Heft-DVD Void © Andrea De Martin, 123RF © Andrea

Individualisierbare Distribution für alte und neue Hardware Nicht von der Stange

Die Distribution Void Linux bietet interessante Zutaten, wie etwa als -System

oder das hauseigene Werkzeug Xbps für das Paketmanagement. Ferdinand Thommes

Ein Großteil der heute verfügbaren Dis­ temstart sowie das Verwalten und Been­ tributionen basiert auf und un­ den der Prozesse kümmert. In dieselbe terscheidet sich häufig nur in Nuancen Kerbe schlagen  als schlanke vom Original. Dass es auch ganz ohne ­Alternative zur GNU-C-Bibliothek und den Unterbau einer anderen Distribu­ LibreSSL  statt OpenSSL. Dabei zählen README tion geht, beweisen populäre Distribu­ die Void-Entwickler nicht zur lautstarken tionen wie KaOS und sowie expe­ Minderheit der -Hasser, sondern Die Distribution Void Linux ermöglicht rimentell ausgerichtete Projekte wie wollen einfach eine Alternative anbieten. Anwendern, die keine Scheu vor der Kom- ­Bedrock, NixOS und Gobo Linux. Der mit durchschnittlich gut 200 Anwen­ mandozeile haben, bis ins Detail individuell Irgendwo dazwischen siedelt sich Void dern gut besuchte IRC-Kanal der Distri­ gestaltete Installationen auch auf alter Linux  an. Die Distribution nutzt neben bution zeigt, dass sie damit irgendetwas Hardware. Anstelle von Systemd kommt einem eigenen Build-System und Paket­ richtig machen müssen. manager das schlanke Init-System Void Linux hat sich Leichtgewichtig­ dabei das kompakte Runit zum Einsatz. ­Run­it , das sich lediglich um den Sys­ keit auf die Fahnen geschrieben. Dafür

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steht neben Runit und Musl auch der über das Paketsystem nachinstallieren. Verzicht auf die Desktop-Dickschiffe KDE Allerdings steht KDE noch bei der hoff­ und Gnome sowie die gute Unterstüt­ nungslos veralteten Version 4.13. Gnome zung für die Kleinstrechner , kommt zwar in der recht aktuellen Re­ Void Linux 20170220 (64 Bit) , Beaglebone, Odroid und lease 3.24 mit, zieht allerdings Systemd bootfähig auf DVD USB Armory. auf den Rechner, was bei Void mit sei­ nem minimalen Init-System Runit eher Leichte Kost kontraproduktiv erscheint.

Die Abbilder ohne Desktop-Umgebung Raspberry Pi und Co. kommen schon mit einer Pentium-4- oder EM64T-CPU, 96 MByte RAM und Auf der ARM-Plattform bietet Void Linux 350 MByte Plattenplatz aus. Für die Ima­ Unterstützung für Cubieboard, Cubie­ ges mit Desktop benötigen Sie einen board2 sowie Beaglebone, Odroid-C2 Rechner mit mindestens 256, besser und Raspberry Pi in allen Varianten so­ 512 MByte RAM. Das Konzept der Leich­ wie das freie USB-Stick-Projekt USB Ar­ tigkeit setzt sich auch bei der Ausstaffie­ mory . Auch hier gibt es jeweils eigene rung der Desktops mit Anwendungen Musl-Varianten. Bei den ARM-Varianten fort: Neben einem Webbrowser sind ­lediglich die zum jeweiligen Desktop ­dazugehörigen Werkzeuge mit an Bord. Ursprünglich entstand Void 2008 als Testumgebung für das X Binary Package System (Xbps), einen Ersatz für das aus 1 Der Willkom- der BSD-Ecke stammende . Da­ mensgruß von raus erwuchs mit der Zeit eine vollwer­ Void Linux fin- tige Rolling-Release-Distribution. Dabei det im Terminal beziehen Sie entweder vorgebaute statt, sofern das Binär­pakete über Xbps oder kompilieren Image keinen diese mittels Xbps-src selbst. Dabei sind Desktop mit- native Builds genauso möglich wie bringt. Cross-Kompilate der unterstützten Ar­ chitekturen. Die Vorlagen dazu liegen auf GitHub , wir gehen darauf später noch genauer ein.

Auswahl satt

Void bietet verschiedenste Abbilder zum Herunterladen an . Die Grundlage bil­ den x86-Abbilder ohne Desktop-Umge­ bung für 32- und 64-Bit-Rechner 1, die jeweils rund 250 MByte groß sind. Abbil­ der mit den Desktops Cinnamon, Enligh­ tenment 2, LXDE, LXQt 3, Maté und gibt es ebenfalls in 32- und 64-Bit- Versionen. Die 64-Bit-Images bieten die Entwickler zusätzlich mit Musl statt der Libc an. Die x86-Abbilder sind alle als Live-Image mit Installer ausgelegt. Eine Installation gelingt sowohl lokal vom Abbild als auch aus dem Netz; die Auswahl dazu treffen Sie erst im Installer. KDE und Gnome lassen sich bei Bedarf 2 , ein weniger bekannter Desktop, ist bereits für Wayland vorbereitet.

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liegt neben einem Live-Image jeweils nur ein Grundsystem zur Verfügung, des­ ein RootFS-Abbild vor, aus dem heraus sen Ausgestaltung Ihnen völlig freisteht. Sie das Image nach eigenen Vorstellun­ gen anpassen können. Textinstaller Bevorzugen Sie ein Linux ohne Sys­ temd oder möchten Void einfach nur Bei den Images ohne Desktop erledigen ausprobieren, greifen Sie zu einem der Sie das Aufsetzen des Netzwerks sowie Abbilder mit Desktop-Umgebung. Wer das Partitionieren mit den bekannten im Schlaf installiert, kann ­Linux-Bordmitteln. Die Desktop-Varian­ auch eines der Basis-Images testen. Im ten bieten hier ein wenig mehr Komfort Rahmen des Tests lag der Fokus auf der und spannen bereits in der Live-Version Basis-Installation der Images mit Maté, ein Netzwerk auf. Im Test muss sich Void LXQt und Enlightenment. Bei allen Ima­ ­Linux mit dem Maté-Desktop beweisen, ges von Void Linux sucht man einen gra­ die anderen Distributionsvarianten mit fischen Installer oder Paketmanager ver­ und ohne Desktop verhalten sich bei der gebens. Fast alle Administrationsaufga­ Installation ähnlich. ben erledigen Sie auf der Kommando­ Überall kommt der auf Ncurses basie­ zeile mit den jeweiligen Werkzeugen. rende Text-Installer zum Einsatz, der in Bei diesem Kontrastprogramm zum zwölf Schritten durch die Installation Komfort anderer Distributionen handelt führt 4. Sie starten ihn mit sudo vo‑ es sich weder um Selbstzweck noch um id‑installer in einem Terminal, wobei Attitüde, sondern um einen Teil des Kon­ hier noch die amerikanische Tastaturbe­ zepts, das zu einem individuellen und legung greift. Die ersten acht Schritte leichtfüßigen System führen soll. Möch­ bedürfen kaum einer Erläuterung, sie ten Sie Ihr System von Grund auf selbst bestehen aus Auswahldialogen und ein­ aufbauen und sind willens, die vorhan­ fach zu beantwortenden Fragen. denen Quellen für Support auszuschöp­ Weiter geht es mit der Partitionierung fen, liegen Sie sowohl mit den Basis-Ab­ der im System vorhandenen Datenträger. bildern als auch mit den Desktop-Varian­ Im Netz findet sich dazu eine sehr aus­ ten richtig. Die Installation stellt jeweils führliche Anleitung , die den Vorgang mit vielen Bildschirmfotos illustriert. Den Partitionseditor Cfdisk haben Sie vermut­ lich schon einmal in der Hand 5, doch hilft die Anleitung besonders bei der an­ schließenden Formatierung, die sich nicht gerade intuitiv erschließt. Hier müssen Sie nach dem Bestätigen der Formatierung den Schalter Back an­ tippen 5, denn sonst geraten Sie in eine Schleife, die Sie immer wieder dieselben Schritte wiederholen lässt. Bereits Minu­ ten nach einem entsprechenden Hinweis an den Entwickler fand sich auf Github ein Pull-Request für die Fehlerbereini­ gung. Somit bietet die nächste Ausgabe von Void Linux in diesem Punkt eine logi­ schere Benutzerführung.

Anpassungen

Das Eingeben aller für das Setup nötigen Informationen dauert rund 10 Minuten, die Installation selbst läuft auf neuerer 3 Als einziger Void-Desktop basiert LXQt auf dem Qt-Framework. Hardware in weniger als 5 Minuten

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durch. Direkt nach dem Neustart passen Sie die Tastaturbelegung an, wozu Sie die Bordmittel des jeweiligen Desktops nutzen 6. Im Terminal gelingt das durch einen Eintrag hinter KEYMAP= in /­etc/rc.conf. An gleicher Stelle treffen Sie gegebenenfalls auch Einstellungen zur Zeitzone, dem Terminal-Font und der Anzahl der gewünschten TTYs. 4 Der Text-­ Danach sollten Sie die Bash als Shell Installer teilt die für das Root-Konto aktivieren, sodass Sie Vorbereitung auch als administrativer Nutzer die Auto­ der Installation vervollständigung im Terminal verwen­ in zwölf Berei- den können und Ihnen die History-Funk­ che ein. tion zur Verfügung steht. Void verzichtet aus Sicherheitsgründen auf diese Ein­ stellung. Um dem abzuhelfen, ändern Sie das Ende der ersten Zeile in /­etc/ passwd von /bin/sh nach /bin/bash.

Aktualisierung 5 Nach Aus- Als Nächstes bringen Sie mithilfe des wahl des Datei- ­Paketmanagers Xbps das System auf systems führt den aktuellen Stand. Der Befehl sudo der Installer zu- xbps‑install ‑S aktualisiert die Quel­ rück in die Liste lenliste, das Kommando sudo xbps‑ der Partitionen. in­stall ‑u aktualisiert dann die Instal­ Hier müssen Sie lation. Beide Vorgänge lassen sich mit Back wählen. sudo xbps‑install ‑Su zu einem Kom­ mando vereinen. Die Aktualisierung erfolgt beim ersten Tmux oder Rsync. Das fällt oft erst auf, sierung helfen Sie dem mit dem Kom­ Mal vermutlich in zwei Schritten, es sei wenn man das Werkzeug benötigt. Frisch mando aus der ersten Zeile von Listing 2 denn, das Image ist relativ neu 7. Wenn installierte Hintergrunddienste konfigu­ ab – in diesem Beispiel durch Nachzie­ das System beim ersten Update-Versuch riert Void zwar und versieht sie mit einem hen des LXQt-Desktops. Möchten Sie di­ nur Xbps selbst und einige wenige Pake­ Runit-Startskript, ruft sie aber nicht auto­ rekt in die grafische Oberfläche booten, te einspielt, dann braucht es einen zwei­ matisch auf. Sie müssen also mit einem aktivieren Sie noch den Login-Manager ten Lauf, um die Installation mit der symbolischen Link für den Aufruf sorgen; (zweite Zeile). eben eingespielten neuen Version des das Strickmuster dazu zeigt Listing 1. Paketmanagers zu aktualisieren. Haben Sie die Basisinstallation ohne Xbps schnell erlernt Nach dem System-Update und einem Desktop gewählt, dann fehlen der X-Ser­ anschließenden Neustart sollten Sie sich ver sowie ein Login-Manager. Nach dem Die Handhabung des Paketmanagers so­ Gedanken machen, welche Software Sie Reboot und der beschriebenen Aktuali­ wie des Repositorys beschreibt das Void- auf dem System verwenden wollen. Wie bereits erwähnt, herrscht im Anwen­ dungsmenü zunächst bewusst gähnen­ Listing 1 de Leere. Es genügt aber das Komman­ $ sudo ln ‑s /etc/sv/Daemon /var/service/Daemon do sudo xbps‑install Paket, um eine gewünschte Software aus dem Reposi­ tory nachzuziehen. Dabei fällt auf, dass Xbps im Vergleich zu Apt bei Listing 2 wieselflink zu Werke geht. $ sudo xbps‑install xorg lxdm Einer Void-Standardinstallation fehlen zahlreiche nützliche Tools wie Screen, $ sudo ln ‑s /etc/sv/lxdm /var/service/lxdm

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Wiki sehr ausführlich . Da Void bei der Wiki eine Schnellanleitung  bietet. Auf Installation nur freie Software mitbringt, Github liegt zudem eine technisch müssen Sie unter anderem für unfreie ­detaillierte Beschreibung . Software wie Grafikkarten- oder WLAN- Um es vereinfacht zu skizzieren, holen Treiber den Non-Free-Teil des Reposito­ Sie sich zunächst Paketvorlagen auf die rys aktivieren. Festplatte (Listing 4, erste Zeile). Danach Zunächst bringen Sie dazu die vorhan­ erstellen Sie im entsprechenden Ver­ denen Repos in Erfahrung (Listing 3, zeichnis eine Bootstrap-Umgebung ­Zeile 1). Danach installieren Sie das Non­ (letzte Zeile), die das System anschlie­ free-Repo (Zeile 2), aktualisieren dann ßend zum Bauen der Pakete benutzt. die eingetragenen Repositories (Zeile 3) Auch alle von Void angebotenen Binär­ und überprüfen abschließend den Erfolg pakete wurden mit Xbps-src erstellt. der Aktion (Zeile 4). Sie können vorhandene Vorlagen nut­ Xbps bietet nützliche Funktionen, die zen, diese abändern oder auch neue Vor­ beispielsweise Apt und Dpkg vermissen lagen für Pakete erstellen. Selbst erstellte lassen. So lassen sich Pakete inklusive Pakete lassen sich über einen Pull-Re­ der nicht mehr benötigten Abhängigkei­ quest für das offizielle Repo bereitstellen. ten in einem Rutsch entfernen. Lassen Allerdings unterliegen die eingereichten Sie beim in der letzten Zeile von Lis­ Pakete bei Void einer strengeren Quali­ ting 3 gezeigten Befehl das ‑R weg, ent­ tätskontrolle als etwa beim Arch User fernt die Paketverwaltung nur das ange­ ­Repository (kurz AUR) von Arch Linux, da gebene Paket aus dem System, nicht diese Pakete in das offizielle Repository aber dessen Abhängigkeiten. einziehen, falls die Void-Entwickler sie akzeptieren. Selbst gebaut Der Paketbestand von Void Linux liegt derzeit für die x86-Plattform bei mehr als Wie bereits erwähnt, lassen sich Anwen­ 8250 Paketen, die ARM-Varianten bieten dungen mit Xbps-src anhand vordefi­ alle über 5000 Pakete an. Mithilfe eines nierter Rezepte auch direkt aus dem kleinen Skripts  lässt sich die jeweilige Quellcode bauen. Dabei dürfen Sie eige­ Anzahl für alle unterstützten Architektu­ ne Vorgaben machen, wofür das Void- ren schnell ermitteln.

Listing 3 01 $ sudo xbps‑query ‑Rs void‑repo 02 $ xsudo bps‑install void‑repo‑nonfree‑9_1 03 $ sudo xbps‑install ‑S 04 $ xbps‑query ‑L 05 $ sudo xbps‑remove ‑R Paket

Listing 4 $ git clone https://github.com/ voidlinux/void‑packages

$ ./xbps‑src binary‑bootstrap

Weitere Infos und interessante Links

www.​­linux‑user.​­de/​­qr/​­39688 6 Die Tastaturbelegung stellen Sie über Desktop-Werkzeuge oder die /etc/rc.conf ein.

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Fazit Für Anwender von Nischen-Distributio­ nen ist die Unterstützung durch Entwick­ Void Linux eignet sich sicher nicht für ler und Community enorm wichtig. Die ­jedermann. Anwender mit ein wenig Dokumentation von Void Linux genügt in ­Linux-Erfahrung und Willen zum Lernen vielen Fällen, steht allerdings nur in Eng­ finden in Void aber möglicherweise ihre lisch zur Verfügung. Der gut geführte IRC- Wunsch-Distribution, die es erlaubt, Kanal hilft bei akuten Notfällen. (cla) n selbst ein für die eigenen Zwecke maß­ geschneidertes System zu bauen. Vieles erinnert entfernt an Arch Linux, jedoch in einem viel überschaubareren Rahmen. Void Linux geht rasend schnell zur ­Sache, auf halbwegs aktueller Hardware vergeht kaum ein Wimpernschlag zwi­ schen dem Aufruf einer Anwendung und deren Start. Somit passt das System sehr gut zu betagter Hardware; gegebe­ nenfalls ersetzen Sie die Desktop-Umge­ bung durch einen einfachen Fenster­ 7 Der erste manager oder booten gleich vollkom­ Schritt der Aktu- men ohne Ballast in ein Terminal. Das alisierung hebt System wirkt sehr stabil, das Paket­ Xbps selbst auf management arbeitet hervorragend, eine neue Ver- ­Runit verrichtet seine Arbeit klaglos. sion an.

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