Museenkoeln – Das Magazin Nr. 3 2019
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Alexa trifft Ursula Kostbar oder kurios Flucht nach vorn Camera obscura Wunder 1 DAS MAGAZIN N 3 2019 Editorial Henriette Reker Oberbürgermeisterin der Stadt Köln Liebe Leserinnen und Leser, die Kultur ist die Seele der Stadt. Mit Vitalität und Tradition prägen die Museen, die Theater, die Oper, die Konzerthäuser und Orchester, die Bibliotheken, die Volkshochschule, aber auch die unzähligen Künstlerinnen und Künstler aus allen Sparten das Zusammenleben und die Außen- wirkung unserer Stadt – national und international. Deshalb finden wir: »Kultur lebt in Köln.« Und das seit mehr als zwei Jahrtausenden. In hunderten Kulturorten. In tausenden Veran- staltungen. In Millionen Köpfen – und Herzen. Das Motto »Kultur lebt in Köln« steht von nun an für das reichhaltige kulturelle Angebot unserer Stadt und beschreibt zugleich eine Vision und eine Aufgabe, die es einzulösen gilt. Daran arbeiten wir – jeden Tag. Für alle Kölnerinnen und Kölner und alle Besucherinnen und Besucher der Stadt ist es eine herzliche Einladung dazu, am kulturellen Reichtum Kölns teilzuhaben. Zum großen Kölner Kulturangebot gehört auch die vielfältige Museumslandschaft, deren Sammlungen ein lebendiges Zeug- nis der Kölner Kultur sind. Ein Beispiel dafür ist das Reliquiar aus dem Museum Schnütgen, das Sie auf dem Titelbild sehen. Ein mittelalterliches Objekt mit unveränderter Signalwirkung: Innehalten, Nachdenken, Staunen und Bewundern – all das kann Kultur auslösen. Ich wünsche Ihnen spannende Einblicke in die Geschichten, die in den Sammlungen der museenkoeln aufleben.. 3 Wunderbares aus den Sammlungen der Kölner Museen – die »Anbetung der Hirten« von Gerrit van Honthorst 6 gehört dazu. 28 Die Matrone am Neumarkt, ein 17 Meter langes Kunstwerk und 62 Bienenvölker auf dem Dach: Flucht nach vorn: Neues aus den Jabbar Abdullah, Kölner Museen. als Archäologe am Römisch- Germanischen Museum beschäftigt, stammt aus Syrien. 20 Aus der Wunderwelt der analogen Fotografie: ein Photoautomat am Kölner Ebertplatz. 50 »Siri – wer ist Carola Rackete?« Von neuen Heiligen und warum wir auch heute noch auf Wunder hoffen. 4 INHALT Wunder 3 Editorial 28 Neues aus den Museen 56 Das Wunder von Weiden Henriette Reker Eine Grabkammer 32 Nachgefragt im Nichts? 4 Inhalt bei Moritz Woelk, Direktor des Museum Schnütgen 58 Wunder des Überlebens: 6 Ein Wunder kommt selten allein 33 Ihr Kompass 58 »Lieber eine Kugel auf Erstaunliches aus den für die Kölner der Flucht als den Tod Kölner Museen Museumslandschaft durch die Schlinge« Askold Kurow entkam 16 Interview 41 Museumsshopping der Gestapo Susanne Laugwitz-Aulbach Sich wundern und Matthias Hamann mit allen Sinnen 62 »Es geht nur um die Freiheit« 18 1 von 30 42 Der größte Schatz der Ein Gespräch über Angst, Vorgestellt: »sancta Colonia« Hoffnung und das Wunder das Schokoladenmuseum Wie die mittelalterlichen des Überlebens Kölner*innen ihre Heiligen 20 Jedes Bild ein verehrten und Reliquien 69 Impressum kleines Wunder wundersam vermehrten Warum das Medium 70 Zu guter Letzt Fotografie bis heute fasziniert 50 Woher weiß das Wunder Kommt ein Auto geflogen – vom Wunsch? wie der Gullwing ins MAKK 26 1 von 30 Von Glücksbringern, Ikonen kam Vorgestellt: das und Visionärinnen Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt 54 1 von 30 Vorgestellt: die Domschatzkammer 5 Texte: Rüdiger Müller Ein Wunder kommt selten allein 6 Geheimrat von Goethe stehen die Haare Descartes (1596–1650) – »ein Zuviel an zu Berge, als er im Juli 1815 die viel zu Verwunderung negativ sein könne, da es kleine, vollgestopfte Wohnung in der Alten den Gebrauch des Verstandes verhindere«. Dompropstei betritt. Hier also hütet der über Kölner Stadtgrenzen hinaus bekannte Herzkammer der Kölner Museen Universalgelehrte und Sammler Ferdinand Dem spielerischen Sammeltrieb kommt Franz Wallraf (1748–1824) sein enormes mehr und mehr eine wissenschaftliche Arsenal, vom Stundenbuch eines Malte- Bedeutung zu. Auch Ferdinand Franz serritters bis zum versteinerten Vogelnest. Wallraf, Professor und bis 1797 Rektor Der Dichterfürst ist außer sich: »Wie ein der Universität zu Köln, sieht den Sinn Drache bewahrt er diese Schätze, ohne zu seiner Sammlung vornehmlich in der fühlen, dass Tag für Tag etwas Treffliches Lehre, anhand seiner Objekte will er und Würdiges durch Staub und Moder, seinen Studenten die Welt in all ihren durch Schieben, Reiben und Stoßen einen Facetten erklären, den Geschmack und großen Theil seines Wertes verliert.« das Urteilsvermögen schulen. Folgerich- tig macht Wallraf, der Lokalpatriot, die Die große Welt im Kleinen Stadt Köln im Jahr 1818 testamentarisch Das vermeintliche Chaos hat Tradition: zur Alleinerbin seiner an die 40000 Ob- Schon im 16. Jahrhundert sind es Fürsten jekte starken Sammlung, die »zu ewigen und betuchte Bürger, die in sogenannten Tagen« und »zum Nutzen der Kunst Wunderkammern neben Kunst und anti- und Wissenschaft« hier und nirgend- ken Skulpturen alles Erdenkliche horten. wo anders verbleiben soll. Bereits Goe- Darin haben in der Renaissance, auch the hatte dringendst ein »hinreichendes »Zeitalter des Staunens« genannt, Gold- Local« empfohlen, um Wallrafs Schätze schmiedearbeiten denselben Stellenwert »zu ordnen, genießbar und nutzbar« wie Tierpräparate, Erd- und Himmelsglo- zu machen. Im Jahr 1861 eröffnet das ben faszinieren ebenso wie chirurgisches Wallraf-Richartz-Museum auf dem Ge- Gerät, Korallen, Kirschkerne mit Miniatur- lände des ehemaligen Minoritenklosters. schnitzereien oder ostasiatisches Porzellan. Aber auch andere Kölner Einrichtungen Im Nebeneinander der Dinge, im Mitei- profitieren von Wallrafs ungebremster nander von Natur und Kunst, Geschichte Sammelleidenschaft. So gilt er bis heute und Wissenschaft erhofft sich der uner- als Urvater der Kölner Museen. 100 Jahre müdliche Sammler neben Prestige und ge- später ist es der Kölner Domkapitular lehrter Anerkennung auch eine schlüssige und Kunstkenner Alexander Schnütgen Antwort auf die Frage nach dem, was alles (1843 –1918), den schon als jungen Theo- in allem zusammenhält. Und nicht zu- logen der Sammeleifer packt. Aus ver- letzt spielt bei manchem die schelmische staubten Sakristeien rettet er vergessene, Freude mit, sich als allmächtiger Schöpfer vor allem mittelalterliche Kirchenschätze einer eigenen Welt im Kleinen zu füh- vor dem Verfall und für die Nachwelt. len. Neben Rarem und Kuriosem hält vor Schnütgen vermacht seine Sammlung im allem im 18. Jahrhundert der technische Jahr 1906 der Stadt, nachdem ihr das Erz- Fortschritt Einzug in die europäischen bistum keinen eigenen Museumsbau gön- Sammelsurien: Maschinen und Automa- nen mochte. Ihre Heimat haben die von tenfiguren, Nachbildungen von Menschen ihm zusammengetragenen Skulpturen, und Tieren, die sich lebensecht bewegen Tafelbilder und Gemälde, Elfenbeinschnit- können. Ende des 18. Jahrhunderts werden zereien, Kirchenmöbel, sogar komplet- die Kammern von aufgeklärten und ratio- te Chorgestühle im heutigen Museum nal denkenden Zeitgenoss*innen zuneh- Schnütgen gefunden. mend kritisch als suspekte Überbleibsel Rüdiger Müller studierte Germanistik und Politologie. vergangener Zeiten beäugt, da – so bereits Heute arbeitet er als freier Autor und Gestalter. Er ist der Philosoph und Mathematiker René Chefredakteur von museenkoeln – Das Magazin. 7 Erstaunliches aus den Kölner Museen Auch in Zeiten, in denen scheinbar einander der glücklichen Eltern und Ein musikalisches Wunderkind alles eine schlüssige Erklärung hat, staunenden Hirten. Das »W»Wunderunder der erblickt in Köln am 20. Juni 2 können uns noch Dinge in Erstau- Weihnacht«, so nahbar hat es wohl 1819 das Licht der Welt: Ja- nen versetzen. Wir haben uns in den niemand sonst auf die Leinwand kob »Jacques« Offenbach beherrscht Sammlungen der Kölner Museen um- gebannt. Doch das Gemälde birgt bereits in frühen Jahren die Violine in gesehen und sind auf Wunderbares noch mehr Geheimnisse – ein Team Perfektion. Mit neun wird ihm die Geige gestoßen, auf Wunderliches und auf museumseigener Kuratorinnen und langweilig, und – selbst ist das Kind – er Objekte, die unglaubliche Geschich- Restauratorinnen macht bei seiner bringt sich das Cellospielen bei. Vater ten erzählen. Folgen Sie uns in das Arbeit erstaunliche Entdeckungen: Isaac Offenbach lässt den talentierten Kabinett der Wunder … Honthorst selbst hatte die Krippenszene Sprössling bei den besten Cellisten der nachträglich erweitert, der damalige Stadt unterrichten. Mit 13 Jahren packt NichNichtt nur zur Weihnachtszeit Kurator des Wallraf-Richartz-Museums Jakob Instrument und Koffer und zieht 1 zählt Gerrit van Honthorsts aber entschied, den ergänzten Teil des nach Paris, wo er als »Liszt des Violon- »Anbetung der Hirten« zu Gemäldes nach hinten umzuschlagen. cellos« und schließlich als Weltstar der den Publikumsmagneten im Wall- Vermutlich, weil es so besser in einen Operette gefeiert wird. Noch kurz vor raf-Richartz-Museum: Im Jahr 1622 vorhandenen Rahmen passte. Heute ist seiner Abreise in Frankreichs Metropole bringt der holländische Meister das es wieder in voller Größe zu bewundern. gibt Jakob Offenbach seine erste Kom- Christkind zum Strahlen – als zentrale → Wallraf-Richartz-Museum & position in Druck, das »Divertimento Lichtquelle im fast schon intimen Mit- Fondation Corboud über Schweizerlieder«. → Historisches Archiv der Stadt KKölnöln Nr. 1 Nr. 2 Gerrit van Honthorst, Die Jacques Offenbachs erste Anbetung der Hirten, 1622, veröffentlichteveröffentlichte Komposition WWallraf-Richartz-Museumallraf-Richartz-Museum & »Divertimento über Fondation Corboud, Gemäl- Schweizerlieder«, 1839, desammlung, Inv.-Nr. WRM HAStK