Kluge Köpfe : Aus 600 Jahren Universität Rostock
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KLUGE KÖPFE aus 600 Jahren Universität Rostock in den Augen der Kunst Grußwort eit Jahrhunderten fießen Wissenschaft und Kunst an der alt- unscheinbar wie das kaum zu fassende Lebensporträt der ersten Sehrwürdigen Universität Rostock zusammen, verbildlichen (Medizin)Promovendin 1913 in Rostock, Sophie Jourdan, stellt künstlerische Ausdrucksformen die wissenschaftliche Arbeit – nicht für mich das von Wirbeln eingerahmte, keramische Schattenbild- immer sichtbar, oft vergessen. Dabei lassen sich bedeutende nis in seinem Kontext eines der faszinierendsten Künstlerarbeiten Kunstwerke von überregionaler Bedeutung in den Beständen dar. Ihr Kopf startet in diesem kunstvollen Ensemble eine Reihe der Kustodie oder in den Sondersammlungen der Universitäts von weiteren gelehrten Frauen, die an dieser Universität gewirkt bibliothek, aber auch in den Magazinen einzelner, vor allem na haben, wie Mathilde Mann zu Beginn des 20. Jahrhunderts als turwissenschaftlicher Bereiche fnden. Diese erleben mit der eine »Frau der Sprachen und Schriften«, oder Lotte Eisner, der Erschließung und der schrittweisen Erweiterung des Zugangs 1924 in Rostock promovierten Altertumswissenschaftlerin, die für die Öffentlichkeit, sowohl analog als auch digital, gerade eine sich kurz darauf dem damals neuen Medium Film zuwandte und Wieder entdeckung. zu einer der bedeutendsten deutschfranzösischen Filmkritikerin- Umso erfreulicher ist es, wenn vorhandenes und/oder histori- nen und historikerinnen des 20. Jahrhunderts avancierte. sches Wissen immer wieder zu neuen Ideen und Expressionen inspiriert, so geschehen im Jubiläumsjahr 2019 der Universität. Mit der vorliegenden Broschüre vereinen wir alle 22 Kunstwerke, Unterschiedliche Projekte, Veranstaltungen und festliche Ereignis- die während der Ausstellung 2019 präsentiert worden waren, in se haben das ganze Jahr hindurch die vergangenen sechs wech- einem Band. Gehen Sie auf Entdeckungstour und erfreuen Sie selhaften Jahrhunderte der Hochschule gewürdigt. Einen Höhe- sich an den detaillierten Fotografen, welche die einzelnen Stücke punkt stellte unzweifelhaft die Ausstellung »Menschen – Wissen in besonderes Licht rücken. Die kleinen Begleittexte informieren – Lebenswege« im Kulturhistorischen Museum Rostock dar. Auf über die historischen Persönlichkeiten und geben spezielle Ein großes Interesse stieß ein ganz besonderer Teil dieser Ausstellung, blicke in die ideenreiche Gedankenwelt der Künstler*innen zu sozusagen ein »Special«: Künstlerinnen und Künstler setzten sich ihren neu geschaffenen Kulturobjekten. mit 22 ausgewählten Persönlichkeiten aus der 600jährigen Ge- Wir danken dem Ministerium für Soziales, Integration und schichte der Universität auseinander und gestalteten auf individu Gleichstellung MV für die Förderung dieses Projektes. Kein Buch elle Weise einzigartige Kunstobjekte, die uns diese »klugen Köpfe« entsteht ohne engagierte Autor*innen. Daher gilt ein besonderer und ihre wissenschaftlichen Leistungen neu erfahren lassen. Dank den Künstler*innen und vor allem Antje Strahl für die Texte. Eindrucksvolle Metallarbeiten führen uns ins 16. Jahrhundert und Besonders großer Dank gebührt jedoch den Herausgeberinnen erinnern an die Letternkunst des Universitätsbuchdruckers Lud- Angela Hartwig, der langjährigen Leiterin des Universitätsarchivs, wig Dietz sowie an die facettenreiche Bildung des Bibliotheks- sowie Christiane Lamberz als Initiatorin und Organisatorin des gründers und begnadeten Poeten Nathan Chytraeus. Einer der Projektes. größten Wissensnachlässe des 18. Jahrhunderts in Mecklenburg wird uns mit der Buchplastik zum Wirken des Orientalisten und Ihre Antje Theise Bibliotheksdirektors Oluf Tychsen präsentiert. Auf den ersten Blick Bibliotheksdirektorin 3 Kluge Köpfe aus 600 Jahren Universität Rostock in den Augen der Kunst m Jahr 2019 beging die Universität Rostock als älteste Universi- ten. Die Vorbereitungen waren in den vier Kriegsjahren fast gänz- Ität im Ostseeraum ihr 600. Jubiläum. lich zum Stillstand gekommen. Den Festakt im November 1919 Jubiläen tragen dazu bei, die Erinnerungskultur einer Einrich- dominierten letztlich politische Differenzen: auf der einen Seite tung zu beleben. Jahrhundertfeiern standen an der Rostocker die monarchistischen und reaktionären Auftritte einer Reihe von Universität nicht immer unter einem guten Stern. So sah die Professoren und Studenten gegenüber der Landesregierung und Universität von einer Feier zum 100jährigen Jubiläum im Jahr auf der anderen Seite die Landesregierung, die auf Frieden und 1519 ab, da sich der Niedergang der Hanse abzeichnete, die Im- Neuanfang setzte und das Jubiläum als Zeichen der kulturellen Er- matrikulationszahlen durch zunehmende kriegerische Auseinan- neuerung und eines wissenschaftlichen Aufbruchs verstand. Die dersetzungen im Ostseeraum dramatisch sanken und auch die 550Jahrfeier 1969 war geprägt durch die III. Hochschulreform, Pest ihre Spuren hinterließ. 1619 beschlossen Rektor und Konzil mittels derer der Einfuss des sozialistischen Staates, speziell der die erste große Jubiläumsfeier seit der Universitätsgründung. Ob- SED, auf alle Bereiche der Universität ausgedehnt worden war. wohl der Dreißigjährige Krieg bereits seine Schatten vorauswarf, fand in Rostock ein achttägiges prunkvolles Fest statt. Im Jahr Im Vorfeld der nächsten Jahrhundertfeier 2019 begannen die 1719 verhinderten schwere äußere und innere Kämpfe um und in Vorbereitungen zur Durchführung zahlreicher Vorhaben bereits Mecklenburg die feierliche Begehung des Jubiläums. Erst 1819, um die Jahrhundertwende. So fand sich eine Gruppe von Wis- zum 400jährigen Bestehen der Universität, fand – trotz abermals senschaftlern, Archivaren, Bibliothekaren und Studierenden in der stürmischer Zeiten – wieder eine Jubiläumsfeier in Rostock statt. Forschungsstelle Universitätsgeschichte zusammen, um Projekte, Auf die »Franzosenzeit« und die Befreiungskriege folgten Res- Publikationen zur Geschichte der Universität, Ausstellungen und tauration und »Demagogenverfolgung«. Das Universitätsklima Veranstaltungen für das Jahr 2019 vorzubereiten. war angespannt, und man veranstaltete eine eher bescheidene Ein besonderes und einzigartiges Projekt war die Entwicklung Feierlichkeit mit Gottesdienst, Festessen und Ball. Die 500Jahr- zweier OnlinePortale für die beiden wichtigsten Personengrup- feier schließlich sollte ein herausragendes Ereignis in der Univer- pen, die die Institution Universität über Jahrhunderte hinweg ge- sitätsgeschichte werden. Mit den Vorbereitungen begann man prägt haben: Professoren und Studenten. Das Matrikelportal und bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Durch den Ausbruch des der Catalogus Professorum Rostochiensium, in denen die »Klu- Ersten Weltkrieges und seine Folgen auch für die Universität war gen Köpfe« der Universität Rostock ab dem Gründungsjahr 1419 1918 klar, dass die ehrgeizigen Ziele nicht erfüllt werden konn- weltweit recherchierbar sein sollten, wurden konzipiert. 4 In der Endphase zur Fertigstellung der OnlinePortale zeichnete sechs Jahrhunderten. Hier half die Konsultation der beiden neu sich die Kooperation mit einer anderen Gruppe an »Universitäts- geschaffenen Onlineportale Catalogus Professorum Rostochien freunden« ab, die einen Beitrag zum Universitätsjubiläum leisten sium und Matrikelportal. wollten. Die »Galerie Klosterformat« veranstaltete vom Universi- Insgesamt 23 Künstler*innen wurden mit ihren Ideen ausge- tätsplatz bis auf den Innenhof des »Klosters zum Heiligen Kreuz« wählt. Es entstanden innerhalb von sechs Monaten ganz unter- 2017 den 20. großen Kunstmarkt »KUNST-FORMATE«. Das Ju- schiedliche Kunstobjekte. Sie wurden vom 23. August bis zum 22. biläum 600 Jahre Universität Rostock 2019 bot die Möglichkeit, November 2020 auf der Wiese im Innenhof des Kulturhistorischen die 22. »KUNST-FORMATE« in einer neuen künstlerischen Idee Museums auf einer Eichenbalkenkonstruktion ausgestellt. umzusetzen. Dazu entwickelte die Organisatorin Christiane Lam- berz gemeinsam mit Alexander von Stenglin das Konzept einer In- Nach Beendigung der Feierlichkeiten und dem Abbau der Installa- stallation zum Thema »Kluge Köpfe«. Es wurden Keramiker*innen, tion der »Klugen Köpfe« organisierten die Veranstalter eine Kunst- Schmuck und Metallgestalter*innen aus ganz Deutschland einge- versteigerung. Der Universität Rostock war es möglich, 16 Objek- laden. Auf der Innenwiese des Kulturhistorischen Museums sollte te für ihre Kunstsammlung zu sichern und diese im Schaudepot mit den entstandenen Kunstobjekten die Jubiläumsausstellung des Hauptgebäudes der Universität Rostock zu präsentieren. »Menschen – Wissenschaft – Lebenswege« im Kulturhistorischen Museum begleitet werden. In der vorliegenden Publikation sind alle Kunstwerke als Frontal- Die ursprüngliche Idee, Frauen als Wissenschaftlerinnen und ansicht und in Detailabbildungen zu bewundern. Die dargestellten Forscherinnen in den Mittelpunkt zu stellen, wurde angesichts »Klugen Köpfe« der Universität Rostock werden durch eine Kurz- der Tatsache, dass sich Rostock erst ab 1909/10 für Studentin- biografe vorgestellt. Die Künstler*innen kommen selbst zu Wort nen öffnete und daher die 600jährige Geschichte rasch auf 100 und geben interessante Einblicke in ihre Wahl der jeweiligen Per- Jahre eingekürzt werden würde, »aufgeweicht«, so dass nun sönlichkeit und ihre Art der künstlerischen Auseinandersetzung Frauen (auch zahlenmäßig) gleichberechtigt neben Männern mit ihr. vertreten sein würden. Eine weitere Schwierigkeit lag in der großen Anzahl vieler klu- Eine spannende Lektüre wünschen ger