Alexa trifft Ursula

Kostbar oder kurios

Flucht nach vorn

Camera obscura

Wunder 1

DAS N 3 2019 Editorial

Henriette Reker Oberbürgermeisterin der Stadt Köln

Liebe Leserinnen und Leser, die Kultur ist die Seele der Stadt. Mit Vitalität und Tradition prägen die Museen, die Theater, die Oper, die Konzerthäuser und Orchester, die Bibliotheken, die Volkshochschule, aber auch die unzähligen Künstlerinnen und Künstler aus allen Sparten das Zusammenleben und die Außen- wirkung unserer Stadt – national und international. Deshalb finden wir: »Kultur lebt in Köln.« Und das seit mehr als zwei Jahrtausenden. In hunderten Kulturorten. In tausenden Veran- staltungen. In Millionen Köpfen – und Herzen. Das Motto »Kultur lebt in Köln« steht von nun an für das reichhaltige kulturelle Angebot unserer Stadt und beschreibt zugleich eine Vision und eine Aufgabe, die es einzulösen gilt. Daran arbeiten wir – jeden Tag. Für alle Kölnerinnen und Kölner und alle Besucherinnen und Besucher der Stadt ist es eine herzliche Einladung dazu, am kulturellen Reichtum Kölns teilzuhaben. Zum großen Kölner Kulturangebot gehört auch die vielfältige Museumslandschaft, deren Sammlungen ein lebendiges Zeug- nis der Kölner Kultur sind. Ein Beispiel dafür ist das Reliquiar aus dem Museum Schnütgen, das Sie auf dem Titelbild sehen. Ein mittelalterliches Objekt mit unveränderter Signalwirkung: Innehalten, Nachdenken, Staunen und Bewundern – all das kann Kultur auslösen. Ich wünsche Ihnen spannende Einblicke in die Geschichten, die in den Sammlungen der museenkoeln aufleben..

3 Wunderbares aus den Sammlungen der Kölner Museen – die »Anbetung der Hirten« von Gerrit van Honthorst 6 gehört dazu. 28 Die Matrone am Neumarkt, ein 17 Meter langes Kunstwerk und 62 Bienenvölker auf dem Dach: Flucht nach vorn: Neues aus den Jabbar Abdullah, Kölner Museen. als Archäologe am Römisch- Germanischen Museum beschäftigt, stammt aus Syrien.

20 Aus der Wunderwelt der analogen Fotografie: ein Photoautomat am Kölner Ebertplatz. 50 »Siri – wer ist Carola Rackete?« Von neuen Heiligen und warum wir auch heute noch auf Wunder hoffen.

4 INHALT Wunder

3 Editorial 28 Neues aus den Museen 56 Das Wunder von Weiden Henriette Reker Eine Grabkammer 32 Nachgefragt im Nichts? 4 Inhalt bei Moritz Woelk, Direktor des Museum Schnütgen 58 Wunder des Überlebens: 6 Ein Wunder kommt selten allein 33 Ihr Kompass 58 »Lieber eine Kugel auf Erstaunliches aus den für die Kölner der Flucht als den Tod Kölner Museen Museumslandschaft durch die Schlinge« Askold Kurow entkam 16 Interview 41 Museumsshopping der Gestapo Susanne Laugwitz-Aulbach Sich wundern und Matthias Hamann mit allen Sinnen 62 »Es geht nur um die Freiheit« 18 1 von 30 42 Der größte Schatz der Ein Gespräch über Angst, Vorgestellt: »sancta « Hoffnung und das Wunder das Schokoladenmuseum Wie die mittelalterlichen des Überlebens Kölner*innen ihre Heiligen 20 Jedes Bild ein verehrten und Reliquien 69 Impressum kleines Wunder wundersam vermehrten Warum das Medium 70 Zu guter Letzt Fotografie bis heute fasziniert 50 Woher weiß das Wunder Kommt ein Auto geflogen – vom Wunsch? wie der Gullwing ins MAKK 26 1 von 30 Von Glücksbringern, Ikonen kam Vorgestellt: das und Visionärinnen Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt 54 1 von 30 Vorgestellt: die Domschatzkammer

5 Texte: Rüdiger Müller

Ein Wunder kommt selten allein

6 Geheimrat von Goethe stehen die Haare Descartes (1596–1650) – »ein Zuviel an zu Berge, als er im Juli 1815 die viel zu Verwunderung negativ sein könne, da es kleine, vollgestopfte Wohnung in der Alten den Gebrauch des Verstandes verhindere«. Dompropstei betritt. Hier also hütet der über Kölner Stadtgrenzen hinaus bekannte Herzkammer der Kölner Museen Universalgelehrte und Sammler Ferdinand Dem spielerischen Sammeltrieb kommt Franz Wallraf (1748–1824) sein enormes mehr und mehr eine wissenschaftliche Arsenal, vom Stundenbuch eines Malte- Bedeutung zu. Auch Ferdinand Franz serritters bis zum versteinerten Vogelnest. Wallraf, Professor und bis 1797 Rektor Der Dichterfürst ist außer sich: »Wie ein der Universität zu Köln, sieht den Sinn Drache bewahrt er diese Schätze, ohne zu seiner Sammlung vornehmlich in der fühlen, dass Tag für Tag etwas Treffliches Lehre, anhand seiner Objekte will er und Würdiges durch Staub und Moder, seinen Studenten die Welt in all ihren durch Schieben, Reiben und Stoßen einen Facetten erklären, den Geschmack und großen Theil seines Wertes verliert.« das Urteilsvermögen schulen. Folgerich- tig macht Wallraf, der Lokalpatriot, die Die große Welt im Kleinen Stadt Köln im Jahr 1818 testamentarisch Das vermeintliche Chaos hat Tradition: zur Alleinerbin seiner an die 40000 Ob- Schon im 16. Jahrhundert sind es Fürsten jekte starken Sammlung, die »zu ewigen und betuchte Bürger, die in sogenannten Tagen« und »zum Nutzen der Kunst Wunderkammern neben Kunst und anti- und Wissenschaft« hier und nirgend- ken Skulpturen alles Erdenkliche horten. wo anders verbleiben soll. Bereits Goe- Darin haben in der Renaissance, auch the hatte dringendst ein »hinreichendes »Zeitalter des Staunens« genannt, Gold- Local« empfohlen, um Wallrafs Schätze schmiedearbeiten denselben Stellenwert »zu ordnen, genießbar und nutzbar« wie Tierpräparate, Erd- und Himmelsglo- zu machen. Im Jahr 1861 eröffnet das ben faszinieren ebenso wie chirurgisches Wallraf-Richartz-Museum auf dem Ge- Gerät, Korallen, Kirschkerne mit Miniatur- lände des ehemaligen Minoritenklosters. schnitzereien oder ostasiatisches Porzellan. Aber auch andere Kölner Einrichtungen Im Nebeneinander der Dinge, im Mitei- profitieren von Wallrafs ungebremster nander von Natur und Kunst, Geschichte Sammelleidenschaft. So gilt er bis heute und Wissenschaft erhofft sich der uner- als Urvater der Kölner Museen. 100 Jahre müdliche Sammler neben Prestige und ge- später ist es der Kölner Domkapitular lehrter Anerkennung auch eine schlüssige und Kunstkenner Alexander Schnütgen Antwort auf die Frage nach dem, was alles (1843 –1918), den schon als jungen Theo- in allem zusammenhält. Und nicht zu- logen der Sammeleifer packt. Aus ver- letzt spielt bei manchem die schelmische staubten Sakristeien rettet er vergessene, Freude mit, sich als allmächtiger Schöpfer vor allem mittelalterliche Kirchenschätze einer eigenen Welt im Kleinen zu füh- vor dem Verfall und für die Nachwelt. len. Neben Rarem und Kuriosem hält vor Schnütgen vermacht seine Sammlung im allem im 18. Jahrhundert der technische Jahr 1906 der Stadt, nachdem ihr das Erz- Fortschritt Einzug in die europäischen bistum keinen eigenen Museumsbau gön- Sammelsurien: Maschinen und Automa- nen mochte. Ihre Heimat haben die von tenfiguren, Nachbildungen von Menschen ihm zusammengetragenen Skulpturen, und Tieren, die sich lebensecht bewegen Tafelbilder und Gemälde, Elfenbeinschnit- können. Ende des 18. Jahrhunderts werden zereien, Kirchenmöbel, sogar komplet- die Kammern von aufgeklärten und ratio- te Chorgestühle im heutigen Museum nal denkenden Zeitgenoss*innen zuneh- Schnütgen gefunden. mend kritisch als suspekte Überbleibsel Rüdiger Müller studierte Germanistik und Politologie. vergangener Zeiten beäugt, da – so bereits Heute arbeitet er als freier Autor und Gestalter. Er ist der Philosoph und Mathematiker René Chefredakteur von museenkoeln – Das Magazin.

7 Erstaunliches aus den Kölner Museen

Auch in Zeiten, in denen scheinbar einander der glücklichen Eltern und Ein musikalisches Wunderkind alles eine schlüssige Erklärung hat, staunenden Hirten. Das »W»Wunderunder der 2 erblickt in Köln am 20. Juni können uns noch Dinge in Erstau- Weihnacht«, so nahbar hat es wohl 1819 das Licht der Welt: Ja- nen versetzen. Wir haben uns in den niemand sonst auf die Leinwand kob »Jacques« Offenbach beherrscht Sammlungen der Kölner Museen um- gebannt. Doch das Gemälde birgt bereits in frühen Jahren die Violine in gesehen und sind auf Wunderbares noch mehr Geheimnisse – ein Team Perfektion. Mit neun wird ihm die Geige gestoßen, auf Wunderliches und auf museumseigener Kuratorinnen und langweilig, und – selbst ist das Kind – er Objekte, die unglaubliche Geschich- Restauratorinnen macht bei seiner bringt sich das Cellospielen bei. Vater ten erzählen. Folgen Sie uns in das Arbeit erstaunliche Entdeckungen: Isaac Offenbach lässt den talentierten Kabinett der Wunder … Honthorst selbst hatte die Krippenszene Sprössling bei den besten Cellisten der nachträglich erweitert, der damalige Stadt unterrichten. Mit 13 Jahren packt NichNichtt nur zur Weihnachtszeit Kurator des Wallraf-Richartz-Museums Jakob Instrument und Koffer und zieht 1 zählt Gerrit van Honthorsts aber entschied, den ergänzten Teil des nach Paris, wo er als »Liszt des Violon- »Anbetung der Hirten« zu Gemäldes nach hinten umzuschlagen. cellos« und schließlich als Weltstar der den Publikumsmagneten im Wall- Vermutlich, weil es so besser in einen Operette gefeiert wird. Noch kurz vor raf-Richartz-Museum: Im Jahr 1622 vorhandenen Rahmen passte. Heute ist seiner Abreise in Frankreichs Metropole bringt der holländische Meister das es wieder in voller Größe zu bewundern. gibt Jakob Offenbach seine erste Kom- Christkind zum Strahlen – als zentrale → Wallraf-Richartz-Museum & position in Druck, das »Divertimento Lichtquelle im fast schon intimen Mit- Fondation Corboud über Schweizerlieder«. → Historisches Archiv der Stadt KKölnöln

Nr. 1 Nr. 2 Gerrit van Honthorst, Die Jacques Offenbachs erste Anbetung der Hirten, 1622, vveröffentlichteeröffentlichte Komposition WWallraf-Richartz-Museumallraf-Richartz-Museum & »Divertimento über Fondation Corboud, Gemäl- Schweizerlieder«, 1839, desammlung, Inv.-Nr. WRM HAStK Best. 1136, A 1079 2122, Foto: Rheinisches Bild- archiv Köln, Sabrina Walz, rba_d046633 8 Verner Panton (1926–1998), Erstaunliches für allealle,, denen Abenteuerliche Odyssee 3 der dänische Designer, der 4 zur Gattung der Vögel erst 5 eines KunsKunstwerks:twerks: Otto PPop-Artop-Art mit Möbeldesign einmal das Twitter-Logo in FreundlichsFreundlichs Mosaik »Die kombinierte. Er entwarf Anfang der den Sinn kommt: Vögel zwitschern, Geburt des Menschen« war für die Vil- 1960er-Jahre eine transparente, mit können fliegen und – um darin zu la des Tabakhändlers Josef Feinhals Luft befüllte Sitzgelegenheit: den nisten – vollkommene Bauwerke kons- in Köln-Marienburg gedacht. Dort Inflatable Stool. Schon länger experi- truieren. Eines davon hat dank einer allerdings wird es nie installiert. So mentierte er mit Vinylfolie, die Vorteile widerstandsfähigen Kruste aus Kalk trotzt das filigrane Werk – welch Wun- aufblasbarer Möbel lagen für ihn auf die Jahrhunderte überdauert. Mit der – dem Bombenhagel des Zweiten der Hand: geradlinig im Design, leicht höchster Wahrscheinlichkeit stammt Weltkrieges im Schuppen einer Kölner zu lagern, zu transportieren und auf- das Nest aus dem Naturalien- und Mosaikwerkstatt. Bei den Nazis ist geblasen ein Wunder des Sitzkomforts. Mineralienkabinett des Kölner Samm- Freundlich als Avantgardist, Jude und Nur in Sachen Serienproduktion ging lers Ferdinand Franz Wallraf. Objekte Kommunist verhasst. Seine Skulptur dem Wundermöbel wegen technischer wie diese nutzte er als Gymnasialleh- »Großer Kopf« wird als Titelmotiv Probleme beim Verschweißen die Luft rer und Professor, um seinen Schülern des Ausstellungsführers zum Sinnbild aus, Pantons Entwurf geriet in Ver- die Wunder der Natur zu erklären. »Entarteter Kunst« (1937), Freundlich gessenheit. Bis zur Wiedergeburt im Das kuriose Stück findet sich im 1943 verhaftet und ermordet. 1954 Sommer 2018: hundertfach als coole Fossilien-Verzeichnis seiner Samm- bringt die Stadt Köln das Mosaik in Kulisse für Modenschauen von Pra- lung unter den »Incrustaten« aus dem einem Seitenflügel des neu errichte- da und zu erwerben im stilbewussten Pflanzenreich. → GeoMuseum der ten Opernhauses an, wo es aber trotz Prada-Koffer inklusive Elektropumpe. Universität zu Köln seiner Größe (über 2 × 3 Meter) ein → MAKK – Museum für Angewandte Schattendasein fristet. Seit Beginn Kunst Köln Nr. 4 der Sanierungsarbeiten am Offen- Versteinertes VVogelnestogelnest aus der bachplatz ist Freundlichs Hommage Sammlung Wallraf, GeoMuseum Nr. 3 der Universität zu Köln, an Mensch und Kosmos in der Dauer- Verner Panton, Inflatable Stool,Stool, Foto: Ralf Hollerbach ausstellung des Museum Ludwig zu Prada, 2018 (exklusiv produziert sehen. → Museum Ludwig von VERPAN), MAKK – Museum für Angewandte Kunst Köln, Foto: DetlefSchumacher.com

Nr. 5 Otto Freundlich, Die Geburt des Menschen, 1919, Museum Ludwig, Foto: Rheinisches BildarBildarchivchiv Köln, B. Schlier, rba_d045266

9 Verwundert rreibteibt man sich Kein Scherz. Am 1. April 1960 Deutschland glaubt wieder 6 die Augen: eine farbenfrohe 7 kommt bei AAusgrabungenusgrabungen in 8 an Wunder,Wunder, das WunderWunder von SzSzene,ene, Menschen im Biergar- Köln-BrKöln-Braunsfeldaunsfeld ein wahres Bern. Neun Jahre nach Ende ten. Das soll ein Bild von Käthe Kollwitz Wunderwerk ans Tageslicht: Auf dem des ZweitZweitenen Weltkrieges sind wir wieder sein? Gemalt von jener Künstlerin, der Gelände eines ehemaligen römischen wer – Fußballweltmeister! Beim Zwi- bekanntermaßen die ernsten, düsteren Gutshofes und der späteren Sidol-Putz- schenstopp des Sonderzuges mit der Themen der Menschheit am Herzen la- mittelwerke entdecken Archäolog*in- siegreichen Nationalelf ist am 5. Juli gen: Armut und Krieg, Tod und Trauer. nen mit dem Diatret-Becher ein er- 1954 halb Friedrichshafen in Aufruhr. Tatsächlich entdeckt Kollwitz auf staunliches Stück römischer Glaskunst. Die Massen strömen zum Bahnhof. der Münchener Künstlerinnenschule – Das dreifarbige Gefäß mit filigranem, Auch Rosemarie Holze, die gerade eben ihr Vater und Förderer träumt von einer durchbrochenem Glasnetz und der beim Fotografen ein Familienporträt Karriere der Tochter als bewunderter Ermunterung: »Trinke, lebe schön abgeholt hat, wird vom Freudentaumel Historienmalerin – ein gewisses Faible immerdar« gibt manches Rätsel auf. gepackt. Sie schafft es am Bahnsteig für die impressionistische Freilicht- Bis heute ist man sich uneins, wie ein Deutsches Sport & Olympia malerei im Stil von Max Liebermann. solches Glas, datiert auf das 4. Jahr- Museum Aber hatte Kollwitz tatsächlich das hundert nach Christus, überhaupt

Zeug zur bedeutenden Impressionistin? hergestellt werden konnte. Diatrete aus Nr. 8 Die Antwort gibt die Künstlerin selbst, dem Römischen Reich gibt es einige, Familienfoto mit 1941 erinnert sie sich, dass sie »mit der aber nur sehr wenige sind so exzellent Autogrammen der Helden von Farbe nicht weiterkommt«, und be- erhalten wie dieses. Der Wert eines sol- Bern, WM 1954, merkt: »Ich bin ja gar keine Malerin.« chen Einzelstücks ist nicht zu beziffern. Deutsches Sport & Sie findet ihre Bestimmung schließ- → Römisch-Germanisches Museum Olympiamuseum lich in der Druckgrafik, ihre Ölstudien bleiben eine Rarität. → Käthe Kollwitz Museum Köln

Nr. 6 Käthe Kollwitz, Biergarten II, Nr. 7 frühe 1890er-Jahre?,1890er-Jahre?, Diatret-Becher, Kölner Kollwitz-Sammlung, Römisch-Germanisches Museum, Foto: Käthe Kollwitz Museum Köln Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln

10 bis weit nach vorn und reicht spontan 33 Holzpüppchen. Und jedes Als Rosa Maria Cuéllar vor das Foto durchs geöffnete Zugfens- 9 trägt einen weiblichen Vor- 10 Jahren wie Millionen Gläu- ter ins Abteil der umjubelten Kicker. namen. WWasas dahintersteckt? bige zum Gnadenbild der Auf der Rückseite verewigen sich Die wunderbare Erfolgsgeschichte der Jungfrau von Guadalupe in Mexi- neben Trainerlegende Sepp Herberger Hiller-Girls. Das legendäre Tanz- und ko-Stadt pilgert, scheint die Gottes- auch Fritz Walter und Helmut Rahn, Revueensemble, 1928 von Opernsänger mutter ihre allerletzte Hoffnung: Ein Ex-FC-Köln-Spieler und Schütze des Rudolf Hiller in Berlin gegründet, wurde paar Tage ist Rosa Marias Tochter entscheidenden Tores gegen Ungarn. in Windeseile populär – sein moderner, auf der Welt, doch deren Überlebens- Das Familienbild mit Vergangenheit ist perfekt synchroner Tanzstil, die selbst- chancen sind gering. Die Ärzte sagen, eine Schenkung der Tochter Christel bewusst zur Schau gestellten weib- nur eine riskante Operation könne (auf der Fotografie vier Jahre alt). lichen Reize machten die Formation helfen – vielleicht. Die verzweifelte Frau → Deutsches Sport & Olympia zu Lieblingen des Publikums. Selbst fleht und gelobt, von nun an jedes Jahr Museum Nazideutschland lag ihnen zu Füßen – Hunderte Becher Kaffee und Brote an 1936 tanzten die Hiller-Girls bei der die Pilgerscharen vor der Basilika zu Eröffnungsfeier der Olympiade. Nach verteilen. Heute ist die Tochter ge- Kriegsende gehörten sie zum Inventar sund – auch ohne den gefährlichen der großen Revuefilme der 1950er-Jah- Eingriff. Mutter und Tochter reisen re oder der Fernsehshows mit Peter noch immer alljährlich zur Jungfrau, Frankenfeld. Und was ist nun mit den um die Gläubigen zu versorgen. »Ich Puppen? Die nutzte die verantwortliche bin sehr zufrieden, und wir geben mit künstlerische Leiterin Gertrude Hiller, ganzem Herzen«, sagt Rosa Maria. Das um ihren Girls die neusten Choreogra- Armband mit dem Bild der Jungfrau fien zu erklären. → Deutsches Tanz- erinnert sie an schwere Zeiten. Und das archiv KKölnöln Wunder von Guadalupe. → Rauten - strauch-Joeststrauch-Joest-Museum-Museum – Kulturen der Welt

Familienfoto mit Autogrammen Nr. 9 der Helden von Bestand 080, Archiv Bern, WM 1954, Nr. 10 Rolf und Gertrude Deutsches Sport & Wunder-Armband einer Hiller, Archiv der Hil- Olympiamuseum mexikanischenmexikanischen Pilgerin, ler-Girls, Deutsches Foto: Rautenstrauch-Joest- Tanzarchiv Köln, Foto: Museum – Kulturen der Welt, Deutsches Tanzarchiv Camilla Heldt Köln, Janet Sinica

11 Wo ist innen? Was ist außen? Ein lebensgroßes Pferd nen Rechenmeister Nicasius Hackeney, 11 Bei der »Garden Gallery« des 12 aus Lindenholz. Seit 1958 stammtstammt es wohl aus der Zeit um 1500 Star-ArStar-Architektenchitekten Sou Fuji- schmücktschmücktee es über Jahrzehnte – und ist damit eines der ältesten erhal- moto ist man sich da gar nicht mehr als imposanterimposanter Mittelpunkt einer Ritter- tenen Rüstkammerpferde europaweit. so sicher, denn die räumlichen Emp- gruppe – die Dauerausstellung des Köl- Im repräsentativen Entrée des Hauses findungen gehen beim Betrachten auf nischen Stadtmuseums im Zeughaus. trug die Skulptur nicht nur einen Ross- wundersame Weise ineinander über. Die Herkunft des wunderlichen Rosses harnisch als Schutz des Vierbeiners für Im Hof der offen gestalteten Archi- jedoch lag lange Zeit im Dunkeln. Ver- Kampf und Turniere, sondern auch die tektur ohne Dach und zusätzlichen mutlich stand es im Treppenhaus des Rüstung des stolzen Ritters und Rei- Boden sorgt eine Gleditschie, auch Hackeney’schen Hofes am Neumarkt, ters selbst – in einer Art Geheimfach Lederhülsenbaum genannt, für zusätz- der Kölner Residenz Maximilians I. Ge- unterhalb der abnehmbaren oberen liche Verblüffung. Verbunden mit dem dacht als Präsent des Kaisers an seinen Körperhälfte des Tieres. → Kölnisches Grün des Parks drumherum, betont 1498 frisch in den Ritterstand erhobe- Stadtmuseum das Gewächs – wie auch die beiden Skulpturen von Hubert Kiecol und Per Nr. 12 Lebensgroßes Holzpferd aus Kirkeby –, dass man sich an einem Ort dem Hackeney’schen Hof, um befindet, der nicht eindeutig als Innen- 15001500,, Kölnisches Stadtmu- oder Außenraum definiert werden seum, Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_d014802 kann. Die »Garden Gallery«, seit 2011 im Skulpturenpark Köln zu bestaunen, Nr. 13 ist übrigens Fujimotos erste Architektur Liegender Einzylinder, um 1880, Foto: Odysseum außerhalb seiner japanischen Heimat. → Skulpturenpark Köln

Nr. 11 Sou Fujimoto, Garden Gallery, 2011, © Stiftung Skulpturenpark Köln, 20192019,, Foto: Axel Schnei- der, Frankfurt a. M.

12 Nach 632 Jahren Bauzeit ner Ingenieur im Dienst der Deutz AG Da steht er, die Ruhe selbst: 13 ist es MitteMitte OktoberOktober 1880 so revolutioniert seit 1876 mit seinem 14 der Bodhisattva (der(der nach weit: Arbeiter setzen den letz- Viertaktmotor (später: Ottomotor) den der höchsten Erkenntnis stre- ten Stein in die Spitze des Südturmes – Planeten. Künftig bewegt er Maschinen, bende) Jizô. Glatt rasiert der Schädel, in Anwesenheit des Kaiserpaares feiert Automobile, Menschen – und lässt die in der rechten Hand ein Wunschjuwel in Köln die Vollendung seines Domes. Mit Kathedrale erstrahlen. Schon zum Fest Tropfenform. Gilt er den Japaner*innen seinen 157 Meter hohen Türmen lange der Fertigstellung liefern Ottomotoren doch als Schutzgott der Kinder, Frauen Zeit das höchste Bauwerk der Welt. Ein den notwendigen Strom für die Bogen- und Reisenden. Aber auch als Fürst der Juwel der Gotik, das auch im Dunkeln lampen, die Türme und Fassade ins Unterwelt – mit der Macht, Verstorbene leuchten soll. Da kommt die zünden- rechte, feierliche Licht setzen. Das tech- aus dem Höllenfeuer zu befreien. Die de Idee von Nicolaus August Otto nische Wunder trifft auf ein Wunder der aus Zedernholz geschnitzte Skulptur (1832 – 1891) gerade recht, der Köl- Architektur. → Odysseum gibt Rätsel auf: 1911 von Adolf Fischer, dem Gründer des Museum für Ostasia- tische Kunst, im japanischen Nara ge- kauft, bleibt nicht nur die Entstehungs- zeit des Kultbildes lange schleierhaft, sondern bis 1983 auch sein größtes Ge- heimnis verborgen: Bei Restaurierungs- arbeiten stößt man auf die »Seele des Jizô«: Im Innern der Figur finden sich als Weihegaben Tausende Votivdrucke, religiöse Schriftrollen, kleine Holz- und Bronzefiguren und eine Buddha-Reli- quie, in Seide gehüllt. Zudem eine Stif- tungsurkunde – datiert auf den elften Monat des Jahres 1249. → MOK – Museum für Ostasiatische Kunst Köln

Nr. 14 Bodhisattva Jizô Kôen (120(12077 – nach 1275), Japan, Kamakura-Zeit, datiert 1249, Museum für Ostasiatische Liegender Einzylinder, Kunst Köln, B 11,37, um 1880, Foto: Odysseum Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_c004107

13 Wer glaubt, wird selig: So WWennenn die Dunkelkammer zur 1968. In Berlin revoltieren die 15 sind für Christenmenschen 16 Wunderkammer wird: An die 17 Student*innen, in Köln geht die Reliquien vvonon Heiligen, will 10 700 Negative des legen- es (noch) beschaulich zu: sagen ihre körperlichen Überbleibsel, dären August Sander (1876 – 1964) sind »Märchen und Wunder unserer Zeit« ist unschätzbar bedeutsam. Aufbewahrt in der Photographischen Sammlung das Motto der Session, und am Rosen- in prachtvollen Behältnissen, soge- archiviert. Von vielen existieren keine montag fliegen traditionell Kamelle. nannten Reliquiaren, sind sie oft die Originalabzüge mehr. Umso wunderba- Keine Pflastersteine. Die Revolution im direkteste Verbindung zur höchsten rer, dass im hauseigenen Labor anhand Kölner Karneval lässt noch ein wenig Instanz, zu Gott. Die Heiligen werden zu von Sanders originalen Glasnegativen auf sich warten: Barfuß, mit schrägen Ansprechpartnern und Vermittlern in Neuabzüge, gern auch Modern Prints Klamotten und einer Haarpracht im der Hoffnung auf ein irdisches Wunder. genannt, erstellt werden können. So Hippie-Look entert wenig später eine Mit dem geheimnisvollen Armreli- schafft es noch heute manch nie ge- junge kölsche Beatband die Bühnen quiar, von Alexander Schnütgen in den zeigtes Motiv aus Sanders epochalem der Festsäle: Die Bläck Fööss um 1870/1880er-Jahren im norddeutschen Kulturwerk in Lichtbildern »Menschen Frontmann Tommy Engel sorgen mit Kunsthandel erworben, konnte – sozu- des 20. Jahrhunderts« in internationa- Outfit und ihren Songs mit oft kriti- sagen stellvertretend für die Heiligen – le Ausstellungen. So wie dieses, das schen Texten bei Würdenträgern und im Rahmen einer feierlichen Aus- Porträt der Familie Weinbrenner, einer Publikum für Stirnrunzeln. Da grenzt setzung der Segen erteilt werden. Das, Unternehmerfamilie aus Neunkirchen, es an ein Wunder, dass die Fööss worauf es ankommt, die eigentliche nahe Sanders Geburtsort Herdorf, ent- sich nicht haben beirren lassen. 2020 Reliquie, befindet sich im Handteller standen kurz vor dem Ersten Weltkrieg. feiert die Band »mit Stammbaum« ihr des eigentümlichen Behälters – hinter → Die Photographische Sammlung/ 50. Bühnenjubiläum, auch »bei uns im einem wertvollen Bergkristall. SK Stiftung Kultur Veedel«. → Kölner KarnevKarnevalsmuseumalsmuseum → Museum Schnütgen – Kunst des Mittelalters

Nr. 16 August Sander, Die Familie WeinbrWeinbrenner,enner, aus der Mappe Der Kleinstädter, in: Menschen des 20. Jahrhunderts (hier während des Entwicklungsprozesses), Foto: Die Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur, Janet Sinica

Nr. 17 Die StowawayStowawayss (später: Bläck Fööss) bei einem Beatfestival im September 1968, Foto: Jens Hagen /HAStK Bestand 1753: Hagen, Jens

Nr. 15 Armreliquiar, vermutlich Hildesheim, 2. Hälfte 12. Jahrhundert, Museum Schnütgen, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_c006142

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Interview

In der Natur, in der Kunst oder – wenn man die Augen offen hält – gleich um die Ecke: Das Leben steckt voller großer und auch kleiner Wunder. Nicht zuletzt sind die Sammlungen der Kölner Museen voll davon. Im Gespräch mit Matthias Hamann erklärt die Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach, warum man in Museen auch einfach einmal nur staunen sollte.

Susanne Matthias Hamann Laugwitz-Aulbach Direktor des Museumsdienstes Beigeordnete für Kunst und Kultur Köln und Herausgeber der Stadt Köln museenkoeln – Das Magazin

Frau Laugwitz-Aulbach, haben Und wie kommt man im Museum Neugier, Lust und Leidenschaft. wir das Staunen verlernt? den Wundern auf die Spur? Ohne diese Eigenschaften wären Man sucht ja ständig nach Schub- Indem man sich Zeit nimmt, einfach die Kölner Museen doch im Grun- laden, um die Welt und die Dinge, vor den Objekten und Kunstwerken de undenkbar?! möglichst wissenschaftlich fundiert, verharrt, seinen Blick schärft, sich Das stimmt. Es gab in Köln zu allen einzuordnen. Da gibt es für jedes überraschen lässt von der Kunst- Zeiten Menschen, die Schönes, Rares, vermeintliche Wunder eine schlüs- fertigkeit, von der Komposition der Wunderbares und auch Wunder- sige Erklärung, jedes Phänomen Farben. Man kann sich einnehmen liches zusammengetragen haben. wird gleich entzaubert. Vielleicht lassen von den verblüffenden Ideen, Anderswo waren es die Kunst- und ist uns da wirklich ein Stück weit von den oft erstaunlichen Geschich- Wunderkammern des Adels, in Köln die Fähigkeit abhandengekommen, ten, die hinter einzelnen Werken die Sammlungen und Schenkungen neugierig und unvoreingenommen oder den Objekten einer Ausstel- engagierter und kunstinteressierter durchs Leben zu gehen. Oder durch lung stehen. Denn nicht nur in den Bürger*innen, aus denen letztendlich die Museen unserer Stadt. Meiner Kunstsammlungen, auch beispiels- unsere heutigen Museen erwach- Meinung nach sind sie die idealen weise in den historischen Museen sen sind. Ohne einen Wallraf, ohne Orte, den Alltag zwischendurch ein- der Stadt gibt es in dieser Hinsicht Schnütgen, Boisseré oder Joest, ohne mal weniger rational anzugehen. vieles zu entdecken. Peter und Irene Ludwig wäre unsere Museumslandschaft nicht so glanz- voll und international bekannt.

16 17 1 von 30 SCHOKOLADENMUSEUM 30 Museen und kulturelle Einrichtungen in Köln

Hans Imhoff hatte einen Traum. vor der Müllabfuhr: historische Ma- Standort für sein Vorhaben. Und Darin sah der Kölner Schokoladen- schinen, alte Akten und Verpackun- genau dort wird das Schokoladen- fabrikant (1922– 2007) sein eigenes gen. Sie sollen den Grundstock für museum 1993 nach gerade einmal prächtiges Schokoladenmuseum. sein Museum legen. Über die Jahre 13-monatiger Bauzeit eröffnet – Und mittendrin einen Brunnen, aus sammelt Imhoff weiter, erforscht samt dem ewig sprudelnden Scho- dem wie durch ein Wunder unauf- die Kultur- und Industriegeschichte kobrunnen. Das Haus mit seiner hörlich Schokolade sprudelt. Als er der kakaohaltigen Köstlichkeit. Nach 4 000 Quadratmeter großen Ausstel- 1971 die Stollwerck-Fabrik in der langer Suche findet das Ehepaar lung wird zu einer Erfolgsgeschich- Kölner Südstadt übernimmt, ent- Imhoff mit dem Gebäude des ehe- te. Inzwischen gehört es – neben deckt Imhoff durch Zufall einen maligen Hauptzollamtes im Kölner dem Kölner Dom – zu Kölns meist- wunderbaren Schatz – und rettet ihn Rheinauhafen endlich den idealen besuchten Sehenswürdigkeiten.

»Mit mehr als 550.000 Gästen jährlich sind wir davon überzeugt, dass das Schoko- ladenmuseum der richtige Ort ist, um Menschen Wissen und Werte für eine nachhal-

tige Entwicklung Museum mit Mission zu vermitteln und In einer Welt mit sieben Milliarden Menschen NEU und begrenzten Ressourcen zählt das Thema sie zu ermutigen, Nachhaltigkeit zu den größten Herausforderun- gen. Um das dafür notwendige Bewusstsein zu zu einer nach- Bitter-süße Wahrheiten schaffen, engagiert sich das Schokoladenmuse- »Bittere Bohne – süßes Vergnügen?« Die Sonder- um in Stiftungen und Initiativen, unter anderem haltigen Welt ausstellung nimmt die Besucher*innen mit auf als Mitglied des Forums Nachhaltiger Kakao, eine Reise durch die Welt des Kakaos, zeigt mit dem zentralen Ziel der Verbesserung der beizutragen.« die Lebens- und Arbeitsbedingungen westafri- Lebensumstände und wirtschaftlichen Situation kanischer Kakaobauern und thematisiert den der Kakaobäuer*innen und ihrer Familien. Zu- Dr. Christian Unterberg-Imhoff, Zusammenhang zwischen unserem Schokoladen- dem ist das Museum Teil der Initiative Eine-Welt Geschäftsführer des Schokola- konsum, dem Klimawandel und der Vernichtung Stadt Köln und unterstützt die erfolgreiche tropischer Regenwälder. Auf die Kakaomärkte Bewerbung der Stadt Köln zur Hauptstadt des denmuseums Köln können Europas Genussmenschen Einfluss neh- fairen Handels. Kooperiert wird auch mit der men: indem sie fair und nachhaltig produzierte Tropenwaldstiftung OroVerde in Bonn, die im Schokolade kaufen. Aber mal ehrlich, wie erkennt Museum vom Schokoladenverkauf aus histo- man die? Antworten gibt noch bis zum 6. Januar rischen Automaten profitiert. Zudem mit dem 2020 die Ausstellung des Bundesministeriums für Verein Plant-for-the-Planet, der es sich zum Ziel wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gesetzt hat, die Klimakrise durch das Pflanzen Kakaoernte, Foto: Schokoladenmuseum Köln (BMZ) im Schokoladenmuseum. von Bäumen zu bekämpfen. Seit 2019 ist der Be- trieb des Schokoladenmuseums klimaneutral. 18 Liebling Schokolade zu trinken – das galt im 18. Jahrhundert noch als Luxus für Privi- legierte. Entsprechend wurden die Genussmomente zelebriert. Meist im privaten Rahmen, in adliger Familienrunde oder unter seinesgleichen beim Nachmittags- kakao. Gern wurde die erste Tasse heiße Schokolade schon am Morgen genom- men, vom Dienstmädchen ans Bett gereicht, nicht selten in schmuckem Porzellan wie diesem: in der Trembleuse, einer durch einen Standring auf dem Unterteller fixierten Tasse. Diese sollte verhindern, dass die braune Köstlichkeit beim Servie- ren oder gar beim Genuss verschüttet und die kostbare Kleidung ruiniert wurde. Zudem griff man zu Wasser und Brot, um die Geschmacksnerven zu neutralisie- ren und den nächsten Schluck noch intensiver genießen zu können. Schokoladenbecher mit Untertasse (Trembleuse), ca. 1735, Manufaktur du Paqier, Wien

Wunderbaum und Speise der Götter

Mit dem Kakaobaum (Theobroma nate dauert es, bis die Kakaofrüchte in einer Frucht – für eine 100-g-Tafel cacao) ist das so eine Sache, denn die schließlich reif sind und ganzjährig Schokolade braucht es je nach Rezep- Speise der Götter, so die Übersetzung mit an Stangen befestigten Sicheln tur zwischen 20 und 100 Bohnen. seines griechischen Namens, ist eine geerntet werden. Aus dem weißen, Im begehbaren Tropenwald des Scho- Diva im Blütenkleid, ein höchst an- klebrig-süßen Fruchtfleisch, auch für koladenmuseums lässt sich erahnen, spruchsvolles und pflegebedürftiges die dort heimischen Affen und Eich- unter welchen klimatischen Bedin- Gewächs: Es gedeiht nicht auf jedem hörnchen ein Genuss, löst man die gungen die wichtigste Zutat der süßen Boden, liebt Temperaturen zwischen Kakaobohnen heraus, um sie zunächst Versuchung Schokolade reift. Neben 25 und 28 °C, verlässlichen Nieder- in Bottichen oder auf Bananenblättern Kakaobäumen sind hier rund 100 wei- schlag und eine Luftfeuchtigkeit bis zu zu fermentieren und dann, auf Mat- tere tropische Pflanzen zu bewundern: 90 Prozent. Da ist es nicht verwunder- ten ausgebreitet, trocknen zu lassen. Avocados, Bananen, Ananas, ein Man- lich, dass sich der Kakaobaum allein im 20 bis 60 Kakaobohnen befinden sich gobaum, Chili, Zuckerrohr und Palmen. tropischen Gürtel südlich und nördlich des Äquators wirklich heimisch fühlt. Verkostung einer frischen Kakaofrucht, Vorzugsweise in Brasilien, Indonesien, Foto: Schokoladen- Ghana und an der Elfenbeinküste. museum Köln Bis zu 20 Meter reckt der Baum seine Kakaofrüchte Krone in schwindelnde Höhen, wird im Tropenhaus, aber meist auf vier bis sechs Meter Foto: Schokoladen- gestutzt, um die Ernte zu erleichtern museum Köln und den Ertrag zu steigern. Denn da- rauf kommt es an beim immergrünen Wunderbaum: Bis zu 70 000 winzig kleine Blüten trägt er das ganze Jahr über am Stamm und an den unteren dicken Ästen. Dort schimmern sie weiß und rosa, in stetiger Erwartung bestäubender Insekten. Im Notfall helfen die Bauern auch mit Pinsel und Pinzette nach. Vier bis sieben Mo-

19 Warum Vergrößerung/Belichtungdas Medium des Negativs 711 731 Fotografie von K. H. Schmölz, Foto: Rheinisches Bildarchiv bisKöln, heute Anna C. Wagner, rba_d029727_07fasziniert

20 Jedes Bild ein kleines Wunder

Text: Damian Zimmermann

Die Fotografie feierte jüngst ihren 180. Geburtstag. Am Mit der Fotografie macht man eigentlich nichts anderes: 19. August 1839 wurde sie von Louis Daguerre und der Diese Camera obscura, wie die ersten Lochkameras ge- Französischen Akademie der Wissenschaften in Paris der nannt wurden, ermöglicht das gleichberechtigte, demo- Öffentlichkeit vorgestellt. Und obwohl die Fotografie kratische Darstellen der unterschiedlichsten Ereignisse seitdem zahlreiche Veränderungen und Weiterentwick- und Gegenstände – die Kindergeburtstagsparty genauso lungen erlebt hat, obwohl sie längst zum Massenphäno- wie ferne Galaxien, Werbung genauso wie Kunst, Leben men herangewachsen ist und eine Bilderflut ausgelöst wie Tod, Krieg neben Liebe. Fotografie macht Unsicht- hat: Von ihrer Faszination hat sie nichts eingebüßt. Ganz bares erst sichtbar. Und Sichtbares macht sie uns erst im Gegenteil – für viele grenzt die Fotografie bis heute an bewusst. Mit der Fotografie kann etwas bewiesen oder ein Wunder. Denn sie ermöglicht uns, Dinge, Menschen widerlegt, aber auch genauso gut manipuliert werden. und Situationen festzuhalten und sie Die Fotografie ist so bunt und viel- örtlich wie zeitlich miteinander zu seitig, wie es damals die Wunder- teilen – über Jahrzehnte genauso hin- Die Fotografie kammern waren, und zeigt Banales weg wie über Kontinente. Jede Foto- neben Besonderem. Vor allem aber: grafie ist eine winzige Zeitkapsel – bringt uns bis Die Fotografie bringt uns bis heute und direkt nach der Belichtung schon heute zum Stau- zum Staunen, sie weckt unsere Er- Vergangenheit. Sie ist konservierte Ge- innerungen, und sie weckt unsere schichte und erinnert uns zugleich an nen, sie weckt Sehnsüchte. die eigene Vergänglichkeit. unsere Erinne- Natürlich hat der tagtägli- Jede Anhäufung von Fotogra- che Gebrauch der Digitalfotografie fien, egal ob analog oder digital und rungen, und sie seine Spuren hinterlassen, und auch egal ob im alten Fotoalbum oder als weckt unsere wenn das einzelne Foto vielleicht an Stream auf Instagram, in der Tages- Wert verloren hat – die Fotografie zeitung oder in alten Archiven, ähnelt Sehnsüchte. an sich ist in ihrer Bedeutung noch dabei kleinen Wunderkammern, wie einmal massiv aufgewertet worden: Vergrößerung/Belichtung des Negativs 711 731 man sie aus der Zeit der Spätrenais- von K. H. Schmölz, Foto: Rheinisches Bildarchiv Heute werden in jeder Minute mehr sance und aus dem Barock kennt. Es Köln, Anna C. Wagner, rba_d029727_07 Fotos geschossen als im gesamten waren Sammlungen aus der Früh- 19. Jahrhundert, und es gibt kaum phase der Museumsgeschichte im 17. Jahrhundert, und eine technische oder gesellschaftliche Entwicklung, die in ihnen wurden Objekte gemeinsam präsentiert, die sie nicht beeinflusst. überhaupt nichts miteinander zu tun hatten. Egal ob Was durch die Digitalisierung allerdings ebenfalls Naturalien oder Artefakte, Kunst oder Handwerk, alles stattgefunden hat, ist eine Art Entfremdung: Kaum ein stand gleichberechtigt nebeneinander: Tierpräparate Mensch begreift heute noch, wie ein Foto eigentlich neben Goldschmiedearbeiten, Muscheln neben Elfen- entsteht – ein Großteil der nachwachsenden Generation beinschnitzereien, Spielautomaten neben Gemälden. Es weiß noch nicht einmal mehr, was ein analoges Foto war das »Zeitalter des Staunens«, und die Wunder der eigentlich ist. Und den ganz Kleinen, die das Wischen Welt versammelten sich in einem Raum. und Zoomen auf den Smartphone-Displays mit der

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Fotoapparat, 1890, Foto: Rheinisches Fachkamera, Bildarchiv Köln, rba_mf138265 Foto: Damian Zimmermann

Muttermilch aufgesogen haben, ist es häufig noch nicht ersten Mal in einer Dunkelkammer eigenständig ein einmal begreiflich zu machen, dass es überhaupt jemals Foto entwickeln, beginnen ihre Augen zu funkeln. Diese eine andere Fotografie als die digitale gegeben hat. Und Erfahrung hat jüngst Johanna Gummlich gemacht. Die auch heute noch gibt. Leiterin des Rheinischen Bildarchivs Köln mit rund So habe ich erst kürzlich mit meiner alten, analo- 5,4 Millionen Fotografien bot während des Photosze- gen Nikon meinen sechsjährigen Neffen fotografiert. Ich ne-Festivals Schüler*innenworkshops mit vier Stationen spulte den Kleinbildfilm zurück und holte ihn aus der an – u. a. im Positivarchiv und in der Dunkelkammer Kamera heraus. Als mein Neffe die Fotos sehen wollte, des Hauses, wo die 16- und 17-Jährigen ihre ersten eige- drückte ich ihm die Filmpatrone in die Hand und sagte: nen Abzüge von Negativen machen konnten. Die Begeis- »Die sind da noch drin. Ich muss den Film erst ent- terung der Jugendlichen war dermaßen groß, dass sie wickeln, dann kannst du sie sehen.« Er hielt sich die kaum zu bremsen waren. »Diese Erfahrung hat ein ganz Spulenöffnung skeptisch vor sein Auge, schaute ange- neues Bewusstsein bei uns ausgelöst«, sagt Gummlich, strengt hinein, stellte nach wenigen Sekunden überzeugt und ihr war klar, dass sie ihr Angebot im Bereich der fest: »Da sind gar keine Fotos drin« – und verlor das Archivpädagogik komplett neu denken und vor allem Interesse. ausbauen muss. »Für viele ist die Fotografie noch immer Vielleicht lag es am Alter meines Neffen, dass ein Wunder. Und Wunder können Begeisterung und er nicht sofort in Begeisterung ausbrach oder zumin- Interesse auslösen.« Ein neues Führungs- und Work- dest neugierig wurde. Vielleicht aber auch an meiner shop-Angebot soll aber nicht nur Kinder und Jugend- mangelhaften Erklärung, denn wenn Jugendliche zum liche, sondern auch angehende Archivar*innen und Wis-

22 »Für viele ist die Fotografie noch immer ein Wunder. Und Wunder können Begeisterung und Interesse auslösen.« zu wissen, was das eigentlich ist. Im Grunde ist für die 15- bis 25-Jährigen die analoge Fotografie genauso eine Entdeckung wie für die Pioniere des 19. Jahrhun derts – und sie übt exakt den gleichen Reiz auf sie aus wie damals.

senschaftler*innen sensibilisieren, so Gummlich. »Fast jedes Archiv hat auch Fotografien, oft neben Schriftstücken, in Fotoalben, Ausweisen und in unterschiedlichen Formaten, beispielsweise als Negative oder Abzüge. Oft ist unklar, wie damit sinnvoll umgegangen werden sollte.« Gerade in der jüngeren Generation ist das Interesse am Analogen in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Der Schallplattenspieler ge- hört längst zur Standardausrüstung bei Musikfans und Hipstern zugleich, und Walkmans werden wieder genutzt, aber eben auch alte Kameras und Fototechniken erleben eine Renaissance: Die Spie- gelreflex aus den 1970er-Jahren ist der Anfang, oft folgt darauf der Schritt in die Dunkelkammer; und wer davon nicht genug hat, stellt seine Che- mikalien und Kollodium-Nassplatten selbst her, um wie im Jahr 1870 zu fotografieren. Entscheidend ist in meinen Augen dabei vor allem, dass die Generation Z, also die zwi- schen 1997 und 2012 Geborenen, sich für die analoge Fotografie begeistert, obwohl sie gar nicht mit ihr aufgewachsen ist. Ende der 1990er-Jahre begann der Sieges- zug der Digitalfotografie. Somit wurden ihre Einschulungsfotos bereits mit schlechten 4-Mega- pixel-Kameras aufgenommen und die Abiturfeier mit der neuesten spiegellosen Systemkamera – oder vielleicht sogar nur noch mit dem Smart- phone. Eventuell haben sie auf einer Familienfeier schon einmal eine Polaroid- oder eine Einweg- kamera in die Hand gedrückt bekommen – ohne Fritz Kempe, Porträt Lucia Moholy, 1980, Museum Ludwig, Info © Erika Kempe, Ham- burg, Repro: Rheini- Aktuelle Fotoausstellungen zum Wundern und Staunen sches Bildarchiv Köln Aktuell gibt es gleich mehrere Fotografieausstellungen in den Kölner Museen zu sehen. So zeigt das Museum Schnütgen bis zum 16. 2. 2020 die Ausstellung »Skulp- tur im Blick der Kamera« mit Fotografien von Alfred Tritschler. Anlässlich des Bauhaus-Jubiläums präsentiert das Museum Ludwig unter dem Titel »Fotogeschichte schreiben« bis zum 2. 2. 2020 Arbeiten von Lucia Moholy. Ebenfalls im Museum Ludwig ist bis zum 1. 3. 2020 die Ausstellung »Wade Guyton: Zwei Dekaden MCMXCIX– MMXIX« zu sehen, in der sich der Amerikaner mit digitalem Bildmaterial auseinandersetzt. Das MAKK – Museum für Angewandte Kunst Köln zeigt mit »The Look of Sound« noch bis zum 8. 3. 2020 Porträtfotografien von Norman Seeff aus der Musik- und Film-Szene der 1960er- bis 1980er-Jahre.

Engelskopf aus dem Chor des Kölner Domes, Köln, um 1300, fotografiert von Alfred Tritschler, 1948, Museum­ Schnütgen, © Dr. Paul Wolff & Tritschler, Historisches Bildarchiv, Offenburg

Norman Seeff, Ray Charles, 1985, © Norman Seeff

zu wissen, was das eigentlich ist. Im Grunde ist für automaten, wie einer jüngst auf dem Ebertplatz errichtet die 15- bis 25-Jährigen die analoge Fotografie genauso wurde: Für drei Euro bekommt man einen echten Foto- eine Entdeckung wie für die Pioniere des 19. Jahrhun- streifen mit vier Bildern – in Schwarzweiß und ohne derts – und sie übt exakt den gleichen Reiz auf sie aus Instagram-Filter, dafür als Unikat mit hohem emotiona- wie damals. lem Wert. Und wahrscheinlich ist es genau das, was die Und genau deshalb ist es auch mehr als bloß Begeisterung ausmacht: die Authentizität des unverän- eine temporäre Reaktion der Jugend auf unser digitales derten und ungeschönten Augenblicks, gepaart mit der und virtuelles Zeitalter, um sich von der Elterngene- Sentimentalität für das Vergängliche und der Faszination ration abzugrenzen. Der Wunsch nach Authentizität, für die schlichte Technik. Denn natürlich ist die Foto- wie sie speziell der analogen Fotografie anhaftet, ist grafie chemisch und physikalisch schnell erklärt – und generationenübergreifend. Das sieht man am Revival dennoch bleibt sie immer auch ein kleines Wunder. der Sofortbildkamera, die aktuell die höchste Zuwachs- Damian Zimmermann, Jahrgang 1976, ist freier Journalist, Kunstkritiker, rate auf dem deutschen Fotografiemarkt überhaupt Fotograf, Blogger, Kurator und Teil der Internationalen Photoszene Köln, die hat, und an der zunehmenden Beliebtheit alter Foto- Deutschlands ältestes Fotografiefestival veranstaltet.

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1 von 30 RAUTENSTRAUCH-JOEST-MUSEUM – 30 Museen und kulturelle Einrichtungen in Köln

Im Grunde sind es dieselben Fragen, ren auf ihrer Reise durch die Konti- die sich die Menschen überall auf nente mehr über UnterschiedeKULTUREN und -JOEST-MUSEUMdiesem Planeten stellen – nur die erstaunliche Gemeinsamk– DEReiten, WELT über Antworten fallen unterschiedlich den europäischen Blick auf andere aus: Das Rautenstrauch-Joest-Mu- Kulturen, der sich in Reiseberichten, seum – Kulturen der Welt (RJM), in der Kunst oder in den Museen das einzige seiner Art in Nord- widerspiegelt. Spezielle Themen- rhein-Westfalen, zeigt, wie vielfältig komplexe wie »Die Welt erfassen« sich die Kulturen der Welt mit den und »Die Welt gestalten« zeigen die zentralen Themen des Lebens ausei- Lebensentwürfe aus verschiedenen »2020 wird für das nandersetzen. Auf 3 600 Quadratme- Zeiten, Regionen und Kulturkreisen. RJM ein Jahr des tern Ausstellungsfläche im »Kultur- Dabei schöpft das RJM aus einer zentrum am Neumarkt« weckt das Sammlung von mehr als 60 000 Wandels und des RJM Neugier und Entdeckergeist Originalexponaten aus Afrika, Asien, zehnjährigen Jubi- seiner Besucher*innen: Diese erfah- Amerika, Ozeanien und Europa. läums im Neubau. Unser Museum soll ein lebendiger Ort NEU sein, ein Ort zum Vielfalt verpflichtet: Diskutieren, Be- Aurora Rodonò (rechts) und Carla de Andrade gegnen und Mit- Hurst (links) sind die neuen Diversity- gestalten! Unsere Managerinnen. Ausstellungen wer- Fotos: RJM, privat den partizipativer,

multiperspektiver Miteinander reden Füreinander da sein und inklusiver. Wir In den ethnologischen Museen Europas finden »360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtge- sich zahlreiche Kulturgüter aus der Kolonialzeit. sellschaft«: Im Rahmen des Projektes, ins Leben wollen politischer, Die Frage, inwiefern diese an ihre Ursprungs- gerufen von der Kulturstiftung des Bundes, zählt länder zurückgegeben oder abgegolten werden neben der Stadtbibliothek nun auch das Rauten- engagierter, vielfäl- müssen, wird auch aktuell wieder leidenschaftlich strauch-Joest-Museum zu den in Köln geförder- und kontrovers diskutiert. Ein Recherche- und ten Einrichtungen. Mit Aurora Rodonò und Carla tiger und transpa- Ausstellungsprojekt unter dem Titel »Invisible de Andrade Hurst sind hier zwei Diversity-Ma- Inventories«, gefördert von der Kulturstiftung des nagerinnen damit beschäftigt, Konzepte für renter werden und Bundes, will die europäische Debatte und die af- eine zeitgemäße Museumsarbeit im Sinne der rikanische Sichtweise zusammenbringen. Im Rah- gesellschaftlichen Vielfalt zu entwickeln: um mit neuen Forma- men einer auf zwei Jahre angelegten Kooperation soziale Diskriminierung zu stoppen, Sichtweisen ten experimentie- zwischen dem Kölner Rautenstrauch-Joest-Mu- unterschiedlichster Communitys der Stadtgesell- seum und dem kenianischen Nationalmuseum in schaft einzubeziehen, deren Teilhabe zu ermög- ren. Wir freuen uns Nairobi werden nicht nur kenianische Kulturgüter lichen und gemeinsam »den achtsamen und in Museen und Institutionen weltweit inventari- kreativen Umgang mit unser aller Geschichte, auf Sie!« siert, sondern auch die Kolonialgeschichte an sich Gegenwart und Zukunft« zu unterstützen. Dazu kritisch beleuchtet. Die Ergebnisse des Dialogs – arbeiten beide nicht nur eng mit der Museums- auf wissenschaftlicher wie künstlerischer Ebene – leitung, sondern auch mit den Kurator*innen und Nanette Jacomijn Snoep, werden 2021 im Rahmen von Ausstellungen in den für Veranstaltungs- und Bildungsangebote Direktorin des Rautenstrauch- Nairobi und Köln präsentiert. zuständigen Kolleg*innen zusammen. Joest-Museums 26 KULTUREN RAUTENSTRAUCH-JOEST-MUSEUM – DER WELT Die Scheibe und das Wunder

Der Tepeyac-Hügel in Mexiko-Stadt – wo die heilige Jungfrau von Guadalupe Wunder wirkte und am 12. Dezember 1531 auf dem Umhang eines Azteken erschien. Das Marienbildnis ist alljähr- lich im Dezember Ziel von bis zu acht Millionen Pilger*innen, die für Dank und Bitte den Hügel erobern. Wegen des Andrangs werden die Gläubigen auf Laufbändern am Gnadenbild vorbei- Raúl González mit der geleitet. Das gemeinsame Singen des von ihm selbst gestalteten Pilgerscheibe vor der Geburtstagsständchens für die Natio- Basílica de Guadalupe, nalheilige am 11. Dezember um Mitter- Fotos: RJM, Anne Slenczka nacht ist nicht nur vor Ort, sondern landesweit ein Gänsehautmoment – Dorfes am »rauchenden Berg«, dem lez freundlich, aber bestimmt ab – da- Abermillionen verfolgen es live im Fern- Popocatepetl. Von dort brauchte er zu für bedeute sie ihm zu viel, er schlägt sehen. Auch die mexikanische Gemein- Fuß zweieinhalb Tage über den Pass aber vor, ein Duplikat anzufertigen. Ei- de in Köln begeht aus diesem Anlass Richtung Mexiko-Stadt. Stets bei sich – nige Tage später klingelt Anne Slencz­ eine feierliche Guadalupe-Messe. die farbenfroh bemalte Pilgerscheibe kas Handy – González habe sich mit Vor der Basílica de Guadalupe haben aus Vulkangestein mit einer Darstel- der Gattin beraten und entschieden, Tausende ihr Lager aufgeschlagen. Im lung der Jungfrau. González hatte sie die Pilgerscheibe dem RJM zu überlas- Getümmel trifft Anne Slenczka, Ameri- nach seiner Hochzeit gestaltet, um für sen. In seinem Heimatdorf nimmt die ka-Kuratorin des RJM – in Vorbereitung sein Glück zu danken und Schutz für Kuratorin das Erinnerungsstück bewegt der großen Pilgerausstellung im Jahr die Zukunft zu erbitten: »Segne meinen in Empfang. Raúl González hofft, »dass 2015 –, auf viele der oft von weit her Weg« steht darauf zu lesen. man sich an dem Ort, wo die Jungfrau angereisten Pilger*innen. Auch auf Raúl Die vorsichtige Nachfrage des Kölner aufbewahrt werden wird, immer an González, Kunsthandwerker und Ka- Gastes, ihm die Pilgerscheibe für die Mexiko erinnern möge und auch an ihn tastrophenschutzbeauftragter seines Ausstellung abzukaufen, lehnt Gonzá- selbst und an seine Frau«. Widerstand gefragt!

Im Oktober 2020 feiert das Rauten- Geschichten von stillem oder auch strauch-Joest-Museum sein zehnjäh- lautem Widerstand zu erzählen. Ge- riges Bestehen im Neubau am Neu- sammelt werden die Beiträge und markt. Das soll mit allen Kölner*innen Ideen im Rahmen des neuen Diskus- gefeiert und vorbereitet werden: sionsforums »Die Baustelle« (ab 7. 12. Für die geplante Sonderausstellung 2019), wo das RJM mit Besucher*in- »Resist! Die Kunst des Widerstands« nen, Künstler*innen, Vereinen und Ini- (Eröffnung: 23. 10. 2020) sind alle tiativen diskutieren und ins Gespräch aufgerufen, ihre ganz persönlichen kommen möchte.

27 Neues aus den

Matrone, 2. Jh. n. Chr., Köln, St. Gereon, Foto: Museen RGM/RBA, A. Wegner

Robert Indiana, Kunst- markt Köln, 1967, arto- thek/Schenkung Klaus Benden, © Morgan Art Foundation / ARS, New York/ VG Bild-Kunst, Bonn 2019, Foto: Rhei- nisches Bildarchiv Köln, Marion Mennicken

Avery in her studio, Foto: Kate Enman

MAKKfuture – das Logo der neuen Ver- anstaltungsreihe

Texte: Rüdiger Müller

Alte Funde im neuen Licht

Mit dem frisch sanierten Belgischen maske, die erst 2008 bei Bauarbeiten Haus hat das Römisch-Germanische am Chlodwigplatz ausgegraben wur- Museum (RGM) gerade ein repräsen- de. Direktor Marcus Trier verspricht tatives Übergangsquartier bezogen. den Besucher*innen einen »Lernort Für den Zeitraum der Generalsa- ohne erhobenen Zeigefinger«, der nierung am Roncalliplatz zeigt das anhand von Geschichten und histori- RGM in Neumarkt-Nähe auf 1000 schen Zusammenhängen die Objekte Quadratmetern eine komplett neu der Sammlung lebendig macht. konzipierte Dauerausstellung: eine Zudem wird im Festsaal wieder der kleine, aber feine Auswahl – rund deutsch-belgische Kulturaustausch 600 Objekte von der Altsteinzeit bis gepflegt – Veranstaltungen in Zu- ins Frühmittelalter. Darunter »alte sammenarbeit mit dem Verein der Bekannte«, aber auch selten gezeigte Freunde des Belgischen Hauses sind wie eine steinerne Theater- bereits geplant. 28 Robert Indiana, Kunst- markt Köln, 1967, arto- thek/Schenkung Klaus Kunst im Benden, © Morgan Art Foundation / ARS, New York/ VG Bild-Kunst, Treppenhaus Bonn 2019, Foto: Rhei- nisches Bildarchiv Köln, Avery Singer denkt groß. Ihre Marion Mennicken Arbeiten in mitunter imposanten Avery in her studio, Foto: Kate Enman Formaten haben dabei eine ganz MAKKfuture – das spezielle Entstehungsgeschichte: Was Logo der neuen Ver- daherkommt wie klassische Malerei, anstaltungsreihe bedient sich moderner Computer- technik. Die junge US-amerikani- sche Künstlerin generiert Formen aus einem digitalen Grafikprogramm für Architekturmodelle in 3-D und überträgt die entstandenen Bildräu- me mithilfe von Airbrush, Acrylfarbe Cologne- und Klebebändern auf Leinwand. Für die zweite Ausgabe der Reihe Indiana- »Schultze Projects« gestaltete Avery Singer speziell für das Treppenhaus Connection des Museum Ludwig eine über 17 Meter lange und dreieinhalb Me- Als der Kunstmarkt Köln am ter hohe Arbeit. Die neue Projektrei- 12. September 1967 im Gürzenich he erinnert an das seit 1968 in Köln seine Pforten öffnet, ahnt noch nie- lebende Künstlerpaar Ursula und Voraus- mand, was sich daraus entwickeln Bernard Schultze. Der Pionier der wird: Die weltweit erste Verkaufs- Kunstrichtung Informel zählte mit schauend messe für moderne Kunst wird seiner Frau zu den festen Größen im zum Erfolgsmodell (fortgeführt kulturellen Leben der Stadt und war Im MAKK – Museum für Angewand- durch die heutige Art Cologne) eng mit dem Museum Ludwig ver- te Kunst Köln wirft die Zukunft ihre und festigt Kölns internationalen bunden, das nun einen Großteil des Schatten voraus: Mit MAKKfuture Ruf als Kunststadt. Das Plakat zur künstlerischen Nachlasses verwaltet. startet eine Veranstaltungsreihe, die Kunstmarkt-Premiere gestaltet der sich in Form von Vorträgen, Sympo- New Yorker Pop-Art-Künstler Ro- sien und Workshops mit den wich- bert Indiana. Dieses ikonische Stück tigen und brisanten Themen von Kölner Kunstgeschichte kann man heute für morgen auseinandersetzt. sich jetzt – zumindest eine Zeit Den Anfang machen Führungen lang – nach Hause holen: Das Plakat durch die neu gestaltete Daueraus- zählt zu einer Schenkung von über stellung »Kunst + Design im Dialog« 70 Kunstwerken aus der Sammlung im Hinblick auf Fragen zu Nach- Klaus Benden, die jetzt das Angebot haltigkeit und Ökobilanz. Erfreulich: der artothek – Raum für junge Kunst Mit MAKKfuture etabliert sich neben erweitert. Dieses Werk wie auch cineMAKK – Filmvorführungen an alle anderen Neuzugänge, darunter jedem 1. Donnerstag im Monat – Werke von Claes Oldenburg, Wolf- und MAKKfocus – mit begleitenden gang Tillmans, Rainer Fetting, Tomi Angeboten zu den aktuellen Sonder- Ungerer und Felix Droese, können ausstellungen – bereits die dritte mit Leihausweis (5 Euro pro Jahr) regelmäßige Veranstaltungsreihe im für nur 6 Euro zehn Wochen lang Museumsbau an der Rechtschule. ausgeliehen werden. Mehr Infos dazu auf makk.de

29 Japan im Blick Wie gemalt

Seit einigen Monaten hat das Mu- Man könnte es für Marmor halten: seum für Ostasiatische Kunst Köln Doch Alabaster ist ein ganz spezielles (MOK) einen auf die Japan-Samm- Material – anders als der Naturstein lung des Hauses spezialisierten Marmor fühlt es sich warm an, Wind Kurator. Bas Verberk ist begeistert – und Wetter hält es auch nicht stand. nicht nur vom Land der aufgehenden Daher wird das Mineral – eine Art Sonne, sondern auch von seinem Kristallgips, der sich meist als Ab- neuen Wirkungsort, dem Museum lagerung in Salzseen findet – in der am Aachener Weiher: »Seit meinem Bildhauerei ausschließlich für den ersten Kontakt mit den Beständen Innenbereich genutzt. Ein besonders war ich beeindruckt von der außer- kostbares Exemplar aus der Blütezeit gewöhnlichen Japan-Sammlung, die der Alabasterskulptur konnte jetzt das aufgrund ihrer hohen Qualität, Viel- Imker Marvin mit Honigwabe, Museum Schnütgen mit Unterstüt- falt und des historischen Hintergrun- Foto: Odysseum zung der Kulturstiftung der Länder des vieler Objekte einzigartig in der und der Ernst von Siemens Kunst- Welt ist.« Der Niederländer studierte stiftung erwerben: zwei Alabasterre- Japanologie in Leiden und forschte Am liefs aus der Zeit um 1410 –1420. Die im Rahmen seiner Dissertation in Szene: Der Erzengel Gabriel verkün- Japan selbst. In Holland kuratierte Odysseum digt Maria die bevorstehende Geburt. er erfolgreiche Ausstellungen wie Raffinierte Details, weich geschwun- »Samurai« (2012), »Die Welt der summt’s gene Gewänder, alles wirkt wie Manga« (2013) und »Maskierte Krie- gemalt. Für Direktor Moritz Woelk ger« (2017). Bas Verberk: »Derzeit Seit ein paar Wochen herrscht am ein absolutes Meisterwerk: »Die Ge- lebe ich noch in Amsterdam, aber ich Odysseum reger Flugbetrieb. Denn wänder kombinieren die Wiedergabe plane, mit meiner japanischen Frau auf dem Dach des Kölner Abenteuer- realer Stofflichkeit mit einem Ein- und den Kindern nach Köln zu zie- museums kümmert sich Edutainer – druck von Schwerelosigkeit.« hen. Wir sind davon überzeugt, dass im Hause zuständig für unterhaltsa- die Stadt mit der offenen Mentalität mes Lernen – und Nachwuchsimker der Kölner*innen für uns ein gutes Marvin um gleich drei von ihm neues Zuhause ist.« angesiedelte Bienenvölker. Der Rhein- park ist nicht weit, und somit ist der Nachschub an nahrhaftem Nektar und Pollen gesichert. Für den Fall, dass die Blumen- und Blütenpracht seinen Schützlingen nicht reichen sollte, steht Marvin mit Zuckerwasser als Nahrungsergänzungsmittel parat. Stellt sich die Frage, wann wir aller Voraussicht nach den ersten Odys- seum-Honig genießen dürfen: »Erst einmal müssen die Völker wachsen und gut durch den Winter kom- Bas Verberk, der neue men«, so der ambitionierte Bienen- Japan-Kurator des MOK, züchter, »im Frühjahr 2020 können Foto: © www.gerrievermeulen.nl wir darüber nachdenken, Honig zu ernten.« Verkündigung an Maria (Detail), Burgundische Niederlande oder Frankreich, 30 um 1410–1420, Museum Schnütgen, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, M. Mennicken, rba_047961_12 Interimsquartier: Historisches Archiv der Stadt Köln im Belgischen Viertel, Foto: Rüdiger Müller Zentrales Gedächtnis

Das Gedächtnis der Stadt hat eine neue Heimat. Zumindest vorübergehend. Bevor das Histo- rische Archiv der Stadt Köln endgültig in den Neubau am Eifelwall zieht, öffnet es ab Dezem- ber 2019 seine Tore in der Brabanter Straße 2– 4. Hier steht mit mehr als 2 500 Quadratmetern ausreichend Platz zur Verfügung – für Mitarbei- ter*innen und Verwaltung, für die Arbeit an digitalem Archivgut wie auch für die weiteren Belange der Nutzer*innen – interessierten Bür- ger*innen und Fachwissenschaftler*innen – der umfangreichen Bestände: Das Obergeschoss des zentral in der City gelegenen Gebäudes dient künftig als Lesesaal mit Räumlichkeiten für Vor- tragsveranstaltungen. Im Erdgeschoss bietet das ehemalige Ladenlokal ideale Voraussetzungen für die wechselnden Sonderausstellungen des Historischen Archivs. Die aktuelle Ausstellung »Von Jakob zu Jacques. Der Kölner Offenbach« ist bis zum 5. 4.2020 in der Herz-Jesu-Kirche am Zülpicher Platz zu sehen, ehe im Frühjahr 2020 das Archiv in der Brabanter Straße 2– 4 einen Einblick in »Köln in 55 Bildern aus 11 Jahrhunderten« bietet.

Verkündigung an Maria (Detail), Burgundische Niederlande oder Frankreich, um 1410–1420, Museum Schnütgen, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, M. Mennicken, rba_047961_12 Nachgefragt

bei Moritz Woelk Direktor des Museum Schnütgen

die vielen kuriosen Reliquiare in der Sammlung wun- derlich – Bergkristalle, die auf Löwentatzen laufen, ver- goldete Arme oder Büsten von Jungfrauen mit aufklapp- baren Schädeln.

Gibt es Ihrerseits ein Lieblingsobjekt der Samm- lung – vielleicht eines mit wunderbarer oder gar wunderlicher Geschichte?! Absolut, ja: Es handelt sich um die gerade neu erwor- benen Alabasterreliefs mit der Verkündigung an Maria. Sie stammen aus dem Kreis der burgundischen oder französischen Hofkunst um 1410 –1420. Die hier darge- Wunder gibt es immer wieder ... Zumal im Mittel- stellte Begegnung des Erzengels Gabriel mit der Jungfrau alter, zumal in Köln. Warum waren die Menschen Maria ist nicht nur von hinreißender Schönheit, sondern zu jener Zeit so wundergläubig? bringt in Anmut, Würde und gegenseitiger Zugewandt- Den Bildzeugnissen der Kunst zufolge waren für die heit der beiden Figuren wie kaum ein anderes Werk der Menschen im Mittelalter die beiden größten und faszi- Sammlung das Wunder der jungfräulichen Empfängnis nierendsten Wunder die Menschwerdung Gottes in der zum Ausdruck. Allein für dieses Kunstwerk lohnt sich Weihnachtsgeschichte und seine Auferstehung von den eine Reise nach Köln. Toten nach der Kreuzigung. Für alle Menschen bedeu- tet das die Verheißung des ewigen Lebens. Diese beiden Das Museum Schnütgen zeigt zurzeit Fotogra- grundlegenden Themen waren in Kunst und Religion fien von Alfred Tritschler, der im Jahr 1948 Teile viel wichtiger als zum Beispiel die Darstellungen der der Sammlung in den Fokus genommen hat. Was Wundertaten Jesu zu seinen Lebzeiten oder auch die von macht Tritschlers Aufnahmen so besonders? den Reliquien der Heiligen bewirkten und erhofften Auch in den Fotografien von Alfred Tritschler geht es um Wunder. eine Art Wunder, das wir mit offenen Augen eigentlich täglich erleben können: die unverhoffte, intensive Be- Schwerpunkt der Sammlung des Museum Schnüt- gegnung mit einem Menschen. Seine Fotografien bieten gen ist die Kunst des Mittelalters. Wo spiegelt sich besonders empathische und emotionale Nahansichten hier jene Wundergläubigkeit auf besonders beein- von Gesichtern der Figuren aus dem Mittelalter. Aus druckende Weise wider? Skulpturen werden Porträts. Die Gefühlswelt der Men- Eben in den zahlreichen künstlerisch bedeutsamen Dar- schen in der damaligen Zeit wird auf einmal in unse- stellungen dieser beiden Themen, wie zum Beispiel der rer Welt erlebbar. Das ist vielleicht nur eine Frage der Anbetung der Heiligen Drei Könige, der Muttergottes Perspektive, der Beleuchtung und des Bildausschnittes – mit dem Christkind, der Auferstehung Jesu, und nicht oder doch auch eine Art Wunder. Die Besucher*innen zuletzt in den Kruzifixen, die immer beides signali- der Ausstellung dürfen sich angeregt fühlen, dieses The- sieren: den Tod und die Kraft zu seiner Überwindung. ma auf ihre eigene Art aufzugreifen und ihre Fotografien Gerade für die heutigen Menschen sind natürlich auch auf Instagram unter #tritschlerschnütgen zu teilen. 32 Ihr Kompass für die Kölner Museumslandschaft. Hier finden Sie kurz und knapp alle wichtigen Informationen zu den einzelnen Häusern, zu Sammlungsschwerpunkten und aktu- ellen Ausstellungen. Machen Sie sich auf den Weg – es gibt viel zu entdecken!

artothek — Raum für junge Kunst Die artothek bietet die Möglichkeit, Ulrike Schulze Am Hof 50, 50667 Köln Kunstwerke auszuleihen. Gleich- Friedrich-Vordemberge-Stipendium Tel.: +49 (0)221 221 -22332 zeitig zeigt sie ein Ausstellungspro- bis 23.11. 2019 www.museenkoeln.de/artothek gramm von Kölner Künstler*innen Di – Fr 13 – 19 Uhr und internationalen Gästen aus Florian Dedek Sa 13 – 16 Uhr allen Bereichen aktueller Kunst – Chargesheimer-Stipendium eingeschränkt rollstuhlgängig von Malerei, Zeichnung, Skulptur, 5. bis 21.12. 2019 Fotografie bis hin zu raumbezoge- nen Arbeiten oder Performances.

Deutsches Sport & Das Deutsche Sport & Olympia Ausgewählte Schätze der Olympia Museum Museum gibt faszinierende Sammlung­ Im Zollhafen 1, 50678 Köln Einblicke in die Geschichte des Das Deutsche Sport & Olympia Tel.: +49 (0)221 336-090 Sports: vom antiken Griechen- Museum präsentiert ausgewählte www.sportmuseum.de land über die Olympischen Schätze der Sammlung Di –So 10–18 Uhr Spiele der Neuzeit bis zu den Dezember 2019 bis Januar 2020 rollstuhlgängig Topereignissen des heutigen Pro- fisports. Auf dem Dach wartet Kölns höchster Sportplatz mit Blick auf Dom und Rhein.

Domschatzkammer Köln In den ausgebauten historischen Handschriften aus der Domkloster 4, 50667 Köln Kellergewölben des 13. Jahrhunderts Dombibliothek Tel.: +49 (0)221 17940-530 an der Nordseite des Domes ist der 1.12. 2019 bis 1. 3. 2020 www.domschatzkammer-koeln.de Kölner Domschatz zu sehen: kostba- tgl. 10 – 18 Uhr re Reliquiare, liturgische Geräte und rollstuhlgängig Gewänder, mittelalterliche Skulptu- ren und fränkische Grabfunde. 33 Farina Duftmuseum Das Museum im Geburtshaus Tipp Obenmarspforten 21, 50667 Köln des Eau de Cologne macht Alles Wissenswerte über einen der Tel.: +49 (0)221 399-8994 fast 300-jährige Duft- und berühmtesten Düfte der Welt. www.farina.org Kulturgeschichte erlebbar, Zu besichtigen ist das Museum übri- Mo–Sa 10–19 Uhr beginnend mit der Welt des gens nur im Rahmen einer Führung. So 11–16 Uhr Rokoko. In den originalen Bitte vorher anmelden. nicht barrierefrei Kellergewölben des Hauses wurden vor fast 300 Jahren die Düfte produziert.

Geldgeschichtliche Sammlung Seit 1954 hat die Kreisspar- Kölner Stadtgeschichte(n) Kreissparkasse Köln kasse Köln kontinuierlich eine Eine numismatische Zeitreise Neumarkt 18–24, 50667 Köln einzigartige Sammlung rund aktuelle Ausstellung Tel.: +49 (0)221 227-2370 um das Thema Geld und seine www.geldgeschichte.de Geschichte aufgebaut, darunter Mo–Fr 9–18.30 Uhr Münzwaagen, Papiergeld, vor- rollstuhlgängig münzliche Zahlungsmittel, Spar- bücher, Geldbörsen, historische Wertpapiere, Münzedikte, Gra- fiken mit geldgeschichtlichen Themen sowie Geldkisten und Tresore.

GeoMuseum Das GeoMuseum zeigt u.a. Tipp der Universität zu Köln regionale Besonderheiten wie Das wohl älteste naturkundliche Zülpicher Straße 49a/b, 50674 Köln Minerale und Fossilien aus der Objekt des GeoMuseums stammt Tel.: +49 (0)221 470-3368 Umgebung von Köln. Ein großer aus der Sammlung von Ferdinand www.geomuseum.uni-koeln.de Bereich widmet sich der Erd- Franz Wallraf (1748 – 1824): ein mit Mi 14 – 20 Uhr und Lebensgeschichte von der Kalksinter überkrustetes Vogel- letzter So im Monat 14 – 17 Uhr Entstehung des Sonnensystems nest. Mehr dazu in diesem Heft (Sonderöffnungszeiten s. Website) bis zur Gegenwart. Systema- auf Seite 9. rollstuhlgängig tisch stellt die Ausstellung darüber hinaus Mineral- und Fossiliengruppen vor.

Historisches Archiv der Stadt Köln Das Historische Archiv der Stadt Von Jakob zu Jacques – Heumarkt 14, 50667 Köln Köln ist eines der bedeutendsten Der Kölner Offenbach Neue Adresse ab Dezember 2019: europäischen Kommunalarchive. In der Herz-Jesu-Kirche Brabanter Str. 2–4, 50674 Köln Urkunden und Akten der städti- am Zülpicher Platz Tel.: +49 (0)221 221-22327 (allgemein) schen Verwaltung bilden zusam- bis 5. 4. 2020 Tel.: +49 (0)221 221-23369 (Lesesaal) men mit zahlreichen Nachlässen www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/ bedeutender Persönlichkeiten Köln in 55 Bildern kultur/historisches-archiv und Sammlungen eine dichte aus 11 Jahrhunderten Di– So 10–16.30 Uhr Überlieferung, die Antworten auf ab Frühjahr 2020 Mi 10–19.30 Uhr fast alle Fragestellungen an die rollstuhlgängig Geschichte Kölns und des Rhein- landes gibt.

Käthe Kollwitz Museum Köln Am 22. April 1985, dem 40. Todes- Berliner Realismus Neumarkt Passage tag der Künstlerin, wurde das erste Von Käthe Kollwitz bis Otto Dix Neumarkt 18 –24, 50667 Köln Käthe Kollwitz Museum weltweit bis 5. 1. 2020 Tel.: +49 (0)221 227-2899 gegründet. Der Sammlungsbestand www.kollwitz.de umfasst neben dem kompletten Di–Fr 10–18 Uhr plastischen Werk über 300 Zeich- Sa–So 11 –18 Uhr nungen, etwa 600 druckgrafische Feiertage 11 –18 Uhr Blätter sowie all ihre Plakate. rollstuhlgängig

34 Kölner Karnevalsmuseum Als das größte Museum seiner Tipp Maarweg 134 – 136, 50825 Köln Art im deutschsprachigen Hinter den Kulissen von »Kölle Tel.: +49 (0)221 574-0024 Raum präsentiert das Museum alaaf« – die individuelle Führung www.koelnerkarneval.de/ nicht nur die bunte Vielfalt des durch die Wagenbauhalle mit museum-veranstaltungshalle karnevalistischen Treibens im den Festwagen des Kölner Rosen- Öffnungszeiten s. Website Rheinland, sondern zeichnet montagszuges ist für Besu- rollstuhlgängig auch ein Stück Lebensgefühl cher*innen ein echtes Erlebnis. der kölschen Jecken nach.

Kölnischer Kunstverein Der Kölnische Kunstverein zeigt seit Maskulinitäten Hahnenstraße 6, 50667 Köln 1839 die jeweils neue Kunst seiner Eine Kooperation von Bonner Kunst- Tel.: +49 (0)221 217-021 Zeit. Viele der hier frühzeitig aus- verein, Kölnischem Kunstverein und www.koelnischer-kunstverein.de gestellten Künstler*innen – wie Hans Kunstverein für die Rheinlande und Di – So 11 – 18 Uhr Arp oder Paul Klee – wurden feste Westfalen, Düsseldorf an Feiertagen geschlossen Größen der Kunstgeschichte. Mit bis 24. 11. 2019 rollstuhlgängig Ausstellungen wie »Happening und Fluxus« (1970) wurde Ausstellungsge- schichte geschrieben. Auch in jünge- rer Zeit hat der Kölnische Kunstverein immer wieder herausragende Künst- ler*innenpositionen präsentiert.

Kölnisches Stadtmuseum Das Kölnische Stadtmuseum zeigt, KÖLN AN DER SEINE Zeughausstraße 1 – 3, 50667 Köln sammelt und bewahrt Objekte und Der Pavillon der Stadt Köln auf der Tel.: +49 (0)221 221 -22398 Kunstwerke zur Geschichte Kölns Pariser Weltausstellung 1937 Tel.: +49 (0)221 221 -25789 (montags) vom Mittelalter bis in die Gegen- verlängert bis 26.1.2020 www.koelnisches-stadtmuseum.de wart. Die Sonderausstellungen Di 10 – 20 Uhr, Mi – So 10 – 17 Uhr nehmen die Besucher*innen mit auf KÖLN AM RHEIN 1. Do im Monat 10 – 22 Uhr immer neue, spannende Zeitreisen Oder: von Zeit zu Zeit eingeschränkt rollstuhlgängig durch die einzigartige Vergangen- verlängert bis 26.1.2020 heit der Stadt. 50 JAHRE BLÄCK FÖÖSS Die Dauerausstellung ist bis auf Die Jubilaumsausstellung Weiteres geschlossen. Die Sonder- 21.3. bis 28.6.2020 ausstellungen sind jedoch geöffnet. Kolumba Die Sammlung reicht von der 1919 49 69ff. Aufbrüche Kunstmuseum des Erzbistums Köln Spätantike bis in die Gegenwart, bis 17.8. 2020 Kolumbastraße 4, 50667 Köln von romanischer Skulptur bis zur Tel.: +49 (0)221 933-1930 Rauminstallation, von mittelalterli- Das Klaus Peter Schnüttger-Webs www.kolumba.de cher Tafelmalerei bis zum »Radical Museum täglich außer Di 12 – 17 Uhr Painting«, vom gotischen Ziborium zu Gast bis 17.8. 2020 eingeschränkt rollstuhlgängig bis zum Gebrauchsgegenstand des 20. Jahrhunderts.

Kunst- und Museumsbibliothek (KMB) Verwaltung und Postadresse: Gerhard Rühm Lesesaal Museum Ludwig: Kattenbug 18 – 24, 50667 Köln Am Anfang war das Wort Heinrich-Böll-Platz / Tel.: +49 (0)221 221- 22438 Bücher der besonderen Art Bischofsgartenstraße 1, 50667 Köln oder -24171 23.11. 2019 bis 2. 2. 2020 Tel.: +49 (0)221 221-22626 www.museenkoeln.de/kmb Mo 14 – 21 Uhr, Di – Do 10 – 21 Uhr rollstuhlgängig Fr 10 – 18 Uhr, alle 2 Wo. Sa 11 – 16 Uhr Lesesaal im MAKK: Die Kunst- und Museumsbiblio- An der Rechtschule, 50667 Köln thek der Stadt Köln bietet einen Tel.: +49(0)221 221-26729 oder-26713 überaus reichen Bestand diverser Di – Fr 10 – 18 Uhr Medien zur Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart.

MAKK – Museum für Angewandte Europaweit Alleinstellung genießt Norman Seeff: Kunst Köln die neu aufgestellte Dauerausstel- The Look of Sound An der Rechtschule, 50667 Köln lung »Kunst + Design im Dialog« bis 8. 3. 2020 Tel.: +49 (0)221 221-23860 mit hochkarätigen Exponaten der www.makk.de angewandten und freien Kunst. Di – So 10 – 18 Uhr Die 5000 Jahre zurückreichende 13.1. bis 26.4. 2020 1. Do im Monat 10 – 22 Uhr Schmucksammlung ist einzigartig rollstuhlgängig und ab 2021 als neue permanente Ausstellung erfahrbar. Die Histo- rischen Sammlungen sind wegen Sanierung und Neukonzeption geschlossen. MiQua Auf einer Fläche von rund 7 000 Qua- Der Amsterdam Machsor – LVR-Jüdisches Museum im dratmetern entsteht ein neues Muse- Ein Schatz kehrt heim Archäologischen Quartier Köln um mit einem unterirdischen archäo- bis 12.1. 2020 Augustinerstraße 10 – 12, 50667 Köln logischen Rundgang. An Original- (im Wallraf-Richartz-Museum & Tel.: +49 (0)221 809-7156 standorten treffen die Besucher*innen Fondation Corboud) www.miqua.blog auf Monumente aus zwei Jahrtausen- den. Von den gewaltigen Ruinen des römischen Statthalterpalastes bis zu den kleinteiligen Resten eines der be- deutendsten jüdischen Stadtquartiere Europas präsentiert sich das weltliche Herzstück der Kölner Stadtgeschichte.

Museum für Ostasiatische Kunst Köln 1913 wurde in Köln erstmals in Trunken an Nüchternheit Universitätsstraße 100, 50674 Köln Europa ein Museum für die Kunst Wein und Tee in der Tel.: +49 (0)221 221-28608 Ostasiens eröffnet. Das einzige chinesischen Kunst www.mok-koeln.com eigenständige Museum für Ostasia- bis 3.5. 2020 Di – So 11 – 17 Uhr tische Kunst in der Bundesrepublik 1. Do im Monat 11 – 22 Uhr beherbergt eine der bedeutendsten rollstuhlgängig europäischen Sammlungen von Malerei, Schreibkunst, Druckgrafik,

Keramik, Porzellan, Bronze, Textilien, buddhistischer Holzskulptur und klassischen Möbeln aus China, Japan und Korea.

Museum Ludwig Das Museum Ludwig besitzt die HIER UND JETZT im Museum Ludwig Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln umfangreichste Pop-Art-Samm- Transcorporealities Tel.: +49 (0)221 221-26165 lung Europas, die drittgrößte bis 19. 1. 2020 www.museum-ludwig.de Picasso-Sammlung der Welt, – – Di So 10 18 Uhr eine der besten Sammlungen Lucia Moholy: – 1. Do im Monat 10 22 Uhr zum deutschen Expressionis- Fotogeschichte schreiben rollstuhlgängig mus sowie eine der führenden bis 2. 2. 2020 Sammlungen zur Fotografie. Den Grundstock des Museums bil- WADE GUYTON: ZWEI DEKADEN dete eine großzügige Schenkung MCMXCIX–MMXIX von Peter und Irene Ludwig an bis 1. 3. 2020 die Stadt Köln. ANDY WARHOL: WARHOL NOW 10.10. 2020 bis 21. 2. 2021 Museum Schnütgen Das Museum Schnütgen lädt Skulptur im Blick der Kamera Cäcilienstraße 29 – 33, 50667 Köln dazu ein, in die faszinierende Alfred Tritschlers Fotografien der Tel.: +49 (0)221 221-31355 Welt des Mittelalters einzu- Sammlung Schnütgen www.museum-schnuetgen.de tauchen. In einer der ältesten bis 16. 2. 2020 Di – So 10 – 18 Uhr Kirchen Kölns, der romanischen Do 10 – 20 Uhr Cäcilienkirche, entfaltet sich, Arnt, der Bilderschneider – 1. Do im Monat 10 – 22 Uhr stimmungsvoll inszeniert, die Meister der beseelten Skulpturen eingeschränkt rollstuhlgängig ganze Pracht mittelalterlicher 2.4. bis 5.7.2020 Kunst.

Museumsdienst Köln Der Museumsdienst Köln hat Tipp Leonhard-Tietz-Straße 10, 50676 Köln zwei Aufgaben: Zum einen ist er Beim Museumsdienst können Einzel- Tel.: +49 (0)221 221-24764 zentral für die Vermittlung an und Gruppenführungen in den Mu- www.museen.koeln allen Museen der Stadt Köln zu- seen der Stadt Köln gebucht werden: ständig. Zum anderen verant- [email protected] wortet er übergreifend Marketing und Kommunikation für den Museumsstandort Köln und vereint städtische und nichtstäd- tische Museen unter dem Dach museenkoeln.

NS-Dokumentationszentrum Das NS-Dokumentationszentrum Vergiss deinen Namen nicht – Appellhofplatz 23–25, 50667 Köln widmet sich dem Gedenken, Erfor- Die Kinder von Auschwitz Tel.: +49 (0)221 221-26332 schen und Vermitteln der Geschich- bis 23.2. 2020 www.nsdok.de te Kölns im Nationalsozialismus. Es Di – Fr 10 – 18 Uhr, Sa – So 11 – 18 Uhr hat seinen Sitz im EL-DE-Haus, wo Die I.G. Farben und das Konzen- 1. Do im Monat 10 – 22 Uhr sich von Dezember 1935 bis März trationslager Buna-Monowitz. eingeschränkt rollstuhlgängig 1945 die Zentrale der Kölner Ge- Wirtschaft und Politik im stapo befand. Nationalsozialismus 13.3. bis 24.5.2020

Odysseum Entdecken, mitmachen und staunen! BRICKOSAURS Corintostraße, 51103 Köln Dieses Erlebnishaus des Wissens Eine interaktive prähistorische Tel.: +49 (0)221 690-68111 lädt zur Entdeckungstour in zwei Expedition: mit mehr als www.odysseum.de aufwendig gestaltete Themenwelten: 50 Dino-Modellen, gebaut aus Di – Fr 9 – 18 Uhr, Sa/So 10 – 19 Uhr in den Urzeitdschungel und in die zwei Millionen LEGO® Steinen! Ferien NRW 10 – 19 Uhr Weiten des Weltalls. Über 150 span- bis 6. 1. 2020 rollstuhlgängig nende Mitmachstationen warten auf kleine Entdecker*innen. Im offiziellen Museum mit der Maus kann man die Sachgeschichten aus der WDR-Sen- dung live erleben und im Trickfilm- studio einen eigenen Film anfertigen.

Rautenstrauch-Joest-Museum – In allen Kulturen stellen sich Men- geschenkt! – Kulturen der Welt schen die gleichen Fragen. Aber Die Gabe der Diplomatie Cäcilienstraße 29 – 33, 50667 Köln die Antworten sind vielfältig. Das bis 5. 1. 2020 Tel.: +49 (0)221 221-31356 RJM zeigt Unterschiede und verblüf- www.museenkoeln.de/rjm fende Gemeinsamkeiten. Es schöpft Heilige und Asketen – Miniatur- Di – So 10 – 18 Uhr aus seiner Sammlung mit Originalen malerei der Jaina aus Indien Do 10 – 20 Uhr aus Ozeanien, Afrika, Asien und bis 16. 2. 2020 1. Do im Monat 10 – 22 Uhr Amerika. Sie regen dazu an, die eige- rollstuhlgängig ne Welt mit neuen Augen zu sehen. Resist! Die Kunst des Widerstands

ab 23.10.2020 38 Rheinisches Bildarchiv (RBA) In rund 5,4 Millionen Aufnahmen in Tipp Kattenbug 18 – 24, 50667 Köln Form von Glas- und Filmnegativen, Auf www.kulturelles-erbe-koeln.de Tel.: +49 (0)221 221-22354 Diapositiven, Prints oder originär können auch Privatpersonen in der www.rheinisches-bildarchiv.de digitalen Aufnahmen dokumentiert Bilddatenbank des RBA stöbern und rollstuhlgängig das RBA seit über 90 Jahren den gegen Rechnung digitale Bilddateien, Bildrecherche: www.kulturelles- Kunstbesitz der Kölner Museen Handabzüge oder Prints bestellen. erbe-koeln.de und auf Anfrage sowie die allgemeine Kunst- und unter Tel.: +49 (0)221 221-22354 Kulturgeschichte der Stadt Köln und des Rheinlandes. Es verwaltet zahlreiche Fotografiebestände, u.a. von August Sander, Karl Hugo Schmölz und Chargesheimer.

Römisch-Germanisches Museum Nach dem Umzug ins neue Tipp im Belgischen Haus Domizil an der Cäcilienstraße Auch während der Sanierungsarbeiten Cäcilienstraße 46, 50667 Köln präsentieren sich altbekannte im RGM am Roncalliplatz 4 können täglich außer Di 10 –18 Uhr und neue Funde in frischer Dionysos-Mosaik und Poblicius- 1. Do im Monat 10 – 22 Uhr Umgebung und machen die Grabmal täglich außer montags im eingeschränkt rollstuhlgängig Geschichte des römischen Köln Rahmen von Führungen besichtigt Informationen unter www.roemisch- lebendig. werden. Informationen unter www. germanisches-museum.de roemisch-germanisches-museum.de

Ubiermonument Grabkammer Weiden Einzel- und Gruppenführungen An der Malzmühle 1, 50676 Köln Aachener Straße 1328, 50859 Köln können über den Museumsdienst www.roemisch-germanisches- www.roemergrab.de Köln gebucht werden: museum.de/Ubiermonument Do 10 –13 Uhr, Sa 10 –13 Uhr [email protected] geöffnet jeweils am 1. Do im Monat So 14 –17 Uhr (KölnTag) von 14 –17 Uhr oder mit an Feiertagen geschlossen Führung zu besuchen eingeschränkt rollstuhlgängig

Schokoladenmuseum Köln Das Schokoladenmuseum bietet Bittere Bohne – süßes Vergnügen Am Schokoladenmuseum 1a, auf drei Ebenen eine spannende Eine Ausstellung über Kakao 50678 Köln Zeitreise durch die facettenreiche, und die Menschen, die mit Tel.: +49 (0)221 931-8880 5 000 Jahre alte Kulturgeschichte ihm zu tun haben www.schokoladenmuseum.de des Kakaos und der Schokolade. bis 6.1. 2020 täglich geöffnet: 10 – 18 Uhr Von den Ursprüngen in Altamerika Januar bis März und im November hin zur süßen Verführung unse- NEUERÖFFNUNG montags geschlossen! rer Zeit. Höhepunkt: der stets mit der gläsernen Schokoladenfabrik rollstuhlgängig 200 Kilogramm gefüllte Schokola- 28. und 29. 3. 2020 denbrunnen – Naschen erlaubt.

Die Photographische Sammlung/ Grundlage der Sammlung ist das Boris Becker – Hochbunker SK Stiftung Kultur August Sander Archiv, das weltweit Photographien von Architekturen Im Mediapark 7, 50670 Köln größte Konvolut des berühmten Köl- und Artefakten Tel.: +49 (0)221 88895-300 ner Fotografen. Die Photographische bis 9. 2. 2020 www.photographie-sk-kultur.de Sammlung zeigt Wechselausstellun- Do – Di 14 – 19 Uhr gen mit Arbeiten historischer und 1. Mo im Monat freier Eintritt zeitgenössischer Künstler*innen wie rollstuhlgängig Bernd und Hilla Becher, Karl Bloss- feldt, Jim Dine oder Candida Höfer.

39 Skulpturenpark Köln Der Park wurde durch die Privat- Tipp Riehler Straße (Nähe Zoobrücke), initiative des Sammlerehepaares Der Eintritt in den Skulpturenpark 50668 Köln Dr. Michael und Dr. Eleonore Stoffel ist frei. Jeden 1. Sonntag im Monat Tel.: +49 (0)221 33668860 1997 ins Leben gerufen und wird seit findet um 15 Uhr eine öffentliche www.skulpturenparkkoeln.de 2008 durch die Stiftung Skulp- Führung statt. Kosten: 8,00 Euro, April – Sept. tägl. 10.30 – 19 Uhr turenpark Köln geleitet. In Form ermäßigt 2,00 Euro. Treffpunkt: Okt. – März tägl. 10.30 – 17 Uhr von Wechselausstellungen wird Parkeingang Riehler Straße rollstuhlgängig eine große Bandbreite moderner zeitgenössischer Außenskulpturen präsentiert.

Straßenbahn-Museum der An der Endstation der Stadt- Tipp Kölner Verkehrs-Betriebe AG bahnlinie 18 bietet das Straßen- Ein Highlight der Sammlung ist eine Otto-Kayser-Str. 2c, 51069 Köln bahn-Museum Thielenbruch den der ersten elektrisch betriebenen Tel.: +49 (0)221 28347-71 Besucher*innen die Möglichkeit zu Straßenbahnen, wie sie Anfang des www.hsk-koeln.de einer Reise durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts auf der Kölner jeden 2. So eines Monats 11 – 17 Uhr öffentlichen Personennahverkehrs Ringstrecke zwischen Dom und Flora (Sonderöffnungszeiten s. Website) der Kölner Region. Im Mittelpunkt verkehrten. stehen über 20 historische Fahr- zeuge.

Tanzmuseum des Deutschen Dank seiner Bestände ist das Deut- Tanz! Kritik! Tanzarchivs Köln sche Tanzarchiv Köln ein einzigarti- Von Kritikern, Päpsten Im Mediapark 7, 50670 Köln ges Forschungszentrum für Tanz in und Liebenden! Tel.: +49 (0)221 88895- 400 Europa. Hier finden sich Nachlässe bis 26.1. 2020 www.deutsches-tanzarchiv.de von Tänzer*innen und Choreo- Do – Di 14 – 19 Uhr graf*innen, Fotografien von Tän- 1. Mo im Monat freier Eintritt zer*innen und Ballettaufführungen rollstuhlgängig aus aller Welt. Das angeschlossene Museum ist mit seinen Ausstellun- gen und Veranstaltungen ein Ort für eine besondere Begegnung mit dem Tanz.

Wallraf-Richartz-Museum & Das älteste Museum Kölns besitzt Rembrandts graphische Welt Fondation Corboud die weltweit umfangreichste Samm- bis 12. 1. 2020 Obenmarspforten, 50667 Köln lung mittelalterlicher, vor allem Tel.: +49 (0)221 221-21119 Altkölner Malerei und eine hoch- Inside Rembrandt · 1606–1669 www.wallraf.museum karätige Auswahl an Kunst des 16. bis 1. 3. 2020 Di – So 10 – 18 Uhr bis 19. Jahrhunderts. Die Fondation 1. + 3. Do im Monat 10 – 22 Uhr Corboud umfasst die meisten Werke Amor ist ewig – Trilogie I rollstuhlgängig impressionistischer und neoimpres- Liebeslektüre zur Rubenszeit sionistischer Kunst in Deutschland. 13.2. bis 24.5.2020

ZADIK Das Zentralarchiv für deutsche und Klaus Honnef – Von der Konzept- Im Mediapark 7, 50670 Köln internationale Kunstmarktforschung kunst zur Fotografie Tel.: +49 (0)221 201-9871 ZADIK sammelt und bewahrt die bis 28. 3. 2020 www.zadik.info Archive bedeutender Galerien und Mo – Fr 10 – 16 Uhr Kunsthändler*innen, Kunstkritiker*in- 5 Jahre Avantgarde: rollstuhlgängig nen, Sammler*innen und Fachfoto- Helmut Rywelskis art intermedia, graf*innen sowie Materialien zu deren Köln 1967–1972 Arbeit mit den Künstler*innen. Regel- 11. 5. bis 30. 10. 2020 mäßige Ausstellungen bieten interes- sante Einblicke in die Kunstwelt. 40 Museumsshop PING

Riechen: Keiner unserer fünf Sinne Hören: Was gibt es Schöneres in der ist so eng mit Gefühlen und Er- dunklen Jahreszeit, als sich gegenseitig innerungen verbunden wie der Ge- etwas vorzulesen und wundersamen ruchssinn. Nach einer Reise durch Geschichten zu lauschen? »Das Kölner das Duftmuseum im Farina-Haus Märchenbuch« präsentiert 20 Sagen kann man diese Erinnerung mit und Legenden aus Köln.

nach Hause nehmen. Jutta Echterhoff & Susanne Viegener, FARINA 1709 Eau de Cologne Original, »Das Kölner Märchenbuch«, 100 ml, Replik des ersten Flakons von 1709 Marzellen Verlag Köln, 128 Seiten mit zahlreichen in edler Holzkiste, 87,00 Euro, erhältlich im farbigen Illustrationen von Mira Lob, 14,95 Euro, Shop des Farina Duftmuseums erhältlich im Museumsshop des Kölnischen Stadtmuseums Sich wundern mit allen Sinnen

Text: Ipek Sirena Krutsch

Sehen: Man traut seinen Augen nicht: Schmecken: Schokolade ist Balsam Fühlen: Ein Stoff, um den sich seit 5 000 Die Domstadt für die Hosentasche! für die Seele! Wenn man dann noch Jahren Mythen und Geheimnisse ran- Der Kölner Dom, die Hohenzollern- im Schokoladenmuseum mit eigenen ken: die Seide. Doch was macht sie so brücke, die Altstadthäuser, der Rhein. Augen gesehen hat, wie die Köstlichkeit faszinierend? Seidenfäden leiten Wärme Und sogar ein Hennes ist mit dabei. Ein hergestellt wird, schmeckt sie gleich nicht gut, und daher wirkt der edle Stoff liebevoll gestaltetes Kleinod, an dem doppelt so gut. im Sommer kühlend und hält dafür im

man sich nicht sattsehen kann. Kölner Dom in Schokolade 3-D, Vollmilch, Zart- Winter mollig-warm. Streichholzschachtel »Köln«, Mini-3-D- bitter oder weiße Schokolade, 300 g, je 13,95Euro, Schal, Kanthastickerei, Westbengalen, Seide, Stadt von SILHOUBOX, 8,90 Euro, erhältlich im erhältlich im Shop des Schokoladenmuseums Köln 55,00 Euro, erhältlich im Museumsshop des Museumsshop des Kölnischen Stadtmuseums Rautenstrauch-Joest-Museums 41 Der größte Schatz der »sancta Colonia«

Dreikönigenschrein im Kölner Dom, Ende des 12. Jh., Foto: Robert Boecker 42 Wie die mittelalterlichen Kölner*innen ihre Heiligen verehrten und Reliquien wundersam vermehrten

Der größte Schatz der »sancta Colonia«

Text: Carl Dietmar

Keine andere Stadt könne sich so vieler Heiligengräber transferieren, das waren die Märtyrertranslationen. Man und des Besitzes »zahlreicher heiliger Unterpfänder« konnte sich notfalls auch damit behelfen, Anteile von rühmen – es seien »kostbare Kleinode, so viele Schätze, Märtyrerreliquien zu erbitten – und sei es durch Teilung in Edelsteinen und Gold gefasst, die diese glückliche der Reliquien. Stadt verehrt«. In der »Flora«, einem Lobgedicht auf Köln, In Köln war beides praktiziert worden, der Erwerb sind diese Sätze zu lesen – der Humanist Hermann von von Reliquien wie die Suche nach Gräbern. So überführ- dem Busche formulierte sie zu Beginn des 16. Jahrhun- te der fränkische Große Pippin Ende des 7. Jahrhunderts derts. Es war letztlich die große Zahl der »Kleinode«, die Gebeine der Ewalde, zweier angelsächsischer Missio- nämlich der Reliquien in den Kölner Kirchen, die den nare namens Ewald, die von Sachsen oder Friesen mas- Ausschlag gegeben hatte, dass die Stadt sich »sancta Co- sakriert worden waren, in die Kirche St. Kunibert. Erzbi- lonia«, das »hillige Coellen«, zu nennen vermochte. schof Bruno war ein notorischer Reliquiensammler – er Schon in der Spätantike gehörte die Verehrung von brachte im 10. Jahrhundert den Stab und die Kette Petri Reliquien zu den wichtigsten Äußerungen der Volks- aus Rom an den Rhein, darüber hinaus »die Gebeine der frömmigkeit – die irdischen Überreste von Märtyrern hochberühmten Märtyrer Patroklus, Eliphius und Grego- verhießen Heilsgewinn, man war überzeugt, dass sie rius und die kostbaren Reliquien des Christophorus und Wunder bewirken konnten. Heilige hatten nach gän- des Pantaleon«, so sein Biograf. giger Vorstellung eine zweifache Gegenwart: Ihre Seele Das 12. Jahrhundert markiert sozusagen den Hö- befand sich schon im Himmlischen Jerusalem, ihre hepunkt der Kölner Reliquienver(m)ehrung. Die be- Leiber blieben bis zum Jüngsten Gericht auf Erden. Man deutendsten Reliquien der Stadt, die der Heiligen Drei betete zu ihnen, um bei Gott Gehör zu finden – Gräber Könige, wurden 1164 von Erzbischof Rainald von Dassel galten als idealer Ort zur Kontaktaufnahme. Und so war aus Mailand nach Köln überführt. Es handelte sich um es für die Gläubigen von Vorteil, wenn Märtyrergräber in eine »translatio« (Überführung) – so wird der Vorgang ihrem Umfeld vorhanden waren bzw. gefunden worden vornehm umschrieben; man kann ihn auch als Raub be- waren; der Fachausdruck dafür lautet Märtyrerinven- zeichnen, mit einem guten Ende allerdings: »Von jener tion. Städte ohne derlei Gegebenheiten mühten sich, Zeit an begann Köln zuzunehmen an Ruhm, sodass bis Märtyrergebeine von anderswo herbeizuschaffen, zu heute, angezogen vom Duft der Heiligen Könige, von

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Meister der Kleinen Passion, Martyrium der heiligen Ursula vor der Stadt Köln, Wall- raf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_d000348 um dem kostbaren Dreikönigenschrein eine würdige den Inseln des Meeres und aus verschiedenen Ländern Heimstatt zu geben. Dort, so merkte ein Karmelit im die Gläubigen unaufhörlich zusammenströmen, um hier 14. Jahrhundert an, sollten »die Heiligen Drei Könige ihre Gelübde zu erfüllen«, schrieb um 1250 ein Chro- nun rasten und ruhen bis zum Jüngsten Tag«. nist. Und nicht zuletzt wurde der gotische Dom geplant, Es ist aber die Legende der heiligen Ursula, die am deut- lichsten zeigt, auf welchen Vorstellungselementen die mittelalterliche Reliquienverehrung aufbaute – und wie nach und nach verschiedene Überlieferungsstränge zu- sammengefügt wurden. Ihr historischer Rahmen ist der Einfall der Hunnen ins römische Gallien im Jahre 451. Von den Römern geschlagen, zogen sie sich unter König Attila wieder nach Ungarn zurück – dieses Ereignis wur- de wiederum mit »heiligen Jungfrauen« in Verbindung gebracht, die vor der Stadt ihr Martyrium erlitten haben sollen; im Bereich der Kölner Römermauer war wahr- scheinlich schon im 4. Jahrhundert eine Kirche errichtet worden, die namentlich nicht genannten Märtyrerinnen geweiht war – sie hieß damals noch »zu den heiligen Jungfrauen«. Bis ins 10. Jahrhundert ist in verschiedenen Quellen zumeist von elf Jungfrauen die Rede. Aus dieser Zeit stammt auch die erste niedergeschriebene Fassung der Legende, die »passio Ursulae«; in der heißt es, die Hunnen hätten Köln belagert und dabei die Jungfrauen um dem kostbaren Dreikönigenschrein eine würdige umgebracht: Als Anführerin der Gruppe wurde erst- Heimstatt zu geben. Dort, so merkte ein Karmelit im mals die britannische Königstochter Ursula erwähnt; ihr 14. Jahrhundert an, sollten »die Heiligen Drei Könige und ihren zehn Begleiterinnen seien wiederum jeweils nun rasten und ruhen bis zum Jüngsten Tag«. 1000 Jungfrauen gefolgt. Als man dann im Jahr 1106 beim Bau der ersten mittel- Die Heiligen Drei Könige, die heilige Ursula und ihre alterlichen Stadtmauer Kölns in der Nähe der Kirche ein Begleiterinnen, der heilige Gereon und seine Gefährten Gräberfeld entdeckte, setzte ein wahres Reliquienfieber von der Thebaischen Legion, die am Standort der Kirche ein; da man neben den Knochen zahlreicher Frauen St. Gereon den Märtyrertod erlitten haben sollen: Sie auch die von Männern und Kindern fand, wurde die Le- standen im Spätmittelalter ganz vorn in der Reihe der gende ein zweites Mal umgestaltet. Auf Bitten des Deut- Stadtpatron*innen, wie Stefan Lochners Dombild ein- zer Abtes bestätigte die Seherin Elisabeth von Schönau, drucksvoll belegt. Es ist aber festzuhalten, dass Reliquien dass auch Männer, darunter Bischöfe, sowie Kinder sich jeglicher Art in sämtlichen Stifts-, Kloster- und Pfarr- den Jungfrauen angeschlossen hätten, um mit ihnen das kirchen Kölns gezeigt wurden. Den ersten Rang nahmen Martyrium zu erleiden. Die Mönche des Klosters Deutz Christus- und Marienreliquien ein; die wirkmächtigsten beteiligten sich an der wundersamen Reliquienvermeh- waren Splitter vom Heiligen Kreuz. Einer davon befand rung, sie »deuteten« die gefundenen Überreste und sich im Dominikanerkloster in der Stolkgasse; König Lud- versahen sie mit Namensschildchen (tituli). Die große wig der Heilige hatte die Reliquie dem Ordenslehrer Al- Zahl von 11000 Jungfrauen wurde für die Kölner*innen bertus Magnus geschenkt. Auch »wunderliche Reliquien« nun glaubhaft – weil der »ager Ursulanus«, sprich: der wurden verehrt: die blaue Tunika des Christkindes im römische Friedhof, bei immer wieder durchgeführten Kloster der Weißen Frauen, Scherben der Weinkrüge aus Grabungen Tausende von Skeletten »lieferte«. Es war der Kana in St. Ursula, Brotreste der Speisung der Fünftausend Beginn einer intensiven Ursulaverehrung, die sich über in St. Gereon; und St. Pantaleon verfügte über Teile vom das gesamte Abendland verbreiten sollte. Schwangerschaftsgewand der Gottesmutter.

Die Gläubigen sahen in all diesen Überresten wundertätige Hilfen für die Beschwernisse des Lebens.

Die Vielzahl heiliger Gebeine, »heiliger Körper«, die Köln besaß, beeindruckte zahlreiche Besucher*innen. Einem böhmischen Pilger erklärte man 1465/66 in St. Ursula, mit den 11000 Jungfrauen seien noch wei- tere 36 000 Menschen am Platz der Kirche umgebracht worden. Die war inzwischen zu einer dreischiffigen Basilika ausgebaut worden und wandelte sich im Laufe der Zeit zu einem einzigen großen Beinhaus (ossua- rium); die aufgefundenen Gebeine wurden in zahl- reichen Steinsärgen aufbewahrt, andere in den Nischen des Chores untergebracht. Für die heilige Ursula und ihren Bräutigam Aetherius wurden im 12. Jahrhundert prächtige Schreine gefertigt. Daneben füllte man Kästen mit Gebeinen und Schädeln, andere wurden in Reli- quiaren, Behältern, ausgestellt, vor allem in Form von Reliquienbüsten. Schon im Spätmittelalter gab es eine »Goldene Kammer«, die 1643/44 durch eine gleichna- mige Kammer ersetzt werden sollte, die noch heute die Sehenswürdigkeit der Kirche ist. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass die Kölner Kunsthandwerker im gesamten Reliquiar in St. Ursula, Spätmittelalter mit der Fertigung kostbarer Reliquiare doppelseitige Büste, 14. Jh., und Reliquienbüsten erhebliche Einnahmen erzielten. Foto: Bildarchiv Monheim

46 47 Die Gläubigen sahen in all diesen Überresten wunder- tätige Hilfen für die Beschwernisse des Lebens. Am Ende des Mittelalters war für jede Notlage oder Krankheit Info ein bestimmter Heiliger oder eine bestimmte Heilige zuständig, Berufsgruppen suchten sich Schutzheilige Dr. Carl Dietmar ist Historiker und aus der großen Heiligenschar aus – und heute noch Autor zahlreicher Köln-Bücher, die ist St. Margareta die Schutzpatronin der Gebärenden, mittlerweile eine Gesamtauflage St. Florian der Schutzherr der Feuerwehr, St. Christopho- von mehr als 150 000 Exemplaren rus der der Reisenden bzw. der Autofahrer*innen. erreicht haben. Er ist auch Co-Autor Auch nach der Reformation galten den Kölner*- von »Köln im Spätmittelalter«, des innen, die am katholischen Glauben festhielten, »ihre« vierten Bandes der »Geschichte der Heiligen und deren Reliquien als größter Schatz. Doch Stadt«, die von der Historischen Ge- mit dem im 17. Jahrhundert einsetzenden Niedergang sellschaft Köln herausgegeben wird. der Stadt litt auch ihr Ruf. Der französische Reisende Claude Joly, selbst Katholik, machte sich 1647 über die Köln im Spätmittelalter »sancta Colonia« lustig: »Die Kirchen sind so zahlreich, erscheint im Greven Verlag Köln. dass beinahe eine auf der anderen sitzt. Die meisten Der vorliegende Artikel basiert auf stecken voller Reliquien – aber ich bezweifele, dass die einem Kapitel des Bandes (»Heiligen- alle echt sind.« und Reliquienverehrung«).

Stefan Lochners Meisterwerk: der Altar der Stadtpatrone (auch Dombild), Tafelmalerei, um 1445, Foto: Bildarchiv Monheim

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Woher weiß das Wunder vom Wunsch?

Herz Mariens, Paris, 2. Hälfte 19. Jh., Verlag Bouasse-Le- bel, Paris, Museum Schnütgen, Köln, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_c024347

Daruma als Glücksbringer, Japan, 1990er-Jahre, Foto: Museums- dienst Köln, A. Bügener

50 Blumenklappbild Graffiti mit mit Heiliger Familie, der deutschen 2. Hälfte 18. Jh., Kapitänin Museum Schnütgen, Carola Rackete, Köln, Rheinisches TvBoy © dpa Bildarchiv Köln, 123022658 rba_c024337

Von Glücksbringern, Ikonen und Visionärinnen

Text: Ulrike Anna Bleier

Daruma heißen die Glücksbringer, die es in Japan an Bilder als Platzhalter für Heilige jeder Ecke zu kaufen gibt: bunte Figuren aus Pappma- Vergleichbare Züge nahm im Mittelalter die Heiligenver- schee, die statt der Augen zwei kreisrunde Leerstellen ehrung an; bis in die Neuzeit hinein war ein Heiligen- haben. Während man sich etwas wünscht, malt man ein bild nicht Kunstwerk allein, sondern eine Art Heiligen- Auge aus. Erst wenn sich der Wunsch erfüllt hat, wird ersatz, sprich: Im Volksglauben konnte das Bild selbst das zweite ausgemalt. Die Figur geht auf den Begründer Wunder bewirken. Verehrt wurden zudem sogenannte des Zen-Buddhismus, Bodhidharma, zurück. Die Legen- Reliquien – persönliche Gegenstände der Heiligen oder de besagt, er habe sich die Wimpern abgerissen, nach- Körperteile wie Knochen. Für Köln hatte die Reliquien- dem er bei einer Meditation eingeschlafen sei. Und da verehrung äußerst positive Auswirkungen. So bescherte der Daruma auch heute noch daran interessiert sei, nicht die Legende von der heiligen Ursula der Stadt großen nur ein, sondern zwei Augen zu besitzen, sei die Wahr- Reichtum – und zwar durch den Handel mit Reliquien scheinlichkeit hoch, dass er den Wunsch erfülle. der angeblich 11000 Märtyrerinnen, die zusammen mit

51 Heiliger Sebastian, Herz Mariens, 1519, Hans Schäufelin Schweiz, (aus der Ausstellung um 1860 – 1870, »Wir. Glauben. Kunst«, Museum Schnütgen, Köln, WRM), Foto: Ulrike Foto: Rheinisches Bildarchiv Anna Bleier Köln, rba_c024350 der späteren Stadtpatronin von den Hunnen gemeu- warten oft Marter, Leiden und Tod. Viele vollbringen chelt worden waren. Seitens der Kirche war ein solcher die Wunder schon zu Lebzeiten, von ihrem irdischen Handel zwar streng verboten, trotzdem sind Ende des Körper ausgehend oder von Dingen, mit denen sie in 14. Jahrhunderts mehr als 12000 der Skelette im Um- Berührung kamen. In Köln erzählte man sich beispiels- lauf – Köln kann also auf durchaus reale Erfahrungen weise von einem Bürger, auf dessen Körper »Ave Maria« mit Wundern zurückgreifen. geschrieben war, da er »diesen Gruß beim Auf-und-ab- Gehen betete«. Entsprechend zeigte sich die Schrift an Wunsch und Wunder – enge Verwandte seinen Füßen und um die Knie. Aber auch das Gegenteil Als Wunder bezeichnen wir nicht nur Ereignisse und Phä- kann eintreten, ist der Glaube nur stark genug. So wird nomene, die sich mit dem Verstand nicht erklären lassen. von einer frommen Bierbrauerin an St. Aposteln berich- Es geht auch um jene Wünsche, die wir uns selbst nicht tet, deren Haus bei einem verheerenden Brand als ein- erfüllen können. Spontane Heilung von Krankheiten ge- ziges verschont blieb, weil sie während der Katastrophe hört ebenso dazu wie auch Liebeswünsche oder das Ban- inbrünstig zu den Aposteln betete. nen von Dämonen, die uns quälen. Etymologisch ist das Wort »Wunder« sogar eng verwandt mit dem »Wunsch«. Ikonen des 21. Jahrhunderts Woher aber weiß das Wunder, dass es den Wunsch Heute warten wir nicht mehr auf ein Wunder. Wenn wir gibt? Als Vermittler*innen fungieren Glücksbot*innen, etwas haben wollen, bestellen wir es. Und das funktio- Heilige, Fürsprecher*innen. Sie sind das Bindeglied niert! Moderne Fürsprecher*innen heißen Alexa oder zwischen Menschen und ihren Göttern, Geistern und Siri und kommunizieren weniger über ihren guten Ahn*innen, stets parteiisch für die Sache der Lebenden. Draht »nach oben« als mittels digitaler Vernetzung mit Wie die Halbgötter der Griechen zahlen auch die Hei- Pizzaboten, elektrischen Jalousien, intelligenten Kühl- ligen fast aller Religionen einen hohen Preis: Auf sie schränken. Statt göttlicher Hilfe bei schweren Krankhei-

52 Info Ausstellungstipps

Reliquiare in der Dauerausstellung des Museum Schnütgen

Kunst des Mittelalters in der Dauerausstellung des Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud

Heilige und Asketen Rautenstrauch-Joest- Museum – Kulturen der Welt bis 16. 2. 2020

ten rufen wir die 112 oder lassen Siri ein Medikament in der Online-Apotheke bestellen. Was sicherlich – vor allem in schwerwiegenden Fällen – die bessere Wahl ist. Doch so pragmatisch lassen sich auch im 21. Jahr- hundert die drängendsten Probleme nicht lösen. Mit zunehmender Hilflosigkeit über den Zustand der Welt scheint unser Bedarf an Wundern nicht wirklich passé – und auch nicht an jenen, die sie vollbringen. Die offen- bar über Handlungsressourcen und Visionen verfügen, die uns fehlen, um das zu tun, was dringend getan werden muss: Ertrinkende aus dem Mittelmeer retten, kompromisslos für den Klimawandel einstehen, für die Rechte von Mädchen und Frauen kämpfen! Dass auch die zeitgenössische Kunst an Ikonen interessiert ist, zeigt ein Kunstwerk des italienischen Graffiti-Malers TvBoy. Im August sprayte er das Konterfei von Carola Rackete, der unerschrockenen Sea-Watch-Kapitänin, an eine Haus- wand auf Sizilien: In Gestalt der heiligen Mutter Maria hält sie ein Flüchtlingskind in den Armen.

Ulrike Anna Bleier lebt seit vielen Jahren in Köln, wo sie als Schriftstellerin und Journalistin tätig ist. Für die Stadt Köln arbeitet sie zudem als Projekt- leiterin des Kölner KulturPaten e. V.

53 1 von 30 DOMSCHATZKAMMER 30 Museen und kulturelle Einrichtungen in Köln

Ein von dunklen Bronzeplatten um- und Kreuze, liturgische Hand- leichnam durch Kölner Straßen. hüllter Kubus und eine goldene Stele schriften und Gewänder. Zudem Das Lapidarium (Steinesammlung) weisen den Weg in eine wunderbare Reliquiare, in denen die sterblichen beherbergt mittelalterliche Skulp- Welt: Unterirdisch um die Funda- Überreste der Heiligen oder Dinge, turen und bedeutende Funde aus mente der Kathedrale an der Nord- die mit den Heiligen in Verbindung Gräbern des fränkischen Hochadels seite herum gebaut, zeigt die Dom- gebracht werden, aufbewahrt sind. aus dem 6. Jahrhundert. Dort be- schatzkammer seit Oktober 2000 in Zahlreiche Geräte werden noch heu- gegnet man auch jenen Aposteln, ihren Gewölben einen Teil der wert- te an besonderen Feiertagen in der Propheten, Engeln und Heiligen, vollen Sammlung des Kölner Domes. Messfeier im Dom verwendet: Bis deren monumentale Skulpturen In sechs Ausstellungsräumen präsen- heute trägt man die Sonnenmonst- zwischen 1375 und 1390 in der tiert sie christliche Kunst vom 4. bis ranz, ein kostbares Schaugefäß mit Dombauhütte für das Petersportal zum 20. Jahrhundert – Messkelche Fenster und Hostie darin, an Fron- im Südturm entstanden.

Wa(h)re Wunder Seit frühchristlicher Zeit haben die sterblichen Überreste von Heiligen wie auch Gegenstände, die man mit ihnen verbindet, eine ganz besondere Strahlkraft. So war jede Reliquienverehrung stets verbunden mit der Hoffnung auf Fürbitte der Hei- ligen an allerhöchster himmlischer Stelle. Dieser kostbarste Besitz der Kirchen wurde in aufwen- digen Behältnissen und in besonderen Räumen, sogenannten Heiltumskammern, aufbewahrt. Auch der Kölner Dom verfügt über einen reichen Reliquienschatz – und wurde im Mittelalter zu einem der bedeutendsten Wallfahrtsziele: Ge- segnete Pilgerzeichen und später Medaillen, die in Berührung mit den Reliquien gekommen waren, gaben frommen Wallfahrer*innen die Möglichkeit, die erwünschte Heilswirkung mit nach Hause zu nehmen. Zu den wertvollsten Reliquien des Do- mes, bevor die Gebeine der Heiligen Drei Könige Schatz mit Geschichte nach Köln kamen, zählten der Petrusstab und die drei eisernen Glieder der Petruskette. Mit ihr soll der Apostel in einem römischen Gefängnis gefes- Die Geschichte des Kölner Domschat- dings für Normalsterbliche verschlos- selt worden sein. Außerdem der 1633 entstandene Schrein des Kölner Erzbischofs Engelbert, 1225 zes reicht zurück bis ins 10. Jahrhun- sen blieben. Erst mit Fertigstellung des ermordet und als Schutzpatron der Katholiken im dert. Neben sakralen Kostbarkeiten Domes im 19. Jahrhundert wurde der Dreißigjährigen Krieg verehrt. Darauf finden sich wie liturgischen Geräten, Büchern und Domschatz öffentlich präsentiert. Die unter anderem Darstellungen legendärer Wun- derheilungen an seiner ursprünglichen Ruhestätte Gewändern – oftmals Schenkungen neue Domschatzkammer an der Nord- in der Kölner Kathedrale. der Erzbischöfe, Domgeistlichen oder seite befindet sich in unterirdischen reicher Bürger*innen – waren es vor al- Gewölbebauten des 13. Jahrhunderts. lem die irdischen Überreste der Heiligen Diese dienten vermutlich einst als La- Drei Könige, 1164 durch Erzbischof Rai- gerkeller für Messweine, später war hier nald von Dassel nach Köln gebracht, bis in die 1960er-Jahre eine Weinhand- die der Bedeutung des Domschatzes lung untergebracht, die aber wegen des Auftrieb gaben. Schon in der Frühzeit Baus der Domplatte schließen musste.

wurden die Prunkstücke in besonderen Heute kostbares Kunsthandwerk, früher edle Räumlichkeiten aufbewahrt, die aller- Tropfen: Blick in die Gewölbe des ehemaligen Weinkellers, um 1960, Foto: Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte Köln

Conrad Duisbergh, Engelbertschrein, Köln, 1633, Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte Köln, Foto: Matz und Schenk 54 DOMSCHATZKAMMER

Gotischer Bischofsstab, Köln, um 1322, Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte Köln, Foto: Matz und Schenk

Christian Schweling, Mons- tranz, Köln, 1657/58, 1975 zerstört, 1978–1987 rekonstruiert, Hohe Dom- kirche Köln, Dombauhütte Köln, Foto: Winfried Kralisch

»Ein Kollege sagte immer: Der Dom sucht sich seine Mit- Himmlisches im Untergrund: arbeiterinnen und Mitarbeiter. Vielleicht Wunder vom Gewölbekeller hat er recht, also im Nachhinein kann ich Die imposante Architektur lässt es Da ist der Vorsängerstab des Kölner das für mich bestäti- erahnen: Der zehn Meter hohe mittel- Domchores, der nicht nur vom Kantor gen. Ich glaube, ich bin alterliche ehemalige Sakristeikeller der dem Chor beim Einzug in die Kirche nicht zufällig hier.« Kathedrale bildet nicht von ungefähr vorangetragen wurde, sondern zur das Zentrum der Domschatzkammer. Vorgabe des Taktes und der Einsät- Leonie Becks, Leiterin der Von hier hat man den unmittelbaren ze diente. Zwei weitere wunderbare Domschatzkammer Köln Blick auf die bewegte Geschichte der Objekte sind der gotische Bischofs- Domkirche: An dieser Stelle finden sich stab und das Kurschwert, Zeichen der am besten erhaltene Teil der römi- der geistlichen und weltlichen Macht schen Stadtmauer Kölns, Säulen aus der Kölner Erzbischöfe. Der Bischofs- salischer Zeit und ringsherum die ge- stab entstand vermutlich zur Weihe waltigen gotischen Mauern des Funda- des neuen gotischen Domchores am mentes. Und dann ist da das Ziegelge- 27. September 1322. Die Prunkmons- wölbe aus dem 16. Jahrhundert. In den tranz aus purem Gold, mit pracht- geheimnisvoll ausgeleuchteten Vitrinen vollem Edelsteinschmuck und Email- scheinen die golden schimmernden malerei zählt zu den schönsten und Kostbarkeiten im Raum zu schweben. kostbarsten Goldschmiedearbeiten »Präsentiert sind hier Hauptwerke der der Barockzeit. Das einzigartige Stück mittelalterlichen und gotischen Schatz- wurde 1975 bei einem Einbruch in den kunst«, so Leonie Becks, seit 2001 Kölner Domschatz geraubt und weit- Leiterin der Domschatzkammer, über gehend zerstört, Gold und Silber hat- ihren persönlichen Lieblingsort der ten die von Interpol ermittelten Diebe Sammlung. »Drei wunderbare Objekte eingeschmolzen. Neun Jahre brauchte besitzen wir im Kölner Domschatz, die Domgoldschmied Peter Bolg, um die zeigen, wie kunstfertig die Kölner Gold- Prunkmonstranz anhand von Fotos schmiede gerade im 14. Jahrhundert und unter Verwendung wieder aufge- Köln, Domschatzkammer, Schatzkammerlei- waren und dass sie absolute Spitzen- tauchter Steine und Emailfassungen terin Leonie Becks, Foto: Hohe Domkirche Köln, werke ihrer Zeit geschaffen haben.« im alten Glanz wiederherzustellen. Dombauhütte Köln, Jennifer Rumbach

55 Eine Grabkammer im Nichts? DAS WUNDER VON WEIDEN

Text: Kathrin Jaschke

In Köln gilt seit Jahrhunderten: Wer im Stadtzentrum Was schließlich zutage kommt, versetzt noch heute die baut, sollte im Erdreich stets mit den Hinterlassenschaf- Besucher*innen in Erstaunen: Unter dem Schutt der ein- ten vergangener Zeiten rechnen. Der eine macht sich gestürzten Decke findet sich eine unterirdische römische die historischen Mauern zunutze und spart so Material Grabkammer, ausgestaltet wie ein Speisezimmer: drei und Zeit. Die andere entsorgt die alten Steine oder ver- Nischen mit Speisesofas und zwei aus Kalkstein nach- kauft sie gewinnbringend. Doch selbst weit vom ehe- gebildeten Korbsesseln. Dazu drei Porträtbüsten und die mals römischen Stadtgebiet Überreste eines Sarkophags. entfernt, an der Aachener Straße Noch im selben Jahr, in Weiden, lassen sich noch 1843, werden die bedeutenden Geheimnisse lüften: So staunt Funde von Roderich S. Schnei- der Fuhrmann Ferdinand Sieger der in einem Grabungsbericht 1843 beim Bau einer Lagerhalle veröffentlicht und zum Kauf nicht schlecht, als er im Boden angeboten. Bei einer Auktion auf massiven Widerstand stößt. gelingt es dem Kölner Dom- Etliche Meter unter der Erd- baumeister Ernst Friedrich oberfläche entdeckt er Mauern Zwirner ein Jahr später, sowohl und eine Tür. Sieger ist sich die Grabkammer als auch Teile sicher: Dahinter warten wert- des Grundstückes und einzelne volle Schätze auf ihn. Eupho- Funde für das Königreich Preu- risch schlägt er die Tür ein und ßen zu sichern für einen Kauf- findet – Schutt und Erde … preis von 2 300 Talern. Zwirner Doch die Geschichte geht weiter. Das wachsende lässt die Decke wieder aufbauen und einen Schutzbau Interesse an Archäologie und den Römern motiviert auch errichten. Der Bewohner des benachbarten Wärterhauses den Bürgermeister der Gemeinde Üsdorf, Weygold, und ist fortan für die Aufsicht der Kammer zuständig. Damals den Gutsbesitzer Dapper aus Lövenich, gemeinsam wei- wie heute – nur jetzt im Auftrag des Fördervereins Rö- terführende Ausgrabungen an jener Stelle zu finanzieren. mergrab Weiden e. V. Selbstverständlich nicht, ohne im Vorfeld die Aufteilung Absoluter Blickfang in der Grabkammer ist der möglicher Funde zu vereinbaren. Sarkophag aus Carrara-Marmor, reich verziert mit Fi- 56

Römische Grabkammer in Köln-Weiden, 2.– 4. Jahrhundert n. Chr., Jahreszeitensarkophag und Frauenbüsten aus Marmor, Fotos: Klaus W. Schmidt, Bonn guren, die die Jahreszeiten und die Hoffnung auf ein heutigen Verlauf als Fernstraße von Köln in Richtung Weiterleben nach dem Tod verkörpern. Ausgearbeitet Maastricht und weiter an die Atlantikküste. Zwar bestat- sind nur die sichtbaren Seiten des Sarkophags, die Rück- teten die Römer ihre Toten außerhalb der Stadt entlang seite ist schlicht. Es stellt sich die Frage, ob der steinerne der großen Ausfallstraßen, aber diese Gräberfelder reich- Koloss tatsächlich schon seit 2 000 Jahren an dieser Stelle ten nicht bis nach Weiden. Wer ließ sich hier also zur steht. Die einhellige Meinung der Archäolog*innen: nein. letzten Ruhe betten? Das Umland des römischen Köln Nachweislich wurde der Sarkophag 1843, in Stücke zer- war beileibe nicht unbewohnt, es gab kleine Dörfer und brochen, entdeckt und wieder zusammengesetzt. Sein einzelne Gutshöfe, die die Stadt mit ihren Erzeugnissen ursprünglicher Standort ist unbekannt. Aufgrund der belieferten. Auf jenen Gutshöfen waren auch die füh- figürlichen Darstellungen kann er aber recht gut datiert renden Familien der Stadt zu Hause: die Gutbetuchten, werden – auf die Zeit um 300 n.Chr. Als der Sarkophag die die städtischen Ämter bekleideten. Einige waren also nach Weiden kam, existierte die Kammer bereits seit finanziell in der Lage, sich steinerne Grabbauten für die etwa 150 Jahren. Wahrscheinlich war das Prachtstück in gesamte Familie zu leisten, die die Zeiten überdauerten früherer Zeit über der Kammer in einem oberirdischen und heute als Wunder römischer Zeiten bestaunt werden Grabbau aufgestellt. Und damit von der Straße aus für können. jeden sichtbar. Bleibt die Frage: Warum eine Grabkammer mitten Kathrin Jaschke beschäftigt sich seit Studientagen mit den Römern und ihrer Geschichte. Als Referentin des Museumsdienstes für die Kunst- und im Nichts? Oder – wie sah es an diesem Ort in römischer Kulturvermittlung im Römisch-Germanischen Museum liegen ihr die antike Zeit aus? Die Aachener Straße existierte bereits in ihrem Geschichte der Stadt und deren Vermittlung besonders am Herzen.

57 Askold Kurow entkam der Gestapo »Lieber eine Kugel auf der Flucht als den Tod durch die Schlinge«

Wunder des Überlebens

58 WUNDER

Text: Nambowa Mugalu

Im Februar 1945 geschieht für den Zwangsarbeiter Nummer 483 durch die Verkettung vieler glücklicher Umstände ein Wunder: Niemand hatte es bislang wäh- rend des Krieges geschafft, aus dem Gestapo-Gefängnis EL-DE-Haus in Köln zu fliehen. Täglich bekommen die Inhaftierten mit, wie Kamerad*innen erhängt werden. Es gibt kein Entrinnen. Doch Askold Kurow findet an einem klirrend kalten Morgen einen Ausweg. Er ist an diesem Tag im Tiefkeller des Hauses eingesetzt, um Akten zu transportieren. Plötzlich klingelt das Telefon. Der wachha- bende Gestapo-Beamte lässt ihn stehen, um den Anruf im Gefängnis – eine Etage über dem Tiefkeller – entgegenzu- nehmen. Kurow reagiert sofort. Er wittert seine einzige, für unmöglich gehaltene Chance und flieht durch ein Fenster des Heizungskellers, das nicht vergittert ist.

Seine Abschiedsnachricht an der Wand Kurow ist frei. Er orientiert sich an der Spitze des Kölner Domes und läuft zur Rheinbrücke. Auf dem Weg findet er eine Schaufel. Er nimmt sie mit, damit er wie ein normaler Arbeiter aussieht. An der Brücke steht ein mit Weißkohl beladener Lastwagen. Darauf vier Männer, die er aus dem Messelager kennt. Sie berichten, dass sie den Kohl nach Overath bringen. Kurow darf mitfahren und kommt in Overath in einem Lager unter.

Wandinschrift Askold und Askold Kurow, Vera Kurow, 1945/46, Foto: Rheinisches Foto: NS-Dokumen- Bildarchiv Köln, tationszentrum der Anna C. Wagner, Stadt Köln rba_d015387_03

59 Er ist der Einzige, der während des Krieges aus den Als Zwangsarbeiter musste Kurow bei der Bauhilfe Ba- Mauern des EL-DE-Hauses entkommen konnte. Wie rackenbau Behausungen für ausgebombte Kölner*innen hoffnungslos seine Lage schien, belegt die Inschrift an errichten. Unterdessen beging er im Messelager Sabota- seiner Zellenwand, die er wenige Tage vor der Flucht geakte, traf sich mit Nazi-Gegner*innen und plünderte verfasste: »Heute ist der 3.2., 40 Leute wurden gehängt. aus Postpaketen Lebensmittel und Waffen. Bei seinem Wir haben schon 43 Tage gesessen, das Verhör geht zu ersten Fluchtversuch scheiterte er. Er wurde in Duisburg Ende, jetzt sind wir mit dem Galgen an der Reihe. Ich gefasst und in ein Arbeitserziehungslager eingewiesen. bitte diejenigen, die uns kennen, unseren Kameraden Von dort floh er zurück nach Köln, wo er zunächst in auszurichten, dass auch wir in diesen Folterkammern ausgebombten Häusern lebte und sich später unter umgekommen sind. Heute ist der 4.2. 45, 5. 2., 6. 2., 7. 2., falschem Namen nochmals ins Messelager aufnehmen 8. 2., 9. 2., 10. 2.« ließ, um wieder bei Vera zu sein. Doch Kurow sollte zu- nächst auch das Wenige, was er hatte, verlieren, als er im Im Zwangsarbeiterlager lernt er seine Frau kennen Messelager denunziert wurde. Die Gestapo verhaftete ihn Askold Kurow, geboren 1926 in der Nähe von Moskau, an Heiligabend 1944 und brachte ihn ins EL-DE-Haus. wurde als 16-Jähriger aus dem von Deutschland besetz- Das Gestapo-Gefängnis war seit mehreren Wochen zu ten Gebiet verschleppt und mit anderen Jugendlichen einem Ort von Hinrichtungen geworden. Gefangene in einem Zug mit mehr als 1 000 Personen nach Köln wurden an einem Galgen im Innenhof erhängt – mehr gebracht. Dort war er zunächst im Zwangsarbeiterlager als 400 Menschen bis Kriegsende. Dass Kurow überlebte, Bensberger Marktweg in Köln-Dellbrück und später im erscheint deshalb tatsächlich wie ein Wunder. großen Deutzer Messelager interniert. Dieses hatte man nach Kriegsbeginn eingerichtet – als Lager für Hunder- Nach der Flucht te von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiter*innen und Im Lager in Overath trifft er auf weitere Bekannte aus KZ-Häftlingen, als Durchgangslager für die Deportation Köln. Nur Vera Sergejewa findet er nicht, niemand weiß rheinischer Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie etwas von ihr – bis er zufällig mit einem Fremden ins als Lager für Hausrat und Möbel deportierter Jüdinnen Gespräch kommt, der Vera kennt. Sie ist noch in Köln, und Juden. hat aber nach Kurows Verhaftung das Lager gewechselt. An diesem dunklen Ort erhielt Askold Kurow 1942 Er gibt dem Unbekannten ein Briefchen für Vera mit. Im als Ostarbeiter die Nummer 483. Und dort lernte er sei- Gestapo-Gefängnis hatte er in noch aussichtsloser Lage ne spätere Frau kennen. Sie war in demselben Zug wie er folgende Nachricht zum Abschied für sie hinterlassen: nach Köln gebracht worden: Vera Sergejewa, 22 Jahre alt, »Leb wohl, liebe Vera, Askold /Und so vergeht das junge aus Kokand in Usbekistan. Ihre spätere Heirat wurde der Leben.« Sie musste sie nie lesen. zweite große Glücksfall im Leben des Russen. Doch bis Am nächsten Tag treffen Askold und Vera sich am dahin war es noch ein weiter, schmerzlicher Weg. Bahnhof in Overath und fahren gemeinsam nach Olpe.

Askold Kurow, Enkel des ehemaligen EL-DE-Haus- Häftlings Askold Kurow, in der Zelle seines Groß- vaters am 10. 2. 2017, Foto: NS-Dokumentationszent- rum der Stadt Köln

60 Sie wollen so weit wie möglich weg von Köln. In Olpe bitten sie um Hilfe und werden bei zwei unterschied- lichen Familien in der Landwirtschaft beschäftigt, bis im April die Amerikaner in das Dorf kommen. Nach der Befreiung flieht Askold Kurow im Sep- tember 1945 aus dem Displaced Persons Camp – einer Unterbringung für 1945 befreite ausländische Zwangs- DES arbeiter*innen, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge – in die Sowjetische Besatzungszone. Nach der Rückkehr in die Sowjetunion muss er zunächst vier Monate in 1990 – acht Jahre später – nimmt er gemeinsam mit einem Arbeitsbataillon im Ural verbringen, weil er der Vera am Besuchsprogramm der Stadt Köln für ehemalige Kollaboration, der Zusammenarbeit mit den Deutschen, Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangene und KZ-Häft- beschuldigt wird. Daher kann er erst im April 1946 in linge teil und legt auf den Gräbern seiner Freund*innen seine Heimat zurückkehren. Er heiratet Vera und siedelt und Kamerad*innen Kränze nieder. Askold Kurow stirbt nach Kokand über. Die beiden bekommen zwei Söhne am 3. Juli 2000 in Naginsk. Er hinterlässt seine Frau Vera, und leben 54 Jahre als Paar zusammen – bis zu seinem zwei Söhne und vier Enkelkinder. Tod im Juli 2000. Kurows Fluchtweg ist übrigens der zweite – offi- ziell von der Feuerwehr abgenommene – Fluchtweg des Die Nachricht: Askold Kurow lebt NS-Dokumentationszentrums (NS-DOK). Heutzutage Die Nachricht, dass Askold Kurow das Gestapo-Gefäng- befindet sich jedoch eine Leiter vor dem Fenster. nis überlebt hat, hat die Öffentlichkeit dem Filmemacher Ludwig Metzger zu verdanken. Er stieß bei Recherchen Die Nachfahren zu einer Dokumentation im Historischen Archiv der Am 10. Februar 1945 enden Askold Kurows Inschriften Stadt Köln zufällig auf einen Leserbrief, den Kurow 1982 an den Wänden in Zelle 1. 72 Jahre später, am 10. Febru- dem russischen Journalisten Vitali Dolgich geschickt ar 2017, steht wieder ein Mann namens Askold Kurow in hatte. Dieser war Korrespondent der »Prawda« in Bonn dieser Zelle. Er weint und lässt sich nur schwer von einer und hatte in seinem Artikel »Das Geheimnis des EL-DE- Mitarbeiterin des NS-Dokumentationszentrums beruhi- Hauses« eine Wandinschrift von Kurow zitiert. Kurow gen. Es ist der Enkel, der tief erschüttert die Inschriften schrieb ihm einen 13-seitigen Brief. Darin folgende seines Großvaters liest. Zeilen: »[…] als ich ihren Artikel gelesen habe, sind in Kurow, 1974 in Usbekistan geboren, lebt seit 1991 mir erneut alle Schrecken und Erniedrigungen wach ge- in Russland und ist Dokumentarfilmer. Er thematisiert in worden, die ich in der faschistischen Unterdrückung er- seinen Filmen vor allem Menschenrechtsprobleme und fahren habe. […] Tag und Nacht waren wir nur von dem soziale Konflikte im heutigen Russland. 2017 läuft bei einen Gedanken besessen, zu fliehen. Lieber eine Kugel der Berlinale in der Reihe »Berlinale Special« sein Film auf der Flucht als den Tod durch die Schlinge.« Kurow »The Trial: The State of Russia vs Oleg Sentov«, der von gelang zwar die Flucht, aber das Trauma blieb. der Auslieferung des ukrainischen Filmregisseurs Oleg Er beschreibt in dem Brief, dass er einige seiner Sentov an Moskau handelt. 2019 schreibt er in einer guten Freund*innen, die damals ebenfalls mit ihm ver- Mail an das NS-DOK, dass er gerne irgendwann einmal schleppt wurden, angeschrieben habe. Von keinem kam eine Dokumentation über das Leben seiner Großeltern eine Antwort. Er bittet Herrn Dolgich, zum Westfriedhof drehen würde. zu gehen und sich in Veras und seinem Namen vor den Nambowa Mugalu, Dipl.-Medienwissenschaftlerin, ist Referentin für Presse- Opfern zu verneigen. und Öffentlichkeitsarbeit im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln.

Das NS-Dokumentationszentrum widmet sich dem Gedenken, Erforschen und Vermitteln der Geschichte Kölns im Nationalsozialismus. Das ehemalige Gestapo-Gefängnis mit seinen zahlreichen Inschriften der Gefangenen stellt einen europaweit einzigartigen Gedenkort dar. Die Dauerausstellung gibt Einblicke in das politische, gesellschaftliche und soziale Leben der Stadt während der NS-Zeit. Die Sonderausstellungen beleuchten einzelne Facetten wie – noch bis zum 23. Februar 2020 – »Vergiss deinen Namen nicht – die Kinder von Auschwitz« die Geschichten von Kindern, die das Konzentrationslager überlebten.

61 Ein Gespräch über Angst, Hoffnung und das Wunder des Überlebens

»Es geht nur um die Freiheit«

Jabbar Abdullah ist seit 2018 als Archäologe beim Römisch-Germanischen Museum und bei der Kölner Bodendenkmalpflege beschäftigt. Auch für ihn ein absolutes Highlight: das Dionysos-Mosaik.

62 Text: Stefan Lewejohann Fotos: Heide Prange ÜBER

Fast scheint es, als wolle Jabbar Abdullah beim Erzählen seine zurückgelassene Heimat Syrien mit den Händen aus der Luft schälen. Gestenreich beschreibt er seinen Heimatort Al Hammam, ganz in der Nähe der Stadt Raq- qa, der späteren Hauptstadt des Islamischen Staates (IS), zeichnet Flussläufe, Brücken, Straßen, Gärten und Häuser nach. Wo die Hände nicht genügen, greift er kurzerhand zu Zettel und Stift und skizziert mit schnellen, feinen Strichen. Wir sitzen im Innenhof des MAKK – Museum für Angewandte Kunst Köln. Jabbar Abdullah hat den Ort für unser Gespräch ausgewählt, weil er so friedlich im Trubel der Innenstadt liege. Die Sonne scheint, an den Tischen neben uns Museumsbesucher*innen, Tourist*in- nen und Geschäftsleute, die ihre Mittagspause genießen. Eine merkwürdige, fast widersprüchliche Atmosphäre baut sich im Laufe des Gespräches auf: Von den Neben- tischen herübergewehte Wortfetzen von Urlaubsreisen, begleitet von Lachen, mischen sich mit Jabbar Abdullahs Fluchtberichten, -erlebnissen und Ängsten. Seit Februar 2016 arbeitet der studierte Archäologe im Ausgrabungs- und Restaurierungsbereich (Stein und Wandmalerei) des Römisch-Germanischen Museums (RGM). Derzeit auch auf der Ausgrabung der Baustelle des Dom-Hotels. Für jemanden, der inmitten von Rui- nen des römischen Weltreiches aufwächst, scheint der Weg in die Archäologie naheliegend. Sein Elternhaus grenzt direkt an einen alten römischen Friedhof. Die Den Notizblock, in dem er auf der Flucht seine Nutzung durch die Römer war es, die seinem Heimat- Gedanken und Zukunftspläne festgehalten hatte, übergab Jabbar Abdullah der Sammlung des ort später ihren Namen gab, bedeutet Al Hammam im Kölnischen Stadtmuseums. Arabischen doch so viel wie Bad. Bereits als als Schüler arbeitet Jabbar Abdullah als Grabungshelfer bei Gra- bungsunternehmungen. »Schon als ich 13 Jahre alt war, hat das Nationalmuseum Damaskus in Al Hammam, das auf den Ruinen der römischen Stadt Sura steht, Ausgrabungen gemacht. Ich habe mich sofort als Helfer gemeldet. Mit der Zeit hat mich die Sache interessiert, und als ich mein Abi hatte und merkte, dass es für die Aufnahme zum Archäologiestudium ausreichen würde, habe ich mich 2007 für das Studium an der Universität von Aleppo angemeldet.« Hier, an einer der größten Universitäten Syriens, deren Mauern mit Freiheitsparolen besprüht sind, erlebt er bald hautnah die Gewalt, mit der

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den Libanon. Von hier fliegt er nach Alexandrien, um in Ägypten seinen Master zu machen. Doch ändert sich mit dem Sturz Mursis schlagartig das Klima: Umgehend beginnt die Verfolgung potenzieller Islamisten. Schnell geraten syrische Staatsbürger*innen, die bis dahin unter Mursis Schutz standen, ins Fadenkreuz. Sie werden der Unterstützung Mursis und der Muslimbruderschaft verdächtigt. Am Ende der Straße, in der Jabbar Abdullah wohnt, steht nun Tag und Nacht ein Panzer. Die Angst kehrt zurück. Erneut droht ihm Verfolgung, muss er um Freiheit und Leben fürchten. Erneut entscheidet er sich zu fliehen. Bei Ausgrabungen im syrischen Sura, Foto: Ali Othman

das autoritäre Assad-Regime gegen die Protestbewegung besprüht. An die Schule, das Gebäude der Baath-Partei vorgeht. Er reiht sich ein, wird Teil der Opposition, erlebt und die Außenmauer der Moschee sprühen sie Parolen die Demonstrationszüge, die durch Aleppo, Homs oder wie »Assad ist kriminell«, »Assad ermordet Kinder in Raqqa ziehen. Hoffnung auf einen Aufbruch in besse- Daraa« oder »Freiheit für das Leben«. Trotz eines aus- re Zeiten keimt auf. Von Tag zu Tag werden es mehr, die geklügelten Plans und der Entsorgung der Spraydosen sich der Bewegung anschließen – aber auch die Zahl der wird man auf die Gruppe aufmerksam. Jabbar Abdullahs Toten steigt. »Es geht nur um die Freiheit«, antwortet er Mutter wird von der Geheimpolizei verhört, eine Liste auf die Frage, ob er nicht Angst gehabt habe, selbst Opfer mit den Namen von zehn mutmaßlichen Tätern kursiert, der Gewalt zu werden. darunter auch seiner. Gefängnis, wenn nicht gar Schlim- meres droht. Jabbar Abdullah taucht ab und entschließt Mit Spraydosen gegen das Regime sich, am Silvesterabend 2012 das Land zu verlassen. Aus Zwar zieht es ihn nach seinem Bachelorstudium Mitte der Ferne wird er miterleben, wie der IS die Stadt Raqqa 2012 zurück nach Al Hammam, doch lässt ihn die Re- einnimmt und zur Hauptstadt macht, seine Eltern in volution nicht mehr los. »In Raqqa waren auch ab und den Libanon fliehen und das leer stehende Haus vom IS zu Demos, aber hier daran teilzunehmen war unglaub- besetzt und schließlich vom Regime bombardiert wird. lich schwierig; weil die Geheimdienste überall präsent Die Stadt selbst erinnert an das zerstörte Köln am Ende waren und Raqqa unheimlich klein ist, hast du keine des Zweiten Weltkriegs. Chance, unerkannt zu bleiben.« Eines Nachts schmie- det er einen Plan, mit dem die Revolution direkt in sein Auf der Flucht Dorf gebracht werden soll. Er will ein Statement gegen Der Tag seiner Flucht ist ein trauriger. Ein letztes Früh- das Regime setzen. Also besorgt er Spraydosen und zieht stück mit seiner Mutter, dann bricht er auf in eine Freunde ins Vertrauen, mit denen er im Schutz der Dun- ungewisse Zukunft. Mit dem Pass seines Bruders, der kelheit die öffentlichen Gebäude des Dorfes mit Parolen im Libanon lebt, fährt er per Bus über die Grenze in

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Jabbar Abdullah mit Kolleg*innen bei Ausgra- bungen in der ehemaligen antiken Stadt Sura am Euphrat. Sura war eine antike Stadt am Euphrat im Norden des heutigen Syrien, 25 Kilometer westlich von Ar-Raqqa. Foto: Ali Othman

den Libanon. Von hier fliegt er nach Alexandrien, um Angekommen, doch nicht am Ziel in Ägypten seinen Master zu machen. Doch ändert sich Über das zentrale Aufnahmelager in Dortmund kommt mit dem Sturz Mursis schlagartig das Klima: Umgehend Jabbar Abdullah 2014 nach Köln. Ein Jahr lebt er in ver- beginnt die Verfolgung potenzieller Islamisten. Schnell schiedenen Kölner Unterkünften für Geflüchtete, dann geraten syrische Staatsbürger*innen, die bis dahin unter zieht er in seine erste eigene Wohnung – er ist ange- Mursis Schutz standen, ins Fadenkreuz. Sie werden der kommen. Fast fühlt er sich auch schon heimisch, dabei Unterstützung Mursis und der Muslimbruderschaft geholfen hat ihm der Rhein: »Ich habe begonnen, die verdächtigt. Am Ende der Straße, in der Jabbar Abdullah Stadt zu lieben, insbesondere als ich zufällig den Rhein wohnt, steht nun Tag und Nacht ein Panzer. Die Angst entdeckte. Ich war überrascht, hier die beiden Ufer zu kehrt zurück. Erneut droht ihm Verfolgung, muss er um sehen. Die kleinen Wellen sehen genauso aus wie am Freiheit und Leben fürchten. Erneut entscheidet er sich Euphrat, und auch die Brücken erinnern mich an den zu fliehen. Fluss meiner Heimatstadt. Ich mag Köln. Ich bin am Eu- Er kontaktiert einen Schlepper und fliegt mit zwei phrat. Ich bin am Rhein. Ich mische mich mit ihm. Ich Freunden nach Istanbul. Vier Tage warten sie auf den An- lebe hier und will hier wie alle anderen weiterleben«, ruf des Schleppers, dann geht es schnell: Sie sollen um- schreibt er in seinem bald erscheinenden Buch. Doch es gehend in die Stadt Edirne in der türkisch-bulgarischen gibt auch Momente wie diese: Als er am Helenenturm, Grenzregion kommen. Von hier bringt man sie nachts einem Teil der römischen Stadtmauer in der Nähe des mit einem Kleintransporter in die Nähe der Grenze, Römerturmes, allein Ausbesserungsarbeiten vornehmen es ist dunkel und stickig. Nach einem siebenstündigen soll, bei denen er Mundschutz und Handschuhe tragen Fußmarsch greifen sie bulgarische Soldaten auf. Vier Tage muss, wird er von Polizisten angesprochen. Eine An- verbringen sie in einem provisorischen Flüchtlingslager wohnerin hatte seine Arbeit beobachtet und die Polizei ohne Toilette oder Dusche, dann werden sie in ein Lager alarmiert – sie befürchtete einen Terroranschlag auf das bei Nowa Zagora gebracht. Hier, untergebracht in einem Bauwerk. großen Raum, den Jabbar Abdullah sich mit 35 anderen Derzeit pendelt Jabbar Abdullah häufig nach Bam- Geflüchteten teilen muss, bleibt er acht Monate, bis er berg. Hier studiert er an der Otto-Friedrich-Universität seine Papiere zur Weiterreise nach Deutschland erhält. Islamische Kunstgeschichte und Archäologie. Er möchte Die Fahrt geht über Rumänien, Ungarn und Österreich, zukünftig noch Museologie studieren: »Das Kuratieren bis ein Schild mit der Aufschrift »Deutschland« für die von Ausstellungen hat mich schon immer fasziniert und Geflüchteten zum Symbol von Freiheit und Hoffnung bereitet mir große Freude – hier sehe ich meine Zu- wird. Während seiner Flucht sind ein schwarzer Notiz- kunft.« Seit 2015 betreut er das Projekt »Literatur aus block und ein unscheinbarer Kugelschreiber immer Syrien«, in dem in Deutschland lebende syrische Schrift- griffbereit. Er notiert Ideen zu einem Haus, das er bauen steller*innen ihre Texte präsentieren können, und möchte – in Raqqa, nach seiner Heimkehr. kuratiert die Ausstellungsreihe »Kunst aus Syrien«

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Derzeit pendelt Jabbar Abdullah häufig nach Bam berg. Hier studiert er an der Otto-Friedrich-Universität Islamische Kunstgeschichte und Archäologie. Er möchte zukünftig noch Museologie studieren: »Das Kuratieren von Ausstellungen hat mich schon immer fasziniert und bereitet mir große Freude – hier sehe ich meine Zu kunft.« Seit 2015 betreut er das Projekt »Literatur aus Syrien«, in dem in Deutschland lebende syrische Schrift steller*innen ihre Texte präsentieren können, und kuratiert die Ausstellungsreihe »Kunst aus Syrien«

(www.syrien-kunst-flucht.de), die auch in anderen troffen hat, und das muss man erzählen – das ist mensch- Städten zu sehen sein wird. Am 17. März 2017 gründet lich. Es war mir wichtig, das politische System von Syrien er zusammen mit deutschen Kulturschaffenden den aus meiner Sicht zu beschreiben, das, was ich erlebt habe, Verein 17_3_17 (www.17-3-17.org), der mit Ausstellun- unsere Gesellschaft zu beschreiben, damit die Leute uns gen, Konzerten und Lesungen den Austausch zwischen verstehen und sehen, was wir für Menschen sind.« syrischer und deutscher Kultur fördern möchte. Jüngst Anfang 2019 kehren Jabbar Abdullahs Eltern zurück gab die viel beachtete Fotoausstellung »Mein Aleppo – nach Syrien. »Jetzt haben wir das Haus in Al Hammam 5000 Jahre Stadtkultur« in der Alten Feuerwache in renoviert.« Den Notizblock und seinen Kugelschreiber Köln den Blick frei auf die Geschichte einer Stadt, die schenkt Jabbar Abdullah 2017 gemeinsam mit einer Hose, heute in Trümmern liegt. die er während der Flucht trug, dem Kölnischen Stadtmu- Seine Geschichte wird 2020 unter dem Titel seum. Sie sind nun Zeugnisse einer Odyssee zwischen Angst »Raqqa am Rhein« beim Bremer Sujet Verlag erscheinen. und Hoffnung. Doch die jüngst begonnene Offensive Er beschreibt sein Leben in Al Hammam, eine unbe- des türkischen Militärs im Norden Syriens lässt die Angst schwerte Kindheit und Jugend, die am Morgen des Auf- von Neuem erwachen – in Deutschland und in Syrien. bruches mit einem letzten gemeinsamen Frühstück mit Stefan Lewejohann, Jahrgang 1982, studierte an der Universität zu Köln Ge- seiner Mutter endet und der eine jahrelange Reise folgt. schichte und Germanistik. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kölnischen »Am Anfang wollte ich meine Geschichte erzählen. Für Stadtmuseums befasst er sich mit der Geschichte der Stadt Köln, kuratiert Sonderausstellungen und arbeitet momentan an dessen Neukonzeption im mich ist das aber nicht mehr nur persönliche Geschichte, ehemaligen Kaufhaus Sauer mit. Er ist u. a. Mitherausgeber von »Geschichte sondern eine Situation, die Millionen von Menschen be- in Köln«.

Das Römisch-Germanische Museum zählt mit seinen Sammlungen aus 100 000 Jahren Menschheitsgeschichte und 2 000 Jahren Stadthistorie zu den bekanntesten archäologischen Museen Deutschlands. Seit November 2019 zeigt es im Belgischen Haus in der Nähe des Neumarktes eine Ausstellung zu den wichtigsten Themen der antiken Stadtgeschichte Kölns: vor allem hochkarätige Exponate zur römischen Archäologie und ausgewählte Stücke der Schmucksammlungen, darunter Zeugnisse der weltweit bedeutendsten Sammlung antiker Gläser.

68 IMPRESSUM/ KONTAKT BILDNACHWEISE

Titelseite: Armreliquiar, Museum Schnütgen, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln (RBA Köln), rba_c006142.

Editorial: Henriette Reker, Foto: Stadt Köln Die Oberbürgermeisterin Inhaltsverzeichnis: Gerrit van Honthorst, Die Anbetung Museumsdienst Köln der Hirten, 1622, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, WRM 2122, Foto: RBA Köln, Sabrina Walz, rba_ d046633; Matrone, 2. Jh. n. Chr., Köln, Foto: RGM/RBA Köln, Konzeption und Umsetzung: A. Wegner; Photoautomat am Kölner Ebertplatz, Foto: Rüdi- Matthias Hamann (V.i.S.d.P.), ger Müller; Graffiti Carola Rackete, TvBoy © dpa 123022658; Martin Hegel, Waltraud Herz, Jabbar Abdullah, Foto: Heide Prange Marie-Luise Höfling, Lena Weber (alle Museumsdienst Köln) und Redaktioneller Teil: Seite 16: Susanne Laugwitz-Aulbach, Foto: RBA Köln; Matthias Hamann, Foto: RBA Köln; Seite 26: Rüdiger Müller in Zusammenarbeit mit Nanette Jacomijn Snoep, Foto: Rautenstrauch-Joest- MWK Zimmermann & Hähnel GmbH Museum, Bernd Rosenbaum; Seite 27 unten: Die Baustelle, Projektleitung: © RJM; Seite 32: Moritz Woelk, Foto: RBA Köln, B. Schlier, Marie-Luise Höfling Museum Schnütgen; Seite 41: Museumsshopping, Foto: [email protected] Felix Braden

Redaktionsleitung: Rüdiger Müller

Autor*innen dieser Ausgabe: Ulrike Anna Bleier, Carl Dietmar, Kathrin Jaschke, Ipek Sirena Krutsch, Stefan Lewejohann, Nambowa Mugalu, Rüdiger Müller, Damian Zimmermann, Beiträge ohne Namensnennung: Rüdiger Müller

Korrektorat: Hildegard Drüke-Ernst (T!B Korrekturbüro)

Anzeigenverwaltung: MWK GmbH, Ute Singer, Stefanie Gräning

Online: www.museen.koeln Das nächste

Gestaltung: Heft erscheint MWK GmbH, Felix Braden Anfang März 2020 zum Thema Druck: Möller Druck und Verlag GmbH »Energie«. Auflage: 45 000, Stand: November 2019 museenkoeln – Das Magazin erscheint 3 × im Jahr.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der jeweiligen Autor*innen und nicht notwendigerweise die Meinung des Herausgebers wieder. Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Zu guter Letzt

Text: Rüdiger Müller, Foto: RBA Köln

Manchmal braucht es für ein Wun- lich ist, entschied man sich für den baren Türen auch Gullwing (Mö- der Augenmaß und einen Spezial- Umweg übers Dach in den Innen- wenschwinge) genannt, zwischen kran aus dem Hause Colonia. Das hof. Dorthin wurde der seltene 1954 und 1957 nicht mehr als Mercedes 300 SL Coupé, Baujahr Schlitten mit schwerem Gerät in 1400 Stück. Zu den handverlese- 1955, silbern schimmernd und fast einer spektakulären Aktion gehievt. nen Besitzer*innen eines Mercedes anderthalb Tonnen schwer, sorgte Um schließlich – dank der versenk- Gullwing gehörten Prominente wie vor seinem Einzug ins MAKK – baren Fensterfront der Ausstellungs- Clark Gable, Tony Curtis, Sophia Museum für Angewandte Kunst halle – an seinem Bestimmungsort Loren, Reza Schah Pahlavi, Gunter Köln für großes Kopfzerbrechen: im MAKK zu landen. Sachs und Herbert von Karajan. Mit Da das Schmuckstück der Design- Einen solchen Aufwand ist das 260 km/h Höchstgeschwindigkeit sammlung nicht über das Foyer ins Fahrzeug durchaus wert, produzier- war der Gullwing der rasanteste Gebäude gebracht werden konnte te man doch von dem Edel-Coupé, Seriensportwagen der damaligen und trotz Flügeltüren fluguntaug- wegen seiner nach oben schwenk- Zeit. 70