20 |KULTUR &MEDIEN MONTAG,3.FEBRUAR2020 |BERLINERMORGENPOST

Monster Magnet Originell und voller Witz zelebrieren düsteren Mitdem Puccini-Einakter Gitarren-Rock „SuorAngelica“präsentiert Kirill Petrenkosein PETER E. MÜLLER erstes Education-Projekt Seit 30 Jahren erschüttern Monster Mag- net aus New Jersey die Musikwelt. An- in der Philharmonie fangs noch beflügelt von bewusstseins- erweiternden Drogen, kreierten sie einen mächtigen, psychedelisch angehauchten MARIO-FELIX VOGT Rock, der sich mit ihrem 1998 erschiene- nen, vierten “ zu einem Man erwartet eine Opernaufführung, geradlinig harten, ja fast schon kommer- halbszenisch, in der Philharmonie. Man ziellen Kraftpaket wandelte. „Powertrip“ freut sich auf eine schöne Ouvertüre, ge- markierte den Durchbruch der Band um spielt von einem Orchester, doch es den charismatischen Sänger und Gitar- kommt anders: Mehrere Darstellerinnen risten . bewegen sich in Pina-Bausch-Tanzthea- Nun zelebrieren am ter-Manier auf der Bühne und geben Sonnabend im prallvollen Huxleys nahe- merkwürdige Laute von sich und wu- zu alle Songs von „Powertrip“ in einem scheln durch ihre Haare, dazu spielt ein Konzert, das junger Pianist Puccini-Melodien, die je- MUSIK-KRITIK die Musiker doch immer wieder ins Jazzige abdriften. mit wehen- Ein Blick ins Programmheft klärt die Sa- den Mähnen in Bestform zeigt. Die Band- che auf: Vor der eigentlichen Oper „Suor besetzung wechselte über die Jahre. Dave Angelica“ von Giacomo Puccini erklingt Wyndorf ist heute das einzige Original- ein „Prolog“ für Klavier solo des israeli- mitglied dieser wilden Fünferbande, die schen Komponisten Matan Porat, der energiegeladene Gitarrenbreitseiten in selbst am Flügel sitzt. Nun kommt Kirill knüppelhartem Sound ins Huxleys wuch- Petrenko auf die Bühne, und nahtlos tet. Elf Stücke stehen auf dem Programm, geht das Klaviervorspiel über in die Ou- nur „19 Witches“ und „Your Lies Become vertüre zu Puccinis Einakter. Ein origi- You“ fehlen. neller Start für ein selten aufgeführtes Nach einem formidablen Vorpro- Musiktheaterwerk. gramm der britischen Rockband Saint „Suor Angelica“ bildet innerhalb des Agnes quillt als Ouvertüre das stampfen- „Tritticco“ (zu Deutsch: Tryptichon) das de Instrumental „Goliath and the Vampi- lyrische Mittelstück, das vom tragischen res“ aus den Boxen, während sich die Einakter „Il tabarro“ und der heiteren Band auf der Bühne postiert. Um mit Oper „Gianni Schicchi“ umrahmt wird. „Suor Angelica“ bildet innerhalb des „Tritticco“ das lyrische Mittelstück, auf die beiden anderen Teile wird in der Philharmonie verzichtet. FOTO:MONIKA RITTERSHAUS „Atomic Clock“ in die Vollen zu gehen. Das etwas rührselige Libretto stammt Wyndorf, der noch im vergangenen Jahr von Giovacchino Forzano. „Suor Angeli- eine Tournee wegen einer Mandelopera- ca“ spielt in einem bei Siena gelegenen eine Verzichtserklärung hinsichtlich des sich und gibt den Blick auf eine Schar helden-Chroprogramms. Das künstleri- Land stammt und insgesamt auch alle tion absagen musste, ist einmal mehr in Frauenkloster gegen Ende des 17. Jahr- elterlichen Erbes zu bekommen, erfährt Engel frei. Die Jungfrau Maria tritt mit sche Resultat war schlichtweg überwälti- fünf Kontinente abgedeckt werden. Die seinem Element. Mit tiefer gehängter Gi- hunderts. Der Zuschauer wird mit dem Angelica von dieser, dass ihr unehelicher einem blonden Knaben aus der Kirche, gend. Insbesondere die amerikanische pädagogische Idee, die dahintersteckt tarre röhrt der 63-jährige Rockshouter Alltag der Novizinnen konfrontiert. Vie- Sohn, den sie vor ihrer Novizinnen-Zeit der langsam auf Angelica zugeht, beglei- Sopranistin Ann Toomey begeisterte in ist, dass Menschen aus verschiedensten stimmstark ins Mikrofon. les dreht sich um die Vergehen der Non- zur Welt brachte, verstorben ist. Nach- tet vom Chor der Engel. Angelica stirbt. der Rolle als Angelica mit der farblichen Nationen und Kulturkreisen zusammen- Dieser schwerblütige, von satten Gi- nen, die von der Lehrmeisterin streng dem die Tante wieder abgereist ist, ver- Für die vokalen Parts, die ausschließ- Bandbreite ihrer Stimme, ebenso die kommen, ihre Erfahrungen austauschen tarren-Riffs getragene Rock ’n’ Roll geahndet werden. fällt Angelica in schwere Trauer. Sie lich durch Frauenstimmen abgedeckt schwedische Starsängerin Katarina Da- und miteinander musizieren sollen. rammt sich phonstark in die Magenge- Zunächst wird Schwester Angelica möchte nur noch sterben, um wieder bei werden, wurden herausragende Gesangs- layman,die als Gaststar für die Rolle von Durch den Einsatz von Videoleinwänden gend. Sie spielen die Songs nicht in exak- als eine von Vielen gezeigt, im Laufe des ihrem Kind zu sein und kocht einen gifti- studentinnen verschiedenster Nationen Angelicas Tante gewonnen werdenkonn- wurden die Gesichter der Darstellerin- ter Reihenfolge wie auf Platte, dafür ha- Stück avanciert sie jedoch immer mehr gen Trank, um sich zu töten. Als sie das aus Berliner Musikhochschulen ver- te; sie gestaltetemit hoher emotionaler nen regelmäßig in Großaufnahme ge- ben sie sie aber schnörkellos hochgetu- zur Protagonistin. Sie stammt aus adli- Gift eingenommen hat, wird ihr die sün- pflichtet, während sich das Orchester aus Intensität und überragender Technik. zeigt, was einen besonderen Anspruch ned. Ob „Tractor“, „Crop Circle“ oder ger Familie, die zur Strafe ins Kloster ge- dige Tat bewusst und sie bittet die Mut- Stipendiaten der Karajan-Akademiezu- Auch die Französin Sarah Laulan über- an das mimische Spiel stellte. „3rd Eye Landslide“, alles klingt wie aus schickt wurde. Als ihre unbarmherzige ter Gottes um Gnade. Unterdessen be- sammensetzte. Stimmliche Unterstüt- zeugte mit ihrem samtig-fülligen Alt. Bleibt zu erwähnen, dass Petrenko einem Guss, geradezu wie auf Hochglanz Tante sie dort besucht, um von Angelica ginnt die Kirche zu leuchten, sie öffnet zung gab es vom Projektchor des Vokal- und die jungen Orchestermusiker eben- poliert. „I’m never gonna work another Die Novizinnen wirken wie falls einen tollen Job machten. In der Zu- day in my life“, singt Wyndorf in „Power- Aussteigerinnen der Jetztzeit sammenarbeit mit dem russischen Welt- trip“, dem Titelsong des . Und klassedirigenten liefen sie musikalisch der ganze Saal singt mit. Originell und voller Witz präsentierte zu Höchstform auf. Wunderbar schwe- Monster Magnet haben ihr ureigenes sich die Regie von Nicola Hümpel, die bend, voller tänzerischer Leichtigkeit Klangbild geschaffen, obwohl frühe Ein- Februar zusammen mit dem Bühnenbildner Oli- und mit viel Herzenswärme brachten sie flüsse von Hawkwind bis Black Sabbath ver Proske für eine zeitgemäße Inszenie- Puccinis Partitur zum Klingen. Auch für immer noch zu erahnen sind. Und Wyn- rung des historischen Stoffes sorgte. So die jungen Laiensänger im Chor dürfte dorf erweist sich in diesem phonlastigen wirkten die Novizinnen in ihrer schlich- die Zusammenarbeit mit einem solch Rockzirkus einmal mehr als derb-boden- Morgenpost-Tasting ten Kleidung, die von Nicola Hümpel empathischen Vollblutmusiker wie Pe- ständiger Entertainer, der weiß, wie man fern aller Nonnenklischees ausgesucht trenko ein besonderer Moment in ihrem ein Publikum domptiert. „“, wurde, ein wenig wie Aussteigerinnen Leben gewesen sein. So wie Petrenko auf einer ihrer größten Hits, steht am Ende Genießen Sie jeden Monat die Welt der Drinks in 5Gängen der Jetztzeit, die in einem spirituellen der Bühne nach allen Seiten kommuni- dieser Hommage an das eigene Schaffen. Camp fernab der Alltagsprobleme zu zierte, zeigte, dass er ein höchst erfahre- Als Zugaben gibt es noch vier Songs von für nur 49,90 €pro Person. sich selbst finden möchten und sich ner Operndirigent ist, der es bestens ver- anderen Platten, darunter „Negasonic doch auch dort oft genug gegenseitig be- steht, die verschiedensten Akteure einer Teenage Warhead“ vom geschätzten 94- kämpfen. Eine Besonderheit bei den Dar- Aufführung miteinander zu koordinie- er-Album „Dopes To Infinity“. Viel Ap- stellerinnen dieser Aufführung ist, das ren. Dafür gab’s in der ausverkauften plaus. Es dauert noch eine Weile, bis sich jede der 13 Frauen aus einem anderen Philharmonie reichlich Applaus. der Adrenalinspiegel wieder einpegelt.

Schiffder Albträume Ingeborg Bachmanns Hörspiel lieferte die Vorlagefür die neue Musiktheaterproduktion Februar: MATTHIAS NÖTHER gerdarstellern Pia Davilaund Daniel vorgesehen, die alle dreivon Kostüm- Lieblingsdrinksder Filmhelden Gloger auf derBühne an diesem Abend bildnerin JudithPhilipp ins Outfit von Eine gelbe Lampestrahlt das Publikum viel gesprochen. Umso überzeugender Ingeborg Bachmann persönlich gesteckt Erleben Sie ein ganz besonderes Highlight und probieren Sie diesen Monat beim Morgenpost-Tasting, zu Beginn in der Tischlerei derDeut- geratendaraufhin die Übergänge zum wurden –als Orchestratorinder Gefüh- passend zur Berlinale, die Lieblingsdrinks der Filmhelden. Genießen Sie diese 5Tasting-Gänge mit schen Oper an. Die sich über eine Art Gesang, wie etwa wennLaurenz seinen le der zugleich traumatisierten wie ausgewähltem Food Pairing in der exklusiven Bar des Hotels Regent Berlin: Manegehinweggegenübersitzenden Verstand nahezu in seinemArbeits- überarbeitetenNachkriegs-Wirt- Zuschauer des neuen musiktheatralen stress aufzulösen scheint und in eine schaftswundermenschen. Hörspiels „Ein Geschäft mit Träumen“ Art Deliriumverfällt. Wir dürfen in Klangcollagen aus Cosmopolitan Wodka /Cranberry /Cointreau /Limette sehen sich gegenseitig wie auf einem Komponistin Filonenko hat für die dem Off Ausschnitte aus dem Original- Schwarzweißfotoder 50er-Jahre,starr Musik lediglicheinePianistin, eine hörspiel hören, das oft angenehm unver- Whisky Sour Bourbon /Orangenbitter /Zitrone /Zucker wie eine festgehaltene Erinnerung an Akkordeonistinund eine Saxofonistin ändert bleibt: Es geht um den vom auto- eine unwiederbringliche Zeit. Ein Hör- ritären Chef gehetzten Bürohengst Lau- spiel gleichen Titels schrieb die junge, renz, der in einem weiteren Traum selbst Gin Rickey Gin /Limette /Lavendel /Sodawasser steil aufstrebendeAutorinIngeborg zu einem Krieg führenden Diktator wird Bachmann im Jahr 1952inWien. und schließlich im dritten Traum mit Orange Whip Rum/Sahne /Wodka/Orange Erstaunlich eng an dieseVorlage Anna, die mit einem Schiff nicht in ihre hält sich die neue Musiktheaterproduk- Zukunft fahren konnte, auf dem Meeres- Champagner- Champagner /Zucker /Angosturabitter / tion. Dabei ist –dies ist nicht die un- grund landet. Es ist in vieler Hinsicht ein wichtigste Theseder Regisseurin Anna lichter, unaufdringlicher Abend. Anna Cocktail Orangenbitter /Cognac /Cointreau von Gehren wie der KomponistinAle- von Gehren, aber noch mehr Alexandra xandra Filonenko –diese Epoche struk- Filonenko durch ihre Musik nähert sich Buchen Sie jetzt! turell eben nicht unwiederbringlich, demütig dem ihr aufgetragenen Hör- sondern der unsrigensehr ähnlich. Nie- spieltext. In einem Prolog begleiten Fünf Drinks mit Food Pairing für 49,90 €pro Person gibt es vom 07.bis zum 16.Februar 2020 um 18.30 Uhr in mand hat Zeit: Etwas wert ist, wer be- sphärische Synthesizer-Klänge die Tipp- der Bar des Hotels Regent Berlin,Charlottenstraße 49, 10117Berlin. schäftigt ist. Da ist Laurenz, eifriger An- geräusche einer Schreibmaschine: Von Reservierungen unter: Telefon 030/2033 6363, nur solange die Plätze reichen. Mindestteilnehmerzahl: 6Personen. gestellter in einem Büro,dem aufdem diesem Moment an nimmt Filonenko Nachhauseweg in eben jenem Traumge- wohlwollend in Kauf, dass ihre Komposi- schäft drei Träume zum Kauf angeboten tion tatsächlich das Bewusstsein nicht werden. Die zweite handelndePerson stärker streift als auch ein Traum außer- aller drei Träume ist neben Laurenz halb dieses zarten Musiktheaters es tun selbstnochAnna, dieSekretärin des würde. morgenpost.de/genuss Chefs. Ohne große Furcht, etwaige Vorga- PiaDavila in „Ein Geschäft mit Träu- Deutsche Oper Tischlerei,Richard-Wagner-Stra- ben der Institution Musiktheaterein- men“. Die Inszenierungwird in der ße (Charlottenburg). NächsteVorstellung am Ein Angebot der Berliner MorgenpostGmbH, Kurfürstendamm 22, 10719 Berlin mal nichtzuerfüllen, wird von den Sän- Tischlerei gezeigt. FOTO:XIOMARA BENDER 3. Februar, 20 Uhr. Dieses Dokument ist lizenziert für Voebb-Servicezentrum, ui58016c. Alle Rechte vorbehalten. © Berliner Morgenpost. Download vom 03.02.2020 11:20 von bib-voebb.genios.de.