Agnelli vs. Elkann – Namenwechsel bei : Überlegungen zur diskursiven Repräsentation und zu sozioökonomischen Implikationen

Julia KUHN

1. Einleitung Fiat war seit den Zeiten des Gründers Giovanni I immer mit dem Familiennamen Agnelli verknüpft. Diesem Anthroponym kommt mittlerweile Markenstatus zu. Die Unternehmerfamilie hat einen capo, der seit Generationen den Namen Agnelli trug: Giovanni I Agnelli, , , . Durch den frühen Tod der Söhne der letzten beiden capi wird der Sohn einer Tochter von Gianni Agnelli, der nicht mehr den Namen Agnelli trägt, zum neuen Familienchef: . Dieser Beitrag zeigt unter anderem, wie mittels anthroponymischer, ergonymischer und klassifizierender No- mination der Akteure im Mediendiskurs das Anthroponym Agnelli als Marke konstruiert wird, wie das Ergonym Fiat instrumentalisiert und der Führungsanspruch der jeweiligen capi legitimiert wird, wie sich der Namenwechsel vollzieht und was der Verlust des Namens Agnelli bedeutet und, schließlich, wie damit umgegangen wird.

2. Repräsentation von Akteuren im Wirtschaftsdiskurs Akteure werden im Wirtschaftsdiskurs nicht immer neutral repräsen- tiert, ihre Darstellung kann ganz gezielt instrumentalisiert werden, was mittels vielfältiger sprachlicher Mittel, wie beispielsweise der Nomi- nation (als Klassifikation oder mittels Anthroponymen) erfolgen kann. Analysiert wird hierbei nicht die reale Person, die hinter den Nomina- tionen (Fairclough 2003) steht, sondern rein die mittels Nominationen aufgebaute hyperreal figure im Sinne Fiskes (1996), die ein rein dis- kursives Produkt darstellt, das abgehoben von der realen Figur ist. Die reale Entität wird gänzlich ausgeblendet. Die vorliegende Untersu- chung illustriert dies am Beispiel der italienischen Unternehmerfami- 312 JULIA K UHN lie Agnelli und des Unternehmens Fiat im printmedialen Diskurs in Österreich.1 Der Fokus liegt dabei auf dem Namenwechsel des Famili- enoberhauptes, das mit John Elkann nicht mehr den Namen Agnelli trägt. In der Studie wird dabei zunächst der theoretische Rahmen vorge- stellt. Im anschließenden, empirischen Teil wird die diskursive Instru- mentalisierung von Nominationen der Hauptakteure der Familie Ag- nelli im österreichischen Mediendiskurs analysiert.

3. Medien und Politik: Grundsätzliche Überlegungen zu deren Zu- sammenwirken Wie Plasser (2004), Alemann (2002) und Kamps/Nieland (2006) zei- gen, spielen Medien für die moderne Kommunikation eine immer be- deutendere Rolle – Kommunikation und Wettbewerb finden in ent- scheidender Weise in und durch Massenmedien statt. Wirtschaftskom- munikation und Werbediskurs brauchen für ihre Ausübung öffentliche Räume, in denen soziale Akteure Stellung beziehen können (Haber- mas 1992: 435; Kamps/Nieland 2006: 8ff.). Einen derartigen Raum stellen in unseren spätmodernen Gesellschaften die Medien dar (Ha- bermas 1990, 1992), in denen Prozesse der Sozialisation und Identifi- kation stattfinden können. Über die Medien erfolgt auch die Verständi- gung sozialer Gruppen untereinander.

4. Theoretische Verortung Theoretisch ist die vorliegende Untersuchung in der Diskursanalyse verortet. Für die Analyse medialer Identitätskonstruktion bilden Arbei- ten aus der kritischen Diskursanalyse (KDA) (Van Leeuwen 2005, Fairclough 2003) und den Cultural Studies (CS) (Dyer 1998, Fiske 1996) die Grundlage. Diskurs und diskursive Praxis werden dabei so- wohl als sozial konstitutiv als auch als sozial konstituiert verstanden (vgl. Fairclough/Wodak 1997: 264f.; Fairclough 1995a; Fairclough 1995b: 18; Chouliaraki/Fairclough 1999) und als multimodale Phäno- mene gesehen, bei denen sich verbale und semiotische Realisations- modi gleichberechtigt ergänzen.

1 Das dieser Untersuchung zu Grunde liegende Corpus entstammt den österreichi- schen Tageszeitungen Der Standard, Die Presse und Salzburger Nachrichten aus den Jahren 2003-2009. Die Auswahl der Belege ist lexemorientiert. AGNELLI VS. ELKANN – N AMENWECHSEL BEI FIAT 313

Identitäten werden medial durch Texte konstruiert. Gleichzeitig existieren in der außersprachlichen Wirklichkeit Bezugspunkte, wo- durch den textuell konstruierten Identitäten hyperrealer Status zu- kommt. Fiske (1996: 68) spricht im Falle von repräsentierten Teilneh- mern, die Elemente der außermedialen Akteure umfassen, jedoch ei- genständig sind, von hyperreal figures. Die Eigenständigkeit derselben wird stärker, sodass Fairclough (1995a: 139) eine Verschiebung zu Signifikationen ohne Referenz feststellt: „there is no real object only the constitution of an object in discourse“. Das Phänomen Identität wird unterschiedlich verstanden; so wird Identität als statisches (vgl. u.a. Reisigl 2003: 31-48) oder als prozedurales, veränderliches Phäno- men, das diskursiv konstruiert wird, gesehen (vgl. Chouliaraki/Fair- clough 1999: 96ff.; Schmidt 2000: 113ff.). Rezente Mediengesell- schaften produzieren semiotisch-diskursiv ‘Images’ und verfolgen da- mit kalkuliert die Strategie, ‘folgenreiche Aufmerksamkeit’ (Schmidt 2000: 235) für Personen wie die Mitglieder und capi der Familie Ag- nelli und Funktionäre des Unternehmens Fiat zu erregen (vgl. u.a. Hellmann/Pichler 2005; Fairclough 2002: 163; Chouliaraki/Fairclough 1999: 96; Schmidt 2000: 235).

5. Mittel zur diskursiven Repräsentation von Identität – die Nomi- nation Die Mittel, die zur diskursiven Repräsentation medialer Identitätskon- strukte in Hinblick auf Figuren herangezogen werden können, sind vielfältig. Sie können sich auf die Bezugseinheit – wie hier die media- le Figur – aber auch darüber hinaus auf persönliche Beziehungen der Person sowie deren Handlungen beziehen. Ein Mittel zur diskursiven Konstruktion der Bezugseinheit ist die Nomination. Kritisch-dis- kursanalytische Zugänge zur Nomination sozialer Akteure (vgl. Van Leeuwen 1996, Reisigl 2003, Reisigl/Wodak 2001) unterscheiden No- mination in Form von Eigennamen (Gianni Agnelli, John Elkann) vs. Nomination als Klassifikation2 (der Fiat Patriarch, der Kronprinz), worunter die Bezeichnung der Entität über ein als essentiell geltendes Merkmal zu verstehen ist, das etwa das Äußere eines Menschen, seine inneren Überzeugungen, seine gesellschaftliche Stellung, seine Funk-

2 Vgl. Reisigl (2003); Van Leeuwen (1996). 314 JULIA KUHN tion o.ä. betreffen kann.3 Ein anderer Bereich, aus dem Nominationen entstammen können, ist der Bereich der diskursiven Darstellung oder Konstruktion zwischenmenschlicher Beziehungen, etwa im familiären Rahmen (z.B. die unterschiedlichen Brüder (Gianni und Umberto)) so- wie die Isotopie der Gleichheit oder Differenz. Reisigl (2003) versteht Nomination als spezielle Form von Referenz, bei der über Art und Weise der sprachlichen Bezugnahme auf Außersprachliches eine be- stimmte Einstellung, Haltung bzw. bewertende Perspektive der Sprachverwender gegenüber der Person, auf die sie referieren, kund- gegeben wird. Nominationen umfassen bestimmte Einstellungen, die der jeweils verwendete Nominationsausdruck denotativ oder konnota- tiv4 umfasst (vgl. Reisigl 2003; Girnth 1993)5. Bei der diskursiven Repräsentation des Handelns spielen die ‘Ac- tivation’ vs. ‘Passivation’ sozialer Akteure (vgl. Van Leeuwen 1996) eine Rolle sowie die indirekte Repräsentation von diskursivem Han- deln in Zitatform, wobei die Frage nach dem, wer spricht, nicht außer Acht gelassen werden darf, da dies Aufschluss über die Perspektivie- rung gibt (vgl. Fairclough 2003; Van Leeuwen 2005).

6. Empirischer Teil Die Namen Agnelli und Fiat sind eng miteinander verbunden. Seit der Firmengründung durch Giovanni I Agnelli stand immer ein männli- ches Familienmitglied und männlicherTräger des Namens Agnelli dem Familienclan vor. Mit Umberto Agnelli, dem ‘letzten Agnelli’ endet diese Tradition. Sein Nachfolger und Großneffe John Elkann trägt nicht mehr den Familiennamen Agnelli. Ein Namenwechsel, der nicht bedeutungslos ist. FIAT, die Fabbrica Italiana Automobili Torino, pro-

3 Auf die starke Verwobenheit von Nomination und Prädikation weisen bereits Reisigl (2003), Van Leeuwen (1996), Halliday (1978) hin. 4 Grundlegendes Konzept der (Bedeutungs-)Konstitution ist die Konnotation (Van Leeuwen 2005: 29-43), die mit Roland Barthes als mit Werten aufgeladene, sozial und kulturell bedingte Bedeutung verstanden wird: “Given the first layer of mea- ning, a second layer of meaning can, as it were, be superimposed, the connotation. It comes about either through the culturally shared associations, which cling to the re- presented people, places and things, or through specific ‘connota-tors’, specific aspects of the way in which they are represented, for example, specific photographic techniques.” (Van Leeuwen 2005: 38). 5 Zu kritisch-diskursanalytischen Zugängen zur Nomination sozialer AkteurInnen (vgl. Van Leeuwen 1996; Reisigl 2003; Reisigl/Wodak 2001). AGNELLI VS. ELKANN – NAMENWECHSEL BEI FIAT 315 fitierte immer vom Glanz der Agnellis, die Agnellis ihrerseits wurden und werden über FIAT konstruiert: So wird die Familie Agnelli im Mediendiskurs nicht nur einfach als die Familie Agnelli oder die Ag- nellis konstruiert, sondern auch in Nominationen mittels Verwendung des Ergonyms Fiat: die Fiat-Familie, Fiat-Dynastie Agnelli, die Fiat- Unternehmerfamilie Agnelli. Nominationen für die Familie, die das Ergonym nicht enthalten, stellen Bezüge zur Auto-Industrie her: Itali- ens mächtigste Industriellenfamilie, die bedeutendste italienische Großindustriellendynastie, die italienische Unternehmerdynastie Ag- nelli, die Unternehmerdynastie Agnelli, die italienische Autodynastie Agnelli, die Unternehmerfamilie Agnelli. Andere Nominationen neh- men Bezug auf die Rolle, die die Familie für das Unternehmen Fiat spielt: die Gründerfamilie Agnelli, die mittlerweile zur Großaktionärs- familie geworden ist. Die Bedeutung der Familie wird in Nominatio- nen wie die einflussreiche Familie Agnelli deutlich, die oft sogar ohne Namensnennung, einfach als die Familie, bezeichnet wird. Die Bedeu- tung wird auch durch „numerische“ Größe unterstrichen, wobei hier die Angaben zwischen 70 und 200 Familienmitgliedern schwanken: der 200 Kopf zählende Familienclan; dessen gute Kontakte werden in Nominationen wie die weitverzweigte Agnelli-Familie unterstrichen. Die Bedeutung der Agnellis wird durch Bezeichnungen wie Clan oder Dynastie hervorgehoben: Agnelli-Clan, Unternehmerdynastie Agnelli, Großindustriellendynastie, Autodynastie Agnelli. Der Familienname Agnelli ist selbst eine Marke geworden, wie etwa , was das folgende Beispiel zeigt: „Protzen die St. Moritzer mit Agnelli oder Gucci, antworten sie in Pontresina mit Piz“. Nicht nur der Familienname Agnelli eint die Familie, auch die in- nerhalb der Familie verwendeten Vornamen sind immer wieder die gleichen: Gianni (Giovanni) Agnelli heißt nach seinem Vater, dem Fir- mengründer , Giannis Sohn Eduardo nach dessen Großvater: „Im November 2000 hatte Edoardo Agnelli, ältester Sohn Giovanni Agnellis, Selbstmord begangen. (…) Edoardos Großvater, der denselben Namen trug, war in den 30er Jahren mit einem Flug- zeug abgestürzt.“ Die einzelnen Mitglieder dieser Familie werden unterschiedlich diskursiv repräsentiert. Gianni Agnelli wird einerseits rein über den Personennamen bezeichnet: per Vorname Giovanni (Giovannis Toch- ter, Giovannis Bruder), wobei durch die Verwendung des Vornamens 316 JULIA KUHN ein gewisses Nähe- und Intimitätsverhältnis hergestellt wird, das den Leser einbezieht und eine we-group zwischen Leser und Familienmit- gliedern etabliert. Der Vorname tritt häufig in Nominationen auf, die Relationyme darstellen, wodurch der Eindruck der familiären Einge- bundenheit des Lesers noch verstärkt wird. Neben dem Vornamen steht häufig auch der komplette Name Gianni Agnelli, Giovanni Ag- nelli (in Assoziation mit seinem Bruder Umberto) oder der Nachname Agnelli allein. In Nominationen, die zumeist in Parataxen stehen, ist Giovanni (Gianni) Agnelli der Fiat-Patriarch, der über seine Auto-Marke kon- struiert wird: Fiat-Patron Giovanni Agnelli, der einstige Fiat-Chef Gi- anni Agnelli, Ex-Fiatboss Gianni Agnelli, der verstorbene Fiat-Chef Gianni Agnelli, der inzwischen verstorbene Industrielle Giovanni Ag- nelli, der ehemalige Chef der Fiat-Gruppe, Fiat-Ikone, der verstorbe- ne Fiat-Chef Agnelli, der 2003 verstorbene Fiat-Patriarch Gianni Ag- nelli, (der ehemalige) Fiat-Präsident Giovanni Agnelli, der Fiat-Patri- arch Giovanni Agnelli, der verstorbene Fiat-Patriarch Gianni Agnelli. Daneben stehen ohne explizite Nennung der Marke Fiat die unterneh- mensbezogenen Nominationen: Firmenpatriarch Giovanni Agnelli, der inzwischen verstorbene Industrielle Giovanni Agnelli, der legen- däre, im Jänner 2003 verstorbene Firmenpräsident Giovanni Agnelli, der verstorbene Giovanni Agnelli. In diesen Nominationen wird häu- fig der Umstand thematisiert, dass Gianni Agnelli verstorben ist, wo- bei dabei im Kontext die schmerzliche Lücke, die dadurch entstanden ist, thematisiert wird, was die Bedeutung des Referenten noch zusätz- lich unterstreicht und denselben erhöht. Diese Tendenz der Erhöhung wird in Nominationen noch verstärkt zum Ausdruck gebracht. So fällt das appraisement, die ‘Erhöhung’ des Akteurs durch religiöse Assozi- ationen, auf, das in Nominationen wie in die schillernde Lichtgestalt oder die Fiat-Ikone deutlich wird. Es wurde darauf hingewiesen, wie frequent Nominationen für Gi- anni Agnelli sind, die Relationyme darstellen. Diese sind meist mittels adjektivischem Attribut erweiterte Nominalphrasen: sein älterer Bru- der, sein um 13 Jahre älterer Bruder, (sein Bruder Giovanni [von Um- berto]), sein charismatischer Großvater [von Lapo]. Gianni Agnellis Spitzname avvocato tritt in Nominationen auf: ‘avvocato’ Giovanni, der ‘avvocato’ Giovanni Agnelli, l’avvocato. Analog hatte auch sein Bruder Umberto einen Spitznamen, nämlich dottore. Exemplifiziert wird dies besonders im Artikel „Ära Agnelli AGNELLI VS. ELKANN – NAMENWECHSEL BEI FIAT 317 ging zu Ende“, in dem im gesamten Text die Assoziation und Dissozi- ation von Umberto und Gianni erscheint und die beiden einander ge- genübergestellt werden6: „Giovanni, in Italien nur der ‘avvocato’ ge- nannt und Enkel des gleichnamigen Firmengründers, wollte als Tradi- tionswahrer unbedingt am Auto, dem Kerngeschäft des Unterneh- mens, festhalten. Umberto dagegen, der ‘dottore’ und als Kassenwart der Familie über die Finanzgesellschaften Ifi und Ifil wachend, hatte lange so seine Zweifel.“7 Wie wird nun Umberto, der auf Gianni Agnelli folgende capo der Familie Agnelli diskursiv konstruiert? Neben der Nennung des Anth- roponyms – Umberto Agnelli, Agnelli – stehen Nominationen, die ihn in Beziehung zu Fiat setzen: Fiat-Präsident Umberto Agnelli, der Fiat-Präsident Umberto Agnelli, der verstorbene Fiat-Chef, vor 2 Jahren verstorbener Fiat-Präsident Umberto Agnelli, Fiat-Chef Um- berto Agnelli; der Präsident des italienischen Automobilkonzerns Fiat, Umberto Agnelli; Fiat-Präsident Umberto Agnelli; der seit dem Vorjahr amtierende Präsident des Fiat-Konzerns, Umberto Agnelli; der jetzige Fiat-Präsident Umberto Agnelli; der Präsident des italieni- schen Automobilkonzerns Fiat, Umberto Agnelli. Ohne explizite Erwähnung der Marke stehen Nominationen, die eine Beziehung zum Unternehmen etablieren, wie der Großindustriel- le, Konzernpräsident Umberto Agnelli, Präsident Umberto Agnelli, der Präsident, Umberto Agnelli; Konzernpräsident Umberto Agnelli; der bisherige Präsident Umberto Agnelli. Lange Zeit bleibt Umberto im Mediendiskurs hinter Giovanni der ewige Zweite, der jüngere Bru- der, der Jüngere (der Brüder), Umberto Agnelli, an dem der Ruch des ewigen Zweiten haftete.

6 Die Akteure Gianni und Umberto Agnelli haben die Spitznamen avvocato und dot- tore: „Giovanni, in Italien nur der "Avvocato" genannt und Enkel des gleichnamigen Firmengründers, wollte als Traditionswahrer unbedingt am Auto, dem Kerngeschäft des Unternehmens, festhalten. Umberto dagegen, der "Dottore" und als Kassenwart der Familie über die Finanzgesellschaften Ifi und Ifil wachend, hatte lange so seine Zweifel“. 7 Ein beispielhaftes Zitat für avvocato Giovanni ist auch das folgende: „Andrea Ag- nelli, 26-jähriger Sohn des verstorbenen Umberto, zieht in den Verwaltungsrat ein. Dies sind klare Signale: Die Agnellis wollen weiter die Fäden ziehen bei Italiens größtem Industriekonzern – trotz des Familiendramas, des kurz aufeinander erfolg- ten Ablebens des ‘Kronprinzen’ Giovanni Alberto, des ‘avvocato’ Giovanni, und sei- nes Bruders Umberto.“ 318 JULIA KUHN

Wie schon für Gianni erscheinen auch für Umberto Relationyme: sein Bruder Umberto [von Gianni Agnelli], Giovannis Bruder Umber- to Agnelli. Nominationen für Umberto werden weiters über das Alter konstruiert: der 69-jährige Umberto Agnelli, der 69-Jährige. Ebenso wie für das Unternehmen Fiat selbst der Bezug zu essentiell und Teil des Firmennamens ist, stehen auch in Nominatio- nen für Umberto lokale Bezüge, wie die folgende existentielle, semi- formale, unmarkierte Nomination, die über Umbertos Funktion Aus- kunft gibt: Umberto Agnelli, italienischer Großindustrieller. Wie im Falle Giannis wird auch bei Umberto dessen Tod themati- siert, womit ein appraisement Umbertos einhergeht: der verstorbene Umberto; sein mittlerweile verstorbener Onkel, der frühere Fiat-Boss Umberto Agnelli, der in der Vorwoche verstorbene Fiat-Boss Umberto Agnelli, Fiat-Präsident Umberto Agnelli. Umberto wird als der letzte Agnelli bezeichnet. In obiger Zusammenstellung fällt auf, wie zahlreich die funktio- nell professionellen Nominationen bzw. semi-formalen Namen sind. Zur Rolle des capo der Familie Agnelli heißt es: „Das Geheimnis von Familien wie unserer liegt darin, dass man in jeder Generation den Begabtesten auswählt, der dann alles in die Hand nimmt“, so lau- tete einst das Erfolgsrezept der einflussreichsten Familie Italiens, den Agnellis. Nach den Familienoberhäuptern Giovanni Agnelli, Edoardo Ag- nelli, Gianni Agnelli und Umberto Agnelli übernimmt diese Funktion Gianni Agnellis Enkel John Elkann. Umberto war der letzte capo, der den Familiennamen Agnelli trug: „Nachdem sein Bruder Giovanni Anfang vergangenen Jahres gestorben war, hatte der Großindustrielle als letzter männlicher Agnelli die Präsidentschaft beim Traditionsun- ternehmen Fiat angetreten.“ Allerdings ist die Nomination Umbertos als letzter männlicher Agnelli nur in Hinblick auf die Funktion des Fa- milienoberhauptes richtig, da John Elkann der nächste capo wird. Die ursprünglich als Nachfolger vorgesehen Agnellis, Giannis Sohn Edo- ardo Agnelli und Umbertos Sohn Giovannino Agnelli, sterben beide früh und fallen so für die Nachfolge aus. Diese beiden werden im Me- diendiskurs mit Nominationen wie den folgenden bezeichnet: der zum künftigen Fiat-Chef designierte Sohn von Umberto, Giovanni Alberto Agnelli; der schwer drogenabhängige Edoardo. In Hinblick auf die Funktion des Familienoberhauptes ist Umberto Agnelli der letzte Träger des Familiennamens Agnelli. Die Nominati- AGNELLI VS. ELKANN – NAMENWECHSEL BEI FIAT 319 on letzter Agnelli impliziert eine Verklärung Umberto Agnellis. Die Tragödie um die Agnellis aus Anlass des Todes von Umberto Agnelli wird bewusst darauf hinstilisiert, dass mit Umberto Agnelli der letzte männliche Agnelli als Wahrer dieses Namens im Rahmen des Unter- nehmens Fiat verstorben und damit der Name Agnelli ausgestorben sei. In der Tat existieren allerdings, abgesehen von der Funktion des Familienoberhauptes, sehr wohl andere Familienmitglieder, die Träger des Namens Agnelli sind: nämlich Giovanni Agnelli, geb. 1972, ein Enkelsohn von Gianni Agnelli, und , geb. 1975, Sohn von Umberto Agnelli. Andrea Agnelli ist seit Umbertos Tod im Ver- waltungsrat: „Andrea Agnelli, 26-jähriger Sohn des verstorbenen Um- berto, zieht in den Verwaltungsrat ein. Dies sind klare Signale: Die Agnellis wollen weiter die Fäden ziehen bei Italiens größtem Indu- striekonzern – trotz des Familiendramas, des kurz aufeinander erfolg- ten Ablebens des ‘Kronprinzen’ Giovanni Alberto, des ‘avvocato’ Gio- vanni, und seines Bruders Umberto“. Nach dem Ableben von Umberto Agnelli kommt es zum Wechsel des Familiennamens in der Position des capo. Es soll daher nun hin- terfragt werden, ob und inwiefern dieser Namenwechsel in der Positi- on des Familienoberhauptes ein Problem darstellt. Mit John und geht Fiat der als Marke etablierte Familienname Agnelli verlo- ren. Als Sohn einer Tochter von Gianni Agnelli trägt John Elkann nicht mehr den Familiennamen seines Großvaters. Dies führt im Me- diendiskurs immer wieder zu Zusätzen, die die Zugehörigkeit der El- kanns zu Fiat und der Familie Agnelli verdeutlichen; so wird als No- mination für das neue Familienoberhaupt nicht nur dessen Anthropo- nym allein John Elkann verwendet, sondern es werden verstärkt Qua- lifier-Zusätze wie Angaben zu seiner familiären Provenienz eingesetzt, um den Bezug zur Marke Agnelli herzustellen: Fiat-Vizepräsident John Elkann vom Agnelli-Clan, John Elkann (28) aus der Fiat-Dynas- tie Agnelli. Hand in Hand gehen damit auch Relationyme: Agnelli-En- kelsohn John Elkann, der 29-jährige Agnelli-Enkelsohn John Elkann, teils werden dabei die Verwandtschaftsrelationen als näher konstruiert, als sie tatsächlich sind, wie in: Agnellis 27-jähriger Neffe John Philip Elkann [von Umberto], wobei John in der Tat der Großneffe Umbertos ist. Ganz analog: der 28-jährige Neffe von Agnelli [von Umberto], John Elkann, der Lieblingsneffe des verstorbenen Industriekapitäns [Umberto] – der 27-jährige John Elkann. Immer wieder werden in Nominationen Bezüge zu seinem Großvater Gianni Agnelli herge- 320 JULIA KUHN stellt: Agnelli-Enkelsohn John Elkann, der 29-jährige Agnelli-Enkel- sohn John Elkann, John Elkann, 28-jähriger Enkel von Giovanni Ag- nelli; John Elkann (30), Enkel des 2003 gestorbenen Fiat-Patriarchen Gianni Agnelli und in Hinblick auf Lapo Elkann ist John: sein älterer Bruder John Elkann; sein älterer Bruder John Elkann, der vor einein- halb Jahren zum Vizepräsidenten der Autogruppe wurde. Der jüngere Bruder Lapo Elkann wird wie folgt dargestellt: der Marketingchef der Fiat-Gruppe, Agnelli-Enkel Lapo Elkann, der 27- jährige Elkann, Enkel des verstorbenen Fiat-Patriarchen Giovanni Agnelli, Lapo Elkann, 27-jähriger Enkelsohn des legendären, im Jän- ner 2003 verstorbenen Firmenpräsidenten Giovanni Agnelli; Marke- tingbeauftragter Lapo Elkann, Enkel des verstorbenen Fiat-Patriar- chen Giovanni Agnelli. Auch die assoziative Darstellung der beiden Brüder Elkann existiert im Mediendiskurs: die beiden Enkelsöhne des ehemaligen Fiat-Präsidenten Giovanni Agnelli. Bereits vor der Übernahme der Rolle des Familienoberhaupts durch John Elkann konstruiert der Mediendiskurs die Identität der El- kann Brüder als besonders engagiert für das Unternehmen und beliebt in der Familie: „Wie es heißt, haben sich vor allem die beiden Enkel- söhne des ehemaligen Fiat-Präsidenten Giovanni Agnelli, der 30-jäh- rige Fiat-Vizepräsident John Elkann und sein 28-jähriger Bruder, der Marketingdirektor Lapo, für das Engagement eingesetzt und den 200 Kopf zählenden Familienclan von der Gültigkeit der Investition über- zeugt. (...)“, wodurch die Nachfolge in der Funktion des Familien- oberhaupts und die bedeutende Rolle im Unternehmen legitimiert wer- den. John Elkann wird im Mediendiskurs als Nachfolger seines Groß- vaters und Großonkels aufgebaut: „Nach dem Tod des Fiat-Präsiden- ten wird der Lieblingsneffe des verstorbenen Industriekapitäns, der 27-jährige John Elkann, eine stärkere Rolle im Konzern spielen. El- kann sitzt seit 1997 im Fiat-Aufsichtsrat. Ihm steht nun die schwierige Aufgabe bevor, Fiat neue Hoffnung für die Zukunft zu geben.“ Neben dem Familiennamen Agnelli steht auch das Ergonym Fiat als Marke und wird in Nominationen zur Legitimierung des Führungs- anspruchs in der Familie und im Unternehmen verwendet. Fiat ist da- bei Bestandteil der verwendeten Nominationen. Für John Elkann steht dementsprechend: Der Fiat-Erbe; häufig steht neben der Funktion für Fiat auch das Alter des Akteurs, etwa in der Nomination der 30-jähri- ge Fiat-Vizepräsident John Elkann. AGNELLI VS. ELKANN – NAMENWECHSEL BEI FIAT 321

Die angeführten Nominationen der Elkanns machen deutlich, wie stark die verwandtschaftsrelationale Anbindung von John Elkann an die Familie Agnelli, die Fiat Dynastie, ist. John und Lapo werden als Familienmitglieder diskursiv erhöht und gleichzeitig die Fallhöhe bei nachträglichem Scheitern und Drogenskandalen etc. gesteigert. Die Anbindung an Agnelli und Fiat legitimiert den Führungsanspruch. Auch Johns Bruder Lapo wird im Mediendiskurs mit dem Anthropo- nym bezeichnet: Lapo Elkann, Elkann, der 27-jährige Elkann. Die klassifikatorische Nomination erfolgt auch für Lapo über Fiat: Enkel von Fiat-Ikone, der für das Fiat-Auto-Marketing zuständige Manager, Fiat-Manager. Nominationen für Lapo Elkann werden auch ohne ex- plizite Nennung von Fiat konstruiert: der Manager, der junge Industri- elle, der Marketingchef, der Marketing-Manager, der fünf Sprachen fließend sprechende Manager, Marketingbeauftrager Lapo Elkann.8 Nominationen für Lapo, die auf die Familie Agnelli Bezug neh- men sind: Agnelli-Enkel Lapo Elkann, der rothaarige Agnelli-Spröss- ling, Agnelli-Erbe, der Marketingchef der Fiat-Gruppe – Agnelli-Enkel Lapo Elkann, Lapo Elkann, 28-jähriger Enkel von Fiat-Patriarch Gio- vanni Agnelli, der 27-jährige Elkann – Enkel des verstorbenen Fiat-Pa- triarchen Giovanni Agnelli, Lapo Elkann – 27-jähriger Enkelsohn des legendären, im Jänner 2003 verstorbenen Firmenpräsidenten Giovan- ni Agnelli, Marketingbeauftragter Lapo Elkann, Enkel des verstorbe- nen Fiat-Patriarchen Giovanni Agnelli, Lapo Elkann, Enkel des verstorbenen Fiat-Patriarchen Gianni Agnelli. Die verwandtschaftsre- lationale Anbindung der Brüder John und Lapo erfolgt im folgenden Beispiel: die beiden Enkelsöhne des ehemaligen Fiat-Präsidenten Giovanni Agnelli, der 30-jährige Fiat-Vizepräsident John Elkann und sein 28-jähriger Bruder, Marketingdirektor Lapo. Der Bezug Lapos zu seinem Bruder John wird dargestellt in sein 28-jähriger Bruder. Ohne explizite Nennung des Familiennamens Agnelli steht: Lapo Elkann, 28 Jahre alter Spross des italienischen Industriellenclans. Neben diesen Protagonisten werden auch andere Mitglieder der Familie im Mediendiskurs erwähnt. In deren Nomination wird häufig der Familienname Agnelli angeführt, dabei steht entweder das Anthro- ponym allein, z.B. bei , oder es wird die Funktion mit

8 Lapo und John werden mit ihrem Großvater verglichen: „Fiat-Kenner meinen, dass Lapo wohl eher in die Fußstapfen des charismatischen Großvaters treten wird als sein Bruder John.“ 322 JULIA KUHN

Bezug auf das Unternehmen angeführt: Autoerbin (Funktion + Name), der „Kronprinz“ Giovanni Alberto. Am häufigs- ten stehen Nominationen, die Anthroponym (Vorname + Familienna- me) und Relationym enthalten: seine Großmutter Clara Agnelli [Christoph v. Hohenlohe] (Relationym + Anthroponym), Andrea Ag- nelli – Sohn des vor zwei Jahren verstorbenen Fiat-Präsidenten Um- berto Agnelli (Anthroponym + Relationym), Umberto Agnellis Sohn Giovannino (Relationym + Anthroponym), Edoardo Agnelli – ältester Sohn Giovanni Agnellis (Anthroponym + Relationym), Andrea Agnelli – 26-jähriger Sohn des verstorbenen Umberto (Anthroponym + Rela- tionym), sein Sohn Giovanni Alberto (Relationym + Anthroponym). Eine weitere häufig auftretende Form der Nomination ist die Kombination Vorname und verwandtschaftsrelationale Anbindung: seine Schwester Clara, Edoardos Großvater – der den selben Namen trug. Informell kann der Vorname allein stehen: Edoardo, der sich nie- mals um die Geschäfte der Familie gekümmert hatte. Eine weitere Form von Nomination enthält einen Pseudotitel; so wird der Urgroß- vater der jetzigen Generation dargestellt als: der Cavaliere Agnelli (Pseudotitel + Anthroponym). Quasi als bare plural steht Agnelli als Referenz auf die Marke Agnelli, wobei Referenz ohne Determination etabliert wird. Neben der Nomination von Einzelpersonen der Familie Agnelli existieren auch hier assoziierte Nominationen, die einerseits aus Anthroponymen bestehen können und Brüderpaare wie Giovanni & Umberto Agnelli, Giovanni und Umberto Agnelli, die Agnelli-Brü- der, Giovanni und Umberto, John & Lapo Elkann – die beiden Enkel- söhne des ehemaligen Fiat-Präsidenten Giovanni Agnelli, der 30-jäh- rige Fiat-Vizepräsident John Elkann und sein 28-jähriger Bruder – Marketingdirektor Lapo oder Ehepaare bezeichnen, wie Giovanni und , das Ehepaar Agnelli. Giovanni und Umberto werden nicht nur als die Agnelli Brüder repräsentiert, sondern auch mittels Relationym bezeichnet: unterschiedliche Brüder, die Brüder. Bei der Nomination kann das Bruder-Sein auch über den gemeinsamen Vater, der Vater von Giovanni und Umberto, Edoardo Agnelli, bzw. den ge- meinsamen Bruder, ihr Bruder Giorgio, impliziert werden. Einen Be- zug auf das Unternehmen ohne explizite Nennung von Fiat wird durch die Nomination die zwei Großunternehmer für Gianni und Umberto hergestellt. Die Kinderschar von Giovanni Agnelli I wird mit der No- mination: sieben Kinder – darunter den wenige Monate alten Umberto bezeichnet. AGNELLI VS. ELKANN – NAMENWECHSEL BEI FIAT 323

Ein auffallendes Phänomen bei der Nomination ist das name drop- ping, die Assoziation der Agnellis mit anderen klangvollen Namen. Die Familie Agnelli wird mit den Namen anderer bekannter Familien oder Persönlichkeiten assoziiert. Dieser Umstand rührt teils von der Tatsache her, dass die Agnellis mit Personen aristokratischer Herkunft das Ehebündnis eingehen, so etwa Gianni selbst, sein Enkel John El- kann und seine Schwester Clara Agnelli. Beispiele hierfür aus dem Mediendiskurs sind etwa: „John Elkann aus der Fiat Dynastie Agnelli heiratete heute, Samstag, die Adelige Lavinia Borromeo Arese Taverna (26), deren Familie Nachfol- gerin des Stauferkaisers Friedrich Barbarossa ist.“ „Seine [John Elkanns] Frau Lavinia Borromeo […] brachte einen Buben zur Welt.“ „Seine [Edoardo Agnellis] Schwester Clara war mit dem österreichi- schen Prinzen Tassilo von Fürstenberg verheiratet. Sie ist die Mutter von Ira von Fürstenberg.“ Daraus resultiert die Verwandtschaft mit Adeligen, die im Mediendis- kurs betont und teils übertrieben wird. Hubertus von Hohenlohe wird als Neffe von Gianni Agnelli konstruiert, obwohl er eigentlich dessen Großneffe ist: „sein mittlerweile verstorbener Onkel, der frühere Fiat- Boss Umberto Agnelli [von Hubertus von Hohenlohe]“. Selbst in Kontexten, in denen die Provenienz vermeintlich irrele- vant ist, wird dies thematisiert. Durch die Betonung der verwandt- schaftlichen Verankerung der Agnellis in anderen Familien gehobener Kreise, wird im Falle eines Scheiterns der Akteure die Fallhöhe ver- größert: „Hohenlohe in Haft gestorben. Seine Aufenthaltsgenehmi- gung für Thailand war abgelaufen. Der Prinz, der durch seine Groß- mutter Clara Agnelli zu der bedeutendsten italienischen Großindustri- ellendynastie gehört, soll das Visum gefälscht haben“. Ein inniges Näheverhältnis zu Gianni Agnelli wird für Hubertus von Hohenlohe konstruiert, der seinem mittlerweile verstorbenen ‘On- kel’ Umberto Agnelli versprochen hätte, bei der Abfahrt in Turin dabei zu sein (vgl. Hubertus von Hohenlohe hat keine Quali-Sorgen). Auch über Todesfälle wird die innige Verbundenheit der Agnellis zu etablierten Persönlichkeiten konstruiert. Die Nähe zu Egon von Fürstenberg wird in der diskursiven Repräsentation der Trauer der Fa- milie Agnelli anlässlich dessen Todes konstruiert: 324 JULIA KUHN

„Der Tod des deutsch-italienischen Modedesigners Egon von Fürsten- berg [...], der überraschend im Alter von 57 Jahren in einem römischen Spital gestorben ist, ist ein weiterer Schlag für die italienische Unterneh- merdynastie Agnelli. Von Fürstenberg war Sohn des Österreichers Tassi- lo von Fürstenberg und der Autoerbin Clara Agnelli, Bruder der Prinzes- sin Ira von Fürstenberg und Neffe von Giovanni und Umberto Agnelli. Von Fürstenberg absolvierte ein Wirtschaftsstudium in der Schweiz, in New York entdeckte er danach seine Leidenschaft für die Mode.“ Auch zur piemontesischen Adelsfamilie der Montezemolos wird ein Näheverhältnis diskursiv konstruiert. Gianni Agnelli wird als Ziehva- ter Luca di Montezemolos dargestellt: sein „Ziehvater“ Giovanni Ag- nelli, „l’avvocato“ und bis zu seinem Tod 2003 Patriarch der italieni- schen Industrie-Ikone Fiat. Einen Schritt weiter geht der Mediendis- kurs, indem er das Gerücht einer tatsächlichen Verwandtschaftsbezie- hung, eines Vater-Sohn-Verhältnisses der beiden Männer streut, das durch äußere Merkmale, wie die strahlend blauen Augen, untermauert wird: „Luca di Montezemolo […] hätte die gleichen strahlenden blau- en Augen wie sein „Ziehvater“ (Giovanni Agnelli „Mit strahlend blau- en Augen in die Poleposition“). Ferner: „Es gibt ein jahrzehntealtes Gerücht, das in Italien jeder schon gehört hat, das von den Zeitungen stets galant umschrieben und von offizieller Stelle natürlich nie kom- mentiert wurde. Es lautet: Luca Cordero di Montezemolo, der gut aus- sehende Sanierer der Sportwagenschmiede , hätte nicht nur aus Zufall die gleichen strahlenden blauen Augen wie sein „Ziehvater“ Giovanni Agnelli, „l’avvocato“ und bis zu seinem Tod 2002 Patriarch der italienischen Industrie-Ikone Fiat. Nun erhält das Gerücht wieder neue Nahrung: Denn Montezemolo wird nach dem Ableben von Gio- vannis Bruder Umberto Agnelli neuer starker Mann des Konzerns.“ Montezemolo hat eine starke Position im Unternehmen, die ihm als „Vertrauter der Großaktionärsfamilie“ zukommt; dies wird etwa mittels elaborationaler Parataxe dargestellt: „Der Gesamtkonzern, des- sen bei weitem größter Teil die Autosparte ist, wird von einem Präsi- denten – früher die Agnellis, heute der Vertraute der Großaktionärsfa- milie, Montezemolo – geleitet.“ Diese starke Position ist Montezemo- lo jedoch nicht garantiert. Wenn der Mediendiskurs darstellt, dass Luca di Montezemolo als Aktor zurücktreten und John Elkann als be- neficiary fördern soll: „Gleichzeitig heißt es aber, dass auch Monteze- molo in Kürze die Präsidentschaft abgeben und diese dem Agnelli-En- kelsohn John Elkann überlassen wolle.“ AGNELLI VS. ELKANN – NAMENWECHSEL BEI FIAT 325

Diese Position kommt dem Akteur aufgrund des frühen Todes von Umbertos Sohn zu: „Umberto Agnellis Sohn Giovannino starb im De- zember 1997 im Alter von 33 Jahren an einem Tumor. Er galt als ‘Kronprinz’.“ Nicht nur Aristokraten werden als Vergleichsparadigmen herange- zogen, sondern auch andere berühmte Familienclans: „Wie die Fami- lie Kennedy in den USA ist auch das Schicksal der Unternehmerdy- nastie Agnelli von Todesfällen überschattet.“ Neben der Assoziation mit prestigereichen Anthroponymen erfolgt im Mediendiskurs häufig die funktionsrelationale Anknüpfung an qua- si-aristokratische Strukturen: Wie in einer Adelsfamilie werden die po- tentiellen Nachfolger als Kronprinzen wie Giovanni Alberto, Giovan- nino oder Thronfolger wie John bezeichnet: sein älterer Bruder John [von Lapo], der als Thronfolger der Unternehmerfamilie gilt (s. auch das Zitat, in dem Giovannino als ‘Kronprinz’ bezeichnet wird). Eine Führerposition wird auch Lapo als König des italienischen Jetsets zuerkannt: „Wegen seiner Extrovertiertheit und seiner Liebe für Partys in der High Society ist Lapo Elkann in den vergangenen Jahren zum jungen König des italienischen Jetsets aufgerückt“. Eine weitere Facette der Identitätskonstruktion der Agnellis ist der Sport, wie zum Beispiel deren Engagement für die olympischen Win- terspiele in Turin, im Zuge derer u.a. eine Rennstrecke sekundär nach Gianni Agnelli benannt wurde. Das Engagement, um den Austra- gungsort der Spiele nach Turin zu bringen, wird wie folgt dargestellt: „Wie erhielt Turin im ersten Anlauf den Zuschlag für die Winterspiele 2006? […] Mit Hilfe des „avvocato“ Giovanni Agnelli. Ihm war es ein echtes Anliegen, dass „seine Stadt“, Turin, zum Austragungsort der Olympiade 2006 ernannt wird. Niemand hat bisher in der ersten Run- de den Zuschlag erhalten“. In diesem Zitat fällt die Darstellung des mental affektiven Prozesses auf, in dem Gianni Agnelli als Sensor auf- tritt, der ein Anliegen hat, dessen Verwirklichung ihm gelingt. Im Nachsatz wird darauf hingewiesen, dass niemand dies bisher geschafft habe, womit auf die Außergewöhnlichkeit Gianni Agnellis hingewie- sen wird. Zudem spielen die Agnellis eine bedeutende Rolle im Fußball, be- sonders für Juventus Turin: die Familie Agnelli, Mehrheitsaktionärin von Juve, der Großaktionär des italienischen Rekord-Fußballmeisters „Juve“, die Unternehmerfamilie Agnelli, die Juve-Großaktionäre, die Fiat-Familie Agnelli. 326 JULIA KUHN

7. Conclusio Die Namen Agnelli und Fiat sind eng miteinander verknüpft. Eine zentrale Position innerhalb der Familie Agnelli kommt dem Familien- oberhaupt zu. Die Person, die diese Funktion erfüllt, wird im medialen Diskurs als souverän und mächtig konstruiert. Mit John Elkann, dem Enkel Gianni Agnellis, tritt nach Vorgängern wie Giovanni, Edoardo, Gianni und Umberto Agnelli erstmals eine Person, die nicht den Fami- liennamen Agnelli trägt, in dieser Funktion auf. In diesem Beitrag wurde der Frage nachgegangen, wie der mediale Diskurs mit diesem problematischen Namenwechsel an der Spitze des Clans umgeht. Es konnte gezeigt werden, dass im Falle John Elkanns dessen Zugehörig- keit zum Agnelli-Clan durch die verwandtschaftsrelationale Anbin- dung an die Familie Agnelli in Nominationen verstärkt zum Ausdruck kommt. Die mediale Identität John Elkanns wird als die eines Mit- glieds der Familie Agnelli konstruiert, wobei mitunter verwandtschaft- liche Beziehungen sogar als näher konstruiert werden, als sie tatsäch- lich sind. Der Zusammenhalt innerhalb der Familie wird durch die as- soziative Nennung von Familienmitgliedern in Nominationen betont, die Machposition des Oberhaupts der Familie Agnelli wird durch dis- kursive Konstruktion von Näherelationen zu Anthroponymen promi- nenter oder adeliger Persönlichkeiten repräsentiert. Diese im Mediendiskurs angewandten diskursiven Strategien der Identitätskonstruktion John Elkanns repräsentieren Elkann als Mit- glied des Agnelli-Clans, vermeiden somit eine Schlechterstellung auf- grund des Namens und legitimieren Elkanns Position in der Familie Agnelli und im Unternehmen Fiat.

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Julia Kuhn Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Romanistik Ernst-Abbe-Platz 8 D-07743 Jena, Germany [email protected] AGNELLI VS. ELKANN – NAMENWECHSEL BEI FIAT 329

Summary: Agnelli vs. Elkann – Name change at Fiat. Reflections on a discursive representation and socio-economic implications The anthroponym Agnelli and the ergonym Fiat are closely linked. The capo of the family Agnelli has a strong position within the clan. After predecessors like Giovanni, Edoardo, Gianni and Umberto Agnelli the actual clan leader, John Elkann, is the first one not carrying the family name Agnelli. In this article the question is raised how the media discourse deals with this difficult name change and which are the verbal strategies applied to justify Elkann’s strong position within the family Agnelli and the enterprise Fiat.

Résumé: Agnelli vs. Elkann – Le changement de nom chez Fiat. Réflexions sur la représentation discursive et des implications socioéconomiques L’anthroponyme Agnelli et l’ergonyme Fiat sont fortement liés. Le capo de lafamille Agnelli a une position forte au sein de l’entre-prise. Les capi Giovanni, Edoardo, Gianni et Umberto Agnelli portaient le nom Agnelli, tandis que le leader actuel porte le nom John Elkann et ainsi il est le premier qui ne porte plus le nom de famille traditionel Agnelli. Cet article analyse le traitement de ce changement de nom dans le discours médiatique et montre quelles dont les stratégies verbales appliquées pour justifier la forte position de John Eklann au sein de la famille Agnelli et de l’entre-prise Fiat.

Zusammenfassung: Agnelli vs. Elkann – Namenwechsel bei Fiat. Überlegungen zur diskursiven Repräsentation und zu sozioökonomi- schen Implikationen Das Anthroponym Agnelli und das Ergonym Fiat werden häufig assozi- iert. Der jeweilige capo der Familie hat eine besonders starke Position. Nach Vorgängern wie Giovanni, Edoardo, Gianni und Umberto Agnelli ist John Elkann der erste Clanchef, der nicht den Namen Agnelli trägt. In die- sem Artikel wird der Frage nachgegangen, wie der Mediendiskurs mit die- sem schwierigen Namenwechsel umgeht und welche verbalen Strategien angewandt werden, um John Elkann als Mitglied der Famiie Agnelli zu konstruieren und seine starke Position in Familie und Unternehmen zu rechtfertigen.