Eingereicht von Christiane Scholz, BEd

Angefertigt am Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte

Beurteiler / Beurteilerin Univ.-Prof. Dr. Marcus Gräser

Literaturpolitik im April 2018 Nationalsozialismus

Der Versuch durch Gleichschaltungspolitik den Buchmarkt zu kontrollieren und die Lesegewohnheiten zu lenken

Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts im Masterstudium Politische Bildung

JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Ort, Datum

Unterschrift

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Abstract

Diese Masterarbeit behandelt das Thema „Literaturpolitik im Nationalsozialismus“. Zu Beginn erfolgt eine Einführung in die Institutionen der Literaturpolitik, ihre Aufgaben und Entscheidungsträger. Daraufhin werden die jeweilige Situation und Probleme für das Verlagswesen sowie den Buchhandel und die Buchhändlerinnen und Buchhändler dargestellt. Schließlich wird die Literatur an sich behandelt. Dabei wird ein großer Bogen gezogen von Gattungen, Buchtypen und Themen in den literarischen Werken der NS-Zeit, über den Prozess der literarische Kanonbildung und des Kanons in der Schule, bis hin zu den erwünschten und geförderten Autorinnen und Autoren und der Buchpropaganda. Um die theoretischen Erkenntnisse abzurunden werden, im Zuge der verschiedenen Buchtypen, praktische Beispiele der jeweiligen Autorinnen und Autoren noch einmal aufgezeigt und somit auch die Lebens- und Arbeitswelt einer Schriftstellerin oder eines Schriftstellers dargestellt. Am Ende wird die Wirkung der nationalsozialistischen Literatur bis heute untersucht.

This master thesis is about “National Socialists’ Politics concerning Literature”. In the beginning the main institutions, which were responsible for literature, their tasks and presidents are presented. This is followed by a description of the situation and problems for book stores and publishing houses. The main part is about the literature of this time itself and all its authors: types and themes of books, genres, propaganda, the book canon, the canon at schools and the authors, who are promoted by the regime. To show the situation in this time for the authors, there are two practical examples for each type of book, which show the life and work during the time of National Socialism. The thesis ends with an analysis of the effect of the literature of this time.

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Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinem Freund bedanken, der nicht nur die Arbeit Korrektur gelesen hat, sondern auch immer - mit Rat und Zuspruch – für mich da war.

Außerdem möchte ich mich bei meiner Mutter bedanken, die mich immer angetrieben und dafür gesorgt hat, dass diese Arbeit fertig wird.

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Inhaltsverzeichnis

Abstract ...... 3 1. Einleitung ...... 7 2. Institutionen ...... 9 2.1. Reichskulturkammer ...... 9 2.1.1. Entstehung und Kompetenzen der Reichsschrifttumskammer ...... 11 2.1.2. Das Amt des Präsidenten der Reichsschrifttumskammer ...... 14 2.1.3. Die Mitgliedschaft und „Arisierung“ der Kammern ...... 17 2.2. Verlagswesen ...... 19 2.2.1. S. Fischer-Verlag ...... 19 2.2.2. Herder Verlag ...... 22 2.3. Wirtschaftliche Situation des Buchhandels und der Verlage ...... 27 2.4. Der Zwischenbuchhandel ...... 30 2.5. Der Sortimentsbuchhandel ...... 36 3. Literatur und ihre Autorinnen und Autoren ...... 41 3.1. Kanonbildung ...... 41 3.1.1. Negative Kanonbildung: Bücherverbrennungen ...... 42 3.1.2. Positive Kanonbildung: Erwünschte Literatur ...... 45 3.1.3. Kanon und Schule ...... 50 3.1.4. Erwünschte, geförderte, geduldete AutorInnen ...... 55 3.1.5. Buchpropaganda ...... 57 3.2. Gattungen ...... 61 3.2.1. Epik ...... 62 3.2.2. Dramatik ...... 63 3.2.3. Lyrik ...... 63 3.3. Bestseller und Kassenschlager ...... 64 3.4. Gängige Buchtypen und Leseverhalten ...... 69 a) Unterhaltungsromane ...... 70 b) Humor und Komik ...... 73 c) Bestseller aus dem Ausland ...... 75 d) Volksliteratur ...... 77 e) NS-Propagandaliteratur ...... 80 f) Sachbücher ...... 83 g) Kriegsbücher...... 85

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h) „Blut-und-Boden“-Literatur ...... 86 i) Klassiker beziehungsweise gehobene Literatur ...... 89 j) Wehrmachtslektüre...... 91 4. Wirkung bis heute ...... 92 5. Fazit ...... 95 6. Literatur- und Quellenverzeichnis ...... 97 7. Abbildungsverzeichnis ...... 102

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1. Einleitung

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass „[…]stets auch das Leben in die Schriften eingreift.“ (Barbian, 2008, S. 324) Dieser Eingriff ist besonders gravierend in einem diktatorischen System, wie dem der Nationalsozialisten. Nicht alleine das Leben griff hier in die Schriften ein, sondern vor allem die Politik und deren Ideologie. Die Zeit des Nationalsozialismus ist ein vielbehandeltes Thema in Wissenschaft, Kunst und Kultur. Auch der Bereich der Literatur im Nationalsozialismus wird oft behandelt. Doch meist finden sich lediglich Berichte und Schriften zur verbotenen Literatur und zu Bücherverbrennungen oder den bekannten Exilautorinnen und Exilautoren. Mit dieser Masterarbeit soll das Thema von einer anderen Seite aufgerollt und die tatsächlich gelesene Literatur im Dritten Reich betrachtet werden.

Der Forschungsschwerpunkt dieser Arbeit liegt deshalb auf der Frage, wie das Literatursystem der Nationalsozialisten arbeitete und wer beziehungsweise was veröffentlicht wurde. Die Forschungsfrage dieser Masterarbeit lautet: Waren die Nationalsozialisten durch ihre Gleichschaltungspolitik in der Lage, den Buchmarkt zu kontrollieren?

Um dies zu untersuchen wurden folgende Bereiche genauer betrachtet: - Wer wurde veröffentlicht und warum? - Welche Institutionen spielten dabei eine Rolle? - Welche waren die „typischen“ erwünschten Buchgenres im Dritten Reich? - Was wurde gelesen?

Um die Forschungsfrage zu beantworten, werden Sekundärliteratur, Quellen und Statistiken herangezogen. Dadurch soll ein Überblick über das Literatursystem, die erwünschte und tatsächlich gelesene Literatur und die geförderten Autorinnen und Autoren gegeben werden.

Zu Beginn erfolgt eine Einführung in die neu gegründeten Institutionen der nationalsozialistischen Literaturpolitik, ihre Aufgaben und Entscheidungsträger. Daraufhin werden die jeweilige Situation für das Verlagswesen sowie den Buchhandel und die Buchhändlerinnen und Buchhändler dargestellt. Dabei wird auf wirtschaftliche,

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kriegsbedingte und personelle Probleme sowie die Situation der Kontrolle des Buchmarktes und der Gleichschaltung eingegangen. Schließlich wird die Literatur an sich behandelt. Dabei wird ein großer Bogen gezogen von Gattungen, Buchtypen und Themen in den literarischen Werken der NS-Zeit1, über den Prozess der literarische Kanonbildung und des Kanons in der Schule, bis hin zu den erwünschten und geförderten Autorinnen und Autoren und deren Verdienste und Gewinne. Um die theoretischen Erkenntnisse abzurunden werden, im Zuge der verschiedenen Buchtypen, praktische Beispiele der jeweiligen Autorinnen und Autoren noch einmal aufgezeigt und somit auch die Lebens- und Arbeitswelt einer Schriftstellerin oder eines Schriftstellers dargestellt. Am Ende wird die Wirkung der nationalsozialistischen Literatur bis heute untersucht.

Durch diese Herangehensweise sollte ein Überblick über die nationalsozialistische Literaturpolitik des Dritten Reichs gegeben werden, mit einem besonderen Schwerpunkt auf der erwünschten und tatsächlich gelesenen Literatur, sowie den gängigen Buchtypen. Durch die genauere Betrachtung des gesamten Literaturbetriebs und des Buchmarktes zu dieser Zeit sollen interessante Fakten gefunden und so die zuvor genannte Hypothese bestätigt werden.

1 NS dient hier und im Folgenden als Abkürzung für Nationalsozialismus oder nationalsozialistisch.

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2. Institutionen 2.1. Reichskulturkammer

In Deutschland kamen die Nationalsozialisten am 30. Jänner 1933 an die Macht. Dies beziehungsweise die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler markierten den endgültigen Beginn des NS-Regimes in Deutschland (vgl. Wildt, 2008, S. 72). Zu diesem Zeitpunkt hatten die Nationalsozialisten zwar präzise Ziel- bzw. Feindvorstellungen, aber weder ein genaues Regierungsprogramm, noch eine neue, nationalsozialistische Staatsorganisation. Zwar machten Hitler und sein Buch Mein Kampf klar, dass er keine Demokratie, sondern ein autoritäres, zentralistisches Regime einführen werde, doch wie dessen Verwaltungsorganisation beschaffen sein sollte und was mit den vorhandenen Behörden geschehen würde, war nicht bekannt (vgl. Dahm, 2004, S. 75). Doch nachdem Hitler an die Macht kam umschiffte er dieses Problem, um kein politisches Risiko einzugehen, indem er die oberen Reichsbehörden so beließ wie sie waren, aber neue Sonderbehörden schuf, die ihm persönlich unterstellt waren. Im Zuge dessen entstanden drei neue Reichszentralinstanzen: 1933 das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 1934 das Reichsministerium für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung und 1935 das Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten (vgl. Dahm, 2004, S. 75). Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda wurde aus einem bestimmten Grund zu einem solch frühen Zeitpunkt gegründet: das „[…] ideologische Profil des Nationalsozialismus hatte keinerlei Originalität. Seine charakteristische Gestalt gewann er erst durch seine Propagandatechnik und seine Organisationsform.“ (Thamer, 1986, S. 148) Deshalb wurde das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda „[…]einem Mann auf den Leib geschneidert, der durch seine agitatorische Brillanz und seinen inszenatorischen Einfallsreichtum entscheidend dazu beigetragen hatte, Hitler zur politischen Kultfigur zu machen: Joseph Goebbels, Gauleiter von Berlin und Reichspropagandaleiter der Partei.“ (Dahm, 2004, S. 76) Betreffend der Organisation finden sich im Reichskulturkammergesetz vom 22. September 1933, unter anderem, folgende Beschlüsse:

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„Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird: § 1. Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda wird beauftragt und ermächtigt, die Angehörigen der Tätigkeitszweige, die seinen Aufgabenkreis betreffen, in Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammenzufassen. § 2. Gemäß §1 werden errichtet: 1. eine Reichsschrifttumskammer, 2. eine Reichspressekammer, 3. eine Reichsrundfunkkammer, 4. eine Reichstheaterkammer, 5. eine Reichsmusikkammer, 6. eine Reichskammer der bildenden Künste. […] § 5. Die im § 2 bezeichneten Körperschaften werden gemeinsam mit der vorläufigen Filmkammer, die den Namen Reichsfilmkammer erhält, zu einer Reichskulturkammer vereinigt. Die Reichskulturkammer steht unter der Aufsicht des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda. Sie hat ihren Sitz in Berlin.“ (Graeb-Könneker, 2001, S. 38f, nach Hinkel, 1937, S. 24f)

Das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda umfasste also neben einer Propagandaabteilung noch vier Fachabteilungen für Rundfunk, Presse, Film und Theater. Andere kulturelle Bereiche, wie Musik, Literatur und bildende Kunst wurden nur in die vorhandenen Abteilungen eingegliedert und dort von Referenten bearbeitet (vgl. Dahm, 2004, S. 76). „Ein Reichskulturministerium war das Propagandaministerium also in seinen ersten Anfängen nicht.“ (Dahm, 2004, S. 76) Dazu wurde es erst mit der Gründung der Reichskulturkammer am 15. November 1933, acht Monate nach Gründung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Im Gegensatz zum Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda umfasste die Reichskulturkammer sieben Fachkammern für folgende Bereiche: Presse, Rundfunk, Film, Theater, Schrifttum, Musik und bildende Künste. In seiner Festrede zur Eröffnung betonte Goebbels, dass die Freiheit des künstlerischen Schaffens, ihre Grenze in der Freiheit von Volk und Nation findet und dass keine nationalsozialistische Gesinnungskunst verlangt werden würde (vgl. Dahm, 2004, S. 77). Der Rechtsreferent der Reichskulturkammer (in ihren Anfangsjahren) Karl-Friedrich Schrieber beschrieb den Aufbau der Kammern folgendermaßen:

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„Es ist wohl das erstemal[sic!] in der Geschichte der Völker, daß[sic!] ein Staat es unternimmt, das gesamte Kulturleben eines großen Volkes zu führen und mit dem einheitlichen Geist der Verantwortung gegenüber der Volksgemeinschaft zu erfüllen. Dieses Unterfangen nötigt um so[sic!] mehr Respekt ab, als es sich nicht nur um eine erstmalige Aufgabe, sondern auch um eine völlig neue Organisationsform handelt, für die keinerlei Erfahrungen vorliegen. Der nationalsozialistische Staat befindet sich mit seiner Kulturarbeit auf völligem Neuland, alles muß erst mühselig erarbeitet werden." (Schrieber, 1934, S. 17)

„Der Wille zu einem revolutionären Neubeginn verband sich in einer für den NS- Staat charakteristischen Art mit bürokratischen Verfahrensweisen. Organisation, Gesetz und Regel, die beiden letzteren freilich oft und gerade in den entscheidenden Fragen tatsächlicher Normativität beraubt, wurden zum Vehikel des revolutionären Kulturgedankens. Das Recht der Reichskulturkammer schwoll im Laufe weniger Jahre zu einem kaum noch überschaubaren Konglomerat von Gesetzen, Erlassen, Anordnungen und Bekanntmachungen an […]“ (Dahm, 1986, S. 57)

2.1.1. Entstehung und Kompetenzen der Reichsschrifttumskammer

Als Leiter der Schrifttumsabteilung besetzte Goebbels Dr. Heinz Wismann, einen Parteigenossen. Präsident der Schrifttumskammer wurde Hans Friedrich Blunck, ein bekannter völkisch-nationaler Schriftsteller, der allerdings, zu Goebbels Bedauern, nicht zu den Großen seiner Zeit zählte (vgl. Dahm, 2004, S. 77ff). „Um den Selbstverwaltungscharakter der neuen Einrichtung zu unterstreichen, wurden den Präsidenten sogenannte Präsidialräte beigegeben, die die in den Fachkammern jeweils vereinigten Berufsgruppen repräsentieren sollten.“ (Dahm, 2004, S. 80) Die Präsidialräte der Reichsschrifttumskammer (RSK) waren die Schriftsteller Hans Grimm und Hanns Johst, der Verleger Friedrich Oldenbourg, der Buchhändler Theodor Fritsch und Abteilungsleiter und späterer Vizepräsident Heinz Wismann (vgl. Dahm, 2004, S. 80). Die Präsidenten der Kammern konnten beziehungsweise sollten nicht nur über Aufnahme und Ablehnung von Mitgliedern entscheiden, sondern auch Ordnungsstrafen verhängen und gegebenenfalls die Polizei einschalten. Darüber hinaus konnten sie die Bedingungen für Betriebsführung, Betriebszulassungen, den Abschluss arbeits- und sozialrechtlicher Vereinbarungen und Enteignungen festlegen (vgl. Barbian, 2010, S. 103). Die Reichsschrifttumskammer war auch dafür zuständig, Sondergenehmigungen zu erteilen. So konnten Menschen, die nicht in die Kammer aufgenommen worden waren, mit dieser weiterarbeiten. Oder sie bekamen, etwa als Autorin oder Autor bei

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einmaliger schriftstellerischer Tätigkeit, einen Befreiungsschein ausgestellt (vgl. Adam, 2013, S. 22). Die Zusammensetzung der Reichsschrifttumskammer und auch der anderen Kammern war nicht wirklich außergewöhnlich. „Es handelte sich um eine Mischung aus konservativen Künstlern, nationalsozialistischen Aktivisten und konservativen bis nationalsozialistischen Ministerialbeamten.“ (Dahm, 2004, S. 81) Bereits in den letzten Jahren der Weimarer Republik hatte sich eine breite antimoderne Koalition zwischen Nationalsozialisten und Konservativen gebildet, die in den Kammern gut repräsentiert wurden (vgl. Dahm, 2004, S. 81). Der Grundgedanke bei der Errichtung der einzelnen Kammern war, dass diese öffentliche Aufgaben erledigen sollten. Dabei mussten sie sich zwar selbst verwalten, der Staat konnte aber mitwirken und die Kammern ständig überwachen. Die Reichsschrifttumskammer und ihre Abteilungen hatten die Aufgabe, die Grundwerte und die Ideologie des Nationalsozialismus in der Gesellschaft zu propagieren. „Die neuen Körperschaften des öffentlichen Rechts sollten die >>Anpassung des Rechts<< an die >>Forderungen des nationalsozialistischen Staates<< übernehmen und die >>Kulturschaffenden<< ihre Autonomie aufgeben.“ (Barbian, 2010, S. 100f) Die Reichsschrifttumskammer war in sieben verschiedene Abteilungen gegliedert, die jeweils eine bestimmte Berufsgruppe des deutschen Büchermarktes repräsentierten.

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Der Aufbau sah wie folgt aus:

Abbildung 1: Aufbau der Reichsschrifttumskammer (Stand 1937). (Graeb-Könneker, 2001, S. 43) Zu Beginn wurden die Arbeit und die vielfältigen Aufgaben der Reichsschrifttumskammer auf die verschiedenen Unterabteilungen aufgeteilt. Auf der einen Seite fanden sich beispielsweise die Beaufsichtigung der unterstellten Gruppen, die Verbindung zu anderen Reichsstellen, die Geschäftsführung, juristische Sachverständige und das Verordnungswesen. Auf der anderen Seite, speziell das Schrifttum betreffend, Urheberrechtsfragen, die Beobachtung des Schrifttums, die Betreuung des buchhändlerischen Nachwuchses und des Vortragswesens, die Beobachtung des deutschen Buches im Ausland, das öffentliche Büchereiwesen, die Sprachpflege sowie die Beobachtung der Verlage, des Buchhandels und der Leihbüchereien (vgl. Barbian, 2010, S. 104). Die Kammer sollte zuständig sein für die rechtliche, soziale, fachliche Beratung, die Betreuung der Mitglieder, die Lenkung und wirtschaftliche Regulierung des Buchhandels, die Förderung des erwünschten Schrifttums sowie die Ausmerzung des unerwünschten. „Im Laufe der Zeit wurde die Reichsschrifttumskammer zu einer Art Clearingstelle für die unterschiedlichsten Streitigkeiten zwischen Autoren und Verlegern. So wandten sich Schriftsteller an die Kammer, wenn sie ihren bisherigen Verlag, an den sie durch einen Optionsvertrag gebunden waren, wechseln wollten, wenn sie […] mit der Präsentation und dem Vertrieb ihrer

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Werke durch einen Verlag unzufrieden waren, wenn sie sich bei der Umsatzbeteiligung durch ihren Verlag benachteiligt fühlten, wenn ihre Werke aufgrund abgelehnter Papierzuteilungen nicht erscheinen konnten, wenn es um die Zahlung von Ausfallhonoraren für ihre bei Luftangriffen vernichteten Manuskripte oder Drucksätze ging u. a. m.“ (Barbian, 2008, S. 28)

Die Hauptaufgaben der Kammer reichten also von der Erfassung aller Kulturschaffenden des deutschen Reiches, vom Dichter bis zum Literaturvertrieb, über deren genaueste Beobachtung und Steuerung, bis hin zur absoluten Kontrolle derselben. „Über die Zwangsmitgliedschaft in der Kammer sollte letztlich alles, was inhaltlich zu kontrollieren war, kontrolliert werden.“ (Adam, 2013, S. 22) Wenn jede und jeder, im Buchhandel Tätige, die gleiche nationalsozialistische Gesinnung hätte, wären eine Vorzensur im Verlagswesen und eine ständige Überprüfung im Buchhandel überflüssig. „Dies war und blieb einer der Grundsätze der NS- Literaturpolitik: Zensur sollte, wenn sie denn stattfand, möglichst unsichtbar bleiben.“ (Adam, 2013, S. 23)

2.1.2. Das Amt des Präsidenten der Reichsschrifttumskammer

Der Schrifttumskammerpräsident Hans Friedrich Blunck war fasziniert vom Selbstverwaltungsprinzip der Kammern und sah darin große Chancen für die Literatur und alle Berufsgruppen, die mit Büchern zu tun hatten. Seine Erfolge in dieser Position waren der organisatorische Aufbau der Kammer, die Reform der Ausbildung im Buchhandel, die Einführung der Gehilfenprüfung und die Gründung der Reichsschule des deutschen Buchhandels, die davor zu absolvieren war (vgl. Dahm, 2004, S. 88). Der völkisch-national eingestellte Blunck hatte viele Bezüge zum Nationalsozialismus, was sich auch in seiner Arbeit bemerkbar machte. Er hatte eine Vorliebe für Stoffe aus der germanisch-nordischen Vorzeit und volkstümliche Überlieferungen aus dem niederdeutschen Sprachraum, die er zu Romanen, Märchen oder Sagen verarbeitete. Des Weiteren fand sich in seiner Arbeit immer wieder das „Blut-und-Boden“-Motiv und er trat auch für den „Führer- und Reichsgedanken“ ein. Doch eine Sache passte nicht ins Bild und wurde schließlich zum Problem: er lehnte den Rassenhass ab. Trotz gelegentlicher antisemitischer Äußerungen und seines Eintretens für die Vermehrung des „deutschen Blutes“, weigerte er sich, Juden zu diskriminieren und nicht mehr mit ihnen zu verkehren und verurteilte sogar den Judenboykott 1933 (vgl. Dahm, 2004, S. 88f).

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Blunck ging sogar noch einen Schritt weiter und „[…] machte die Annahme des Amtes davon abhängig, daß [sic!] Juden nicht diskriminiert würden.“ (Dahm, 2004, S. 89) Dies wurde ihm vom Propagandaministerium zugesichert, da es ja formal rechtlich auf das Kulturkammergesetz zutraf. „Dementsprechend sprach sich Blunck bei seinem Amtsantritt gegenüber dem Präsidialrat Hans Grimm dafür aus, Juden, die dem deutschen Staat positiv gegenüberstanden, großzügig in die Kammer aufzunehmen.“ (Dahm, 2004, S. 89) Allerdings nur, solange die Zahl der aufgenommenen Juden nicht zu groß würde, denn dies wäre eine negative Entwicklung, der wieder entgegengewirkt werden musste. „Tatsächlich wurde der Reichsverband deutscher Schriftsteller dann von der Schrifttumskammer angewiesen, die Eingliederung von Juden auf 5 Prozent seiner Gesamtmitgliederzahl zu begrenzen. Dies hatte zur Folge, daß [sic!] 428 „nichtarische“ Schriftsteller aufgenommen wurden […].“(Dahm, 2004, S. 89)

Alles in allem erfüllte Hans Friedrich Blunck sein Amt, in den Augen der Nationalsozialisten, sehr gut. Doch aufgrund seiner Haltung gegenüber Juden, war er auf Dauer nicht tragbar als Präsident der Schrifttumskammer. Passenderweise war Blunck selbst mit der Zeit amtsmüde geworden und erwog ab Herbst 1934 davon zurückzutreten, da der Arbeitsaufwand für dieses unbezahlte Ehrenamt so beträchtlich war, dass er nicht mehr dazu kam, schriftstellerisch tätig zu sein (vgl. Dahm, 2004, S. 90). Ende des Jahres 1934 betrachtete Blunck Organisation und Aufbau der Schrifttumskammer als abgeschlossen und wollte sich von seinem Amt zurückziehen. Dabei stieß er auf großen Widerstand. Ein Rücktritt wurde ihm nicht gewährt, sondern seine Arbeit, durch Goebbels Reformen, immer weiter eingeengt und behindert. Im März 1935, nachdem viele Posten neu mit Parteigenossen besetzt wurden, beurlaubte er sich schließlich. Formell blieb er aber Präsident (vgl. Dahm, 2004, S. 90f). Als Nachfolger wurde sehr rasch Hanns Johst gehandelt, worüber sich auch Blunck erfreut zeigte. Am 3. Oktober 1935 war es schließlich soweit – Hans Friedrich Blunck wurde verabschiedet und Hanns Johst, „[…] ein gläubiger, ja inbrünstiger Nationalsozialist und ein willfähriges Werkzeug des Regimes.“, in sein neues Amt eingeführt. (Dahm, 2004, S. 91) Sein bisheriger Werdegang passt gut zu diesem Bild und bereitete ihn auf diese Position vor: 1932 trat er der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei, 1928 gründete er den Kampfbund für deutsche Kultur mit, 1933 übernahm er dort das Amt des Reichsleiters der Fachgruppe Schrifttum und arbeitete fortan zielstrebig an einer Karriere als Funktionär im Bereich

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des Schrifttums, wobei er gleichzeitig die Nähe der Mächtigen suchte, vor allem die Hitlers und Heinrich Himmlers, damals SS-Reichsführer2 (vgl. Dahm, 2004, S. 92f). Diese Nähe war für Johst äußerst fruchtbar und er bekam in den folgenden Jahren mehrere Posten verschafft, darunter auch die des Präsidenten der Deutschen Akademie der Dichtung. 1935 wurde er nicht nur Präsident der Schrifttumskammer, sondern auch der Präsident der Union nationaler Schriftsteller, einer Konkurrenzorganisation zum P.E.N.-Club. Johst schrieb selbst nur noch wenig, da ihm seine Funktionen und seine politischen Ambitionen sehr viel Zeit raubten. Wenn er schrieb, dann hauptsächlich politische Gebrauchsliteratur. Und dennoch wurde er mit Preisen, darunter einigen in dieser Zeit neu geschaffenen, überhäuft. Darüber hinaus wurde er von Himmler ehrenhalber als Oberführer in die SS aufgenommen, wo er mit der Zeit den Rang eines Gruppenführers erreichte (vgl. Dahm, 2004, S. 93). So gut es für ihn politisch zu laufen schien, so viele Probleme entwickelten sich in der Schrifttumskammer. In der Berliner Kammerzentrale entstanden Neid, Missgunst, persönliche Rivalitäten und Intrigen. Der Grund war möglicherweise die ständige Abwesenheit Johsts, der die Kammer von seiner Villa aus leitete. Die Oberhand behalten und Schlimmeres verhindern konnte er wohl nur dank seiner loyalen Sekretärin und eines persönlichen Adjutanten, die ihn informierten und seine Wünsche durchzusetzen versuchten (vgl. Dahm, 2004, S. 94). Johst hatte das Amt des Schrifttumskammerpräsidenten sehr lange inne, bis 1945 die Zeit des Nationalsozialismus endete. Große Akzente konnte er dennoch nicht setzen. Das lag zum Teil daran, das sich die Organisation der Kammer ständig entwickelte und veränderte und diese somit viel mit sich selbst beschäftigt war. Darüber hinaus musste die Kammer mit der Zeit immer mehr Kompetenzen und Arbeitsgebiete an das Propagandaministerium abgeben, sodass ihr Aufgabenbereich am Ende äußerst gering war: fachliche und soziale Betreuung der Mitglieder, marktregulierende Maßnahmen, die buchhändlerische Berufserziehung und Berufszulassungen, die sich aber nach den personellen Ausschlüssen auf Einzelfälle beschränkte. Johst konnte nichts davon verhindern und sogar der Buchhandel begann sich später wieder zu verselbstständigen. Hinzu kam, dass sein Vizepräsident Wilhelm Baur, der Leiter des deutschen Buchhandels, zu seinem Nebenpräsident und somit zu einer Konkurrenz wurde (vgl. Dahm, 2004, S. 94f). Am Ende war „Kein Zweifel, daß [sic!] Johst ein viel schwächerer Präsident war als Hans Friedrich Blunck.“ (Dahm, 2004, S. 95)

2 SS bedeutet hier und im Folgenden die der NSDAP.

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2.1.3. Die Mitgliedschaft und „Arisierung“ der Kammern

Nach dem Aufbau der Kammern wurde gehofft, dass der Nationalsozialismus die Verhältnisse von Künstlern verbessern und nicht zu sehr in die künstlerische Arbeit eingreifen würde. Somit wurde der neue rechtliche und organisatorische Rahmen zunächst akzeptiert. Und das trotz der enormen politischen Verfolgungen zu Beginn des NS-Regimes, von denen auch linksorientierte und als „undeutsch“ geltende Schriftsteller und andere Künstler betroffen waren (vgl. Dahm, 2004, S. 81f). Im Gegensatz zu früheren Berufsverbänden war die Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer für alle Pflicht, die bei der Erzeugung, Erhaltung, Verbreitung etc. von deutschem Kulturgut beteiligt waren. Die Mitgliedschaft musste beantragt und genehmigt werden und konnte vom Präsidenten der Kammer verweigert oder entzogen werden, wenn die Personen unzuverlässig oder ungeeignet waren. Wurde einem die Mitgliedschaft nicht gewährt oder wieder entzogen, kam dies einem Berufsverbot gleich, da dieser dann nicht mehr ausgeübt werden konnte (vgl. Barbian, 2008, S. 18). „Damit war der Reichsschrifttumskammer ein starkes Machtmittel an die Hand gegeben, mit dem sie politisch >>unerwünschte<< Autoren ausschalten konnte.“ (Barbian, 2008, S. 18)

Abbildung 2: Ausweis der Reichskulturkammer 1937 (Lebendiges Museum Online, o.S.)

Im Gegensatz zu anderen NS-Gesetzen, gab es im Kulturkammergesetz keinen „Arierparagraphen“, um Juden und Jüdinnen auszuschließen. Das bedeutet allerdings

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nicht, dass der Kulturbereich judenfreundlich gewesen wäre – im Gegenteil, gerade hier gab es bekannterweise viele antisemitische Aktionen. Gründe dafür waren in diesem Bereich Machtpolitik und Wirtschaft. Die Reichskulturkammer sollte so rasch als möglich etabliert werden, wodurch es keine individuellen Überprüfungen gab. Stattdessen wurde man Mitglied einer Fachkammer alleine dadurch, dass man einem Verband angehörte, der in diese eingegliedert wurde, wodurch auch zahlreiche Jüdinnen und Juden aufgenommen wurden. Doch nachdem, bis Ende 1934, alle Anfangs- und Etablierungsprobleme beseitigt waren, begannen die Vorbereitung dafür, Jüdinnen und Juden der Fachkammern zu identifizieren und auszuschließen (vgl. Dahm, 2004, S. 83). Quasi eine „[…] >>amtliche<< Ausschaltung der Juden aus dem öffentlichen Leben […]“, wie es der deutsche Historiker Hans Buchheim treffend formuliert. (Buchheim, 1958, S. 43) Nach längerer Kritik aus seiner Partei begann Goebbels die Kammern auf einen deutlich nationalsozialistischeren Kurs zu bringen. Dazu erhielten drei neue Geschäftsführer den Titel „Reichskulturwalter“. Diese waren Hans Hinkel und Franz Moraller, zwei alte Parteimitglieder sowie Hans Schmidt-Leonhardt, ein anpassungsfähiger Beamte (vgl. Dahm, 2004, S. 86). Die neue Geschäftsführung engte die Fachkammern enorm ein und hatte prinzipiell zwei Aufgaben: „[…] erstens die Beseitigung des noch stark an das „liberalistische“ Prinzip der Interessensvertretung erinnernden Berufsverbände, d.h. ihre Umwandlung in Abteilungen und Fachschaften der Kammern, zweitens das Ausfiltern von Personen, die aus politischen, „rassischen“ oder anderen Gründen „unerwünscht“ waren“. (Dahm, 2004, S. 86)

Im Laufe der Zeit wurde diese Ausgrenzung verschärft und 1939 führte die Reichskulturkammer „[…]eine neuerliche <> der Mitgliederkarteien der Einzelkammern durch, die nach Lage der Dinge und gemäß den für sie ausgegebenen Richtlinien hauptsächlich auf jene <> abgestellt war, die über Sondergenehmigungen in den Kammern verblieben waren.“ (Dahm, 1993, S.157) Die Initiative dazu ging von Goebbels aus und am 3. Jänner 1939 wurde der, für alle Kammern geltende, „Arierparagraph“ erstmals öffentlich deklariert. Die Bereinigung der Kammern sollte so rasch als möglich erfolgen. Dabei galt zu beachten, dass alle Jüdinnen und Juden ausgeschlossen werden mussten, „Halbjüdinnen“ und „Halbjuden“ oder mit jüdischen Personen Verheiratete nur mit Sondergenehmigungen verbleiben durften und „Vierteljüdinnen“ und „Vierteljuden“ in den Kammern verbleiben

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durften, so sie nicht staatsfeindlich eingestellt waren (vgl. Dahm, 1993, S. 157). „Im Bereich der RSK handelte es sich um 21 Ausschlüsse überwiegend von <> und mit Juden verheirateten <>“ von Februar bis April 1939. (Dahm, 1993, S. 157)

2.2. Verlagswesen

Die Gesetze und Kontrollen der Kammer betrafen auch die Buchverlage, sowohl was Beeinflussung als auch „Arisierung“ anging. Die erste Zeit nach der Machtergreifung 1933 verlief in vielen Verlagen noch relativ ereignislos. Möglicherweise um Kritiker im In- und Ausland zu beruhigen und in Sicherheit zu wiegen. Doch trotz dieser Ruhe, war für viele diese Zeit äußerst unangenehm, da eine riesengroße Ungewissheit herrschte, ob, wann und wie stark Eingriffe passieren würden und ein Gefühl der Machtlosigkeit um sich griff, da man solchen Eingriffen ausgeliefert war. Die Situation der Verlagshäuser im Nationalsozialismus wird anhand zweier sehr unterschiedlicher Verlage (S. Fischer Verlag und Herder Verlag) dargestellt.

2.2.1. S. Fischer-Verlag

Der traditionsreiche und international angesehene S. Fischer Verlag etwa spürte bald nach der Machtübernahme 1933 tiefe Eingriffe. So waren bei den Bücherverbrennungen im selben Jahr auch renommierte und bedeutende Autoren des Fischer Verlags, wie beispielsweise Alfred Kerr und Emil Ludwig, auf der Schwarzen Liste. Neben diesen beiden standen mit Schalom Asch, Alfred Döblin, Arthur Holitscher, Klaus Mann, Arthur Schnitzler und Jakob Wassermann noch sechs weitere Autoren des Fischer Verlags auf der Schwarzen Liste (vgl. Barbian, 2008, S. 288). Für eine Überarbeitung der Schwarzen Liste fanden ab Juni 1933 Besprechungen statt, „[…] an denen neben Vertretern von Rosenbergs Kampfbund auch der Geschäftsführer des Börsenvereins, Dr. Max Albert Heß, sowie Dr. Heinz Wismann vom Propagandaministerium teilnahmen.“ (Barbian, 2008, S. 290) Am 13. Juli 1933 wurde dem Propagandaministerium schließlich die überarbeitete Liste vorgelegt, die 24 Autorinnen und Autoren des S. Fischer Verlags mit insgesamt 64 Buchtiteln enthielt. Dieses Mal war es eine umfangreichere und nach Verlagen, Autorinnen und Autoren und Sachgebieten aufgeschlüsselte Liste der unerwünschten Literatur. Diese

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sollte als Grundlage dienen, die entsprechenden Werke aus den Verlagen und Buchhandlungen im gesamten Land zu entfernen (Barbian, 2008, S. 290). Im November desselben Jahres wurde, nach langen Verhandlungen, den Verlagen per Einschreiben mitgeteilt, dass die Werke des Index aus nationalen und kulturellen Gründen nicht mehr angeboten und vertrieben werden dürfen. Sollte sich dieser Aufforderung jemand widersetzen, drohe der Ausschluss aus dem Börsenverein, was für die weitere verlegerische Tätigkeit negative Folgen hätte. Die von Juli bis November dauernden Verhandlungen hatten zu einer Reduzierung der Liste vom 13. Juli geführt. Der S. Fischer Verlag musste jetzt „nur“ noch fünfzig Titel von zehn Autorinnen und Autoren aus seinem Programm streichen (vgl. Barbian, 2008, S. 290f). „Ebenso schwerwiegend wie all diese amtlichen Indizierungen und Verbotsanordnungen war jedoch der psychologische Druck, der auf dem Verlag und auf den ihn bislang unterstützenden Buchhandlungen lastete.“ (Barbian, 2008, S. 291) Dieser betraf nicht nur die unerwünschten Literaturschaffenden, sondern auch Bermann Fischer und seine jüdischen Angestellten. Oskar Loerke, Lektor im Fischer Verlag seit 1917, hielt 1933 in seinem Tagebuch die psychologischen, moralischen und wirtschaftlichen Probleme des Fischer Verlags in dieser Zeit fest. So schrieb er Ende April über die wirtschaftliche Entwicklung des Verlags, der Bücherabsatz sei wie abgeschnitten gewesen und die Bücher der neuen Autorinnen und Autoren kämen ballenweise zurück. Dies sorgte dafür, dass der Umsatz zurückging und somit ab Jänner 1934 auch das Gehalt der Mitarbeiter um 10% gekürzt werden musste (vgl. Barbian, 2008, S. 292). „Zu den wirtschaftlichen Problemen kam hinzu, dass angesichts der nicht klar fassbaren und von den politischen Gegnern nicht offen artikulierten Eingriffe in den Literaturbetrieb die inhaltliche Selbstzensur einsetzte.“ (Barbian, 2008, S. 292) Doch viele Fälle dieser Selbstzensur waren in Wirklichkeit nur ein Befolgen von Aufforderungen des Propagandaministeriums. „Zwischen 1929/30 und 1934/35 waren die Umsatzzahlen von 3,86 Millionen RM3 auf 806.000 RM gesunken. Als Gründe hierfür wird man unschwer die Unterdrückungsmaßnahmen der staatlichen und parteiamtlichen Schrifttums- und Polizeidienststellen bestellen können, die zur Entfernung zahlreicher Titel vom Buchmarkt sowie zu einer nicht zu unterschätzenden psychologischen Verunsicherung des Buchhandels und der bisherigen Leserschaft geführt hatten.“ (Barbian, 2008, 301f)

3 RM bedeutet hier und im Folgenden Reichsmark, die Währung dieser Zeit.

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Zu alldem kam schließlich noch ein weiteres Problem, das den Verlag des jüdischen Samuel Fischer für die nächsten Jahre beschäftigen sollte: die „Arisierung“ des Verlags. Anfang 1934 wurde der S. Fischer Verlag Mitglied der Reichsschrifttumskammer. Die staatliche Schrifttumsbürokratie wollte allerdings die Ausschaltung des jüdischen Verlagswesens betreiben. Diese „Arisierung“ jüdischer Unternehmen sollte nach außen nicht in Erscheinung treten und somit die Vielfalt des deutschen Verlagswesens offiziell gewahrt bleiben. Auch die „Arisierung“ des Fischer Verlags war geplant und so begann das Rennen darum, wer den Verlag übernehmen sollte. Schließlich wurde die Eigentümerfamilie 1936 erfolgreich aus Deutschland herausgedrängt und Peter Suhrkamp Geschäftsführer. Er war bereits seit einigen Jahren im Verlag tätig und so in die Rolle hineingewachsen. Bereits im Dezember 1932 wurde er Mitarbeiter des S. Fischer Verlags bei der Zeitung Neue Rundschau und im Herbst 1933 stieg er, auf Wunsch Bermann Fischers, in die Geschäftsführung auf (vgl. Barbian, 2008, S. 299f). Ab Herbst 1935 verhandelte Suhrkamp als bevollmächtigtes Vorstandsmitglied über die Modalitäten der „Arisierung“ des Verlages, wobei eine Reihe von Verlagsrechten und Lagerbeständen an Gottfried Bermann Fischer übereignet wurden, um ihm die Möglichkeit zu geben, im Ausland einen neuen Verlag mit den in Deutschland verbotenen Autoren zu gründen. Er selbst wollte den Verlag übernehmen und unter dem vorhandenen Namen fortführen. Suhrkamp kaufte schließlich den Teil des S. Fischer Verlags, der nicht von Gottfried Bermann Fischer ins Exil nach Wien transferiert werden konnte. Die staatlichen Behörden kamen Fischer unter der Bedingung entgegen, dass der Verlag bis zum 31. Mai 1936 in „arischen“ Händen sein müsse. (vgl. Barbian, 2008, S.303f). Die Verhandlungen mit Suhrkamp führte Heinz Wismann, Vizepräsident der Reichsschrifttumskammer und Leiter der Schrifttumsabteilung im Propagandaministerium. Dies geschah, um die eigentlich zuständige Behörde, den Bund Reichsdeutscher Buchhändler in der Reichsschrifttumskammer, und deren Interessen zu umgehen. Daneben hatte Wismann noch zwei weitere Ziele: Der S. Fischer Verlag sollte zum einen in ein „arisches“ Unternehmen umgewandelt werden und zum anderen sollte die literarische Substanz des Verlags erhalten bleiben um im In- und Ausland weiterhin mit den renommierten Autorinnen und Autoren werben zu können (vgl. Barbian, 2008, S. 306). Dieses zweite Ziel Wismanns sollte jedoch nicht lange vorrangig sein, zumal Wismann 1937 seine Posten, aufgrund einer ehemaligen Ehe mit einer „Halbjüdin“, abgeben musste und sich die Situation für Verlegerinnen und Verleger noch einmal verschärfte.

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Bis Ende 1938 wurden alle „nicht-arischen“ Verlegerinnen, Verleger, Buchhändlerinnen und Buchhändler aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und mit dem Anschluss Österreichs im März 1938 verlor Bermann Fischer seinen ersten Exilverlag, seine Bestände und sein Kapital (vgl. Barbian, 2008, S. 307) Doch auch für Peter Suhrkamp erschwerten sich die Arbeitsbedingungen noch einmal. Von 1936 bis 1943 wurden die renommiertesten Autorinnen und Autoren des S. Fischer Verlags, wie Thomas Mann, Walter Rathenau, Annette Kolb, später auch Hermann Hesse und deren Werke verboten. Viele weitere, weniger erfolgreiche und bekannte, Autorinnen und Autoren wurden weitgehend unterdrückt oder von staatlichen Organisationen einfach nicht gefördert, sodass sie dem Verlag keine großen Verkaufserfolge brachten (vgl. Barbian, 2008, S. 308ff). „Lediglich bei Carl Haensel, Gottfried Kölwel, Max Kommerell, Felix Lützkendorf und Hans Rehberg war eine deutliche Nähe zum NS-Staat gegeben.“ (Barbian, 2008, S. 310) Doch Suhrkamp förderte nicht etwa diese Autoren, die Mitglieder der NSDAP waren, sondern gerade die nonkonformen Autorinnen und Autoren des Verlags. Dabei nahm er die jedes Jahr sinkenden Produktions- und Umsatzzahlen in Kauf. Soweit er konnte hielt er, bis zu seiner Verhaftung im April 1944, an den Autorinnen und Autoren, Inhalten, Werken und der Neuen Rundschau, in der oftmals politische Gegenbilder zum Nationalsozialismus zu finden waren, fest (vgl. Barbian, 2008, S. 310f). 1942 wurde der Verlag, auf Druck der Nationalsozialisten, zuerst in Suhrkamp Verlag vorm. S. Fischer und 1943 in Suhrkamp Verlag umbenannt. Jeder Hinweis auf den jüdischen Gründer war somit verschwunden und der S. Fischer Verlag war endgültig zum Suhrkamp Verlag geworden (vgl. Dahm, 1993, S. 87f). Doch obwohl „arisiert“, wurde der S. Fischer Verlag, dank Peter Suhrkamp, nie gänzlich im Sinne des Nationalsozialismus geführt. Betrachtet man also die ganze Entwicklung in dieser Zeit, lässt sich feststellen, dass er unter Peter Suhrkamp ein relativ selbstständiger Verlag für schöngeistige Literatur blieb (vgl. Barbian, 1996, S. 61-94).

2.2.2. Herder Verlag

Im Gegensatz zum S. Fischer Verlag war der Herder Verlag ein katholisches Verlagshaus mit Schwerpunkt auf Spiritualität, Religion, Theologie sowie Kindergarten

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und Pädagogik. Hinzu kamen Sachbücher aus Gesellschaft, Politik, Psychologie und Lebensfragen sowie Lexika (vgl. Herder Verlag, o.S.). Da der Herder Verlag kein jüdisches Verlagshaus war beziehungsweise ist, hatte er nicht, wie andere, gegen die „Arisierung“ zu kämpfen. Doch wie bei den anderen Verlagen setzten schon bald die Einschränkungen und Verbote ein. Verlagsleiter in dieser schwierigen Zeit war ab 1937 Dr. Theophil Herder-Dornreich, der diesen Posten nach dem Tod seines Schwiegervaters Hermann Herder übernahm (vgl. Herder Verlag, o.S.). Der Verlag musste sich im Nationalsozialismus mit fünf Behörden auseinandersetzen: der Reichsschrifttumskammer, der Schrifttumsabteilung des Propagandaministeriums, der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums, der Geheimen Staatspolizei und dem Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS (vgl. Barbian, 2008, S. 313f). „Aufgrund seiner exponierten Stellung im Inland und seiner hervorragenden Auslandsbeziehungen waren die Kontakte und Konflikte zwischen dem Herder Verlag und den ab 1933 neu aufgebauten Schrifttumsstellen des NS- Staates unvermeidlich.“ (Barbian. 2008, S. 314) Theophil Herder-Dornreich hatte nach dem Zweiten Weltkrieg insgesamt 28 Werke angegeben, die während des Nationalsozialismus verboten worden waren, also bedeutend weniger, als etwa das jüdische Verlagshaus S. Fischer. „Über die Monografien, Lexika und Zeitschriftentitel hinaus werden Verbote von deutschen Übersetzungen französischer und anderer fremdsprachiger Autoren sowie ein Schreibverbot für die Herder-Autoren Rudolf Allers, Matthias Laros, Pater Lippert, Heinrich Lützeler, Pater Constantin Noppel <> benannt.“ (Barbian, 2008, S. 314f)

Die Gründe für Verbote oder Auslieferungsstopps waren vielfältig, wie beispielsweise ein für den Nationalsozialismus negativ ausgehender Vergleich mit anderen Zeitaltern, wenn in den literarischen Werken die Bewunderung der Feindländer England, Frankreich oder Amerika entdeckt wurde oder Frauenliteratur, die auch jüdische Aspekte enthielt (vgl. Barbian, 2008, S. 315ff). Viele weitere Verbote konnten nicht korrekt nachvollzogen werden, da bei einem Luftangriff im November 1944 der Verlag in Freiburg völlig ausbrannte und so alle Akten vernichtet wurden (vgl. Herder Verlag, o.S.). Um 1937 hatte die Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des NS- Schrifttums „[…] ihren ursprünglich eng ausgelegten Überwachungsauftrag bereits auf das gesamte konfessionelle, wissenschaftliche und schöngeistige Schrifttum, auf Lexika, Periodika und Kalender ausgedehnt.“ (Barbian, 2008, S. 318)

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Und damit traf es auch vermehrt den Herder Verlag, da dieser viele Lexika, Sachbücher etc. in seinem Programm hatte. Die Konflikte betrafen das Lexikon für Theologie und Kirche, den Großen Herder, den Kleinen Herder, das Staatslexikon und das Lexikon der Pädagogik der Gegenwart, die allesamt der Zensur zum Opfer fielen (vgl. Barbian, 2008, S. 318). Am Beispiel des Großen Herders, dem Nachschlagewerk für Wissen und Leben, können diese Zensurvorgänge gut dargestellt werden. 1937 wurde die Auslieferung der Bände 1-6 der vierten Auflage von der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums im In- und Ausland verboten. Der Verlag sollte für die Umgestaltung dieses, vor 1933 erschienenen, Werks Vorschläge machen, um es der aktuellen politischen Lage anzupassen. Das Geheime Staatspolizeiamt überwachte dieses Auslieferungsverbot beziehungsweise dessen Einhaltung (vgl. Barbian, 2008, S. 318). Ende 1938 wurde dieses Verbot dahingehend gelockert, dass die bereits eingegangenen inländischen Lieferungsverpflichtungen noch erfüllt werden durften. Der weitere Verkauf sowie Werbung für den Großen Herder blieben jedoch weiterhin verboten. Der Verkauf der 2.712 Exemplare Lagerbestand ins Ausland wurde genehmigt, immer mit Ausnahme der besetzten Länder. Die Bände 7-12 des Lexikons durften sowohl im In- als auch im Ausland verkauft werden (vgl. Barbian, 2008, S. 318). Mitte der 1930er Jahre wurde den nationalsozialistischen Behörden bewusst, wie erfolgreich die konfessionelle Literatur war. Nach der Belletristik hatte diese die zweithöchste Anzahl von Neuerscheinungen und sollte deshalb vom Sicherheitsdienst als neue Nachrichtenquelle genutzt werden. Aus diesem Grund geriet der Herder Verlag ins Visier des Sicherheitsdienstes (vgl. Barbian, 2008, S. 319). Es wurden sowohl die Produktion an sich als auch die verlagsinternen Vorgänge, mithilfe von Informantinnen und Informanten innerhalb des Verlags, in Zusammenarbeit mit Behörden und der Geheimen Staatspolizei, überwacht. Dabei fiel auf, dass es gerade den katholischen Verlagen während der gesamten 1930er hindurch bis Anfang der 1940er gelang, ihre Produktion zu erhöhen. Im Gegensatz dazu sank in vielen anderen Verlagshäusern der Umsatz, wegen der Zensur- und Verbotsmaßnahmen sowie Papierkontingentierung und Produktionsengpässen im Druckgewerbe, drastisch. Aufgrund dieser Entwicklung wurden die katholischen Verlagshäuser und ihre Veröffentlichungen erneut genau überprüft (vgl. Barbian, 2008, S. 319). Im Zuge dieser erneuten Überprüfung wurden wieder neue Buchverbote ausgesprochen, wie zum Beispiel Glaubensverkündung an die weibliche Jugend von

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Georg Alfes. „Das Werk wurde verboten, weil es schulentlassenen Mädchen >>die Kirche als Schutz und Zuflucht<< empfahl und beim Thema >>Erbkrankheit und Erbschuld<< eine vom nationalsozialistischen Standpunkt abweichende Auffassung vertrat.“ (Barbian, 2008, S. 319) Über die literarischen Werke hinaus war der Sicherheitsdienst genauestens über Werteinstellungen, persönliche Äußerungen, öffentliche Aktivitäten und die Nähe zum Nationalsozialismus, sowie etwaige Änderungen derselben, der Autorinnen und Autoren informiert. Die Bespitzelung der Literatinnen und Literaten sowie die Berichterstattung an den Sicherheitsdienst funktionierten mit den Informantinnen und Informanten im Herder Verlag perfekt (vgl. Barbian, 2008, S. 320). Der Herder Verlag versuchte nun, mit den Eingriffen des Staates zurechtzukommen und Strategien zu entwickeln, um möglichst unbehelligt weiterarbeiten zu können. Etwa indem das persönliche Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der zuständigen Behörden gesucht oder die Bedeutung des Verlags für Deutschland besonders hervorgehoben wurde (vgl. Barbian, 2008, S. 321). So verwies der Verlag in mehreren Schriften und Jahresberichten auf seine großartige Arbeit im und mit dem Ausland. Dabei wurde erwähnt, dass der Herder Verlag quasi Pionierarbeit für die „deutsche Literatur“ leiste, indem diese durch ihn sowohl in vielen europäischen Staaten, als auch in den USA, Südamerika oder Japan präsent war und das nicht nur als Übersetzungen, sondern teilweise auch im Original. Die Kooperationspartner reichten von Buchhandlungen über Universitäten, Bibliotheken und Schulen bis hin zu Regierungen. Außerdem wurde vom Verlagshaus erwähnt, dass die steigenden Einnahmen des Buchexports nicht nur wertvolle Devisen für das Deutsche Reich brachten, sondern dadurch auch ein kultureller Austausch zwischen den Ländern unterstützt wurde. Des Weiteren wurde die volksdeutsche Arbeit und der volksdeutsche Gedanke im Verlagshaus besonders stark betont (vgl. Barbian, 2008, S. 321). Betrachtet man nun Auseinandersetzungen mit der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums, so ist zu sehen, dass „ […] der >>Große Herder<< nun in den Kontext der vom NS-Regime besonders geförderten >>Volkskunde<< gestellt wurde“, und auch „ […] dem >>Lexikon für Theologie und Kirche<< wurde nun der Charakter einer >>religiösen Volkskunde<< zugewiesen.“ (Barbian, 2008, S. 322) Doch trotz solcher Zugeständnisse wusste man in den Schrifttumsbehörden sehr genau, dass solche Anpassungsversuche nur aus der Furcht vor Konsequenz heraus

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geschahen. Deshalb war auch der Herder Verlag nicht ausgenommen, als es 1939 zu einer „[…] >>Ghettoisierung<< des konfessionellen Buchhandels […]“ kam. (Barbian, 2008, S. 322) Denn Verlage, die eine andere Weltanschauung als die nationalsozialistische oder ein religiöses Bekenntnis vertreten, mussten dies ab 1940 im Firmennamen erkenntlich machen (vgl. Barbian, 2008, S. 322). Auch „[…] behindern die Nationalsozialisten die verlegerische Arbeit, indem sie […] versuchen, durch Verbote den großen katholischen Verlag auf die Produktion von Gebetbüchern einzuengen.“ (Herder Verlag, o.S.) Hinzu kamen die Maßnahmen zur Eindämmung der konfessionellen Literatur des Propagandaministeriums, die die verlegerische Arbeit noch mehr einschränkten. So wurden beispielsweise der Buchexport und auch die Papierzuteilung nach politischer Opportunität gesteuert und somit viele Exemplare der konfessionellen Verlage abgelehnt. Allerdings gab es begrenzte Freigaben einzelner Werke, die durch ihren Export Devisen brachten, nichts Antideutsches in sich hatten und nicht im Deutschen Reich vertrieben werden konnten. Von solchen Ausnahmen profitierte auch der Herder Verlag (vgl. Barbian, 2008, S. 323). Darüber hinaus hatte der Herder Verlag immer noch Handlungsspielraum und Chancen, denn trotz „[…] aller Behinderungen kann man noch 1939 den Verlag Karl Alber und den Christophorus-Verlag übernehmen und 1943 die Editorial Herder in Barcelona gründen.“ (Herder Verlag, o.S.). Ab 1943 verschärfte sich die Situation für alle Kulturschaffenden im Deutschen Reich, da diese vermehrt in der Rüstungsindustrie und in der Wehrmacht eingesetzt werden sollten. Im Zuge dessen ging es auch darum, die deutsche Verlagslandschaft auszudünnen und Verlage zu schließen (vgl. Barbian, 2008, S. 324). Doch überraschenderweise stand der Herder Verlag auf der Liste der beizubehaltenden Verlage. Wahrscheinlich war der Grund, dass der Herder Verlag nicht zu den offenen Gegnern des nationalsozialistischen Regimes zählte. Außerdem konnte sich das Propagandaministerium so eine „[…] Option für die Demonstration einer Scheinpluralität im Inland und für eine Instrumentalisierung im Ausland […]“ offenhalten. (Barbian, 2008, S. 324) So konnte das Verlagshaus während des Zweiten Weltkriegs weiter existieren und seine Arbeit – wenn auch eingeschränkt – fortführen. Doch der Krieg ging nicht spurlos am Herder Verlag vorüber. Neben den politischen Auseinandersetzungen forderte der Krieg auch viele Opfer unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Außerdem gab es aufgrund der Bombardierung vom 27. November 1944 große

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Schäden zu beklagen, da das Verlagshaus in Freiburg völlig ausbrannte (vgl. Herder Verlag, 2017). Trotz der Bedrohung durch das nationalsozialistische System und einen gewissen Opportunismus, konnte der Herder Verlag seinen religiösen Kern des Menschen- und Weltbildes wahren und laut Theophil Herder-Dorneich mit den publizierten Werken den christlichen Gedanken, die Humanität und damit die Widerstandskraft stärken (vgl. Barbian, 2008, S. 324).

2.3. Wirtschaftliche Situation des Buchhandels und der Verlage

Betrachtet man den Buchhandel beziehungsweise die Situation für Buchhändlerinnen und Buchhändler während des Nationalsozialismus sind sowohl die Lage am Arbeitsplatz dieser Personen, die Unterdrückungs-und Verbotspraktiken, als auch der wirtschaftliche Aspekt der sich verändernden Buchumsätze interessant. „Die 1933 einsetzenden massiven politischen Reglementierungen durch den NS- Staat wirkten sich negativ auf die gesamte Buchwirtschaft aus.“ (Barbian, 2010, S. 423) Folglich litten nicht nur die Verlagshäuser unter dem NS-Regime, sondern auch die Buchhändlerinnen und Buchhändler. Der deutsche Buchhandel dieser Zeit, bestand zum Großteil aus Klein- und Mittelbetrieben, die keinen großen Umsatz machten. Die Entwicklungen in den verschiedenen Unternehmen verlief unterschiedlich, doch generell kann man sagen, dass die Ladenpreise der Bücher meist stagnierten, manche Firmen die Preise sogar senken mussten und keine einzige Firma diese erhöhen konnte. Wie bereits beim S. Fischer Verlag zu sehen führten die wirtschaftlichen Probleme auch im Buchhandel zu Entlassungen, Lohnkürzungen oder Kurzarbeit (Barbian, 2010, S. 423ff). „Die Buchwirtschaft partizipierte offenbar nicht an der in anderen Zweigen der Wirtschaft feststellbaren leichten Konjunkturbelebung im Inland.“ (Barbian, 2010, S. 426) Auch im Ausland brach das Buchgeschäft, aufgrund der politischen Veränderungen in Deutschland, der vergleichsweise hohen Preise deutscher Bücher und der schwierigen Devisenlage, ein (vgl. Barbian, 2010, S. 426). Genau wie im Verlagswesen war auch im Buchhandel der Umsatzrückgang zu einem großen Teil auf die staatlichen Eingriffe in die Geschäfte zurückzuführen. Verbote und Beschlagnahmungen bereits finanzierter Publikationen, Änderungen von Zuständigkeiten und Rechtsgrundlagen sowie Änderungen der Lehrpläne an Schulen

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und Universitäten führten zu großen Verlusten bei den Buchhändlerinnen und Buchhändlern (vgl. Barbian, 2010, S. 426). Nicht nur die Zahl der Neuerscheinungen pro Jahr ging 1934 um 3,5% zurück, auch die Durchschnittsladenpreise sanken immer mehr.

Tabelle 1: Ladenpreise von 1932-1934 (vgl. Barbian, 2010, S. 427) Ab 1938 stiegen die Zahlen des deutschen Buchmarktes langsam wieder an. Durch die rege Bautätigkeit und enormen Rüstungsausgaben kam es zu einer Hochkonjunktur, die zu einer weitgehenden Vollbeschäftigung führte, was wiederum die Kaufkraft der deutschen Bevölkerung ansteigen ließ, wobei die Preise aber stagnierten (vgl. Barbian, 2010, S. 429). Betrachtet man den Beginn der 1940er Jahre so ist generell festzustellen, dass die Umsätze im Buchhandel stark anstiegen, was wohl, neben der gestiegenen Kaufkraft, auch auf die staatlichen Subventionen der Buchwirtschaft in Millionenhöhe zurückzuführen ist. Die Anzahl der Neuerscheinungen pro Jahr sank weiterhin, im Gegensatz dazu stieg aber die Gesamtauflagenhöhe. Im deutschen Buchhandel setzte Ende 1939 ein Boom ein, der bis 1943 anhielt (vgl. Barbian, 2010, S. 429). Ein weiterer Grund für diesen Aufschwung im Buchhandel mag die Sorge der Menschen um die Entwertung ihres Geldes gewesen sein, was zu einem gesteigerten Kauf von Sachwerten führte. Der Buchhandel profitierte davon enorm, denn Bücher konnten ohne Bezugsscheine erworben werden. „Die Folge war, dass der Sortimentsbuchhandel seit 1940 regelrecht leergekauft wurde.“ (Barbian, 2010, S. 429) Doch so positiv diese Entwicklungen auch gewesen sein mögen, gab es auch Schattenseiten. Aufgrund der gesteigerten Nachfrage, Papierengpässen, des Abzugs von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der Auftragsüberlastung der Druckereien und des Luftkriegs kamen die Verlage mit der Produktion neuer Bücher kaum nach (vgl. Barbian, 2010, S. 430). Das dadurch massiv abnehmende Angebot auf der einen und die ständig steigende Nachfrage auf der anderen Seite führten zu vielen Auseinandersetzungen innerhalb der Buchbranche. Diese fanden zwischen den Verlagen und den Sortimentsbuchhandlungen, die nie die benötigte Menge erhielten und vermuteten, nur mit Ladenhütern abgespeist zu werden, statt. Außerdem gab es

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Streitigkeiten mit dem Zwischenbuchhandel, der sich aufgrund der vielen Direktbestellungen der Sortimentsbuchhandlungen ausmanövriert sah. Und letztlich führte es zu Konflikten zwischen den Buchhändlerinnen und Buchhändlern und ihren Kundinnen und Kunden, denn diese sahen die immer leeren Regale als Unfähigkeit oder Bösartigkeit der Buchhändlerin oder des Buchhändlers (vgl. Barbian, 2010, S. 430f). Ein weiterer Grund für den Boom zwischen 1939 und 1943 waren die Aufträge für zahlreiche große Verlage, große Firmen des Zwischenbuchhandels und einen Teil des Sortiments, die „[…] von der Zentrale der Frontbuchhandlungen, vom Oberkommando der Wehrmacht, von den einzelnen Heeresteilen, der Luftwaffe, der Kriegsmarine, der SS, der Organisation Todt und vom Rüstungsministerium vergeben wurden.“ (Barbian, 2010, S. 431) Dabei wurde der Wehrmacht in diesen Jahren, von den verschiedensten Verlagen, eine enorme Menge an Büchern geliefert.

Verlag Anzahl der Exemplare C. Bertelsmann Verlag 19 Millionen Zentralverlag der NSDAP 14 Millionen W. Kohlhammer Verlag 10 Millionen Bibliographisches Institut 10 Millionen Verlag Deutsche Volksbücher 5 Millionen C. Gerber/ Münchner Buchverlag 4 Millionen Reclam Verlag 1,9 Millionen Insel Verlag 1,9 Millionen Eugen Diederichs Verlag 1,72 Millionen Gauverlag Bayrische Ostmark 1,2 Millionen Langen-Müller Verlag 1,1 Millionen

Tabelle 2: Anzahl der gelieferten Exemplare für die Wehrmacht je Verlag von 1939-43 (vgl. Barbian, 2010, S. 431)

Insgesamt bekam die Wehrmacht also fast 70 Millionen Exemplare geliefert, was zum Teil sicher die große Umsatzsteigerung und den Boom gerade in den Jahren 1939 bis 1943 erklärt. Viele der Verlage, darunter prominente Namen wie Brockhaus, Knaur, Heyne oder Piper, überlebten dank der Versorgung der Wehrmacht mit Büchern. „Dieser geschlossene Markt funktionierte letztlich wie eine Art riesige Büchergemeinschaft, für deren Mitglieder – in diesem Fall die Frontsoldaten – die Verlage eine begrenzte Anzahl von Buchtiteln aus ihrem Programm in

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hohen Auflagen zu besonderen Preisen produzierten und über das von der Zentrale der Frontbuchhandlungen aufgebaute Filialnetz vertrieben.“ (Barbian, 2010, S. 432)

So positiv dieses Arrangement für die involvierten Verlage und Buchhandlungen war, so viele negative Folgen gab es für die nicht-beteiligten. Aufgrund der Förderung dieser Verlage, gerieten die anderen in Existenznöte, da Papier und Einbandstoffe ungleich verteilt wurden. Besonders betroffen waren die kleinen und mittleren Verlage, sowie natur- und geisteswissenschaftliche Verlage, die keine Aufträge für den Frontbuchhandel bekamen. Aber auch die Verlags-, Sortiments- und Universitätsbuchhandlungen fühlten sich ungerecht behandelt, da ihrer Meinung nach nur sie von der Papierknappheit betroffen wären und der Frontbuchhandel sowie die Tages- und Zeitschriftenpresse Papier en masse bekomme (vgl. Barbian, 2010, S. 433). Es hatte in dieser Zeit den Anschein, als würde die Entwicklung von Monopolverlagen gefördert und – nach der Schließung vieler Verlage - die Verstaatlichung des Buchhandels betrieben werden. Alles Entwicklungen, die der eigentlichen Ideologie des Nationalsozialismus – zugunsten kleiner Existenzen und gegen das Großkapital – entgegenwirkten (vgl. Barbian, 2010, S. 433). Doch nach 1943 ging der Boom auf dem Büchermarkt schön langsam seinem Ende zu. Wegen der häufigeren Luftangriffe, im Zuge derer viele Verlagshäuser zerstört wurden, „[…] war spätestens 1944 auch das Buch für die Menschen zur Mangelware geworden.“ (Barbian, 2010, S. 431)

2.4. Der Zwischenbuchhandel

Zwischenbuchhändlerinnen und Zwischenbuchhändler sind zum einen Großhändlerinnen und Großhändler, die Bücher beim Verlag einkaufen und an den Einzelhandel weiterverkaufen, aber nicht die Endkundinnen und Endkunden beliefern. Auf der anderen Seite gehören auch die Verlagsauslieferungen, die im Auftrag des Zwischenbuchhandels die Lager der Verlage unterhalten, dazu (vgl. Börsenverein des deutschen Buchhandels, o.S.). Auch der Zwischenbuchhandel war im Nationalsozialismus den gleichen Reglementierungen unterworfen wie die Verlegerinnen und Verleger, denn auch er musste sich an den Buchverbotsindex halten. Mit dem ersten staatlichen Buchverbotsindex begann auch der Konflikt zwischen Staat und Zwischenbuchhandel. Der Grund dafür war die Geheimhaltung des Index, was zu großen Problemen beim

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Zwischenbuchhandel führte (vgl. Barbian, 2010, S. 283). 1935/36 enthielt der Barsortiments-Lagerkatalog des größten deutschen Großhändlers viele verbotene Buch- und Zeitschriftentitel, wodurch der Sortimentsbuchhandel die Möglichkeit hatte diese, vom Regime unerwünschten, Werke zu bestellen. Die Sortimentsbuchhändlerinnen und Sortimentsbuchhändler machten davon auch regen Gebrauch, da der Katalog des Zwischenbuchhandels für sie als Leitfaden diente (vgl. Barbian, 2010, S. 283). Aus diesem Grund kam es zu Durchsuchungen durch die Gestapo4. So wurde beispielsweise das Barsortiment von Koch, Neff & Oettinger in Stuttgart und von Koehler & Volckmar in Leipzig durchsucht und 62 Exemplare des Katalogs von 1935/36 beschlagnahmt. Nach langen Verhandlungen wurden zumindest die Exemplare freigegeben, für die die Zwischenbuchhändlerinnen und Zwischenbuchhändler bereits Bestellungen durch Sortimentsbuchhandlungen bekommen hatten. Die unerwünschten Werke sollten in diesen Katalogen allerdings geschwärzt werden (vgl. Barbian, 2010, S. 283). „Während die von der Gestapo am 14. und […] am 19. März beschlagnahmte Verbotsliteratur deutscher Verlage vernichtet wurde, gestattete die Kammer den Export ausländischer Verlagswerke oder deren Rückgabe an die Verleger.“ (Barbian, 2010, S. 283) Um in Zukunft solch aufwendige und kostspielige Aktionen zu vermeiden, bekam die Schrifttumskammer von der Leitung des Zwischenbuchhandels Koehler & Volckmar Vorschläge zur Verhinderung der Verbreitung unerwünschter Literatur, in denen die gesamte Verantwortung an die Verlage abgegeben wurde (vgl. Barbian, 2010, S. 284). Die große Anzahl und die Schnelligkeit der Bestellungen machten eine Kontrolle auf verbotene Titel quasi unmöglich und deshalb sollten die Zwischenbuchhändlerinnen und Zwischenbuchhändler von den Verlagen über Auslieferungsverbote unerwünschter Werke informiert werden. Ein weiteres Argument war das Aufdecken möglichen Fehlverhaltens seitens der Verlegerinnen und Verleger vom Zwischenbuchhandel. Darum sollte auch an den Zwischenbuchhandel eine Liste der verbotenen Literatur, sowie etwaige laufende Ergänzungen, gehen (vgl. Barbian, 2010, S. 284). Doch die Kammer war nicht bereit, die Verantwortung alleine den Verlagen zu übertragen oder den Zwischenbuchhändlerinnen und Zwischenbuchhändlern eine Liste der unerwünschten Literatur zukommen zu lassen. Darum musste der Zwischenbuchhandel selbst tätig werden, um künftige Fehler zu vermeiden und so wandte sich die Abteilung Barsortiment von Koehler & Volckmar an die Verleger und

4 Gestapo bedeutet Geheime Staatspolizei.

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bat sie um Mithilfe bei der Erstellung des Katalogs (vgl. Barbian, 2010, S. 285). Diese sollten bekannt geben, ob in den Barsortimenten noch Artikel des jeweiligen Verlags geführt wurden, die unerwünscht, verboten oder beschlagnahmt waren oder nicht mehr vom Verlag geführt beziehungsweise nicht mehr in Deutschland ausgeliefert wurden. Diese Informationen seien nicht nur für den Zwischenbuchhandel enorm wichtig, sondern es diene auch den Verlagen, damit es zu keinen Beanstandungen der Kataloge, für die sie ja die Verantwortung trügen, käme (vgl. Barbian, 2010, S. 285f). Die Kammer nahm im August 1936 das Angebot von Koehler & Volckmar an, die Fahnenabzüge des Barsortiments-Lagerkatalogs 1936/37 auf Verbotsliteratur hin zu überprüfen. Diese Überprüfung musste, auf Anweisung von Vizepräsident Wismann, in Berlin stattfinden. Koehler & Volckmar übernahm die Kosten für die eingeplanten Mitarbeiter, allerdings wurde kein Vertreter von ihnen selbst bei der Überprüfung zugelassen. Damit war dem Unternehmen wieder eine sofortige Einsicht und Streichung verbotener Titel verwehrt (Barbian, 2010, S. 286). Diese ganze Einschüchterungspolitik der Kammer wirkte sich vor allem bei den Werken Thomas Manns aus. Zwei Tage nach seiner Ausbürgerung im September 1936 ordnete die Kammer an, alle Exemplare seiner Werke einzuziehen und sicherzustellen. Zuvor waren von der Bayrisch Politischen Polizei nur einige Reden, Essays, Der Zauberberg und Königliche Hoheit verboten. Am selben Tag hatte man sich von Koehler & Volckmar aus erkundigt, wie mit Thomas Mann umzugehen sei und die nächsten Auslieferungen wurden sofort gesperrt. Allerdings hatte man wieder das Problem mit dem Barsortiments-Lagerkatalog 1936/37, in dem die Werke noch enthalten waren. Alle, die einen Katalog erhielten, sollten von Koehler & Volckmar mittels Rundschreiben über die Änderung informiert werden. Des Weiteren sollte ein Hinweis im Börsenblatt veröffentlicht werden und ausländischen Beziehern seiner Werke schlicht die Einstellung der Auslieferung mitgeteilt werden (vgl. Barbian, 2010, S. 287f). Doch all diese Gesten der Mitarbeit und Unterwerfung nutzten Koehler & Volckmar nichts mehr. Im Jänner 1937 wurde der Konzerndirektor Theodor Volckmar-Frentzel von Hanns Johst wegen mangelnder politischer Zuverlässigkeit ausgeschlossen. Gründe dafür waren unter anderem der fehlerhafte Katalog 1935/36 mit verbotenen Werken, die Ablehnung der zeitgemäßen Beflaggung, eine Spende sei zu gering gewesen, etc. Am gleichen Tag wurde Hans Volckmar als Aufsichtsratsvorsitzender abgesetzt, da er mit einer „Halbjüdin“ verheiratet war. Damit war die Konzernspitze von Koehler & Volckmar ausgeschaltet. In Zukunft sollten alle Buchhändlerinnen und

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Buchhändler den Anforderungen des Reichskulturkammergesetzes entsprechen (vgl. Barbian, 2010, S. 288f). Doch, unerwarteter Weise, ließ sich Theodor Volckmar- Frentzel nicht einschüchtern und reichte im Februar beim Präsidenten der Kammer einen Beschwerdebrief gegen den Ausschluss ein, in dem er die Vorwürfe entkräftete. Nach Abschluss der Argumentation hielt sein Anwalt Karl-Friedrich Schrieber fest, dass er nur ausgeschlossen worden war, da es eine allgemeine Ablehnung seiner Person gegeben hatte. Dies allein sollte aber für solch eine Entscheidung nicht berücksichtigt werden (vgl. Barbian, 2010, S. 290f). „Wismann […] ließ sich jedoch von seinem Plan einer vollständigen Unterwerfung des Zwischenbuchhandels nicht abbringen.“ (Barbian, 2010, S. 291) Er hatte folgenden Plan: Eine Person, die die Ziele der Kammer gut kannte, sollte sich mit den Verhältnissen des Zwischenbuchhandels vertraut machen und herausfinden, wie man den Zwischenbuchhandel enger an sich binden könnte, um die Aufgaben des Gesamtbuchhandels zu erfüllen. Gunther Haupt erhielt im März 1937 diesen Posten mit dem Auftrag, die fehlerhaften Vorgänge, die es bei der Erstellung des Katalogs, bei der Aus-und Einfuhr unerwünschter Bücher oder bei der Werbung gegeben hatte, in Zukunft zu unterbinden (vgl. Barbian, 2010, S. 291). Das Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass es eine Neuorganisation der Barsortimente Koehler & Volckmar und Koch, Neff & Oetinger geben solle, da diese geschickt ihre Monopolstellung wahrten, eine Gefährdung oder gar Opposition gegen die Maßnahmen der gängigen Buchförderungspolitik und die Barsortimente äußerst unzuverlässig wären, was die Säuberung des Buchmarktes von verbotener Literatur beträfe (vgl. Barbian, 2010, S. 292). Um dem entgegenzuwirken meinte Haupt, müsse man dem Staat und damit der Reichsschrifttumskammer und dem gesamten Buchhandel mehr Verantwortung übertragen. Das Barsortiment dagegen solle ein Instrument der nationalsozialistischen (Kultur-)Politik werden, das transparent und im Sinne der Nation und nicht der Gründer agiere. Deshalb sollte, laut Haupt, eine Genossenschaft für die Barsortimente von Koehler & Volckmar als geschäftlicher Träger tätig sein, an der alle deutschen Buchhändlerinnen und Buchhändler teilhaben sollten. Doch nach Wismann, im Juni 1937 wurde nicht nur dieser Plan ad acta gelegt, sondern auch Haupts Sonderauftrag beendet, da dieser den gesamten Zwischenbuchhandel gegen sich aufgebracht hatte (vgl. Barbian, 2010, S. 292f). Nicht nur die bereits genannten Barsortimente Koehler & Volckmar und Koch, Neff & Oetinger hatten unter all diesen Maßnahmen zu leiden, auch der traditions-und erfolgreiche Zwischenbuchhandel von Otto Wilhelm Klemm wurde Opfer der

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Unterwerfungspläne Wismanns. Im März 1937 wurde Klemm, wie Volckmar-Frentzel, wegen fehlender politischer Zuverlässigkeit aus der Kammer ausgeschlossen. Selbst nach Wismann musste Klemm noch bis 1939 auf die Wiederaufnahme in die Kammer warten, was nur durch die persönliche Einschaltung Hitlers geschah (vgl. Barbian, 2010, S. 293f). Doch für Koehler & Volckmar gingen die Kämpfe auch nach Wismanns Entmachtung weiter, da die Kammer diesen mächtigen Konzern ausschalten wollte. Johst suchte nach Gründen, Volckmar-Frentzel aus der Kammer auszuschließen, doch es wurde vom Leiter der Rechtsabteilung abgelehnt, da die Ausschlussgründe nachträglich konstruiert waren und so wurde im Dezember 1937 der Ausschluss Volckmar- Frentzels aus der Kammer wieder aufgehoben (vgl. Barbian, 2010, S. 294). Im Nachhinein übte der Leiter der Schrifttumsabteilung Karl Heinz Hederich Kritik an der schlechten Aktenführung, den unzureichenden sachlichen Entscheidungen über Ausschlüsse und dem diktatorischen Verfahren der Sachbearbeiter der Kammer mit Koehler & Volckmar. Gleichzeitig meinte er aber, dass die Forderung der Kammer begründet erscheinen würde, in diesem wichtigen Konzern eine nationalsozialistische Führung zu haben oder eine andere Lösung zu finden, die dem Staat und der Partei gefallen würde (vgl. Barbian. 2010, S. 294f). Im Herbst 1938, als es sogar zu einer Intervention Himmlers kam, wurde ein Vergleich geschlossen, der selbstverständlich finanziell negativ für den Konzern war. Hermann von Hase, der ja auch im Vorstand von Koehler & Volckmar war, verschaffte der Vergleich genug Kapital für die Verselbstständigung seiner Konzernanteile (vgl. Barbian, 2010, S. 295). „Doch trotz der massiven politischen Einflussnahme gelang es letztlich weder von Hase, seine egoistischen Ziele innerhalb des Konzerns zu verwirklichen, noch einer Reihe höchst einflussreicher Funktionäre aus der Schrifttumsbürokratie des NS-Staats, das angesehenste und wirtschaftlich bedeutendste Unternehmen des deutschen Zwischenbuchhandels völlig auszuschalten.“ (Barbian, 2010, S. 295)

Doch der Vorsteher des Börsenvereins, Wilhelm Baur, wollte sich damit nicht abfinden. Er hatte einen anderen Plan, um Koehler & Volckmar auszuschalten. Seit Herbst 1937 betrieb er die Gründung eines Konkurrenzunternehmens, wofür er seine Position im Börsenverein missbrauchte. Die Kommanditgesellschaft Lühe & Co. wurde im Herbst 1939 in den Geschäftsräumen des Zentralverlags der NSDAP mit einem Stammkapital von 100.000 RM gegründet. Der Börsenverein war auf Anweisung Baurs mit 55.000 RM Einlage beteiligt, obwohl dieser laut Satzung nicht geschäftlich tätig werden durfte. Des Weiteren bekam der Geschäftsführer, Karl Seeliger, von Baur

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auch die Kundinnen und Kunden vermittelt (vgl. Barbian, 2010, S. 295f). Darüber hinaus wurde, aufgrund von Absprachen mit ihrem Leiter Eberhard Heffe, „[…] die seit Oktober 1939 aufgebaute Zentrale der Frontbuchhandlungen zunächst ausschließlich von Lühe & Co. beliefert.“ (Barbian, 2010, S. 296) Aber nicht nur das, auch andere Parteiorganisationen, wie das Propagandaministerium, das Auswärtige Amt, der Reichsführer-SS und andere Dienststellen der NSDAP, kamen bei Großaufträgen auf dieses neue Parteiunternehmen zurück und bis 1942 waren die Umsätze auf zehn Millionen RM gestiegen. Doch schon bald war es mit dem Höhenflug wieder vorbei, da aufgrund von Fehlern im Finanzgebaren und fehlender Möglichkeit zur Einsichtnahme der zuständige Wirtschaftsprüfer im August 1942 den nötigen Prüfungsbestätigungsvermerk verweigerte (vgl. Barbian, 2010, S. 296). Davor, bis Juli 1942, konnte das Gesamtkapital von Lühe & Co. auf 450.000 RM aufgestockt werden, unter anderem mit der erhöhten Einlage des Börsenvereins und der Einlage des Zentralverlags der NSDAP von je 150.000 RM. Dem Rat Baurs im Oktober 1941 folgend, das Buchlager wegen absehbarer Aufträge und Verknappung der Buchproduktion zu füllen, tätigte das Unternehmen Großeinkäufe. Der Bankkredit von Lühe & Co. musste, wegen dieser Großeinkäufe und hoher Außenstände, mehrmals erhöht werden. Eberhard Heffe, war mit Lühe & Co. allerdings unzufrieden, weshalb ausgerechnet Koehler & Volckmar ab September 1942 die Hälfte der Aufträge zur Belieferung der Zentrale der Frontbuchhandlungen erhielten. Das extra aufgefüllte Buchlager von Lühe & Co. wurde Ende 1943 durch einen Luftangriff komplett vernichtet. Das Unternehmen war in eine handfeste Finanzkrise gerutscht und ausstehende Rechnungen konnten nicht mehr bezahlt werden. Baur wollte, um dem Unternehmen zu helfen, erneut das Stammkapital aufstocken. Allerdings musste er dies über ein Tochterunternehmen des Zentralparteiverlags erledigen, da der Börsenverein sich nicht noch mehr bei Lühe & Co. beteiligen wollte. Dies geschah schließlich im April 1944. Doch bereits im August musste Baur dem Unternehmen wieder aushelfen und zusätzlich Probleme aufgrund von nicht erfolgten Lieferungen, unter anderem mit dem Auswärtigen Amt, klären (vgl. Barbian, 2010, S. 296ff). Obwohl Lühe & Co. nach wie vor im Frontbuchhandel eine wichtige Position innehatte, sollte die Firma das Ende des Kriegs nicht mehr miterleben (vgl. Fischer u. Wittmann, 2015, S. 275). Im Gegensatz dazu konnte Koehler & Volckmar durch den Krieg hindurch Erfolge vorweisen. „Damit war trotz der massiven finanziellen und politischen Unterstützung letztlich auch der zweite Versuch gescheitert, Koehler & Volckmar

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durch ein von der NSDAP kontrolliertes Monopolunternehmen zu ersetzen.“ (Barbian, 2010, S. 298) Koehler & Volckmar hatte dem Nationalsozialismus, trotz Unterwerfungsgesten, getrotzt und widerstanden.

2.5. Der Sortimentsbuchhandel

Der Begriff Sortimentsbuchhandel oder auch Sortiment bezeichnet den klassischen stationären Buchhandel. Neben dem Sortimentsbuchhandel als einem Zweig ist der Buchhandel noch in Bahnhofsbuchhandel und Warenhausbuchhandel als stationäre Formen unterteilt (vgl. Börsenverein des deutschen Buchhandels, o.S.). „Der Begriff leitet sich ab von sortieren, dem Auswählen aus dem gesamten Angebot an lieferbaren Büchern.“ (Börsenverein des deutschen Buchhandels, o.S.) Neben dem Verkaufen der Bücher an die Endkundinnen und Endkunden ist auch der Einkauf, also das Auswählen des eigenen Angebots eine wesentliche Tätigkeit der Buchhändlerinnen und Buchhändler im Sortimentsbuchhandel (vgl. Börsenverein des deutschen Buchhandels, o.S.) Die Kontrolle des Sortimentsbuchhandels war für die staatlichen Stellen, ob der enormen Vielzahl an Buchhandlungen, bedeutend schwieriger als die der Verlage und des Zwischenbuchhandels. Auch bei jeder Buchhändlerin und jedem Buchhändler wurde über die Aufnahme in die Kammer entschieden. Dabei führten neben volkswirtschaftlichen Gründen, mangelnde Professionalität oder fachliche Eignung, zu starke Profitorientierung oder der Vertrieb minderwertiger oder verbotener Literatur zu einer Ablehnung der Aufnahmeanträge. Hingegen wurde bei einer nationalsozialistischen Einstellung und Haltung im Sinne der Buchpolitik des Dritten Reiches oder bei „Arisierungen“ der Antrag nicht nur angenommen, es wurde auch über andere Mängel, beispielsweise im fachlichen Bereich hinweggesehen (vgl. Barbian, 2010, S. 298f). Ab 1935 wurden die Bemühungen, „nicht-arische“ Mitglieder des Sortimentsbuchhandels auszuschalten und Buchhandlungen zu „arisieren“, immer mehr vorangetrieben. 133 Firmen waren davon betroffen. Wie in allen anderen Bereichen wurden die einfachen Angestellten der Reihe nach ausgeschlossen. Bei den Inhaberinnen und Inhabern oder Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern bearbeitete die Kammer jeden Fall einzeln und sehr unterschiedlich (vgl. Barbian, 2010, S. 299).

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Zum einen gab es Buchhandlungen, die noch einige Jahre weiterarbeiten durften und andere, die keine neuen Bücher mehr einkaufen durften und ihren Betrieb ehest möglich verkaufen mussten. Josef Saul Ardel etwa durfte bis 1938 weiterarbeiten, da er durch Geschäfte mit dem Ausland hohe Devisen erwirtschaftete. Auch andere, wie Wilhelm Salomon, machten ihre hohen Devisen als Gründe für eine Weiterarbeit bei der Kammer geltend. Die Kammer bekam in dieser Zeit auch viele Ansuchen von Besitzerinnen und Besitzern von Buchhandlungen und Antiquariaten, mit der Bitte um Fristverlängerung, um ihre Geschäfte zu regeln oder mit der Bitte, ihre Geschäfte bis zum Lebensende fortführen zu dürfen, da sie mit ihrem Alter zwischen sechzig und siebzig ansonsten keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt hätten. Andere versuchten, ihr Geschäft mit dem Argument zu behalten, dass sie schon seit Generationen in Deutschland lebten und sich der deutschen Kultur verbunden fühlten (vgl. Barbian, 2010, S. 299ff). „Letztlich verhinderten weder Deviseneinkünfte oder die Lieferung von Spezialliteratur noch Firmentradition, deutschnationale Gesinnung oder soziale Härte die >>Arisierung<< oder Liquidation der Geschäfte.“ (Barbian, 2010, S. 303) Am Beispiel Otto Landsbergs, der ein Geschäft zusammen mit seinem Bruder Walter und seinem Vater Moritz führte, ist gut zu sehen, wie die Kammer in solchen Fällen agierte. Die Familie Landsberg erhielt Ende Oktober 1935 die Information, dass sie ihr Geschäft aufgeben müsse, da alle „nicht-arischen“ Personen ausgeschaltet würden, und die Aufforderung, der Kammer bis November mitzuteilen, bis wann ihr Unternehmen an eine „arische“ Person verkauft oder die Liquidation vorgenommen werden könne. Vizepräsident Wismann erhöhte den Druck und schloss Moritz Landsberg mit 31. Dezember aus der Kammer aus, da er jüdischer Abstammung war und damit nicht in einem kulturvermittelnden Beruf tätig sein durfte. Daraufhin legten die drei Landsbergs im Jänner 1936 Beschwerde gegen diesen Ausschluss ein. Dabei argumentierten sie mit ihrer langen Berufserfahrung und Zuverlässigkeit, der Aufnahme in die Kammer noch Mitte 1934 und den schlimmen Folgen, die der Ausschluss haben würde, da aufgrund des Alters und der Ausbildung keine andere Erwerbsmöglichkeit oder Neueröffnung eines Geschäfts möglich wäre. Die Kammer gewährte, aufgrund dieser Beschwerde, eine Fristverlängerung, die dann ob der außenpolitischen Situation im Olympiajahr, ein volles Jahr dauerte. Doch im Dezember 1936 wurde von Baur ein endgültiges Fristende gesetzt und die Familie Landsberg sollte ihr Geschäft bis 31. März 1937 verkauft oder liquidiert haben. Wieder versuchten sie durch einen Einspruch Zeit zu gewinnen, doch mittlerweile in einer viel

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schlechteren Position als zuvor, denn sie konnten keine „arische“ Käuferin und keinen „arischen“ Käufer finden und der für „Arisierung“ zuständige Kammer-Referent Bischoff vermutete, dass die Landsbergs den Verkauf durch einen zu hohen Kaufpreis zu verhindern suchten. Aus diesem Grund ließ er die Inhaber im Mai 1937 von der Polizei vorladen und ihre Angaben und Absichten begründen. In ihrer aussichtslosen Lage verkauften sie schließlich im Juli an den Kunsthändler Heinrich F. Jördens, allerdings zu einem weit niedrigeren Preis, als die geforderten 25.000 RM. Der Kaufpreis betrug nur 7.100 RM, von denen der „arische“ Neu-Eigentümer nur 500 RM bar zahlte, 5.661,03 RM an Verbindlichkeiten der Buchhandlung übernahm und der Rest ab Jänner 1938 in Raten abbezahlt werden sollte (vgl. Barbian, 2010, S. 301ff). Die Situation der Landsbergs und ihre Interaktion mit der Kammer kann sehr gut als exemplarisches Beispiel einer jüdischen Familie im Buchhandel in dieser Zeit genommen werden, die alles versucht, um ihr Geschäft zu behalten und am Ende trotzdem scheitert. Besonders seit 1937 wurden die Bemühungen, jüdische Buchhandlungen zu „arisieren“ oder zu liquidieren verschärft. Selbst die wenigen jüdischen Buchhändlerinnen und Buchhändler, die vom Sonderreferat Hinkels genehmigt, noch länger arbeiten durften, durften ab Juli 1937 nur mehr jüdische Kundinnen und Kunden bedienen (vgl. Barbian, 2010, S. 303). Darüber hinaus durften Jüdinnen und Juden nur mehr bestimmte Werke erwerben, nämlich nur mehr „jüdische Literatur“. Wollte man Literatur von jüdischem Interesse, aber nicht-jüdischem Verfasser und nicht- jüdischer Verfasserin oder Literatur jüdischer Verfasserinnen und Verfasser aus „arischen“ Verlagen erwerben oder jüdische Literatur einführen, brauchte man eine Sondergenehmigung. Im August 1938 gab es nur noch 48 jüdische Buchhandlungen, die als Folge des Novemberpogroms bis Ende des Jahres 1938 geschlossen werden mussten. Danach durften nur noch Jüdinnen und Juden in der Kammer bleiben, die eine Sondergenehmigung hatten, weil sie etwa nur als „Vierteljüdin“ und „Vierteljude“ oder als „jüdisch versippt“ galten (vgl. Barbian, 2010, S. 304). „Ein weiterer aus der Sicht der Kammer problematischer Geschäftszweig waren die >>buchhändlerischen Neben- und Kleinstbetriebe<<.“ (Barbian, 2010, S. 304) Da diese für die Kammer so unüberschaubar und deshalb schwer zu kontrollieren waren, gab es auch für sie strenge Reglementierungen. Doch trotz vieler Einschränkungen für Buchhändlerinnen und Buchhändler, hielt sich der Buchhandel nicht immer an die Anordnungen der Kammer. So kritisierte 1936 Das Schwarze Korps, das Kampf- und Werbeblatt der SS, dass viele Buchhändlerinnen

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und Buchhändler, mehr noch als Verlegerinnen und Verleger oder Sortimentsbuchhändlerinnen und Sortimentsbuchhändler, sich den Anordnungen widersetzen. Sie hätten zwar folgsam die Schriften führender Repräsentanten des NS- Staates und die Standardwerke Hitlers und Rosenbergs ausgestellt, dahinter fänden sich jedoch Werke mit liberalistischer, einseitig konfessioneller oder reaktionärer Einstellung. Die Zeitung regte an, die Buchhandlungen doch auf verbotene und unerwünschte Literatur hin zu überprüfen. Dieser Aufforderung beziehungsweise Denunziation folgten alsbald Durchsuchungen von Buchhandlungen in Leipzig und Königsberg, bei der die Gestapo viele Exemplare verbotener Literatur fand und beschlagnahmte (vgl. Barbian, 2010, S. 304ff). Aufgrund der vielen Funde in diesen beiden Städten, wurde beschlossen, alle Buchhandlungen im Land zu überprüfen. Dies geschah dann auch. „Vom Oktober 1936 bis zum Juni 1937 wurden >>schlagartig<< im gesamten Reichsgebiet insgesamt rund 5.000 Buchhandlungen, Antiquariate und Leihbüchereien durchsucht.“ (Barbian, 2010, S. 306) Die Kammer erteilte den Buchhändlerinnen und Buchhändlern, in deren Läden verbotene oder unerwünschte Literatur gefunden worden war, Verwarnungen oder Ordnungsstrafen. Viele der betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmer gaben als Entschuldigung an, die Liste der verbotenen Literatur nicht zu besitzen und deshalb unwissend „falsche“ Bücher eingekauft zu haben (vgl. Barbian, 2010, S. 306f). „Die Zahl von insgesamt rund 300.000 beschlagnahmten und eingezogenen Schriften erschien selbst den nationalsozialistischen Schrifttumsfunktionären angesichts der Tatsache, dass bereits mehr als drei Jahre seit der >>inneren und äußeren Neuordnung des deutschen Schrifttums<< vergangen waren, >>überraschend hoch<<.“ (Barbian, 2010, S. 307)

Gründe dafür waren, laut Bericht, das politische Versagen und die rein wirtschaftliche Haltung der Buchhändlerinnen und Buchhändler, die Geheimhaltung der Verbotsliste, die unzureichenden Durchsuchungstechniken der Gestapobeamten und die Tatsache, dass vielerorts immer noch Werbeanzeigen für unerwünschte Literatur zu finden waren (vgl. Barbian, 2010, S. 307). „Unter den beschlagnahmten Büchern befanden sich Schriften emigrierter jüdischer Autoren, marxistische ebenso wie konfessionelle Literatur, gegen den Nationalsozialismus gerichtete Schriften, Schund und Schmutz, pornographische Darstellungen.“ (Barbian, 2010, S. 307f)

Obwohl man nun der Meinung war, den Großteil der verbotenen Literatur aus den Buchhandlungen entfernt zu haben, hielt man laufende Durchsuchungen für angebracht, da mit Sicherheit immer wieder unerwünschte Bücher, vor allem in

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Antiquariaten aus Privatbibliotheken auftauchen würden. Darüber hinaus konnten nicht alle Buchhändlerinnen und Buchhändler laufend über verbotene Bücher informiert werden. 1940 wurde es auch verboten unerwünschte Literatur zu lagern, selbst wenn diese nicht mehr verkauft wurde. Anfang 1941 wurden die Buchhändlerinnen und Buchhändler von der Kammer verpflichtet, verbotene Literatur entweder der Gestapo zu übergeben oder sie durch Zerreißen unlesbar zu machen und solange gesondert aufzubewahren, bis sie für die Entsorgung abgeholt werden würden (vgl. Barbian, 2010, S. 308) Nachdem die Kammer diese Situation scheinbar gelöst hatte, tat sich auch schon ein neues Problem auf. 1941 war auch das Jahr, in dem die Deportationen der Jüdinnen und Juden begannen, woraufhin deren Privatbibliotheken, inklusive einer großen Anzahl unerwünschter Literatur, in die Antiquariate kamen. Deshalb musste die Kammer im Frühling 1942 wieder eine neue Anweisung herausgeben: Die Antiquarinnen und Antiquare sollten bei Neuerwerbungen sofort die verbotene Literatur aussortieren und wieder entweder makulieren oder es an die Deutsche Bücherei Leipzig abgeben. Darüber hinaus wurde den Buchhändlerinnen und Buchhändlern 1943 der Verkauf von wissenschaftlicher Literatur jüdischer oder halbjüdischer Autorinnen und Autoren, was bis dahin mit Sondergenehmigung möglich war, vollständig untersagt. Freilich konnte dieser letzte Punkt nur schwer kontrolliert werden, weil selbst die Gestapo keine vollständigen Listen jüdischer oder „halbjüdischer“ Autorinnen und Autoren hatte (vgl. Barbian, 2010, S. 308f). Obendrein tat sich noch ein weiteres Problemfeld auf. Wie bereits erwähnt kam es, vor allem seit 1941, zu massiven Problemen bei der Buchproduktion. Durch das stark abnehmende Angebot und einer großen Nachfrage kam es zu vielen Konflikten zwischen den Buchhändlerinnen und Buchhändlern und ihren Kundinnen und Kunden. Um diese zu vermeiden und die Wünsche der Käuferinnen und Käufer nach neuem Lesestoff zu befriedigen, griffen manche Buchhändlerinnen und Buchhändler auf die alte, politisch bedenkliche und teilweise unerwünschte, Literatur zurück. Johst persönlich warnte davor, dies zu tun, da die Betroffenen zur Rechenschaft gezogen werden würden. Doch noch 1944 wurde dasselbe Problem abermals kritisiert, es hatte sich also nicht viel an der Situation geändert (vgl. Barbian, 2010, S. 309). „Trotz detaillierter Anweisungen, >>aufklärender<< Artikel in den buchhändlerischen Fachzeitschriften und politischer Schulungen konnte der Vertrieb von Verbotsliteratur nie vollständig unterbunden werden.“ (Barbian, 2010, S. 309)

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3. Literatur und ihre Autorinnen und Autoren

Nachdem nun die Institutionen der Literaturpolitik im Nationalsozialismus beschrieben wurden, folgt jetzt ein genauer Blick auf die Literatur dieser Zeit an sich, ihre Verfasserinnen und Verfasser und das praktisch arbeitende System der Literaturpolitik.

3.1. Kanonbildung

Im Nationalsozialismus, einer Zeit in der jede, vom Staat unerwünschte, Literatur verboten und vernichtet werden sollte, entwickelte sich sehr rasch ein Kanon der erwünschten, gefälligen und gleichzeitig einer der verbotenen Literatur. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Jänner 1933 begann die Gleichschaltung der gesamten deutschen Gesellschaft. Darunter waren auch die Kulturschaffenden und Kulturvertreibenden, wie Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Verlegerinnen und Verleger, Buchhändlerinnen und Buchhändler oder Journalistinnen und Journalisten. Durch die staatlichen Eingriffe gab es auch in diesem Bereich „[…] eine personelle Neuformierung und inhaltliche Neuausrichtung […]“ (Barbian, 2008, S. 59) Um die gesamte Branche erfolgreich gleichschalten, steuern und kontrollieren zu können, musste neben den neu gegründeten Kammern noch weitere Nationalsozialisten an wichtiger Stelle der Buchbranche positioniert werden. „Bereitwillig arbeiteten zahlreiche Deutsche in Behörden, Vereinen, Parteien, Universitäten, Betrieben an der so genannten Gleichschaltung mit […].“ (Wildt, 2008, S. 83) So wurde beispielsweise die Sektion für Dichtung in der Preußischen Akademie der Künste gleichgeschaltet indem die Spitze, wie beispielsweise Thomas Mann oder Alfred Döblin, und viele der Mitglieder ausgetauscht wurden (vgl. Barbian, 2008, S. 60). Beziehungsweise ließen die Mitglieder der Sektion Dichtkunst deren Ausschluss gehorsam geschehen „[…] – mit der rühmlichen Ausnahme von Ricarda Huch, die ihren Austritt erklärte.“ (Wildt, 2008, S. 83) Ebenso wurde an vielen anderen Stellen gearbeitet. Alle wichtigen Posten wurden mit ideologisch passenden Personen besetzt. „Damit waren – im NS-Jargon formuliert – die >>Literaten<<, die den öffentlich wahrgenommenen literarischen Kanon der Weimarer Republik überwiegend bestimmt hatten, verdrängt und die >>Dichter<<, die nach den Vorstellungen

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des Dritten Reiches bestimmen sollten, an repräsentativer Stelle positioniert.“ (Barbian, 2010, S. 61)

Für diese inhaltliche Neuausrichtung waren sowohl die Gleichschaltung dieses Berufszweiges, wie durch vorhin genannte Aktionen, aber auch der Index der verbotenen Bücher und die Bücherverbrennungen verantwortlich.

3.1.1. Negative Kanonbildung: Bücherverbrennungen

Die, weiter vorne erwähnte, Buchverbotspraxis und die Bücherverbrennung waren die ersten, und wichtigsten, Schritte der Nationalsozialisten hin zu einer Kanonbildung: und zwar einer sogenannten negativen Kanonbildung. Alles Unerwünschte wurde ausgemerzt und die Werke, die übrig blieben, bildeten den Kanon der deutschen Literatur. Begonnen wurde damit kurz nach der Machtübernahme. Bereits im April 1933 begann die Aktion, die zur Verbrennung der Bücher am 10. Mai 1933 führen sollte und für die erstmals eine Liste der unerwünschten und zu verbrennenden Bücher erstellt wurde – die Schwarze Liste. Ausgegangen war die Bücherverbrennungsaktion von deutschen Studentinnen und Studenten und ihrem neu gegründeten Hauptamt für Presse und Propaganda der Deutschen Studentenschaft (vgl. Weidermann, 2009, S.13). In einem Rundschreiben dieses Hauptamtes vom 8. April 1933 wurde diese „Öffentliche Verbrennung jüdischen zersetzenden Schrifttums durch die Studentenschaft der Hochschulen aus Anlaß [sic!] der schamlosen Hetze des Weltjudentums gegen Deutschland.“ verkündet. (Graeb-Könneker, 2001, S. 34) Weiters ist in diesem Rundschreiben Folgendes zu finden:„[…]Der jüdische Geist […] wie er bereits im deutschen Schrifttum seinen Niederschlag gefunden hat, muß [sic!] aus diesem ausgemerzt werden.“ (Graeb-Könneker, 2001, S. 34) Anschließend werden alle Studentinnen und Studenten dazu aufgefordert, ihre eigene Bibliothek, die ihrer Bekannten und öffentliche Büchereien von dieser Art von Literatur zu säubern, sodass nur noch volksbewusstes Schrifttum darin zu finden sei (vgl.Strätz, 1968, S. 552). „Für die praktische Durchführung des Planes waren drei aufeinanderfolgende Phasen vorgesehen: Vom 12. April an bis zum 10. Mai sollte die Bevölkerung durch Veröffentlichung der „12 Thesen wider den undeutschen Geist", durch Veröffentlichung der von der DSt5 herausgegebenen Aufsätze in der Tagespresse und durch Vorträge in Versammlungen und im Rundfunk über den Plan der Studenten aufgeklärt werden. Am 26. April hatte die Sammlung des

5 DST bedeutet Deutsche Studentenschaft.

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zersetzenden Schrifttums zu beginnen. Als Höhepunkt der Aktion war der nur an den Hochschulorten stattfindende Verbrennungsakt am 10. Mai gedacht.“ (Strätz, 1968, S. 552)

Einige wenige deutsche Universitätsstädte weigerten sich, mit verschiedenen Begründungen, doch die Mehrheit nahm an der „Aktion wieder den undeutschen Geist“ teil (vgl. Weidermann, 2009, S. 20f). Der Grundgedanke dabei war „[…] gegen Schund und Schmutz jüdischen Zersetzunsgeistes […] für volksbewußtes [sic!] Denken und Fühlen […].“ (Graeb- Könneker, 2001, S. 35) Die 12 Thesen, die auf Plakate und in Zeitungen gedruckt wurden, lauteten wie folgt: „Wider den undeutschen Geist 1. Sprache und Schrifttum wurzeln im Volke. Das deutsche Volk trägt die Verantwortung dafür, daß [sic!] seine Sprache und sein Schrifttum reiner und unverfälschter Ausdruck seines Volkstums sind. 2. Es klafft heute ein Widerspruch zwischen Schrifttum und deutschem Volkstum. Dieser Zustand ist eine Schmach. 3. Reinheit von Sprache und Schrifttum liegt an Dir! Dein Volk hat Dir die Sprache zur treuen Bewahrung übergeben. 4. Unser gefährlichster Widersacher ist der Jude und der, der ihm hörig ist. 5. Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräter. Der Student, der undeutsch spricht und schreibt, ist außerdem gedankenlos und wird seiner Aufgabe untreu. 6. Wir wollen die Lüge ausmerzen, wir wollen den Verrat brandmarken, wir wollen für den Studenten nicht Stätten der Gedankenlosigkeit, sondern der Zucht und der politischen Erziehung. 7. Wir wollen den Juden als Fremdling achten und wir wollen das Volkstum ernst nehmen. Wir fordern deshalb von der Zensur: Jüdische Werke erscheinen in hebräischer Sprache. Erscheinen sie in deutsch, sind sie als Übersetzung zu kennzeichnen. Schärfstes Einschreiten gegen den Mißbrauch [sic!] der deutschen Schrift. Deutsche Schrift steht nur Deutschen zur Verfügung. Der undeutsche Geist wird aus öffentlichen Büchereien ausgemerzt. 8. Wir fordern vom deutschen Studenten Wille und Fähigkeit zur selbständigen Erkenntnis und Entscheidung. 9. Wir fordern vom deutschen Studenten den Willen und die Fähigkeit zur Reinerhaltung der deutschen Sprache. 10. Wir fordern vom deutschen Studenten den Willen und die Fähigkeit zur Überwindung jüdischen Intellektualismus und der damit verbundenen liberalen Verfallserscheinungen im deutschen Geistesleben. 11. Wir fordern die Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens im deutschen Geiste. 12. Wir fordern die deutsche Hochschule als Hort des deutschen Volkstums und als Kampfstätte aus der Kraft des deutschen Geistes.“ (Walberer, 1983, S. 35, zit. n. Wulf, 1966, S. 44f)

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Mithilfe dieser 12 Thesen wider den undeutschen Geist sollte analysiert und entschieden werden, welche Literatur als schlecht empfunden wurde und verbrannt werden sollte. Alle Werke wurden nach diesen Aspekten gesichtet und aussortiert.

Die Grundlage für die verbrannten Bücher bildete schließlich die Schwarze Liste von Wolfgang Herrmann, der die aussonderungswürdigen Bücher bereits seit einiger Zeit, und ursprünglich für Büchereien gedacht, zusammenstellte. Darunter fiel, unter anderem, die Großstadtliteratur, Literatur, die andere politische Systeme verherrlichte, deutsche Kriegserlebnisse negativ darstellte oder andere moralische Einstellungen vertrat. Er unterteilte die Liste in die „Schöne Literatur“ (dem größten Bereich), „Geschichte“, „Kunst“, „Allgemeines“ und einige weitere kleinere Bereiche. Dazu kamen noch Tipps und Ideen zur Erstellung solcher Listen und zur Säuberung der Büchereien (vgl. Weidermann, 2009, S. 17-19). Im Bereich der „Schönen Literatur“ wurden unter anderem Arthur Schnitzler, Jakob Wassermann, Bert Brecht, Erich Kästner, Alfred Döblin, Franz Werfel, Arthur Holitscher, Heinrich und Klaus Mann, Emil Ludwig, Joseph Roth, Erich Maria Remarque, Joachim Ringelnatz, Kurt Tucholsky, Anna Seghers und Stefan Zweig, um nur einige der bekannteren Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu nennen, auf die Schwarze Liste gesetzt, verboten und verbrannt (vgl. Barbian, 2008, S. 62). Kästner schrieb dazu: „In dem folgenden Jahrdutzend sah ich Bücher von mir nur die wenigen Male, die ich im Ausland war. […] – Es ist ein merkwürdiges Gefühl, ein verbotener Schriftsteller zu sein und seine Bücher nie mehr in den Regalen und Schaufenstern der Buchläden zu sehen. In keiner Stadt des Vaterlands.“ (Kästner, 1966, S. 435)

Doch nicht nur ihre Bücher, sondern auch die vieler anderer Autorinnen und Autoren wurden an diesem 10. Mai 1933 in vielen deutschen Städten verbrannt. Die Verbrennungen waren von Fackelzügen, Vorträgen und Reden begleitet. Die Bücherverbrennungen und die Feierlichkeit, mit der diese betrieben wurden, sind ein Beleg „[…] für die besondere Bedeutung, die dem Medium Buch beigemessen wurde. Das Buch wurde als symbolischer Repräsentant einer zu überwindenden Zeit verbrannt, um sich […] als symbolischer Repräsentant einer neuen Zeit zu erheben […]“ (van Linthout, 2012, S. 43) Besonders wichtig war die Bücherverbrennung in Berlin, da der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, der an der ursprünglichen Planung der Aktion nicht beteiligt gewesen zu sein scheint, als Hauptredner die Veranstaltung begleitete und im Radio live ausstrahlen ließ (vgl. Barbian, 2008, S. 62).

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Goebbels selbst hatte, bis kurz vor der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, „[…] nicht glauben können, dass die Deutschen schon so weit waren. Dass sie bereitwillig zusehen würden, wie die Bücher ihrer besten Autoren den Flammen übergeben wurden.“ (Weidermann, 2009, S. 24) Doch nicht nur die Bevölkerung fand großen Gefallen an der Bücherverbrennung, auch zahlreiche Germanisten goutierten in ihren Beiträgen die Bücherverbrennung als notwendige Entwicklung zur Abkehr von Liberalismus, Demokratie und Internationalismus und zur Beseitigung von „art- und volksfremder“ Literatur (vgl. Sauder, 1983, S. 150). Werner Schlegel, zu diesem Zeitpunkt Referent der Reichsschrifttumskammer, schrieb 1934 in seiner Nachbetrachtung zur Bücherverbrennung: „Die Bücherverbrennung war das Symbol der Revolution, das Symbol für die endgültige Überwindung des geistigen Verfalls, das Zeichen des Sieges der neuen Wertlehre. […] Das Feuer als reinigende Kraft ist ein uraltes, mit der germanisch-deutschen Geschichte untrennbar verbundenes Symbol. […] Die einzige und bekannte Macht in Deutschland war der Literaturerzeugungskonzern, der die öffentliche Meinung beherrschte.“ (Schlegel, 1934, S. 50-52)

Mit der Bücherverbrennung war die Neuausrichtung der gesamten Literaturszene und damit auch das Ende der Freiheit des gesamten Buchmarktes und die Kontrolle über die weitergegebenen Inhalte und die literarische Beeinflussung der Bevölkerung eingeleitet worden.

3.1.2. Positive Kanonbildung: Erwünschte Literatur

Die umgekehrte Seite war freilich, dass sich auch eine positive Kanonbildung entwickelte, denn die erwünschte und volksbewusste Literatur und ihre Verfasserinnen und Verfasser wurden vom Staat explizit gefördert. „Bereits in den Reden zu den Bücherverbrennungen kam deutlich der Wille zum Ausdruck, die Beseitigung des als Kanon der Weimarer Republik gewerteten >>undeutschen<< Schrifttums mit einem neuen, in Einklang mit den Zielen des NS-Staates stehenden literarischen Kanon zu verbinden.“ (Barbian, 2008, S. 65)

So rief Goebbels in seiner Hauptrede am 10. Mai die Studentinnen und Studenten dazu auf, „[…] an der Stelle dieses Unrates einem wirklichen deutschen Geist die Gasse freizumachen.“ (Rede Goebbels, nach Sauder, 1985, S. 255) Doch so motiviert die Rede von der Förderung „deutscher Literatur“ war, so schwierig war die Definition einer konkreten Literatur des Dritten Reichs. „[…] die

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Auseinandersetzungen, was darunter zu verstehen sei, setzten fast unmittelbar mit dem Januar 1933 ein.“ (Ketelsen, 1992, S. 72) Für viele deutsche Schriftstellerinnen und Schriftsteller waren die Bücherverbote ihrer Kolleginnen und Kollegen ein Glücksfall, da nun oftmals die Plätze der Besten für sie freiwurden. Kurt Tucholsky, selbst verboten, schrieb über diese Situation in einem Brief: „Da kommen sie nun aus allen Löchern gekrochen, die kleinen Provinznutten der Literatur, nun endlich, endlich ist die jüdische Konkurrenz weg – jetzt aber! […] Lebensgeschichten der neuen Heroen. Und dann: Alpenrausch und Edelweiß. Mattengrün und Ackerfurche. Schollenkranz und Maienblut – also Sie machen sich keinen Begriff, Niveau null.“ (Dürhammer & Janke, 2003, S. 118, nach Sauder, 1985, S. 279f)

Genau diese, die vorher oft im Schatten der nun verbotenen Kolleginnen und Kollegen standen, wurden nun, ob ihrer Einstellung, Ideologie, Themen und Bücher vom Staat gefördert und propagiert. „Und in der Tat. Plötzlich setzten sich Autoren durch, die zuvor keine Chance gehabt hatten. Ganz überwiegend geschah dies, […] weil Niveau und Machart ihrer Werke häufig bestimmten minimalen Qualitätsanforderungen nicht genügen konnten.“ (Adam, 2013, S. 50) Die Kanonbildung selbst funktionierte beispielsweise durch Publikationen und Rezensionen in verschiedensten Zeitschriften und Zeitungen. Dies passierte vor allem durch die Chefredakteure und Medienmacher des Landes, denn auf „[…] die Literatur hatte die Presse einigen Einfluss […].“ (Hobsbawm, 2012, S. 247) So konnte sie die Kanonbildung sehr erfolgreich steuern. Hellmuth Langenbucher, NSDAP-Mitglied seit 1929 und Verlagsredakteur bei Langen- Müller seit 1932 war einer von ihnen. Er war als Rezensent für verschiedene Zeitungen tätig und „[…] Chefredakteur von fünf Fachzeitschriften, die einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des deutschen Buchmarktes und damit auf die literarische Kanonbildung hatten […]“ (Barbian, 2008, S. 66f) „Vier davon verfügten über einen umfassenden redaktionellen Teil, der sich der Besprechung von Büchern (d.h. der Literaturlenkung) widmete. Eines dieser Periodika, die Zeitschrift >>Buch und Volk<< besaß praktisch ausschließlich die Aufgabe zur >>Buchberatung<<. Bereits 1933 von Langenbucher übernommen, zählte >>Buch und Volk<< zu den auflagenstärksten Zeitschriften ihrer Art im Dritten Reich.“ (Graeb-Könneker, 1996, S. 86)

Darüber hinaus war er Gründungsmitglied der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums, die eine gründliche Sichtung des deutschen Buchmarktes vornahm und ihre Bewertung über Rezensionen in der Zeitschrift Bücherkunde

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verbreitete. Langenbucher war auch auf diese Weise an der literarischen Kanonbildung beteiligt, da er als Lektor und später als Hauptlektor für schöngeistiges Schrifttum fungierte (vgl. Barbian, 2008, S. 67). Seine Vorstellungen des neuen Literaturkanons fallen wohl am ehesten unter die „Blut-und-Boden“-Literatur mit völkischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, aber auch völkischen Texten und Themen: von der germanischen Vergangenheit über die volksnahe Literatur und die Arbeiterdichtung bis hin zu Literatur über das „Deutsche Schicksal“, also unter anderem über Mangel an Lebensraum, Kolonien, „Deutschtum“ im Ausland, über Krieg und Nachkrieg oder über den Gegensatz städtischer und bäuerlicher Lebenswelten. Doch nicht nur die Kulturschaffenden sollten umdenken und sich rückbesinnen auf deutsche Heimatkunst, sondern auch die Kultur- und Literaturaufnehmenden (vgl. Barbian, 2008, S. 68f). Des Weiteren wollte Langenbucher keine kurzfristige Trendwende hin zu völkischer Literatur, sondern eine dauerhafte „[…] enge Verzahnung von Dichtung, Volk und nationalsozialistischer Staatsführung […].“ (Barbian, 2008, S. 68) „Wichtig ist, dass in diesem Zusammenhang der Literatur eine politisch dienende Funktion für den NS-Staat zugewiesen wurde, deren Grad der Erfüllung als Wertemaßstab für die Qualität eines literarischen Textes diente.“ (Barbian, 2008, S. 68) Aber noch 1935 stellte Langenbucher fest, dass dieser neue literarische Kanon, der zur Ideologie des Nationalsozialismus passte, noch im Entstehen begriffen war (vgl. Barbian, 2008, S. 69). Ein weiterer, der die Kanonbildung erfolgreich mitgestaltet hatte, war Heinz Kindermann, der bis 1945 in Büchern und Vorträgen für eine Neubewertung der deutschen Gegenwartsliteratur und der Literaturgeschichte aus der Perspektive des Nationalsozialismus eintrat. Seine Publikationen erhielten viel Aufmerksamkeit der Bevölkerung durch Rezensionen in mehreren Zeitungen und Zeitschriften, wie dem Völkischen Beobachter, weshalb auch er zur Kanonbildung beitrug. Auch er spricht – genau wie Langenbucher - von volkhafter Dichtung, einer neuen, gesunden deutschen Nationalliteratur, Weltkriegsdichtung, bäuerlicher Literatur, einem neuen literarischen Gegenwartsbild oder der Literatur des Grenz- und Auslandsdeutschtums. Beide waren der Meinung, Literatur müsse neben kulturgeschichtlichen und soziologischen auch biologische und „rassenkundliche“ Themen und Zusammenhänge liefern. Die völkischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller sollten als „deutsche“ Autorinnen

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und Autoren auch ihre Macht nutzen. Diese bestand darin auf die Bevölkerung einzuwirken und sie zu erziehen (vgl. Barbian, 2008, S. 70ff). Ein weiterer Mann, den man als Beispiel dafür nehmen kann wie der literarische Kanon gebildet wurde, ist Hans W. Hagen. Er war zuerst für die Reichsstelle des deutschen Schrifttums und später für das kulturpolitische Referat der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutz des NS-Schrifttums tätig. Er schrieb an Meyers Konversationslexikon mit und veröffentlichte Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften zur Gegenwartsliteratur in Deutschland. 1941 wurde er kulturpolitischer Berater des Chefredakteurs der Wochenzeitung Das Reich und 1942 Referent für das Buchverbotswesen der Schrifttumsabteilung des Propagandaministeriums (vgl. Barbian, 2008, S. 73f). Mit diesen Tätigkeiten hatte er die optimalen Beobachtungs- und Kontrollpositionen für „deutsche Literatur“ und konnte auch den literarischen Kanon mitdefinieren und mitgestalten. Betrachtet man nun seine Schriften und Veröffentlichungen findet man wenig Überraschendes: „Wie nicht anders zu erwarten, waren für den Schrifttumsfunktionär weder formale oder stilistische Vorzüge noch die innovative Gestaltung eines Themas der entscheidende Wertemaßstab, sondern ausschließlich die völkische Orientierung.“ (Barbian, 2008, S. 74) Hagen legte in dem, von Parteiamtlicher Prüfungskommission, Schrifttumspflege und Reichsschrifttumsstelle des Propagandaministeriums verordneten, Kanon als Orientierungspunkt den Ersten Weltkrieg fest und teilte die erwünschten Schriftstellerinnen und Schriftsteller danach ein. Die Themen und Autorinnen und Autoren, die Hagen im Kanon festlegte, waren allesamt wenig originell und deckten sich mit beziehungsweise orientierten sich an den Vorschlägen Kindermanns und Langenbuchers (vgl. Barbian, 2008, S. 74f). Dieser nun veröffentlichte beziehungsweise verordnete Kanon sollte offiziell der Öffentlichkeit als Orientierungshilfe dienen, war jedoch eigentlich dazu da, die deutsche Bevölkerung zur richtigen Lektüre zu erziehen und ihnen vorzugeben, was sie lesen sollten. Doch funktionierte das auch? Es war nahezu unmöglich alles an unerwünschter Literatur zu vernichten und die Leute dazu zu bringen, nur noch die Kanon-Literatur zu lesen: Erstens fanden, wie vorne erwähnt, immer wieder Exemplare unerwünschter Literatur den Weg zu neuen Leserinnen und Lesern, da diese in vielen Privatbibliotheken oder Antiquariaten den Krieg überdauern konnten. Zweitens gab es lange Zeit, wie im Kapitel über die Buchhändlerinnen und Buchhändler beschrieben, größte Verwirrung über die Verbotslisten, sodass auch

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nach der Machtübernahme und Gleichschaltung noch einige Jahre verbotene Literatur – wissentlich oder unwissentlich - verkauft wurde. Drittens konnten viele, später verbotene, Autorinnen und Autoren in den ersten Jahren des nationalsozialistischen Regimes ihre Werke noch veröffentlichen, wie etwa Max Frisch, Marie Luise Kaschnitz, Günter Eich, Karl Krolow, Horst Lange und andere. Viertens waren auch, später unerwünschte, ausländische Autorinnen und Autoren in Deutschland noch gang und gäbe, wie beispielsweise Ernest Hemingway, Margaret Mitchell, Marcel Proust, William Faulkner, Sinclair Lewis oder James Joyce (vgl. Barbian, 2008, S. 75f). Trotz zahlreicher Verbote waren britische, französische oder amerikanische Originalausgaben oder Übersetzungen bis Kriegsanfang im Buchhandel im Umlauf, denn selbst „[…] für deutsche Verlage hatte es bis Kriegsausbruch kein systematisches Verbot gegeben, ausländische Literatur zu drucken.“ (Schäfer, 2009, S. 339) Die vorhin unter drittens und viertens genannten Autorinnen und Autoren betrieben zwar keine Gegenpropaganda oder Ähnliches, waren aber von dem, von oben verordneten, völkischen und national-konservativen Gedanken des Kanons doch sehr weit entfernt (vgl. Barbian, 2008, S. 76). „Zudem boten die überwiegend in kleinen Verlagen […] erscheinenden, jedoch von der literarisch interessierten Fachwelt durchaus registrierten Publikationen für die gebildeten Teile der deutschen Leserschaft einen willkommenen Anreiz.“ (Barbian, 2008, S. 76) Diejenigen, die einen einheitlichen und verbindlichen Kanon „deutscher Literatur“ anstrebten, kritisierten nicht nur diese vielen Übersetzungen fremdsprachiger Werke, sondern auch die deutschen Autorinnen und Autoren, die laut ihnen Literatur wie vor 1933 veröffentlichten und dafür selbst in nationalsozialistischen Zeitungen gelobt wurden (vgl. Barbian, 2008, S. 76). „So willkürlich wie das ideologische Gedankengebäude und so grobschlächtig wie das politische Instrumentarium des NS- Regimes war auch die Literatur, die unter ihm – und von ihm kontrolliert und reglementiert – geschrieben wurde.“ (Oschlies, 2006, o.S.) Die Idee des verpflichtenden, einheitlichen Kanons schien gescheitert zu sein. Vor allem wenn man bedenkt, dass selbst Leute wie Hellmuth Langenbucher die Veränderungen im NS-Reich erkannten und ihre Meinung teilweise änderten. So wurde Langenbuchers Sicht moderner, realistischer, lebensnaher und er forderte auch eine literarische Darstellung der Industriearbeit oder den Ausgleich zwischen Stadt und Land (vgl. Barbian, 2008, S. 76f).

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„An diesem Punkt wird aber auch die Kluft deutlich, die zwischen den offiziell kanonisierten literarischen Texten und der Realität des NS-Staates lag.“ (Barbian, 2008, S. 77) Diese Widersprüchlichkeit zeigt sich auch, wenn man die tatsächlich gelesenen Werke betrachtet. Dabei wird „[…] deutlich, dass weniger die vom NS-Staat mit einem immensen Aufwand geförderte >>volkhafte Dichtung<< zu Bestsellern wurde als vielmehr die Unterhaltungsliteratur.“ (Barbian, 2008, S. 77) Betrachtet man die Bestsellerlisten der Jahre 1933-1945 mit vierzig Titeln, so sind zwölf Autorinnen und Autoren des verordneten Kanons darunter. Sieht man sich die Entwicklung der einzelnen Jahre an, so ist ersichtlich, dass deren Zahl jedoch mit der Zeit deutlich abnahm und gleichzeitig die Unterhaltungstitel anstiegen (vgl. Barbian, 2008, S. 77). Diese Werke, die nicht mit dem verordneten völkisch-nationalen Kanon konform gingen und eine andere Haltung verdeutlichten, aber trotzdem zwischen 1933 und 1945 erscheinen konnten, bezeichnete Hans Dieter Schäfer als die „nichtnationalsozialistische Literatur“. (Schäfer, 2009, S. 333) Dies macht deutlich, dass der Staat zwar einen literarischen Kanon verordnen konnte, dieser aber nicht zwingend eingehalten wurde, schwer zu kontrollieren war und es nicht schaffte, die Leserschaft gänzlich zu manipulieren. Das Leseverhalten entwickelte sich trotzdem von selbst weiter.

3.1.3. Kanon und Schule

Interessant ist hierbei auch die Betrachtung des Literaturkanons an den Schulen. In jeder Zeit gibt es einen bestimmten Lektürekanon, vor allem an höheren Schulen, der Werke beinhaltet, die man als Schülerin oder Schüler gelesen haben muss, um ausreichend gebildet zu sein. Im Dritten Reich sollte die richtige Literatur natürlich zur Entwicklung der nationalsozialistischen Einstellung, also beispielsweise einer Entwicklung hin zum "Deutschtum", oder einer Heranbildung von „heroischen“ Menschen, dienen. Der Literaturunterricht gewann immens an Bedeutung im NS- Staat, deshalb mussten die Werke genauestens ausgewählt werden. Zunächst war es schwierig für die Schulen zu wissen, welche Literatur den Schülerinnen und Schülern jetzt nähergebracht werden sollte, da sowohl Vorgaben von oben als auch neue Lehrpläne und Lesebücher auf sich warten ließen. Da die Entwicklung dieser Lehrpläne einige Jahre in Anspruch nahm, wurde zunächst, als Übergangslösung, mit einzelnen Richtlinien für Schulen oder Ergänzungen zu

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Schul- und Lesebüchern gearbeitet (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 56f). In der Zwischenzeit kamen viele Empfehlungen von Pädagoginnen und Pädagogen oder Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftlern auf, was die richtige Auswahl der Lektüre betraf. Bei diesen Vorschlägen ist in etwa die gleiche Themenauswahl, wie im offiziellen Kanon zu finden. Betont werden völkische, sittliche, „rassenkundliche“ und biologische Aspekte sowie Begriffe wie Heimat, Heldentum oder der neue deutsche Mensch (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 58ff). „Pädagogische Kriterien, die den Schüler in den Mittelpunkt der Überlegungen stellten, existierten nur insofern, als man überlegte, wie der Schüler am besten ideologisch zu beeinflussen sei." (Lauf-Immesberger, 1987, S. 60) Alle Werke, die nicht die nationalsozialistische Ideologie und eine Deutung in deren Sinne zeigten, zu psychologisch oder schöngeistig waren, sowie selbstverständliche alle jüdischen Werke, wurden aus dem Deutschunterricht ausgeschlossen. Darüber hinaus sollte der Fokus auf der Gegenwartsliteratur liegen und die Behandlung älterer literarischer Werke eher kurz gehalten werden (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 63f). Trotz der späten staatlichen Vorgaben wurden die Lehrpläne bereits kurz nach 1933 dahingehend adaptiert, dass sie an die neue politische Wirklichkeit und Ideologie angepasst wurden (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 61). In den verschiedensten Lehrplänen für höhere Schulen der Bundesländer Deutschlands zwischen 1933 und 1938 findet man nun – entweder als Pflichtlektüre oder als empfohlene Lektüre - folgende zugelassene oder geforderte Autorinnen und Autoren mit ausgewählten Werken: Aischylos, Sophokles, Homer, Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, Luther, Hutten, Shakespeare, Grimmelshausen, Lessing, Klopstock, Herder, Goethe, Schiller, Hölderlin, Fichte, Arndt, Jahn, Wilhelm von Humboldt, Jakob und Hans Grimm, Kleist, Eichendorff, Droste-Hülshoff, Grillparzer, Mörike, Storm, Keller, Hebbel, C. F. Meyer, Raabe, Gorch Fock, Paul Ernst, Rudolf Georg Binding, Carossa, Ernst Jünger, Paul de Lagarde, Kolbenheyer, Dwinger, Wiechert, Schauwecker, Beumelburg, Wehner, Flex, Johst (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 65-68). Neben den sogenannten Klassikern findet man unter den Gegenwartsautoren Überschneidungen mit dem staatlichen Kanon. Die, in Hagens Kanon für gut befundenen, Autorinnen und Autoren wurden auch für die Schulen als geeignet empfunden und ihnen vorgegeben. Im Reichslehrplan selbst sind viele literarischen Werke vergangener Epochen in den Lektüreanforderungen zu finden, allerdings waren diese als Ergänzung zu den, ab

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1939 genehmigten, Lesebüchern gedacht und in denen findet sich deutlich mehr Gegenwartsliteratur (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 70f). Denn in den meisten Lehrplänen der Bundesländer, besonders in den frühen kurz nach 1933, sind die Klassiker, bis auf einige Hauptwerke, kaum vertreten. Die absolute Mehrheit stellen die Werke der aktuellen Schriftstellerinnen und Schriftsteller – ganz wie es vom Staat vorgegeben war (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 69). „Zudem bot sich zur Verbreitung des nationalsozialistischen Gedankengutes die nationalsozialistische Gegenwartsliteratur geradezu an.“ (Lauf-Immesberger, 1987, S. 69) In ganz wenigen Bundesländern wurden die Lehrpläne gleich nach der Machtübernahme 1933 radikal umgestellt und nach den nationalsozialistischen Vorstellungen ausgerichtet. Doch in der Mehrheit der Bundesländer wurde bis 1938 mit den Lehrplänen aus der Weimarer Republik weitergearbeitet. Die Literatur war in dieser Zeit auch noch nicht detailliert vorgegeben. Es wurden nur grobe Empfehlungen ausgesprochen, wie beispielsweise das Hauptaugenmerk auf die Gegenwartsliteratur und Werke des „neuen deutschen Geistes“ zu legen (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 69f). Viele Werke waren nicht direkt vorgegeben, sondern es wurden nur Themen oder Themenkreise genannt, die behandelt werden sollten. Bei den vorne genannten Autorinnen und Autoren beziehungsweise ihren Werken war es so gedacht, dass ihre Bücher als Ganzes und ergänzend zu den literarischen Texten des Lesebuches von den Schülerinnen und Schülern gelesen werden sollte. (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 70). Im Gegensatz zu den Volksschulen gab es für die höheren Schulen kein reichseinheitliches Lesebuch. 1939 wurden zwölf Lesebuchreihen genehmigt, die ganz normal von Verlagen produziert und anschließend zur Begutachtung vorgelegt wurden. „Die Genehmigung erfolgte durch das Deutsche Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht in Zusammenarbeit mit dem Reichserziehungsministerium und der Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums.“ (Lauf- Immesberger, 1987, S. 71) Der Leiter der Parteiamtlichen Prüfungskommission Philip Bouhler, der seit 1940 für die Schulbuchkontrolle zuständig war, wollte eine stärkere Kontrolle der Schulen und der von ihnen verwendeten Lehrbücher sowie einheitliche Schulbücher, die im neu gegründeten Deutschen Schulbuchverlag produziert werden sollten. Doch aufgrund der Kriegsereignisse dieser Zeit und des Widerstands des Reichserziehungsministeriums kam es nicht dazu und der Status quo, die Schulbücher betreffend, blieb bestehen (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 71f).

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Betrachtet man den Textanteil in den Schulbüchern genauer, so finden sich auf den ersten zehn Plätzen, die Gesamtseitenanzahl in allen Lesebüchern betreffend, Goethe, Schiller, die Brüder Grimm, Löns, Kleist, Springenschmid, Homer, Herder, und Arndt. Daraufhin folgen mehrheitlich Gegenwartsautorinnen und - autoren, mit einigen „klassischen“ Schriftstellerinnen und Schriftstellern dazwischen, aber auch viele Parteigrößen (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 72f). Auffallend ist, dass es eine Überbetonung der Lyrik gab. Sie war in den Lesebüchern am meisten vertreten, mit Abstand gefolgt von der Prosa und einem verschwindend geringen Anteil an Dramatik (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 83). Neben den Lesebüchern, gab es dann auch noch die Klassenlektüre, die auch im Nationalsozialismus beibehalten wurde. Klassenlesestoffe waren leicht handhabbar und vor allem schnell und billig zu produzieren, was bedeutet, dass man sie jederzeit austauschen hätte können. „So war mit den Klassenlesestoffen das möglich, was man bei den Lesebüchern nicht erreichte: sie in kurzer Zeit vollkommen auf nationalsozialistische Linie zu bringen.“ (Lauf-Immesberger, 1987, S. 95) Was gelesen wurde entschieden das Reichserziehungsministerium, der Nationalsozialistische Lehrerbund als Parteiorgan und die Pädagoginnen und Pädagogen (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 96). Ab 1939 durfte nur noch gelesen werden, was von der neu gegründeten Reichsprüfstelle für Klassenlesestoffe und Lehrmittel der höheren Schule genehmigt worden war. Von dieser Stelle wurden laufend Listen mit genehmigter Literatur herausgegeben, 1941 dann ein Gesamtverzeichnis, wobei die Klassenlesestoffe vor Juli 1938 nicht berücksichtigt waren und deren Verwendung im Ermessen der Direktorinnen und Direktoren lag. Diese Übersicht orientierte sich an den Themen und Gedanken, die der Lehrplan seit 1938 vorschreibt. Man findet enorm viele Übereinstimmungen der Klassenlektüreliste, der Anordnungen für die Lesebücher und des staatlichen Literaturkanons (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 98). „[…] ebenso ließen sich die Romane der völkisch-nationalen Richtung, die Weltkriegsromane, Reden und andere Elaborate von Parteifunktionären für den Gebrauch als Klassenlesestoff aufbereiten.“ (Lauf-Immesberger, 1987, S. 95f) Die Bücher der Klassenlektüre waren hauptsächlich Romane, die den Schülerinnen und Schülern näher gebracht werden sollten und bei denen dies durch die Lesebücher nicht ausreichend geschehen konnte. So beispielsweise Gruppe Bosemüller von Beumelburg, Wiltfeber, der ewige Deutsche von Burte, Michael von Goebbels, Volk ohne Raum von Grimm, Der Kampf als inneres Erlebnis von Jünger, Bürger zu

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Kolberg von Nettelbeck oder Aufbruch der Nation von Schauwecker (vgl. Lauf- Immesberger, 1987, S. 104). „Die in der amtlichen Liste aufgeführten Texte lagen fast alle in Bearbeitung vor.“ (Lauf-Immesberger, 1987, S. 104) Die jeweiligen Bearbeiter waren allesamt Vertreter und Befürworter der nationalsozialistischen Literatur und den Schriften, die in diesem Sinn ausgelegt werden konnten und den „typischen“ völkischen und nationalen Themen und lieferten deshalb auch gleich die passenden Interpretationen (vgl. Lauf- Immesberger, 1987, S. 104). Das Reichserziehungsministerium veröffentlichte dann 1943 mehrere Listen mit Titeln des traditionellen Kanons und eine kürzere Liste mit Großteils kriegerischen Darstellungen, da die Schüler in Vorbereitung auf den Krieg mit Kriegserlebnissen vertraut gemacht werden sollten (vgl. Lauf-Immesberger, 1987, S. 105). Doch nicht nur durch den literarischen Kanon an der Schule sollten die Schülerinnen und Schüler beeinflusst werden. Es gab noch eine zweite Liste, die speziell für Jugendliche gedacht war: die Liste der für Jugendliche und Büchereien ungeeigneten Druckschriften, die 1940 vom Propagandaministerium herausgegeben wurde (vgl. Adam, 2013, S. 29). Der Inhalt der Liste „[…] lässt darauf schließen, dass ein wesentliches Kriterium der Auswahl der Kampf gegen englische Einflüsse auf dem Gebiet der Kultur war.“ (Adam, 2013, S. 30) Auch Heftchenromanreihen, die immer schon kritisiert wurden, standen nun auf dieser Liste. Generell wollte man damit auch gegen die seichte Unterhaltungsliteratur ankämpfen. Sebastian Losch, Referent im Propagandaministerium für das Büchereiwesen meinte 1940, es sei zu einer „[…] Überschwemmung mit leichter und leichtester Unterhaltungsliteratur […]“ gekommen. (Losch, 04/1940, S. 137) Und, wie vorne bereits erwähnt, war auch in den Bestsellerlisten immer mehr die Unterhaltungsliteratur vertreten und weniger die geförderte deutsche nationalsozialistische Literatur, was Loschs Bemühungen erklärt. Weiters sei er „[…] laufend bemüht […], dem deutschen Buch neuen Boden zu gewinnen und seine Kräfte zur Auswirkung zu bringen.“ (Losch, 06/1940, S. 213). Vor allem was die Jugendlichen betraf war man hierbei vorsichtig und wollte ihr Leseverhalten lenken, da die falsche Literatur dazu führen könnte, dass sich die jungen Leute ihre eigenen Gedanken machen, der nationalsozialistischen Realität gedanklich entfliehen oder sich auflehnen könnten (vgl. Adam, 2013, S. 32). So findet man beispielsweise 1939 Kritik darüber, dass Jugendliche immer noch so viele Abenteuer- und Kriminalgeschichten lesen würden, wie zum Beispiel

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Nesthäkchen, Trotzköpfchen, Rolf Torrings Abenteuer, Jörn Farrows U-Boot- Abenteuer, Sun Koh, Tom Shark oder Billy Jenkins (vgl. Adam, 2013, S. 59). Aus späteren Berichten weiß man heute ziemlich genau, was bei den Kindern und Jugendlichen beliebt war. Zum Beispiel Ilse Kleberger, Jahrgang 1921, las Karl May, Hitlerjunge Quex von Schenzinger und Jugendbuchklassiker von Erich Kästner oder Rudyard Kipling. Peter Bruhn, geboren 1926, las beispielsweise Karl May, Tier- , Abenteuer- und Indianerbücher, Reisebeschreibungen und Kriegsbücher über den Ersten Weltkrieg von Zöberlein, Beumelburg, Lettow-Vorbeck oder Richthofen sowie Klassenlektüre von Goethe, Schiller oder Storm. Dies zeigt gut, dass Leseverhalten vor oder um 1933, doch auch danach hielten sich die meisten dieser Bücher und blieben erfolgreich (vgl. Adam, 2013, S. 61f).

3.1.4. Erwünschte, geförderte, geduldete AutorInnen

Doch wer waren nun die Autorinnen und Autoren des offiziellen Kanons? Im, vorne erwähnten, Kanon von Hagen finden sich: Burte, Carossa, Claudius, Eckart, Ernst, Frenssen, Grimm, Kloepfer, Kolbenheyer, Lersch, Miegel, Schäfer, von Scholz, Stehr, Strauß, Vesper (Vorkriegsgeneration), Alverdes, Beumelburg, Billinger, Bethge, Blunck, Dwinger, Euringer, Flex, Graff, Griese, Hohlbaum, Johst, Sander, Schauwecker, Steguweit, Ernst Jünger, Tügel, Wehner, Wiechert (Kriegsgeneration), Anacker, Böhme, Brockmeier, Eggers, Langenbeck, Kölsch, Linke, Menzel, Möller, von Schirach und Schumann (Nachkriegsgeneration), die allesamt vom NS-Staat nicht nur geduldet, sondern besonders gefördert wurden (vgl. Barbian, 2008, S. 74f). Sie bekamen ab 1933 eine besondere Förderung durch die staatliche und parteiamtliche Schrifttumsbürokratie. Es gab staatlich finanzierte und organisierte Lesereisen und Ausstellungen der nationalen Autorinnen und Autoren im In- und Ausland. Ihre Werke wurden in Buchhandlungen im Schaufenster oder an anderer prominenter Stelle präsentiert. Sie wurden in Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Kino enorm beworben, erhielten großartige Rezensionen und es gab zusätzlich Subventionen von Seiten des Staates. Ein wichtiger Aspekt bei der Förderung der bei den Nationalsozialisten beliebten Schriftstellerinnen und Schriftsteller waren die Literaturpreise. Die Vergabe sollte diese offiziell honorieren, um im In- und Ausland mit preisgekrönten Autorinnen und Autoren werben zu können. Darüber hinaus sollten „alte“ und „neue“ Schriftstellerinnen und Schriftsteller durch die Preise und Preisgelder bei den gewünschten Themen des

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Kanons bleiben beziehungsweise von vornherein solche Bücher verfassen, um ebenfalls Preise zu erhalten. 1937 etwa wurden im Deutschen Reich 65 Literaturpreise vergeben. Darunter „[…]vier durch das Reich, sechs durch Zentralämter der NSDAP, 19 durch Länder, Gaue und Oberpräsidien, 13 durch Städte und 23 durch private Stifter.“ (Dahm, 1995, S. 243) Diese hohe Anzahl wurde sogar der Schrifttumsabteilung zu viel, da es solche Mengen an preisgekrönten Autorinnen und Autoren schlicht nicht geben könne und es so zu einer Entwertung der Literaturpreise kommen würde (vgl. Dahm, 1995, S. 244f). Doch die Aufsicht durch das Propagandaministerium änderte nichts an der hohen Anzahl der Preise (vgl. Dahm, 1995, S. 249). Darüber hinaus sollten Preisgelder von 2.000 RM oder mehr die Zustimmung des Ministers erfordern (vgl. Dahm, 1995, S. 245). Diese Summen zeigen sehr gut, wie wichtig es für Schriftstellerinnen und Schriftsteller sein konnte, Preise zu gewinnen, um ordentlich dazuzuverdienen. Eine Form der Bestechung durch die Literaturpolitik. Die gewünschte völkische Literatur der Kanonschriftstellerinnen und –schriftsteller wurde darüber hinaus in viele Auswahlverzeichnisse mit hineingenommen. Am bedeutendsten – und in gewaltiger Auflage im Deutschen Reich verbreitet – waren die Verzeichnisse im Zuge der „Woche des Deutschen Buches“, die 1934 eingeführt worden war (vgl. Barbian, 2008, S. 75). Die Autorinnen und Autoren des Literaturkanons wurden an solchen speziellen Tagen oder Wochen besonders hervorgehoben und beworben, da sie die gewünschte „deutsche Literatur“ bestens verkörperten. Ein weiterer immenser Vorteil der Reichsschriftstellerinnen und – schriftsteller gegenüber anderen war folgender: „Von oben erwünschte Autoren konnten sich unbegrenzter Papiernachschübe und weiterer Hilfen der Reichsschrifttumkammer sicher sein […].“ (Lutz, 2013, o.S.) Aufgrund der immer stärkeren Papierknappheit musste entschieden werden, was noch gedruckt wurde und was nicht. Für die Werke und Werbung der geförderten Autorinnen und Autoren war immer genug Papier da. Außerdem hatten die Autorinnen und Autoren auch ein gutes Einkommen durch ihre Buchveröffentlichungen. Betina Ewerbeck beispielsweise startete das Schreiben nebenberuflich und verdiente 1937 1.300 RM. Nach der Veröffentlichung ihres Romans Angela Koldewey stieg diese Summe, im Jahr 1941, auf 35.880 RM. Und das, obwohl sie ohne Unterstützer aus der Reichsschrifttumskammer sogar fast Berufsverbot bekommen hätte (vgl. Adam, 2013, S. 176). Hans Fallada etwa konnte seine Honorareinnahmen von 1939 auf 1942 von 48.000 RM auf über 74.000 RM

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steigern (vgl. Adam, 2013, S. 187). Für andere der nationalsozialistischen Reichsschriftstellerinnen und Reichsschriftsteller war die schriftstellerische Tätigkeit sicherlich noch lukrativer. Man konnte also durch das Schreiben im Dritten Reich gut verdienen. Der Verdienst war umso größer, je beliebter die Werke bei der Führung waren. Andere wurden nicht direkt gefördert, aber geduldet und ihr Erfolg bei den Leserinnen und Lesern akzeptiert. Oft unerwähnt geblieben, aber in dieser Zeit von einem Großteil der Bevölkerung Deutschlands gelesen, wurden Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Polly Maria Höfler, Gustav Schröer, Karl Aloys Schenzinger, Horst Wolfram Geissler, William von Simpson, Theodor Kröger, Heinrich Spoerl, Fritz Müller- Partenkirchen, Arthur-Heinz Lehmann oder Ehm Welk (vgl. Schneider, 2004, S. 77).

3.1.5. Buchpropaganda

„Politische Führung wie nationalsozialistische Schriftsteller und Publizisten besaßen […] eine hohe Meinung von der Bedeutung der Literatur als Propagandainstrument[…]“ (Vondung, 1973, S. 153) Aufgrund der extrem wichtigen politischen Funktion der Literatur, die in der politischen und ideologischen Auseinandersetzung „[…]als Propaganda- und Manipulationsinstrument im Dritten Reich […]“ (Vondung, 1973, S. 152) gezielt eingesetzt wurde, räumte man auch der Buchpropaganda einen hohen Stellenwert ein. Für die Buchwerbung gab es eine eigene staatliche Organisation: das Amt für öffentliche Buchwerbung im Reichsüberwachungsamt der NSDAP, das sich viele Aktionen einfallen ließ (vgl. Graeb-Könneker, 2001, S. 114). Bereits seit 1929 gab es etwa den, vom Reichsinnenministerium eingeführten, „Tag des Buches“ mit dem Motto „Buch und Volk“. Und seit 1934, von der Reichsschrifttumskammer eingeführt, die „Woche des Buches“ mit einer Großveranstaltung, Vorträge, Lesungen, Bücherstunden und Schaufensterwettbewerben. Diese fanden, bis auf eine Ausnahme 1939, jedes Jahr von 1934 – 1942 statt. Die ursprüngliche Idee des „Tag des Buches“ war eine simple Absatzsteigerung. „Die Nationalsozialisten verfolgten jedoch andere Ziele: Die jährlichen Werbethemen wie Frau, Arbeiter, Jugend, Bauer oder Soldat, die jeweils mit dem Buch verbunden wurden, waren seit 1934 auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtet. Die „Volksgemeinschaft“ sollte sich auch im „deutschen Buch“ widerspiegeln.“ (Gaida, o.S.)

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Goebbels meinte in der, anlässlich der Eröffnung 1934 gehaltenen, Rede: das Buch müsse „[…] sich der Probleme der Zeit bemächtigen, damit das Volk sein eigenes Sein und Dasein, sein Leben und seine Sorge, seine Not, seine Freude, seine Begeisterung im Buche auch wiederfindet.“ (Goebbels, zit. n. Heiber, 1972, S. 168- 173) Um das „deutsche Buch“ auch international bekannt zu machen, wurde ab 1936 auch das Ausland in die Buchwoche miteinbezogen und es gab in verschiedenen Großstädten auf der ganzen Welt Ausstellungen dazu (vgl. Barbian, 2010, S. 324). Dem Programm wurde später noch eine „Jahresschau des deutschen Schrifttums“ zu den Themen „Politik und Weltanschauung“, „Dichtung und Erzählung“ sowie „Kultur und Natur“ hinzugefügt, die in den Folgejahren in über 60 Städten zu sehen war. Bei der Weltausstellung 1937 in Paris konnten sie mit der Buchausstellung, bei der hauptsächlich unpolitische Buchkunst, wie künstlerische Einbände, Gebrauch- oder Kinderbücher gezeigt wurden, im Deutschen Pavillon einen großen propagandistischen Erfolg verbuchen. (vgl. Barbian, 2010, S. 324f). Nachdem das Deutsche Reich mit Österreich und den sudetendeutschen Gebieten erweitert worden war, gab es im Herbst 1938 erstmals eine „Großdeutsche Buchwoche“. Im Zuge derer Goebbels kundtat, dass die gestiegenen Zahlen bei schöngeistigen und wissenschaftlichen Verlagen einzig auf die staatliche Fürsorge für das „deutsche Buch“ zurückzuführen sei (vgl. Barbian, 2010, S. 326). Gleichzeitig mit der Buchwoche gab es Ende Oktober erstmals das „Weimarer Dichtertreffen“, das die Einigkeit und Harmonie zwischen Autorinnen und Autoren und Politik beziehungsweise Partei nach außen hin zeigen sollte. Es sollte, laut Schrifttumsreferent Rudolf Erckmann, „[…]die innere Einheit zwischen den Dichtern und der Schrifttumsführung […]“ deutlich demonstriert werden (Erckmann, 1938, S. 14) Dazu waren „[…] nicht nur die linientreuen Parteidichter, sondern auch namhafte und im Ausland angesehene Vertreter der nationalkonservativen Literatur […]“ eingeladen, darunter viele, die nur als Propaganda-Aushängeschild dienten. (Barbian, 2010, S. 327) Es wurden sogar regimekritische Personen eingeladen. Der Schriftsteller Ernst Wiechert etwa wurde im Mai 1938 wegen staatsfeindlicher Aussagen verhaftet, zwei Monate lang verhört und zur Widerrufung seiner Aussagen gedrängt und schließlich, nachdem er dies nicht tat, und am 4. Juli 1938 ins Konzentrationslager (KZ) Buchenwald gebracht (Becker, 1966, S. 100f). „Ende August wurde der schwer erkrankte - damals nicht nur in Deutschland viel gelesene, sondern auch international berühmte - Schriftsteller aus dem KZ

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entlassen. In Berlin ermahnte Goebbels ihn, sich in Zukunft jeder kritischen Äußerung zu enthalten, andernfalls drohe ihm neue KZ-Haft.“ (Becker, 1966, S. 101)

Wiechert war also gerade erst vor zwei Monaten aus dem Konzentrationslager Buchenwald entlassen worden, als er eingeladen wurde. Er selbst sah seine Teilnahme nur als „[…]Plakat, das man aushängen konnte, damit jedermann sehe, wie großmütig das Dritte Reich war […]“ (Wiechert, 1959, S. 528) Die meisten hatten kein Problem damit, bei diesen Treffen einzig aus Propagandazwecken zu erscheinen. Nur einige wenige, wie etwa Hans Grimm, verweigerten eine Teilnahme am Dichtertreffen konsequent. Sinn der Dichtertreffen war nicht nur die Demonstration von Einigkeit und Zusammenarbeit, sondern wiederum eine Einflussnahme des NS-Staates auf die Schriftstellerinnen und Schriftsteller durch die jeweiligen Themen und Vorträge der Treffen (vgl. Barbian, 2010, S. 327). Die buchpropagandistischen Bemühungen im Ausland wurden 1939 noch verstärkt. „Mit Buchausstellungen in Rom und San Sebastian unterstrich der NS-Staat im Mai 1939 die enge Verbundenheit mit den faschistischen Regierungen in Italien und Spanien.“ (Barbian, 2010, S. 328) In Rom wurden 2.500 Werke politischer, Übersetzungen italienischer, technischer Literatur sowie geistes-und naturwissenschaftliche Literatur ausgestellt, wobei letztere das Vorurteil eines Rückgangs der Wissenschaft in Deutschland widerlegen sollte. Dazu gab es ein Verzeichnis mit italienischen Übersetzungen der deutschen Gegenwartsliteratur. In San Sebastian, wo 4.000 Werke ausgestellt waren, gab es Schriften über den Nationalsozialismus und zur deutschen Gegenwartsliteratur sowie medizinische, chemische und technische Literatur. Es folgten in den nächsten Jahren noch mehr Buchausstellungen, neben Spanien und Portugal, vor allem im ost- und südosteuropäischen Raum sowie in Nordeuropa (vgl. Barbian, 2010, S. 328f). Die Buchwochen fanden zwischen 1940-1942 nicht mehr statt, stattdessen gab es „Herbstveranstaltungen für das deutsche Schrifttum“ mit dem immer gleichen Motto „Buch und Schwert“. „Neben der >>Jahresschau des deutschen Schrifttums<< wurden zahlreiche weitere Buchausstellungen im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten für die Propaganda des Regimes genutzt.“ (Barbian, 2010, S. 330) Ein neuer propagandistischer Ansatz der NS-Politik waren die Bemühungen ab 1940 um zwischenstaatliche Absprachen, Verträge, Kundgebungen und gemeinsame Institutionen auf allen Gebieten, also auch auf dem kulturellen Gebiet (vgl. Barbian,

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2010, S. 330f). Schrifttumsreferent Erckmann erklärte die Aufgabe des „deutschen Buches“ dabei folgendermaßen: Das „deutsche Buch“ müsse dazu dienen, „ […] Europa von der Geistesmacht des neuen Deutschland zu überzeugen und damit selber geistig ordnend einzugreifen in das weltgeschichtliche Geschehen, das sich nach dem Siege in erst zu ahnendem Ausmaß vollziehen muss.“ (Erckmann, 1941. S. 2) Auch bei dem folgenden Dichtertreffen zeigte sich dies, da Gäste aus vierzehn europäischen Ländern teilnahmen und die Europäische Schriftstellervereinigung mit Carossa (Kanon-Autor) als Präsident, auf Betreiben des Propagandaministeriums, gegründet wurde. Auch bei dieser Vereinigung arbeitet die NS-Politik in der altbekannten Weise: Die beigetretenen ausländischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller sollten im Reich gefördert, die Werke der anderen unterbunden werden (vgl. Barbian, 2010, S. 331ff). Doch die Vereinigung war nur bedingt erfolgreich, denn erstens trat sie nur selten öffentlich in Erscheinung und zweitens vermieden bereits beim nächsten Dichtertreffen 1942 sowohl Carossa selbst als auch viele prominente französische Schriftstellerinnen und Schriftsteller die Teilnahme am Treffen. Nach 1942 fanden sowohl Treffen oder Tagungen der Vereinigung, als auch die Dichtertreffen in Weimar ein Ende (vgl. Barbian, 2010, S. 334). Ab Frühling 1936 wurde von der Reichsarbeitsgemeinschaft für Deutsche Buchwerbung auch die dreimonatige Fachbuchwerbung organisiert. Die örtlichen Werbegemeinschaften sollten nicht nur der Lokalpresse Nachrichtenmaterial überlassen, sondern auch die Fachbuchlisten der Reichsarbeitsgemeinschaft verteilen und Betriebe durch Plakate, Rundschreiben und Appelle in die Fachbuchwerbung miteinbinden. Der Grundgedanke der Fachbuchwerbung war laut Baur, dass jeder Deutsche Fach- und Lehrbücher brauche, um im Beruf erfolgreich sein und vor allem viel leisten zu können (vgl. Barbian, 2010, S. 335f). So hatte auch das Motto in jedem Jahr mit dem Zusammenhang von Fachbüchern, Arbeit, Leistung und Erfolg zu tun. Geplant waren Buchausstellungen für Fach- und Berufsschulen, Betriebe, Lehrwerkstätten, Schulungskurse und Arbeitsschulen der Deutschen Arbeitsfront sowie die Verteilung der Fachbuchlisten in hoher Auflage in Buchhandlungen und Schaufensterwettbewerbe unter dem Gedanken, dass Fachbücher hochwertige Arbeiter mit Leistungs- und Lohnsteigerung hervorbringen (vgl. Barbian, 2010, S. 336f). Im März 1939 fand die erst Reichstagung des Kuratoriums für das deutsche Fachschrifttum statt, im Zuge dessen neue Maßnahmen für Fachbücher angekündigt wurden. Unter anderem sollte die Zahl der herauskommenden Fachbücher reduziert,

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dafür aber die Auflagen erhöht und die Preise gesenkt werden, Fachbücher sollten als Taschenbuch herauskommen, Fachbuchlesesäle sollten in Büchereien eingerichtet, alte Fachbücher sollten entfernt und Inhalte und Darstellungen sollten vereinfacht werden. Ein Jahr später wurde im Börsenblatt zugegeben, dass all dies nicht wirklich Erfolg gebracht hätte, doch an den Kampagnen wurde trotzdem festgehalten. Allerdings rückten nun immer mehr die Themen der Arbeit für die Rüstungsindustrie, aber auch andere Tätigkeiten, wie Verwaltung oder Haushalt im Krieg, in den Fokus der Werbung für Fachbücher (vgl. Barbian, 2010, S. 338f). Im NS-Staat wirkten die Bereiche Buchwirtschaft und Buchpropaganda eng zusammen, was sehr gut am Beispiel des Exports zu sehen ist. Durch staatliche Förderungen sollte einerseits der Exportbuchhandel ausgebaut werden, was auch der deutschen Volkswirtschaft dienlich wäre, und andererseits durch die Bücher nationalsozialistische Propaganda im Ausland geleistet werden (vgl. Barbian, 2010, S. 339). „Auch wenn das Buchexport-Ausgleichsverfahren zunehmend an Bedeutung verlor und zum 1. April 1943 eingestellt wurde, zählt es zu den erfolgreichsten Instrumenten der nationalsozialistischen Literaturpolitik.“ (Barbian, 2010, S. 341). Am meisten hatten die Verleger wissenschaftlicher Literatur von diesen Subventionen. „Deren Anteil an der geförderten Ausfuhr stieg in den Jahren 1938 und 1939 bei Büchern von 21 auf 27,4% und bei Zeitschriften von 16,6 auf 19,7%.“ (Barbian, 2010, S. 342) Im selben Zeitraum sanken der Anteil an schöngeistiger und politischer Literatur um 6,2%, der Anteil katholischer Literatur um 08% und der Anteil der Fachbücher sowie der Jugend- und Kinderbücher um je 0,2%. Insgesamt wurden bis August 1940 52.216.386,41 RM an Subventionen bereitgestellt, die einen wichtigen volks- und devisenwirtschaftlichen Faktor darstellten und enorm zur Festigung der deutschen Buchwirtschaft beitrugen (vgl. Barbian, 2010, S. 342f). Darüber hinaus konnte durch die exportierte wissenschaftliche Literatur „[…] der in einigen Ländern praktizierte Boykott gegen deutsche Waren unterlaufen und der ablehnenden Haltung der geistigen Eliten des Auslands gegenüber dem NS-Staat entgegengewirkt werden.“ (Barbian, 2010, S. 343)

3.2. Gattungen

Sieht man sich die nationalsozialistische Literatur nach Buchgattungen an, so findet man zu jedem Bereich Literaturbeispiele.

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Neben der Unterteilung in Buchtypen, kann die NS-Literatur auch in Gattungen gegliedert werden, wie im Folgenden anhand je einiger Beispiele gezeigt wird. Traditionell wird in der Literatur zwischen den drei Gattungen Epik, Dramatik und Lyrik unterschieden, die allesamt auch in der NS-Zeit und der NS-konformen Literatur zu finden waren (vgl. Aristoteles, 2010, S. 5-9).

3.2.1. Epik

Epik meint die erzählende, oftmals idealisierende, Literatur in Vers- oder Prosaform (vgl. Rothmann, 2009, S. 27). Der Begriff wird allerdings immer häufiger als Begriff für erzählende Prosatexte genommen, so auch im NS-Reich. Als Erstes waren in dieser Zeit besonders die Heimat-und Bauernromane sehr beliebt. Darin ging es vor allem um Traditionen, um das einfache, friedliche, vorindustrielle Bauernleben und den Zusammenhalt des deutschen Volkes als Weg, soziale und politische Gegensätze zu überwinden (vgl. Klein, 2013, S. 3). Ähnlich war die „Blut-und-Boden“-Literatur aufgestellt. Dies waren meist Berichte über Siedler in den Ostgebieten und deutsche Minderheiten und dienten als Rechtfertigung für Expansionsansprüche. Das „deutsche Blut“ und die Landgewinnung waren dabei die Hauptthemen. Hans Grimm Hans, Erwin Guido Kolbenheyer oder Friedrich Blunck, waren bekannte Vertreter dieser beiden Genres (vgl. Klein, 2013, S. 3). Ebenso beliebt waren Helden- und Kriegsromane, in denen der Krieg als ein Gemeinschaftserlebnis glorifiziert wurde, der in hartem Kampf große Helden hervorbrachte. Fronterlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg wurden in diesen Erzählungen euphorisch dargestellt. Es erschienen auch viele Romane über Hitler und andere nationalsozialistische „Helden“. Die Helden- und Kriegsromane sollten Gegenentwürfe zu Anti-Kriegsromanen sein. Edwin Erich Dwinger, Werner Beumelburg oder Hans Zöberlein waren bekannte und erfolgreiche Autoren dieses Genres (vgl. Klein, 2013, S. 3). Daneben fanden sich noch zahlreiche Geschichtsromane, die die preußische Geschichte, das mittelalterliche Kaiserreich, die Befreiungskriege oder die Bauernkriege behandelten (vgl. Klein, 2013, S. 3).

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3.2.2. Dramatik

Der Gattungsbegriff der Dramatik bezeichnet als Oberbegriff alle Texte mit verteilten Rollen. „Das für die Aufführung bestimmte, in Akte oder Aufzüge und Szenen oder Auftritte gegliederte Drama oder Schauspiel bezeichnet man je nach Ausgang als >Tragödie< (>Trauerspiel<), >Komödie< (>Lustspiel<) oder >Tragikomödie<.“ (Rothmann, 2009, S. 60) Auch die Nationalsozialisten wussten das Drama für ihre Zwecke zu nutzen. Die Dramen dieser Zeit waren meist entweder Zeitstücke, die Weltkrieg, Bürgerkrieg und Heldenmut verherrlichten, wie beispielsweise Schlageter von Hanns Johst aus dem Jahr 1933. Diese sollten den Männern Vorbilder an Mut, Tapferkeit und Kampfeswillen für Deutschland liefern. Oder aber Geschichtsdramen, in denen historische Ereignisse im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie instrumentalisiert werden. Ein Beispiel hierfür wäre Gregor und Heinrich aus dem Jahr 1934 von Erwin Guido Kolbenheyer. Ein dritter Teil war das Thingspiel, in dem meist Vorgänge dargestellt werden, in denen das Volk selbst politisch handelt, wie beispielsweise Frankenburger Würfelspiel von Eberhard Wolfgang Möller aus dem Jahr 1936. Die Nationalsozialisten versuchten damit, eine eigene nationalsozialistische Kunstform zu entwickeln und einzuführen, bei der das Publikum in die Handlung miteinbezogen wurde (vgl. Klein, 2013, S. 4).

3.2.3. Lyrik

Als Lyrik bezeichnet man Dichtung in Versform, also spruch- oder liedhafte Texte, bei denen sprachliche Gestaltungsmittel, wie Reim, Rhythmus, Vers, Strophe besonders zum Tragen kommen (vgl. Rothmann, 2009, S. 24). Lyrische Texte werden heutzutage meist als Gedichte bezeichnet und diese nutzte auch der Nationalsozialismus. Die NS-konforme Lyrik dieser Zeit knüpfte meistens an die lyrischen Traditionen des 18. Und 19. Jahrhunderts an. Merkmale dieser waren Natur- und Liebeslyrik, Orientierung an gesellschaftlichen Idealen, Gemeinschafts- und Vernunftgedanken, subjektive, private Gefühle, volkhafte und nationale Dichtung, Mystik, Wanderschaft, Heimat oder Melancholie. Die NS-Lyrik bestand hauptsächlich aus romantisch- klassischer, volkhafter und nationaler Dichtung und propagiert deutlich das Gehorsamsprinzip. Das wichtigste Genre waren einfache Lieder, die gemeinsam gesungen werden konnten (vgl. Klein, 2013, S. 4).

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3.3. Bestseller und Kassenschlager

Mit der Entscheidung, welche Themen und welche Arten von Literatur gefördert und im Buchhandel präsentiert werden sollten, tat sich die NS-Entscheidungsspitze schwer, denn die Nationalsozialisten hatten „[…] generell kein Verständnis für Literatur, die sie allein nach ihrem größeren oder kleineren Wert als Propagandainstrument einschätzten. Nicht einmal dabei war man sich einig, was einen Dauerstreit zwischen Alfred Rosenberg […] (1893-1946) und Propagandaminister Joseph Goebbels (1897-1945) auslöste. Goebbels […] wies der Literatur sozusagen eine „Brot und Spiele“-Rolle zu. Andere NS-Größen, allen voran Hitler, schätzten nur „Blut und Boden“-, Kriegs- und „völkische“ Literatur, auf die sie ihr kleinbürgerliches Kunstverständnis verwies. Das Regime wusste schlicht nicht, was es eigentlich wollte […].“ (Oschlies, 2006, o.S.) Darüber hinaus hatte das Regime „[…] nach der Verfemung bestimmter avantgardistischer und angeblich jüdischer Kunst-, Literatur-, Musik- und Filmproduktionen erhebliche Spielräume gelassen sowohl für hochstehende Darbietungen der Klassiker als auch für eine ganz unpolitische, fast weltanschauungsfreie, jedenfalls nicht im engen Sinne indoktrinierende Unterhaltungskultur. […] Die politisch-weltanschauliche Mobilisation einer bürgerlichen Gesellschaft mit hohem materiellen, sozialen und zivilisatorischen Besitzstand erforderte solche breiten Kompromisse.“ (Broszat, 1983, S. 73f)

Man kann also von einem „[…]heimlichen Machtkampf in der nationalsozialistischen Literaturpolitik sprechen.“ (Besson, 1961, S. 326), der Unklarheiten und Grauzonen förderte. Aber auch andere Probleme ergaben sich. „Charakteristisch für das System überhaupt, läßt[sic!] sich auch hier das Nebeneinander und nicht selten auch Gegeneinander von staatlichen und parteilichen Lenkungsämtern beobachten. […]Die Einheit von Partei und Staat ergab sich zwar aus der nationalsozialistischen Theorie, sie bestand aber […] keineswegs in der Wirklichkeit des nationalsozialistischen Deutschland. Hier war deshalb immer auch der Punkt, wo der einzelne zuweilen durch die Maschen der totalitären Herrschaft zu schlüpfen vermochte. Auch in der Literaturpolitik zeigt sich, daß Hitler die Kompetenzkonflikte eher gefördert als entschieden hat.“ (Besson, 1961, S. 326)

Dieses generelle Problem „[…]eines äußerst komplizierten Herrschaftsgefüges, aufgebaut aus mehreren, sich gegenseitig nicht selten bekämpfenden Zentren […]“ (Hüttenberger, 1976, S. 417), die sogenannte Polykratie, erschwerte eine geradlinige Literaturpolitik. Nach dem Polykratie-Modell „[…] hat das >>Dritte Reich<< durch das >>lähmende Chaos<< interner Ämterkonkurrenzen unzählige bürokratische Reibungsverluste erlitten. Die polykratische Herrschaftsstruktur habe eine zielgerichtete Umsetzung nationalsozialistischer Politikinhalte erschwert.“ (Reichardt u. Seibel, 2011, S. 8)

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Darunter fielen auch die Literaturpolitik und die Entscheidungen über den Kanon und die gewünschte und förderungswürdige Literatur. Darüber hinaus änderten die Entscheidungsträger oftmals auch ihre Meinung, wie beispielsweise der, vorne erwähnte, Literaturkritiker und Meinungsmacher Hellmuth Langenbucher, der seine Themenliste mit Fokus auf die städtische Arbeiterschaft mit der Zeit erweitert hatte. So nahm auch Goebbels mit der Zeit Anpassungen vor. Er meinte 1942, die deutschen Schriftstellerinnen und Schriftsteller hätten jedes Jahr immer wieder viele wertvolle Werke geschrieben, mit denen sich die Bevölkerung identifizieren und die sie immer wieder lesen könnten. „Defizite sah Goebbels allerdings in der zeitgenössischen Epik, die nur >>zaghaft<< Gegenwartsstoffe aufgreifen wollte. So wurden das Kriegsgeschehen, das Stadtleben und die Welt der Arbeiterschaft zu seinem Bedauern geradezu >>stiefmütterlich<< behandelt.“ (Barbian, 2010, S. 335) Des Weiteren meinte er, man bräuchte mehr leichte Literatur, die die Leute aus dem Alltag entführe, deren Handlung kurzweilig und fesselnd und deren Inhalt und Sprache an die Bevölkerung und die Soldaten angepasst wäre. „Das war die unverhohlene Aufforderung zur Literatur als staatlicher Auftragskunst.“ (Barbian, 2010, S. 335) Die Änderungen bei der Literaturförderung und –produktion, aber auch bei den Leserinnen- und Leserwünschen, sind aber logisch erklärbar. „Es entsteht der Eindruck, dass der Krieg bei der gelesenen Literatur Veränderungen hervorgerufen hat, die so nicht unbedingt zu erwarten waren. Es lässt sich im Hinblick auf die Unterhaltungsliteratur etwa keine Totalisierung feststellen, sondern eher eine Art der Liberalisierung bei gleichzeitiger Verschärfung der Kriegsanstrengungen: Unterhaltung war nötig, also wurde sie stärker als vielleicht ursprünglich beabsichtigt toleriert oder gar gefördert.“ (Adam, 2013, S. 58)

Durch den Krieg und den Kriegsverlauf veränderten sich einfach die Bedürfnisse und Möglichkeiten, sodass sich auch das NS-Regime anpassen musste, egal an welche Strömung. Auch was den Buchverkauf und die Präsentation der Verkaufslieblinge anging, war man sich nicht einig. Auf der einen Seite (Goebbels) war man der Ansicht, dass das Buch eine Ware sei und man auch so mit den Büchern arbeiten beziehungsweise sie auch so bewerben solle. Auf der anderen Seite (Rosenberg) sah man das Buch mit seinen inneren Werten, das sich auch ohne Tricks durch seine (ideologische) Qualität durchsetze (vgl. Adam, 2013, S. 51f). Dennoch wurde viel mit den Verkaufs- und Auflagenzahlen gearbeitet und Statistiken

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auch öffentlich bekannt gegeben. „Ein Grund liegt sicher darin, dass der Buchmarkt nach wie vor, trotz >Gleichschaltung<, den Namen Markt verdiente und eben auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten funktionierte.“ (Adam, 2013, S. 52) Allerdings war diese öffentliche Bekanntgabe von Verkaufszahlen oder Ähnlichem auf die brancheninterne Presse beschränkt, also nur teilweise öffentlich. Besonders zu Beginn waren in der brancheninternen Presse Berichte über die Verkaufserfolge der Werke der nationalsozialistischen Spitze an erster Stelle. „Wenn Mein Kampf oder Alfred Rosenbergs Mythus des 20. Jahrhunderts neue Auflagenrekorde eingestellt hatten, dann war das den einschlägigen Blättern allemal eine Meldung wert. Erst nach Kriegsbeginn fällt auf, dass vermehrt wieder >ganz normale< Bücher unter dem Aspekt ihrer Verkaufszahlen betrachtet wurden.“ (Adam, 2013, S. 53)

Die Veröffentlichung der Zahlen diente hauptsächlich zu Propagandazwecken und zur Beeinflussung des Volkes. Denn man „[…] wollte zeigen, wie leistungsfähig ein Land trotz Krisenzeit auch auf dem kulturellen Gebiet noch sein konnte […]. Natürlich wurde damit ein Stück Alltag im Kampfgeschehen beschworen. […] Die Entspannung durch das Buch ermöglicht erst die von allen geforderte Leistungsbereitschaft im Kampf [...].“ (Adam, 2013, S. 54f)

Darüber hinaus stand Deutschland mit seinen hohen Produktionszahlen im internationalen Vergleich, zum Beispiel 1934, sehr gut da (vgl. Adam, 2013, S. 52). Doch welche Werke waren nun diese Bestseller in der NS-Zeit? Denn hohe Auflagezahlen sagen noch nichts über die tatsächliche Lesehäufigkeit aus. Häufig sind die Statistiken aus Büchereien oder Bibliotheken am verlässlichsten, da besonders in den späteren Kriegsjahren aus Mangel an Angebot nicht mehr nach Präferenz eingekauft werden konnte und auch Unbeliebtes erworben wurde. Selbst die NS-Zeitung Das Reich schrieb 1944 darüber und ergänzte, dass der Verleih mehr als die Buchhandlungen die Leserinnen- und Leserwünsche widerspiegle (vgl. Adam, 2013, S. 57f). Vor Kriegsbeginn lässt sich nur wenig über die tatsächlichen Leserinnen- und Leserwünsche sagen, da danach nicht gefragt wurde, sondern der deutschen Bevölkerung von oben das nationalsozialistische deutsche Buch oktroyiert und alles Missliebige entfernt werden sollte. „Deshalb wurde über tatsächliche Leserwünsche, wenn sie nicht dieser großen Linie entsprachen, häufig eher kritische berichtet.“ (Adam, 2013, S. 58) Doch die Werke selbst und das Ausleihverhalten von Leihbüchereien oder Volksbüchereien zeigen die erfolgreichen Bestseller sehr deutlich. Viel beworben wurden beispielsweise Wunschkind von Ina Seidel, Lieber Augustin von Horst Wolfram Geißler, Hamsun sowie Knittel (vgl. Adam, 2013, S: 58).

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Allerdings kann man beim Buchverleih nicht von Verkaufs- oder Auflagenzahlen ausgehen. „Der Wert einer Leihbücherei richtet sich daher vornehmlich nach der Zusammensetzung des Buchbestandes. Selbstverständlich ist, daß [sic!] in jeder Leihbücherei die Standardwerke des Nationalsozialismus sowie die wichtigsten Bücher, die mit den geistigen Grundlagen der nationalsozialistischen Weltanschauung vertraut machen, wie z.B. Bücher über Rasse und Volkstum, Bauerntum, Nationalsozialistische Wirtschaftspolitik, neben Kriegsbüchern vorhanden sind.“ (Heß, 1943, S. 364)

„Vor allem aber war und blieb die Leihbücherei einer der Orte für das unterhaltende Buch in allen Schattierungen.“ (Adam, 2013, S. 63) Denn den Hauptbestandteil von Bibliotheken machten nach wie vor Romane, Erzählungen, Novellen, Biographien und Reisebeschreibungen aus. Der Großteil der Lesewünsche der bildungsfernen Schichten wurde vor allem vom Leihbuchhandel befriedigt (vgl. Adam, 2013, S. 63f). Außerdem gibt es schichtspezifische Unterschiede was gewisse Themen, wie „Rassenkunde“, Nationalsozialismus und Weltkriegserlebnissen betrifft.

Abbildung 3: Schichtenspezifische Lesegewohnheiten von Arbeiterlesern (AL), Bürgerlichem Mittelstand (BM) und Akademikern (AK) aus 1939. (Adam, 2013, S. 64)

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Dabei wurde festgestellt und kritisiert, „[…] dass der >>Arbeiterleser<< die Literatur zur Rassenkunde und zum Nationalsozialismus noch nicht im großen Stil zu würdigen wisse. Bei ihm stünde immer noch das Kriegserlebnisbuch an erster Stelle des Interesses.“ (Adam, 2013, S. 57) Generell lässt sich sagen, dass man bei der Eruierung der Lesegewohnheiten der Bevölkerung in der NS-Zeit meist auf punktuelle Diagnosen angewiesen ist (vgl. Adam, 2013, S. 57). Der Grund dafür ist, dass es im Dritten Reich keine Bestsellerlisten gab, wie man sie heute kennt. Aber es gibt einige andere Quellen, wie etwa das Gesamtverzeichnis des deutschen Schrifttums, das alle Bücher und deren Auflagenzahlen auflistete, die in der Zeit von 1911 bis 1965 erschienen sind (vgl. Adam, 2013, S. 46). Zusätzlich gab es die, vom Propagandaministerium eingeführte, Aktion der Liste Die sechs Bücher des Monats, die inklusive Werbematerial in Schaufenstern ausgestellt werden sollte. Und es gab immer wieder veröffentlichte Listen von Geschäft belebenden Neuerscheinungen, die für Buchhandlungen, Büchereien und die Presse gedacht waren (vgl. Adam, 2013, S. 50). Aus all diesen Quellen kann man zwar eine Art von Bestsellerliste herauslesen, allerdings muss man dabei immer die literaturpolitische Lenkung und Förderung bestimmter Werke im Hinterkopf behalten. Christian Adam hat trotzdem anhand obiger Quellen und nach Auflagezahlen eine Art Bestsellerliste zusammengestellt, die die wichtigsten Bestseller und ihre Auflagezahlen enthält.

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Die Top-15 sehen demnach wie folgt aus: 12.450.000 Adolf Hitler: Mein Kampf, 1925/27 2.600.000 VB Feldpost: Darüber lache ich noch heute. Soldaten erzählen heitere Erlebnisse, 1943 1.950.000 Philipp Bouhler: Kampf um Deutschland. Ein Lesebuch für die deutsche Jugend, 1938 1.335.000 Alfred Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit, 1934 1.175.000 Cigaretten-Bilderdienst Hamburg-Bahrenfeld: Deutschland erwacht. Werden, Kampf und Sieg der NSDAP, 1933 1.100.000 E. Ahlswede: In Gottes eigenem Land. Ein Blick ins >>Dollar-Paradies<<. Nach eigenen Erlebnissen erzählt, 1942 920.000 Karl Aloys Schenzinger: Anilin, 1937 890.000 Günther Prien: Mein Weg nach Scapa Flow, 1940 890.000 Heinrich Spoerl: Man kann ruhig darüber sprechen. Heitere Geschichten und Plaudereien, 1937 817.000 Johannes Banzhaf: Lustiges Volk. Ein heiteres Geschichtenbuch, 1937 750.000 Kuni Tremel-Eggert: Barb. Der Roman einer deutschen Frau, 1934 740.000 Hans Zöberlein: Der Glaube an Deutschland. Ein Kriegserleben von Verdun bis zum Umsturz, 1931 739.000 Ehm Welk: Die Heiden von Kummerow. Roman, 1937 695.000 Fanny Gräfin von Wilamowitz-Moellendorff geb. Baronin von Fock- Stockholm: Carin Göring, 1934 660.000 Joseph Goebbels: Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei. Eine historische Darstellung in Tagebuchblättern (Vom 1. Januar 1932 bis zum 1. Mai 1933), 1934

Tabelle 3: Auflagenzahlen der Bestseller im Dritten Reich (vgl. Adam, 2013, S. 322).

3.4. Gängige Buchtypen und Leseverhalten

„Gefragt waren vor allem leicht konsumierbare Werke der schöngeistigen und der Unterhaltungsliteratur, aktuelle politische und militärische Sachbücher, Biographien sowie Kinder- und Jugendbücher“ (Barbian, 2010, S. 429f) Dies lässt sich als generelle Aussage durchaus so tätigen. Doch welche Art von

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Literatur beziehungsweise welche Werke und welche Schriftstellerinnen und Schriftsteller besonders beliebt waren, wird nun im Einzelnen dargestellt. Christian Adam hat in seiner Studie eine Art Bestsellerliste mit Büchern, die eine Auflagezahl von 100.000 Exemplaren erreicht oder überschritten hat, zusammengestellt. Er sagt: „Es gab sie, die weit verbreitete Massenlektüre mit und ohne politische Schlagseite.“ (Adam, 2013, S. 62) Dabei hat er etwa 350 Bücher ermittelt und diese in zehn Buchtypen eingeteilt (vgl. Adam, 2013, S. 85). Laut Adam waren die erfolgreichsten und gängigsten Buchgattungen: a) Unterhaltungsromane, b) Humor und Komik, c) Bestseller aus dem Ausland, d) Volksliteratur, e) NS-Propagandaliteratur, f) Sachbücher, g) Kriegsbücher, h) „Blut-und-Boden“-Literatur, i) Klassiker beziehungsweise gehobene Literatur sowie j) Wehrmachtslektüre (vgl. Adam, 2013, S. 6ff).

Zu jedem dieser Buchtypen gibt er einige passende und in der damaligen Zeit populäre Beispiele. Dazu werden im Folgenden je Buchtyp zwei typische Beispiele und deren Autorinnen und Autoren näher betrachtet, auch wenn es noch viel mehr gibt.

a) Unterhaltungsromane

„Triviale“ Unterhaltungsromane waren in der NS-Zeit äußerst beliebt, da diese kurzweilige und leichte Literatur die Menschen aus ihrem (Kriegs-) Alltag entfliehen ließ. Dabei gab es viele unterschiedliche Richtungen. Eine davon war der Arzt- bzw. Ärztinnenroman, denn viele der Verfasserinnen und Verfasser solcher Romane waren tatsächlich Medizinerinnen und Mediziner. Allerdings waren dies meist nicht typische Liebes-Arztromane, wie es heutzutage meistens der Fall ist, sondern wiederum Werke, die propagandistische Zwecke erfüllten. So findet sich beispielsweise Folgendes:

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„Unter dem Label >>Neues Volk<< bestand das aus dem >>Verlag der Deutschen Ärzteschaft<< beim Hartmannbund entstandene Verlagshaus in enger Verbindung zum Rassenpolitischen Amt der NSDAP. Das Amt sollte die rassenhygienischen und bevölkerungspolitischen Vorstellungen der NS- Medizin propagandistisch verbreiten.“ (Adam, 2013, S. 175)

Doch trotzdem gab es eine Vielzahl an fiktionalen Romanen, die im medizinischen Milieu der Ärztinnen und Ärzte angesiedelt war. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Roman Angela Koldewey der Autorin Betina Ewerbeck, von dem 240.000 Exemplare abgesetzt wurden. Als Qualitätsmerkmal wurde angeführt, dass sie selber Ärztin sei und deshalb die „[…]Nöte und Mühen aus eigener Arbeit […]“ kenne. (Langenbucher, 1940, H. 1, S.7) Obwohl eine kleine Liebesgeschichte enthalten ist, geht es primär um den Kampf einer jungen Frau um berufliche Emanzipation im Medizinermilieu in den 1930er Jahren. Dabei beschreibt Ewerbeck hier sowohl die positiven Seiten der Medizin, als auch die traurigen und tödlichen. Überraschenderweise findet man auch viele Aspekte der ganzheitlichen Medizin, doch diese war in den 30er Jahren im Kommen und einige ranghohe Nationalsozialisten wollten die ganzheitliche biologische Medizin mit der Schulmedizin zusammenführen und so die bestmögliche medizinische Versorgung für das deutsche Volk gewährleisten. Das Buch passte also auch in diesem Punkt sehr gut in die nationalsozialistische Einstellung (vgl. Adam, 2013, S. 176f). Und auch ein weiteres Merkmal der nationalsozialistischen Propaganda und Ideologie ist hier zu finden, nämlich die „Rassenkunde“. Im Zuge der Geschichte um einen „vorbelasteten“ Jugendfreund nimmt die Protagonistin „[…] im Geist der Erbgesundheitslehre eine vorbildliche Haltung ein. Die Propaganda für die ideologischen Grundsätze der Nationalsozialisten wurde hier nicht brachial vorgetragen, sondern subtil eingeflochten.“ (Adam, 2013, S. 177) Und auch das Frauenbild ist in Ewerbecks Roman ideologiekonform. Zwar ist es keine „Zurück an den Herd“-Aufforderung, doch „[…] die volle Erfüllung kann eine Frau – selbst wenn sie beruflich erfolgreich sein sollte – allein in der Mutterschaft finden. Auch das war Realität im Nationalsozialismus: Die Frau wurde als Mutter gefeiert […].“ (Adam, 2013, S. 177) Ewerbecks Angela Koldewey war einer jener Romane, die sich auch nach dem Krieg noch weiterhin verkauften und viel gelesen wurden.

Ein weiterer Autor, der zur Unterhaltungsliteratur zählte, war Hans Fallada. Er war bereits in der Weimarer Republik erfolgreich, genauso wie im Dritten Reich und bis heute. Seinen Durchbruch hatte er mit dem Bestseller Kleiner Mann – was nun?, der

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1932 noch in der Weimarer Republik erschien. Der Roman „[…] schildert das Leben eines kleinen Angestellten, der unter der Weltwirtschaftskrise leidet und statt des erhofften sozialen Aufstiegs den Abstieg in Arbeitslosigkeit und Armut erlebt.“ (Imwolde, 1999, o.S.) 1933 wurde Fallada denunziert und war zehn Tage in SA-Haft im Zentralgefängnis Neumünster. Im Jahr nach der nationalsozialistischen Machtübernahme brachte er eine neue Ausgabe heraus, die nach Vorschlägen der Reichsschrifttumskammer von ihm bearbeitet worden war und in der die Stellen geändert worden waren, in denen die Nationalsozialisten negativ dargestellt wurden (vgl. Adam, 2013, S. 187). 1934 erschien sein Roman Wer einmal aus dem Blechnapf frißt, in dem er seine Erfahrungen im Gefängnis aufarbeitet. Darin geht es um einen ehemaligen Strafgefangenen, der erfolglos versucht ein normales Leben zu leben. Dieser Roman wird von den Nationalsozialisten und den nationalsozialistischen Kritikern abgelehnt. In den nächsten beiden Jahren wird es ruhiger um Fallada. Er verzichtete auf jede politische Stellungnahme und schrieb nur neutrale Unterhaltungsromane. 1937 und 1938 veröffentlicht er Der eiserne Gustav und Wolf unter Wölfen, die beide äußerst zeitkritisch waren und in der Zeit der Weltwirtschaftskrise spielen (vgl. Imwolde, 1999, o.S.). Wie es bereits häufig der Fall war, gab es auch um diese beiden Bücher einen Streit zwischen Goebbels und Rosenberg. Letzterer übte scharfe Kritik daran, während Goebbels Fallada und beispielsweise Wolf unter Wölfen äußerst schätzte und am 31. Jänner 1938 in seinem Tagebuch notierte: „Nachmittags gelesen: Fallada <>, ein tolles Buch. Aber der Junge kann was.“ (Goebbels, 1999, S. 1192) Die Kritiken fielen dementsprechend durchmischt aus, doch unabhängig von der Meinung der beiden Parteimänner waren Falladas Werke ein großer Publikums- und Verkaufserfolg und einige seiner Werke wurden bereits in der NS-Zeit verfilmt. Allerdings waren diese Verfilmungen allesamt umgearbeitet, um der nationalsozialistischen Ideologie und Propaganda zu genügen (vgl. Adam, 2013, S. 187f). Auf diese beiden Werke folgte dann bis 1945 hauptsächlich harmlose Unterhaltungsliteratur sowie 1941 seine Autobiographie Damals bei uns daheim (vgl. Imwolde, 1999, o.S.). Hans Fallada war einer jener Autoren, die auch nach dem Krieg noch viel gelesen wurden. Er konnte den erfolgreichen Roman Jeder stirbt für sich allein noch beenden, bevor er 1947 starb.

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Neben diesen beiden finden sich noch andere Unterarten der Unterhaltungsliteratur, wie beispielsweise Liebesromane, Familien- oder Sippenromane, Kaufmanns- und Lehrlingsromane, Kriminalromane oder auch der Zukunftsroman. Sie alle spielten im Dritten Reich eine bedeutende Rolle und waren äußerst erfolgreich.

b) Humor und Komik

Wie bereits erwähnt, und auch vorne in der Bestsellerliste zu sehen, war es den Leuten in der NS-Zeit und besonders während des Krieges wichtig, mit leichter Lektüre unterhalten zu werden. Deshalb war ein weiterer überaus beliebter Buchtyp „Humor und Komik“. Einer der erfolgreichsten Autoren dieses Genres im NS-Reich war Heinrich Spoerl. Seine Werke, wie zum Beispiel Die Feuerzangenbowle, Der Gasmann, Der Maulkorb oder Wenn wir alle Engel wären, verkauften sich fast alle zu Hunderttausenden, blieben teilweise auch nach dem Krieg erfolgreich und wurden meist schon kurz nach dem Erscheinungsdatum verfilmt. Sein erfolgreichstes Buch, Man kann ruhig darüber sprechen, wurde fast eine Million Mal verkauft. Bis auf Der Gasmann, das eindeutig im NS-Deutschland spielt, ist ein typisches Merkmal seiner Werke die Zeit- und Ortunabhängigkeit (vgl. Adam, 2013, S. 159). „Buch und Film zur Feuerzangenbowle gehören heute zum populärkulturellen Allgemeingut der Deutschen. Kaum einer wird […] darin einen typischen >Nazi- Stoff< sehen. Aber sowohl das Buch, erstmals 1933 erschienen, als auch der Film, 1944 mit Heinz Rührmann in der Hauptrolle in die Kinos gekommen, tragen deutlich die Zeichen der Zeit. Gerade in ihrer vordergründigen Geschichtslosigkeit.“ (Adam, 2013, S. 159)

Aber, aus heutiger Sicht, erstaunlich war, dass seine Werke teilweise sogar äußerst kritisch waren. Im, 1936 erschienenen, Roman Der Maulkorb wurden beispielsweise Obrigkeitsgläubigkeit und Untertanengeist parodiert und kritisiert. Es finden sich viele Anspielungen auf das herrschende nationalsozialistische Regime. Allerdings sind die Schlussworte und die Auflösung der Geschichte versöhnlich, sodass das Buch nicht nur erfolgreich, sondern auch von offizieller Seite gebilligt war (vgl. Adam, 2013, S. 159f). „Bemerkenswert an Spoerls Werk ist, dass es auf offizieller Ebene von allen Seiten gelobt wurde. Für Goebbels war der Autor vor allem ein Lieferant glänzender Drehbuchstoffe, der sich vom Gros der Schriftsteller abhob […]. Spoerl schrieb für die breite Masse, die sich das Buch kaufte oder in der Bücherei auslieh.“ (Adam, 2013, S. 160f)

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Sogar aus Rosenbergs Kreisen kamen nur Worte des Lobes, obwohl gerade sie der Unterhaltungsliteratur sonst eher ablehnend gegenüberstanden. Seine Werke erfreuten und erleichterten die Bevölkerung. Die NS-Führung wusste dies durchaus zu schätzen. „Man wusste um die Ventilfunktion solcher Texte. Dies war sicher einer der Gründe, dem Autor teilweise Freiheiten zu lassen, ihm kritische Bemerkungen, die sich auf die nationalsozialistische Herrschaft bezogen, nicht übel zu nehmen.“ (Adam, 2013, S. 161) In seinem Text Bücher haben ihr Schicksal aus der unglaublich erfolgreichen Anekdotensammlung Man kann ruhig darüber sprechen machte er sich über die NS-Literaturlenkung, die Parolen der Schrifttumsförderung und Ähnliches lustig und sparte nicht mit Kritik (vgl. Adam, 2013, S.161f). Auch das war ein Grund für Spoerls Erfolg, denn „[…] der unangepasste Leser […] bekam hier seinen Text, bei dem er sich mit seiner Kritik aufgenommen und verstanden fühlte – der aber kein umstürzlicher Text war, sondern einer mit einem für den neuen Staat versöhnlichen Ausgang.“ (Adam, 2013, S. 162) Heinrich Spoerl etwa war wohl der meistgelesene und meistverkaufte Autor der NS- Diktatur, dessen Werk auch nach dem Nationalsozialismus erfolgreich war (vgl. Barbian, 2008, S. 77).

Ein anderer Part der komischen Literatur sind jene Autorinnen und Autoren und deren Werke bei denen der Staat quasi auf Altbewährtes zurückgriff. „Mit Autoren, die bereits vor 1933 zum unterhaltungsliterarischen Kanon gehört hatten und deren nationale Gesinnung und Herkunft im NS-Sinne >untadelig< war, konnte man am wenigsten falsch machen.“ (Adam, 2013, S. 167) Beispiele dafür sind Wilhelm Busch oder Ludwig Thoma. Für die literaturpolitischen Entscheidungsträger war somit das Risiko gering und trotzdem konnten sie den Leuten geben, was diese wollten: Unterhaltungsliteratur, die aufheiterte. Ludwig Thoma schrieb beispielsweise bereits 1912 Jozef Filsers gesamelter Briefwexel, das in der NS-Zeit häufig für die Wehrmacht gedruckt wurde. Auch die Auflagezahlen von Wilhelm Busch‘ Werken gingen häufig in die Hunderttausende. Bei den Werken, die im Dritten Reich herausgegeben worden sind, war der Tag der erstmaligen Erscheinung meist schon über ein halbes Jahrhundert her und trotzdem feierte Busch große Erfolge damit (vgl. Adam, 2013, S. 167). „Busch galt als unangreifbarer Klassiker des gezeichneten und getexteten Humors. Er war Teil des bürgerlichen Bildungskanons […].“ (Adam, 2013, S. 167) Auch von den Werken Wilhelm Busch‘ wurden zahlreiche Exemplare für die Wehrmacht produziert.

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Obwohl diese Unterhaltungsliteratur harmlos war, was Anspielungen auf das herrschende NS-Regime betraf, und sie meist keine genauen zeitlichen und lokalen Beschreibungen enthielten, hatte sie doch eine wichtige Funktion für die Nationalsozialisten (vgl. Adam, 2013, S. 167f). „Sie trugen (zumindest im Sinne Goebbels‘) ihren Teil zur >Wehrhaftmachung< des deutschen Volkes bei – ob sie es nun wollten oder nicht.“ (Adam, 2013, S. 168)

c) Bestseller aus dem Ausland

Einer der ausländischen Bestseller – damals und heute, international und in Deutschland – war Vom Winde verweht von Margaret Mitchell. Dieser Tausend- Seiten-Schmöker war unglaublich beliebt und wurde in den verschiedensten Schichten gelesen, da der 1937 in Deutschland erschienene Roman, beste Unterhaltungsliteratur war. „Rund 300.000 Bücher sollten es im Deutschen Reich noch werden – angesichts des stolzen Preises von 12, 50 Reichsmark eine gigantische Zahl.“ (Adam, 2013, S. 237) Vom Winde verweht mag wohl deshalb so beliebt gewesen sein, weil es viele Parallelen zur Gegenwart im nationalsozialistischen Deutschland gab, weswegen sich die Leserinnen und Leser in den Roman und seine Figuren hineinfühlen und hineinversetzen konnten. Es gab den Kampf der Kulturen, der Industrie gegen das Land, Rassismus, und die kultivierten ländlichen Menschen, die laut Mitchell besser sind. Außerdem gab es eine „Herrenrasse“, der sich die Sklaven oft freiwillig unterordneten, da sie jemanden brauchten, der ihnen Anweisungen gab (vgl. Adam, 2013, S. 238). „Gerade mit diesem Plädoyer für eine Gesellschaft mit Menschen erster und zweiter Klasse passte das Buch hervorragend in das Deutsche Reich der dreißiger Jahre, wo mit den >>Nürnberger Gesetzen<< 1935 der rassistische Antisemitismus Gesetzeskraft erlangt hatte. So konnte sich der Leser einerseits an fremden Welten ergötzen ohne andererseits sein eigenes Weltbild von der natürlichen Vorherrschaft einer Rasse über die anderen in Gefahr bringt.“ (Adam, 2013, S. 239)

Aus diesem Grund passte der Roman ganz wunderbar zum nationalsozialistischen deutschen Zeitgeist. Auch die nationalsozialistische Parteipresse lobte Vom Winde verweht und die Darstellung des historischen Milieus und der Protagonistinnen und Protagonisten. „Es gehörte, obwohl ursprünglich Teil der amerikanischen Literatur, in den vierziger Jahren fast schon zum unterhaltungsliterarischen Kanon in Deutschland.“ (Adam, 2013, S.

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240) Ab 1941 war das Buch in Deutschland nicht mehr lieferbar, denn durch den Kriegseintritt der USA waren keine weiteren Auflagen mehr möglich. Die neuen Vom Winde verweht-Leserinnen und -Leser mussten auf private oder öffentliche Leihexemplare umsteigen, um in den Genuss dieses Romans zu kommen (vgl. Adam, 2013, S. 240). Doch noch 1944 wurde Bernhard Payr, ein Mitarbeiter Rosenbergs und Cheflektor beim Eher-Verlag, beauftragt, mithilfe des Romans neue Durchhalteparolen zu entwickeln, was als Beweis dafür gesehen werden kann, dass der Roman noch immer stark im Umlauf war. Allerdings wurde der Roman zu dieser Zeit schon stark unter dem Aspekt gelesen, dass die Amerikaner nun die Feinde der Deutschen waren, weshalb auch nicht mehr zwischen den Nord- und Südstaatlern differenziert wurde und auch die Sicht auf einige andere Dinge sich im Vergleich zu den Besprechungen und der Rezeption der ersten Jahre verändert haben (vgl. Adam, 2013, S. 241).

Unter den Bestsellern aus dem Ausland sticht noch ein weiterer bekannter Name stark ins Auge: Antoine de Saint-Exupéry, dem Autor des beliebten Buches Der kleine Prinz, das bis heute zu den beliebtesten Büchern in Deutschland zählt. Bemerkenswert ist, dass nach dem Kriegsbeginn in Deutschland alle „[…] missliebigen Autoren der >Feindstaaten< aus dem Handelsverkehr gezogen“, wurden, aber Antoine de Saint-Exupéry nicht. (Adam, 2013, S: 246) Sein Roman Wind, Sand und Sterne, der 1939 in Frankreich erschien, wurde 1940 in Deutschland veröffentlicht. Darin beschreibt er die Faszination des Fliegens und der Technik. Seine Sprache, sein Stil und seine unterhaltenden Fliegergeschichten wurden in Deutschland gut verstanden und geschätzt und seine Technikauffassung glich der in Deutschland in den 1930ern (vgl. Adam, 2013, S. 246). Obwohl er nach Frankreichs Niederlage 1940 nach New York gereist war, war Saint- Exupéry sogar auf den Listen der Leihbüchereien von förderungswürdiger Literatur zu finden. Dort standen auch andere englische und französische Autorinnen und Autoren mit der Begründung, sie hätten eine kritische Einstellung zur Politik ihres Heimatlandes und könnten deshalb aufschlussreiche Erkenntnisse vermitteln. Auch der Roman Nachtflug, der fast ein Jahrzehnt vor Wind, Sand und Sterne erschien, wurde von den Nationalsozialisten geschätzt und gelobt, da er den heroischen Menschen darstellte und vermittelte, dass man das Private opfern und der Sache dienen muss (vgl. Adam, 2013, S. 246f). Es erscheint nach wie vor äußerst verwunderlich, dass Saint-Exupéry, der 1942 in

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einem offenen Brief alle Franzosen zur Einigkeit gegen Deutschland aufrief und später wieder in den Kriegsdienst eintrat, nicht wie andere missliebige Literatinnen und Literaten in der deutschen Literaturlandschaft ausgemerzt wurde (vgl. Adam, 2013, S. 247). „Dass die Bücher dieses exponierten Kämpfers gegen die Nazis weiter in Nazi- Deutschland verkauft und gelesen wurden, zeigt, dass Zensur- und Kontrollapparat alles andere als allmächtig waren.“ (Adam, 2013, S. 247) 1944 kehrte er von einem Aufklärungsflug nicht zurück und wurde angeblich von einem deutschen Aufklärungsflieger abgeschossen, der ein begeisterter Saint- Exupéry-Leser gewesen war. Generell war Saint-Exupéry in diesem Milieu beliebt, da er extrem viel über das Fliegen geschrieben hatte. Sein Roman Wind, Sand und Sterne brachte es bis 1945 auf eine Auflage von 135.000 verkaufte Exemplare (vgl. Adam, 2013, S. 247f). Damit ist eines sicher: „Saint-Exupéry ist vermutlich der einzige Bestsellerautor des Dritten Reiches, der im aktiven Kampf – zuletzt als Flieger auf amerikanischer Seite – gegen die Deutschen stand, aber dessen Bücher bis zum Kriegsende weiter verkauft werden durften.“ (Adam, 2013, S. 246)

d) Volksliteratur

Unter die Volksliteratur fallen sowohl Karl Mays Bücher, Schmökerheftchen, aber auch Kinder- und Jugendbücher wie Biene Maja oder Heidi. Besonders Karl May erlebte in der NS-Zeit in Deutschland eine Hochblüte, da viele ranghohe Nationalsozialisten begeisterte Anhänger von Karl May waren und die Propaganda-, Rezensions- und Pressemaschinerie in vollem Gange war. Da der Journalist Achenbach in einer Reportage über einen Besuch auf dem Obersalzberg die Bände Karl Mays im Besitz Adolf Hitlers erwähnte, machte sogar der „Führer“ selbst – wenn auch indirekt – Werbung für Karl May und dessen Werke. Gerade Jugendliche lasen die Romane Karl Mays sehr gerne und – wohl auch dank der prominenten Werbung – waren seine Romane selbst nach 1933 noch unter den bestverkauften Romanen, obwohl die Ersterscheinungen bereits Jahrzehnte zurücklagen (vgl. Adam, 2013, S. 197). „So wurden allein vom Schatz im Silbersee im Dritten Reich rund 300 000 Exemplare abgesetzt und auch der erste Band von Winnetou kam noch auf fast 100 000 verkaufte Bücher.“ (Adam, 2013, S. 197f) Manche Ausgaben erschienen sogar alleine für die Soldaten der Wehrmacht, so zum Beispiel 1943 eine Ausgabe vom Schatz im Silbersee.

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Da May von so vielen prominenten nationalsozialistischen Politikern und Autoren unterstützt und gefördert wurde, formierte sich auch bald eine Gegnerschaft. Diese bestand zum einen aus NS-Gegnern, wie beispielsweise Klaus Mann. „Hier verbanden sich bildungsbürgerliche Vorbehalte gegen diese Form der Massenliteratur mit dem Versuch, im Werk des Abenteuerschriftstellers faschistoide Tendenzen auszumachen.“ (Adam, 2013, S. 198) Und zum anderen bestand diese Gegnerschaft aus Gegnern aus der Zeit vor der Machtübernahme, die meinten, May würde marxistische und pazifistische Gedanken besonders unter die Jugendlichen bringen und diese müssten beschützt werden. Andere, wie Hans Schemm, der fränkische Gauleiter, bayrische Kultusminister und Chef des Lehrerbundes, waren Befürworter Karl Mays. Er war sogar der Auffassung, dass jedes deutsche Kind gewisse Eigenschaften, wie Mut, Abenteuerlust, Entschlusskraft und Karl-May-Gesinnung brauche (vgl. Adam, 2013, S. 198). Doch trotz all der offiziellen und offensichtlichen Förderungen und Lobgesänge war Karl May einer der umstrittenen Autoren. Seine Werke gehörten zwar nicht zur „Schundliteratur“, aber Karl May war eben auch kein edler Dichter, sondern „nur“ ein Verfasser von Volksliteratur, weshalb seine Romane auch nie als das „gute Buch“ bezeichnet und empfohlen worden waren (vgl. Adam, 2013, S. 199). „Wenn dann von bestimmten Seiten, insbesondere aus dem Umfeld Rosenbergs und seiner Zeitschrift Bücherkunde, gegen die seichte Unterhaltung, den Schmöker, den leichten Kriminal- oder Abenteuerroman gewettert wurde, hat man May selten direkt genannt, oft aber mitgedacht.“ (Adam, 2013, S. 199)

Man sieht am Beispiel Karl Mays sehr gut, dass selbst die Autorinnen und Autoren, die von ranghohen Nationalsozialisten oder gar vom „Führer“ persönlich protegiert wurden, genauso der Kritik ausgesetzt waren und Gegner ihrer Werke und den damit vermittelten Inhalten und Werten hatten.

Ein zweiter populärer Teil der Volksliteratur waren die sogenannten Schmökerhefte. Diese beliebten Heftchenreihen gab es bereits vor der NS-Zeit, doch sie mussten nach der Machtübernahme von den Nationalsozialisten genehmigt werden. Aus diesem Grund wurden ab 1933 viele Schriften als ungeeignet für Jugendliche eingestuft, verboten und aus dem Verkehr gezogen. Demgegenüber erschien nach Kriegsbeginn eine Vielzahl neuer Heftchenreihen, wie die Erlebnis Bücher mit 105 Heften, die Aufwärts-Jugend-Bücherei mit 97 Heften, die Kriegsbücher der deutschen Jugend mit 156 Heften oder die Kolonial-Bücherei mit 88 Heften (vgl. Adam, 2013, S. 212f).

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Andere „staatstragende“ Heftchenreihen, wie die Spannenden Geschichten von Bertelsmann mit 126 Heften konnten ungehindert weiter produziert werden. „Kennzeichnend für viele erfolgreiche systemkonforme Heftreihen war, dass staatliche oder parteinahe Stellen und Personen an ihren Gewinnen beteiligt waren.“ (Adam, 2013, S. 213) Doch sie waren nicht nur am Gewinn beteiligt, sie waren teilweise auch Herausgeber oder schrieben einzelne Texte für manche Heftchenreihen. Früher waren die Schmökerhefte dazu da, die Jugendlichen aus ihrem Alltag in ferne Welten zu entführen. In der NS-Zeit verkehrte sich dies ins Gegenteil. Die Heftchen beschrieben nun die harte (Kriegs-) Realität. Die Titel der Heftchenreihen sagen bereits sehr viel über ihren Inhalt aus. So sind die Heftchen der Reihe Kriegsbücher der deutschen Jugend reine Propaganda und Werbung für den „[…] bedingungslosen Kriegseinsatz der deutschen Jugend.“ (Adam, 2013, S. 213) Die Heftchen dienten als Rekrutenwerbung und als Begleitung der jungen Soldaten in den Krieg. Neben diesen gab es aber auch andere Heftserien. Hillgers Deutsche Bücherei umfasste an die eintausend Titel und zeigte eine Art „[…] unterhaltungsliterarischen Kanon im nationalsozialistischen Sinne […].“ (Adam, 2013, S. 215) Der Herausgeber war das Reichsamt Deutsches Volksbildungswerk der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude. Ähnlich wie heutzutage die Reclam-Reihe diente Hillgers Bücherei als Sammlung aller Genres: Sachbuch, Prosa und Lyrik, in- und ausländische Klassiker, Western und vor allem Autorinnen und Autoren des 19. Jahrhunderts aus Deutschland, wie Droste-Hülshoff, Fontane, Freytag, Hebbel, Storm und viele weitere (vgl. Adam, 2013, S. 215). „Die Hefte waren für eine Mengenabnahme durch die Massenorganisationen und Bildungseinrichtungen vorgesehen. […] Neben Klassikern wurden in der Reihe Titel untergebracht, die reine Propagandabroschüren waren, etwa Spione, Verräter, Saboteure, herausgegeben im Einvernehmen mit dem Oberkommando der Wehrmacht.“ (Adam, 2013, S. 216)

Diese Propagandabroschüren sollten als Anleitungen für verschiedenste militärische Aufgaben, wie feindliche Spionageerkennung, dienen und waren gespickt von Sprüchen wie Führertreue, Schutz des deutschen Volkes und Slogans gegen den Feind (vgl. Adam, 2013, S. 216). „Die Propaganda im Dritten Reich war neben einem Mittel zur politischen Beeinflussung der Massen auch und nicht zuletzt ein großes Geschäft […].“ (Adam, 2013, S. 216)

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e) NS-Propagandaliteratur

Daran schließt sehr gut die NS-Propagandaliteratur an. Allen voran steht hier natürlich das Propagandawerk der Propagandawerke: Mein Kampf von Adolf Hitler – ein Buch vom „Führer“ persönlich. In der, weiter vorne dargestellten, Bestsellerliste steht Hitlers Mein Kampf, mit Abstand, mit einer Auflagenzahl von 12.450.000 Exemplaren an erster Stelle. Davon wurden 40% alleine in den letzten Kriegsjahren von 1942 bis 1945 gedruckt und verkauft (vgl. Adam, 2013, S. 116). Der Höhepunkt der Produktion war in den Jahren 1943 und 1944 und „[…]dürfte in engem Zusammenhang mit den Bestrebungen nach einer verstärkten nationalsozialistischen Ausrichtung der Wehrmacht bei zunehmend ungünstigerem Verlauf des Krieges zu sehen sein.“ (Plöckinger, 2006, S. 186). Doch bereits die erste Auflage, mit 10.000 Exemplaren, verkaufte sich innerhalb eines halben Jahres. „Bis Ende 1932 wurden 228.000 Stück verkauft, obwohl der Preis von zwölf Reichsmark bzw. acht Reichsmark für die >Volksausgabe< keineswegs niedrig war.“ (Wildt, 2008, S. 37) Laut Aussage seines persönlichen Adjutanten Julius Schaub hatte Hitler nicht einmal ein eigenes Konto, sondern lebte von einem Konto beim Eher-Verlag. Durch die enorm hohen Absatzzahlen von Mein Kampf war dieses immer gefüllt. Hitler hatte dafür ein vertragliches Honorar von etwa 15 Millionen RM erhalten. Besonders nach der Machtübernahme 1933 stiegen die Absatzzahlen drastisch an. Waren zuvor erst circa 250.000 verkauft worden, zählte die Gesamtauflage zum 10. Jahrestag 1935 bereits über 1, 9 Millionen Exemplaren (vgl. Adam, 2013, S. 115f).

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Mit diesen immer weiter steigenden Absatzzahlen wurde äußerst offensiv geworben, wie hier in einer Verkaufsanzeige zu sehen:

Abbildung 4: Anzeige aus dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel vom Juni 1933 (Adam, 2013, S. 117)

Bei den hohen Auflagezahlen vieler Werken der Nationalsozialisten ist Vorsicht geboten, da sie nicht immer aussagekräftig waren – ganz besonders die Zahlen von Mein Kampf. „Sie waren >Pflichtlektüre< bzw. >Pflichtgeschenk<, sollten möglichst in keinem Bücherregal fehlen und sind somit aus den Bestsellerlisten dieser Jahre nicht wegzudenken.“ (Adam, 2013, S. 116) Bereits 1934 bekamen beispielsweise alle Kriegsverletzten des Ersten Weltkriegs ein Exemplar von Mein Kampf geschenkt. Seit 1933 ist das Werk auf allen Empfehlungslisten und in jeder Bibliothek zu finden. Die Vergabe von Exemplaren an Hochzeitspaare war nur mäßig erfolgreich und später weigerten sich manche größeren Städte, da sie nicht für jedes Paar 7,20 RM ausgeben wollten. Richtig erfolgreich war die massenhafte Abgabe an die Wehrmacht, durch die die Absatzzahlen enorm gesteigert werden konnten. So wurde vom Eher Verlag ein neuer, extrem lukrativer und steuerbarer Markt erschlossen (vgl. Adam, 2013, S. 116f). Jede und jeder Deutsche sollte Mein Kampf nicht nur besitzen, sondern genauestens durcharbeiten und es sollte keinesfalls in irgendwelchen Antiquariaten landen. So

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verkündete Blunck 1938 sogar, dass keine Exemplare in den Auslagen von Antiquariaten zu sehen sein sollten (vgl. Adam, 2013, S. 117f). „Der >Führer< stand mit seinem Werk praktisch schon unmittelbar nach der Machtübernahme außerhalb jeder Diskussion. […] Eine irgendwie geartete Analyse verbot sich von selbst, die einzige angemessene Rezeption scheint die bedingungslose Huldigung gewesen zu sein.“ (Adam, 2013, S. 120)

Das Beispiel Mein Kampf zeigt wie die Propagandamaschinerie bei Büchern von NS- Funktionsträgern im Dritten Reich funktionierte. Diese arbeiteten alle auf dieselbe Weise: „Zur Macht gelangt, nutzten sie ihren Einfluss und ihren Namen aus, um ihre >Produkte<, genauer ihre Bücher und Artikel, erfolgreich unters Volk zu bringen. […] Das geschriebene Wort war so Mittel zum Zweck in zweifacher Hinsicht: Es sollte die Propagandaparolen der Nationalsozialisten transportieren und dabei zugleich der Bewegung und ihren zentralen Trägern die nötigen finanziellen Mittel verschaffen.“ (Adam, 2013, S. 118)

Das bedeutet, dass Hitler und andere Parteifunktionäre mit den Honoraren aus ihren schriftstellerischen oder publizistischen Tätigkeiten zuerst die Parteiarbeit und dann auch ihren aufwendigen Lebensstil finanzierten (vgl. Adam, 2013, S. 118).

Ein weiteres Werk, das zur NS-Propagandaliteratur zählt, ist Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit von Alfred Rosenberg aus dem Jahr 1934. Zu Beginn, bevor Hitlers Mein Kampf Anfang der dreißiger Jahre der unangefochtene Bestseller wurde, konkurrierten verschiedene Parteiautoren, so auch Rosenberg und Hitler, „[…] mit ihren Publikationen um die ideologische Deutungshoheit.“ (Adam, 2013, S. 118) Zu dieser Zeit konnte Der Mythus des 20. Jahrhunderts keine großen Erfolge verbuchen oder Gewinne erwirtschaften, sondern war weitgehend unbeachtet geblieben. Erst nachdem das Buch nach 1933 den Status „halbamtliche“ Literatur erhalten hatte, wurde sein Absatz sehr schnell gesteigert. „[…] von 73 000 im Jahr 1933 über 293 000 im Jahr 1935 auf dann 500 000 1938. 1942 konnte das Buch schließlich die Millionenmarke knacken, was kaum mehr als einem Dutzend Bücher im Dritten Reich überhaupt gelang.“ (Adam, 2013, S. 119) Rosenberg verdiente an seiner schriftstellerischen Tätigkeit äußerst gut. „1935 waren es dann schon an die 100 000 Reichsmark Honorar, darunter allein 70 000 aus dem Verkauf des Mythus.“ (Adam, 2013, S. 119) Interessant ist, dass das Buch zunächst keinerlei Pressestimmen erhalten hatte, denn bis 1933 gab es nur eine einzige Buchbesprechung und die war von Rosenberg selbst

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verfasst. Das Knacken der Millionenmarke schlug sich nicht nur in den Absatzzahlen nieder, sondern auch in einer größeren Würdigung und häufigeren Erwähnung durch Presse und Propaganda (vgl. Adam, 2013, S. 119). Dabei wurde sein Werk zwar gelobt, besonders wegen seiner Intellektualität, aber auch immer mit dem unanfechtbaren Werk des „Führers“ verglichen. In diesem Vergleich schnitt Der Mythus des 20. Jahrhunderts naturgemäß schlechter ab – musste schlechter abschneiden. An seinem Werk wurde auch Kritik geübt, beispielsweise von katholischer Seite, was bei Mein Kampf undenkbar war (vgl. Adam, 2013, S. 120). Aus dem einstigen Konkurrenzkampf war ein unfaires und ungleiches Nebeneinander geworden.

f) Sachbücher

Überraschenderweise waren in dieser Zeit auch Sachbücher sehr populär. Trotz der trockenen Thematik, oder aber gerade deswegen. Allerdings verstand man unter Sachbüchern damals meist „ […]Rohstoff-Romane, die Sachbuchthemen im fiktionalisierten Gewand […]“ behandelten (Adam, 2013, S. 87). Von reiner Propaganda, über medizinische Themen oder Jetset-Erzählungen, bis hin zu Biografien waren alle möglichen Themen in diesem Bereich vertreten. So, beispielsweise, die autobiographischen Erzählungen über das Traumpaar des NS- Jetset: Elly Beinhorn und (vgl. Adam, 2013, S. 100). Beinhorns Werk Mein Mann der Rennfahrer trägt Großteils autobiographische Züge und ist ebenfalls in das Genre der Sachbücher einzuordnen. Die Fliegerin und der Rennfahrer hatten sich 1935 an der Rennstrecke kennengelernt, heirateten und bekamen einen Sohn. Doch 1938 verunglückte Rosemeyer im Auto. Der Fall erhielt großes Medienecho und selbst die Beileidstelegramme von Hitler und Himmler für das SS-Mitglied wurden in Zeitungen abgedruckt. Elly Beinhorn entschloss sich das –ursprünglich gemeinsam geplante – Buch zu schreiben und damit der Öffentlichkeit „[…]mehr, als in den Zeitungen stand, über den Menschen Bernd Rosemeyer[…]“ zu zeigen. (Rosemeyer-Beinhorn, 1938, S. 7) Im Buch wurde Rosemeyer als Held dargestellt, was selbstverständlich von oben gutgeheißen wurde, und deshalb wurden auch im Buch diverse Kondolenzschreiben abgedruckt. Doch es war kein normales NS-Propaganda-Helden-Werk, sondern gewährte „[…] Einblicke in das Leben der oberen Zehntausend unter den Nazis.“ (Adam, 2013, S. 101) Denn es wurde auch das Jetset-Leben des glamourösen Paares

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beschrieben, das die halbe Welt bereiste und jeden Tag woanders etwas erlebte (vgl. Adam, 2013, S. 100f). Das Buch verkaufte sich, mit über 200.000 Exemplaren sehr gut, was erstens an der Auto-, Flieger- und Technikwelt lag, in der es teilweise spielte, zweitens an der Sehnsucht der Menschen nach Reisen und Ferne und drittens an dem Einblick in die Welt der Reichen und Schönen, was die Klatsch und Tratsch-Lust der Menschen befriedigte (vgl. Adam, 2013, S. 101). Es gab keine auffällige NS-Propaganda in diesem Werk und trotzdem wurde es von offizieller Seite gutgeheißen. Einzig der Blick auf die oberen Zehntausend war nicht NS-konform, da dieser Lebensstil (der einfachen Bevölkerung) nicht propagiert werden sollte. Doch darüber wurde, zugunsten der anderen Aspekte, hinweggesehen. Diese waren die Vorbildfunktion, gerade für die deutsche Jugend, die Idee, als Pilotin oder Pilot Deutschland zu dienen und die Tatsache, dass Elly Beinhorn nach ihrer Hochzeit beinahe zur Hausfrau mutierte, was dem NS-Frauenbild entsprach. Des Weiteren half Elly Beinhorn der Luftwaffe Flugzeuge unter Extremsituationen zu erproben, lieferte also einen konkreten persönlichen Beitrag für NS-Deutschland (vgl. Adam, 2013, S. 102).

Eine weitere Sachbuch-Richtung stellten auch schon im Dritten Reich Ratgeber und Lebenshilfebücher dar. Diese Bücher waren oft sehr erfolgreich und deckten nicht nur unterschiedliche Themenbereiche ab, sondern waren mitunter auch äußerst kurios, wie etwa Bücher über die Freikörperkultur. Einer der, mit Erstausgabe 1886 auch langfristig, erfolgreichsten Bestseller dieses Genres war Sebastian Kneipps Meine Wasserkur. Gesundheitsbücher wie dieses verkauften sich im Dritten Reich sehr gut. Kneipp konnte von diesem und anderen Werken, die alle als ordentliche „Volksbücher“ galten, extrem viele Exemplare verkaufen (vgl. Adam, 2013, S. 105). „Ähnlich erfolgreich war der Beitrag zur Volksgesundheit Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind von Johanna Haarer.“ (Adam, 2013, S. 105) Die Erstausgabe erschien 1934 im J. F. Lehmanns Verlag, neun Jahre später überschritten die Verkaufszahlen bereits die 500.000. Julius Friedrich Lehmann hatte mit Schriften zur „Rassenkunde und –hygiene“ großen Erfolg und Haarers Buch gliederte sich hier perfekt ein. Das Werk wurde äußerst positiv gesehen und eine große Verbreitung gewünscht. Johanna Haarers Buch verkaufte sich auch nach dem Kriegsende erfolgreich, allerdings unter dem ideologiebefreiten Namen Die Mutter und ihr erstes Kind. Bis

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1987 verkaufte sich dieser Titel 1, 2 Millionen Mal und Haarer konnte als eine der wenigen an den Erfolg in der NS-Zeit anknüpfen (vgl. Adam, 2013, S. 105f).

g) Kriegsbücher

Mit dem Begriff Kriegsbücher waren in diesem Fall Kriegserlebnisse aus dem Ersten Weltkrieg oder ähnliche Kriegserfahrungen gemeint. „Das >Buch vom Krieg< sollte zum erfolgreichsten und alles beherrschenden Buchtyp der Literatur des Dritten Reichs werden […].“ (Adam, 2013, S. 137) Das wichtigste Werk in diesem Zusammenhang ist wohl Im Westen nichts Neues, ebenfalls ein Weltkriegsroman, von Erich Maria Remarques, da sich alle anderen Verfasser von Kriegsliteratur an ihm und seinem Erfolg messen mussten. „Die Handlung dreht sich um die Erlebnisse des jungen Soldaten Bäumer, der sich unter dem Einfluß[sic!] seines Klassenlehrers im Ersten Weltkrieg direkt von der Schulbank an die Front meldet. Er erlebt den Tod aller seiner Freunde und den Zusammenbruch seiner jugendlichen Welt in den unvorstellbaren Grauen des Schützengrabens.“ (Universität Osnabrück, Im Westen nichts Neues, o.S.)

Das Buch wurde 1928/ 29 in der Vossischen Zeitung als Vorabdruck veröffentlicht, in einem Jahr über eine Million Mal im Ullstein Verlag gedruckt und war schon ein Jahr später im Kino zu sehen. „Der Titel hatte sich mit einer bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekannten Absatzgeschwindigkeit verkauft.“ (Adam, 2013, S. 137) Damit erregt es auch die Aufmerksamkeit Joseph Goebbels, der am 21. Juli 1929 in seinem Tagebuch notiert: „Ich lese >>Im Westen nichts Neues<<. Ein gemeines, zersetzendes Buch. Die Kriegserinnerungen eines Eingezogenen. Weiter nichts. Nach 2 Jahren spricht von diesem Buch kein Mensch mehr. Aber es hat seine Wirkung getan in Millionen Herzen. Das Buch ist gemacht. Deshalb ist es so gefährlich.“ (Goebbels, 1999, S. 390)

Doch er sollte sich irren, was die Kurzlebigkeit dieses Werks anging, denn nicht nur wurde es verfilmt und erfreute sich damals und bis heute großer Beliebtheit, Remarque blieb auch immer präsent in der folgenden Zeit. Wohl auch deshalb weil alle rechten Kriegsliteraten mit ihm in einen Konkurrenzkampf traten, ihn und sein Werk in den Schatten stellen wollten und an ihm gemessen wurden (vgl. Adam, 2013, S. 137f).

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Einer, der dies versuchen wollte, war Werner Beumelburg, aus dem national- konservativen Lager, der nach seinem Soldateneinsatz an der Westfront als Journalist tätig war. Sein Weltkriegsbuch Sperrfeuer um Deutschland erschien im gleichen Jahr wie Remarques Hauptwerk. Er hatte schon in den zwanziger Jahren für das Reichsarchiv Bücher über verschiedene Schlachten des Ersten Weltkriegs geschrieben auf die er für Sperrfeuer und für seinen Frontroman Gruppe Bosemüller zurückgreifen konnte. Von ersterem wurden 363.000 und von zweiterem 164.000 Exemplare verkauft (vgl. Adam, 2013, S. 140f). Obwohl Beumelburg meinte, er habe auch die Gefühlswelten eingebaut, liest sich sein Werk wie eine Weltkriegschronik von Beginn bis Ende des Ersten Weltkriegs. Obgleich er die Zusammenhänge einer Schlacht und die Kriegsvorgänge präzise beschrieb, waren es keine großen literarischen Werke (vgl. Adam, 2013, S. 141). Die „[…] Tatsache, dass jemand wie Beumelburg Mitglied und Schriftführer der gleichgeschalteten Dichterakademie werden konnte, sagt viel über die Güte der im nationalsozialistischen Deutschland verbliebenen Autoren aus.“ (Adam, 2013, S.141). Die Weltkriegsliteratur hatte nachvollziehbarerweise eine ganz besondere Funktion – da war die literarische Qualität des Textes nebensächlich – und zwar sollte der Geist der Frontgeneration heraufbeschworen und der deutschen Bevölkerung Zuversicht gegeben werden. Darüber hinaus war sie quasi ein Appell an die deutschen Soldaten ebenso tapfer zu kämpfen, wie ihre Vorgänger (vgl. Adam, 2013, S. 141). „Rechnet man Sachbücher, Kriegserlebnisbücher, einschlägige Romane und die dann vom spanischen Bürgerkrieg an neu erscheinenden fast tagesaktuellen Frontberichte in Buchform hinzu, lässt sich die Geschichte der Bestseller unterm Hakenkreuz als die Geschichte einer permanenten Auseinandersetzung mit dem Weltkrieg und den unmittelbaren Kriegsfolgen beschreiben.“ (Adam, 2013, S. 137f)

h) „Blut-und-Boden“-Literatur

Die Themen der „Blut-und-Boden“-Literatur waren „[…] Blut, Boden, Volkstum, Stamm, Landschaft, Heimat und Verwurzelung [..]“ (Dahm, 1995, S. 224), die in verschiedensten, regimetreuen Romanen zum Ausdruck gebracht wurden. Die sogenannte „Blut-und-Boden“-Literatur war – trotz klischeehafter Bekanntheit – nicht wirklich erfolgreich im Dritten Reich. Nur ganz wenige Werke sind unter den meistverkauften Büchern dieser Zeit zu finden und erreichten einen wirklich großen Teil der Menschen. Eines davon war Barb. Der Roman einer deutschen Frau von Kuni Tremel-Eggert. Dieses Buch war mit 750.000 Exemplaren einer der meistgedruckten Romane im

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Dritten Reich. „Dazu einer der wenigen fiktionalen Texte im Bestsellersegment, die man im weitesten Sinne als >originär nationalsozialistisch< bezeichnen könnte.“ (Adam, 2013, S. 271) In Barb, wie alle Bücher Tremel-Eggerts autobiographisch inspiriert, finden sich viele Motive der „Blut-und-Boden“-Ideologie, wie beispielsweise Erdverbundenheit, die im „Blut“ begründet liegt, Verwurzelung in der Heimat, Probleme des Lebens in der Großstadt, sowie Krieg, Inflation und Weltwirtschaftskrise als Katastrophen. Das einzig beständige ist die Liebe und Verbundenheit zur Heimat, die an andere weitergegeben werden soll. Sätze aus ihrem Buch, wie: „Es ist ein Fest des Blutes, ein Fest innigster Verbundenheit mit der braunen Erde, in der ihr Fuß versinkt.“ (Tremel-Eggert, 1938, S.27) oder „Wir müssen uns ein Stück Erde kaufen, das uns gehört! […] das große Heimweh schlechthin. Das Heimweh nach[…]deutscher Landschaft!“ (Tremel-Eggert, 1938, S.410) zeigen diese Merkmale sehr gut. Die Protagonistin findet Erfüllung in der Mutterrolle, der NS-Linie folgend. Sie ist aber auch eine starke Frau, die den Weg bestimmt, was dem Bild der schwachen, stillen Frau widerspricht. Am Ende des Buches scheint der Sieg der Nationalsozialisten 1933 zum Greifen nahe und somit auch die Erfüllung aller Wünsche und Träume der Protagonistin. Das Buch war an alle NS-Ideale angepasst und maßgeschneidert, was die positiven Kritiken im Dritten Reich zeigen (vgl. Adam, 2013, S. 272ff). An Kuni Tremel-Eggert ist sehr gut das Phänomen des nationalsozialistischen Erfolgs zu sehen. Vor 1933 gelang ihr mit ihrer Art der Schreiberei nicht der Durchbruch und ihre Werke erschienen fast unbeachtet im Langen-Müller-Verlag. Nach 1933 ist zu sehen, was sie zu einer typischen NS-Autorin machte, nämlich ihr unglaublich rasanter Aufstieg, der ohne die Machtübernahme nicht möglich gewesen wäre. In dieser Zeit vermarktete der parteieigene Eher-Konzern ihre Werke. Besonders gefördert wurde sie vom Kreis Rosenbergs, da ihre Heimatliteratur ihm zusagte. Nach dem Ende des Dritten Reichs und der Macht der Nationalsozialisten wurde es schnell wieder ruhig um Tremel-Eggert. Ihre Karriere als Schriftstellerin war, obwohl sie bis zu ihrem Tod 1957 weiterarbeitete, vorbei und heute ist sie fast in Vergessenheit geraten (vgl. Adam, 2013, S. 274ff).

Ein zweiter „Blut-und-Boden“-Schriftsteller war Hans Grimm mit seinem, erstmals 1926 erschienenen, Roman Volk ohne Raum. Mit diesem Titel lieferte er dem Nationalsozialismus auch eine wichtige Propagandafloskel für seine Expansionspolitik. In diesem Werk über einen Deutschen, der nach Südafrika auswandert, dort am

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Burenkrieg teilnimmt und nach seiner Rückkehr als politischer Redner arbeitet und kurz vor dem Hitlerputsch 1923 von einem Arbeiter durch einen Steinwurf getötet wird, findet sich die Forderung nach Boden und Raum für den „deutschen Mann“, um sich bestmöglich entwickeln zu können und soziale oder wirtschaftliche Probleme zu verringern. So heißt es im Buch: „[…]aber der deutsche Mensch braucht Raum um sich und Sonne über sich und Freiheit in sich, um gut und schön zu werden. Soll er bald zwei Jahrtausende umsonst darauf gehofft haben?“ (Grimm, 1926, S. 10) Dieser Wunsch war der gleiche, den die Nationalsozialisten für die Deutschen hatten. Doch nicht nur deswegen wollten sie Grimm als Verbündeten. Er hatte schon vor 1933 viele Bücher verkauft und war kein neuer unbekannter Autor, wie viele andere. Goebbels und die Nationalsozialisten wollten seine Beliebtheit und sein Werk Volk ohne Raum für sich und ihre Zwecke nutzen (vgl. Adam, 2013, S. 280ff). Bereits 1931 schreibt Goebbels in sein Tagebuch: „[…]sehr gut und anhänglich zu Hitler. […] Er überantwortet sich dann ganz uns. […] Das ist ein Gewinn! Der Dichter des >>Volk ohne Raum<< steht bei unseren Fahnen.“ (Goebbels, 1999, S. 561) und 1932 notiert er erfreut: „Der Dichter Hans Grimm bekennt sich offen zum Führer.“ (Goebbels, 1999, S. 637) Grimm war also ein Sympathisant der Nationalsozialisten (vgl. Klee, 2007, S. 198) und von 1933 bis 1935 sogar einer der fünf Präsidialräte der Reichsschrifttumskammer (vgl. Wulf, 1989, S. 197). „Hans Grimm ließ sich aber trotz >Gleichschaltung< nie das Wort verbieten. Er kritisierte die Arbeit der Kammer und sah das kulturelle Ansehen des Dritten Reiches in Gefahr.“ (Adam, 2013, S. 282) Außerdem versuchte er außerhalb der NS- Kulturpolitik zu agieren und entwickelte ab 1934 die Dichtertreffen von Lippoldsberg, zu denen er bestimmte Autoren, wie Beumelburg, Dwinger, Carossa oder Binding, einlud. Goebbels vertrug es nicht, dass neben den offiziellen Kulturtätigkeiten Grimm auf einer Nebenschiene etwas entwickelte und obwohl die geladenen Autoren keine Regimegegner waren, wurde Grimm von Goebbels gemahnt und mit dem Konzentrationslager bedroht. Diese Taktik hatte Erfolg und die Dichtertreffen wurden 1939 beendet (vgl. Adam, 2013, S. 282f). „Grimm fiel im Dritten Reich in der Öffentlichkeit fortan nicht mehr unangenehm auf. Sein Werk wurde weiterhin gefördert und gehörte – trotz des widerborstigen Autors – fest zur Standardliteratur der Nazi-Zeit.“ (Adam, 2013, S. 283) Doch nach 1945 fiel Grimm unangenehm auf, da er die NS-Zeit verharmloste und die Idee des Nationalsozialismus weiterhin hochhielt. Er stand 1946 auf dem Index, der von Amerikanern und Sowjets zusammengestellten Liste der „auszusondernden

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Literatur, konnte aber 1950 Die Erzbischofschrift veröffentlichen und bezeichnete darin die Idee des Nationalsozialismus als revolutionär (vgl. Sello, 1975, o.S.). 1951 gründete er den Klosterhaus Verlag in Lippoldsberg, der einschlägige Werke vertrieb und vertreibt, und Volk ohne Raum bis heute feiert (vgl. Adam, 2013, S. 281). 1953 kandidierte er als Parteiloser der neonazistischen Deutschen Reichspartei (DRP) bei den Bundestagswahlen, doch sie scheiterten an der Fünf-Prozent-Klausel (vgl. Wellmann, 2004, o.S.). Grimm publizierte weiterhin in einschlägigen, rechtsextremen Zeitschriften und veröffentlichte 1954 ein weiteres Buch, Warum – woher – aber wohin, in dem er die „Rassenpolitik“ und den Antisemitismus wiederum verharmloste und verteidigte, Dieses wurde von der NPD empfohlen, um sich mit der Zeitgeschichte auseinanderzusetzen (vgl. Hillesheim, Michael, 1993, S. 213). Obwohl die Kritik seine Bücher negativ bewertete, verkauften sie sich und kamen bei der Bevölkerung offenbar gut an (vgl. Kühlmann, 2009, S. 418f). Er trat als Redner für den Verband ehemaliger Internierter und Entnazifizierungsgeschädigter auf und verwendete in seinem Vortrag auch „Du bist nichts, dein Volk ist alles“. Einer seiner Vorträge wurde schließlich sogar verboten (vgl. Hirsch, 1989, S. 377f). Bis zu seinem Tod 1959 war er durch seine rechtsextremen und verharmlosenden Ansichten ziemlich ins Abseits geraten (vgl. Wellmann, 2004, o.S.).

i) Klassiker beziehungsweise gehobene Literatur

Die Nationalsozialisten versuchten einerseits viele Klassiker und deren erfolgreiche Autorinnen und Autoren für sich und ihre nationalsozialistische Linie zu reklamieren und andererseits ein eigenes nationalsozialistisches Schrifttum zu entwickeln, das auch in dieses Genre fallen sollte. Doch letzteres erwies sich als äußerst schwierig und auch die Autoren der Klassiker zeigten sich als extrem widerspenstig. Einer der „Klassiker“ war der, seit 1922 in der Schweiz lebende, Hermann Hesse, der vor, im und nach dem NS-Reich gelesen wurde. Obwohl er nicht an der Spitze der Bestsellerlisten stand, wurden seine Werke, wie beispielsweise Unterm Rad, Steppenwolf oder Siddharta, gerne gelesen und waren bis weit in den Krieg hinein verfügbar (vgl. Adam, 2013, S. 254f). „Hermann Hesse war mit Sicherheit kein Kollaborateur, schon gar kein Parteigänger der Nazis – auch wenn ihn mit Freude gelesen hatte.“ (Adam, 2013, S. 255) Hesse verhielt sich im Dritten Reich neutral, was ihm von beiden Seiten kritisch vorgeworfen wurde. Für Hesse wurde verfügt, dass er keinerlei Angriffen

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ausgesetzt und die Verbreitung seiner Bücher nicht verhindert werden dürfe. Dies dürfte von Propagandaministerium und Parteiamtlicher Prüfungskommission ausgegangen sein. „Die renommierten und im Ausland angesehenen deutschsprachigen Autoren, die noch im Reich veröffentlichen konnten, waren rar. […] Man wollte es sich […] nicht mit den letzten verbliebenen Aushängeschildern für das Ausland verderben.“ (Adam, 2013. S. 255)

Ein erstaunliches Werk dieser Zeit war Der Großtyrann und das Gericht von Werner Bergengruen, denn es konnte als Sinnbild für das Dritte Reich gesehen werden. Dieses Buch ist eine Art Kriminalfall in der Zeit der italienischen Renaissance, bei dem ein Unterhändler des Großtyrannen ermordet wird und im Laufe der Ermittlungen gerät alles in Aufruhr. Am Ende ist der Großtyrann der Täter, der damit sein Volk testen wollte. „Der Großtyrann wird als totalitärer Herrscher gezeichnet, der verschiedene Züge der Nazi-Führer, allen voran Hitlers trägt. Er ist allgegenwärtig, taucht plötzlich in den privatesten Momenten wie aus dem Nichts heraus auf. Er zeigt sich allmächtig, steht über dem Gesetz. Zudem beruft er seine Herrschaft auf den Willen des Volkes […].“ (Adam, 2013, S. 256)

Das Werk wurde, selbst von Rosenbergs Seite, positiv bewertet und gerne gelesen, denn etwa 200.000 Exemplare wurden verkauft und selbst für die Frontbuchhandlungen wurde noch produziert (vgl. Adam, 2013, S. 257). Die Ähnlichkeit zum Dritten Reich schien nicht als tragisch gesehen worden zu sein oder möglicherweise wurde es gar als Ideal angesehen. Der Völkische Beobachter feierte das Werk anfangs sogar als „großen Führerroman“ (vgl. Klee, 2007, S. 44). Doch eigentlich war man auf Bergengruen nicht gut zu sprechen. Schon 1937 wurde er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, durfte aber mit einer Dauersondergenehmigung aufgrund des literarischen Werts seiner Werke und seiner Beliebtheit weiterarbeiten. Bergengruen galt als politisch unzuverlässig, da seine Familie und er keine Mitglieder irgendeiner NS-Organisation waren, keine NS-Presse bezogen und auch den „Heil Hitler“-Gruß nicht anwandten, sondern nur das Nötigste machten, wie die Fahne rauszuhängen oder die Hand leicht zum Gruß zu erheben. Doch weder seine durchaus kritischen Werke, noch seine politische Unzuverlässigkeit waren der Grund für die Ablehnung seiner Person vieler Offizieller. Einzig der Umstand, dass er mit einer „Dreivierteljüdin“ verheiratet war und auch nach der Machtübernahme zu ihr stand, war die Ursache dafür (vgl. Adam, 2013, S. 257f).

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j) Wehrmachtslektüre

Dass über die Frontbuchhandlungen an die Soldaten viele Bücher veräußert wurden, ist weiter vorne schon beschrieben worden, doch was genau wurde an der Front gelesen? Hatten die Soldaten gewisse Präferenzen? In einer Umfrage von Westermanns Monatshefte kam 1943 heraus, dass das Leseverhalten der Soldaten alles vom nationalsozialistisch „Guten“ bis hin zu Schmökern abdeckte. Interessanterweise wurden viele Romanheftchen gelesen, was seine Gründe vermutlich in ihrem Gewicht und der leichteren Verstaubarkeit und Handhabung hatte. Aufgrund der Tatsache, dass diese Heftchen ungleich praktischer waren, kam die Idee auf, auch qualitätsvollere Texte als Heftromane für die Soldaten herauszubringen (vgl. Adam, 2013, S. 300). Dies sollte „[…] ein Weg, das Unterwertige einzudämmen […]“ sein, um sogenannten Schundromanen die Stirn zu bieten. (Deutsches Büchereiblatt, 1943, S. 83) Oftmals wurden Bücher als Geschenk an die Frontsoldaten oder Verbündeten geschickt. Diese waren meist Kriegsbücher, NS-Literatur oder andere Texte, die der nationalsozialistischen Weltanschauung entsprachen. Doch gerade die NS-Literatur oder Bücher, die die nationalsozialistischen Politik oder Weltanschauung vertraten, wurden trotzdem, im Vergleich zu anderen Gattungen, recht wenig gelesen, sondern eher nur durchgeblättert und somit blieb eine spürbare Wirkung, trotz unermüdlicher Produktion der parteieigenen Verlage, aus (vgl. Adam, 2013, S. 300f). Doch was lasen die Soldaten nun tatsächlich mit Freude und freiwillig? Einerseits lasen sie sehr gerne historische oder biografische Unterhaltungsromane oder die aktuellen Bestseller. Andererseits lasen sie besonders gerne Fachliteratur, um sich fort- und weiterzubilden (vgl. Adam, 2013, S. 301). Dazu kamen Feldpost und Sonderausgaben, die teilweise nur für die Wehrmacht produziert wurden, aber auch extrem viele Klassiker, wie beispielsweise Irrungen und Wirrungen von Theodor Fontane, Der Schatz im Silbersee von Karl May, Faust von Goethe, Der Schimmelreiter von Theodor Storm, Ein Mensch von Eugen Roth, Aus dem Leben eines Taugenichts von Eichendorff oder Werke von Wilhelm Busch. Dabei waren besonders die leichten Reclam-Hefte oder Bände in der Art der Insel-Bücherei gefragt (vgl. Adam, 2013, S. 302). Von der Zentrale der Frontbuchhandlungen wurden nicht nur die Soldatenbriefe zur Berufsförderung herausgegeben, sondern auch Monografien über Rilke oder Kant. Viele der, von den Soldaten gern gelesenen, Bücher sind solche, die schon in der Zeit vor dem Krieg Bestseller waren, darunter

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besonders Zukunftsromane, Tatsachenromane, Spannungsromane oder abenteuerliche Reisebeschreibungen (vgl. Adam, 2013, S. 303). Und auf keinen Fall durften humorvolle Bücher fehlen. „Bücher von Wilhelm Busch, spannende Romane von Löhndorff und Dominik und die humorgewürzte Lektüre von Spoerl runden das Verlangen unserer Soldaten nach der fröhlichen Seite ab.“ (Eck, 1940, S. 107) Denn, wer „[…]so ein ernstes Handwerk treibt wie die Soldaten, der will auch richtig herzlich lachen.“ (Enßlin, 1941, S. 17)

4. Wirkung bis heute

Doch wie sieht es mit der nationalsozialistischen Literatur im Folgenden aus? Gibt es eine Wirkung bis heute oder war der teilweise Erfolg nur temporär auf die NS-Zeit begrenzt? Ausgenommen sind in dieser Betrachtung die Klassiker und die Werke beliebter ausländischer Autorinnen und Autoren, die sich vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg großer Beliebtheit erfreuten. Betrachtet man nun die Autorinnen und Autoren, sowohl des NS-Kanons als auch die Bestseller außerhalb des Kanons, stellt man schnell fest, dass nur wenige auch heute noch beliebt oder auch nur bekannt sind. Hans Fallada, Ernst Jünger oder Eugen Roth sind drei der wenigen, die heute noch bekannt sind, allerdings waren sie in der NS-Literaturlandschaft eher Randfiguren (vgl. Adam, 2013, S.309). Überdauert haben darüber hinaus auch die Werke, die verfilmt wurden, wie Bücher von John Knittels, und die deswegen auch später noch bekannt waren. Nach wie vor findet sich eine Leserschaft der Heimat- und Regionalliteratur von Autorinnen und Autoren, wie beispielsweise Hermann Burte, Kuni Tremel-Eggert, Josefa Berens-Totenohl, Felicitas Rose oder Gustav Frenssen (vgl. Adam, 2013, S. 309). Allerdings sind diese heute keinem größeren Publikum mehr bekannt, sondern nur den Leserinnen und Lesern der Heimatliteratur. Autorinnen und Autoren von Sachbüchern und Biografien waren oftmals noch länger nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich oder konnten zumindest unbehelligt weiterarbeiten. Bekannt sind sie allerdings heute gar nicht mehr oder kaum noch. Autorinnen und Autoren der Inneren Emigration, wie Ina Seidel oder Hans Carossa, die sich vom Nationalsozialismus distanzierten, hatten ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg noch Erfolg und sind heute unbekannt.

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Emigrierte Autorinnen und Autoren, wie Heinrich Mann oder Arnold Zweig, hatten es da bedeutend schwerer und fanden oft gar keinen Verlag mehr. NS- Autorinnen und –Autoren, wie Hans Friedrich Blunck oder Hans Grimm, hatten allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg sehr wohl noch Erfolg (vgl. Adam, 2013, S. 310f). „Von den gut einhundert Autoren, die während der NS-Zeit unter Aufsicht von Gobbels Literaturpreise empfangen hatten oder mit Ehrenämtern ausgezeichnet worden waren, veröffentlichte bloß ein Sechstel nach 1945 keine Bücher mehr.“ (Sarkowicz, Mentzer, 2002, S. 57) Doch heutzutage findet man keine dieser Bücher mehr und die meisten Menschen kennen nicht einmal mehr die Namen der temporär erfolgreichen Autorinnen und Autoren des NS-Deutschlands. Die Nachwirkung bis heute, wenn es sie auch oftmals noch nach dem Krieg im 20. Jahrhundert gegeben hat, ist hier nicht gegeben. „Heute sind sämtliche dieser Werke sowie ein großer Teil der in dem hier vorliegenden Buch behandelten Schriften nur noch als >>Kuriositäten<< von Interesse.“ (Adam, 2013, S. 162) Interessant ist noch die Frage, welchen Einfluss denn die nationalsozialistische Literatur auf Dauer hatte. Kurt Rothmann und Christian Adam haben dazu folgende Meinung: „Die Nationalsozialisten hatten keine nennenswerte Literatur hervorgebracht. Selbst in der Ausprägung ihrer Grundgedanken war die Literatur des Dritten Reichs epigonal. “ (Rothmann, 2009, S. 288) „Keiner der öffentlichen Bekenntnis- und politischen Gebrauchstexte aber ist von literarischem Wert.“ (Rothmann, 2009, S. 288) „Bei der Suche nach der NS-eigenen Literatur, die gewisse ästhetische Qualitätsstandards hält, läuft man ein ums andere Mal ins Leere.“ (Adam, 2013, S. 254) Der Nationalsozialismus hat keine eigenständige Literatur hervorgebracht, sondern viele altbekannte Themen aufgegriffen und neu – im nationalsozialistischen Sinn - interpretiert. „So griff die >>volkhafte Dichtung<< auf die Heimatkunst zurück, die bereits um 1900 Bauern, Blut und Boden lobte […]. Die >>heldische Dichtung<<, die den Kampfgeist fördern sollte, folgte im Preis germanischer Heroen und soldatischer Gemeinschaft den Kriegsromanen der Weimarer Republik; und die kultische >>Weihdichtung<<, welche die neugegründete Kampfgemeinschaft zur Glaubensgemeinschaft erhob, bediente sich irrationaler Momente des Expressionismus.“ (Rothmann, 2009, S. 288)

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Die wirklich erfolgreichen Bücher waren meist thematisch neutral – wie der Großteil der Unterhaltungsliteratur – und deshalb auch nach Kriegsende 1945 weiterhin erfolgreich. Der Rest, also die typische nationalsozialistische Literatur, wurde nach 1945 nur mehr von einer gewissen Klientel gelesen, später verboten oder aber verschwand einfach – ob der Einfachheit und des Verzichts auf Ästhetik – im Vergessen.

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5. Fazit

In dieser Arbeit wurde die Forschungsfrage gestellt, ob die Nationalsozialisten durch ihre Gleichschaltungspolitik in der Lage waren, den Buchmarkt zu kontrollieren. Der Forschungsschwerpunkt dazu lag darauf, wie das Literatursystem der Nationalsozialisten arbeitete und wer beziehungsweise was veröffentlicht wurde.

Ausgehend von der Forschungsfrage lässt sich sagen, dass eine teilweise Gleichschaltung und der Erfolg von nationalsozialistischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern nicht abzustreiten sind, doch eine richtige Kontrolle des Buchmarktes und der gesamten Literatur ist den Nationalsozialisten nicht gelungen. Die Gründe dafür waren vielfältig und trugen doch alle etwas dazu bei, dass der Buchmarkt nicht vollständig kontrolliert werden konnte. Ein Problem war sicherlich die Vielzahl an Ämtern und Parteistellen, wie in Kapitel 2.1. beschrieben. Uneinigkeit, fehlende Koordination, aber auch die interne Konkurrenz der Entscheidungsträger, genauer betrachtet in Kapitel 3.2., die eine einheitliche Linie verhinderten, waren ein anderes Problem. „Die Uneigentlichkeit des Anspruchs auf totalitäre weltanschauliche Erfassung und Mobilisation, der, wenn er ernstgenommen worden wäre, den gewohnten bürgerlichen Kultur- und Unterhaltungsgenuß weit stärker lahmgelegt hätte, zeigt sich gerade in der großen Bedeutung, die Hitler und auch Goebbels der kulturellen und der unterhaltsamen Ablenkung von den weltanschaulichen und materiellen Zumutungen des Regimes einräumten.“ (Broszat, 1983, S. 74)

Darüber hinaus funktionierte die Kontrolle der Nationalsozialisten nie absolut. Trotz Index, Bücherverbrennungen und scharfer Kontrollen und Durchsuchungen, fanden immer wieder verbotene Bücher ihren Weg unter die Leute, da es nie möglich war, jedes verbotene Buch in Privatbibliotheken, Antiquariaten oder auch Buchhandlungen zu finden und zu zerstören. Außerdem herrschte gerade zu Beginn große Verwirrung über die Verbotslisten und so wurden anfangs auch die verbotenen und lange Zeit auch ausländische Autorinnen und Autoren noch verkauft, wie in Kapitel 2.4., Kapitel 3.1.2. und am Beispiel Saint- Exupérys (3.4.c)) zu sehen. Des Weiteren wurden einige Autorinnen und Autoren, wie beispielsweise, Spoerl oder Bergengruen, die Kritik am Regime - versteckt oder sogar offen – äußerten, geduldet oder gar gefördert. Und am wichtigsten war die Erkenntnis, dass es anscheinend unmöglich ist, der

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Bevölkerung einen Lesegeschmack gänzlich aufzuzwingen. So sehr die NS-Literatur auch gefördert wurde, die besten Kritiken erhielt und in den Bestsellerlisten stand, die Leserinnen und Leser hatten doch immer ihren eigenen Lesegeschmack, an dem sie festhielten. „Der durchschnittliche Leser im Dritten Reich bevorzugte nicht NS-Romane, sondern las Wissenschaftsromane und heitere Romane sowie „importierte" Bestseller aus dem Ausland.“ (Schneider, 2004, S. 78) Es ist unbestritten, „[…] dass neben einigen wenigen Bestsellerromanen von ausgewiesenen NS-Autoren wie Kuni Tremel-Eggert oder Hans Zöberlein, die aber in erster Linie durch NS-Parteiverlage zu Bestsellern gemacht wurden, hauptsächlich unpolitische Unterhaltungsromane im Dritten Reich zu Bestsellern avancierten, von denen fast die Hälfte noch heute im Buchhandel erhältlich ist.“ (Schneider, 2004, S. 78)

Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist, der in Kapitel 3.4.a) beschriebene, Hans Fallada, dessen Bücher man bis heute im Buchhandel findet und der vor, im und während des Zweiten Weltkriegs erfolgreich, beliebt und bekannt war und ist.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Lesegewohnheiten der deutschen Bevölkerung und auch der Wehrmachtssoldaten zwar stark an den Kanon angepasst waren, die Präferenz aber eindeutig mehr bei (humorvoller) Unterhaltungsliteratur, Sachbüchern oder Klassikern lag, ganz gleich ob diese dem Kanon angehörte oder nicht.

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6. Literatur- und Quellenverzeichnis

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65. Wildt, Michael, Geschichte des Nationalsozialismus, Göttingen 2008. 66. Wulf, Josef, Kultur im Dritten Reich. Literatur und Dichtung, Berlin 1989.

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7. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufbau der Reichsschrifttumskammer (Stand 1937). (Graeb-Könneker, 2001, S. 43) ...... 13 Abbildung 2: Ausweis der Reichskulturkammer 1937 (Lebendiges Museum Online, o.S.) ...... 17 Abbildung 3: Schichtenspezifische Lesegewohnheiten von Arbeiterlesern (AL), Bürgerlichem Mittelstand (BM) und Akademikern (AK) aus 1939. (Adam, 2013, S. 64) ...... 67 Abbildung 4: Anzeige aus dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel vom Juni 1933 (Adam, 2013, S. 117) ...... 81

Tabelle 1: Ladenpreise von 1932-1934. Barbian, Jan-Pieter, Literaturpolitik im NS- Staat. Von der >>Gleichschaltung<< bis zum Ruin, Frankfurt 2010……………………28

Tabelle 2: Anzahl der gelieferten Exemplare für die Wehrmacht je Verlag von 1939-43. Barbian, Jan-Pieter, Literaturpolitik im NS-Staat. Von der >>Gleichschaltung<< bis zum Ruin, Frankfurt 2010….………………………………………………………………..29

Tabelle 3: Auflagenzahlen der Bestseller im Dritten Reich. Adam, Christian, Lesen unter Hitler. Autoren, Bestseller, Leser im Dritten Reich, Frankfurt 2013……………...69

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