Comics« in Der Deutschen Zeitungsforschung Vor 1945 Von Michael F
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»Comics« in der deutschen Zeitungsforschung vor 1945 Von Michael F. Scholz Als Bestandteil von Zeitungen musste die amerikanische Comicbeilage auch die Aufmerksamkeit der frühen deutschen Zeitungsforschung erwecken. In Deutschland tat man sich schwer, die populäre Form zu übernehmen, und das, Gefördert durch Stiftelsen Riksban- obwohl die Comics dazu beitrugen, die Auflage ihres Blattes zu erhöhen. kens Jubileumsfond, Stockholm In »Deutsche Comicforschung« sind wieder- holt Benennung und Definition des Comic diskutiert worden. Comics seien eben nicht nur komisch, konstatierte Eckart Sackmann, daher habe »das unzutreffende Lehnwort aus dem Englischen [...] bis heute eine vorur- teilsfreie Ein- und Zuordnung verhindert«.1 Mehr Aufschluss über die Geschichte dieses Lehnwortes im deutschen Sprachraum und über die Vergänglichkeit von Definitionen soll folgend ein Überblick über zeitgenössi- sche deutsche Urteile vor 1945 über die ame- rikanischen »Comic Strips« bzw. »Comics« geben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der deutschen Zeitungswissenschaft, zu deren Forschungsgegenstand die Comics als ein wichtiger Teil der amerikanischen Zeitungen gehörten.2 In der amerikanischen Diskussion um die Gefährlichkeit der »comic supplements«, die bereits im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts heftig geführt wurde, stand auch deren Humor bzw. Niveau in der Kritik. Als die New York Evening Post den Vorwurf erhob, dass die farbigen »comics« der ameri- kanischen Sonntagszeitungen »clownish, vulgar, idiotic« seien und von intelligenten Deutschen, Franzosen und Engländern nicht verstanden würden, konterte Rudolph Block, bei Hearst Herausgeber der Comic-Beilagen, Oben ein zeitgenössischer (Bild-) der einzige Grund, weshalb die »Katzenjam- Frühe Versuche, amerikanische Comics Kommentar von Karl Arnold aus mer Kids« in Deutschland nicht publiziert auch in Europa bekannt zu machen, hatten Simplicissimus 27. Jg., Nr. 25 (1922). würden, bestehe darin, dass »of the four unterschiedlichen Erfolg. Bereits 1903 fand publications in that country that applied for »Buster Brown« seinen Weg nach Europa. the exclusive right of the publishing them Buchausgaben dieser Serie erschienen in simultaneously with newspapers here, none mehreren europäischen Ländern – nicht in was willing to pay the price the editor set Deutschland, aber in Frankreich, England 1 Eckart Sackmann: Comics sind upon them«. Umgekehrt habe Block sich Schweden und Dänemark. Dänemark war nicht nur komisch. Zur Benennung und Definition. In: ders. (Hg.): mehrfach darum bemüht, die berühmtesten 1903 der Berner Konvention zum Schutz des Deutsche Comicforschung 2008. Zeichner (»most famous humorous artists«) Urheberrechts beigetreten und kaufte bereits Hildesheim 2007, S. 7; ders.: Comic: aus Europa in die Vereinigten Staaten zu ab 1906 skandinavische Abdruckrechte für Kommentierte Definition, in: ders. holen, darunter aus Deutschland Adolf Ober- Comic Strips aus den USA.4 In Deutschland (Hg.): Deutsche Comicforschung länder. Aber sie alle lehnten ab und zogen es fanden die amerikanischen Comics kein 2010, Hildesheim 2009. S. 6-9. vor, für ihre heimatlichen »comic publicati- Interesse. Der deutsche Humor scheint ein 2 Vgl. Gert Hagelweide: Literatur zur deutschsprachigen Presse: eine ons« zu arbeiten. Andererseits hätten Dirks, anderer gewesen zu sein; den bedienten die Bibliographie. München 1985-2007. Opper, Outcault und Swinnerton in den letz- traditionellen Karikaturen- und Witzblätter 3 Vgl. Sounding The Doom Of The ten Jahren auch unzählige Angebote aus offenbar zufriedenstellend.5 »Comics«. In: Current Litterature, England, Frankreich und Deutschland abge- Die wohl erste Bekanntschaft mit den Vol. XLV (Dezember 1908), S. 630- lehnt.3 Comic Strips verdankte der deutsche Leser 633. 59 Unten das Cover von P. Richards’ »Zeichner und ›Gezeichnete‹« von 1912; rechts daraus ein Ausschnitt. rikanischen Zeichners und Journalisten« er- schienen ab 1912 in mehreren Auflagen.7 Selbstredend behandelte er hier auch die neuen farbigen Zeitungsbeilagen. Über sie erfuhr der deutsche Leser, dass sie einen Umfang von vier bis acht Seiten hätten, im Vierfarbendruck erschienen und von alt und jung mit Ungeduld von Woche zu Woche erwartet und förmlich verschlungen würden. Richards stellte auch einige der damals be- liebtesten amerikanischen Karikaturisten im Bild vor. Den mächtigen Zeitungsverleger W. R. dem Österreicher Richard Pichler, der 1912 Hearst, dem er über Jahre treu verbunden nach langer und erfolgreicher Karriere als war, lobte er in den höchsten Tönen als »ver- Pressezeichner und Karikaturist in den USA ständnisvoll und bereitwillig auf neue Ideen Unten die Titelseite der Berliner nach Deutschland zurückgekehrt war. In eingehend, liebenswürdig im Verkehr, nobel Sonderausgabe des New Yorker Berlin, wo er bis zu seinem Tod 1940 lebte, und großzügig in Geschäften«. Damit ebnete Deutschen Journals vom 28. Sep- tember 1913. Die Zeitung wird im veröffentlichte er weiter unter »P. Richards«, er Hearst auch den Weg auf den deutschen Internationalen Zeitungsmuseum dem Namen, mit dem er in den USA als stän- Markt, denn dieser lancierte bereits im Sep- Aachen aufbewahrt – leider fehlt diger Mitarbeiter der Hearst-Presse zu den tember des folgenden Jahres eine Sonder- die Comicbeilage, für die es deswe- höchstbezahlten Zeichnern seiner Zeit ge- ausgabe New Yorker Deutsches Journal. Sie gen keinen Beleg, sondern nur hört hatte.6 Seine »Erinnerungen eines ame- mündliche Aussagen gibt. fand offenbar in Berlin und Wien Verbrei- tung und enthielt wohl auch mehrere Co- mics aus dem Medienimperium von Hearst, darunter die unter anderem von Wilhelm Busch inspirierten »Katzenjammer Kids«.8 Mit Ausbruch des Krieges 1914 verblass- te das von P. Richards mit Wärme und Sym- pathie gezeichnete Amerika-Bild. Das deutsch-amerikanische Verhältnis kühlte merklich ab. In den USA entwickelte sich gegen Deutschland eine starke Abneigung, die bald in Feindlichkeit umschlagen sollte. Darauf war man in Deutschland kaum vor- bereitet. Erst während des Krieges wurde man gewahr, dass man in Fragen der Propa- ganda bzw. der psychologischen Kriegfüh- rung und Verteidigung gegenüber dem Geg- 60 ner deutlich zurückgeblieben war. Durch Links ein Ausschnitt aus eine Reihe von Initiativen und Neugründun- dem Artikel »Der HUMOR in der amerikanischen KA- gen sollte sich das ändern. Dies betraf unter RIKATUR« in der Berliner anderem das Studium der öffentlichen Mei- Illustrirten Zeitung (1921). nung des Auslands. Länderkunde und Zei- Im Untertext wird darauf tungskunde entwickelten sich zu akademi- verwiesen, dass es die schen Fächern. Figuren Mutt und Jeff in Deutschland im Zeichen- Im Kriegsjahr 1916 wurde das erste trickfilm zu sehen gab. deutsche Institut für Zeitungskunde an der Universität Leipzig unter der Bezeichnung »Zeitungswissenschaft« gegründet. Das Fach sollte sich wissenschaftlich mit den Print- medien befassen, dabei insbesondere mit den Zeitungen. In schneller Folge kam es in Berlin, Münster, Freiburg, München und Heidelberg zu weiteren Institutsgründen. Zunächst standen aber nicht aktuelle Ent- Comics interessierten – die sagenhaften wicklungen auf dem Gebiet des Pressewe- Einkünfte der Schöpfer der Figuren und sens im Vordergrund, sondern theoretisch- deren ökonomische Vermarktung sowie der Unten ein offenbar von fremder methodische Fragen. aus deutscher Sicht besondere amerikani- Hand nachgezeichneter Strip von In den USA war es in diesen Jahren zur sche Humor. Bereits zu Beginn des Jahrhun- Frederick Burr Opper, abgedruckt derts hatte es sich gezeigt, dass man in den in den Münchner humoristischen Bildung von Comic-Syndikaten gekommen, Blättern 52/1912. die den nationalen und bald auch internatio- nalen Vertrieb der Comic Strips übernah- men. Da die Syndikate den Comiczeichnern gegenüber als Käufer und Auftraggeber auf- traten, erhielten sie auch immer stärkeren Einfluss auf die weitere Entwicklung bzw. Ausgestaltung der Comics. Deren Inhalte (urban, ethnic, slapstick humor) wurde auf Drängen der Syndikate im zweiten Jahrzehnt durch familienfreundliche Themen ergänzt. Gesellschaftskritische Aussagen, wie sie noch ansatzweise bei »The Yellow Kid« zu finden waren, verschwanden fast völlig. Da- für richteten sich die Comics nun auch di- rekt an Kinder. Da die mächtigen Syndikate um die besten Zeichner wetteiferten, erreich- ten Top-Zeichner Spitzenlöhne.9 Dies fand nicht nur in den USA Aufmerksamkeit, son- dern auch in Deutschland. Geschichten über die sagenhaften Einkünfte der Karikaturi- sten, wie die Comic-Zeichner hier wie dort genannt wurden, machten die Runde. Der gewaltige Erfolg der Hearst-Zeitun- gen, der offenbar anfangs auf der weitge- hend farbigen Humorbeilage am Wochen- ende und später unter der Woche der Seite mit den Daily Strips beruhte, wurde Anfang 1921 auch in der Berliner Illustrirten Zeitung diskutiert. Die Amerikaner wurden hier als »ein äußerst lachlustiges Volk mit einem sehr lebhaften Sinn für grotesken Humor« be- schrieben. Der Artikel rang um die rechte Beschreibung des Phänomens. Der Tages- strip wurde hier »tägliche Serienhandlung« genannt und die Sonntagsseite »ganzseitiger farbiger Film«.10 Offenbar waren es vor allem zwei Din- ge, die den deutschen Leser hinsichtlich der 61 Früher deutscher Abdruck von Ha- USA keinen Gefallen mehr am Humor der ihren farbigen »Serienbildern«. Nach rold Knerrs »The Katzenjammer Kids« in Das Magazin 8/1925. deutschen Karikaturisten fand – wohl hatten Richards kreiere hier jeder Zeichner eine sich die USA und Deutschland in dieser besondere Figur, die er dann in