Archiv für Diplomatik Schriftgeschichte Siegel- und Wappenkunde

Begründet durch

EDMUND E. STENGEL

Herausgegeben von WALTER HEINEMEYER

37. Band· 1991.

BÖHLAU VERLAG KÖLN· WEIMAR· WIEN Der andere Oculus Memorie

Ein Eberbacher Kopialbuch und Archivrepertorium aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts

von

HEINRICH MEYER ZU ERMGASSEN

Unter der zeitgenössischen Bezeichnung Oculus MemorieI wurde 1211 im Kloster Eberbach ein aufwendiges Güterverzeichnis geschaffen. Ihm zur Seite steht seit Jahrhunderten eine zweite Pergamenthandschrift, der man im Laufe der Zeit sogar denselben Titel beigelegt hat. Zwar hat diese mit dem Güterverzeichnis die aufwendige und repräsentative äußere Ge- stalt gemeinsam, doch sind auch die Unterschiede unverkennbar: Die Schrift des sogenannten zweiten Bandes ist rund ein Jahrhundert jünger; dieser enthält Urkundenabschriften, aber eben nicht jene Güterlisten, die den sogenannten ersten Band auszeichnen. Beide Codices bilden noch heu- te und bildeten bereits zur Klosterzeit die beiden ersten Bände einer Reihe von "Protokollen". Diese Amtsbuchserienbildung setzte spätestens mit dem gleichartigen Einbinden der beiden Oculusbände und der Benennung mit dem gleichen Titel in der Mitte des 17. Jahrhunderts ein. Neben der bedeutenden Geschichtsquelle, die der erste Band darstellt, fand aber auch der zweite Band schon früh die Wertschätzung der Ge- schichtsforscher: Ganz allgemein sind mittelalterliche Urkundensamm- lungen, wie dieses klösterliche Kopialbuch eine ist, gern als "Steinbrüche" für neuzeitliche Urkundeneditionen benutzt worden. Wie im allgemeinen so waren auch bei den auf Kloster Eberbach bezügli- chen Urkundeneditionen die Kopialbücher dann von besonderem interes- se, wenn sie solche Texte enthalten, deren Originale nicht überliefert sind. Unter diesem Aspekt nimmt der Oculus Memorie n ebenfalls eine beacht-

1 H. MEYER ZU ERMGASSEN, Der Oculus Memorie, ein Güterverz.eichnis von 1211 aus Kloster Eberbach im 1, Einführung und quellenkritische Unters .. 1981;2, Edition, 1984; 3, In- dex zur Edition, 1987 (Ve1'Öff.der HUt. Komm. für Nassau XXXl). 120 Heinrich Meyer zu Ermgassen 2 liehe Stellung ein : Karl ROSSEL wurde für sein "Urkundenbuch der Ab- tei Eberbach im Rheingau" 3 vor allem im Oculus Memorie 11fündig. Wil- helm SAUER" hat später eine erfolgreiche Nachlese gehalten. An dieser Stelle soll es nicht um den Charakter des Oculus Memorie 11 als Quellensammlung gehen, sondern um formale Strukturen seiner ersten Anlage mit dem Ziel, die Entstehungszusammenhänge und die Zweckbe- stimmung dieses Amtsbuchs besser kennenzulernen. Die Bedeutung derartiger Zeugnisse einer organisierten Verwaltung und ihrer frühen Ordnungssysteme ist in allgemeinen+und auch in Ordenszu- sammenhängen 6 längst erkannt. Doch ist die Kenntnis der einzelnen Bele- ge bisher eher zufällig zu nennen.

Äußere Beschreibung

Die Handschrift wurde offenbar gleichzeitig mit dem Oculus Memoire I 1652 in Schweinsleder mit reicher Blindpressung neu eingebunden'. Die Deckel von 34 cm Höhe und 24,5 cm Breite bestehen aus kräftiger Pappe. Der Rücken weist vier Bünde auf. Bei der Gelegenheit dieses Neueinban- des wurde ein Blatt feinen und weißen Pergamentes als Titelblatt vorgehef- tet. Es enthält den Serientitel'', den von dem eigentlichen Oculus Memorie von 1211 entlehnten Titel Oculus Memoriae sioe Testamentarium 11, die "Laufzeit"9, eine kurze Gliederung in acht Punkten sowie den Vermerk Renovatum anno domini 1652.

Z Für mehr als 10% der in ihm enthaltenen Urk. bietet der Oculus Memorie n(HStA Wiesba- den - künftig HStAWi - 22/436) die älteste, oft auch.~e einzige Überlieferung. So sind von den 230 Urk. bis zum J. 1239 37 Stücke mit ihrer ältesten Uberlieferung im Oculus Memorie n vertre- ten, vgl. die Urkundenliste ebd, 1 S. 27-53. - Um 1500 - unter Abt Martin Riffling - wurde eine Anzahl "Memorabilien" in den Oculus Memorie II eingetragen; von großer Bedeutung ist auch der aus derselben Zeit stammende Bücherkatalog Eberbachs (siehe unten S. 121). Ich werde in anderem Zusammenhang darauf zurückkommen. J K. ROSSEL,UB der Abtei Eberbach im Rheingau 1-2 (1862-1870; künftig zitiert ROSSEL). 4 W. SAUER,Nassauisches UB 1 (1886; Codex Diplomaticus Nassoicus 1). 'Z.B. durch die älteren Handbücher von H. BRESSLAU,Hdb. der Urkundenlehre für Deutsch- land und Italien 1-2 u. Registerbd. (41969), hier 1 S. 94-101 sowie S. 103 mit Anm. 2; O. RED- UCH, Die Privaturk. des MA (1911; Hdb. der ma. u. neueren Gesch. 4, 3; ND 1967), hier S. 158-167; Manuel d'Archivistique. Theorie et pratique des Archives publiques en France, hg. Direc- tion des Archives de France (Paris 1970), hier S. 245; R.e. van CAENEGHEM- EL. GANSHOF, Kurze Quellenkunde des Westeuropäischen MA. Eine typologische, hist. und bibliographische Einführung (1964), hier S. 71-74: HCartulare"; H. PATZE, Neue Typen des Geschäftsschriftgutes, in: ders., Der dt. Territorialstaat e1986; Vorträge u. Forsch. 13) S. 9-64. 6 E. KRAUSEN,Die Klöster des Zisterzienserordens in Bayern (1953; Bayerische Heimatforsch. 7) S. 18 mit Anm. 10. 7 MEYER ZU ERMGASSEN,Oculus Memorie (wie Anm. 1) 1 S. 63. • HStAWi 22/436 fol. I: Protocollum secundum. t Ebd.: ab anno 1177 usque ad annum 1'02 Der andere Oculus Memorie 121 Die 114 Blatt des Buchblocks bestehen zumeist aus kräftigem Pergament. Sie sind auf zehn Lagen verteilt. Zunächst scheinen diese Pergamenthefte sehr uneinheidich zu sein. Bei genauerer Analyse stellt sich aber heraus, daß die "Normallage" der Handschrift der Quintemio war, wenn er auch nur einmal in integrer Form erhalten ist: die sechste Lage10 besteht aus fünf ineinandergelegten Doppelblättern, auf deren letztem in verso unten der Kustode Quintus aus der Entstehungszeit der Handschrift zu sehen ist. Eine ganz entsprechende Lagenzählung weisen noch das vierte (Tertius), das fünfte (Quartus) sowie das achte (Septimus) Pergamentheft auf. Sicher- lich war die erste Lage wie schon bei der Foliierung so auch von der Lagen- zählung ausgespart gewesen, wodurch die um eins verringerte Zahl der al- ten Lagenzählung gegenüber dem Istbestand sich erklärt. Lage 8 hat zu- sätzlich zu dem Kustoden in der rechten unteren Ecke der letzten Seite einen Reklamanten, der die beiden ersten Wörter der nachfolgenden Lage von einer gleichzeitigen, wenn nicht von der Texthand selbst in Geschäfts- schrift verzeichnet 11. Ein ähnlicher Reklamant steht auch unten rechts auf dem letzten Blatt der dritten Lage 12. Die Lagen 2, 4, 5, 8 und 9 sind als später erweiterte Quinternionen anzu- sehen; Lage 3 besteht aus sieben Bögen 13. Lage 7 ist offenbar stark verän- dert: Sie enthält vier unversehrte Bögen; ein zusätzliches Blatt und ein Per- gamentstreifen sind aufgefalzt. Lage 1, die das Inhaltsverzeichnis enthält, wird aus 4 vollständigen Bögen gebildet, zwei einzelne Blatt sind einge- falzt, ein Doppelblatt Papier im 17.Jahrhundert hinzugefügt. Im 19. Jahr- hundert wurden zwei Blatt dieser Lage, die als Blatt 102 und 103 zuvor den Schluß des Kodex gebildet hatten, nach vorn gebunden. Eine spätere Zutat ist die zehnte Lage, die aus einem älteren äußeren Bogen besteht, in den zwei weitere Bögen eingelegt wurden. Um den mittleren dieser beiden Bö- gen ist beidseitig je ein Blatt herumgefalzt worden: Diese Lage enthält vor allem den Katalog der größeren Bibliothek Eberbachs aus dem Jahre 14 1502 • Bereits in der Entstehungszeit der Handschrift ist sie foliiert worden. Die römischen Ziffern stehen mit roter Tinte jeweils am oberen Rand der Recto-Seiten hart über dem Textblock in der Mitte. Im 19.Jahrhundert hat l derselbe Archivar ', der auch den ersten Band des Oculus Memorie foliier-

10 Ebd, fol. 52 bis fol. 61. J1 Der Reklamant ist am Ende des zweiten Wortes leicht verstümmelt; er lautet: Tb. dec: 12 Es ist die 2. Silbe -lea des zwischen Blatt 28'lBlatt 29' getrennten Namens Bi,../ea. U Ebd. fol. 15 bis Eol.28. 14 Siehe oben Anm. 2. U Archivsekrctär Dr. Becker inWiesbaden um 1874, vgl. MEYERZU ERMGASSEN,Oculus Me- morie (wie Anm. 1) 1 S. 71 mit Anm. 43. 122 Heinrich Meyer zu Ermgassen te, eine Blattzählung mit Bleistift jeweils in recto rechts oben angebracht. Beide Foliierungen sparen übrigens die erste Lage mit dem Inhaltsverzeich- l6 nis aus • Bis zum Ende der alten Zählung weist diese gegenüber der neuen 11 Blatt mehr auf. Der Archivar des 19. Jahrhunderts hat auch 619 Einzel- einträge durchgezählt 17, Auf den ersten Blick fällt die sorgfältige Ausführung der ersten Konzep- tion auf. Der Buchblock hat ein stattliches Format von 32,7 mal 23,S cm. Die Ränder sind ebenfalls großzügig bemessen'P, Die Seiten wurden in zwei Spalten beschrieben, von Blatt 1 bis 31 auf 56 Zeilen, die folgenden von der ersten Hand beschriebenen Seiten dagegen auf 54 Zeilen. Die Blät- ter sind mit feinen Tintenlinien versehen, wovon oben, in der Mitte und unten jeweils drei bis auf die Blattkante ausgezogen wurden 19. Als Gliede- rungseinheiten sind die einzelnen Urkundenkopien in der ~el mit ei- 20 nem schlichten einfarbigen Initial und mit einem Rubrum 1 gekenn- zeichnet. Die Initialen sind abwechselnd in roter und blauer Farbe ausge- 21 führt • Lediglich der Anfangsbuchstabe der ersten Texteinheit Nr. 1 ist aufwendiger gestaltet: zweifarbig blau und rot mit Aussparungen in den Schäften und mit filigranartigen Verzierungen in den Zwischenräumen zwischen den Schäften; am linken Rand zieht sich von diesem Initial aus- gehend eine Zierleiste aus feinem Rankenwerk bis an das untere Ende des Textblocks. Ging der Wortlaut eines Rubrum über den dafür ausgesparten Raum hinaus, so wurde am Rande weitergeschrieben, nötigenfalls wurde die Schreibrichtung um 90 Grad "gebrochen", um etwa im Mittelstreifen zwi- 23 schen den Spalten fortfahren zu können ,

I'Diese weist ihrerseits eine ältere Blattzählung in roter Tinte auf, die aber gegenüber der ur- sprünglichen des Textteils jünger ist, vielleicht dem 15.116. Jh. entstammt. n Allerdings fehh die Nr. +45 versehentlich; die Zählung ist auch nicht ganz konsequent durch. gdiihrt, da sie LB. einmal Verweise zu einzelnen Urkundentexten mitzählt, ein anderes Mal diese aber übergeht; eine Liste von zusammengehörigen Rcg. ist willkürlich mit zwei Nummern belegt worden (Nr. 599, (00) usw. 11 Oberer Rand: ca. 2 cm; unterer Rand: ea, 5,5 cm; die äußen:n Seitenränder. ",5 bis 5 cm. I' In der Mitte etwa Z. 26-28; dies wurde im Punktorium, dessen Zirkeleinstiche in der Regel erhalten lind, durch doppelte Einstiche nebeneinander gekennzeichnet. - Ein ähnliches Linie- rungsverfahren auch beschrieben anhand der um 1350/5" entstandenen Triercr Kopiare bei J. MOTscH, Die Baldulneen, Aufbau und Inhalt der Urkundensammlung des Erzbischofs Balduin von Trier (1980; Veröff. der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz JJ) S.... )0 Das Initial kann gelegentlich aus Versehen nicht ausgeführt sein, so z.B. bei Nr. 536. 11Auch das Rubrum kann fehlen, so LB. bei Nr. 178, "IS, "21. -Bei Nr. 178 scheint das absieht- lich geschehen zu sein, denn im Inhaltsverzeichnis ist an der entsprechenden Stelle mit rot..r Tinte vermerkt, die Aufschrih (titulus) sei nicht nützlich gewesen, s. unten Anm. 82. 11So auch in den Trierer Balduineen, vgl. MÖTSCH, Balduineen (wie Anm. 19) S.... ZJ So LB. HStAWi 22/436 fol. 6O"/61r• Der andere Oculus Memorie 123 Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Beobachtung, daß für die Rubren von Anfang an je von Fall zu Fall unterschiedlich großer Raum ausgespart worden ist. Dies bedeutet, daß der textliche Umfang dieser je- weiligen Überschriften bei Anlage der Handschrift schon festgelegen ha- ben muß. Ein Vergleich zeigt, daß der Kopist sich für seine Rubren in der Tat an den älteren Rückvermerken der jeweiligen Urkunden orientiert 24 hat • Die Arbeit am Oculus Memorie II wurde von der ersten Hand ohne grö- ßere Intervalle in einem Zug vollendet; wenige Einträge geben sich durch andere Tinte und anderen Duktus als Nachträge derselben Hand zu erken- 2 nen '.

Zur Zeitstellung der Handschrift

Zur Datierung der Handschrift kann zunächst das paläographische Ar- gument dienen: Die erste Hand hat eine gotische Textualis geschrieben, die 26 in die Zeit um 1300 zu setzen ist • Genauere zeitliche Zuweisungen erlau- ben inhaltliche Befunde. Wie alle Argumente e silentio ist auch die folgende Beobachtung zu- nächst nur eine unsichere Begründung für einen Terminus ante quem: Im 27 Oculus Memorie 11fehlen einige Urkunden des It. Jahrhunderts , die erst 1341 im Zusammenhang mit einem Gütererwerb bei Boppard von dem Be- 28 nediktinerkloster Burtscheid an Eberbach gelangten •

:w Dies ist deutlich der Fall bei Nr. 500 ebd., wo das auffallige Verbot, die Urk. Fremden vorzule- gen, welches auf der Rückseite der Ausf. notiert wurde, zusammen mit der üblichen kurun Inhaltsangabe auch im Rubrum des Oculus Memorie Il wiederholt wird, vgI. ROSSEL1 Nr. 162, hier S. 278. Vgl. auch das abgebildete Beispiel Nr. 288 (Abb. 5). - Aufschlußreich ist eine Urk. von 1220 Juni 20 (Stadtarchiv Mainz): sie wein drei ältere Rückaufschriften auf: 1. Dt HtmlIico ck Isenbeim, 2. Testamentum dvium Moguntinmsium (beide aus der ersten Hälfte 13. Jh.), 3. De Hmwico in IsmJxim tntamentJ4m Moguntine oflitatis (2. Hälfte 13. Jh.); nur dieses letztere Indor- sat hat der Schreiber des Oculus Memorie Ilals Rubrum übernommen. as So HStAWi 22/436 Nr. 469, Urk. von 1299 Apr. 20 (ROSSEL2 Nr. 551), ausgestellt für Sibo- do von Schmiedeburg betr, Jugenheim in Rheinhessen. Frühestens mit Sibodos Schenkung eines Hofes ebendort an Kl. Eberbach am 22. Juli 1308 (L. BAUR, Hessische Urk. 1-5 [1860-18731; hier 2 Nr. 690) gelangte die Urk. ins Eberbacher Archiv. 16 Von den bei J. KIRcHNER, Scriptura gothica libraria (1966) abgebildeten Beispielen entspre- chen dem Oculus MemorieU am ehesten Tab. 19 von 1293 und Tab. 25 von 1353; von den Abb. bei E. CROUS - J. KIRCHNER, Die gotischen Schriftarten e1970) entsprechen ihm am ehesten Abb. 6 und Abb. 19: 13. u. 14.Jh.; auch aufgrund der Datierungsmerkmale bei W. HElNEMEYER, Stud. zur gotischen Urkundenschrift (1982; AD Beiheft 4) - vor allem der S. 188£. u. S. 199£. beschriebenen charakteristischen 11 n und g m - ergibt sich eine ungefähre Datierung auf die Zeit um 1300. 17 ROSSEL 1 Nr. 1 sowie HStAWi 22 Urk. Nr. 3: 1075 Mai 28 (STUMPFS. 231). 11 HStAWi 22 Urk. Nr. 850: 1341 März 3. 124 Heinrich Meyer zu Ermgassen Aus der im Oculus Memorie ITdokumentierten Besitzstruktur des Klo- sters lassen sich jedoch in anderem Zusammenhang einige Hinweise auf die Zeitstellung der Handschrift gewinnen. Zwei Höfe sind in ihr noch als Klosterbesitz aufgeführt, die im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts von Eberbach veräußert worden sind. Die Grangie Haßloch wurde 1330 an die 29 Herren von Falkenstein verkauft • Dabei wurde ausdrücklich die Extra- dierung der einschlägigen Urkunden vereinbart '", Sicherheitshalber hatte sich Eberbach am Tage vor der Beurkundung des Verkaufs über acht der 31 32 auszuliefernden Stücke ein Vidimus ausstellen lassen • Bereits ein Jahr- zehnt früher, 1320, wurde der Eberbacher Hof an die Grafen 33 von Nassau verkauft • In diesem Fall wurden zwar die den Hof betreffen- den Urkunden nicht ausdrücklich erwähnt. Da diese aber in dem Eberba- cher Kopiar des 15.jahrhunderts'" nicht mehr auftauchen, können wir da- von ausgehen, daß sie ebenfalls an den neuen Besitzer ausgeliefert worden sind. Das bedeutet, daß das Kopiar "Oculus Memorie IT' vor den heiden Verkäufen angelegt sein wird; für seine Entstehung ergeben sich damit die Termini ante: 1330 bzw. 1320. Ein Terminus post quem für die Anlage der Handschrift läßt sich aus dem letzten datierten Material, das der Kopist verwendet hat, herleiten. Die jüngsten Urkunden, die von der ersten Hand in die Ordnung des Ocu- lus MemorieIT eingefügt sind, stammen von 1311, genauer aus dem Sep- 3S tember dieses Jahres • Vier sachlich zusammengehörige Urkunden aus dem Jahre 1312 sind bereits als Nachtrag der ersten Hand sicherlich nur 36 wenig später hinzugefügt worden •

29 ROSSEL 2 Nr. 879. 30 Ebd.: Pro C4UCi0nequoque tvictionis sntediao domino Cunoni omnia instTUrnenta, literas npri. Wegia, que super antefotis curia npertinenciis suis quibusli.bet hactenus habuimus, plenarie resignavi· mus; dedimus et pmentavimus, ut se c/efondat tenore ipsorum ••• Vgl. MEYER ZU ERMGASSEN, Oculus Memorie (wie Anm. 1) 1 S. 254. 31 Eine Liste der in Frage kommenden Stücke ebd. S. 254 Anm 359. Sl HStAWi 22 Urk. 670: 1330 Dez. 20, ausgestellt von Abt Gerlach von Arnsburg sowie von Schultheiß Ritter Mackelo von Kolnhausen und den Schöffen von Mün7.enberg, 'M>beider Käufer Kuno von Falkenstein mitsiegelt. Die Beurkundung des Verkaufs fand am folgenden Tage im Klo- ster Amsburg statt: der Verkäufer, Abt Wilhelm von Eberbach, hane offensichtlich die Enradenda mitgebracht. 33 ROSSEL 2 Nr. 767, 1320 Dez. 18. 34 HStAWi 22/437-439, das sog. Protocollum Tripartitum. 3S Ebd. 22/436 Ne. 125: 1311 Sept. 22; Ne. 233: 1311 Febr. 9 (ROSSEL 2 Nr. 667); die drei sach- lich zusammengehörigen Stücke Ne. 575 (o.J. Aug. 14, von ROSSEL 2 Nr. 708 auf 1314 datiert, jedoch im Repertorium des HStAWi richtiger zu 1311 gesetzt), Nr. 576 (1311 Sept. 13, ROSSEl 2 Nr. 672) sowie Nr. 577 (1311 Sept., ebd. Ne. 671). 36 HStAWi 22/436 Ne. 608 (1312 März 4, ROSSEL 2 Nr. 680); Nr. 609 (1312 Mai 9, ROSSEL 2 Nr. 684); Nr. 610 (1312 März 6, ROSSEL 2 Nr. 681); Nr. 611 (1312 Nov. 25, ROSSEL 2 Nr. 687); vgI. unten S. 134. . Der andere Oculus Memorie 125 Unter drei zusammengehörige Urkundenkopien von 1311 hat die erste Hand einen datierenden Hinweis eingetragen: Hec predicts omnia facta sunt sub reoerendo domino patre abbate Wilhelmo Eberbacensi; prius existen- te et abbatizante in Amesburg. Abt Wuhelm amtierte in Eberbach von 37 Herbst 1310 bis etwa 1346 • Die in dem Hinweis enthaltene Floskel predicta omnia hat Hermann BÄR in seiner Klostergeschichte auf die davorstehenden drei U rkundenko- pien bezogen'", die die Ablösung einer Geldschuld beim Gesamtorden zum Inhalt hatten. Die Bemerkung könnte aber auch allgemeiner auf das gesamte Unternehmen des Kopialbuchs gemünzt werden, so weit es bis da- hin vorlag. Ohne diese Frage zu entscheiden, läßt sich jedenfalls aus dem oben zitierten etwa Ende des Jahres 1311 vorgenommenen Eintrag folgern, daß der Oculus Memorie IT unter Abt Wilhelm angelegt wurde. Da die Vorarbeiten eine gewisse Zeit in Anspruch genommen haben, könnte der Auftrag dazu gleich beim Amtsantritt Wilhelms in Eberbach Ende 1310 gegeben worden sein. Bereits nach gut einem Jahr legte der erste Schreiber seine sorgfältige Arbeit vor.

Die Behandlung der Vorlagen

Wie eingangs schon erwähnt, enthält der Oculus Memorie ITim wesent- lichen Abschriften von Urkunden, die für Kloster Eberbach ausgestellt wurden oder die sich im dortigen Bestand vorfanden; eingeschlossen sind einige besiegelte Protokolle von Zeugenaussagerr" sowie Briefe "geschäftli- 40 chen" Inhalts • Die Eberbacher Handschrift überliefert die in ihr enthaltenen Urkun- dentexte im allgemeinen zuverlässig. Wie in mittelalterlichen Handschrif- ten üblich, kommen auch hier - meist geringfügige - orthographische Ab- 4 wandlungen der Vorlagen besonders im Bereich des Namengutes vor !.

37 J.H. BÄR, Diplomatische Geschichte der Abtei Eberbach im Rheingau, bearb, u. hg. K. ROs. SEL, 1-2 (1855-1858), hier 1 S. 142. 31 Ebd. 2 S. 302 mit Anm. 1. 39 Z.B. HStAWi 22/436 Ne. 183,222. , 40 Als Beispiele seien zwei Texte aus dem "Kapitel" Breitenfelser Hof angeführt: ebd, Ne. 443, die Nonne Mechthild gen. von Daun (tk Du",,) im Nonnenkloster St. Peter in Kreuznach schreibt an Abt R(icholf) VOll Eberbach (1272-1283); sowie ebd. Nr. 444: Sehelaster Magister Helfried von St. Viktor zu Mainz und Kanoniker zu St. Johann schreiben an vier Eberbacher Mönche (um 1250/1260). 41 Als Beispiel seien hier die Varianten des Oculus Memorie TI zu der Ausf. von 1213 Mai 6 (ROSSEL 1 Nr. 86) angeführt: 2x Rmekken der Vorlage wurde in der Kopie zu Rmecken/Reneclee, 2x Aschaffenbu7'Ch zu Aschaffenburg, lsenheim zu rsenheim, quator zu Illrr• VgI. auch unten Anm. 126 Heinrich Meyer zu Ermgassen Der Kompilator des Eberbacher Oculus Memorie n nimmt jedoch dar- über hinaus einschneidendere »redaktionelle" Eingriffe vor: RÜSSEL hat schon bemerkt, daß sich der Eberbacher Mönch "mancher- lei Abkürzungen und Zusammenziehungen erlaubt" habe42• Noch "be- quemer" habe er es sich mit den Zeugennamen gemacht: bis auf wenige Fälle, in denen er eine Auswahl biete, habe er die Zeugen ganz ausgelassen, indem er eine verkürzende Formel an deren Stelle gesetzt habe. Es er- scheint lohnend, dieser Frage hier etwas näher nachzugehen. Kaum einer der kopierten Urkunden ist ihre vollständige Zeugenliste verblieben'". Nur wenn die Vorlagen jeweils nicht mehr als zwei oder drei Zeugen aufwiesen, wurden diese meist vollständig abgeschrieben". In we- nigen anderen Fällen wurde dann der volle Wortlaut wiedergegeben, wenn die zumeist wenigen Zeugen nicht in einer Liste, sondern im Satzzusam- 4 menhang genannt wurden '. Nur ausnahmsweise wurden die Zeugen in 46 Auswahl zitiert , wobei die Auswahlkriterien bemerkenswert sind: Auf- fällig ist zunächst, daß bei dem Ortsbetreff "Boppard" öfter, als sonst üb- lich, die Zeugenlisten ganz oder zum Teil wiedergegeben wurden47; in ei- nem Fall führt der Kopist den Abt Walter und die nicht namentlich ge- nannten Eberbacher Mönche und Konversen aus der Zeugenliste einer Urkunde von 1256 an, läßt aber die folgenden vier Weltlichen aus. Von den 47 Zeugen einer Urkunde von 1211 zitierte er nur die beiden ersten: 48 den Erzbischof von Trier und den Mainzer Dompropst ; die Zeugenlisten zweier Königsurkunden verkürzt er von 11 auf 3, beziehungsweise von 18 auf 2 Zeugen, wobei er jeweils nur die Bischöfe berücksichtigt. Bemerkens- 49 wert ist das Beispiel eines Diploms von 1190 ; hier hat er den Bischof Otto von Speyer, der im Original am Ende der Zeugenliste hinter den Mi- nisterialen nachgetragen war, dennoch neben den anderen Bischöfen aufge- führt, die von vornherein an der Spitze der Zeugenliste standen. Dies ist

132. Allgemein talk auf, daß der Kopist stärker Kürzungen verwendet als seine Vorlagen. 42 ROSSEL 1 S. vm. - BRESSLAU, Hdb. (wie oben Anm. 5) S. 96 nennt als Beispiel für ein ähn- lich verkürzendes Verfahren beim Kopieren das Kartular von Basel aus dem Anfang des 14. Jh. 4) In folgenden Nrr. der Hs. (HStAWi 22/436) kommen überhaupt namentlich genannte Zeugen vor: 55, 56, 267, 276, 286, 287, 383,412,443,488,492,493,501,509--511,515,528, 533, 541, 564, 570,584. 44 Ebd. Nr. 267, 287, 515, 570. 45 Ebd. Nr. 564, 584. 46 Ebd. Nr. 55, 56, 383, 488, 492. 47 Ebd. Nr. 501, 509 (1 von 17 Zeugen der Vorlage), 510 (2 von 15 Zeugen), 511, 515• •1Ebd. Nr. 276; vgl. MEYER ZU ERMGASSEN,Oculus Memorie (wie Anm. 1) 1, Urk. Ven. Nr. 79; ebd, 2, XVA. 43. 49 HStAWi 22/436 Nr. 55; ROSSEL 1 S. 92 Nr. 45. Der andere Oculus Memorie 127 ein erster Hinweis darauf, daß der Kopist bei seiner Arbeit keineswegs me- chanisch verfuhr. Wenige Texte hat er einfach mit dem die Zeugenliste einleitenden Testes sunt abgebrocherr'", meist zog er die ganze Formel zusammen, indem er nur den einleitenden Teil Testessunt und die abschließende Floskel quam- plures stehen ließ, wodurch im allgemeinen eine sinnvolle Kurzformel ent- standSt; nur sehr selten kam eine holprige Form heraus, wie in folgendem Fall: Testeshuius rei sunt, qui et interfuerunt, quam plures /ueruntS2• Fehlte eine zusammenfassende Floskel wie quamplures in der Vorlage, so setzte 53 5 ss der Kopist statt dessen nonnulli , plurimi 4, quidam oder multiS6 ein. Mehrfach fügte er hier die Formel fide digni hinzu'", Die ähnliche Zeugen- ankündigung Testes itaque sunt wird mit einem kleinen Kunstgriff verän- S8 S9 dert zu Testes adhibiti sunt oder häufiger: appositi sunt • Nach denselben Methoden hat der Kopist auch anders formulierte An- kündigungen von Zeugen behandelt. Dazu gehört der bloße Abbruch vor der eigentlichen Namenliste nach dem Muster Coram testibus subnotatis60 oder eine leichte Umformung, die auf das Vorhandensein von Zeugen hin- wies, ohne diese nennen zu müssen'", Wenn er die Überleitung zu der Na- menliste bee sunt nomina, die er meist vermied, doch einmal hingeschrie- ben hatte, dann zog er sich aus der Affäre, indem er statt der Namen ein habemus62 oder gar die recht brüsk klingende Floskel deus scit63 folgen ließ.

~ Z.B. HStAWi 22/436 Nr. 174, 189; auch kompliziertere Zeugenankündigungen hat er im Wortlaut abgebrochen und um die eigentliche Zeugenliste verkürzt, wo sich dies anbot: z.B, Nr. 375,386,490; W. auch Nr. 529 (diese mit einem grammatischen Fehler). - Im letzten Viertel der Hs, hat der Kopist die Zeugenformeln seiner \brlagen durch die eigene Formulierung coram testi- bus mehrfach kurzerhand ersetzt: z.B. Nr. 460, 468, 477, 482, 563; vgl. auch Nr. 413, 494, 547, 556,562. 'IZ.B. ebd, Nr. 117, 134, 139, 147, 163, 165, 180, 192, 201,206, 247, 249, 253, 260, 264, 265, 266,271,274,275,284,289,295,318,319,323,324,325,327, 334, 336, 337,340,355,356,357, 361, 363, 565, 580 USW. '1Ebd. Nr. 459. " Z.B. ebd. Nr. 234, 370, 381, 409, 540, 559 (statt im), 572 (statt hil). $4 Z.B. ebd. Nr. 131. " Z.B. ebd. Nr. 149. "Z.B. ebd. Nr. 290, die Vorlage hat 25 Zeugen. '7 Z.B. ebd, Nr. 146,320,358, 360; vg!. auch Nr. 397,416, 485, 538. 'IZ.B. ebd, Nr.217. "Z.B. ebd, Nr. 113, 119, 129, 138,256,262; vgl. auch Nr. 432. 110 Ebd. Nr. 188; ähnlich ebd, Nr. 169, 185, 326, 394, 436, 507, 567, 568. 61 Z.B. die Verinderung von et testibus subscriptis, quorum bee sunt nomina zu et testibus subscrip- tis roborata ebd, Nr. 176; ferner Nr. 136,499,506,512; vg!. auch Nr. 250, 393, 407, 430, 436, 530, 532, 537, 548. Q Z.B. ebd, Nr. 254. 63 Z.B. ebd, Nr. 328, 367; auf das letztere Beispiel hat schon ROSSEL1 S. IX hingewiesen. 128 Heinrich Meyer zu Ermgassen Die letzte Gruppe derartiger Umwandlungen von Zeugenankündigun- gen ist zugleich die bemerkenswerteste: Sie gibt uns nämlich einen Hin- weis auf die Gründe dieses Abkürzungsverfahrens! Es handelt sich um Ver- weise, die einer ganzen Anzahl von Zeugen-Formeln angehängt werden: I Nämlich dem aus der Vorlage übernommenen Testes läßt der Kopist die Worte inoenies in litter a oder ähnlich folgen'", Noch deutlicher wird der Zweck bei den Formulierungen scripti sunt in littera sigillata6s: Zweifellos wird hier auf die Originalurkunden im Klosterarchiv verwiesen. Die Verkürzungen der Zeugenlisten dienten, vordergründig gesehen, der Platzersparnis. Es war aber auch sachlich sinvoll, wie in bezug auf die Sie- gel so auch hinsichtlich der Zeugen, die ebenfalls zu den "Beweismitteln" zählen, auf die Originalurkunden zurückzugreifen. Wie bezüglich der Zeugenlisten so schrieb der Kopist auch in anderen Teilen seine Vorlagen nicht mechanisch ab, sondern er behandelte sie "in- telligent". So hat er gelegentlich begründet, wenn er eine Vorlage aus dem Klosterfundus gar nicht in sein Kopiar aufnahm 66. Ähnlich wie bei den Zeugenlisten der Urkunden griff der Kopist kürzend bei zwei protokollier- ten und beurkundeten Zeugenaussagen jeweils mehrerer Personen ein 67. Nachdem er hier die allgemeinen Passagen abgeschrieben hatte, die den Gegenstand der Aussagen knapp charakterisieren, fügte er einen frei for- mulierten Satz an, mit dem wiederum auf die entsprechende Ausfertigung im Klosterarchiv verwiesen wurde: Testimonium hominum tam religioso· 68 rum quam secularium quere in litter a sigillata • Auch Doppelausfertigungen hat der Kopist nicht jeweils im vollen Wort- laut doppelt abgeschrieben, sondern er hat sich mit der einmaligen Wie- dergabe begnügt, um am Ende einer solchen Kopie auf das Doppel mit der 69 Bemerkung Hanc litteram dupliciter habemus hinzuweisen • Sogar Dreifach- und Mehrfachausfertigungen kommen vor und werden nachge- wiesen 70. Die kritische Durchdringung des Materials geht aber noch wei-

64 HStAWi 22/436 Nr. 133; dgl. ebd. 96 (babes in littera), 128; vgI. auch Nr. 222 (ut in littera continetur). 6' Z.8. ebd. Nr. 112, 433. 66 Z.8. ebd, Nr. 151:Habemus etiam priWlegium antiquum qualiter prima sub abbau et ecclesia Sir,bergensefummt, quod non scrips;. 7 Ebd. Nr. 183, 227. 61 So ebd. Nr. 183; ähnlich Nr. 227: Sunt et plures .... quos invenies in littera. 69 Z.8. ebd. Nr. 92 (Hinweis nachgetragen), 94, 135, 212 (Hinweis am Rand nachgetragen), 231, 293,314,318,322,335,368,382,397,545,581. -leicht V2rÜertals lstam litterem dupliciter ha~ mes in Nr. 93 und als Ham: aukm litteram dupliciter habemus in Nr. 509, 580 \L 589 sowie als Ham: aukm dupliciter habemus in Nt. 541; anders formuliert: Nr. 4. - Vgl. unten Anm. 71, 72. 70 Dreifachausfertigungen: ebd. Nr. 104, 338;eine Fünffachausfertigung (quintupliciter) weist der Registereintrag zu Nr. 143 nach. Der andere Oculus Memorie 129 ter: Auf die Tatsache, daß eine Doppelausfertigung einer Urkunde von 7 1296 abweichend besiegelt wurde !, weist der Kopist ausdrücklich hin. Bei seinen Nachweisen von Urkundendoppeln hat der Kompilator gelegent- lich angemerkt, daß heide Ausfertigungen unter demselben Buchstaben des Alphabets zu finden seien 72; wir werden darauf zurückkommen 73. Von den eigentlichen Doppelausfertigungen unterscheidet der Kopist Texte, die einander ähnlich sind und die er mit der Kennzeichnung similis zwar nachweist, deren vollen Wortlaut er aber ebenfalls nicht abschreibt 74. Abweichende Datierungen, Aussteller und Siegler gibt er bei dieser Katego- rie gleichfalls an". In noch größerem Umfang als bei den Doppelausferti- gungen ist in Zusammenhang mit diesen Verweisen auf inhaltlich verwand- te Urkunden der ausdrückliche Fingerzeig formuliert worden, diese Stücke seien unter demselben Buchstaben wie die Bezugsstücke selbst zu finden 76. Eine weitere Gruppe von Urkunden hat der Kompilator mit glei- cher Verweistechnik behandelt: die Vidimus. Hier nämlich repetiert er den Wortlaut der inserierten Texte ebenfalls nicht, sondern verweist statt des- sen auf die jeweils vorstehend kopierte Ausfertigung mit dem Hinweis: ut precedens littera per totum 77. Auch dann, wenn nur einzelne Passagen der von ihm kopierten Urkun- den mit voraufstehenden gleichlautend waren, hat der Eberbacher Mönch auf diese Vergleichsstücke verwiesen mit Angabe des Bereichs, der überein- stimmte: [.•. ] et ceteraut in prescripta littera per omnia usque in ilium lo- cum: In cuius rei's. Selbst auf Texte, die mehr als eine Nummer rückwärts kopiert standen, hat der Kompilator in solchen Fällen Bezug genom-

71 Ebd. Nr. 348: Ham: lituram dupliciter habmJus sigillAtam cum sigillo domini •• "bbatis SIIncti lIIcobi tantum. Vgl. den Druck bei ROSSEL 2 Nr. 540, wo in Anm. • zwei Doppel nachgewiesen sind, auf die die vorstehende Beschreibung zutrifft. 71 HStAWi 221~36 Nr. 135: Hanc littmun duplidter htWmJus et quenztuT sub emJem littera "lfobeti scilicet V.Ähnlich Nr .... 7J Siehe unten S. 137 ff. 7. Z.B. HStAWi 221~36 Nr. 91, 93 (lIliam), 96, 97, 115, 116, 118 (.Jiam), 122 (de eodem ut supra), 125, 143, 18~, 285, 338, 359, 556. - Auf eine Kunfassung verweist der Kopist mit dem Hinweis Adhuc et unam littemm tiusdem habemus et parwm de eodem ut supra, ebd. Nt. 105. Vgl. hierzu ROSSEL 2 Nr. 33~ und Nr. 371. 75 Abweichende Datierungen: HStAWi 221..36 Nr. 61,91,93, 118, 122, 125,359; abweichende Aussteller: 91, 115, 116, 122, US, 338, 359; abweichende Siegler: 96, 97, 556 (?). 76 Ebd, Nr. 118: Qumltur per earukm lituram IIlfabeti scilia: F; die folgenden Nummern ähn- lich: 122, 143, 18~und Nr. 338. 77 Ebd. Nr. 12~, 195; in Nr. 372 hat er die Zeugen eines Inserts, das er zwar abschrieb, weil die Ausf. damals wohl schon nicht mehr vorlag. in seiner bekannten Manier gekürzt, vgl. dazu MEYER ZU ERMGASSEN, Oculus Memorie (wie Anm. 1) 1 S. 252 und ebd. 2 XI, 5. 7. So sehr deutlich bei den drei aufeinanderfolgenden Nrr. HStAWi 221"36 Nr. 553, 55", 555; ähnlich auch Nr. 60,61, 329, ~37, 503. 130 Heinrich Meyer zu Ermgassen men 79. Um diesen Komplex der Verweise abzuschließen, sei noch ange- merkt, daß innerhalb des Registers von dem Betreff "Mainz" auf eine Ur- 80 kunde unter dem Betreff "Dienheim" verwiesen worden ist • In anderer Weise bezeugt der Bearbeiter seine kritische Auseinanderset- zung mit dem Material dadurch, daß er einigemal die Überlieferungsquali- tät seiner Vorlagen als Abschrift oder als Vidimus in den jeweiligen Ru- bren angibt81; in einem weiteren Fall kritisiert er die Beschriftung einer 82 Urkunde: sie sei nicht nützlich • . Zu einer Kopie im "Kapitel" Boppard hat der Hauptschreiber zwei sach- bezogene Randbmerkungen formuliert, die auf den Eberbacher Kloster- hof in Boppard und auf den dortigen "Hofmeister" hinweisen 83. In anderen Fällen geben seine Rubren zu erkennen, daß er mit der Über- lieferungsgeschichte einzelner Urkunden bestens vertraut war: So hat er einmal angegeben, der gewesene Eberbacher Abt Walter habe eine Urkun- de ungültig gemacht, damit beim Tode des Abtes keine Verpflichtung be- stehe gegenüber dem Stift Dietkirchen, mit dem die betreffende Vereinba- 84 rung getroffen worden war •

Die Gliederung

Den besten Überblick über den Aufbau der Handschrift gewährt die vorangestellte Inhaltsübersicht. Zu jeder einzelnen Urkunde ist hier nach

79 Z.B. ebd. Nr. 62, 317. 10 Ebd. Eol. V verso. 11 Ebd. Nr. 14(Tmnsscriptum), Nr. 44 (Istud priWegium mm hahemus sed liuera domini domini archiepiscopiMaguntini in qua continetur se WJisse priWegium); so auch der Registereintrag fol. Ir. IZ Ebd. Nr. 178: [.•• ] non foit necesse titulus huius li~. 13 Ebd, Nr. 502: in sequenti littera continetur marJ.ster in BopanJia sowie in sequenti liuera amti- netur curia in BopanJia. Die nachfolgend kopierte Urk., auf die hier verwiesen wird, ist eine text- lich abweichende Zweitausfertigung der Vorstehenden, vgl. ROSSEL2 Nr. 417 (1270 Dez. 12) mit Anm ...... Ebd. Nr. 532:Bee littera cassataest per dominum Waltherum quondam ~tem ut abbtzk Jece. denk ecclesiein Ditkirchen in nichi/o tmeamur, gleichlautend auch imRegister hI. vm verso. Mög- licherweise geht ein Satz, der gegenüber der früheren Uberlieierung im Oculus Memorie I in den Text eingeschoben ist (vgl. MEYERZU ERMGASSEN, Oculus Memorie (wie Anm. 1) 2, XXllIA, 29), auf das Konto unseres Kopisten. Der erwähnte Abt Waher amtierte in Eberbach von 1248-1258 und lebte bis mindestens 1264 als resignierter Abt noch im Kloster; aus seiner "inakti· ven" Zeit scheint die erweiterte Abmachung mit Dietkirchen zu stammen; vgl. H. MEYERZU ERMGASSEN, Unters. zur Abtsserie von Kloster Eberbach im Rheingau, in: Nassauische Ann. 85, 1974, S. 43-70, hier S. 66 mit Anm. 213. Der andere Oculus Memorie 131 Art eines Kopfregests der Inhalt kurz wiedergegeben. Diese Regesten wur- den den jeweiligen Urkundenabschriften als Rubra vorangestellt8s• Die Verbindung zwischen Register und Text des Kodex wird durch Blatt- verweise bei den Registereinträgen in römischen Zahlen hergestellt. Diese 86 Verweise auf die alte Folienzählung treffen im allgemeinen präzise ZU • Anders als die heute gebräuchliche Zitierweise wird allerdings nicht das Blatt mit Vorder- und Rückseite als Einheit angesehen, sondern es wird auf die jeweils aufgeschlagene Vorderseite eines Blattes Bezug genommen und die gleichzeitig offenliegende Rückseite des voraufgehenden Blattes mitein- begriffen87; eine Zitierweise, die allgemein bis in die Neuzeit üblich gewe- sen ist. Bei der Untersuchung der Blattverweise fällt auf, daß diese im allgemei- nen zwar fortlaufend gegeben werden, daß aber in gewissen 18 mal wieder- kehrenden Intervallen "Ausf.ille" zu beobachten sind: insgesamt 30 Blätter werden nicht von den Verweisen erfaßt. Sieben Einzelblätter, neun Dop- pelblätter und einmal eine Gruppe von drei aufeinanderfolgenden Blättern wurden dabei übersprungen'f, Schlägt man die betreffenden Seiten im K0- dex auf, so zeigt sich, daß sich hier freie Seiten bzw. Nachträge von ande- ren, späteren Händen finden. Die betreffenden Blätter sind also mit einer Ausnahme von Anfang an bewußt als Raum für Nachträge offengelassen worden, wie wir dies auch vom Oculus MemorieI her kennen'", Wie es sich vom Inhalt her ja anbietet, sind die leeren "Intervalle" jeweils am Schluß einer Gliederungseinheit gebildet worden. Diese sollen im folgen- den ins Auge gefaßt werden. . Die einzelnen Urkundenabschriften stehen im Register und im Kodex selbst unter Sachtiteln, die als "Kolumnentitel" in roter Farbe erscheinen. Und zwar werden sie für den Geltungsbereich eines Stichworts seitenweise stereotyp wiederholt. Die Titel auf den Seiten entsprechen genau den

., Siehe oben S. 123. In einzelnen Fällen wird vom Text auf den vollen Wortlaut des Reg. im Register ZUIÜckverwiesen:HStAWi 22/436 bei Nr. 27. 16 Lediglich die Registerverweise ebd, zu Nr. 218-224Iauten versehentlich 30 statt richtig 35. Unregelmäßigkeiten zeigen sich gegen Ende der Hs.: zwischen den Blattverweisen auf die BU. 82 und 84 sind solche auf BI. 98 und 99 eingeschaltet, zwischen solche auf die BIl. 95 und 97 stehen Ve~ise auf BL 102 und 103. Siehe dazu unten S. 133f. 17 So auch in den Trierer Balduineen; vgl. MÖl'SCH,Balduineen (wie Anm. 19) S. 5 mit Anm. 19/20. SI Auf folgende B11.finden sich im Register keine V~ise: 8/9/10; 13/14; 18; 25/26; 30/31; 38/39; 45; 49/50; 52; 59/60; 64/65; 70; 74/75; 79; 85/86; 96; 1001101; 104. a'MEYER ZU ERMGASSEN,Oculus Memorie (wie Anm. 1) 1 S. 87f. 132 Heinrich Mejer zu Ermgassen

Ore Eberbacher Grang{en und Hofe ·KÖln im Oculus Mt"morie II Der andere Oculus Memorie 133

Stichwörtern, die im vorangestellten Register gegeben werden90• Nach den allgemeinen Rubriken "Papsturkunden", »Königsurkunden" und »Zollur- kunden" folgen Stichwörter, die an dem Eberbacher Grundbesitz orien- tiert sind. An erster Stelle steht ein eher allgemeiner Titel ,,Littere super claustrum", der die Klosterzentrale zu betreffen scheint. Sodann folgen Ortsnamen, mit denen sich vorwiegend die bereits aus dem Oculus Me- morie I bekannten klösterlichen Wirtschaftshöfe zu erkennen geben 91. War die Reihenfolge der Grangien im ersten Band aber nach der Anzienni- tät der Klosterhöfe orientiert gewesen, so liegt im zweiten Band offensicht- lich eine davon abweichende Ordnung vor. Auf das Kapitel über das Klo- ster selbst folgt hier das Stichwort »Gehaborn": die östlichste der Eberba- cher Grangien. Von hier nach Südwesten zu liegen die Höfe I..eeheim und Riedhäuser Hof, die gemeinsam die zweite Gliederungseinheit bilden. Nördlich von hier, aber weiterhin rechtsrheinisch, liegt der Hof Haßloch bei Rüsselsheim, der als nächster Gliederungspunkt in der Reihenfolge der Handschrift folgt. Nunmehr wird der Rhein überschritten, die Aufzäh- lung bewegt sich im Umland von Mainz: Im äußersten Südosten wird Dienheim mit Oppenheim angesteuert, von dort geht es nach Nordwesten über die Höfe Wahlheim und Birkerhof zum Sandhof. Hier muß wieder der Rhein überschritten werden, um zur nächsten Station der Aufzählung, zum Hof Steinheim östlich im Rheingau zu gelangen. Nunmehr springt die Aufzählung nicht nur wieder zurück über den Rhein, sondern auch über die Nahe zum Breitenfelser Hof südwestlich von Kreuznach. Von dort naheabwärts wird Bingen erreicht. Von jetzt ab stimmt die Ord- nung des Registers nicht mehr mit der des Kodex selbst überein. In der richtigen geographischen Reihenfolge führt das Register jetzt das Stichwort »Trechtingshausen" an, welches im Kodex selbst rund 15 Blatt weiter hin- ten zwischen Hadamar und Hof Drais »nachgeschoben" wurde. Hierauf geht die Aufzählung wieder übereinstimmend mit Oberheimbach in nord- westlicher Richtung weiter mit zahlreichen Untergliederungen mit den Namen Diebach, Bacharach, Oberwesel, Boppard und Osterspai. Im K0- dex ist noch ferner das östlich des Rheins benachbarte Lahnstein ange- führt, was im Register aber keine Entsprechung hat. Von hier aus lahnauf-

90 Nur vereinzelt sind kleine Varianten festzustellen; im Fall des "Kapitels" HadamarlLimburg wird im Text limburg an die erste Stelle gerückt: Lymppurg et Hademar {HStAWi 221436 fol. 82r-84~. Umgekehrt ist es bei KiedrichIDrais, wo esim Text 'Ireise et Kederche (ebd. fol. 89~ heißt. 91 Auch anderen zisterziensischen Kopiaren liegt die Gliederung nach Wirtschaftshöfen zugrun- de, vgI. H. 5cHIECKEL, Peninenz und Provenienz in den alten Ordnungssystemen mitteldt. Stifts- und Klosterarehive, in: Archivar und Historiker. Stud. zur Archiv- u. Geschichtswissenschaft. Festschr. H.G Meisner (Berlin 1956) S. 89-106, hier S. 98. 134 Heinrich Meyer zu Ermgassen wärts liegt weitab Hadamar mit Limburg, die Gegenstand des nächsten "Kapitels" sind. Der Kreis schließt sich mit Kiedrich und Draiserhof im Rheingau unmittelbar südöstlich vom Kloster, denen die letzte Gliede- rungseinheit gewidmet ist. Als offensichtliche Nachträge folgen noch drei Urkunden des General- kapitels der Zisterzienser über Zahlungsverpflichtungen Eberbachs, die man eigentlich bei den allgemeinen, das Kloster selbst betreffenden 92 Stücken suchen würde • Und als zeitlich jüngste Zufügung folgen vier Ur- 93 kunden über den Erwerb der Pfarrei Wallertheim im Jahre 1312 • Im Vergleich mit dem Oculus Memorie I ist festzustellen, daß im zweiten Band einige neue Sachbetreffe hinzugekommen sind. Sie treten zwar weni- ger als eigene Kapitelüberschriften in Erscheinung, denn als Ergänzungen zu altbekannten Titeln: So Riedhausen zu Leeheim, Oppenheim zu Dien- heim, Limburg zu Hadamar oder auch die schon genannte Gruppe von Orten zu dem Stichwort "Oberheimbach". Schließlich wird noch der Un- terbetreff Kiedrich beim Draiserhof gebildet. Das "Hinzutreten" neuer Ortsbetreffe ist leicht erklärt: Im Fall von Riedhausen trägt es dem Neuerwerb eines bedeutenden Hofes in den Jah- ren 1249 und 1250 Rechnung'". InKiedrich, das bereits im Oculus Memo- rieI als Zubehör des Hofes Drais erscheint'", ist inzwischen ein eigener Hof entstanden'", Trechtingshausen, 1211 noch unter der Rubrik Nenters eingeordnet'", ist nunmehr angesichts seiner gewachsenen Bedeutung zu einem eigenen Stichwort im Oculus Memorie IT gekommen. Die Hervor- hebung der Städtenamen neben einzelnen Grangien, so Oppenheim neben Dienheim, Limburg neben Hadamar, Bacharach und Oberwesel neben Oberheimbach unterstreicht augenfällig die seit 1211 gestiegene Bedeutung des städtischen Besitzes im Spektrum der Eberbacher Güter. Mit dem Be- treff Wallertheim wird erstmalig der Erwerb einer Pfarrei dokumentiert, sachlich ein Novum in der Klostergeschichte von Eberbach, wo bislang die zisterziensische Vorschrift beachtet worden war, keine geistlichen Pfrün- den zu erwerben 98.

92 Mehrfach wurden von Nachtragshänden "Ordenssachen" im "Kapitel" Litterae super clau- strum eingetragen, so Nr. 152 (2x), 159. 93 Siehe unten mit Anm. 98. ,. ROSSEL 2 S. 6 Nr. 253; S. 11 Nr. 259; Nr. 260; S. 14 Nr. 262; S. 16 Nr. 263. ss MEYER W ERMGASSEN, Oculus Memorie (wie Anm. 1) 2 S. 108 mit Anm. 3. 96 Siehe BÄR, Gesch. (wie Anm. 37) 1 S. 631 u. 2 S. 123, 146, 182, 25<4f., 305, 309, 380, 382.- W. EINSINGBACH, Zum Hof des Klosters Eberbach in Kiedrich (in: Nassauische Ann. 84, 1973) S.214-218. 97 MEYER ZU ERMGASSEN, Oculus Memorie (wie Anm. 1) 2 S. 74ff.: VII, 21 ff. 98 BÄR, Gesch. (wie Anm. 37) 2 S. 310f£. Der andere Oculus Memorie 135 Auf der anderen Seite fehlt, verglichen mit dem ersten Teil des Oculus Memorie, eine stattliche Reihe von 12 Gliederungspunkren'", Dieser Fehl- bestand in dem jüngeren Kopialbuch ließe sich in einigen Fällen mit Man- gel an Urkunden überhaupt erklären 100. Zu anderen der als fehlend bemerkten Stichwörter hat es aber bereits im Oculus MemorieI Urkunden gegeben. Diejenigen zu Weisenau, Bens- heim/Bergstraße und zu Ingelheim erscheinen in der Tat auch im Ocu- lus 11,jedoch unter anderen Rubriken: nämlich unter Haßloch, Gehaborn und Sandhof101. Eine solche jeweilige Zugehörigkeit wurde bereits aus der 2 Gliederung des Oculus MemorieI erschlossen10 • Hingegen ist das Fehlen anderer alter Besitzkomplexe, die in der Kloster- .geschichte von großer Bedeutung sind, sehr auffallend: Steinberg, Neuhof, Reichardshausen und Mappen. Einige aus dem Oculus Memorie I bereits bekannte und diesen Besitzungen zugeordnete Urkunden sind im Oculus Memorie 11 sämtlich unter der Rubrik Litterae super claustrum zu fin- den 103.Wie in den anderen Fällen, in denen eine organisatorische Begrün- dung für derartige Zuordnungen auf der Hand liegt, ist auch hier von einer verwaltungsstrukturellen Grundlage für diese formale Klassifikation unter dem Gliederungspunkt claustrum auszugehen: Die genannten Rheingau- höfe, die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kloster liegen, haben in ei- nem besonders engen Verhältnis zur "KlosterzentraIe" gestanden. Nur wenige Unstimmigkeiten in der sachlichen Zuordnung scheinen auf Inkonsequenzen in der Eberbacher Archivordnung zurückzugehen, die auch bei der Neuordnung um 1310 nicht ausgemerzt worden sind: Eine

119 Nämlich Steinberg, Nenters, Laubenheim, Neuhof, Wörrstadt, Reichardshausen, Weisenau, Mappen, BensheimlBergstraße, Dadenbom, Lorch und lngelheim. lOO Für Laubenheim, Wörrstadt, Dadenborn und Lorch hat der Oculus Memorie I keinerlei Urk. verzeichnet. Für Nenters ist nur der als Urkundentext formulierte Gründungsbericht dieses Hofes vorhanden, wofür eine Ausf. aber nicht existierte, vgl. MEYER zu ERMGASSEN, Oculus Memorie (wie Anm. 1) 1 S. 245-249. 101 Es handelt sich um folgende Fälle: ebd, XVB, 7 (Weisenau),vgl. Urk. Yen. Nr. 59 - HStAWi 22/436 Nr. 262 (Haßloch). - MEYER zu ERMGASSEN, Oculus Memorie I, XXB, 1 (Bens- heimlBergstr.), vgL ebd. Urk. Ven. Nr. 47 - HStAWi 22/436 Nr. 186 (Gehaborn). - MEYERZU ERMGASSEN, Oculus Memorie I, XXVI, 3 (Ingelheim), vgl. ebd. Urk. Ven. Nr. 95 - HStAWi 22/436 Nr. 385 (Sandhof). 102 MEYER zu ERMGASSEN, Oculus Memorie I, S. 333. 103 Es handelt sich um folgende Fälle: MEYER zu ERMGASSEN, Oculus Memorie I, VI, 29 (Steinberg), vgl. ebd. Urk. Ven. Nr. 122 - HStAWi 22/436 Nr. 137 (Litterae superclaustrum).- MEYER zu ERMGASSEN, Oculus Memorie 1, X. 3 (Neuhof), vgl. Urk. Yen. Nr. 9 - HStAWi 22/436 Nr. 111(Litterae super claustrum). - MEYER ZU ERMGASSEN, Oculus Memorie 1, xm, 1 (Reichardshausen), vgl. Urk. Ven. Nr. 12 - HStAWi 22/436 Nr. 113 (Litterae superclaustrum). -MEYERZUERMGASSEN, Oculus Memorie I,XIX, 3 (Mappen), vgl. Urk. Ven. Nr. 33 - HStA Wi 22/436 Nr. 131 (Litterae super claustrum) 136 Heinrich Meyer zu Ermgassen Urkunde, die das fränkische Lauda betraf, erscheint im Oculus Memorie IT als erste Nummer des "Kapitels" Hadamar/Limburg'P', also in Zusam- menhang mit Besitzungen, die rund 150 Kilometer Luftlinie von Lauda entfernt liegen. Urkunden über klösterlichen Besitz in Gimbsheim sind sowohl unter "Regalia", unter "Gehaborn" wie unter "Leeheim" eingeord- netlos. Kommen wir nunmehr zu der Gliederung des Kodex im einzelnen: Das ,,Papalia" überschriebene Kapitel bringt zunächst 17 Papsturkunden in grober zeitlicher Aufeinanderfolge vom frühesten Eberbacher Privileg von 106 107 1162 bis hin zu einer Privilegienbestätigung von 1272 , dann aber springt die chronologische Ordnung gewissermaßen auf eine Littera cum 108 serico von 1223 zurück • Ein inhaltliches Motiv dafür läßt sich nicht er- kennen. Ein anderer Gesichtspunkt, der als unterscheidendes Merkmal bei den Papsturkunden angewendet wurde, hat auf die Reihenfolge der Ur- kunden ebenfalls keine Auswirkung gehabt: Der Kopist schreibt in bun- tem Wechsel neben die einzelnen Kopien in roter Tinte den Hinweis, ob es sich jeweils um Privilegien für den Gesamtorden (ordim)l09 oder um speziell für Eberbach (Eberbach)110 ausgestellte handelt. Im darauffolgenden "Kapitel" Regalia sind die Diplome Heinrichs VI. von 1190111 und Friedrichs Il, von 1219112 mit der Überschrift De insula in Gimmensheim [.•. ] von den übrigen geschieden, die De theloneo betitelt sind: im Text selbst deutlicher mit Regalia de theloneo. Diesem U nterkapi- tel folgt ein weiteres Item de theloneo, in dem Zollurkunden anderer Aus- steller, wie etwa der Pfalzgrafen, enthalten sind. Im Text sind zu den ein- zelnen Zollurkunden die jeweiligen Ortsbetreffe in roter Tinte am Rande vermerktl13.

104 HStAWi 22/436 Nr. 529; vgl. P. ACHT, Mainzer UB n, 1 (1968; Arbeiten der Hessischen Hist. Komm. Darmstadt) Nr. 142. 10' Siehe unten Anm. Ill, 112; ferner HStAWi 22/436 Nr. 171, 182 (Gehaborn) sowie Nrr. 223-226 (Leeheim). - Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß beide genannten Grangien an den Wiesen um Gimbsheim ihren Anteil hatten. 106 ROSSEL 1 Nr. 21. 107 Ebd, Nr. 423.- Zur chronologischen Orientierung diente sicherlich die bei manchen päpstli- chen Ausstellern mit roter Tinte vermerkte Ordnungszahl des jeweiligen Namensträgers, z.B. HStAWi 22/436 Nr. 4-9. 108 ROSSEL 1 Nr. 131. 109 So bei HStAWi 22/436 Nr. 3, 4 (h), 6, 8,9, 12-14, 2()-24, 29-35, 41 und 44. 110 So ebd, bei Nr. I, 2, 5, 7, 10, 11, 15-19, 25-28, 36-40, 42, O. 111 ROSSEL 1 Nr. 45. m Ebd. Nr. 110. 113 So Bopardia zu HStAWi 22/436 Nr. 59-62, 64; Ingelnheim zu Nr. 63, 71; Bunna zu Nr. 70. - Außerdem werden zu Nr. Y, und 67 Verweise auf andere gleichlautende Urk. gegeben. Der andere Oculus Memorie 137 In die einzelnen ,,Kapitel" wurden unterschiedlich viele Urkundentexte aufgenommen. Insgesamt 544 Einheiten sind gezählt, die sich auf 4 "Kapi- tel" mit je 40-50 Nummern verteilen, auf 3 "Kapitel" mit mehr als 30-40, auf je 5 mit 20-30 bzw. 10-20 Nummern und schließlich auf die drei letz- ten "Kapitel", die unter 10, genauer gesagt zwischen 3 und 7 Nummern enthalten. Die einzelnen Nummern sind in der ursprünglichen Anlage be- reits individuell bezeichnet gewesen. Und zwar sind sie in der Regel kapi- telweise "durchsigniert". Dabei wurde so verfahren, daß in der Regel jeder kopierten Urkunde ein Majuskelbuchstabe oder eine römische Zahl am Rande beigegeben wurde. Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild: 1. Papalia: A - Z, ET, EST, AA - ss. 2. Regalia: I - XX. Item de theloneo: L - LXVIll. 3. Littere super claustrum: A - Z, ET, EST, AA - ll. 4. Gebenbome: A - Z, ET, EST, Doppel-Antisigma. 114 5. Leheim et Riethusen: I - XLVI • llS 6. Haselach: A - Z, ET, EST, AA - HH • 7.Dinenheim et Oppenheim: I - XVll. 8. Walheim: A - Z, ET, EST, Doppel-Antisigma, AA - MM. 9. Birckehe: I - XX. 10. Sande: A - Z. 11. Steinheim: I - XVIII. 12. Breydirrvas: A - Q. . 13. Pinguia: I- xxn. 14. Drehtingeshusen: A - L. 15. Heimbach, Dieppach et Bacherachen: A - Z, ET, EST, AA - QQ. 16. Hademar et LimpuTg: I - XLV. 17. Kederich et Treysa: AB - AH. 18. Absolutio pensionis [.•• ]: AS ~ CS. 19. Ecclesia Waldertheim: BA - EA. Dieser Aufstellung entnehmen wir folgendes: Abgesehen VOnden drei letzten "Kapiteln", von denen sogleich noch gesondert zu reden sein l16 wird , sind neun Kapitel mit dem Alphabet signiert, sieben Kapitel mit Ziffern. Zu den Buchstabenfolgen ist dabei folgendes allgemein zu bemer-

114 Die römische Ziffer 39 ist folgendermaßen geschrieben: IXL. IU Im Register sind gegenüber dem Text gewisse Umstellungen erfolgt: FF ist zwischen D und E eingefügt sowie GG zwischen E und E 116 Siehe unten S. 139. 138 Heinrich Meyer zu Ermgassen ken: Die Buchstaben J und W wurden nicht vergeben, U und V werden zwar pro Alphabet nebeneinander verwendet, doch in wechselnder Rei- henfolge, so daß jedes Zeichen bald den Vokal, bald den Konsonanten be- zeichnet. Für Doppelausfertigungen wird derselbe Buchstabe mehrfach l17 vergehen • In der Regel ist "kapitelweise" fortlaufend ohne Lücken sig- niert worden; lediglich in dem unter dem Ausstellergesichtspunkt gebilde- ten zweiten "Kapitel" Regalia werden die Diplome von I bis XX signiert, sodann wird eine Lücke gelassen und bei der römischen Zahl L wiederein- setzend bis LXVIII fortsigniert. Das so entstandene Signaturenintervall trägt einer sachlichen Inkonsequenz Rechnung: die Königsurkunden, nach denen das ,,Kapitel" Regalia eigentlich benannt wurde, haben bis auf zwei Zollbefreiungen zum Inhalt, was schon in einer Untergliederung des "Ka- pitels" Regalia unter dem Stichwort Theloneum zum Ausdruck kommt. Angeschlossen werden die Zollurkunden anderer Aussteller mit der Kenn- zeichnung Item de theloneo. Hier "überlagert" also der Provenienzgesichts- 118 punkt den formalen Pertinenzaspekt • Bietet eine höhere Anzahl von kopierten Urkunden in den mit Zahlen signierten "Kapiteln" keinerlei Kennzeichnungsprobleme, so sind von den "Buchstaben-Kapiteln" nur drei mit einem Alphabet ausgekommen 119, bei den übrigen neun sind die Buchstaben .eines Alphabets nicht zur Sig- nierung aller Urkunden eines "Kapitels" hinreichend. In diesen Fällen werden zusätzliche "Signaturen" kreiert wie ET, EST und gelegentlich Doppel-Antisigma'F'', Waren auch diese drei zusätzlichen Kennzeichen l21 noch nicht genug , so wurde daran anschließend eine Serie mit den je- weils verdoppelten Buchstaben des Alphabets angewendet, also AA, BB und so weiter. In der Regel wechselt ein Kapitel, das mit Buchstaben signiert ist, mit einem solchen, das Zahlensignaturen trägt. Von dieser Regel gibt es zwei Ausnahmen: Die beiden aufeinanderfolgenden "Kapitel" 3 und 4 sind bei- de mit Buchstaben signiert; der Grund könnte sein, daß hier die Schnitt- stelle zwischen den drei allgemeinen Kapiteln Papalia, Regalia sowie Clau· strum auf der einen und den besonderen "Grangienkapiteln" auf der ande- ren Seite liegt. Möglich, daß heide Serien jeweils separat als eigene

117 Z.B. Kap. 1: D; Kap. 2: VI. XV; Kap. 3: 1., T, AA. 111 Vgl. dazu SOflECKEL, Fesuchr. H.D. Meisner (wie Anm. 91) S. 95. lIP Es sind die Kap. 10 (A-Z), 12 (A~), 14 (A-L). - Grundsätzlich weist auch J. PAPRITZ, Archivwissenschaft 3 e1983) S. 2rJ7auf die Schwierigkeiten des Signierens nach dem Alph ..bet bei mehr als 26 Einheiten hin. 120 In zwei Fällen: Kap ... und Kap. 8. 111 Die drei Signaturen reichten nur aus in Kap. ... Der andere Oculus Memorie 139

"Bestände" im Wechsd zwischen Buchstaben und Zahlen durchsigniert werden sollten. Der zweite Ausnahmefall ist das alphabetsignierte "Gran- gienkapitel" Trechtingshausen, das - wenigstens im Inhaltsverzeichnis - von einer gleichfalls mit Buchstaben gekennzeichneten Gliederungseinheit "Heimbach etc." gefolgt wird. Daß es sich hier bei Trechtingshausen um 122 ein nachgeschobenes "Kapitel" handelt, hatten wir bereits festgestellt • Damit sind wir bei den zunächst ausgesparten drei letzten Kapiteln ange- langt, die eine gewisse Ausnahmestellung in der Handschrift einnehmen. Lediglich Kiedrich ist noch ein "Grangienkapitel", die beiden folgenden betreffen allgemeine Ordenssachen sowie den ersten Pfarrei- und Zehntbe- sitz Eberbachs. Sie sind anders signiert als die voraufgehenden Kapitel: In allen dreien werden keine Zahlen verwendet, und 'lie verzichten alle drei auf die Signaturen durch einfache Buchstaben. Vielmehr sind alle von vornherein mit Buchstabenkombinationen bezeichnet. Aber auch nicht mehr mit einfachen Buchstabenverdoppelungen, sondern im Fall "Kied- rich" durch die Kombination AB - AH. Sozusagen spiegelbildlich dazu wird im letzten Fall "Pfarrei Wallertheim" verfahren: BA - EA. Im vor- letzten "Kapitel" Absolutio pensionis .•• werden die Buchstaben A bis C jeweils mit der Zeichnung eines Abtsstabesl23 kombiniert. ' Nach alldem kann der Zweck einer solchen Signierung nicht zweifelhaft sein. Aus seinen Verweisen 124 auf Doppelausfertigungen geht deutlich her- vor, daß der Kopist hier wie in anderen Fällen mittels der Zahlen und Buchstaben auf die Originalurkunden Bezug nimmt, die mit eben diesen 12S Signaturen versehen sind • Der Zweck der an den Rand ausgestellten "Signaturen" ist also der Zugriff auf die Originale: der Oculus Memorie II ist ein Kopiar und ein Findbehelf I

IZl Siehe oben S. 133. 123 Das Zusatzzeichen "Abtsstab" wird bei ScHIECKEL, Festschr. H.O. Meisner (wie Anm. 91) S.94 nicht erwähnt, wohl aber ist die von ihm fUr Kloster Weißenfelsnachgewiesene Mitn hiermit ve:Jleichbar. I So HStAWi 22/436 Nr. 118: Queratur per tandem litteram tdfobeti scilicet r. Nr. 122: ~ etiam Ilittera; Nr. 135:Henc litteram dupliciter habemus et q_tur sub eadem Iittera alfobeti scilicet V; Nr. 143: Item simiks habemus datas ••• et quemntur omnes per duplicem AA; Nr. 184: Adhuc tdiam litteram fore similem ut prescripta habemus, que quemtur etiam per X litteram ut suprascripta; Nr. 338: Habemus adhuc duas litteras simiks ••• , que querantur per easdem litteras alfobeti scilicet BB. 123 Das Signaturemystem des Oculus Memorie 11ist insbesondere bei den mit Zahlen signierten Kapiteln auch bei der Archivierung später hinzugekommener Urk. benutzt worden (z.B. HStAWi 22/436 Nr. 79, 80, 108,374,470,471 [Zahlen]; 151, 152, 190,279,349,401 [?], 428 [?1447 [Buch- stabenD. In mehreren Fällen wurden bei NachtIigen jedoch abweichende Verfahren angewendet: So Großbuchstaben und eine Kombination von Groß- und Kleinbuchstaben, die aber nicht fort- laufend nach dem Alphabet, sondern als Siglenfür den Ortsbetreff (z.B.M und Mus für Mosbach, ebd. Nr. 401), den Schenker oder Vertngspartner (z.B. N für NKOlaUS, Ho für Hoinsta, ebd. Nr. 151)sowie für sonstige inhaltliche Betreffe(z.B.Sa für Sacrista, cbd. Nr. 151)dienen. Diese Metho- 140 Heinrich Meyer zu Ermgassen

Signaturen auf Eberbacher Originalurkunden

Anhand der erhaltenen Originalurkunden, auf die vom Oculus Memo- rie II verwiesen wird, kann überprüft werden, ob und wie dieses Signatu- rensystem angewendet worden ist. Es stellt sich bald heraus, daß die Mehr- zahl der mit unserem Kodex korrespondierenden Signaturen auf den Ori- ginalen zugunsten späterer Ordnungssysteme durch Rasur beseitigt worden ist 126. In einer ganzen Anzahl von Fällen sind allerdings entspre- chende Markierungen - manchmal nur leichthin ausgestrichen - stehen- geblieben 127. Besonders deutlich sind Zeichen aus dem Signaturenpro- gramm von 1310 auf Urkunden erhalten, die aus dem Eberbacher Archiv nachher extradiert worden sind. Es war schon die Rede von den 1330 an die Herren von Falkenstein an1äßlich des Verkaufs des Hofes Haßloch bei Rüsselsheim abgegebenen Urkunden 128. In den Archiven der Fürsten von Ysenburg zu Büdingen 129 und von Isenburg zu Birstein 130 hat sich je eine Ausfertigung aus diesem Komplex erhalten, die, wie die alten Signaturen FF und GG zeigen, in Eberbach einst Seite an Seite gelegen hatten. Ein wei- teres Beispiel ist die heute im Fürstlich Solmsischen Archiv zu Lieh liegen- de Arnsburger Urkunde von 1174, die außer zwei älteren Eberbacher

de weist bereits voraus auf das im 15. Jh. in Eberbach übliche Signaturensystem: Großbuchstaben kombiniert mit arabischer Ziffer: wobei der Buchstabe von dem Ortsbetreff hergeleitet war, die Ziffer· aber die Aufeinanderfolge im jeweiligen "Bestand" bezeichnete. Die letzte große Archivord- nung Eberbachs wurde in der 1. Hälfte des 18. Jh. vorgenommen, deren Spuren als ausgeschriebe- ne Ortsnamen zusammen mit einer arabischen Zahl sich auf den Rückseiten der Eberbacher Ar- chivalien finden. Auch dieser Archivordnung entspricht ein Repertorium: das zweibändige Find- buch in Folio des Eberbacher Paters Stephan Burger, HStAWi 221550 u. 551, vgl. MEYER ZU ERMGASSEN, Nassauische Anm. 85 (wie Anm. 84) S. 47 mit Anm. 42 u. 43. 126 Deutliche Spuren trotz durchgeführter Rasuren erkennt man z.B. auf den Urk. HStAWi 22133 (ehemals Leeheim xxxm - Oculus MemorieIl Nr. 224); 22/111 (ehemals Haßloch Y _ Oculus MemorieIl Nr. 267); 221461 (ehemals Absolutio C u. Abtsstab - Oculus MemorieIl Nr. 577); StA Darmstadt, Urk. Starkenburg, Leeheim 1184 (ehemals Leeheim XVI - Oculus Memo- rie Il Nr. 207). . 127 Z.B. HStAWi Urk. 22149 (ehemals Haßloch 0: Oculus MemorieIl Nr. 258); StA Darmstadt, Urk. Rheinhessen, Dienheim [1218] (ehemals Dienheim VI - Oculus Memorie Il Nr. 288); Stadt- archiv Mainz, Kloster Eberbach Nr. St. 15, 1220 Juni 20 (ehemals Birkerhof XI - Oculus Memo- rieIl Nr. 364) sowie StA Darmstadt, Urk. Rheinhessen, Flonheim Nr. 9 (ehemals Wahlheim ET - Oculus Memorie Il Nr. 334). 128 Siehe oben S. 124. 129 Urk. Nr. 39, 1211 März 9, vgl. MEYER ZU ERMGASSEN, Oculus Memorie (wie Anm. 1) Urk. Verz. Nr. 79. . 130 Urk. Nr. 6, 1219 Nov. 26, vg!. ebd. Nr. 148. Der andere Oculus Memorie 141 Rückaufschriften des 13.Jahrhunderts auch die Signatur von der Hand des ersten Schreibers des Oculus Memorie II aufweist: JJ. In der Tat steht eine Kopie dieses Wortlauts mit dieser Signatur im "Kapitel" Littere super clau- l3l strum im Oculus Memorie rr , wobei der Rückvermerk der Ausfertigung auch hier als Vorlage für das Rubrum im Kodex dientel32• Nicht lange nach dem Eintrag muß die Urkunde mit der Eberbacher Signatur an das Tochterkloster Arnsburg abgegeben worden sein, denn sie trägt von einer Hand des 14. Jahrhunderts den typischen Arnsburger Archivvermerk Cel- 133 la claustri • Gerade an den letztgenannten Beispielen wird klar ersicht- lich, daß die Buchstaben und Zahlen der ältesten Signaturen von derselben Hand stammen, wie die im Oculus Memr-rie Il eingetragenen Signaturen. Diese Feststellung zwingt zu dem Schluß, daß ,ter Anlage des Oculus MemorieII eine Neurodnung des Archivs vorausgegangen ist, daß beide Unternehmungen in enger Beziehung zueinander standen. Das Signatu- rensystem dürfte auf den Kopisten des Oculus Memorie II zurückgehen. Erstmals erhielten die Eberbacher Urkunden dadurch eindeutige, das ein- zeIne Archivale kennzeichnende Signaturen, während die Urkunden zuvor durch ihre Rückaufschriften lediglich einem bestimmten Ortsbetreff zuge- wiesen waren. Es wurde allerdings dabei die Kenntnis vorausgesetzt, daß zum Beispiel der Ortsbetreff "Essenheim" unter dem übergeordneten Be- treff "Birkerhof", der Ortsbetreff "lngelheim" aber unter "Sandhof" ein- zuordnen war. Auch nach derEinführung der neuen Signaturen blieben diese alten Ortsbetreffe weiterhin in Kraft. Denn da sich einzelne Signatu- ren bis zu neunmal in verschiedenen "Kapiteln" wiederholten, waren sie erst in der Kombination mit dem Ortsbetreff eindeutig zuzuweisen. Die 134 Eberbacher Urkunden waren also nach Titulus und Littera zu zitieren •

131 HStAWi 22/436 Nr. 151. 132 Das Indorsat der 1. Hälfte 13. Jh. lautet Gerbardus abbw de EberbachqwUiter abbada de Arnsburch a domino Cunone de Minzenben:h a potesate .bbatis et ecdesie Sibergensis sit redempta et ordini nostro coData. Die Übereinstimmung mit dem Rubrum ist hier durch Fett- satz angezeigt. Statt de hat der Oculus Memorie IT in, den Namen Arnsburg schreibt er abwei- chend von der Vorlage Arnespurg. 133 Ähnliche Hinweise auf die Lagerung kenne ich für Eberbach em aus dem 15. Jh.: im Proto- collum Tripartitum (HStAWi 22/437-439) finden sich gelegentlich Hinweise auf die Lagerung in camerae: so ist die Rede von einer Camera B (ebd, I hI. 59· [betr, Bleidesheim). fol. 89r [betr, Buden· heimD. einer Camera S (ebd, I fal. 88r [betr, Budenheiml; der Verweis lautet: quere in titulo Sand/Camera S) und einer Camera &(ebd. ITfol. 244r-250r [betr; 7beloneumD. -In Val Benoh wird eine capsa buJlarum erwähnt. siehe unten Anm. 203. Zur Lagerung allgemein vgl. SCHIECKEL,Festschr. H.O. Meisner (wie Anm. 91) S. 96. PAPRITZ. Archivwissenschah (wie Anm. 119) 2 S. Hf. 134 Daß die Rückenregesten mit dem Begriff titulus belegt wurden. geht aus dem oben Anm. 82 zitierten Beleg hervor; vgl. ferner Nr. 285: que queratuT eadem titulo. 142 Heinrich Meyer zu Ermgassen

Fehlende Urkunden

Schon aus dem Vergleich der Anzahl von rund 540 von Hand 1 im Ocu- lus MemorieII eingetragenen Urkundentexte mit den rund 690 Num- mern, die das Eberbacher Urkundenbuch bis zum Stichjahr 1312 enthält, ergeben sich etwa 150 fehlende Einheiten. Allerdings hat ROSSEL in sein Urkundenbuch eine Reihe von Urkunden aufgenommen, die zwar im Eberbacher Archiv überliefert worden sind, jedoch nicht für das Rhein- gaukloster selbst, sondern für Dritte ausgestellt waren. Es handelt sich zu- nächst um 11 Stücke für Klöster, die der Aufsicht Eberbachs unterstan- den 135. Einige Rechtstitel für weltliche Empfänger mögen in Eberbach zur sicheren Aufbewahrung hinterlegt worden sein, wie dies ausdrücklich in 136 einem Text von 1279 formuliert wurde • Andere Urkunden, die zwar auch vor dem Stichjahr 1312 ausgestellt wurden, kamen erst nach der An- lage des Oculus MemorieII in den Besitz Eberbachs, zum Beispiel Urkun- den für Stift Ilbenstadt 137 oder die Gemeinde Steinheim 138. Einige U rkun- 139 den, die Langendiebach betreffen , sind augenscheinlich erst 1324 mit

135 Arnsburg: ROSSEL1 Nr. 15;Aulhausen: ebd, 2 Nr. 617; Disibodenberg: ebd, Nr. 547; Otter- berg: ebd. Nr. 337, 492; Schönau: ebd, Nr. 473, 477, 485, 541,545; Tiefenthal: ebd. Nr.249. 136 Ebd. 2 S. 265 Nr. 649, 1279Mai 21:Hancautem litterem dern:vimus in monasterio Eberbacen. si reservari perpetuo. - Über ein wieder ausgeliefertesDepositum quittiert 1407März 31 der Wild- graf Gerhard von Kirberg dem Kloster Eberbach; F.W.E. ROIH, Die Geschichtsquellen des Nie- derrheingaus 2 (1880; Geschichtsquellen aus Nassau) S. 132 Nr. 170[. ..] berkennen ms, daz wir ynpbangen ban von den hem Nyclas dem apte zu Erbach dry bryejJe, die en zu ctzyden von der her- schaffvon Lympurg wegenbefolen synt gewest fJ7Id dyt hindir en gehabt ban fJ7Id sagen wir den obge- nanten apt fJ7Id convent ledig fJ7Id lqyß £enden wir llbir eynche bryeffe, den IIpt odir covent obir sich gegeben bette von so/ichen bryefen wegen,der solde Jqyt syn vnd keyn macht nyt me ban [. ••]. - Auch die unten Anm. 170 genannte Urk. für den Erzbischof von Mainz scheint in Eberbach hinterlegt worden zu sein. 137 ROSSEL1 Nr. 19,24 von 1159 und 1168jdie Urk. kamen sicherlich 1250 an Kloster Eber- bach, Vgl. Anm. 94. 138 M. STIMMING,Mainzer VB 1 (1932; Arbeiten der Hist. Komm. für den Volksstaat Hessen) Nr. 332. - Kloster Eberbach besaß in Steinheim seit etwa 1165eine Grangie, die Urk. über die Pfarrkirche könnte von dem Schenker, dem Ministerialen Embricho von Steinheim, zusammen mit seinem "Herrenhor' (curia) an Eberbach gekommen sein, vgl. MEYERzu ERMGASSEN,Ocu- lus Memorie (wie Anm. 1) 2 S. 317 mit Anm. 1. U9 ROSSEL2 Nr. 330, 517, 641; vgl. auch Nr. 760. - Im Register zu ROSSELsind die Belege durch J. KEHREIN"Diebach Kr. S. Goar" und nOber·Diebach bei Bacharach" zugeordnet, ledig- lich die Nummern 301 und 332 betreffen jedoch das heutige Ober- und Rheindiebach südl. Bacha- each. Die übrigen Belegewurden bereits von H. REIMER, Historisches Onslexikon für Kwhessen (1925, ND 1974; Veröff. der Hist. Komm. für Hessen 14) S. 87 auf Langendiebach (Ortsteil von Erlensee nö. Hanau) bezogen. Der andere Oculus Memorie 143 der Schenkung der dortigen Pfarrei ins Klosterarchiv gelangtl40. Eine ein- drucksvolle Reihel41 von Urkunden aus der Hand eines reichen Limbur- ger Bürgers kam erst 1378 an die Rheingauabteil42. Jedoch auch von den für Eberbach selbst ausgestellten Urkunden ver- mißt man eine ganze Reihe im Kopialbuch. Einige fehlende Stücke, die t Dulcensheim 143und Laubenheim 144betreffen, könnten mit dem Ver- kauf der Eberbacher Besitzungen um Weisenau an das Stift St. Viktor zu Weisenau bei Mainz im Jahre 130014' bereits an den neuen Besitzer extra- diert worden sein. Es fehlen offenbar systemarisch bestimmte Ortsbetreffe: z.B, die großen Städte Kölnl46 und Mainzl4', aber auch etwa Mosbach bei Wiesbaden 148.Auf der anderen Seite fehlen auch Urkunden mit besonde- ren Widmungen: so für das Infirmitorium 149und Hospital1SO, aber auch Stiftungen für Altäre, Kapellen und für die Kirchenausstanung+", für die die Sacristia zuständig war1S2.Eine größere Anzahl von Rechtstiteln über

140 Vg!. H. REIMER, Hessisches UB 2, UB zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehe- maligen Provinz Hanau 1 (1891; Publikationen aus den Preußischen Staatsarch.) 2 S. 87 Nr. 265 sowie BÄR, Gesch. (wie Anm. 37) 2 S. 337ff. 141 Allein 17 Stücke aus der Zeit zwischen 1301und 1312;RoSSEt 2 Nr. 596, 598, 612, 613, 618, 619,622,626,634,636,640,646,657,662, w'-H. STRUCK,Quell. zur Geschichte der Klöster und Stifte im Gebiet der mittleren Lahn bis zum Ausgang des MA (1961; Veroff. der Hist. Komm. f. Nassau XII) 3, Die Klöster Bärbach, Beselich, Dirstein und Gnadenthal, das Johanniterhaus Eschenau und die Klause Fachingen S. 474 Nr. 890,891 u. S. 475 Nr. 893; HStAWi 22/Urk. 408, 1306Jan. 5., vgl. auch STRUCK1 S. XLll mit Anm. 161. 1421378 Dez. 22; Druck bei Rom, Gesch. Quell. (wie Anm. 136) 2 S. 116 Nr. 148. 143 MEYERZU ERMGASSEN , Oculus Memorie (wie Anm. 1) 1 Urk. Ven. Nr. 41 u. 42. 144 ROSSEL 2 Nr. 285; die Urk. ist im StA D.unrstadt im Orig. erhalten; sie könnte aber aus dem Fond des Viktor-Stiftes dorthin gelangt sein. 14' BAUR,Hess. Urk. (wie Anm. 25) 2 Nr. 597. 146 ROSSEL 2 Nr. 515 u. 625; Rile (heute Köln-Riehl) ebd. Nr. 615 u. 665. 147 Mainz ist zwar im Register als Stichwort vertreten, doch ist darunter nur ein Verweis auf das "Kapitel" Dienheim zu finden, s. oben S. 130 mit Anm. 80. Zahlreiche Mainzer Betreffe sind in einer Nachlese angeführt worden, s. unten S. 146 mit Anm. 171. 148 Es gibt mindestens drei Gruppen von "Mosbach-Urkunden": 1. genuine Eberbacher Güter- geschäfte betreffende Stücke, wie z.B. ROSSEL 2 Nr. 351, 363, 408, 470, 504, 505, 632. - 2. Eine Reihe von Urk., die - ursprünglich für Kloster Selz ausgestellt - 1296 Okt. 27 (ROSSEL 2 Nr. 542) durch Kauf an Eberbach übergingen, wie ebd. 2 Nr. 437; DO m 78, 991 Dez. 29. - 3. Urk., die für St. Simeon in Trier ausgestellt waren und erst 1472 (Ram, Gesch. Quell., wie Anm. 136, 1 S. 177Nr. 1313-1315) an Eberbach kamen: ROSSEL 1 Nr. 2, 40, 41, 66,238. Die letzteren fehlen verständlicherweise im Oculus Memorie 11,doch ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde auch die anderen Stücke nicht aufgenommen wurden. 149 ROSSEL 1 Nr. 178, ebd, 2 Nr. 443 (mit Nr. 607 u. 638), 494, vgl. auch 678. 150 Ebd. Nr. 355. 151 Ebd. Nr. 207, 212, 267, 354, 393, 409, 425, 445. m Deutlich 1255März (ebd. Nr. 304) und 1275Dez. (ebd. Nr. 445), wo eine Meßwein- und eine Geleuchtstiftung ausdrücklich ad officium sacristie vorgenommen werden. - Vgl. auch andere Beispiele für die Sonderstellung der Urk. der Kustodie bei SCHlECKEt,Festschr. H.O. Meisner (wie Anm. 91) S. 98. 144 Heinrich Meyer zu Ermgassen Rentenkäufe1S3 fehlt ebenfalls, sie dürften in die Zuständigkeit des Bursen- amtes gefallen sein. Schon die große Zahl von 50 fehlenden Urkunden zu einem geschlosse- nen Sachkomplex: unterstreicht die Richtigkeit der Beobachtung, daß Hand 1 nicht zufällig, sondern systematisch Urkunden mit bestimmten inhaltlichen Merkmalen ausgelassen hat. Es handelt sich hier um Pitanz- 1 stiftungen !54, als deren Empfänger häufig der Eberbacher cellerarius coqui- ne genannt wird 1!5!5. In diesem Zusammenhang wird besonders deutlich, daß der KüchenzeIlerar die betreffenden Liegenschaften selbständig ver- 1S6 waltete , 1312 wird er sogar ausdrücklich von Stiftern angehalten, gegen- über Prior und Bursaren von seiner Verwaltung jährlich Rechnung zu le- 1S7 gen • Aus dem mit dem Oculus Memoire IT etwa gleichzeitigen Güter- und Rentenverzeichnis Eberbachs wird bestätigt, daß sowohl die Sacristia als auch der Cellerarius coquine, ferner Hospital, Infirmitorium und Pforte je- weils eine eigne Liegenschaftsverwaltung hatten ISS. Diese Verwaltungen verwahrten offensichtlich ihre Urkunden selbst: daher fehlten sie zunächst in der Übersicht über das Klosterarchiv, die mit dem Oculus Memorie IT vorgelegt wurde.

Der "Bestand" Cellerarius coquine

Gewissermaßen die Gegenprobe zu den eben gewonnenen Ergebnissen ermöglicht ein Zusatz auf den Nachtragsseiten zu dem allgemeinen "Kapi-

153 Erwerb von Renten: ROSSEL 2 Nr. 331,629,631,670,676,682; Verfügungen über Renten: ebd. Nr. 298, 415, 453, 454, 597. - VgI.auch andere Beispiele für die Sonderbehandlung von Urk. über Rentenkäufe bei SCHlECKEL (wie Anm. 91) S. 99. 1504 ROSSEL 1 Nr. 91, 114 (mit 111), 144, ebd. 2 Nr. 251, 252, 255, 269, 270,286, 314, 333, 357, 372,373,377,380,382,383,412, 413, 414, 419, 426, 427, 440, 464, 481, 483, 503,518,519,522, 523,527 (mit 528), 532, 548, 552 (mit 544, 549~ 589, 595, 627,642, 644,659, 674, 677, 678. - Im Oculus Memorie TIfehlen übrigens auch die Pitanzstiftungen von 1300 Jan. 30 (BAUR, Hess. Urk. [wie Anm. 25] 2 S. 591 Nr. 589) und 1302 Febr. 8 (ebd. S. 611 Nr. 612). m ROSSEL 2 Nr. 251, 314, 373, 382, 383, 414, 440,481,527, 642, 674, 678. 156 1263 (ebd. 2 Nr. 373) verfügt eine Schenkerin: .•. alkrarÜ4s cnquint: pro tempor« existeru/'Te- dictas flineas colat et proventus tarundem flinearum ex parte conwntus rrcipiens ••• 157 1312 Febr. 7 (ebd. Nr. 678): ••• qui quidem ahrÜ4s {coquint:} tk talibus proventibus •. priori ac bursariis monasterii nostri computationt:m fidelem facims anno quo/ibn ••• 151 Zu den Sondervermögen in Eberbach vgI. H. MEYERZU ERMGASSEN, Congregatio Eberba- censis. Die Eberbacher Klostergcmeinde 1136-1250, in: Hess.]b. f. lG 33, 1983, S. 1-36, hier S. 12 mit Anm. 79 u. S. 15 mit Anm. 103. - Für das Zisterz.ienserkloster Ebrach ist z.B. ein eigener Liber pitanciarum von 1340ff. erhalten, KRAUSEN(wie Anm. 6) S. 38. - Für Heilsbronn vgI. un- ten S. 153. Der andere Oculus Memorie 145

1S9 tel" Littere superclaustrum • Eine andere Hand der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts hat- umgeben von weiteren Nachträgen - eine Liste von ur- sprünglich 19 "Items" aufgezeichnet, die in einem neuen Ansatz noch um 10 Betreffe erweitert wurde. Sie alle verweisen in knapper Form auf Ur- kunden, wie aus dem ersten der Einträge bereits klar hervorgeht: Item litte- ram de servicio trinitatis. Die folgenden Items nennen dann meist nur noch servicium und Termin 160 nach dem christlichen Festkalender, gelegentlich auch nur dieses Datum 161. In einigen Fällen wird statt der Bezeichnung 162 163 servicium der Terminus pitancia benutzt , gelegentlich sind die Stifter , l64 manchmal die Art der gestifteten Mahlzeiten genannt • Einmal wird als 16S Sonderbetreff das Infirmitorium erwähnt • Neben jedem Eintrag steht am linken Rand ein Großbuchstabe in der Ordnung des Alphabets, von H an meist zwischen zwei Punkten stehend: Es handelt sich um dasselbe Signaturensystem, das auch bei den "Gran- gienkapiteln" angewendet wurde: A - Z unter Auslassung von J, U und 166 W; darauf folgend EST, Doppel-Antisigma, sodann AA - 00 • Die hier vorgestellte nachgetragene Liste ist also das Verzeichnis Eberbacher Pitanz- stiftungen, die von dem jeweiligen Cellerarius coquine verwaltet wurden und deren Urkunden einen eigenen durchsignierten "Bestand" bildeten. Ein sachliches Ordnungsprinzip, das der Aufeinanderfolge der Stücke zu- grundeliegt, ist nicht zu erkennen: Weder die Termine der Pitanzen, nicht das Alter ihrer Stiftung und auch nicht die Art der Mahlzeiten war für die Reihung der Urkunden maßgebend.

1S9 HStAWi 221436 alt fo1.24r Nr. 152. 160 Ebd. Nr. 152B, C, F, G, K, M, 0, Q, R, 50 T, V, EST,Doppel-Antisigma, AA. - Als Orientie- rung wird hier und in den folgenden Anmerkungen auf das alte Signaturensystem Bezug genom- men, vgl. unten Anm. 166. 161 Ebd. D, E, H, I, P, x, Y. 161 Ebd, L, N, R (hier beide Begriffe nebeneinander), Z. 163 Ebd. M, R, Z 164 Ebd. L, N, P. - Nur einmal ist ausschließlich das Nahrungsmittel angegeben: BB. Item de butiro. 1M Ebd, CC Item de infirmitorio. 166 Im selben System signiert aber von der übrigen Liste durch eine l.eerzeile abgesetzt ist der letzte Eintrag, der auch anders strukturiert ist: Item habemus littemm ••• mit Nennung der Aus- steller und des Gegenstandes der Beurkundung: eine Einigung. - Diesem letzten Eintrag ist von anderer Hand ein Zusatz hinzugefügt worden, 'M>hllediglich~n der gleichen Aussteller beider Stücke. Die Urk. von 1327Now 3 (RO~SEL 2 Nr. 843) hat die SchadlosstellungEberbachs im Zu- sammenhang mit einem Geldgeschäft zum Inhalt. Dieses Stück war offenbar den gängigen Ord- nungsgesichtspunkten nicht unterzuordnen, es blieb daher interessanterweise sine signo. 146 Heinrich Meyer zu Ermgassen

Eine Nachlese

Außer vielen verstreuten Einzelhinweisen auf Urkunden, die im Oculus Memorie vornehmlich im 14. Jahrhundert von einer großen Anzahl von Schreibern nachgetragen wurden, fällt nur eine mit der eben behandelten Pitanzenliste vergleichbare Aufstellung auf. Auch sie wurde von einer Hand der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts, und zwar im "Nachtragsfeld" für das "Kapitel" Kiedrich in sorgfältiger Schrift eingetragen 167, hat aber mit diesem offenbar keinen sachlichen Zusammenhang. Die Liste umfaßt 21 Nummern, ihr gemeinsames Merkmal ist die gleichartige Signierung mit Buchstabe plus Kreuz, wobei die Signatur E+ doppelt vergeben wurdel68• . Die sachliche Zuordnung der hier aufgelisteten Urkunden ist schwierig. Auf der einen Seite enthält die Liste zwei Stücke, die mit Eberbach in kei- nem unmittelbaren Zusammenhang stehen: Eine Urkunde ist für das Eberbacher Tochterkloster ausgestellt, wie in dem Regest aus- 169 drücklich angegeben wird • Ein anderes Stück betrifft den Verkauf der 170 halben Grafschaft und der Burg Naumburg an das Erzstift Mainz ; diese Urkunde wird als nobis inutilis bezeichnet. Auf der anderen Seite kommen unterschiedliche Eberbacher Ortsbetreffe vor, für die sich kein gemeinsa- l7l mer "Nenner" finden läßt • Aus dem Text der Regesten selbst läßt sich nur für ein Stück eine sichere Zuordnung erkennen: die Stiftung eines Ge- l72 leuchts im Infirmitorium • Für derartige Stiftungen war die Eberbacher Sakristie zuständig. Auf dieses Klosteramt gibt es in der Liste noch einen

r 167 HStAWi 22/436 fol. 9O"91 Nr. 599 u. 600. 161 Das zweite E+ betrifft wie das erste das Mainzer Haus "Zur Goldenen Waage",steht aber zwischen K+ und L+. 169 Ebd. V+: littera que 'lJaletmonasterio in Otterburg. ROSSEL 2 Nr. 337. - Bei zwei weiteren Nachträgen späterer Hände wird auf andere Arch. verwiesen: Ausdrücklich bei Nr. 159, 1253 aus- gestelltvom Abt von Citeaux für die Äbte von Himmerod und Eberbach und deren generatio: Ista littera sigillata habetur in Hymmerode (vgi. ROSSEL 2 Nr. 274); eine auf 1323 Okt. 10 datierte, ebenfalls von einer Nachtragshand kopierte Absolutio cuiusdam fratris a stabilitate betrifft die frän- kische Zisterze Ehrach (HStAWi 22/436 Nr. 619). 170 Vgl. J.F. BÖHMER - C. WILL,Reg, zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe 2 (1886, ND 1966) S. 367 Nr. 153 zu 1266 Apr. 2. Vgl. oben Anm. 136. 171 Diese Ortsbetreffe sind: Brey bei Boppard. Dienheim, Erbach, Wahlheimer Hof, Igstadt (Stadtteil von Wiesbaden) und vornehmlich Mainz. 171 HStAWi 22/436 Nr. 599: 1+. Item habetur littera Gyselberti militis de Rudinsheim super dona- tione quatuor amarum oini in 'lJillaErbach cedendarum ad lampadem in infirmitorio, que ame quin- que [marr:is]redimi possunt. ROSSEL 2 Nr. 267: 1251. Der andere Oculus Memorie 147 zweiten, indirekten Hinweis. Unter der Signatur P+ ist eine Urkunde des Mainzer Gerichts verzeichnet, worin ein Kürschner Johannes Freitag den Erbzins von jährlich 11 Schilling Kölnisch aus einem Haus in der Mainzer Hubelgasse anerkennt. Denselben Zins von einem Haus ebendort zahlte 173 um 1300 ein Gotzo an die Eberbacher Sakristie • Eine Gleichsetzung der beiden Objekte und damit die Zuständigkeit der Sakristie ist hier offen- sichtlich. Da jedoch in dieser Liste weitere für dieses Klosteramt ausgestell- te Urkunden fehlen, sich auch andere Hinweise aus den übrigen Regesten nicht finden lassen, ist diese Liste wohl eher als eine allgemeine Nachlese anzusehen, in der sich auch zwei Urkunden für die Sakristie vorfinden. Wir stellen zusammenfassend fest: Der Oculus Memorie ITwurde zwi- schen 1311 und 1320 angelegt, höchstwahrscheinlich 1312 abgeschlos- sen 174.Schon aus dieser zeitlichen Zuordnung, aber auch aus einer aus- drücklichen Erwähnung geht deutlich hervor, daß die Anlage in die ersten Jahre des Abbatiats Wilhe1ms in Eberbach fiel. Wer der eigentlich Ausfüh- rende des Werkes war, bleibt offen. Die einzige individuelle Spur, die er für uns sichtbar hinterließ, ist sein betontes Interesse für Boppard: vollstän- digere Zeugenlisten und zusätzliche Querverweise deuten darauf hin 175. Die äußere Ausführung der Handschrift ist sorgfältig, ja aufwendig176, sie war auf lange Dauer berechnet; durch jeweils freigelassene Seiten am Ende jeder Gliederungseinheit war sie auf "Zuwachs" angelegt17'. Wie der ältere Oculus MemorieI war auch das jüngere Werk als ,Jahrhundertwerk" ge- plant: es ist in der Tat auch erst durch das Protocol/urn Tripartiturn des 15. Jahrhunderts178 "ersetzt" worden. Der Oculus Memorie 11ist mehr als ein bloßes Kopialbuch: durch den Nachweis der jeweiligen Signaturen gibt es sich als Archivrepertorium zu erkennen. Diese Signaturen wurden von der ersten Hand des Oculus Me- morie 11auf den Original-Urkunden des Klosterarchivs angebracht, die da- mit überhaupt erstmalig Signaturen erhielten. Im Bewußtsein dieser Er- schließungsaufgabe hat der Schöpfer der Handschrift bewußt und planvoll Kürzungen und Straffungen des Wortlauts der Urkunden vorgenommen, besonders da, wo man im Beweisfall ohnehin auf die "Beglaubigungsmit-

173 HStAWi 22IProt. eloc. et renov. 1/2 S. 435 unter der Überschrift Moguntia Sacristit: Item Gotzo de domo in der Hubilsgazzen soloe: XI solidas Colonienses - Martini VI solidas et Johannis Baptiste V - iure berediterio et expeditt omni iure, 174 Siehe oben S. 124. m Siehe oben S. 126, 130. 176 Siehe oben S. 120ff. 177 Siehe oben S. 131. 17. Siehe oben Anm. 133. 148 Heinrich Meyer zu Ermgassen tel" der Ausfertigungen zurückzugreifen hatte. Die "archivarische" Er- schließung erklärt auch die zahlreichen Verweise und Verkürzungen bis hin zu knappsten Regesten. Carl RÜSSEL, der den Oculus Memorie 11nur vom Standpunkt des Quelleneditors betrachtete, belegte das darin ange- wandte Verfahren mit negativen Wertungen; sein Fazit: der Kompilator habe es sich "bequem gemacht"179. Nach unseren Beobachtungen ist angesichts der Aufgabenstellung ein Findbuch zu erstellen, ein durchdachtes und aufwendiges "Programm" sehr umsichtig angewendet worden: Die älteren Rückaufschriften der Ur- kunden wurden nach kritischer Prüfung als "Kurzregesten" in das voran- gestellte Inhaltsverzeichnis der Handschrift aufgenommen180. Sie wurden gleichzeitig als Rubren - vergleichbar den modernen Kopfregesten - im Text selbst "wiederverwendet"l8l. Dort folgt dann der Wortlaut der Ur- kunden unter Weglassung solcher Teile, die als Beglaubigungsmittel gelten. Hierzu sollten die Ausfertigungen herangezogen werden, worauf die Flos- kel invenies in littera stereotyp Bezug nahm 182. Bei Doppelausfertigungen, bei Urkunden ähnlichen Inhalts, bei Inserten, deren Wortlaut schon aus einer anderen Überlieferung kopiert worden war, selbst bei gleichlauten- den Einzelpassagen wurden statt der Wiederholung des vollen Wortlauts knappe Verweise gegeben 183;dabei wurden Angaben zur Überlieferungs- art und auch gelegentlich zur Überlieferungsgeschichte gemacht. Insgesamt spiegelt der Oculus Memorie 11 die Eberbacher Archivord- nung wider, wie sie um 1310 hergestellt wurde. Die Bildung der Fonds folgte den seit alters vorgegebenen Strukturen der klösterlichen Verwal- tung: der Eberbacher Grangienorganisation. Wir erkennen aber gerade im Vergleich mit dem um ein Jahrhundert älteren Oculus Memorie I, daß seit 1211 gewisse strukturelle Veränderungen eingetreten sind: Die Reihenfolge wird nicht mehr durch das Alter der Grangien, sondern durch ihre geogra- l84 phisehe Lage bestimmt • Es sind durch Kauf einige Besitzungen dazuge- kommen, andere sind kurz nach der Anlage der Handschrift veräußert worden, so daß die betreffenden Urkunden zum Teil nur noch im Oculus Memorie 11überliefert sind. Schon in den "Kapitelüberschriften" treten jetzt die Städte neben den alten Hofzentren deutlich hervor, ein Hinweis

179 Siehe oben S. 126. 110 Siehe oben S. 130. 111 Siehe oben S. 123. m Siehe oben S. 128. 113 Siehe oben S. 128ff. 184 Siehe oben S. 133. Der andere Oculus Memorie 149 auf die zunehmende Bedeutung städtischen Besitzes. Der Erwerb einer Pfarrei ist ein Novum in Eberbachs Besitzstruktur. Eine wichtige organisa- torisehe Schlußfolgerung erlaubt auch die Zuordnung der Urkunden der nächstgelegenen Höfe zu denen der Zentrale unter dem Stichwort Littere 18 super claustrum '. Unter dem Gesichtspunkt der Geschichte von archivischen Ordnungs- systemen ist die Tatsache bemerkenswert, daß der Oculus Memorie II für den reichen, bereits um 1310 zwischen 500 und 600 Stück umfassenden Eberbacher Urkundenbestand das Signaturensystem als Ganzes aufzeigt: Buchstaben des Alphabets und Römische Zahlen wechseln einander "kapi- telweise" ab. Überschreitet die Urkundenzahl eines Betreffs die Buchsta- benzahl eines Alphabets, so wird nach einigen freien Signatur-Schöpfun- gen eine Serie von Doppelbuchstaben angefügt. Dies wiederholt sich stereotyp für die mit dem Alphabet signierten Kapitel. Die drei letzten Gliederungseinheiten spielen allerdings eine Ausnahmerolle.

Der Oculus Memorie II im Vergleich

"Kaum jemals wird das Urkundenverzeichnis als Archivbehelf im allge- meinen gewürdigt. Fruchtbar wäre eine solche Betrachtung auch erst im Vergleich mit anderen gleichzeitigen, älteren und jüngeren Urkundenre- pertorien im Rahmen einer Geschichte der Archivtechnik, die erst noch zu schreiben ist." Diese Feststellung traf Paul SCHÖFFEl im Zusammenhang mit seiner 1951 veröffentlichten Untersuchung des "BiIdhäuser Urkundenverzeich- 186 nisses" von 1517 • Sein Desiderat ist auch heute noch unerfüllt; und an- gesichts eines riesigen noch nicht aufgearbeiteten Vergleichsmaterials kann der Versuch einer Einordnung des Eberbacher Oculus Memorie II als Bei- spiel für die Organisation eines beträchtlichen klösterlichen Urkundenbe- standes von damals fast 600 Nummern nur zu vorläufigen Ergebnissen führen. Der eigene Augenschein kann zunächst in paläographischen Tafelwer- ken Vergleichsstücke zutage fördern.

185 Siehe oben S. 135. 186 P. SCHÖFFEL,Das Bildhäuser Urkundenverzeichnis vom J. 1517 (in: Archivalische Zs. 47, 1951), S. 79-112. - SCHÖFFELkommt zu dem Ergebnis, das Urkundenverzeichnis sei kein Ur- kundenrepertorium, weil ihm alle Bezugnahmen auf die Archivlagerung fehlten. Allerdings kom- men Verweise auf ein verschollenes Kopialbuch aus der Mitte des 14. Jh. darin vor. 150 Heinrich Meyer zu Ermgassen Von den rund 20 Schriftbeispielen aus mittelalterlichen Kopiaren, die 187 Anton CHROUST abgebildet hat , fmden sich bei dreien Signaturen am Rande neben einzelnen Urkundenkopien oder sonstigen Einheiten. Alle diese Beispiele sind auf die erste Hälfte beziehungsweise auf die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert: sie sind also "Zeitgenossen" des Eberbacher Ocu- lus Memoriell. Im einzelnen handelt es sich um folgende Stücke: 1. ein Kopiar und Urbar, die sogenannte "Bärenhaut" von [1308 bis etwa 1328], aus dem Zisterzienserkloster Zwenl in Niederösterreich 188; 2. ein Kopiar, den Liber Niger des Breslauer Domstiftes, dessen ältester Teil bald nach 1320 entstanden sein SOll189; 3. ein Kopiar und Urbar aus dem Zisterzienserinnen-Kloster Frauenthai in l90 Böhmen, um 1350 erstellt • Bei den Signaturensystemen handelt es sich in allen Fällen um Alphabete oder um Kombinationen von solchen; sie sind ähnlich dem des Oculus Memorie 11.In Frauenthal wurden die Texte "mit blauen und roten Groß- buchstaben numeriert" 191,sie sind sowohl in vorangestellten "Regesten" - die dem Eberbacher Inhaltsverzeichnis entsprechen - wie auch bei den ei- gentlichen Urkundenabschriften angewendet worden. Auch im Breslauer Liber Niger findet sich in den beiden ältesten Teilen (um 1320 und um 1390) eine "Zählung der einzelnen Urkunden" nach dem Alphabet; bei dessen Erschöpfung folgt die Kombination ba, bh, be usw., dann ca, eh, cc usw. CHROUST hat über die Zweckbestimmung und über die Zeitstellung dieser Signaturen nichts gesagt; allem Anschein nach sind diese Buchsta- ben-Signaturen von anderen Händen später nachgetragen worden. Am genauesten hat Michael TANGL 192die Signaturen der Zwenler "Bä- renhaut" untersucht. Er stellte fest, daß die Handschrift in ,,Abteilungen" gegliedert ist, die römisch gezählt werden. Sie umfassen jeweils "Urkunden oder Zeichnungen", die von a - z signiert werden. Ist ein Alphabet er- schöpft, beginnt die nächste Abteilung mit der um eins erhöhten Zahl. Der Zweck dieser Signaturen ist nach TANGLs Feststellung die Zitie- rung der einzelnen Urkunden in den gleichzeitig angelegten Orts- und Per-

187 A. CHROUST, Monumenta Palaeographica. Denkmäler der Schreibkunst des MA I-rn (1902-1940). 188 Ebd. Serie n Lief. XVI Taf. 1. 119 Ebd. Serie ill Lief. xm Taf. 7. 1110 Ebd. Serie ill Lief. XVI Taf. 6. 191 Ebd. Text zu Serie ill Lief. XVI Taf. 6. 19Z M. TANGL.Stud. über das Stiftungsbuch des Klosters Z~l (Wien 1890; Separatabdruck aus: Arch. f. österr. Gesch. 76, 1890, S. 261-348), hier S. 12 (272)ff. Abb.l Oculus Memorie II (HStA Wiesbaden 22/436) fol. VIP, Inhaltsverzeichnis: Kapitel Breitenfass (Buchstabensignaturen links) und Bingen (Zahlensignatu- ren rechts), Blattverweise. Vgl. Abb. 2 u. S. 131. (Aufnahme: HStA Wiesbaden) Abb. 2 Oculus Memorie II fol. 70v aus dem "Kapitel" Bingen: Kolumnentitel Pin - guia; Initialen; Rubren (entsprechen den Einträgen im Inhaltsverzeichnis); Signatur XI Ende: Verweis auf die vorige NI. Siehe S. 137. (Aufnahme: HStA Wiesba- den) f

Abb.3 Urk. v. 1211 März 9, Fürst!. Arch. zu Büdingen, 1330 v, Eberbach extra- diert; Rückvermerke von zwei Eb. Händen 1. H. 13. Jh.; darunter Eb. Signatur FF um 1310, die mit dem Oculus Memorie II korrespondiert. Siehe S. 140 mit Anm. 129. (Aufnahme: Lichtbildarchiv älterer Originalurkun- den Marburg)

{ ...• I t. ..I' ;... I . i

, / -~1'1'" ;-(..."4; t I~: Abb.4 Urk. v. 1219 Nov. 6, Fürst!. Arch. zu Birstein, 1330 von Eberbach extradiert; Eb. Rückvermerk von Hd. um 1230/40; darunter Eb. Signatur GG um 13L0, die mit dem Oculus Memorie II korrespondiert. Siehe S. 140 mit Anm. 130. (Aufnahme: Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden Marburg) ··1. " ...L f-' J..tJ: :!:. -.Pi~1~·~ j/ . I • Abb.5 Urk. StA Dannstadt, Rheinhessen, Dienheim [1218]: Rückvennerk von der Hand des Notars Bernhelm [1204-1208]; darunter die Signatur VI um 1310, die mit dem Oculus Memorie II korrespondiert; darunter Signatur und Ortsbetreff 15. Jh.; darunter Signatur 1. H. 18. Jh, bestehend aus Ortsbetreff u. Nr. Siehe S. 140 mit Anm. 127. (Aufnahme: StA Darm- stadt)

Abb. 6 Urk. StA Darmstadt, Rheinhessen, Flonheim 1239 Apr. 15; Rückvenner- ke: 1. Eberbacher Hd. 1. H. 13. Jh, 2. Signatur ET um 1310, die mit dem Oculus Memorie Ir korrespondiert; 3. .Wahlheim'' und .Nr. 5" 1. H. 18. Jh., korrespondiert mit dem Repertorium des Paters Stephan Burger. Siehe S. 140 mit Anm. 127. (Aufnahme: StA Darmstadt) Der andere Oculus Memorie 151 sonen-Indices. Es ist demnach sozusagen ein "kodex-internes" System, eine Beziehung zu den Originalurkunden des Archivs erwähnt T ANGL nicht. Da auch in Frauenthal "Register" und Kopien Buchstabensignaturen tragen, könnte auch hier das "Zwettler Prinzip" angewandt worden sein. Auch hier ist jedenfalls kein Bezug zum Klosterarchiv anhand der Signatu- ren festzustellen. Sieht man sich nach solchen Archivsignaturen im eigentlichen Sinn um, so bietet H. SCHlECKEL193 eine nach einheitlichen Kriterien erarbeitete größere Bandbreite von Belegen für 19 Signaturensysteme auf mitteldeut- schen Originalurkunden. Ein erster Überblick zeigt aber schon, daß die l94 meisten Beispiele wesentlich jünger - und daher anders - sind als der Oculus Memoriell: Sie entstammen dem 15. Jahrhundert und sind eher als Vergleichsmaterial für spätere Eberbacher Archivordnungen heranzu- ziehen. Nur in einem Fall zeigen sich bemerkenswerte Parallelen zu unse- rem Oculus Memorie 11: Lediglich eine einzige dieser mitteldeutschen Archivordnungen ist rund drei Jahrzehnte älter als die Eberbacher: die des Zisterzienserklosters Pfor- ta 195. Üher ihr gemeinsames hohes Alter und die Ordenszugehörigkeit hinaus haben beide Archivordnungen weitere Gemeinsamkeiten: 1. Beide Klöster haben kopiarartige Findbehelfe anlegen lassen. 2. In heiden stimmt der Aufbau im großen und ganzen übereim Am An- fang steht, wie in Eberbach die Littere super claustrum, auch in Pforta ein allgemeines "Kapitel", der Titulus Porta. Es enthält ehenfalls die allgemei- nen Urkunden, auch die päpstlichen, die hier wie dort nach den Gesichts- punkten ordini generaliter und monasterio ... specialiter aufgegliedert sindl96• 3. Hier wie dort folgen auf die allgemeinen die speziellen "Grangienkapi- tel", in Pforta noch wie im älteren Oculus Memorie Inach dem Alter der 197 Grangien aufgelistet , im Oculus MemorieII aber geographisch geord- net.

193SCHIECKEL, Festschr. H.O. Meisner (wie Anm. 91). 194 Die nächstjüngere Archivordnung stammt von 1385, die meisten jedoch erst aus dem 15. und 16. Jh., ebd. S. 101. . 19' Ebd. S. 97ff. - Vgl. auch P. BOEHME, VB des Klosters Pforte (1893; Gesch.quell. d. Provinz Sachsen u. angrenzend. Gebiete, hg. Hist. Comm. d. Provo Sachsen 33), hier S. VIII-XVII, wo das KorJar auf 1279/1280 datiert wurde. 1 In Eberbach durch die jeweils an den Rand ausgeworfenen Stichwörter OnJini und Eberbach, s. oben S. 136; in Pforta durch entsprechende Signaturen: die allgemeinen Privilegien sind durch eine Kombination von schwarzen und roten Doppelbuchstaben gekennzeichnet, SCHIECKEL (wie Anm. 91) S. 98. 197 SCHIECKEL S. 97; MEYER ZU ERMGASSEN, Oculus Memorie (wie Anm. 1) 1 S.91ff. 152 Heinrich Meyerzu Ermgassen 4. Auch in Pforta sind den "Grangienkapiteln" Inhaltsübersichten vorange- stellt: capitellula •.• sensum privilegiorum subsequenter descriptorum conti- nentia. 5. Hier wie dort wird zu jeder kopierten Urkunde jeweils am Rand die Ar- chivsignatur angegeben: privilegiis subsequenter descriptis in margine sunt apposite {Zittere alfabeticeJ et per quas etiam ipsa vera sigillata et bullata priai- legia designantur. 6. Wie wir hier in bezug auf Eberbach so kam SCI-llECKELin bezug auf Pforta zu dem Ergebnis, daß die Archivordnung mit der Anordnung im Kopialbuch parallel laufe. Dies ist nach SOi!ECKELs Feststellungen 198 sonst im allgemeinen nicht der Fall gewesen. Auf der anderen Seite sind die Unterschiede zwischen dem Pforter und dem Eberbacher System nicht zu übersehen: 1. Das Kopiar-Findbuch aus Kloster Pforta hat im Gegensatz zum Oculus Memorie IT eine formulierte Benutzungsanweisung, aus der die soeben hier verwendeten Zitate stammen. Sie sind sogar geeignet, zugleich Eberbacher Befunde zu erläutern. 2. Anders als in Pforta, dessen Findbuch nur ein einleitendes allgemeines "Kapitel" RJrta kennt, sind in Eberbach noch zwei nach dem Aussteller- Gesichtspunkr'f" gebildete Einheiten Papa/ia und Regalia vorausgeschickt worden. Letzteres besteht jedoch meist aus Zollprivilegien, so daß ein "Un- 2OO terkapitel" De theloneo formiert wird • In Pforta folgte ein "Zollkapitel" als letztes neben einer allgemeinen Nachlese, die mit Extra bezeichnet ist. 3. In Pforta ist der chronologische Gesichtspunkt - secundum cursum tem- porum et annorum consequentiam - bei der Reihung der Urkunden in den 201 Kapiteln offenbar folgerichtiger beachtet worden • In Eberbach kommt es nur ansatzweise zu einer chronologischen Ordnung. 4. Nur eine schwache Ähnlichkeit besteht in dem jeweils angewandten Sig- naturensystem: In Pforta wird "kapitelweise" nach dem Alphabet signiert; überschreitet die Zahl der Urkunden die Zahl der Buchstaben des Alpha- bets, so wird die Signierung mit arabischen Zahlen fortgesetzt. Demgegen- über erscheint das Eberbacher Signaturensystem als entwickelter. Alles in allem überwiegen die Entsprechungen aber die Unterschiede in den Strukturen der beiden frühen zisterziensischen Archivrepertorien.

198 SCHIECKEL S. 91. 199 Vgl. zum Aussteller-Gesichtspunkt SCHIECKEL S. 99. 200 Siehe oben S. 136. 201 SCHIECKEL S. 99. Der andere Oculus Memorie 153 Selbst wenn man aufgrund der Vergleichsfunde aus den Zisterzen Zwettl, Frauenthal und Pforta die Wahl des Vergleichsmaterials überhaupt auf Ko- piare aus dem Zisterzienserorden beschriinken wollte, so bleibt auch hier der Ertrag noch gering, weil entweder von den Bearbeitern zisterziensi- scher Kopiare den äußeren Strukturen wenig Aufmerksamkeit ge- 202 203 schenkt oder diese nur kursorisch abgehandelt wurden • Und selbst wenn eine Detailuntersuchung von Kopiaren vorgelegt wurde, so blieb die Beziehung zu den Originalurkunden und ihren Ordnungssystemen nicht 204 selten unbeachtet • . Ähnlich wie das Diplomatarium Portense durch H. SCHIECKEL·sind die Kopiare der Zisterze Heilsbronn von 1336 und 1360 von G. SCHUH· 20 MANN ' in einer Einzelstudie auch unter archivgeschichtlichen Gesichts- punkten detailiert untersucht worden. Die hier herausgearbeiteten Struk- turen entsprechen bis in Einzelheiten denen des Eberbacher Oculus Me- morieII: die äußere Beschaffenheit - Zweispaltigkeit, Liniierung, Rubren, Initialen - ist gleich. Aber auch in Details des Aufbaus gibt es Entspre- chungen: das voraufgeschickte Register, die Gliederung - Papsturkunden, Königsurkunden, Orte nach dem Alphabet -, Verweise bei Doppelausfer- tigungen, Nachweise von Sonderbeständen wie Burse, Subzellerar, Infir- marius, Hospitalar, Portarius sowie die Signatur am Rande jeder Urkun- denkopie, Anders sind die folgenden Einzelheiten: Die Beziehung zwi- schen Register und Text wird - wie in Zwettl und Frauenthal-Iediglich durch Wiederholung der Signaturen hergestellt, nicht wie in Eberbach durch Seitenverweise. Diese Heilsbronner Signaturen sind auch nicht ganz gleich den Eberbachern: Die Königsurkunden sind mit römischen Zahlen durchnumeriert; Papsturkunden wurden mit Doppel-P plus römischer Zahl signiert; die folgenden Urkunden sodann nach Orts- oder Sachbetreff

202 Z.B. H. DÜRRE.Beitr, zur Geschichte der Cistercienserabtei Amelungsborn (in: Zs. d. hist. Vereins für Niedersachsen Jg. 1876)S. 179-212. - DÜRREerwähnt die drei Kopialbücher des Klo- sters, darunter das älteste von um 1286, das in der äußeren Anordnung gewisse Ähnlichkeiten mit dem Oculus Memorie 11aufweist; doch ergeben die Angaben kein klares Bild. - H. SCHULTE, Das Heinrichauer Gründungsbuch nach seiner Bedeutung für die Gesch. des Urkundenwesens in Schlesien (in: Zs. des Vereins f. Gesch. u. Altertümer Schlesiens 34, 1900) S. 343-371; das hier ins- besondere auf seine chronologische Einordnung hin untersuchte Gründungsbuch wird auf "nach 1270" datiert. 203 Z.B. A. CLOQUET-CollET, I.es archives du Val·Benort lee-Liege(in: Crteaux. Commentarii Cistercienses IS, 19(4) S. 242-247. - Das Zisterzienserinnenkloster erstellte für seine 220 Urk. 1307 sein erstes bekanntes Kopiar; die Gliederung in 14 Kategorien kannte eine capsa bullarum und je ein Kapitel für die sechs Grangien. 204 Siehe das oben (S, 150£.) vorgestellte Beispiel von Zwettl. lOS G. 5cHUHMANN, Die ältesten Kopialbücher des Zisterzienserklosters Heilsbronn (in: Jb. £. frink. Landesforsch. 11/12, 1953) S. 165--175. 154 Heinrich Meyer zu Ermgassen mit dem jeweiligen Anfangsbuchstaben und römischer Zahl. Entspre- chend dem Eberbacher Gebrauch erscheinen allerdings die Kennbuchsta- ben seitenweise als "Kolumnentitel", während bei den Urkundenkopien le- diglich die entsprechenden Zahlen am Rand stehen. Mit dem Eberbacher vergleichbare Systeme beim Aufbau von Kopiaren finden sich also in erster Linie im Zisterzienserorden. Die Masse der nach 1250 sich ansammelnden Urkunden erforderte neue Ordnungsrnaßnah- men. Offenbar sind in den um 1300 im Orden angelegten Kartularen erst- mals in größerem Umfang Signaturensysteme zur Bezeichnung der einzel- nen Urkunden und für den Zugriff auf die Originale angewandt worden. Dagegen scheinen die vor der Mitte des 13. Jahrhunderts entstan- 206 denen zisterziensischen Kopiare noch keine Signaturen zu enthalten • Angesichts der starken Ähnlichkeiten zwischen den Kopiaren von Pfor- ta, Eberbach, Zwettl, Frauenthal und Heilsbronn muß die von SCHIECKEL noch negativ beantwortete Frage erneut gestellt werden: Hat es nicht ordensspezifische Ordnungssysteme gegeben? Ausdrückliche An- weisungen des Ordens hierüber sind zwar nicht bekannt, doch ist die Mög- lichkeit zu erwägen, ob im Archivwesen, wie in so vielen anderen Berei- chen bei den Zisterziensern, von einem normsetzenden Beispiel auszuge- hen ist, an dem man sich orientierte und das im Orden - und mögli- cherweise dann auch darüberhinaus - Schule machte.

206 Vgl. z.B. einige der neuesten Kopiareditionen aus dem zisterziensischen Bereich: M.}. AzE. VEDO SANTOS,0 CartuUrio do Mosteiro de S.Paulo de Almaziva. Edido entia. Sep. d., Arqui. vio Coimbräo '1!J (1981): Kopiar entstanden 1245/1248, enthält 100 Urk. - Ph. BROWN,Sibton Abbey Cartularies and Charters (Woodridge/Suffolk 1985-1988): das älteste von zwei Kartularcn 1260 entstanden, Urk. in topographischer Anordnung.