Eine Neue Generation Von Fussballerinnen: Die FCZ-Frauen Im Match Gegen Den Grasshopper-Club. (Zürich, 3. November 2013)
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Eine neue Generation von Fussballerinnen: Die FCZ-Frauen im Match gegen den Grasshopper-Club. (Zürich, 3. November 2013) 14 NZZ am Sonntag | 17. November 2013 Frauen im Strafraum Nirgends sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern grösser als im hoch dotierten Fussball. Noch immer spielen Damenteams vor leeren Tribünen. Nun wollen sich die FCZ-Frauen auf dem letzten Feld des Emanzipationskampfs ins Rampenlicht kicken. Von Carole Koch (Text) und Nicola Pitaro (Fotos) ie FCZ-Frauen Ausserdem sind sie für den Schweizer Spielfelder auf über 15 Hektaren, laufen im Mini Frauenfussball so etwas wie der FC angrenzend an Autobahnzubringer Estadi ein und Barcelona für Spanien. 17-mal haben und Kaufklötze von Möbel Pfister reihen sich sie sich den Meistertitel geholt, zwei oder Mobitare. Alles topmodern her- auf. Die Arme Jahre lang nur ein einziges Mal ver- ausgeputzt und so giftgrün angemalt, hinter dem loren. Trotzdem wissen die meisten als wollte man schreien: «Wir sind die Rücken ver- nicht, dass es diese Kickerinnen über- Zukunft!» Der hier trainierende FCZ schränkt, die haupt gibt. Und wer von ihnen weiss, übt sich tatsächlich darin. Fördert DGesichter vol- findet sie bestenfalls noch niedlich. seine Frauen seit drei Jahren Feld an ler Anspan- Die Katalaninnen sind schnell. Zu Feld mit männlichen Spielern. Von nung. Denn sie wissen: Dieser Match schnell. Schon formieren sie sich hin- weitem sehen sie ohnehin alle gleich wird hart wie nie. Weil sich in den ten. Angriff über den linken Flügel, aus in ihren blauen Jacken und nächsten 90 Minuten abzeichnen Flanke nach vorn, Pass, Schuss, Goal. schwarzen Hosen. wird, ob sie weiter Geschichte schrei- Und so steht es für den FCZ schon Eine darf jetzt nicht in der Garde- ben, den FC Barcelona schlagen und nach den ersten 60 Sekunden so robe Nummer 4 verschwinden, wo es als erstes Schweizer Team in den kritisch wie um den Frauenfussball immer nach frisch gewaschenen Haa- Viertelfinal der Women’s Champions im 21. Jahrhundert. Dabei hat Trainer ren riecht. Einmal mehr: Meriame League ziehen. Auf dem Spiel steht Dorjee Tsawa in der Strategiebespre- Terchoun, kurz Meri, 18 Jahre alt, 1,62 aber viel mehr als ein Sieg auf dem chung noch «bei Ballverlust Druck klein, aber mit einer Klappe gross wie Rasen: das Recht auf Leidenschaft, machen» gepredigt und vor allem: für drei. So sitzt sie schon wieder in Akzeptanz und Gleichberechtigung. «höllisch aufpassen». Jetzt brüllt der fensterlosen Trainer-Kammer, 12.00 Uhr, Anpfiff. Achtelfinal! Die und gestikuliert er an der Seitenlinie: gegenüber von Trainer Dorjee Tsawa. Tribünen aber sind fast leer. Dabei «Hey! Das Spiel hat angefangen!» «Also, was war gestern los?», fragt der wird doch um die begehrteste Trophäe Fünf Tage zuvor, Zürich Schwa- Mann mit dem Ostschweizer Dialekt im europäischen Klubfussball mendingen, Training: Wie so oft weht und den scharfkantigen Asiatenzügen. gekämpft. Ausserdem ist der Himmel der Wind eiskalt über die hell erleuch- Er ist sichtlich genervt, hat er doch über Barcelona angenehm blau und tete Sportanlage Heerenschürli, 14 schon genug am Hals, die Barcelona- der Eintritt gratis. Trotzdem ist nur der Partie, die Oberschenkelverletzung eine Sektor offen, von dem aus das der Kapitänin und gestern noch das: Camp Nou zu sehen ist, dieses Denk- «Im Tennis kommt Alle FCZ-Mädchen planschen im Ther- mal von Stadion, wo den Barcelona- malbad und gehen an die Vereins-GV. Männern jeweils fast 100 000 Fans auch keiner Ausser Meri: Blasenentzündung. «Und zujubeln. Hier hingegen trommeln nur warum kannst du schon wieder trai- Familie und Freunde, rufen «Vamos, mehr auf die Idee, nieren, wenn du krank warst?» chicas», dazwischen manchmal «Hopp Serena Williams Tsawa ist ein Mann mit der nötigen Züri». Ein paar Limmat-blaue Pünkt- Härte, die es für diesen Job wohl chen in den Barcelona-Rängen. mit Roger Federer braucht. Als Erstes sitzt man ihm Dabei hat die Welt noch nie so auf gegenüber, dem Ex-Profifussballer, die FCZ-Frauen geblinzelt wie jetzt. zu vergleichen.» der vorab mit dem gemeinsten Vor- 17. November 2013 | NZZ am Sonntag 15 Vor dem Match gegen GC: Nicole Studer, Sofia Herzog, Nicole Remund, Seraina Friedli (v. l.). (Zürich, 3. November 2013) 16 NZZ am Sonntag | 17. November 2013 urteil aufräumen will, mit dem Fuss «Das Niveau wird Geschlechter La Soule, eine Variante ballerinnen kämpfen: dass sie zu des heutigen Fussballs. Und auch schlecht spielen, ihre Matches lang immer besser. Mit beim Akraurak der Inuit war egal, wer weilig sind. «Das Niveau wird immer nun dem mit Moos oder Walknochen besser. Mit den Männern darf man den Männern darf ausgestopften Ball nachrannte. Die Gegen es trotzdem nie vergleichen», sagt erste Ära des modernen Frauenfuss er und erklärt in schnellen Sätzen, man es trotzdem balls war begann dann während des allen warum: Männer spielen physisch nie vergleichen», Ersten Weltkriegs. Wo Männer fehl bedingt immer einen Tick schneller, ten, durften Frauen nachrücken. So Spott die Schüsse sind schärfer und die Par sagt der Trainer. hatte in England jede grössere Ort tien härter. Sind sie den Frauen tech schaft ein weibliches Team, auch 1895 fand in London der nisch noch überlegen, hat das mit feh in Frankreich oder in der Schweiz erste Frauenfussball- lender Förderung zu tun. Wenn den wurden die ersten Vereine gebildet. Match statt. Zeitungs- Fussballerinnen etwas fehle, dann spreizt die Hände, damit ihre lackier Bald jedoch galt Fussball wieder als kommentare: «Die Damen Egoismus. Alles aber eine Frage des ten Gelnägel besser zu sehen sind. unfrauliche Form der Freizeitbeschäf sind plump über den Trainings und der Zeit. «Im Tennis «Ein bisschen Kitsch muss sein.» tigung und war bis in die siebziger Platz getrottet, hatten kommt auch keiner mehr auf die Idee, Lange Haare, geschminktes Jahre verboten. keine Ahnung, was sie Serena Williams mit Roger Federer zu Gesicht: So wie Meri sieht sie aus, die da tun.» Inspiriert waren vergleichen.» neue Generation von Fussballerinnen, Zwei gegen alle auch Herren vom «Bieler Die Spielerinnen müsste man die sich aus der Unsichtbarkeit spielen Letzigraben 89, dritter Stock, FCZ Tagblatt» in den Siebzi- eigentlich FCZ-Mädchen nennen. Sie und das alte Image wegschminken Sitz: In einem von acht Büros geht es gern, sie schrieben «Mit sind im Schnitt zwanzig Jahre jung, will. Eine Identitätssuche, weg vom nur um die Frauen. Da, wo Marion wogendem Busen und kommen aus allen sozialen Schichten, MannsweiberStigma, hin zu einem Daube zwischen Kisten voller Poster wehendem Zopf» unter trainieren mindestens fünfmal die Vorbild, das sich der Masse zur Identi und AkkreditierungsBändeln die Bilder. Oder ein ZDF- Woche. Ohne Ruhm, ohne Geld. Vom fikation anbietet und verkaufen lässt. herumhetzt. Schon wieder brummt Sportkommentator, der Fussball leben können Frauen nur im Momentan schweben sie irgendwo das iPhone. «Ja, hoi, du sorry, bin «Decken, decken – nicht Ausland. Also betreiben sie den Sport, dazwischen, üben sich einerseits in gerade in einem Meeting.» Es ist die Tisch decken!» rief. zu dem sie über Brüder oder Väter denselben AngeberPosen, wie Fuss Hölle los, schliesslich muss auch das Macho-Denken prägt gefunden haben, als Hobby. Neben baller es tun, klatschen sich etwa BarçaRückspiel im Letzigrund orga den Frauenfussball bis Schule, Studium oder Job. Warum, ständig mit den Händen ab. Anderer nisiert werden. Offiziell ist die blonde heute. Sogar Fifa-Chef können sie nur schwer erklären. Für seits könnten sie nicht femininer sein. Frankfurterin mit Helvetismen wie Sepp Blatter befand: das stimmige Gefühl im Bauch, das Bei den Spitznamen fängt es schon an: «tschutten» in ihrem Hochdeutsch «Ab einem gewissen keine Worte braucht. Das Aufgeho Cinzi, Cumbi, Fabi, Nici, Riri, Raiki, Geschäftsführerin der FCZ-Frauen. Alter haben die Frauen bensein im Team. Das Grenzenüber Sofi, Mirni – immer diese Verniedli Ausserdem EventManagerin, Werbe eine andere Funktion, als winden. Die Ruhe im Stress. Denn der chung. Sie sind so lieb miteinander, rin, PR-Frau, TicketDruckerin. 100 Fussball zu spielen. Sonst ist enorm: Coumba zum Beispiel dass der Trainer mehr Egoismus for Stellenprozent, so viel muss reichen haben wir bald keine jun- kämpft mit einer Maturarbeit über dert. Beim Match gegen GC etwa für ein Feld, so gross, als müsste sie gen Fussballer mehr.» Heroinpolitik. Sofia büffelt für den decken sie einander auf der Ersatz ganz allein gegen eine ganze Mann Trotz allen Widerständen Bachelor in Biotechnologie. Marina, bank gegenseitig mit Jacken zu, schaft antreten. Beziehungsweise zu üben heute weltweit die Hochbauzeichnerin, arbeitet unter kuscheln sich aneinander – und über zweit, mit Vereinspräsidentin und 29 Millionen Frauen und Hochdruck. Barbara ist dreifach belas haupt: wir gegen den Rest der Welt. FifaFrauenfussballChefin Tatjana Mädchen den Sport aus. tet, tagsüber als Malerin, abends in Trotz allem: Kaum einer will Frau Haenni. Die beiden leiten die FCZ der Weiterbildung zur Baustellenleite enfussball sehen. In Partien wie Frauen in einer Art DoppelMatriar rin. Und Meriame macht im Rahmen zuletzt gegen GC spielen die Mädels chat. Ein perfekter Match. Weil der United School of Sports eine KV im Heerenschürli und nicht wie die Haenni als ExNationalspielerin noch Lehre. Männer im Letzigrund. Zum Glück. die Gelassenheit einer Frau hat, die Die Stimmung ist auch auf der Trai schon lange auf allen Ebenen für ihren Wie Pferderennen mit Eseln ningsanlage deprimierender als an «Ich musste mich einfach auskurie jedem Grümpelturnier. Es gibt keine ren, schliesslich will ich am Match fit Bratwürste und nicht einmal Bier. ANZEIGE sein», sagt sie, auf das Trainer«Ver Wozu auch? Bestenfalls schauen 200 hör» angesprochen. Sie ist eine, die Leute zu. Mamis, Papis, Kollegen. den ganzen Mist, den das Leben so Ausserdem: ein Fotograf und ein Fil mit sich bringt, nicht im Stillen mer, ehrenamtlich für den Verein schluckt. Die Scheidung ihrer Eltern, tätig. Spiele werden nur auf Teleclub als sie sieben Jahre alt war, die Abwe gezeigt. Das Schweizer Fernsehen senheit des algerischen Papis, eines bringt höchstens einmal einen Zusam Fussballers, der die kickende Tochter menschnitt.