grenzen setzt. Würde die Gemeinnützigkeit als hartes Prüfkriterium verwendet werden, wür- den diese Unternehmen außen vor bleiben und eine relevante Teilmenge marktorientierter Sozialunternehmen fehlen. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschieden, das Krite- rium der Gemeinnützigkeit sowie vier weitere Prüfkriterien – Eigenständigkeit, soziale Ziele in Satzung, Selbstbezeichnung als Sozialunternehmen und keine Gewinnausschüttung – als weiche Kriterien zu betrachten. Den weichen Kriterien ist gemeinsam, dass diese zwar Indi- zien für MSU sind, ihre Nichteinhaltung aber aus verschiedenen Gründen mit dem Verständ- nis von MSU dennoch konform gehen kann (siehe Tab. 8). Sozialunternehmen, welche eines oder mehrere weiche Kriterien nicht erfüllen, rechnen wir dem erweiterten Kreis marktorien- tierter Sozialunternehmen zu.

Im Unterschied zu den fünf weichen Kriterien betrachten wir vier weitere Prüfkriterien als harte Ausschlusskriterien. Diese Kriterien betreffen den Kern unseres Verständnisses von MSU, bei ihrer Nichteinhaltung können wir nicht mehr von einem marktorientierten Sozialun- ternehmen sprechen. Das ist der Fall, wenn ein Unternehmen Gewinne nicht in den sozialen Zweck der Organisation reinvestiert, wenn es keinerlei Innovationstätigkeit aufweist, wenn der Geschäftsbetrieb ausschließlich ehrenamtlich organisiert ist und wenn keine Einnahmen auf Märkten oder Quasi-Märkten generiert werden. Für die beiden letztgenannten Kriterien gelten Ausnahmen für Sozialunternehmen in der Gründungsphase (vgl. Tab. 8). In der Er- wartung, dass diese in naher Zukunft Einnahmen am Markt erwirtschaften und Arbeitskräfte entlohnen können, werden diese nicht aufgrund dieser Kriterien ausgeschlossen.

Im Ergebnis der Prüfung über alle 9 Kriterien zeigt sich, dass von 75 Sozialunternehmen mit auswertbaren Datensätzen (5 Fragebögen enthielten nicht genügend Daten) 19 nicht als marktorientierte Sozialunternehmen bezeichnet werden können (das entspricht einem Anteil von 25%). 41 Sozialunternehmen werden dem erweiterten Kreis marktorientierter Sozialun- ternehmen zugerechnet (55%), da diese nicht alle der weichen Kriterien erfüllen und 15 So- zialunternehmen dem Kernbereich marktorientierter Sozialunternehmen (20%). Für die wei- tere Auswertung heißt das, dass in den meisten statistischen Analysen nur MSU aus dem Kernbereich und aus dem erweiterten Bereich berücksichtigt werden (zusammen 56 Fälle bzw. 75% aller Fälle). Die 19 Nicht-MSU werden nur in wenigen Analysen ergänzend einbe- zogen.

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Tabelle 9.: Operationalisierung der Prüfkriterien für MSU

Kriterium Operationalisierung Begründung

► MSUs sind nicht abhängig von und nicht Teil anderer staatlicher oder Ist das Sozialunternehmen/die Organi- privatwirtschaftlicher Organisatio- sation gebunden an Entscheidungen nen

Eigenständigkeit anderer Organisationen (z.B. als Teil ► weiches Kriterium, da MSU teil- einer größeren Mutterorganisation)? weise an Letztentscheidungen Ja/nein bspw. von Stiftungen gebunden sind, aber in ihrem Geschäftsbe- trieb autonom agieren ► mit der Anerkennung der Gemein- nützigkeit wird der soziale/gesell- schaftliche Zweck des MSU offiziell beglaubigt Hat die Organisation den Gemeinnüt- ► weiches Kriterium: da sich der Sta- Gemeinnützigkeit zigkeitsstatus? Ja/nein tus der Gemeinnützigkeit schlecht mit wirtschaftlichem Geschäftsbe- trieb vereinbaren lässt, verzichten MSU teils darauf, halten aber an gemeinwohlorientierten Zielen fest ► gemeinwohlorientierte Ziele sind in den Statuten der MSUs verankert ► weiches Kriterium, da Verankerung Sind soziale Zielsetzungen/gesell- gemeinwohlorientierter Ziele oft mit soziale Ziele in Sat- schaftliche Anliegen in der Satzung Ih- offiziellem Status der Gemeinnüt- zung verankert res Sozialunternehmens verankert? zigkeit verbunden ist; gemeinwohl-

Ja/nein orientierte Ziele können satzungs- unabhängig dennoch verfolgt wer- den ► die Selbstbezeichnung als Sozial- unternehmen ist ein klares Indiz da-

für, dass die Organisation die Merk- weiche Kriterien weiche Bezeichnet sich das Unternehmen/die male von Sozialunternehmen teilt Selbstbezeichnung Organisation in der Außendarstellung ► - weiches Kriterium, da es alterna- als Sozialunterneh- als Sozialunternehmen? Ja/teil- tive Bezeichnungen gibt, die men weise/nein ebenso für die Merkmale von Sozi- alunternehmen stehen, z.B. Eine- Welt-Laden, solidarische Landwirt- schaft ► der Verzicht auf das Ausschütten von Gewinnen an Anteilseigner Wie verfahren Sie in Ihrem Sozialun- verdeutlicht, dass Profiterzielung ternehmen mit erwirtschafteten Gewin- nicht der Unternehmenszweck ist Gewinne werden nen? Gewinne werden an Inhaber, Mit- ► weiches Kriterium, da Ausschüttun- nicht ausgeschüttet glieder oder Anteilseigner ausgeschüt- gen in begrenztem Umfang auch tet: trifft überhaupt nicht zu/trifft eher als Teil von (zuvor entgangenen) nicht zu/teils-teils Vergütungen betrachtet werden können ► das Reinvestieren von Gewinnen in den sozialen Zweck ist ein Indiz für

das soziale/gesellschaftliche Anlie- Wie verfahren Sie in Ihrem Sozialun- gen als primäres Unternehmens- ternehmen mit erwirtschafteten Gewin- ziel; anders als bei Gewinnaus- Reinvestition in sozi- nen? Gewinne werden in den sozialen schüttungen kommt der erzeugte ale Zwecke Zweck der Organisation reinvestiert: Mehrwert der Allgemeinheit oder trifft voll und ganz zu/trifft überwiegend benachteiligten sozialen Gruppen

harte Kriterien harte zu/teils-teils zugute ► hartes Kriterium, da die Verwen- dung des erzeugten Mehrwerts für

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das soziale/gesellschaftliche Anlie- gen ► ein untrügliches Zeichen für die Ge- meinwohlorientierung des MSU ist ► MSUs arbeiten erwerbswirtschaft- lich, d.h. nicht rein ehrenamtlich ► hartes Kriterium, da bezahlte Arbeit Wie viele Personen sind für Ihre Orga- ein Indiz für einen professionellen, nisation regelmäßig tätig? in Vollzeit, eigenständigen und auf Dauer ge- bezahlte Arbeit in Teilzeit: offene Zahlenangabe grö- stellten Geschäftsbetrieb ist ßer Null ► Ausnahme: das MSU befindet sich in der Gründungsphase und gene- riert noch nicht genügend Einnah- men für die Entlohnung von Arbeit ► MSUs erwirtschaften einen signifi- kanten Anteil der Einnahmen durch Verkäufe von Produkten und Dienstleistungen auf freien Märk- ten (auch Gebühren, Vermie- Welchen Anteil hatten folgende Ein- tung/Verpachtung) oder Quasi- nahmequellen an den Gesamteinnah- Märkten (Leistungsentgelte z.B. für men in 2019? Umsätze durch Verkauf Arbeitsmarktintegration, Inklusion) von Produkten und Dienstleistungen ► hartes Kriterium, da es ein zentra- Markteinnahmen am Markt; Entgelte für die Erbringung les Kennzeichen von MSUs ist, von Leistungen im Rahmen des SGB; dass sie mit ihren Produkten und Entgelte für die Erbringung weiterer Dienstleistungen Einnahmen auf Leistungen für die öffentliche Hand; Märkten generieren und nicht allein Zahlenangabe größer Null von Zuschüssen, Fördermitteln und Spenden leben ► Ausnahme sind MSU in der Grün- dungsphase, die noch den Markt- eintritt vorbereiten ► das MSU etabliert neuartige Pro- dukte, Dienstleistungen, Verfahren oder Geschäftsmodelle zur besse- Wie schätzen Sie die Innovationstätig- ren Bewältigung gesellschaftlicher keit Ihres Sozialunternehmens in den Herausforderungen; die Neuartig- vergangenen 3 Jahren ein? In wel- keit dieser sozialen Innovationen ist chem Maß haben Sie Marktneuheiten in der Regel nicht absolut, sondern hervorgebracht, in Hinblick auf... die relativ, d.h. sie sind im spezifischen Innovationstätigkeit angebotenen Produkte/Dienstleistun- Tätigkeitsfeld oder räumlichen Um- gen | die Prozesse der Produktion o- feld neu oder sie sind Neukombina- der Organisation | das Wirkungsmodell tionen vorhandener Elemente | das Geschäftsmodell; Antwortoption ► hartes Kriterium, da die Suche zwischen „regionale Marktneuheit“ und nach neuartigen Problemlösungen „weltweite Marktneuheit“ ein Wesensmerkmal von MSU ist; für die dauerhafte Positionierung am Markt ist das Entwickeln von Marktneuheiten unerlässlich

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ANHANG 2: GRUNDGESAMTHEIT DER MSU

Name Organisation Stadt/Gemeinde Wirkungsbereich 3 Jahreszeiten Zossen Adelhaus Pritzwalk AfU Finsterwalde Akademie 2. Lebenshäfte Eberswalde Aktionsladen Eine Welt Potsdam Aktiva Potsdam Potsdam Andere Welt Strausberg Äpfel und Konsorten Storkow Arbeitsförderung Letschin Auenhof Havelaue Bahnhof am Park Wiesenburg Bahnhofszeit Nauen Barnimer Energiewandel Eberswalde Basics Unverpackt (Freie WS) Bauernhof Grüna Jüterborg Besucherzentrum 3 Eichen Buckow Bildungsgesellschaft Pritzwalk Pritzwalk Biokräuterei Oberhavel Oranienburg Blühstreifen Beelitz e.V. Beelitz Bruchmühle Altlandsberg Buckower Köstlichkeiten Buckow Buena Vida Potsdam Café Thälmanns - KulTuS e.V. Müncheberg Caromatisch Ketzin Coconat Bad Belzig Das Blaue Pferd Groß Schönebeck Der kleine Hof im Spreewald Werben Die Kuhhorster Kuhhorst Die zweite Seite Strausberg Dorfmitte productions Gerswalde Dorv Zentrum Seddin Seddin E & G Projektagentur Finsterwalde EEPL GmbH Finsterwalde Eine Welt Laden Cottbus Cottbus Eine Welt Laden KW Königs Wusterhausen Eine Welt Laden Storkow Storkow

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Eine Weltladen Jüterbog Jüterborg Eine Weltladen Rathenow Rathenow Erfolg mit Herz Zossen Europa-Haus Land Brandenburg Heidesee E-Werk Luckenwalde Luckenwalde F&P Stock Solution GmbH Falkensee Fab Lab Cottbus Cottbus Fair in Bernau Bernau Franzenhof Wriezen GAB Protzen Fehrbellin GAG Klausdorf Zossen Ganz.Kultur Kyritz GemüseAckerdemie Potsdam Grumsiner Brennerei Angermünde Güldenberg & Werth GbR Bad Belzig Gut Schmerwitz Wiesenburg Halle 36 Hanffaser Uckermark Prenzlau Haus Brandenburg Potsdam Haus des Wandels Steinhöfel Havelmi*** Beetzseeheide Havelprater Hebewerk Eberswalde Eberswalde Herausfo(e)rderer Potsdam Hof Basta Letschin Hoffnungstaler Werkstätten Biesenthal Hollager Musik f Jeden Potsdam IKW Rathenow Rathenow Inselwerke Eberswalde Inwole Potsdam Irrlandia Storkow Jagwina Jagdschule Gräben Kaiserliche Postagentur Vetschau Käthe & Agathe Potsdam kathi&käthe FairVerpackt Potsdam Kochende Gärten Steinhöfel KoDorf Wiesenburg Kranich e.V. Senftenberg Kultur im Bahnhof Biesenthal

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Kulturgießerei Schöneiche Kulturhaus Heidekrug Joachimsthal Kulturlandschaft Uckermark e.V. Angermünde Kulturpark Stolpe Lunow-Stolzenhagen Kultus e.V. Buckow Land Luft Liebe Niederfinow Landesbetrieb Forst Brandenburg Potsdam LandGut Lübnitz Bad Belzig Landhof Liepe Der Erlebnishof Liepe Landkunstleben (Parterra) Steinhöfel Landwärts Klein Glien Lausitz Energie Cottbus Lebensmut Fürstenwalde Lebensräume Neuruppin Lehniner Institut für K. u. K LernSINN erlebBAR eV Brieselang LFE Landwirtschaftsbetrieb Falkenhagen Libken Gerswalde LUBA Fläming Luckenwalde Luch Gärtnerei Märkisch Luch LUG2 Co-Working Herzberg Maiko Unverpackt Falkensee maßVoll Unverpackt einkaufen. Potsdam Memucho Wildau MuG Brandenburg e.V. Potsdam Musikbahnhof Annahütte Annahütte Native Foods Gusow-Platkow Naturenergie Fläming Bad Belzig NEF Feldheim Netzwerk Zukunftsorte Prötzel Neuland21 Bad Belzig Nordbahn Schönfließ Oderbruchmuseum Altranft Bad Freienwalde Oderbruchware Bad Freienwalde Ökodorf Brodowin Chorin Ökohof Waldgarten Barenthin Ökonauten Biesenthal Oranienwerk Oranienburg Pachamama Brandenburg a.d.H.

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Packeseltouren Brandenburg Lunow-Stolzenhagen Pampa Prädikow PlantAge Frankfurt Oder Plasticfreeworld GmbH Teltow Projektraum Drahnsdorf Drahnsdorf Puerto Alegre Frankfurt Raketenberg Ketzin Ketzin Raumquartier Brandenburg a.d.H. Rechenzentrum Potsdam Regionalwert AG Potsdam Rehfelde EigenEnergie Rehfelde Rohkao Eberswalde Rusticus Cottbus Schloss Trebnitz Müncheberg Schlossgut Alt Madlitz Briesen Seminarhäuser Unteres Odertal Lunow-Stolzenhagen Social Impact gGmbH Potsdam Solanum Rheinsberg SoLaWi BAUERei Grube Potsdam Solidario Potsdam Solidario Groß Schönebeck Schorfheide Soziale Arbeit Mittelmark Bad Belzig Sozialwerk Winterstein Bantikow Spörgelhof Wandlitz Spreeakademie Vetschau Spreescouts Burg Stattwerke Neuruppin Stechlin Institut Stechlin Stephanus Werkstätten Templin Templin Stephanus Werkstätten OPR Kyritz Stiftung ElsterWerk Herzberg Stolze Kuh Stolzenhagen Studierhaus Lausitzer Seenlandsch. Großräschen studiovorort Goetz Prötzel Stützpunkt Vitales Leben Hoppegarten Sunna Alpakas Walsleben Syringhof Beelitz Tenetrio Terezas Lunow-Stolzenhagen

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Theater 89 Nordwestuckermark Thinkfarm Eberswalde Eberswalde Tohuwabohu GmbH Gerswalde Traumschüff Potsdam Uckermärkischer Regionalverbund Prenzlau Uferwerk Werder Verstehbahnhof Fürstenberg Villa Fohrde Havelsee Walnussmeisterei Böllersen Herzberg wandelBar Eberswalde Wanego Dabergotz WBS Senftenberg Senftenberg WeltLaden Wunderblutkirche Bad Wilsnack Weltladen Bad Liebenwerda Bad Liebenwerda Weltladen Bhf. Wandlitzsee Wandlitz Weltladen Brandenburg Brandenburg a.d.H. Weltladen Kirchenkr. Falkensee Falkensee Weltladen Kyritz Kyritz Weltladen Maria Magdalena Eberswalde Weltladen Oranienburg Oranienburg Weltladen Pritzwalk Pritzwalk Weltladen Teltow Teltow Weltladen Templin Templin Weltladen Wittstock Wittstock Wilde Gärtnerei Rüdnitz Wildnisschule Hoher Fläming Bad Belzig Wildnisschule Waldschrat Müncheberg Wildnisschule Wildniswissen Buckow Wissensbude Wildnis Bad Saarow Zebra Kagel Grünheide ZEGG Bad Belzig Ziegenkäserei Karolinenhof Kremmen Zuckermark Carmzow-Wallmow Zukunftswerft Paretz Zusammen in Neuendorf Steinhöfel

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Legende der Wirkungsbereiche Nachhaltige Produktion, regionale Ressourcen Arbeitsförderung & Inklusion Ökologischer & fairer Handel Raum für Projekte, Austausch & Begegnung Bewusste Ernährung & Landwirtschaft Alternative Wohn- & Arbeitskonzepte Nachhaltige Bildung & Entwicklung Wandel & kreative Veränderung Vernetzung & Förderung der Entwickl. im ländl. Raum

Die Legende gilt auch für das Titelbild

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ANHANG 3: FRAGEBOGEN FÜR DIE ERHEBUNG

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Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg Heinrich-Mann-Allee 107 14473 Potsdam Tel.: 0331 8660 Fax: 0331 8661533 E-Mail: [email protected] Web: mwae.brandenburg.de