AKFS Aktuell Nr. 35
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Kaltwasserfische und Fische der Subtropen A K F S aktuell Nr. 35 - Oktober 2015 Sonderheft Die Haltung des Scheibenbarsches im Wandel der Zeit ISSN 1864-8681 4 ─ Kaltwasserfische und Fische der Subtropen ● AKFS-aktuell 35/2015 Kaltwasserfische und Fische der Subtropen ● AKFS-aktuell 35/2015 ─ 5 und dort fünf Jahre bis zu einem Umzug in eine zentralbeheizte Anlässe, über den Scheibenbarsch zu schreiben Peter Pretor — Rösrath Neubauwohnung blieb. Danach vergingen gut 30 Jahre bis mich Über die Lebensverhältnisse der Scheibenbarsche ist bisher er- Anfang der achtziger Jahre - ausgelöst durch ein wunderschön staunlich wenig bekannt. Es fehlen umfassende Studien. Kaum eingerichtetes Aquarium meines damals 16jährigen Sohnes - er- etwas ist nach Rohde et al. (2009) zu Ihrer Ökologie bekannt, Über den Scheibenbarsch Enneacanthus chaetodon (Baird, 1855) neut die Lust auf die Wasserwelt packte. d.h. zu ihren Lebensräumen, ihrer Lebensgeschichte, ihrer Rolle und seine Haltung im Wandel der Zeit Eine ausführliche Literatursichtung lenkte mein Interesse vor in der Lebensgemeinschaft und ihren Anpassungen. allem auf eine Tropenwelt hinter Glas, wie sie Werner Schmett- Über den Scheibenbarsch zu schreiben heißt: Mit der Zielsetzung kamp 1982 in seinem Buch ‘Die Zwergcichliden Südamerikas‘ als und dem Anspruch zu schreiben, das gesamte Spektrum von der Zusammenfassung zahlreicher Dia-Vorträge faszinierend zum Haltung, Pflege, Zucht, Systematik und Verbreitung, seiner Histo- Leben erweckt hat und mit dem ich über viele Jahre hinweg die rie bis zu wesentlichen Bereichen wissenschaftlicher Erkenntnis- Begeisterung für Apistogramma-Arten in freundschaftlicher Ver- se zu erfassen. Dies erfordert zeitaufwendige und sehr sorgfältige bundenheit teilen konnte. Unter Beachtung der beschriebenen Recherchen, um bevorzugt auf Basis eigener Nachforschungen Daten vom Fundort sowie sonstiger ökologischen Untersuchun- ein umfassendes Gesamtbild von dieser Art zu vermitteln. gen in ihren natürlichen Lebensräumen gelang die Nachzucht der Anregungen detailliert mit praktischen Umsetzungshinweisen zur heiß begehrten Apistogramma nijsseni sowie Taeniacara candidi Haltung und Zucht zu vermitteln, wenn alternativ neue Wege und im ausgeglichenen Geschlechterverhältnis. Das war der Anfang Möglichkeiten der Aquaristik erprobt wurden und sonstige Hin- einer über 25-jährigen, extensiven Apistogramma-Liebhaberei, weise zu geben, zu denen ich in Publikationen keine Antworten die aufgrund von Geschäftsprojekten im Ausland vor etwa sieben gefunden habe. Mit anderen Worten: Es werden persönliche Er- Jahren endete. fahrungen hinsichtlich Haltung und Zucht des Scheibenbarsches Durch Zufall entdeckte ich zur gleichen Zeit erstmals nach mei- eingebracht. ner Kindheit Scheibenbarsche bei dem in der Nähe wohnenden Das Wissen über den Scheibenbarsch im Ablauf seiner über Züchter Helmut Lützenkirchen. So hat die prägende Kindheits- hundertjährigen zeitgeschichtlichen Entwicklung in hiesigen erinnerung schließlich die Ermutigung reifen lassen, mich noch Aquarien mit den Betrachtungen seiner Liebhaber im Wandel der einmal auf die Haltung eines Kaltwasserfisches einzulassen, mit Zeit in Erinnerung zu bringen, um ein tiefgreifendes Verständnis dem Scheibenbarsch als einzig infrage kommende Alternative. für die Besonderheiten dieser Spezies in allen ihren Ausprägun- Mit Hilfe umfangreicher Recherchen über Haltungsmöglichkeiten gen nahe bringen zu können. Ein bisschen Nostalgie schwingt von Kaltwasserfischen und unter Berücksichtigung der mir zur dabei immer mit. Verfügung stehenden räumlichen Verhältnisse, richtete ich ein Neben dem Effekt, dem Scheibenbarsch ein Denkmal zu setzen, Aquarium mit den Maßen 100 x 40 x 40 Zentimeter auf der Fen- möchte ich Neugier, Interesse, Begeisterung und Initiative neuer sterbank im Schlafzimmer und ein weiteres im kalten Außenkeller Liebhaber wecken. Es wäre die Belohnung, wenn gesunde und ein. So sind Aquarianer eben: Das Hobby und ihre Leidenschaft robuste Stämme für die Haltung und Zucht in Aquarien auf breiter für bestimmte Fische lässt sie niemals wieder los. Basis für nachfolgende Generationen bewahrt werden. Abb. 1: Blick in mein Biotop, im August 2014, links das Revier des Männchens. Foto: Peter Pretor. Abb. 2: Blick in mein Biotop, 9 Monate später, Mai 2015, inzwischen undurchdringlich zugewachsen, um dem Nachwuchs Schutz zu bieten. Ihre Schwimmwege in der unteren Hälfte finden die Tiere an zwei Stellen: Links, zwischen dem Perlkraut (Micranthemum umbrosum) und Pogostemon erectus. Rechts, zwischen Cryptocoryne sp. ,Legroi‘ und Crytocoryne wendtii ,braun‘. Im März 2015 wurden die Leuchtstoffröhren durch eine LED-Leuchte ersetzt. Foto: Peter Pretor. Wie ich zum Scheibenbarsch kam Auf der Suche nach einem geeigneten Fischbesatz entschied 1948, zu meinem achten Geburtstag, erfüllte sich mein sehn- sich die Frage, ob Warmwasser- oder Kaltwasseraquarium auf- lichster Wunsch nach einem Aquarium, hervorgerufen durch grund der damaligen wirtschaftlichen Situation zwangsläufig Erlebnisse auf einem Bauernhof in einem Marschengebiet mit – aber auch durch die Erlebniswelt in Wassergräben, Teichen in ausgeprägter Wasserwelt in der Umgebung Bremens, das von Bombentrichtern und naturbelassenen kleinen Wasserläufen des Gräben und Fleeten durchzogene Blockland, wo ich die Zeit bis Blocklands. In einer Zoohandlung mit umfangreicher Auswahl zur Schulpflicht verbringen und die noch nahezu unberührte Natur begeisterte mich nur ein Fisch: ein Scheibenbarsch, der seinen Abb. 3: Im Vordergrund befinden sich alle Scheibenbarsche des Biotops: Ein Männchen, ein Weibchen. Das Tarnmännchen zeigt – wie das Männchen – verblasste mit nistenden Störchen auf den Reetdächern der Wirtschaftsge- Platz in einem 40 cm Rahmenaquarium auf der nach Norden ge- Querbänder. Die zwei Jungen von 2013 sind farblich unterschiedlich gestimmt. Foto: Peter Pretor. bäude erleben konnte. richteten Fensterbank der damals beliebten ‚guten Stube‘ fand 6 ─ Kaltwasserfische und Fische der Subtropen ● AKFS-aktuell 35/2015 Kaltwasserfische und Fische der Subtropen ● AKFS-aktuell 35/2015 ─ 7 Einige Anmerkungen zu den Fotos Ein zweites Merkmal, unterschiedliche Wangenflecken (Abb. 4- Alter rundlich, mit gekürzt wirkenden Schwanzflossenlappen oder Angaben über die Behütung der Larven bedürfen noch der wis- Diesem Artikel sind 35 Fotos beigefügt. Die Aufnahmen entstan- 7), hat bisher ausschließlich Vogt (1903) beschrieben, wie im Ka- leicht konkav eingebuchtet. Die lange Rückenflosse besitzt acht senschaftlichen Überprüfung von Verhaltensforschern. Der Au- den unter der Prämisse, das natürliche Verhalten der Tiere zu do- pitel ‘Scheibenbarschhaltung im Wandel der Zeit’ dokumentiert. bis elf (meist zehn) Hartstrahlen und elf bis zwölf Weichstrahlen, tor bezweifelt diese unbestätigten Beobachtungen entschieden, kumentieren. Die Fotos zeigen, wie harmonisch Scheibenbarsche Durch sensibles Beobachten werden Wesen und spezifische Ei- insgesamt sind meist 21 Strahlen zu zählen. Die kürzere Anal- vgl. Vogt (1903), Leffler (1968) und Schikirsch (1970) im Kapitel in einem nach ihren spezifischen Bedürfnissen eingerichteten genheiten des Scheibenbarsches näher gebracht. So geht zum flosse ist mit drei Hartstrahlen und elf bis vierzehn Weichstrahlen ‘Scheibenbarsche im Wandel der Zeit‘. Aquarium wirken. Genutzt wurden dabei auch als Warmwasser- Beispiel auch die Nahrungsaufnahme in einem ruhigen gemäch- versehen, macht meist 14 bis 16 Strahlen insgesamt. Die Schup- Damit sind einige Aspekte zur Biologie des Scheibenbarsches pflanzen bekannte Arten. lichen Stil vor sich. pen mit Seitenlinienorganen erstrecken sich von der Kopfregion bereits an dieser Stelle vorangestellt, weitere von Warren nieder- Stimmungsabhängige Zeichnungen und die teils unscheinbaren Der Fisch ist in jeder Lebenslage die Ruhe selbst. bis in den Schwanzwurzelbereich. Zähnchen können im oberen geschriebene Sachverhalte werden stellenweise in den folgenden Signale, wie beispielsweise die Varianten der Wangenflecken und Kieferbereich fehlen oder vorhanden sein. Kapiteln wiedergegeben. die Veränderungen in der Flossenpigmentierung werden in den Allgemeine Biologie des Scheibenbarsches Fortpflanzung: Die Weibchen werden bei 33 mm Standard- Fotos ersichtlich. Aufgrund des zurückhaltenden Balzverhaltens Die folgenden Angaben sind auszugsweise aus Warren (2009) länge und in der Altersgruppe I+, vielleicht auch (insbesondere Systematik und Namensgebung wurde der Scheibenbarsch bereits von Weiss (1968) als ‚Gentle- entnommen. Ihm gebührt der Verdienst, die Biologie des Schei- unter bestimmten Aquarienbedingungen) in der AG 0+ laichreif. Scheibenbarsche werden in die Ordnung der Barschartigen (Per- man‘ bezeichnet, dieser Charakter kommt in den Fotos gut zum benbarsches unter Verwendung der relevanten Literatur zusam- Die Männchen werden vermutlich allesamt als I+ laichreif. In ciformes) und dort in die Familie der Sonnenbarsche (Centrarchi- Ausdruck. menfassend dargestellt zu haben. Fortpflanzungsstimmung sind die Scheibenbarsche bei ungefähr dae) eingeordnet; einer Familie bestehend aus acht Gattungen mit Mit drei Ausnahmen - Engmann (1911, 1934) erkannte die Ge- Färbung: Seitlich sechs mehr oder weniger deutliche schwarze 20 bis 28 °C, die Laichzeiten in der Natur können früh im März 32 Arten. Der wissenschaftliche, aktuell gültige Name des Schei- schlechterunterscheidung durch Verhaltensbeobachtung, Vogt Streifen, der vorderste geht über das Auge, der dritte führt dorsal beginnen (North Carolina) und von Anfang Mai bis zum späten benbarsches lautet