Arthur Trebitsch., Der Neue Schlemihl
Sven Brömsel Arthur Trebitsch., der neue Schlemihl Am 18.6.1906 schreibt ein junger Autor einen vierseitigen Brief an Houston Stewart Chamberlain. Ein Jahr zuvor ist dessen Kant-Buch erschienen, und die Grundlagen des 19. Jahrhunderts gehen in die 8. Auflage; es sind viel diskutier te Publikationen. Die Grundlagen werden in den Augen der Zeitgenossen weni ger als Rassentheorie, denn als sozialphilosophische Analyse wahrgenommen. Auch Chamberlains dickleibige Kommentare zu Wagner und Goethe werden gefeiert Nicht nur das deutsch-völkische Spektrum, sondern auch die jüdische Avantgarde wie Karl Kraus und Martin Buber interessieren sich für den Mann. Er schafft den Sprung von der Fackel zum Völkischen Beobachter. Den Brief an Chamberlain schreibt Arthur Trebitsch, der darin kundtut, da13 er lange überlegt habe zu schreiben, weil er keine Berührung mehr mit den »officiellen Vertreterln1 des philosophischen Denkens« wünsche. Die Professo ren seien die, welche »sich hauptsächlich mit den Denkergebnissen anderer beschäftigen u. nicht selbst Denkergebnisse zu Tagen fördern«l. Obwohl Cham berlain ein Buch über Kant geschrieben habe, sei sein Denken nicht sekundä• rer Natur: »Es ist etwas, es ist eine geistige That die >s ich würdig< u. ganz nahe an die geistigen Thaten unserer grossen Productionen, der Genies, anreiht Und dann, weil ich auch überzeugt bin, dass Sie, der Verfasser Ihres >Kants<, auch als Mensch in Beziehung zu lebendigen Menschen mehr sein müssen als die Pro fessoren, diese Hochhalter des Vorhandenen, kleinliches Wahren ihrer kleinli chen Persönlichkeiten, ängstliche Abwehrer alles N euen, - dann habe ich mich endlich doch entschlossen u. versuche es den, so heiss ersehnten Anschluss anzubahnen.«2 Mit dieser Akademikerschmähung konnte Trebitsch envarten, bei Chamber lain offene Türen einzurennen, der damit kokettierte, Dilettant zu sein.
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